Köbler, Gerhard, Zielwörterbuch europäischer
Rechtsgeschichte, 4. A. (20070513. Fassung)
A
A.
A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den
abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen -> Formularprozesses.
Lit.: Söllner § 9
Aachen ist der ohne nachweisbare Kontinuität zu einer römischen
Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765 als fränkische königliche ->
Pfalz erscheinende Ort. Von 936 bis 1531 ist es Krönungsstätte der deutschen
Könige. 1166 erhält es besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der
Bürger nachweisbaren -> Schöffen entwickeln sich zu einem bedeutenden ->
Oberhof für teilweise bis zu 200 Gerichte. Bis 1254 wird A. freie ->
Reichsstadt.
Lit.: Schwabe,
W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins
47 (1925), 38/39 (1927); Regesten der Reichsstadt Aachen, Bd. 1ff. 1937ff.; Herkens,
R., Der Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur.
Bonn 1959; Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966;
Kraus, T., Jülich, Aachen und das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des
15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004
Aargau ist das um die Aare gelegene Land, das als A. 763 erstmals
erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der -> Schweiz Teile des
Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831 eine liberale Verfassung
erhält.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a., Die
Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W., Mittelalterliche
Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz, H., Der Aargau
nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H., Der Kanton Aargau
und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der Stadt Aarau, Teil
1f. 1924ff. Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im Mittelalter, 1925; Aargauer
Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die Verwaltung der freien Ämter im 18.
Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die Gerichtsverfassung des aargauischen
Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann,
H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton Aargau (1847-1855),
1991
Abandon ist die wohl im spätmittelalterlichen
italienisch-französischen Seerecht entstehende Möglichkeit der Aufgabe der
Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit bzw. später
Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in einem Statut
der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang in das Recht
der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913
Abecedarium ist das auf Grund antiker Gedankengänge im Spätmittelalter
entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk eines Rechtsgebietes (römisches
Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder A. für -> Sachsenspiegel und
Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften).
Lit.: Das Preetzer Abecedarium mit dem Richtsteig
Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesch. 22 (1892),
297; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 77
Abendmahlsprobe ist eine Form des -> Gottesurteils.
Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter belegte, nach fruchtlosem
Verstreichenlassen einer Frist von -> Jahr und Tag eintretende Verstärkung
der -> Acht.
Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959
Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130 Sitz eines Bischofs und
1494/5 Sitz einer Universität.
Lit.: Keith, A.,
A thousand Years of Aberdeen, 1972; The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston,
M./Forte, A., 2000
Aberglaube
Lit.: Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003
Abfall
Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004
Abgabe ist die Leistung von Gegenständen an die Allgemeinheit, an
eine besondere Einrichtung oder an besondere Einzelne. Die rechtliche Grundlage
der A. ist verschieden. Meist beruht die A. auf einer Pflicht zur Unterstützung
als Gegenleistung für einen Schutz oder eine Gebrauchsmöglichkeit. In der
Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld. 1919
fasst das Deutsche Reich das Recht der Abgaben in der Reichsabgabenordnung
zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die Abgaben erneuert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist
Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56
(1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die
Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und
Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg.
v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998
Abkürzung
Lit.: Schuler, P., Abkürzungslexikon, 2007
Ablass ist die im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme
am Kreuzzug, 1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von
Verbindung zu Kreuzzügen gelöst) in der christlichen -> Kirche aus der Bitte
um Vergebung und Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott
verbindliche Befreiung von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe
begnügen sich mit einem Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und
artmäßige Erweiterung führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen.
Der Kauf von A. 8auch für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die
reformatorischen Ziele Martin -> Luthers.
Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im Mittelalter,
Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517, 2. A. 1934; Boschmann,
B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967
Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s zur Beseitigung
grundherrschaftlicher Rechte mit oder ohne Entschädigung. Dazu erlässt der
Staat -> Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den erleichterten
Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner,
das die persönliche Abhängigkeit der -> Bauern von den -> Grundherren
entschädigungslos aufhebt. Dem folgen am 14. 9. 1811 das Edikt, die Rechte der
gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und
das Edikt zur Beförderung der Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der
Bauer auf Antrag eines Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof
erhält, wofür er als erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher
Besitzer die Hälfte des Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde
Rente zahlen muss. Dadurch werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr
neues Eigentum aufgeben müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und
Kurhessen (1832) öffentliche -> Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den
Ablösungsbetrag in Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung
der Ablöseschuld in 40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auch die
Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder grundherrschaftlichen Wäldern
(Hessen 1814, Preußen 1821).
Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887
Abmeiern ist das Beendigen des grundherrschaftlichen ->
Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen und Ostwestfalen seit dem 14.
Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied) wird das A. verrechtlicht, mit
der -> Bauernbefreiung beseitigt.
Lit.: Wittich, W., Die Grundherrschaft in
Nordwestdeutschland, 1896
Abschichtung ist die vermögensrechtliche Verselbständigung eines Kindes
bei Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter fast nur
Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“ (d. h.
mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei Eheschließung
einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die väterliche
Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist unterschiedlich (z. B.
Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte).
Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und
Abschichtungsrecht, 1893
Absetzung ist die Entfernung eines Menschen aus einer Tätigkeit und
eines Wertes aus einem Vermögen. Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh
(z. B. Vertreibung des römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit
verrechtlicht.
Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter,
1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F., Tyrannen und
Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und
Erbreichsplan, 2004
Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg als Ziel gerichtete
Wille des Täters. Dieser wird im Mittelalter oft durch (lat.) animo deliberato,
cum deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder
mutwillig beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der
Rechtswidrigkeit gewollte Unrecht nach sich.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, Neudruck 1964, 68ff.
absolutio (F.) ab instantia
->
Instanzentbindung
Absolutismus ist die Regierungsform, bei welcher der Inhaber der
Herrschaftsgewalt (Monarch) dem Untertanen gegenüber unbedingte Macht hat. Der
frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich und England bis zum Ende des
15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische Ansichten, welche die
Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit der Staatsgewalt fordern
(-> Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe, 1513, -> Bodin, Jean
[1529-1596], Les six livres de la République, 1576). Mittel zur Durchsetzung
der absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der
Aufbau einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung
eines Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des
-> Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte) bei
der -> Landesherrschaft (in der Regel ohne Änderung der förmlichen
Rechtsgrundlage der Herrschaft). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig XIV.
(1643-1715) in -> Frankreich erreicht. Im Reich eifern dem viele
Landesfürsten nach (August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen,
Friedrich Wilhelm [1620-1688] von Brandenburg bzw. Preußen). In der Mitte des
18. Jh.s (Friedrich II. in Preußen, Joseph II. in Österreich) setzt im
aufgeklärten A. der Fürst als erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche
Änderungen in Gang (Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In
Frankreich beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen,
als Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres de la
république, 1576; Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des
absoluten Staatsgedankens auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr,
H., Der Absolutismus in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H.,
Kaiser Ferdinand II. und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F.,
Princes and parliament in Germany, 1959; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus,
1862; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraqxis, 1971; Dreitzel, H.,
Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970; Absolutismus, hg. v.
Hubatsch, E., 1973, 2. A; 1988; Der aufgeklärte Absolutismus, hg. v. Aretin, K.
Frhr. v., 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W., Das
Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die Entstehung
des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen Absolutismus, hg.
v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution,
1979; Meyer, J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N.,
The Myth of Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische
Verfassung in Deutschland, 1992; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im
Fürstenstaat, 1998; Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998;
Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v. Duchhardt, H., 1996; Hinrichs, E.,
Fürsten und Mächte, 2000; Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der
aufgeklärte Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a.,
2002; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Reinalter, H., Lexikon zzum
aufgeklärten Absolutismus, 2005
Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner Entscheidungen erfolgende Verfahren
zur Ermittlung des Willens einer Gesamtheit von zu einer Entscheidung
zugelassenen Personen hinsichtlich einer bestimmten Frage. Als eine besondere
Form der A. ist bereits im antiken Athen der Ostrazismus bekannt, bei dem das
Volk mittels je eines Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann,
ob ein Bürger, der die politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust
des Vermögens und seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im
Einzelnen erfolgen dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln,
bis in der Mitte des 19. Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers
mit grundsätzlich gleichem Stimmrecht durchzusetzen beginnt. Im 20. Jh. ist die
A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren
unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die -> Wahl dar.
Lit.: Stutz, U., Die
Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der
Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49 (1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U.,
Das Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J.,
Die verfassung der römischen Republik, 2000
Abstraktion ist die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden
Umstandes von einzelnen Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die ->
Pandektistik die Trennung des -> Verfügungsgeschäftes (-> Übereignung,
-> Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen ->
Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag) vom
Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch.
Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, in:
Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung
des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum
Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52
Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt, Vater“,
Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh. der
Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen ->
Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat. pater
[M.] spiritualis) verstanden. Die Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547)
legt Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum
anfangs vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen
Mönchen gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat
gegenüber den Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden
die Mönche Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das
freie Wahlrecht der Mönche das Einsetzungsrecht eines Herrn. Seit karolingischer
Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut. Synoden von Rom (826)
und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2) legen die
Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest. Im 11. und 12. Jh. dringt
der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der
benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique,
1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wiech, M., Das Amt
des Abtes im Konflikt, 1999
Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit dem 11. Jh. die von der
Tätigkeit eines Abtes übernommene Bezeichnung für die von einem -> Abt
geleitete, rechtlich selbständige Niederlassung eines christlichen Ordens. Die
A. kann -> Reichsabtei, landsässige A. oder der römischen Kirche
unterstellte freie A. sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen
Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebietes).
-> Abt
Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte vorzeitige Abgang der
menschlichen Leibesfrucht aus dem Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht
zulässig. Die -> Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als -> Mord,
Gratian (um 1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf
Grund von Exodus 21,22-23 milder. Seit etwa 1970 wird die kirchliche Auffassung
im weltlichen Recht zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach
gewordene Schwangerschaftsabbruch zugelassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die
Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser,
R., The Crime of Abortion, Diss. Washington 1942; Noonan, J., The
Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn.
Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988; Geschichte der Abtreibung, hg.
v. Jütte, R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der
Abtreibung, Diss. jur. Münster 1996; Müller,
P., Die Abtreibung, 2000; Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002;
Bett, J., Die Beurteilung der embryopathischen Indikation zum
Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur. Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit
der Abtreibung in der Kaiserzeit, 2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004;
Behren, D., Die Geschichte des § 218 StGB, 2004
Abtretung ist die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen
-> Gläubiger (Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer
Gläubiger wird. Sie ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die
Verbindlichkeit als höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner
betrachtet wird. Erst spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung
des Prozessmandates und der Novation wenigstens die Übertragung eines selbständigen
Rechtes zu, eine fremde Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt
sich in den mittelalterlichen Städten die Übertragung von Forderungen, die
zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung
gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen
Gläubiger bedarf. Dieses Zustimmungserfordernis entfällt letztlich unter dem
Einfluss des gemeinen Rechts, in dem das deutschrechtliche Gedankengut die
Übertragung der Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der
-> Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A.
aufnimmt. In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht
übertragbar.
Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214; Buch, G., Die
Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann,
H., Die Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht,
1924; Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche
Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992
Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer Siedlungsgemeinschaft,
den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel XLV (De migrantibus) des
fränkischen Volksrechtes (507-511) bezeugt
und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann ein Herr einem Fremden ein
Niederlassungsprivileg gewähren.
Lit.: Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5. 1894, das außerhalb des
Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) die Käufer von beweglichen Sachen vor
Benachteiligung schützen will, die aus wirtschaftlichen Gründen nur gegen
Zahlung des Preises in Raten kaufen können. Es wird 1994 durch das
Verbraucherkreditgesetz abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz
vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von
1894, ZRG GA 102 (1985), 130
Abzahlungskauf -> Abzahlungsgesetz
acceptatio (lat. [F.]) Annahme
acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme -> stipulatio
Accursius (Bagnolo bei Florenz 1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263)
wird in einer bäuerlichen Familie geboren und lehrt nach dem Studium des
römischen Rechts in Bologna (Azo) seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er (in
Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) Kommentare zu allen Teilen der justinianischen
Gesetze in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.] ordinaria) mit insgesamt
96940 Einzelglossen vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher
Verwertung der vorangehenden Literatur bietet.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur
Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del
convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Jakobs, H., Magna
Glossa, 2006
Achilleisches Hausgesetz -> Dispositio Achillea
Achramire (lat.-afrk.) ist
die frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen, einen Gerichtstag
wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen zu stellen
(Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder Zuwerfen
eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] -> festuca).
Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, Adhramire und die germanische
framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229
Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als
Unrechtsfolge mögliche allgemeine Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene
Taten, die eine niedrige Gesinnung widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird
der Täter in der Tat ergriffen, so kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen
bedarf es eines besonderen Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der
Geächtete steht außerhalb des Rechts, ist Feind aller und kann von jedem
folgenlos getötet werden. Das bewegliche Vermögen des Geächteten wird verteilt,
die Liegenschaft verwüstet. Mindere Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein
Jahr) befristet. Bei fruchtlosem Ablauf einer damit verbundenen
Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der Betreffende in -> Aberacht.
Die vom König oder seinem Gericht verhängte A. gilt als -> Reichsacht im
gesamten Reich. Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer
differenzierten Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen
Gerichtsherrschaft verschwindet (vom Reichskammergericht zuletzt 1698, vom
Reichshofrat zuletzt 1709 ausgesprochen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und
Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins
für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959;
Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M.,
Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992
Achtbuch ist das über die von einem Gericht ausgesprochene ->
Acht geführte Buch, wie es der Reichslandfriede des Jahres 1235 vorsieht (z. B.
Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg o. d. Tauber 1274, Nürnberg
1285).
Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd. 1f. 1960, 16
acta (lat. [N.Pl.]) -> Akten
acta municipalia (lat. [N.Pl.])
Gemeindeakten
Actio (lat. [F.]) ist
im römischen Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht
(Klaganspruch). Im -> Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des
Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die
Erteilung einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene
Sachverhalt keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag.
Allerdings kann der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers
gleichwohl als rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht
stellen. Die zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat,
werden vor allem im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De
actionibus (Von den Klagansprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt
beispielsweise Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Bethmann
Hollweg, C. v., Der Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter,
H., Actio und writ, 1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den
Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Gröschler, P., Actiones in
factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
actio (F.) ad exhibendum (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3
actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung für Gewaltunterworfene
Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung (aus Trödelvertrag)
Lit.: Köbler, DRG 48
actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch
zur Schätzung bzw. zum Ermessen
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II
actio (F.) auctoritatis (lat.) Klaganspruch wegen Eviktion (Entwerung) gegen den
Verkäufer
Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8
actio (F.) certae
creditae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem Zivilrecht
actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus Leihvertrag
Lit.: Kaser § 39 II
Actio (F.) communi
dividundo (lat.) ist im römischen Recht
der wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine lex Licinnia geschaffene
Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 83
actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des Mieters usw.
Lit.: Kaser §§ 42, 83
actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch, Nießbrauchsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 28, 29
actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch
Lit.: Kaser § 38 IV 2
Actio (F.) de dolo (lat.) ist im römischen Recht der auf Anregung des C.
Aquilius Gallus im 1. Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen
actio gewährte Klaganspruch des durch einen Betrug Geschädigten gegen den Täter
auf Ersatz des Schadens.
Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9
Actio (F.) de in rem
verso (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des Wertes, den ein
Gewaltunterworfener aus einem Verpflichtungsgeschäft erlangt und zu einer
Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers verwendet.
Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12;
Chiusi, T., Die actio de in rem verso, 2001
actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen Minderung durch Schaden
Lit.: Kaser § 50 II 4
actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch
über das Sondergut eines Gewaltunterworfenen
Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner §
12
Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des
Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den Verwahrer.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch
aus Garantieerklärung
Lit.: Kaser § 46 III 3
actio (F.) de tigno iuncto (lat.) Klaganspruch über den verwendeten
Balken
Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG
25; Hinker, H., Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41
actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9
actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den Reeder
Lit.: Kaser § 49
II 3
Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch des
Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig verpflichtenden
Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.
Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9,
24
actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II
actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner
§§ 8, 9
actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus
Sicherungsübereignung
Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9
actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch
Lit.: Kaser § 23
Actio (F.) furti
manifesti (lat.) ist im römischen Recht
der Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes
der entzogenen Sache.
Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio
furti, ZRG RA 96 (1979), 89
actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II 1
actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt zugeschnittener Klaganspruch
Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum, 2002
actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer, T., Die
actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre
im Zivilrecht, 2006
actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner
§ 9
actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender Klaganspruch
Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9
actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen einen
Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 49
actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 32, 85
actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption und
usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958
actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters usw.
Lit.: Kaser §§ 42, 83 II
actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus
Auftrag
Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83
actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klaganspruch
Actio (F.) negatoria (lat.) heißt im römischen Recht der Klaganspruch, mit dem
der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein anderer sich ein nicht
bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache anmaßt.
Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und
industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio
negatoria und Aufopferungsanspruch, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum
negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001
actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus Geschäftsführung
Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83
actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatzklaganspruch wegen Noxalhaftung des
Gewalthabers
Lit.: Köbler, DRG 27
Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche Nichtigkeitsklaganspruch
Lit.: Köbler, DRG 117
actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf
versprochene Dienste
Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II
actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 31, 39
actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch
actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch
Lit.: Kaser § 50 I 1
actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte
Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio praescriptis
verbis, ZRG RA 106 (1989), 434
actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II
actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch
gegen den Gesellschafter
Lit.: Kaser § 43 I
Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der wohl im letzten
vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene Klaganspruch des besseren
Besitzers (z. B. Ersitzungsbesitzers) gegen den schlechteren Besitzer auf
Herausgabe der Sache.
Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9
actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch
Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9
Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage)
ist im römischen Recht der Klaganspruch gegen den Hausvater wegen des Geschäfts
eines Haussohnes.
Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod
iussu, Diss. jur. Köln 1996
actio (F.) redhibitoria Wandelungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9
actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe des Heiratsgutes der
Frau
Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner, A,
Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969
actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch
Lit.: Kaser § 31 III
actio (F.) stricti
iuris (lat.) strengrechtlicher
Klaganspruch
Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I
actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den Vormund
Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3
actio (F.) utilis (lat.) brauchbar gemachter Klaganspruch
Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der actio
utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992
actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des Verkäufers
Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3
actus (lat. [N.]) Trift -> Dienstbarkeit
actus (M.) iuridicus (lat.) -> Rechtsgeschäft
Lit.: Köbler, DRG 164
actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches Rechtsgeschäft
Lit.: Kaser §§ 34, 41
Additio (F.) sapientium (lat.) ist das innerhalb der -> Lex Frisionum
überlieferte Protokoll über Rechtsmitteilungen zweier Männer namens Wlemarus
und Saxmundus.
Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927;
Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980
Adel ist die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten Familien
einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen Kulturen
auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen
deutschen Adels ist nicht geklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten
spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle. Nicht sicher
feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil, Behauptung
göttlicher Abkunft). Das fränkische Volksrecht (507-511?) kennt noch keine
rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter Familien, doch ist es nicht
ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen Reichsbeamtenschaft
hervorgegangene römische Senatorenadel vergleichbare fränkische Strukturen als
Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen steigen viele ihrer Anhänger
über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf. Infolge von Heiratsverbindungen
und militärischen Erfolgen entwickelt sich ein engerer Kreis bedeutender
Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des Reiches vorbehalten werden
(Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9. Jh.s erblich werden, festigt
sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten. Diese oberste Schicht des
bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein besonderes -> Wergeld
sowie im Übrigen durch -> Ebenburt (Ebenbürtigkeit) und später ->
Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird zu den -> Landesherren bzw. ->
Reichsfürsten. Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende,
durch Herrendienst entstandene -> niedere Adel in den Dienst der
Landesherren ein. Seit 1346 kann der A. (vom König) durch Urkunde an Bürger
verliehen werden (Briefadel). Mit dem Absolutismus wird die politische
Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung,
Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des Gleichheitsgrundsatzes wird
der rechtliche Vorrang des Adels (im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit
(bis 1918) beseitigt. Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone
(1945-1949) werden ihm dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98, 111,
120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhermoz, P., Essai sur l’origine de la
noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des
Uradels in Niedersachen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906; Schulte,
A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur
Lehre vom germanischen Uradel, ZRG GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die
Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel, M., Die Stände der deutschen
Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft im Mittelalter, 1927,
Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Bader, K., Zur Lage und
Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5
(1941), 335; Hiesel, R., Die staatsrechtliche und soziologische Stellung des
Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Bergengruen, A.,
Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel
1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler,
H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P.,
1976; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische Kontinuität
des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im Umkreis der
frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987; Europäischer Adel
1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im
spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991; Hoyningen-Huene,
I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der frühen Neuzeit,
hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen
Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994;
Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman,
D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Geschichte
des sächsischen Adels, hg. v. Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La
noblesse au royaume de France, 1997; Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997;
Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997;
Rösener, W., Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1;
Werner, K., Naissance de la noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und
Verwandtschaftsbilder, 1999; Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch,
S., Lokaler Adel in Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R.,
Österreichisches Adelsrecht 1968-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval
Europe, hg. v. Duggan, A., 2000; La noblesse dans les territoites angevins, hg.
v. Coulet, N. u. a., 2000; Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von
Bernstorff im zwanzigsten Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang,
2000; Der europäische Adel im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski,
U., Der schlesische Adel, 2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen
Nicht-Adel und Adel, hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E.,
Südwestdeutscher Reichsadel im 17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die
Ökonomie der Ehre. Der höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003;
Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003;
Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze,
E./Wienfort, M., 2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher
Niederadel, 2003; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J.,
Feudales Kriegertum und militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W.,
Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004; Kleines Lexikon des
Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige Gruppenbildung und
Königsherrschaft, 2005; Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Barth, T., Adelige Lebenswege im alten
Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und
kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1; Hochmittelalterliche Adelsfamilien in
Altbayern, Franken und Schwaben, hg. v. Kramer, F. u. a., 2006; Ruppel, S.,
Verbündete Rivalen, 2006
Ädile sind im römischen Recht zunächst die beiden Vorsteher des
plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes [sacra], Tempel), die auch die
Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird
ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen. Ihnen werden zwei weitere Ä. zur
Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern und Plebejern gewählt werden
sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es
Ä. später auch in anderen Gemeinden.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§§ 8, 15; Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
aditio (lat. [F.]) Antritt
adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch
Adler ist der Vogel, der als König der Vögel bereits im Altertum
als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus, Jupiter) erscheint und bald als
Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet wird. Diese Symbolik übernimmt
anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I. Barbarossa wird der goldene A.
auf farblosem Grund zum Reichswappen, das im 13. Jh. schwarz auf goldenem Grund
gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt der ebenfalls schon antike
Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den einfachen A. Um 1230 geben
die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer königlichen Lehen geführten A. fast
durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird 1433 der schwarze Doppeladler im
goldenen Feld Reichswappen, neben dem der König bis zum Ende des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation) den einfachen A. führt. 1848 erklärt die
Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des Deutschen Reiches, 1871 das
Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem preußischem
Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950 von der
Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804 den
Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und führt
1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen ein, der
von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer
zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt seit
1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber
gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen
S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in
Silber Wappen des Königreichs.
Lit.: Gritzner,
E., Symbole und Wappen des alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und
Doppeladler, Diss. phil. Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H.,
Deutsche Nationalsymbole, 1984; Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen
Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A.
1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005
Administratio
Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA
122 (2005), 42
Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der Verwalter eines Bistums.
Lit.:
Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43
adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt -> Adoption
Adoption ist die Annahme eines Menschen als Kind. Das römische Recht
kennt in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui
iuris und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die
Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris, bei
der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel einmal)
dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch -> Manzipation (lat. [F.]
-> mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal) freilässt, der
Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind das seine sei,
der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem Adoptivvater
zuteilt. Das frühmittelalterliche Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung die
-> Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die
römischrechtliche A. in eingeschränkter Form aufgenommen (Freiburg 1520) und
findet Eingang in die vernunftrechtlichen Kodifikationen. Wie schon im
römischen Recht, so sollte auch im Allgemeinen Landrecht Preußens die A. vor
allem Kinderlosen einen Erben verschaffen. In Deutschland wird sie 1900 in das
Bürgerliche Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926
eingeführt.
Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler, DRG 21,
268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen Rechte, ZRG
GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption
des deutschen Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H.,
Philologisches zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel,
W., Die rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel
1953; Diederichsen, U., Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der
Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des
Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache,
1991; Jussen, B., Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im
römischen Recht, in: Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3;
Schoenenberger, M., Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.)
1995; L’adoption, hg. v. Lett, D. u. a., 1998; Neukirchen, C. Die
rechtshistorische Entwicklung der Adoption, 2004; Kurtz, D., Das Institut der
Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht und im französischen Code civil,
2006
advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener (Rechtsbeistand) -> Advokat,
(mlat.) -> Vogt
Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem 5. Jahrhundert in der
Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh. schreibt die Kirche die Zuziehung solcher
advocati (M.Pl.) in weltlichen Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340
wird ihr Aufgabenkreis durch päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14.
Jh.s findet das Wort als Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst
der A. als Berater und Vertreter einer Partei Klageschriften und andere
Stellungnahmen und trägt sie in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit
der Rezeption übernimmt zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der -> Prokurator
den Vortrag vor Gericht. In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur
abgeschafft. 1878 wird der Ausdruck A. durch -> Rechtsanwalt ersetzt.
Lit.: Söllner §§ 9, 11;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les
officialités au Moyen Age, 1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators,
1941; Hermesdorf, B., Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen,
G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C.,
Die Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat,
1996; Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die
Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium
advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren,
2006
AEIOU ist die von dem
der Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg
seit 1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche
Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo) erst später
erscheinen.
aequitas (lat. [F.]) Billigkeit, Gerechtigkeit
Lit.:
Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20
(1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52 (1932), 53
Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen des Einzelfalles eine
Abweichung vom geltenden Recht begründende kanonische Billigkeit. Auf Grund von
antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat. supraiustitia) und kirchenrechtlichen
Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist
die praktische Verwirklichung des Gerechtigkeitsideals. Hauptsächlich dient
die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln.
Lit.: Wohlhaupter,
E., Aequitas canonica, 1931; Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas
bei Gratian, in: Studia Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den
Lehren des Baldus, 1968; Caron, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“
patristica ed „epicheia“ aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“,
1971; Equity in the World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld,
J., Die aequitas bei L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des
kanonischen Rechts, in: Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v.
Schulze, R., 1991, 39; Wesener, G., Aequitas naturalis, in: Der
Gerechtigkeitsanspruch des Rechts, 1996, 82
aerarium (lat. [N.]) Staatskasse, Staatsschatz
Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das förmliche Verfahren des
altfränkischen Rechtes, durch das Güter eines kinderlosen Erblassers Dritten
zugewendet werden können.
Lit.: Hübner; Schmidt, R., Die Affatomie der lex Salica,
1891; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae und Affatomie, in Leges – Gentes –
Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461
Africanus ist der als Schüler des -> Julian bekannte römische Jurist
des 2. Jh.s n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quaestiones bezeugt sind.
Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961
Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959; Davidson,
B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur Einheit,
Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das
römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson, B.,
The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003;
Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Hazdra, P.,
Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999;
Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v. Mabe, J., 2001;
Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R., Kurze Geschichte
Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines Afrika-Lexikon, hg.
v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas, 2004; Guérivière, J.
de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004
Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14. Jh.s entstandene
Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von ihm begründeten
Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann weitergegebene Lehen. Im Gegensatz
zu England und der Normandie ist in Deutschland und Frankreich der Empfänger
des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969
Agnat ist der über Männer Verwandte. Im römischen Recht sind
adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben Hausverband stehen oder
noch ständen, wenn ihr gemeinsamer Stammvater noch lebte. Im
germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten die Verwandten, die sich in
rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen Stammvater zurückführen lassen
(-> Schwertmagen). Der verschiedentlich behauptete Vorrang des agnatischen
Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist nicht nachweisbar.
Lit.: Kaser §
12; Kroeschell, DRG 1; Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und
Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957)
Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung der landwirtschaftlich
genutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische A. ist zunächst durch
kleinbäuerliche naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet, doch bewirkt die
Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen Kleinbauern in
das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven Plantagenwirtschaft
betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher unwahrscheinlich ist
die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte urkommunistische A. mit
jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und umliegendes Ackerland oder
Weideland bereits familienmäßig zugeordnet gewesen sein. Vielleicht als Folge
der Landnahme in der Völkerwanderung und der Begegnung mit provinzialrömischen
Zuständen entsteht die -> Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs
der -> Landwirtschaft. An ihre Stelle tritt im 19. Jh. das -> Eigentum des
einzelnen Bauern. Im 20. Jh. führt die politische und wirtschaftliche
Entwicklung zur Notwendigkeit der Bildung größerer Wirtschaftseinheiten
(landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in der sowjetischen
Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht).
Lit.: Köbler,
DRG 133, 174; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland,
1856; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des germanischen
Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im
mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Lütge, F., Geschichte der
deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer
sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Wege und
Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg. v. Haushofer, H. u. a.,
1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen, 1968; Jamin, R.,
Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der Auseinandersetzungsbehörden bei der
Durchführung der preußischen Agrarreformen, 1985; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach,
W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20.
Jahrhundert, 2005
Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586) schafft nach Studien in
Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im päpstlichen Dienst die
Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen des kirchlichen
Rechts.
Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio
Agustín y su „Recollecta in iure canonico“, in: Revista española de derecho
canonico 45 (1988), 487
Ägypten ist das sich längs des unteren Nils erstreckende Gebiet, in
dem seit dem Ende des 4. Jt. v. Chr. eine Hochkultur erkennbar ist, deren
Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr. fällt Ä. an die Römer, später
wird es rasch vom -> Islam erfasst.
Lit.: Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens und des Alten
Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die ägyptische
Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A.
1968; Goedicke, Die privaten Rechtsinschriften, 1970; Lurje, Studien zum
altägyptischen Recht, 1971; Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer
Provinz, 1973; Wolff, H., Das Recht der griechischen Ppyri Ägyptens, Bd. 2
1978; Vercoutter, J., L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des
Ptolemäerreiches, 1994; Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a.,
1998; Boochs, W., Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in
hellenistischer Zeit, 2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das
Recht der griechischen Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002;
Hölbl, G., Altägypten im römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt,
2005; Langner, U., Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschhheit, 2007
Ahnengrab
Lit.:
Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier, J., Ahnengrab und
Rechtsstein, 1950
Ahnenprobe
Lit.: Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940
Ahrweiler
Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im
mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der
Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965
Akademie ist die 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian
verbotene Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien
(Terranuova/Florenz) wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem
Kooptationsprinzip bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären
Akademien. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der modernen Welt kann
aber eher den Universitäten (z. B. Halle, Göttingen, Berlin) als den
Akademien zugesprochen werden.
Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae primordia,
Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der Wissenschaften,
1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin, hg. v.
Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin
1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u.
a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591;
Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006
Akademie für deutsches
Recht ist die außeruniversitäre
wissenschaftliche Einrichtung der nationalsozialistischen Zeit (1933-1945) zur
weltanschaulichen Umgestaltung des Rechts. Die A. f. d. R. wird mit
verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch). Ihr
wissenschaftlicher Ertrag bleibt notwendigerweise eher gering.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Pichinot, H., Die Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für
Deutsches Recht, 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd.
1ff. 1986ff.; Anderson, D., The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker,
G., Der Erbrechtsausschuss, 1997
Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung
Akkreszenz -> Anwachsung
Akkusationsprozess ist der seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus dem römischen
Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er erfordert
eine -> Anklage. Kennzeichnend sind die dem Anklageschriftsatz beizufügende
Verpflichtung des Anklägers zum -> Talion für den Fall der Falschanklage und
der -> Kalumnieneid. Im Hochmittelalter wird der A. auf den ->
Strafprozess eingeschränkt. Ein Gegensatz zum A. ist der ->
Inquisitionsprozess. -> Anklageprozess
Lit.: Köbler,
DRG 156; Herde, P., Audientia litterarum contradictarum, Bd. 1 1970;
Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage,
1971
Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500 acten) gelegentlich
erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in einer Angelegenheit
entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike (59 v. Chr. [lat.
N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittelalterlichen Rückgang des
Schriftwesens werden sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145; Neuss,
E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und Schreiben
in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel,
J., Das Inventar der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408;
Prozessakten als Quellen, hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte
unter der Schere politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg.
v. Lepsius, S. u. a., 2007
Aktenversendung ist die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der
Gerichte, in einem anhängigen Verfahren die Akten mit der Bitte um ein(en)
Urteil(svorschlag) zu versenden. Sie baut auf dem mittelalterlichen ->
Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren ->
Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18. Jh.s
schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit den
Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 endet die der Unmittelbarkeit des
Richters widersprechende A.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 155, 201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts,
1881; Löning, G., Spätes Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel,
W., Studie über ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1962; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983
Aktenwesen -> Akten
Aktie -> Aktiengesellschaft
Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995
Aktiengesellschaft ist die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit
(juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für
deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet.
Sie entsteht aus den Bedürfnissen der Beschaffung hohen Kapitals und der
Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am Beginn des 17. Jh.s (English East
India Company 1600, Niederländische ostindische Handelscompagnie 1602,
Schweden 1615, Dänemark 1616, Brandenburgisch-Ostindische Compagnie 1651, Niederlande
Österreichs 1719). Gesetzlich wird die A. im französischen Code de commerce
(1807, 14 Artikel), im Gesetz über die Aktiengesellschaften für die königlich
preußischen Staaaten vom 9. November 1843 (Konzession, Vorstand und
Generalversammlung) und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861,
Konzessionssystem 1870 durch System der Normativbestimmungen ersetzt), danach in
Deutschland 1937 in einem eigenen, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz
geregelt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Köbler, DRG 167, 217, 242, 272; Lehmann, K., Die geschichtliche
Entwicklung des Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1
1921; Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der
Aktiengesellschaft, 1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés den
commerce en France, 1938; Bösselmann, Die Entwicklung des deutschen
Aktienwesens, 1939; Rauch, K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen
Entwicklung des Aktienrechts, ZRG GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung
des deutschen Aktienrechts, Ius commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder
Handelscompagnien, FS H. Westermann 1974, 167; Großfeld, B., Die
rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft im 19. Jahrhundert, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 236ff.;
Landwehr, G., Die Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, in: Vom Gewerbe
zum Unternehmen, 1982, 251; Landwehr, G., Die Verfassung der
Aktiengesellschaft, ZRG GA 99 (1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v.
Schubert, W. u. a., 1984; Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur
Reform des Aktienrechts, ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht
1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v.
Schubert, W., 1986; Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die
Protokolle der Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen
Reichswirtschaftsrats, hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De
geschiedenis van de VOC, 1991; Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und
Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155; Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft,
1999; Hartung, W., Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000;
Bahrenfuss, D., Die Entstehung des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss,
S./Burger, C./Eckert, G., Die Entwicklung des österreichischen Aktienrechts.
Geschichte und Materialien, 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der
rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005
Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis
Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die durch Überleitungsgesetz erfolgende weltliche
Anerkennung (Transformation) kirchlichen Rechts im Spätmittelalter (z. B. Mainzer
Akzeptation 1439).
Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955
Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen Umstandes von einem
anderen
Akzise (zu lat. accidere, auferlegen, cisa,
Einschnitt) ist die im 11. Jh. in
Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich (Köln 1206, Standal
1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische -> Verbrauchsteuer (auf z.
B. Wein, Bier, Salz, Getreide, Fleisch). In den Ländern wird die A. im 17. Jh.
bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641, Kurpfalz 1699). Im
19. Jh. tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück, wird aber in der
Form der Umsatzsteuer oder Mehrwertsteuer im 20. Jh. wieder belebt.
Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v. Blesgen,
D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner Stadtrechnungen des
Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992
Alarich -> Breviarium Alarici
Albanien ist der südosteuropäische, nördlich Griechenlands an der
Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und rund 2,8 Millionen
überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder Albaner), deren Sprache
zum albanischen Zweig der indogermanischen Sprachenfamilie zählt. Das Gebiet
wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und gerät 168 v. Chr. unter
römische Herrschaft. Am Ende des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479
Venedig unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich
A. für unabhängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit
Italien verbundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 entsteht die Volksrepublik A.
Im Dezember 1990 endet die kommunistische Einparteienherrschaft. Seit freien
Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine Öffnung. Das albanische Recht ist
dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch, römisch, osmanisch (Geltung
der -> Megelle [1869–1876] bis 1928), westlich, sozialistisch und
demokratisch geprägt.
Lit.: Frasheri,
K., The History of Albania, 1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening,
1967; Ruß, W., Der Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame
Albanien, 1985; Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v.
Neuwirth, H. u. a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v.,
Albanien, 1998; Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v.,
Albanien, 2. A. 2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. 2003; Schubert, P.,
Albanische Identitätssuche, 2005
Albertiner -> Wettin
Alcala de Henares ist die östlich Madrids in Spanien gelegene
Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den Mauren wieder
abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes Rechtsbuch
verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität gegründet.
Alciat, Andreas (Alzate bei Como 1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn,
wird nach dem Studium Latein, Griechisch, 1507 Rechtswissenschaft in Pavia und
Bologna, 1516 Promotion Universität Ferrara, Advokat Mailand, 1518 nach Avignon
berufen, 1522 Advokat Mailand, 1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt, 1529
nach Bourges und 1533 nach Pavia berufen, 1541-1546 Ferrara. Er begründet mit
Budé und Zasius die vom -> Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.] iuris
civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.) -> mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein
geschätzter Gutachter.
Lit.: Köbler,
DRG 143; Omnia … opera, 1557, Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat,
1907; Viard, P., André Alciat, 1926; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz,
1993
Alemanne ist der Angehörige eines wohl am Ende des 2. Jh.s n. Chr.
vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3. Jh. erstmals erwähnten
germanischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes durchbricht und das
Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im Breisgau). 496/497
unterliegen die von einem König geführten Alemannen den -> Franken. Etwa zu
dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte hinziehende Christianisierung ein.
Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen sie ihr Recht im -> Pactus Alamannorum und zu
Beginn des 8. Jh.s in der -> Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom
fränkischen König endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich gehen die
Alemannen in Schwaben (Baden, Württemberg), Elsässern, Schweizern und
Vorarlbergern auf.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Cramer, J., Die Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der
alemannischen Geschichte, hg. vom Institut für geschichtliche Landesforschung,
1955; Die Alemannen in der Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur
Frühgeschichte der Alemannen, hg. v. Müller, W., 1975; Beiträge zum
frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978; Borgolte, M., Die Geschichte
der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit, 1984; Borgolte, M., Die
Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D., Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A.
2004; Die Alamannen, hg. v. archäologischen Landesmuseum, 1997; Franks and
Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau, 1999;
Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen, 2003;
Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003
Alemannien -> Alemanne, -> Schwabe
Alexander III., der als Roland Bandinelli in Siena geboren wird und in
Bologna die Rechte lehrt, veranlasst als Papst (1159-1181) bedeutsame ->
Dekretalen (u. a. zur Papstwahl).
Lit.: Pacaut,
M., Alexandre III, 1956; Baldwin, M., Alexandre III and the XIIth century,
1968; Weigand, R., Magister Rolandus und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980),
3
Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s) ist Kanoniker in Köln und weilt nach
1280 mehrfach in Italien. Er verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich
zugunsten des deutschen Königs gegen Ansprüche des französischen Königs ein
(lat. Memoriale [N.] de prerogativa Romani imperii, 1281).
Lit.: Schraub,
W., Jordan von Osnabrück und Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes,
Schriften, hg. v. Grundmann, H. u. a., 1958
Aller guten Dinge (Gerichtstermine)
sind drei.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)
Allgäu
Lit.: Wiedemann, R., Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit
nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505,
bearb. v. Bilgeri, B., 1940
Allgemeine Deutsche
Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf
gebliebene zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die
Bürgerliche Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf
Leonhardt zugrunde liegt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Protocolle der Commission zur Beratung einer allgemeinen
Civilprozessordnung, 1862ff., Neudruck 1985
Allgemeine Deutsche
Wechselordnung ist das auf Grund eines
1847 von allen Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes ausgearbeiteten
Entwurfes von der Frankfurter verfassungsgebenden Nationalversammlung angenommene,
am 27. 11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen
Wechselrechts, das nach Scheitern der Einigungsbestrebungen des Jahres 1848
in den einzelnen Mitgliedstaaten durch Landesgesetz als gleichlautendes
allgemeines deutsches Recht in Kraft gesetzt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle der
zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20.
October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U.,
Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978,
77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung
und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484;
Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998
Allgemeine Gerichtsordnung ist das (nach ersten Ansätzen der Jahr 1709 und 1753 vor
allem von April 1774 bis September 1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim
1735-Weidling 15. 8. 1811] in Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark
geprägten Prozessrechts Böhmens ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks
Rechtsvereinheitlichung kompilatorisch geschaffene Gesetz (Publikation 1. Mai
1781, Einführung mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des gemeinrechtlichen
Zivilprozesses (geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime, Eventualmaxime, grundsätzlicher Anwaltszwang,
mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das 1796
abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsordnung), später in
Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien
in Kraft tritt und erst durch die
ältere Allgemeine Gerichtsordnung und erweiterte Westgalizische Gerichtsordnung
vereinheitlichende österreichische Zivilprozessordnung von 1895 abgelöst
wird.
Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M., Die
österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978
Allgemeine Gerichtsordnung ist die 1793 für Preußen geschaffene Zivilprozessordnung, die
in vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom
gemeinrechtlichen, als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne
ihre Ziele wirklich erreichen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und die
Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975; Eckert,
J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, in: Das Preußische
Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der
Allgemeinen Gerichtsordnung für die preussischen Staaten, 1999
Allgemeine Geschäftsbedingung ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine
Geschäftsbedingungen entstehen nach Vorläufern in Policen von Versicherungen im
ersten Drittel des 18. Jh.s am Ende des 19. Jh.s (1919 Berliner
Spediteurbedingungen), werden zunächst nur vorsichtig gerichtlich kontrolliert und
am 9. 12. 1976 in Deutschland gesetzlich geregelt (2002 als §§ 305ff. in das
Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Raiser,
L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935; Pohlhausen, R., Zum
Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K., Zwischen den
Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des ADHGB, FS E.
Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der Versicherungsnehmer, 2003;
Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006
Allgemeine Gütergemeinschaft -> Gütergemeinschaft
Allgemeiner Teil ist der die allgemeinen Erscheinungen besonderer Teile
zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer Gesamtheit. Nach
naturrechtlichen Systematisierungsansätzen (-> Weigel, -> Pufendorf,
-> Nettelbladt und Dabelow) ordnet Gustav -> Hugo in seinen Institutionen
des römischen Rechts (1799) das Privatrecht neu. Von ihm übernimmt Georg Arnold
Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von
Pandektenvorlesungen (1807) einen allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch
-> Savigny erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst
später über das Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und
andere Rechtsgebiete.
Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz, A., Zur
Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs, H./Schubert, W.,
Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner Teil, 1985;
Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer eines allgemeinen
Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997;
Hollstein, T., Diue Verfassung als „Allgemeiner Teil“, 2007
Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch (ABGB) ist die
->Kodifikation des Privatrechts in -> Österreich. Sie wird mit dem Ziel
der Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen
Herrschaftsbereiche schon von Leibniz als Codex Leopoldinus Leopolds I. angeregt.
1709 setzt Joseph I. Kompilationskommissionen in Prag und Brünn ein, 1753
Maria Theresia eine Kommission zur Abfassung eines (lat.) -> Codex (M.)
Theresianus, der Provinzialrechte, das gemeine Recht, die Gesetze anderer
Staaten und das allgemeine Recht der Vernunft berücksichtigen soll. Der 1766
fertiggestellte Entwurf wird lediglich als brauchbare Materialsammlung
angesehen. Der gekürzte Entwurf Johann Bernhard Hortens wird 1776 nicht weiter
beraten, in seinem personenrechtlichen Teil aber zum 1. 1. 1787 als ->
Josephinisches Gesetzbuch Josephs II. in den deutschen Erblanden in Kraft
gesetzt. 1794 arbeitet Karl Anton von -> Martini an Hand der Benützung des
Entwurfes Hortens und des zu diesem Zeitpunkt in Kraft gesetzten Allgemeinen
Landrechts Preußens einen neuen, stärker naturrechtlich geprägten Entwurf aus,
der durch Patent vom 13. 2. 1797 als -> Westgalizisches Gesetzbuch für das
aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien und durch
Patent vom 18. 9. 1797 auch für Ostgalizien kundgemacht wird. Er wird als sog.
Urentwurf oder Entwurf Martini unter der Leitung Franz von -> Zeillers
zwischen 1801 und 1810 in drei Lesungen beraten und zum 1. 1. 1812 für die
gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Niederösterreich,
Oberösterreich [ohne Innkreis], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog.
Fraischbezirk in der Oberpfalz, in
Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren, Schlesien, Galizien [z. T.],
Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark, Kärnten, Militärgrenze) als
reines Privatgesetzbuch in Kraft gesetzt. Von Savigny wird es als misslungen
bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es von
Liechtenstein übernommen. 1852 wird es in Ungarn (1853-1861), Kroatien und
Slwawonien, in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat, durch Patent
vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen eingeführt. Bern, Luzern, Solothurn und Aargau
dient es als Vorbild. 1914 (Personenrecht,
Familienrecht, Vormundschaftsrecht, gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzerneuerung, Grenzberichtigung),
1916 (Eigentumsvorbehalt,
Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung)
wird das ABGB pandektistisch novelliert. 1938 wird das Eherecht durch das
Ehegesetz geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache
Novellierung das gesamte Familienrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205; Harras
von Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen
Civilrechtes, 1868; Ofner, J., Der Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier
des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Ogris, W., 175 Jahre ABGB,
1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978, 107; Neschwara,
C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in
Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362; Frohnecke,
E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19.
Jahrhunderts, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGB1811.htm
Allgemeines Deutsches Gesetz
über Schuldverhältnisse ist das seit 1863
von den Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes beratene Gesetz, dessen
(->Dresdener) Entwurf im Jahre 1866 gerade der Bundesversammlung zugeleitet
ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und Preußen zerbricht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der
Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über
Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle der
Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
1866, 1984
Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des
Vorbildes des französischen -> Code de commerce (1808), preußischer und
österreichischer Vorlagen 1861 im (Nürnberger) Entwurf entstandene
Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des -> Deutschen Bundes durch
übereinstimmende Einzelstaatsgesetze (u.
a. Österreich 1862, in Geltung bis 1938) als allgemeines deutsches Recht
in Kraft setzen. An seine Stelle tritt im
Deutschen Reich 1897 das -> Handelsgesetzbuch (Österreich 24. 12. 1938).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protokolle der Kommission zur
Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd.
1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl, H., Zur Geschichte des Entwurfes eines
allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, 1861; Goldschmidt, L., Der
Abschluss und die Einführung des allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR
5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuch, 1867; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen
Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR 144
(1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen
Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm
Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s durch
Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene
Recht. -> Allgemeine Deutsche Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch
Lit.: Köbler, DRG 182
Allgemeines Gesetzbuch für
die preußischen Staaten -> Allgemeines
Landrecht für die preußischen Staaten
Lit.:
Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die preußischen
Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum allgemeinen Gesetzbuch
für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P., 2004; Finkenauer, T.,
Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG 113 (1995), 40; Barzen, Carola, Die Entstehung des
„Entwurf(s) eines allgemeinen Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000
Allgemeines Gesetzbuch über
Verbrechen und derselben Bestrafung ist
das gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende Strafgesetzbuch Österreichs
von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung ausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher
Allgemeines Landrecht für die
preußischen Staaten (ALR) ist das als
-> Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende
Vernunftrechtsgesetzbuch -> Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis
erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung ein Ersuchen Friedrich Wilhelms
I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle (1714) und das
von Samuel von -> Cocceji bearbeitete Projekt eines Corpus juris
Fridericiani Friedrichs des Großen voraus. Als Folge des sog. ->
Müller-Arnold-Prozesses erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des
Großen Johann Heinrich Casimir von -> Carmer und Carl Gottlieb -> Svarez
an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher Ordnung und der Sonderrechte der
einzelnen Provinzen einen vom König als zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf
aus. Nach Überarbeitung wird 1791 ein Entwurf eines -> allgemeinen
Gesetzbuches für die preußischen Staaten vorgelegt, sein Inkrafttreten zum 1.
6. 1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen im
April 1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem
1793 bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete als
A. L. R. erlassen. Das Gesetz umfasst in zwei Teilen mit 23 und 20 Titeln sowie
19194 Paragraphen (fast) das gesamte private und öffentliche Recht
(Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht, Kirchenrecht,
Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch abhandelt. Sein vom
Einzelnen zum Staat fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt
ist (noch) nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der
Mensch, soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und
Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl
einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit
dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt
verwirklicht. Durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch wird es zum 1. 1. 1900
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151, 160,
198; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 355; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Conrad, H., Die
geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines Landrecht für die Preußischen
Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Register 1973;
Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1975; Das
nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen,
H., Zur Ordnung der Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA
108 (1991), 194; Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen
Allgemeinen Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny,
Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl -
Freiheit - Vernunft - Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische
Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht,
hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v.
Merten, D. u. a., 1995; Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die
Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen
Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine
„Sudeley“?, Diss. jur. Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische
Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des
Preußischen Allgemeinen Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Steinbeck, J.,
Die Anwendung des allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr,
H., Die Urheber des ALR, ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen
Gesetzbuch, hg. v. Krause, P., 2004 Albrecht, M., Die Methode der preußischen
Richter, 2005; ; http://www.koeblergerhard.de/Fontes
/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm
Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer Persönlichkeit insgesamt zustehende
Recht. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird im Gegensatz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch in Deutschland durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus
dem Jahre 1958 (BGHZ 26, 349) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG
angesehen. Beachte auch § 201a StGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Allgemeines Vermögensgesetzbuch
für das Fürstentum Montenegro ist das vor
allem unter der Mitarbeit Baltazar -> Bogisics (1834-1908) 1888 in Kraft
gesetzte Privatrechtsgesetzbuch (ohne Familienrecht und Erbrecht).
Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908), 1962
Alliierte -> Alliierte Hohe Kommandantur
Alliierte hohe Kommandantur
Berlin ist das gemeinsame Organ der
Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen
Stadtkommandanten am 16. Juni 1948 tagen die 3 westlichen Stadtkommandanten
allein. Die Hoheitsgewalt über -> Berlin (West) wird bis zur Vereinigung
Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant,
H., Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, 1985
Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten Staaten von Amerika,
Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik Deutschland
einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis 5. 5. 1955.
Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter. Sie besteht
aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.
Lit.:
Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004
Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete Organ der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs für die
Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere die Entscheidung
aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der Alliierte Kontrollrat
erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der gegensätzlichen
Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion andererseits seine
Tätigkeit ein.
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 245; Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung,
1952; Etzel, M., Die Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die Aufhebung von
nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G., Der
Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995
Allmende ist die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende
Wirtschaftsfläche. Es ist zweifelhaft, ob die Anfänge der vor allem im
Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische Landnahme zurückreichen.
Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und Ödland. Nutzungsberechtigt
sind regelmäßig die Inhaber von Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen).
Schon seit der fränkischen Zeit versucht der König und später auch der Landesherr,
ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19. Jh. strebt nach Beseitigung der A.
zugunsten von Alleineigentum. -> Alm
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt
Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77; Rüttimann, K., Die zugerischen
Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner,
H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die
Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen, 1913; Litscher, M., Die
Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer, E., Die Nutzungskorporationen
im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel strenger Feldgemeinschaft auf
friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46 (1926), 378; Haff, K., Die
alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr und ihre Erbbücher, ZRG GA
47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden, ZRG GA 48 (1928), 466; Weber,
K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften der Hallig Hooge, 1931;
Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf Osterlandföhr, 1931; Rynning,
L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Grass, N., Beiträge zur
Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebieetsrecht der
Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische
Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg,
D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und
Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Zückert, H., Allmende und Allmendaufhebung,
2003
Allod ist das keinen zusätzlichen Beschränkungen unterliegende
Familiengut. Es steht insbesondere im Gegensatz zu -> Lehen. In Deutschland
gibt es immer A., während in Frankreich A. eher selten und in England A. seit
1066 verschwunden ist. A. kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A.
verwandelt werden. Mit dem 19. Jh. geht A. in -> Eigentum auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E., Étude sur
l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der
steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger,
ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969
Allodifikation ist die Umwandlung von Lehen in -> Allod. Tatsächlich
findet in der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer
statt. Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt eine A. der Lehen von 1702
(Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).
Lit.: Köbler,
DRG 211; Loewe, V., Die Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I.,
in: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898
Allthing ist die vielleicht 930 eingerichtete politische Versammlung
der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor allem von Westnorwegen aus besiedelten
Insel -> Island. Das A. wird in der zweiten Junihälfte jedes Jahres im
Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt ist jeder thingsteuerfähige Freie,
teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode) und jeder neunte Mann. Auf dem A.
hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher (lögsögumadr) das Recht
vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und müssen Urteile gefällt
werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird das A. aufgelöst.
Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971
Alm -> Almrecht
Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus alben kontrahiert) Alm als
der hochgelegenen Weidefläche. Diese gehört teils Genossenschaften, teils
Grundherren. Das Eigentum an den Grundstücken ist oft durch besondere Rechte
und Dienstbarkeiten eingeschränkt.
Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass, N.,
Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die
Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft,
ZRG GA 81 (1964, 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961; Gietzen,
H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg. v. d.
Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967;
Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft
des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss.
staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P.,
Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Grass, N., Oswald von
Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur
Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass Bd. 2 1975, 3; Arnold, G., Die
Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm und Wein, 1990 (Aufsätze)
alodis (lat.-afränk.) -> Allod
Alp -> Alm
Alpen
Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965;
Die Alpen, hg. v. Mathieu, J. u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster,
U., 2006
Altdorf bei Nürnberg ist von 1622 bis 1809 Sitz einer
Universität.
Lit.: Mummenhoff, G., Die Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf
Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss. jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die
Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965, 267; Mährle, W., Academia Norica
(1575-1623), 2000
alte Kulm -> Kulm
Altena
Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929
Altenteil ist die einem Bauern und seinem überlebenden Ehegatten nach
Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger zustehende Versorgung. Das A. wird
bei freien Bauern durch Vertrag vereinbart, bei grundherrschaftlichen Bauern
auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die
Anerbengesetzgebung des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren
Ausgestaltung der Vereinbarung überlassen ist.
Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils oder
der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung des
bäuerlichen Altenteils, 1940; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil, Diss. jur.
Bonn 1994
Altar
Lit.: Viek, S., Der mittelalterliche Altar als Rechtsstätte,
Mediävistik 17 (2004)
Alter ist die für das Recht in verschiedener Hinsicht bedeutsame,
durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte Erscheinung
menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet zwischen
Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen (lat. [M.Pl.]
impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei der Eintritt der
Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit vollendetem 12.
Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit bedeutet. Allerdings
besteht bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein besonderer Schutz bei
Rechtsgeschäften. Nach den frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit
zunächst nach der jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der
Vollendung des 10. oder 12. Lebensjahres. Der Unmündige kann bestimmte Handlungen
nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen. Die
väterliche Gewalt dauert aber bis zur -> Abschichtung fort. Nach dem
Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum
Ablauf des 21. Lebensjahres fortgeführt werden. Mit der Rezeption dringt die
römische Regelung der (lat. [F.]) infantia ein. Wer älter als sieben Jahre alt
ist, kann Rechte erwerben, aber bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) keine
Pflichten begründen.
Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Eckhardt, K., Die
Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages, hg. v. Sheehan,
M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995; Schäfer, D.,
Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L., Alter in der
Volksgemeinschaft, 2005
Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man sich nichts versprechen (bzw.
sich versprechen lassen).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian
170-223)
Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966 von reformfreudigen
deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der die Liberalisierung
des deutschen Strafrechts in der anschließenden Novellierung maßgeblich
mitbestimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altershilfe für Landwirte ist dine durch Gesetz vom 27. 7. 1957 in
Deutschland errichtete Abteilung der Sozialversicherung, die von Alterskassen
bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften betrieben wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altersversicherung -> Sozialversicherung
Altertum ist der mit den ersten schriftlichen Aufzeichnungen
(3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr. beginnende, vor allem die Völker
der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer) bis zum Zweistromland erfassende
und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung Westroms durch die Germanen)
allmählich endende geschichtliche Abschnitt der menschlichen Entwicklung.
-> Antike
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff.
1975ff.; Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer
Autoren, 3. A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen
Altertumswissenschaft, Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die
Entdeckung des Altertums, 2002
Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung der zwischen (500 bzw.)
750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen)
Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken) gesprochenen, dem ->
Mittelhochdeutschen vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).
Lit.: Baesecke, G., Vor- und
Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2, 1), 1950; Schützeichel, R., Die
Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen, 1961; Schützeichel, R.,
Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 5. A. 1995; Sonderegger, S., Althochdeutsch
als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes,
1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994;
Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in das Althochdeutsche, 2001
Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen bei Berleburg 1557-Emden
12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird nach dem Studium in Marburg, Köln, Basel
(Amerbach) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen. Von 1604 bis
1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein Hauptwerk (lat. [F.] Politica
methodice digesta, 1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen
Staatslehre, den A. zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher
Naturrechtsvorstellung behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber letztlich von
beschränkter Wirkung bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v.,
Johannes Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968,
Neudruck 1980; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der Schule von
Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius und ihre
zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v. Scupin, H. u.
a., Bd. 1 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein Werk, 1975; Politische
Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a., 1988; Althusius, J.,
Politik, übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz,
politische Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions
zum 400. Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v.
Carney, F. u. a., 2004
Altmärkische Glosse zum
Sachsenspiegel -> Stendaler Glosse
Altniederfränkisch
Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte –
Glossen, 2002
Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und 1200 als der alten
deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem Mittelniederdeutschen
vorausgehende Sprache (z. B. -> Heliand).
Altzelle
Lit.: Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1
1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006
Alzey
Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973
Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562), Professor der Pandekten in
Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name Welcker).
Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A. u. a.,
Bd. 1ff. 1942ff.; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius Amerbach,
1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001
Amerika ist der frühgeschichtlich von
Sibirien aus (von Mongolen/Indianern) besiedelte, um die erste Jahrtausendwende
von Wikingern und 1492 von Kolumbus auf der Suche nach Indien (nochmals)
entdeckte, von Amerigo Vespucci als verschieden von Indien erkannte, im Süden
von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England und Frankreich in
Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw. Staaten sich seit
dem 18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber im 20. Jahrhundert von
den -> Vereinigten Staaten von A. stark
geprägt werden.
Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den
europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294; Die
neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der
indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im
Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W: Braun; H., Die Indianer Nordamerikas,
2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004; Gemegah, H., Die Suche nach
den ersten Amerikanern, 2007; Klemke, U., Die deutsche politische Emigration
nach Amerika 1815-1848, 2007
Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6. 1930),
Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Maurer) 1875 ordentlicher
Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine Hauptwerke
betreffen die germanischen Todesstrafen (1922), Nordgermanisches
Obligationenrecht (1882ff.) und die Dresdener Sachsenspiegelbilderhandschrift
(1902, 1925/6).
Lit.: Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum Gedächtnis, hg. v.
Landau, P. u. a., 1999
Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die Freiheit des kirchlichen
(oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des abgabenfreien
Kirchengutes einschränkt (z. B. Lübeck 1220/6, Judenburg 1269, Österreich 1303,
vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199). Das österreichische Konkordat von 1855
und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen endgültig.
Lit.: Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879;
Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 2. A. 1951, 483f.
Amsterdam an der Mündung der Amstel in das Ijsselmeer entsteht um
1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977
Amt ist die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat
nach dem Sturz des Königs vom Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat das höchste
A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer Magistraturen
ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger herrschaftlicher
Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr. regelmäßigen cursus
honorum). Dieses wird durch die Einführung des Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit,
auf den Kaiser ausgerichtete Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskriterien,
Besoldung). Zu den leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete
Dienststellen hinzu. In der fränkischen Zeit wird dieses System zwar
grundsätzlich übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine
verstärkte personelle Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. des
Grafen wird als Lehen übertragen. Bald danach werden die dem Adel verliehenen
Ämter durch ihre Inhaber dem König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In
den seit dem 12. Jh. dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der
Landesherr die Lehnsmannen durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht
das A. wieder zur staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird
zum A. im räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird
zum -> Beamten. Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter
(Amtskalender z. B. in England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in
Österreich um 1690 [1692], in Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg
1705).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat,
M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Conrat,
M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30 (1909), 326; Keutgen,
F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des Amtes Waltrop, 1938; Beyerle,
D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube,
W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und
Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G., The Governance of Medieval
England, 1963; Bauer, V., Repertorium territorialer Amtskalender, Bd. 1f.
1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck, H., Karriere und
Hierarchie, 2005
Ämtertraktat -> Decurio de gradus
Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im Mittelalter ist A. vor
allem der Verwalter eines grundherrlichen Hofverbandes (im Südwesten auch der
Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines landesherrlichen Amtsbezirkes. Seit
1921 ist A. ein Beamter des gehobenen Dienstes.
Lit.:
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Agena, K., Der
Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201
kroeschell.htm; Klingebiel,
T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit, 2002
Amtsanwalt ist der Vertreter des Staates vor dem Amtsgericht.
Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt -
Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang
Sellert, 2000, 537
Amtsbuch ist das Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur Ausübung
eines -> Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher sind seit
dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der Magistrate
und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter werden seit dem 12. Jh.
viele Amtsbücher eingerichtet. -> Stadtbuch
Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1
1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver. f.
Hamburg. 44 (1958), 95
Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit partikular für den Umfang
eines -> Amtes (Verwaltungsbezirkes) eingerichtete -> Gericht, das durch
das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum einheitlichen
Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern,
42% Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des
amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v.
Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002;
150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002; 125
Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003
Amtshaftung -> Staatshaftung
Amtsherzogtum ist das als königliches Amt vergebene -> Herzogtum (9.
Jh.) im Gegensatz zu dem aus der Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden
-> Herzogtum.
Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974
Amtskalender -> Amt
Amtspflichtverletzung ist die Verletzung einer einem Amtsträger gegenüber einem
Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach § 839 BGB (1900) einen
Schadensersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung).
Lit.: Köbler, DRG 217
Amtsrecht ist im römischen Recht das vom Amtsträger geschaffene Recht
(lat. -> ius [N.] honorarium).
Lit.: Wieacker,
F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem örtlichen Amt
zugeordnete -> Landsasse.
Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines Unrechtserfolgs durch die
Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag des Verletzten. Sie
findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem Frühmittelalter. ->
Offizialmaxime
Amtsvergehen ist das in einem -> Amt begangene Vergehen. Als
gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des 17. Jh.s erkannt. Noch
das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im Abschnitt Verbrechen
der Diener des Staates strafrechtliche und disziplinare Sanktionen
nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das
Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in Preußen 1849
zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen Strafgesetzbuch
von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe
zusammengefasst.
Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der Amtsverbrechen,
1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939; Schmitt-Weigand,
A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes, H., Die
Verbrechen der Diener des Staats, 2004
Analogie ist der bereits der griechischen Philosophie bekannte
Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens zweier zunächst
verschieden behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige)
Ausdehnung der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestandes auf den zweiten oder
weiteren Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen
Literatur im 16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die
Beseitigung von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund
Immanuel Kants Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens
die alte Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeitsschluss
aufgelöst und die A. als „rein logische“ Ergänzung des Rechts aus dem – nur
noch positiven und sich geschlossenen – Rechtssytem verstanden (Feuerbach,
Hufeland, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und Rechtsanalogie wird seit dem
ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.
Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur
neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel
104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu
einer Geschichte der Analogie, FS Fritz Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das
Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und
Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden,
1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die
Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodifikationen - Zur Analogie im ALR, COde civil und ABGB,
2006
Analogieverbot ist das Verbot für alle im Strafverfahren beteiligten
staatlichen Stellen, -> Analogie eines Strafgesetzes zu Ungunsten des
Handelnden vorzunehmen. Seit dem späten 18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten
Handelnder verboten (Österreich 1787). Im Dritten Reich wird 1935 das A.
aufgehoben. -> Nullum crimen, nulla poena sine lege.
Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche
Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafesetze, 1968; Schreiber,
H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
4. A. 2002; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998
Analytical jurisprudence ist die von John -> Austin (1790-1859) begründete
Strömung der englischen Rechtswissenschaft.
Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit
Ancien régime ist die Bezeichnung für die monarchisch-feudale
Regierungsform (in Frankreich vor der französischen Revolution des Jahres 1789
bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.
Lit.: Köbler, DRG 129, 132
Andelang ist der bei der Übereignung von Grundstücken im
fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s verwendete, nicht
sicher bekannte Gegenstand (Handschuh?).
Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G., Das
andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79
(1962), 32
Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256 einen den Schreinskarten
von Köln ähnlichen Rotulus (-> Grundbuch).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der Stadt
Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.
Andlau -> Peter von
Andorra ist die aus sechs Tälern zu politischer Einheit zusammengefasste
Tallandschaft im Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem
späten 9. Jh. lassen sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der
Bischöfe von Urgel feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu
einer Einheit zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage)
Unklarheiten beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607
bzw. 1620 an Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und
katalanische Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der
Gegenwart ist A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident
Frankreichs, Bischof von Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen
Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre
Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden.
Lit.: Engels, O., Schutzgedanke und
Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La condition juridique des vallées
d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence civile d’Andorre, 1972
Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen einer abhandengekommenen
und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen Sache unter der Behauptung des
Eigentums. Der A. bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im
nachfolgenden Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich
insbesondere dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er die Sache dem
übergibt, von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so
muss dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Seit dem
Hochmittelalter geht der A. allmählich in die Herausgabeklage (bzw. den ->
Herausgabeanspruch) über.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91; Köbler,
WAS; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft,
Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; Goldmann, E., Tertia
manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
Aneignung ist der Erwerb des Eigentums an einer herrenlosen
(eigentümerlosen) Sache. Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des
Rechts überhaupt. Im Laufe der Geschichte wird die A. vom abgeleiteten
Eigentumserwerb (-> Übereignung) zurückgedrängt, so dass A. ziemlich selten
wird.
Lit.: Kaser § 26
I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73, 90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Anerbe ist der durch das -> Anerbenrecht begünstigte ->
Erbe.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210
Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines landwirtschaftlichen
Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen Erben. Eine derartige
Gestaltung bildet sich spätestens im mittelalterlichen Reich aus, wobei
grundherrschaftlicher Einfluss gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber
Realteilung in Mitteldeutschland und Süddeutschland verbreitet. Der
Liberalismus lehnt das A. als freiheitsfeindlich ab. Aus wirtschaftlichen
Gründen sehen partikulare Gesetze aber seit dem 19. Jh. A. vor, das dann zur
Anwendung kommt, wenn der Hofinhaber nicht durch letztwillige Verfügung einen
Hoferben auswählt. Das Reichserbhofgesetz des Jahres 1933 verallgemeinert die
Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes Hannovers (1909). 1947 treten in der
französischen und amerikanischen Besatzungszone die alten Anerbengesetze
wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone wird eine Höfeordnung
erlassen, die das Bundesverfassungsgericht, wegen der Bevorzugung der Söhne,
1963 als verfassungswidrig ansieht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Hagmeister Meyer zu Rahden, G.,
Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts, 1936; Mauß, H.,
Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet, 1938; Mayer-Edenhauser,
T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942, Gebb,
J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts, Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff,
W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell,
K., Geschichtliche Grundlagen des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147;
Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht, 2004
Anerkenntnis -> Schuldanerkenntnis
Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe wirtschaftlich
bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden
Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener,
Erbbauberechtigter usw.).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966
Anfechtung ist die nachträgliche Beseitigung einer eingetretenen
Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder Verfahrenshandlung des
durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem Sinne ermöglicht bereits die
-> (lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti des klassischen römischen
Rechtes die Entkräftung eines Testamentes, das bestimmte nahe Angehörige des
Erblassers übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.)
-> in integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.
Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des
Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung
der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006
Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die nachträgliche Beseitigung
bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist. Im 19. Jh. gibt es eine A.
gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder gegen polizeiliche
Verfügungen.
Lit.: Köbler, DRG 263
angariae (lat. [F.Pl.]) Spanndienste, Beherbergungspflichten in Antike und
Frühmittelalter
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
2. A. Bd. 2 1928, 308
Angebot ist die auf den Abschluss eines -> Vertrages gerichtete
-> Willenserklärung.
Angelsachse ist der Angehörige der seit etwa 775 (Beda, Paulus
Diaconus) mit der Sammelbezeichnung Angelsachsen benannten, im 5./6. Jh. unter
den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die
britischen Inseln auswandernden -> Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und
Jüten. Die Angelsachsen bilden unter Verdrängung der einheimischen -> Kelten
mehrere Kleinkönigreiche (Kent, Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia,
Northumbria), in denen sie von römischen und von schottischen Missionaren zum
Christentum bekehrt werden. Den Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die
Einigung, doch werden die Angelsachsen 1016-42 von den Dänen beherrscht und
1066 bei Hastings von dem -> Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen.
Lit.: Köbler, DRG 81; Liebermann, F., Die Gesetze der
Angelsachsen, Bd. 1ff. 1898ff.,
Neudruck 1960; Braude, J., Die Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson,
D., The Anglo-Saxons, 2. A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und
Königtum bei den Angelsachsen, 1971; Torkar, R., Eine altenglische Übersetzung
von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20, 1981; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997
Angelsächsisches Recht ist das Recht der -> Angelsachsen. Es ist überliefert
durch Gesetzbücher der angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch
allgemeine Rechtsaufzeichnungen unbekannter Verfasser und durch Urkunden und
allgemeine Geschichtsquellen. Den Beginn bilden die in der Volkssprache
niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts von Kent (597-616) und in jüngerer
Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von Alfred dem Großen von Wessex
stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut eine weitere umfangreiche
Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen stellen der ->
Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die Consiliatio Cnuti (12. Jh.)
und die -> Leges Henrici Primi (1114-1118) dar, mit denen das
angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands reicht. Die
Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit deutlichen
Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar. Die
Abgrenzung von aufgezeichnetem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam mit
Bischöfen und Adel gesetztem Recht bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand
der „Gesetzbücher“ ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße
an den Verletzten. Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und
königliche Anordnung zu. Ein Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den
überlieferten Rechtsfällen, die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des
Königs geleiteten örtlichen Gericht verhandelt werden, nicht.
Lit.: Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG
GA 5 (1884), 198; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff.,
Neudruck 1960; Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss,
1909; Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913; Attenborough,
F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die Einleitung des
Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1; Würdinger, H.,
Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG GA 55 (1935),
105; Sawyer, P., Anglo-Saxon Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of
medieval England, 1973; Korte, D., Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik
angelsächsischer Gesetze und Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers,
T., A Reevaluation of Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A.,
Untersuchungen zu den angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8.
Jahrhunderts, Diss. phil. Wien 1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002; Scharer, A., Herrschaft und
Repräsentation, 2000
Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vorwiegend geistige Arbeit
leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer Teil der
Arbeitnehmer erkannt.
Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der Angestelltenschaft
in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden Angestellten, 1979;
Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997; Schulz, G., Die
deutschen Angestellten, 2000
Anhalt über dem Selketal ist die vielleicht um 1050 errichtete
Burg, nach der sich ein seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (-> Askanier)
benennt, dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218 dem Reichsfürstenstand
angehören. Nach vielen Teilungen kommen die Güter 1863 im Herzogtum A. wieder
zusammen, das am 12. 11. 1918 Freistaat wird. Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb
der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen -> Preußens
vereinigt und 1947 dem neugebildeten Land -> Sachsen-Anhalt eingegliedert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das
landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der
Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2
(1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus,
P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993
animo (lat.) durch Beherrschungswillen, -> possessio, ->
animus
animus (lat. [M.]) -> Wille
animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille
animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille -> Schenkung
animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille -> Novation
Anjou ist die Seitenlinie der -> Kapetinger (erstes Haus
begründet von vicecomes Fulco dem Roten um 898, Verlust der Grafschaft
1214/1259 an den König von Frankreich, 1154 Königtum in England mindestens bis
1399, 1499 Hinrichtung des letzten männlichen Plantagenet Earl Eduard von
Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage nach Übernahme der Grafschaft
durch den König von Frankreich, drittes Haus 1351-1480), welche die Grafschaft
Provence, Sizilien (1265-1282, Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435,
Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386) und Polen (1370-1386) sowie in einer
jüngeren Linie Lothringen (1431-1473) beherrscht. Die Landschaft A. (der
keltischen Andekaver) um Angers zählt von 1154 bis 1204 unter dem Haus ->
Plantagenet zu -> England. 1480/1481 fallen A. und Provence an den König von
-> Frankreich.
Anklage ist die vor Gericht gegen eine bestimmte Person wegen einer
bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie tritt erst mit der Entstehung
allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen auf. In Rom erfolgt der Übergang zu
einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung seit dem 2. vorchristlichen Jh.
Danach erscheint eine Popularanklage bei Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder
Bürger kann durch Anzeige die A. vorbringen und erhält im Falle des Erfolges
einen Lohn. Im deutschen Mittelalter bildet die A. die Voraussetzung für den
besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren -> Anklageprozess.
Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Grossmann, S., Masken des
Anklägers – Geschichte des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur.
Frankfurt am Main 2000
Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein Strafverfahren nur auf Grund
einer Anklage betrieben werden kann.
Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine -> Anklage (insbesondere
seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere öffentliche Anklagebehörde)
(-> Staatsanwaltschaft) voraussetzt. Er ist in Frankreich eine unmittelbare
Folge der französischen Revolution von 1789. In Deutschland setzt Baden 1832
erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A. von der Verfassung der Frankfurter
Paulskirche vorgesehen. -> Akkusationsprozess
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Anklam ist die am Unterlauf der Peene vor 1243 von deutschen
Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt und spätestens 1292
Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein bedeutsames -> Stadtbuch.
Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier, J., Bd.
1ff. 1960ff.
Anleite ist die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die
Einweisung des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten
Beklagten in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem
Reichshofgericht oder einem kaiserlichen Landgericht vor 1784.
Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen
Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im
Spätmittelalter, 1984
Annahme -> Vertrag
Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher Parallele zu spätantiken
Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinende, chronologisch geordnete
Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten (z. B. Quedlinburger Annalen
Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab Schöpfung]).
Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926; Caenegem, R.
van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen Mittelalters, 1964; Mc
Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and Historians, 1977; Die
Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004
Annaten sind gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13.
Jh.s bei der Verleihung freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den
Papst geleistete Abgaben in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrages, die seit
1917 grundsätzlich untersagt sind.
Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903; Hoberg,
H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.
Anschluss ist die von Adolf -> Hitler 1938 nach mehrjähriger
Vorbereitung durch politischen Druck herbeigeführte Angliederung ->
Österreichs an das Deutsche Reich. Dem A. geht 1918 der vergebliche Versuch der
aus den meisten deutschsprachigen Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten
Republik -> Deutschösterreich voraus, sich mit dem -> Deutschen Reich zu
verbinden. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen Bundeskanzler Kurt
von Schuschnigg, den nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart als
Sicherheitsminister zu bestellen. Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg
angesetzte Volksabstimmung für ein „freies und deutsches, unabhängiges und
soziales, christliches und einiges Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3.
1938 von Hitler erzwungenen Rücktritts Schuschniggs. Danach bestellt der Bundespräsident
Seyss-Inquart zum Bundeskanzler. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“)
Seyss-Inquarts an Hitler marschieren deutsche Truppen ein. Die Bundesregierung
beschließt ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs
mit dem Deutschen Reich. Eine Volksabstimmung vom 10. 4. 1938 bejaht den A. zu
99,73%.
Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter,
F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v.
Albrich, T. u. a., 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995; Roesler, J.,
Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen
Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss. jur.
Hannover 2003
Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung
von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und römischen Rechtsquellen..
Lit.: Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006
Anschütz, Gerhard (Halle/Saale 10. 1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948)
wird nach dem Rechtsstudium Professor in Tübingen (1899), Heidelberg (1900),
Berlin (1908) und Heidelberg (1916). Er verfasst auf gesetzespositivistischer
Grundlage den mit 14 Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose
mitgestalteten Verfassung der -> Weimarer Republik.
Lit.: Anschütz,
G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard
Anschütz, Der Staat 6 (1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v.
Pauly, W., 1993; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)
Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um 770-St. Wandrille/Fontenelle
20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt von St. Wandrille, der 827 in
seinem (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90 heute
bekannten) -> Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen
zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier
Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden.
Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die
Kapitualriensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996
Anstalt ist die von einem Träger öffentlicher Verwaltung seit dem
18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen Verwaltungsaufgabe errichtete,
verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheit
von persönlichen oder sachlichen Mitteln.
Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller Baden-Durlachischen
Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die Entwicklung der
Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Alexander,
L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht,
2003
Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu einer
vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch genügt). Als allgemeine
Grundfigur des -> Strafrechts wird die A. unter Herauslösung aus der
Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch Feuerbach 1801) des auctor
erst im 19. Jh. ausgebildet (§ 34 I StGB Preußens 1851).
Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom
Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Lit.: Dülmen, R.
van, Historische Anthropologie, 3. A. 2001; Hoßfeld, U., Geschichte der
biologischen Anthropologie in Deutschland, 2005
Antichrese ist das aus dem hellenistischen Bereich in das klassische
römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der Pfandgläubiger mit Erlaubnis
des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31; Hübner
Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh. v. Chr.-4./6. Jh. n.
Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der Griechen und Römer gekennzeichnete,
durch die Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene
geschichtliche Abschnitt der menschlichen Entwicklung. -> Altertum
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1986;
The Cambridge Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim,
W., Die Antike, 6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel,
U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der
Antike, 1999; Metzler Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B.,
1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999;
Nickel, R., Lexikon der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v.
Gehrke, H. u. a., 2000; Dahlheim, W., Die Antike, 6. A. 2002; Brandt, H., Das
Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W., Spaziergang durch die Antike,
2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v. Manthe, U., 2003; Lexikon der
antiken Gestalten in den deutschen Texten des Mittelalters, hg. v. Kern, M. u.
a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte und in die
Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der Antike, hg. v.
Brodersen, K. u. a., 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006;
Erinnerungsorte der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006
Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)
Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993
Antisemitismus -> Jude
Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997;
Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland
zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999;
Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die
Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus,
2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des
Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la
espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des
Antisemitismus, 2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v.
Krieger, K., 2003; Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004
Antitribonianus ist das 1603 postum erschienene Werk François ->
Hotmans, das im Angriff auf -> Tribonian die Anwendbarkeit des Corpus iuris
civilis in der Neuzeit bestreitet und die Schaffung eigener Gesetzbücher
empfiehlt.
Lit.: Baron, J., Franz Hotmans
Antitribonian, 1888
Antrag -> Vertrag
Antrustio (lat. [M.]) ist der im Volksrecht der -> Franken durch
dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete freie Königsmann.
Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im
Merovingerreich, 1958
Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals urkundlich erwähnt. 1291
erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität eingerichtet.
Anwachsung ist die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer
(gesamthänderischen) Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines
Mitberechtigten. Sie dürfte in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B.
Hausgemeinschaft, Akkreszenz im klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung
gehabt haben und später eher zurückgedrängt worden sein (z. B. durch
Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt
sie mit dem Gesamthandsprinzip an Gewicht.
Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner; Breuel, F.,
Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333
Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im Recht). Im römischen
Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im deutschen Bereich
begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum Hochmittelalter hin
erscheinen Vertreter für Bischöfe, Äbte, Gemeinden oder Genossenschaften. Bis
zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich die Vertretung der Partei im
bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der Rezeption des römisch-kanonischen
Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der meist rechtsgelehrte, praktisch
geschulte ->Prokurator zum Vertreter der Partei vor Gericht, der
rechtsgelehrte -> Advokat zum außergerichtlichen Berater, doch verwischen
sich in Deutschland die Unterschiede trotz Fortführung der verschiedenen
Benennungen bald wieder. In Preußen wird 1725 die Prokuratur abgeschafft und
1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt (Assistenzrat, Justizkommissar).
Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei wählbare Prozessvertreter
zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich) Rechtsanwälte heißen.
Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155,
202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Bader, K.,
Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm,
O., Die nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Holly, G., Geschichte der
Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krug, G., Die
Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen
Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die
Entwicklung der Anwaltschaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten,
Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und
Steuerberatung in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Wiedemann, A., Preußische
Justizreformen, 2003
Anwaltszwang ist die tatsächliche oder rechtliche Verpflichtung im ->
Prozess einen -> Anwalt zu verwenden.
Anwartschaft ist die einer bestimmten Person zustehende rein
tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder Recht. Im
deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den Nachlass
(-> Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes Recht, das
dem Vollrecht wesensgleich ist, beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt durch.
Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984
Anweisung ist die schriftliche Aufforderung eines Teiles
(Anweisender) an einen anderen Teil (Angewiesener), Geld, Wertpapiere oder
andere Sachen an einen Dritten (Anweisungsempfänger) zu leisten. Sie gehört in
die Frühzeit des -> Wertpapiers (13./14. Jh.).
Anwenderecht ist das in die Anfänge des Ackerbaues zurückreichende
Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein Nachbargrundstück zu
betreten. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich
vorhandene A. bestehen.
Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925
Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich erheblichen Vorganges
oder Zustandes. Sie ist in verschiedenen Formen dem römischen Recht bekannt. Eine
Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen stellt die Rügepflicht dar. Der
hochmittelalterliche kanonische Prozess unterscheidet im 12. Jh. die A. von der
(lat. [F.]) accusatio. In der frühen Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der
Klage eines einzelnen Klägers die A. beim Richter zur Ingangsetzung des
Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige
geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002
Aostatal
Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur.
Freiburg im Üchtland)
Apanage ist die Ausstattung eines nachgeborenen Sohnes, Bruders
oder sonstigen Mitgliedes eines landesherrlichen Hauses zur Sicherung des
standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren Vorläufern
(Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen Rechtsanspruch auf
A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden Hausgesetzes. Die meist bei
Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf eine Person oder auf eine Linie
bezogen sein.
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Wood,
C., The French Apanages, 1966
Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem
Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534
Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für
die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann Apell,
1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 100 (1940), 423
Apokalypse
Lit.: Fried, J.,
Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht des Mittelalters der
Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo) auf die Bitte einer
Partei, die -> Appellation gegen seine Entscheidung erhebt, an den oberen
Richter (iudex ad quem) sendet. Er enthält eine Schilderung des bisherigen
Verfahrensablaufes und eine Beurteilung der Berechtigung der Appellation sowie
später auch die bisherigen Prozessakten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342
appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung, -> Appellation
Appellation ist im spätrömischen Verfahrensrecht das Rechtsmittel zur
Überprüfung der Entscheidung eines unteren Richters durch einen höheren Richter,
das mit einem Urteil endet. Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder
binnen 10 Tagen schriftlich einzubringen. Im hohen Mittelalter wird die A.
(mittels -> Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen Prozessrecht
erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in Deutschland
zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In der zweiten Hälfte des 15. Jh.s
ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen Fällen vor dem um
1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im älteren
Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet,
allmählich die ältere Urteilsschelte in weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren
verdrängen bald die erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete
Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu
80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden
festgelegt, die 1654 auf 400 Reichstaler steigt. In die gleiche Richtung wirken
die Nichtappellationsprivilegien. 1879 wird die A. im Deutschen Reich durch
die -> Berufung ersetzt, in England erst 1875 wirklich zugelassen. ->
Konzil
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114, 117,
152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht
und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K.,
Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84
(1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle
genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Weitzel,
J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht, ZRG GA
90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980; Becker, H., Die Appellation vom Papst
an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die Appellation in Kurpfälzer und
verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger,
T., Die Extrajudizialappellation, 1993; Morhard, A., Die gerichtliche Berufung,
1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung des Rechtsmittels der Appellation,
1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche Verbot der Appellation in Strafsachen,
2002; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002;
Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch,
ZRG 123 (2006), 110
Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen Königs an Landesherren, das
eine -> Appellation aus dem jeweiligen Gebiet an den König ausschließt
(Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl nur den Rechtszug nach
einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s die
eigentliche Appellation. 1356 verleiht die -> Goldene Bulle den Kurfürsten
ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten ist, weil die
Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z. B. in Sachsen
erst seit dem 16. Jh.).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen
privilegia de non appellando, 1980
Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abbacella. Das zunächst unter
der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt zwischen 1377 und
1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft
der -> Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied. A. besteht aus einem
evangelischen Halbkanton (Außerrhoden) und einem katholischen Halbkanton (Innerrhoden).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die
rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918),
1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher
56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land-
und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion –
Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115
(1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006
Aprilverfassung ist die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte,
vom Innenminister Franz Xaver von -> Pillersdorff geformte, nach dem 15. 5.
1848 zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung,
Reichstag und Grundrechten.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
apud iudicem (lat.) vor dem Richter, -> Prozess, Verfahren
Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9. Jh. v. Chr. unter den
Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert und gehört nach dem
Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und Oströmern im Norden
seit 570 zum Herzogtum Benevent der Langobarden. In der Mitte des 11. Jh.s
fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das Königreich Neapel.
Lit.: Palumbo, P., Medio evo
meridionale, 1978
aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitungsrecht, -> Dienstbarkeit
aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpfrecht,-> Dienstbarkeit
Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als römische Kolonie
gegründet. Der seit spätestens 314 nachweisbare Bischof beansprucht seit
558/68 den Titel eines Patriarchen. 1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit
1418 gelangt A. an Venedig, im 16. Jh. an Österreich und mit Venetien an
Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das
Patriarchat Aquileja, 1987
Aquilius -> lex Aquilia
Aquitanien ist das Gebiet nördlich der Pyrenäen. Es wird seit 71 v.
Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch. Im 7. Jh. entsteht ein fast
selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh. erneuert wird. Durch Heirat
der Erbtochter mit Heinrich II. -> Plantagenet (1152) gelangt A. beim
Thronantritt Heinrichs II. in England in eine Personalunion mit -> England.
Am Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75) fällt A. von England an ->
Frankreich.
Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v.
Higounet, C., 1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne,
1972
Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete Grundsatz, dass zwischen
dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und der für diese geforderten
Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.
Araber ist der Angehörige des in den mittelalterlichen
lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni bezeichneten semitischen
Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel siedelt. Die A. erobern nach
der Bekehrung zum -> Islam im frühen Kalifat (632-692) Ägypten, (638
Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar erreicht, 716/717
Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender Vorstoß erst bei Tours
und Poitiers von den Franken zurückgeschlagen. Im 9. Jh. setzt der Zerfall des
bald auf Bagdad (762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden)
ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können die
Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen Osmanen
gebildete ssmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht 1492 mit
Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19. Jh. die
arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand der
Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A. auf
das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den
wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende
mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht
in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein
auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das europäische
Mittelalter weiter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M.,
Storia dei Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt,
hg. v. Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa,
1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther, W.,
Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G., Saudi-Arabien,
2004
Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens gelangt am Ende des 3. Jh.s
v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n. Chr. an die Westgoten und
713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine Grafschaft der Franken, die eine
eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und sich im Zuge der Rückeroberung
1035 und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der -> Fuero von -> Jaca
(1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit
Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden
die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas
zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden Fueros de Aragón (Fori
Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen auch
Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A. hinter
-> Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707 zunächst noch
gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung (1833) wird
erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht gilt seit
1889 im Rahmen des Código Civil Español fort.
Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz, K.,
Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des
Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde
Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960,
98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963; Molho,
M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J., Fairen Guillen, V., Die
aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974, 116; Los Fueros de Aragón,
1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258
Arba ‘at ha-Turim -> Jakob Ben Ascher
Arbeit ist die auf Schaffung von Werten gerichtete körperliche
oder geistige Tätigkeit. Steht ursprünglich die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt,
so verlagert sich der Bedeutungskern besonders seit dem 19. Jh. auf die
Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten
deshalb, obwohl bereits im Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich
vereinbarter Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der
Obrigkeit für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie
den -> Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des -> Arbeitsrechts ist,
für das sich das besondere -> Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im 19. Jh.
wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im
Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972,
154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail
au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die
Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H.,
Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G.,
Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U.,
Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998; Brandt,
P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der gefahrgeneigten
Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka, J. u. a., 2000; Fossier,
R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K., Einmal kommt die Zeit, 2001;
Guinand, C., Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Steinfeld, R.,
Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England, ZRG GA 123
(2006), 267
Arbeitnehmer
Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der
Bewegung von 1848/1849, 1934
Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für die erste Instanz (RGBl.
1926, 507) geschaffene Eingangsgericht der für Streitigkeiten aus
Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von der ordentlichen
Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit (1927
Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein besonderes, mit
Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes Gewerbegericht
(1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in Frankreich (Lyon 1806)
von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten Conseil de prud’hommes
zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid) und später in
Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird.
Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die
Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer
Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J.,
Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, 1990; Schöttler, P.,
Zur Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit, Rechtshistorisches Journal 9
(1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit, 1994; 50 Jahre saarländische
Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des Landesarbeitsgerichts, 1997; 50
Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J.,
Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland, Bd. 2
2002; Bachem-Rehm, M., Die katholischen Arbeitervereine im Ruhrgebiuet
1870-1914, 2004
Arbeitsgesetzbuch ist das für das -> Arbeitsrecht geschaffene Gesetzbuch
(z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23. 11. 1966, 1977).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Arbeitskampf (erster bekannter Arbeitskampf auf deutschem
Boden Breslau 1329) -> Aussperrung,
Streik
Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v. Pohl,
H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993; Schröder,
R., Der gewerbliche Kampf, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen Arbeitskampfrechts,
Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005 (61 Fallschilderungen
zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.)
Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen Anfängen (1913 in 13
deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung vorhanden) folgend von 1918
an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zur
Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd im Arbeitsförderungsgesetz
geregelte und zum 1. 1. 1998 in das Sozialgesetzbuch (III) überführte ->
Sozialversicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241;
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991 ;
Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung,
1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn, U.,
Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche
Arbeitslosenunterstützung in der Weimarer Republik, 1995
Arbeitsmündigkeit -> Mündigkeit
Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der
Arbeitsmündigkeit, 1968
Arbeitsrecht ist das die -> Arbeit betreffende Recht. Es wird als
Rechtsgebiet erst am Beginn des 20. Jh.s verselbständigt (Sinzheimer 1907f./14,
Potthoff 1925), nachdem sich die obrigkeitlichen und genossenschaftlichen
Bindungen infolge des Liberalismus lösen und -> Arbeit zum Gegenstand freier
vertraglicher Vereinbarung wird. Als erste gesetzliche Regelungen erscheinen
Arbeitsschutzbestimmungen (England 1802, Preußen 1839, Truckverbot 1849), die das
deutsche Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert. Flankierend wirkt die
-> Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich
entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts findet einen ersten Abschluss in
der -> Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen
Schlichtungsverordnung (1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird
dann das kollektive A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung ersetzt, die
nach 1945 wieder beseitigt wird. Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen
von P. Lotmar (1902/8) und H. Sinzheimer (1907f./14). Als Besonderheit des
Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei -> gefahrgeneigter
Tätigkeit angesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241;
Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen
Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht
im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter,
1939; Ebel, W., Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849,
1964; Mampel, S., Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland,
1966; Wedderburn, K., Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P.,
Die soziale Entwicklung des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss.
jur. Zürich 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T.,
Die Arbeitsverfassung des Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die
Arbeitsverfassung der Weimarer Republik, in: In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980;
Umlauf, J., Die deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur
Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H., 1984; Tschudi, H., Geschichte des
schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos
und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB,
1988; Bohle, T., Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990;
Wahsner, R., Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende
Bibliographie zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung
des Rechts der Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr,
H., Fast vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998;
Die Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998; Rudischhauser,
S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die Anfänge des
Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die Auflösung von
Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor Gericht, 2001;
Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des Reichskommissariats in den
Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl
Flesch, 2004
Arbeitsverfassung -> Arbeitsrecht
Arbeitsvertrag ist der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die
entgeltliche Leistung von -> Arbeit geschlossene -> Vertrag. Anfangs
individuell ausgehandelt wird sein Inhalt zunehmend kollektiv gestaltet. Seit
1995 wird grundsätzlich die Schriftform angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der Arbeitsvertrag,
2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches Arbeitsvertragsrecht, hg. v.
Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im
deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im
deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter
im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und
Gesellschaftsordnung während des 19. Jahrhunderts, insbesondere in den
Auseinandersetzungen über den Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der
industrielle Arbeitsvertrag in der deutschen Rechtswissenschaft des 19.
Jahrhunderts, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Vietinghoff-Scheel, E. v., Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss.
jur. Göttingen 1972; Ebert, K., Der industrielle Arbeitsvertrag in der
österreichischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG
GA 92 (1975), 143; Söllner, A., Entwicklungslinien im Recht des
Arbeitsverhältnisses, in: NS-Recht in historischer Perspektive, hg. v. Institut
für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso Olea, M., Von der Hörigkeit zum
Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung des
Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in
Naturrecht und Rechtsphilosophie, in: Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v.
Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsvertragsgesetz mit dem
Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer
Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M.,
Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von
Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis
während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005
Arbeitszeit ist die für -> Arbeit aufzuwendende Zeit des
Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des
Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung verlängert sich die A.
durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird
im -> Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet und am 21. 12. 1923 die
A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz
allgemein geregelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S., Arbeitszeitrecht in
der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner
Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England
1750-1830, 2000
arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter, -> Schiedsgericht
Lit.: Kampmann, C., Arbiter und
Friedensstiftung, 2001
Arbitrium
Lit.:
Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis im ius commune, ZRG GA 115
(1998), 552
Archäologie (Altertumskunde) ist die Wissenschaft von den
gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke, Geräte, Münzen, Knochen)
von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch ethnische Unterschiede (z.
B. im Frühmittelalter) wahrscheinlich machen kann.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A.
1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die
Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die
klassische Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres
germanisch!, 2002; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen Archäologie,
2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die Aktualität des
Archäologischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004
Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der -> Diakone einer
Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des -> Bischofs entwickelt, ehe
er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das
Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84
Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s nachweisbare Stellvertreter
des -> Bischofs bei Messfeier und Spendung der Sakramente, im frühen
Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.
Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911
Archiv ist die Einrichtung zur (geordneten) Sammlung und
Aufbewahrung von Schriftgut. Archive sind bereits in der Antike dort vorhanden,
wo umfangreiches Schriftgut anfällt. Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die
christliche Kirche an. Im weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh.
sichtbar. Das Hauptproblem der Gegenwart ist die große Menge des Schriftguts,
das nach dem Grundsatz der Archivwürdigkeit gesichtet werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte des
österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und Archivwesen,
1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des niedersächsischen
Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H., Archivalienkunde, 1969; Papritz,
J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv Schenk von Stauffenberg, Herrschaft
Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv der Freiherren von Woellwarth.
Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann, N., 1991; Die Bestände des
Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten der badischen Ortschaften
(229), bearb. v. Rupp, R., 1992, Franz, E., Einführung in die Archivkunde, 4.
A. 1993; Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner,
J., Quellen rheinischer Archive zur neuzeitlichen Personen- und Familiengeschichte,
1995; Bayerisches auptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996; Strauch, D., Das
Archivalieneigentum, 1998; Weiser, J., Geschichte der preußischen Archivverwaltung,
2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen Archivtag, 2001; Die
archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002; Die archivalischen
Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 4. A. 2004; Brenner-Wilczek, S. u. a.,
Einführung in die moderne Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz,
2007
Arco
Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971
Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik entstammende
Einleitungsformel mittelalterlicher Urkunden, die mit meist sehr allgemeinem
Inhalt vom Protokoll zum Text überleitet.
Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957
argentarius (lat. [M.]) Bankier, -> receptum (argentarii)
Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist die Kurzfassung des aus
dem Grundsatz der Ebenburt (-> Ebenbürtigkeit) an manchen Stellen folgenden
mittelalterlichen Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen von Angehörigen
unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen Elternteiles
angehören.
Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912
Arglist ist die hinterhältige Gesinnung. Im klassischen römischen
Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus) beruhende Verhalten
ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede der A. auch ohne besondere
Vereinbarung offensteht.
Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne
Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246
Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem Konzil von Nizäa
verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach der Christus Gott
nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind bis ins 6. Jh. A.,
die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.
Lit.: Courtois, C., Les Vandales et
L’Afrique, 1955; Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Arier ist der Angehörige eines arisch (indoiranisch) sprechenden,
seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich nachweisbaren, auf die ->
Indogermanen zurückführbaren Volkes. Seit dem 19. Jh. wird zunächst A. mit
Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A. als Angehöriger der nordischen
-> Rasse verstanden. Im Dritten Reich bedeutet A. in antijüdischer Verengung
den Nichtjuden.
Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997
Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis) ist bei den Langobarden
der vollfreie Krieger, insbesondere möglicherweise der auf Königsland
angesiedelte, dem König verpflichtete Krieger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jarnut, J., Beobachtungen zu den
langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J.,
Prosopographische und sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in
Italien, 1972
Armenier
Lit.: Der Genozid an den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006
Armenrecht ist die einstweilige Befreiung einer armen (unbemittelten)
Partei von den Kosten eines Rechtsstreites. Sie ist eine besondere Ausprägung
der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der mittelalterlichen Kirche
gefordert wird. 1980 wird das A. durch die -> Prozesskostenhilfe ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge,
Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du
Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und
Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß,
M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung,
1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut,
Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995; Eser, S., Verwaltet
und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997; Hartlief,
E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998; Wohlrab,
K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u. a.,
Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das
Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und
Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler, Beutelschneider,
2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002;
Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O.,
2004; Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v.
Helas, P. u. a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a.,
2006
Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche bemitleidenswerte
Sünder, in der frühen Neuzeit der dem peinlichen Gericht überantwortete Täter,
insbesondere wenn er bereits (zum Tod) verurteilt ist.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936
Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger,
hg. v. Heidrich, I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de
arra (lat. [F.]) Angeld, -> arrha
Arrest ist die Verhaftung oder Beschlagnahme und insbesondere das Eilverfahren
des Zivilprozesses zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer
Geldforderung oder wegen eines Anspruches, der in eine Geldforderung übergeht. Die
Bezeichnung A. verdrängt seit dem 17. Jh. die ältere Bezeichnung Kummer für ein
wohl schon seit dem frühen Mittelalter bekanntes, seit dem 12. Jh. bezeugtes
Verfahren.
Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Wach, A., Der italienische
Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess,
1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses, ZRG GA
34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914; Planitz, H.,
Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der Fremdenarrest, ZRG
GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen des deutschen
Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den Lübecker
Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt
am Main, 1996
Arrha (lat. [F.]), arra, arrabon ist die nach semitischem Vorbild
im hellenistischen Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche
Draufgabe (Angeld) bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt
im spätantiken Recht als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in
doppelter Höhe zurückgeben. Im Frühmittelalter soll mit der Hingabe einer
Teilleistung ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur
den Empfänger verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das
von den Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Im Spätmittelalter
verliert die a. außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende
Bedeutung und nähert sich dem -> Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine
gewisse Beweisfunktion.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91, 127;
Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855
Arrhalvertrag ist der unter Verwendung einer -> arrha entstehende
-> Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164
Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh. auftretende Bezeichnung
für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden, die auf Grund der antiken
Rhetorik und Grammatik am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird
([lat.] Praecepta [N.Pl.] dictamina 1111?).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über Briefsteller
und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars dictandi, DA
13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979)
Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker Vorläufer am Beginn des
13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna) verselbständigte Lehre von
der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.] Formularium [N.] tabellionum 1200/5,
Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di
notariato in Italia, 1926
Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die in der römischen Antike
auf der Grundlage der griechischen Philosophie von Bürgern gepflegten
Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog. Trivium,
Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die im
Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden
(schätzungsweise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne
späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne
Graduierung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien
Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres
aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen
Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage,
B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher
Neuzeit, 2007
Articuli (M.Pl.) reprobati
(lat., Sg. articulus reprobatus) sind die
von Papst Gregor XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Theologieprofessors
Johannes -> Klenkok für nichtig erklärten 14 Artikel des ->
Sachsenspiegels, die kirchliches Verfassungsrecht, Verfahrensrecht und
Privatrecht betreffen.
Lit.: Köbler, DRG 117; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA 31 (1910), 426; Kullmann, J., Klenkok
und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main
1959; Oppitz, K., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28
articulus (lat. [M.]) Artikel
Artikelprozess ist der im Spätmittelalter entwickelte römisch-kanonische
Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der Erhebung der Klage und nach
Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag in scharf abgegrenzte
Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.] positiones) zerlegen und der
Beklagte dazu einzeln Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones) geben muss, so dass
sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und Responsionen)
leicht das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln lässt. Der A.
wird bereits von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496 übernommen,
unter dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied
von 1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder
aufgegeben.
Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen
Zivilprozesses, 7. A. 1850
Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden 1579-Jena 24. 2. 1637)
wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena dort 1600 promoviert
und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher Professor) ernannt.
Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende, methodisch
gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren er das
Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.
Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis Romano-Germanici
Imperii, 1630; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,
Bd. 1 1988
Arzt
Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den
frühmittelalterlichen Leges, 1983
As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.
Asega ist eine Figur der mittelalterlichen altfriesischen
(Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer, Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen,
deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung (Gesetzessprecher?,
Urteilsfinder?) umstritten sind.
Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27
(1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago
und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und
Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93
Asien
Lit.: Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003
Askanier ist der Angehörige eines ursprünglich
alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 am Harz erscheint. Unter
Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und erwirbt 1180 das
Herzogtum Sachsen. Die brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die ->
Wittelsbacher, die wittenbergischen 1422 an die -> Wettiner und die
lauenburgischen 1689 an die -> Welfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E.,
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von
Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001
assecuratio (lat. [F.]) -> Versicherung
Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien übernommene, im 19. Jh.
verdrängte Bezeichnung für die -> Versicherung.
Assessor ist seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer eines
Gerichts, seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf eine feste
Anstellung im höheren Staatsdienst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
153
Assise (mlat. [F.] assisa) ist die Versammlung und die Gesamtheit
der dort beschlossenen Rechtssätze (z. B. Assise regum regni Sicilie 1140,
Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166, Assize of Northampton 1176,
Grand Assize 1179). Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private
Sammlungen von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und
Zyperns in französischer Sprache des 13. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, The Earliest Northamptonshire
Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Etude critique sur les livres des Assizes
de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und römisches Recht,
1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975
Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet 1771 mit den (span.)
Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein aus partikularer
Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes gemeines
spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und systematisch noch
römischrechtlich geprägt ist.
Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don
Ignacio de Asso y del Río, 1972
Assyrer ist der Angehörige des vom 2. Jahrtausend v.
Chr. an im vorderen Orient bedeutenden, im späten 7. Jh. v. Chr. den Medern und
Persern unterliegenden Volks.
Lit.: Cancik-Kirschbaum, Die Assyrer, 2003
Asyl (N.) Zuflucht -> Asylrecht
Asylrecht ist das Recht der geschützten Zuflucht (politisch)
Verfolgter. In griechischer und römischer Zeit besteht das Recht, einem Täter
an einem heiligen Ort vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von
dort im 5. Jh. auf christliche -> Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche
Einrichtung auch den Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die
wohl durch römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt
das A. auf noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich
wird später die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus,
Richterhaus usw. erweitert. Der neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende
des 18. Jh.s ab. Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten Schutz vor
einem Verfolgerstaat.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259; Bindschedler, R.,
Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und Freistätten in der
Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche Entwicklung des Asylrechts,
Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des Asylrechts, 1954; Kimminich,
O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems, H., Zur Entwicklung des
Kirchenasyls, in: Libertas, 1991, 139; Reiter, H., Politisches Asyl im 19.
Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz, 1995; Gamauf, R., Ad
statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das Asylrecht in Preußen, Diss.
jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den germanischen Stämmen im frühen
Mittelalter, 2002; Bammann, K., Im Bannkreis des Heiligen, 2002; Das antike
Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die religiöse und rechtliche
Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003; Traulsen, C., Das sakrale Asyl
in der alten Welt, 2004
Athen ist der griechische, seit dem 7. Jh. erkennbare Stadtstaat
in Attika, in dem Drakon (624) und Solon (594) gesetzgeberisch tätig werden.
508/7 geht A. zur -> Demokratie über. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86
v. Chr. fällt es unter Sulla an die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach
dem griechischen Befreiungskampf wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und
erhält 1837 eine Universität.
Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Meyer-Laurin, Gesetz und Billigkeit im attischen Prozess, 1965;
Wolff, „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac Dowell, The Law in
Classical Athens, 1978; Bötig, K., Athen, 3. A. 1981; Rhodes, P., The Athenian
Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie,
2. A. 1994; Die athenische Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die
athenische Demokratie, 1995; Habicht, C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and
individual rights in Athens, ZRG RA 114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G., Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen,
1997; Figueira, T., The Power of Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian
Acropolis, 1999; Welwei, K., Das klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in
klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B., Untersuchungen zur Geschichte des
spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen im 4. Jahrhundert, 2000; Große
Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt, L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000;
Law and Social Status in Classical Athens, hg. v. Hunter, V. u. a., 2000;
Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001;
Wilson, P., The Athenian Institution of the Khoregia, 2002; Tießler-Marenda,
E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius, 2002; Demokratie, Recht und soziale
Kontrolle im klassischen Athen, hg. v. Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und
Sparta, 2003; Pabst, A., Die athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen
und Sparta, 2003; Goette, H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn,
U., Athen, 2004; Flaig, E., Der verlorene Gründungsmythos der athenischen
Demokratie, HZ 279 (2004), 36
Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem amerikanischen Präsidenten
Wilson und dem britischen Premierminister Churchill auf einem Schiff im
Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der Politik (Verzicht auf
Aggression, Entwaffnung von Aggressionsstaaten, Selbstbestimmungsrecht der
Völker, Gleichberechtigung im Welthandel, Freiheit der Meere), die von den
Vereinten Nationen übernommen wird.
Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome besonders betreffenden
Rechtssätze (z. B. Deutschland 1959 Atomgesetz).
Lit.: Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978
Attentat
Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003
Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in
Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon
Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins
Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des
französischen Privatrechts des 19. Jh.s.
Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E.,
Inauguration d’un moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923
Auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Vormann eines
Gewaltinhabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann, wenn ein anderer
als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die Verteidigung durch den
a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den doppelten Kaufpreis verlangen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler,
DRG 24; Köbler, LAW
auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung
Auctor (M.) vetus de
beneficiis (lat.) ist das in lateinischer
Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das in der
ersten Hälfte des 14. Jh.s die Grundlage des mitteldeutschen -> Görlitzer
Rechtsbuches bildet. Es ist streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts
des Sachsenspiegels (oder eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung
entstandene lateinische Übersetzung) darstellt. Alle Handschriften sind
verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569, 1692 (Auszüge) und
1708. Möglicherweise enthält der A. v. ursprünglich auch Landrecht.
Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der Vetus
auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309; Eckhardt,
K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4; Auctor vetus
de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 27
Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere
Seite muss (gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Auditor (M.) Zuhörer, Hörer
Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971
Aufgebot ist die (mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche
Aufforderung an unbekannte oder an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, vor
einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder Rechte
geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in fränkischer
Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter finden sie
vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung von beweglichen Sachen). Ein A. vor
einer Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil
1215. Mit der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die
-> Ediktalzitation, bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat,
wenn er sein Recht nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der
preußischen -> Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen
Zivilprozessordnung (1877/1879).
Lit.: Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII
Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines dunkleren Zustands.
Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu
begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang nennt man die gesellschaftskritische
Geistesbewegung des 17./18. Jh.s A. (frühe Anfänge im letzten Drittel des 17.
Jh.s) Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als
Denkverfahren werden -> Empirismus und -> Rationalismus entwickelt. Bewusst
wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publokums) gesucht. Im Recht
entspricht dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen ->
Naturrechts (-> Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des ->
Allgemeinen Landrechts Preußens (1794), des -> Code civil Frankreichs (1804)
und des -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (1811/1812)
Eingang findet. Politisch führt die A. zum aufgeklärten -> Absolutismus
(Friedrich der Große in Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold
in Toskana) bzw. zur Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige
Umsetzung aller Ziele in politische Handlung gelingt nicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161, 206;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte der
abendländischen Aufklärung, 1961; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und
Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg.
v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der
Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der
Aufklärung, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995;
Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v.
Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997;
Aufklärung-Vormärz-Revolution, hg. v. Reinalter, H., 1997; Der Illuminatenorden
(1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M., Aufklärung und
Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The Enlightenment and the
Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v. Williams, D., 1999;
Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Aufklärung –
Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning, H./Siegert, R.,
Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001; Lexikon der
Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in Europe, hg. v.
Schneiders, W., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v. Mondot, J., 2004; Borgstedt,
A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004; Goldenbaum, U., Appell an das Publikum,
2004; Asbach, O., Staat und Politik zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005;
Fichte und die Aufklärung, hg. v. De Pascale, C., 2005
Auflassung ist die Öffnung eines Grundstücks für einen Erwerber. Sie
erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise rechtsförmliches Eröffnen
des Grundstücks, später durch eine Erklärung vielleicht unter notwendiger
Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des Grundstücks). Seit dem 13. Jh. wird A.
zur Bezeichnung für die Grundstücksübereignung insgesamt. Häufig erfolgt sie
gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen Rechts in der frühen Neuzeit
wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie wieder vor. Im deutschen
bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung für den dinglichen
Vertrag über den Eigentumsübergang an Grundstücken, zu dem die Eintragung der
Eigentumsänderung in das Grundbuch hinzukommen muss.
Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2; Stobbe,
O., Die Auflassung des deutschen Rechts, Jh. Jb. 22 (1873), 137; Lehmann, K.,
Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA 5 (1884),
84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890), 255; Schmidt,
W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932; Köbler, G.,
Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip
und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984
Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der in frühmittelalterlichen
Volksrechten erkennbare förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind
Mitglied der Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt
werden kann. Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere
A.
Lit.: Hübner 52f., 699
Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen Rechtes zugunsten der
Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die seit der Aufklärung
Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).
Lit.: Köbler, DRG 259
Aufrechnung ist die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als
prozessual geltend zu machende (lat. [F.]) -> compensatio bekannte,
wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen
durch Verrechnung. Das ältere deutsche Recht kennt einen besonderen Aufrechnungsvertrag.
Eine A. durch einseitige Erklärung entsteht wohl unter römischrechtlichem
Einfluss im Spätmittelalter. Später genügt eine bloße Aufrechnungslage für das
Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird
wieder eine Aufrechnungserklärung verlangt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz,
O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das
Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Pichonnaz, P., La compensation, 2001
Auftrag ist im römischen Recht die als (lat. [N.]) -> mandatum
bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung eines fremden Geschäfts,
die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden für einen Nachbarn zurückgeht.
Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere Rolle gespielt zu
haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats wird am Ende des 19.
Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als Rechtsmacht gegenüber Dritten
(Außenverhältnis) unterschieden.
Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner; Kroeschell,
DRG 3; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Grau, U., Historische Entwicklung und
Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004
Aufwertung ist die Erhöhung eines Wechselkurses einer Währung im
Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen Währungen. Daneben wird auch die
Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld, die in Einheiten einer entwerteten
Währung ausgedrückt ist, entsprechend der Kaufkraft bei der Begründung des
Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B. Aufwertungsentscheidung des
Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3. Steuernotverordnung vom Februar 1924,
Aufwertungsgesetz vom Juli 1925) im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Scholz, R., Analyse der
Entstehungsbedingungen der reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001;
Chlosta. C., Nur dem Gesetz unterworfen?, 2005
Auge
Lit.: Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004
Augenschein ist die unmittelbare sinnliche Wahrnehmung. Der A. ist als
Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht bekannt und findet auch im
mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im Inquisitionsprozess)
Verwendung. Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.
Lit.: Kaser § 84; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im
mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933
Auge um Auge, Zahn um
Zahn.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)
Augsburg geht auf
den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort
Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück. Vielleicht ist es seit
dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) Sitz eines seit 738 nachweisbaren Bischofs. 1156
grenzt eine Urkunde Friedrichs I. Barbarossa die Rechte des Bischofs und die
Rechte der Bürger voneinander ab. 1167/11688 lässt sich der Kaiser die
Hochstiftsvogtei und die Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei
an das Reich. 1276 zeichnet die Stadt ein eigenes, vom Kaiser bestätigtes
Stadtrecht auf. Bis 1805 bleibt das zu einem europäischen Handelsmittelpunkt
aufsteigende A. danach Reichsstadt und fällt dann an Bayern.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, F., Das
Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und
Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte
des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt
Augsburg, 1941; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess der freien
Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im 18.
Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972; Schröder, D., Stadt Augsburg
1975; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine
Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in
den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg,
ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H.
u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche
Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der
Reichsstadt Augsburg, 2000; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005
Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp Melanchthon für den
Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene Bekenntnisschrift der
lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln.
Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der Augustana, Z.
f. systemat. Theologie 15 (1938), 419
Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des Heiligen Römischen Reiches
(deutscher Nation) vom 25. 9. 1555 zwischen König Ferdinand I. und den
deutschen Reichsständen in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552
geschlossene Friede, der die freie Religionsausübung für Katholiken und
Lutheraner gewährleistet. Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren
Untertanen) die Freiheit der Bekenntniswahl zu ([lat.] -> cuius regio, eius
religio). Gibt ein geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf,
verliert er Gebiet und Kirchenamt ([lat.] -> reservatum [N.]
ecclesiasticum).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K., Der
Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger Religionsfriede,
1955; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht
1550-1600, 1976; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel,
M., Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M.,
Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391
Augsburger Vertrag (Augsburger Tranaktion) -> Niederlande
Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8. Jh. entstandenen sog.
Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu den Augustinern
gehören Augustinerchorherren (11. Jh.) und Augustiner-Eremiten.
Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Cremona,
C., Augustinus, 2. A. 1995
Augustinus (354-430)
Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004;
Augustin Handbuch, hg. v. Drecoll, V., 2007
Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola
bei Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer
Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn Caesars (ursprünglich Gaius Octavius,
seit Adoption Gaius Iulius Caesar) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v.
Chr. Herrscher im westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil
des römischen Reiches. Äußerlich stellt er die republikanischen Zustände
wieder her. Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den
Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird als (lat.) pax (F.) Augusta
(augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote
und Verbote.
Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982; Eck, W., Augustus und
seine Zeit, 1998; Bleicken, J., Augustus, 1998; Kienast, D., Augustus, 3. A.
1999; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des römischen
Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005
Auktion ist die schon der Antike bekannte Veräußerung einer Sache
an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form
der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den
romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines
nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem 14.
Jh. die A. von Waren durch Großhändler.
Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900;
Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960
Aurich
Lit.: Conring, W., Die Stadt-
und Gerichtsverfassung der ostfriesischen Residenzstadt Aurich, Diss. jur.
Göttingen 1965
Ausbildung
Lit.: Elementarbildung und
Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v. Hanschmidt, A. u. a., 2005
Ausbildungsförderung ist
die Förderung der allgemeinen und beruflichen Bildung durch Geldleistungen
seitens der Allgemeinheit. Sie ist eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie
ist auf Herstellung der Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in
Deutschland 1957-197171 Honnefer Modell, 1971ff. Bundes
ausbildungsförderungsgesetz).
Lit.: Köbler, DRG 261
Ausbürger ist der außerhalb der -> Stadt lebende -> Bürger.
Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973
Ausgleich ist die 1867 für die Selbständigkeitsbestrebungen ->
Ungarns innerhalb der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene
Lösung. Auf der Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und
Unabhängigkeit Ungarns und der ungarischen Anerkennung der -> Pragmatischen
Sanktion wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen
Ländern der Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das
Finanzwesen (mit gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen
Ministerium gemeinsam sein sollen. Das daraus erwachsende staatsrechtliche
Verhältnis zu -> Österreich wird teils als Personalunion, teils als
Realunion erklärt. 1918 wird Ungarn souverän.
Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der
österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K.,
Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2000
Ausländer ist der einem anderen Land angehörige -> Fremde. Der A.
erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4.
1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemeinschaften).
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G.,
Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in
Deutschland, 2001
Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung des Bedeutungsgehaltes
eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist bereits Bestandteil der
römischen Rechtswissenschaft, die das Zwölftafelgesetz ebenso auslegt wie
einzelne Verträge oder Erklärungen. Nach der vorkritischen Hermeneutik der
Aufklärung und des Vernunftsrechts ist Verstehen die Regel und Missverstehen
die Ausnahme, weswegen die A. klarer und eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen
ist. Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass auch
scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen
methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier
Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der
bindenden Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der
Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Rüthers, B., Die unbegrenzte
Auslegung, 1968, 6. A. 2005; Schröder, J., Gesetzesauslegung und
Gesetzesumgehung, 1985; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über juristische
Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C., Regelhafte
Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts und des Reichsgerichts zur Auslegung von
Rechtsgeschäften, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625;
Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent,
2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004
Auslobung ist das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende
einseitige Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im
18. Jh. so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als
Angebot an unbestimmte Personen angesehen.
Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung,
Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ausmärker ist der außerhalb einer -> Mark Wohnende, der nur
ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist.
Lit.: Hübner 137f.
Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s als solcher erkannte
Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage. Nach rechtsstaatlichem
Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343;
Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und
Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg,
1997
Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im altrömischen Recht der
bei Fehlen von Hauserben (lat. sui heredes [M.Pl.]) eintretende Erbe (Agnat,
Gentile, Patron, beliebiger Hausfremder), der die Vermögensrechte durch eine
besondere Handlung ergreifen muss.
Lit.: Kaser § 65
Ausschlagung ist die bereits dem römischen Recht bekannte
Willenserklärung des vorläufigen Erben, die Erbschaft nicht anzunehmen (lat. repudiare).
Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt
in wilhelminischer Zeit, 2001
Aussetzung ist die bewusste Verbringung einer Person in eine Lage, in der
ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht. Nach dem römischen
Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach späterem römischem
Recht und nach den frühmittelalterlichen Volksrechten ist die A. eines
neugeborenen Kindes erlaubt. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im
Übrigen ist A. eine Straftat.
Lit.: Kaser § 60; Hübner 52
Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit dem 19. Jh. unter
Verweigerung der Lohnzahlung planmäßig vorgenommene Nichtzulassung einer
Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des
Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbestritten.
Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v. Steindl, H.,
1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss.
phil. Bochum 1972
Ausstattung ist die über den gewöhnlichen Unterhalt hinausgehende, mit
Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung einer selbständigen
Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind. Sie geschieht im
Wesentlichen als -> Abschichtung bei Verheiratung oder sonstiger Verselbständigung.
Einen eindeutigen Rechtsanspruch auf A. gewährt das preußische Allgemeine
Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.).
Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981
Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder Peitsche erfolgende
Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als Rechtsfolge einer Tat
früh für Unfreie, seit dem Hochmittelalter als Strafe des Diebstahls von
geringerem Wert. Der Aufklärung gelingt bis 1848 die Beseitigung des
Ausstäupens.
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche Zuwendung der zur
angemessenen Einrichtung eines Haushaltes gehörenden Gegenstände (an eine
Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten). Sie ist wohl nur
ausnahmsweise rechtlich notwendig. In der Gegenwart wird die A. vor allem durch
die Gewährung einer Ausbildung verdrängt.
Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Austin, John (1790-1859), von 1826 bis 1832 Professor in London,
ist als Begründer der englischen analytischen Jurisprudenz (Recht als eine Form
des Befehls) einer der bedeutendsten englischen Rechtstheoretiker (The Province
of Jurisprudence, 1832).
Lit.: Löwenhaupt, W., Politischer Utilitarismus und
bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin, 1982
Austrägalinstanz ist seit dem 14. Jh. ein Schiedsgericht für Streitigkeiten
zwischen Reichsfürsten. Gegen die Entscheidungen der A. ist die Appellation an
das -> Reichskammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI
der Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine
A. für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw.
Streitsachen der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser A. ist
die Bundesversammlung zuständig.
Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das
Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff., Stein, A., Die
Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Meurer, N., Die Entwicklung
der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammergerichtsordnung von 1495, in:
Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005
Austrasien ist zeitweise ein besonderer (östlicher) Teil des
fränkischen Reichs.
Lit.: Parisse, M., Austrasie,
Lotharingie, Lorraine, 1990
Austria ist die am Ende des Frühmittelalters in Parallele zu ->
Austrien erscheinende Bezeichnung für ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder
deutschen Reiches z. B. 996 -> ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich
-> Österreich entwickelt).
Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U., Regnum
Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78
Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine Bezeichnung für östliche Teile
des Reiches der Franken.
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter, 1960;
Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990
Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf Dauer (durch einen
Freien). 1555 erlaubt der -> Augsburger Religionsfriede die A. bei
Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute Staat schränkt die Freiheit der
A. ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten des
-> Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um 1848
die A. überhaupt zu. Teilweise wird bei A. eine -> Steuer verlangt (u. a.
Reichsfluchtsteuer in der Zeit der Weimarer Republik).
Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma,
1950, 199ff.; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993
Ausweis s. Pass
Ausweisung
Lit.: Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben, 2000
Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht von -> Irnernius
geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des -> Codex ->
Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der -> Authenticum
genannten Sammlung der -> Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2) Konstitutionen
Sacramenta puberum und Habita Friedrichs I. Barbarossa und die (durch
Aufteilung eines umfangreichen Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen
(Navigia, Omnes peregrini, Agricultores usw.) Friedrichs II., die bis zu ->
Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen werden.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung
des Heiligen Römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für eine um 1100 in Bologna
erscheinende, 134 Stücke umfassende Sammlung unbekannter Herkunft der seit 535
n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser -> Justinian ergangenen ->
Novellen, die der Zeit als authentische Fassung gilt. -> Authenticae
Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997
Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes
Schriftstück (kein Werk der antiken Literatur als A. erhalten)
Lit.: Hoffmann, H.,
Autographa im früheren Mittelalter, DA 57 (2001), 1
Automat ist die mechanische, nach Aufheben einer Hemmung einen
Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere tatsächliche Bedeutung
gewinnt der A. mit dem Vordringen der elektronischen Datenverarbeitung am Ende
des 20. Jh.s. Für Rechtsfolgen wird dessenungeachtet auf das hinter dem A.
stehende menschliche Verhalten abgestellt.
Autobahn ist die nur
für den Automobilverkehr zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute
Straße. In Berlin wird 1921 die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen
und im August 1932 die Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts
(1891-1942) entscheidt sich Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen durch
gewagte Kreditaufnahmen (viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) im
Dritten Reich rund 3860 Kilometer errichtet werden.
Lit.:
Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch ungeklärten Finanzierung, HZ 278
(2004), 625
Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht zur Selbstgesetzgebung
innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die A. gewinnt mit der
Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im Absolutismus an Bedeutung.
A. haben beispielsweise Städte, Universitäten, Religionsgemeinschaften, Vereine
usw.
Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie
im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie
im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der
Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der
Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002
Autor -> Urheber
Auvergne ist die durch Cäsar ins römische Reich gelangte Landschaft
um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507 fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.]
Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an Poitou. Seit 1189 geht sie vom
König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/31 an den König, der gräfliche Rest 1609.
Der Advokat Jean Masuer († 1450) zeichnet in seiner (lat.) Practica (F.)
forensis das zuvor ganz zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird
die Coutume d’Auvergne wirksam.
Lit.: Massé, E., La coutume
d’Auvergne, Diss. jur. Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A.,
1974
Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685 Professor des römischen
Rechts in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken des (lat.) -> mos (M.)
Gallicus in die Rechtswissenschaft Italiens und bereitet dadurch den Boden für
die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.] Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo usw., 1713).
Lit.: Dizionario Biographico degli
Italiani, 1960ff., 4, 658f.
Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus Zentralasien
nach Westen vorstoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden, 822 aus der
Überlieferung verschwindenden Steppenvolks.
Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002
Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560), Sohn eines (lat.) legum
doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium in Avignon und Pavia
(Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble. Mit
Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri
(M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19
unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des
römischen und kirchlichen Rechts) darstellen.
Lit.: Moeller, E. v., Aymar du Rivail, 1907; Köbler, G.,
Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in: Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220
Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden
1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler
-> Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechts in Padua,
1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch
byzantinische Rechtsquellen.
Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en
diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988
Azo (Bologna 1150?-1220) lehrt nach dem Studium in Bologna
spätestens seit 1190 dort weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen
bestehen in der Herstellung von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu
allen Teilen der justinianischen Gesetzgebung sowie in (lat.) Summae (F.Pl.)
Codicis, Summae Institutionum und Summae Digestorum. Insbesondere im 16. Jh.
erfahren seine Werke weiteste Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des ->
Accursius.
Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni
civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 1 1997
B
Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s erscheinende
Bezeichnung des Gebietes an der obersten Donau. 1264 tritt ein Landgraf in der
B., 1403 eine Landgrafschaft B. auf, die denen von Fürstenberg zukommt.
Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen
Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940; Beyerle,
F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305; Bohnenberger,
K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die Landgrafschaft Baar,
1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969
Babelsberger Konferenz ist die in Babelsberg am 2./3. 4. 1958 tagende Konferenz,
in der Walter Ulbricht von der Rechtswissenschaft der -> Deutschen
Demokratischen Republik eine stärkere marxistisch-leninistische Durchdringung
sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen Aufbaus
fordert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Implementationsmechanismen
der Babelsberger Konferenz, in: Staat und Recht in den neuen Bundesländern,
Sonderheft Oktober 1991, 175; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger
Konferenz“, 1997; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J., 1993
Babenberger ist der Angehörige eines in der Mitte des 11. Jh.s nach der
Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in Ostfranken begüterten, 945
letztmalig bezeugten Adelsgeschlechtes (Popponen). Als erster, wohl mit ihnen
verwandter jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der
Donau. 1156 erreichen die B. als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den
Staufern den Welfen entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen
Herzogtums -> Bayern die Erhebung ihrer Mark zum selbständigen, von Bayern
gelösten Herzogtum -> Österreich des deutschen Reiches. Die zunächst an
Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm erloschenen Geschlechts verlehnt
König Rudolf von Habsburg nach dem -> Interregnum (1282) innerfamiliär an
die -> Habsburger.
Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des
Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K.,
Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht
der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A.
1977; Lechner, K., Die Babenberger, 4. A. 1985; Tausend Jahre Babenberger in
Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Dienst, H., Die
Babenberger 976-1246, 2005
Babylon
Lit.: Jursa, M., Die Baylonier, 2004
Baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.], Knecht) ist seit dem 13.
Jh. (1231) der unterste akademische Grad (angloam. bachelor).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in the
13th and 14th Centuries, 1968
Bacharach
Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der
Viertäler, 1956
Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12. 1815-25. 11. 1887),
Seidenbandfabrikantensohn, wird nach dem Studium von Philologie, Geschichte und
Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen 1841-1845 Professor für
römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844 Appellationsrat). Auf rechtsethnologischer
Grundlage entwickelt er die Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über
das Weiberrecht, 1856, Das Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet
er hierfür kein Verständnis.
Lit.: Bachofen, J. Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für
vergleichende Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob
Bachofen und das Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als
Rechtshistoriker, ZRG GA 105 (1988), 17
Bacon, Francis (1561-1626), Sohn des englischen
Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in Cambridge und der
Berufsausbildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt, 1613
Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des
Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als
Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit.
Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die
Wissenschaft nur aus der einzelnen Erfahrung allgemeine Folgerungen ziehen
dürfe (-> Empirismus, -> Locke).
Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und Gesellschaft bei
Francis Bacon, 1937; Krohn, W., Francis Bacon, 1988; Roger Bacon and the
Sciences, hg. v. Hackett, J., 1997; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005
Baculus (M.) iudicii
secularis (lat.) in Frankenford ist das in
88 Artikeln gehaltene Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt
am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber
verfasst worden sein könnte.
Lit.: Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechts in
Frankfurt am Main, 1939, 15
Bad
Lit.: Gail, W., Die Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940
Baden im Oostal erscheint nach einem römischen Aquae Aureliae
987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf Hermann († 1074)
erkennbare, von den Herzögen von -> Zähringen abstammende Familie. Sie
gewinnt umfangreiche Güter, die bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten
werden können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler,
Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten
Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.; Andreas,
W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182; Lenel,
P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl Friedrich
(1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation
und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung
der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische
Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der
Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung
Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer
Rat und Kabinett in Baden, 1937; Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.;
Rheinbaben, G. v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1949; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen
Entwicklung, 1950; Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E.,
Vom markgräflichen Patrimonialstaat zum großherzoglichen Verfassungsstaat
Baden, Diss. jur. Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R.,
Badische Geschichte, 1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und
Geldgeschichte, 1955; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen
Markgrafschaften, 1961; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der
markgräflich badischen Gebiete, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter,
Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das
älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg,
1976; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue
Folge, Bd. 1ff. 1982ff.; Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum
Baden zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983; Gross,
N., Der Code civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der
Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische
Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Handbuch der
baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H. u. a., Bd. 1ff.
1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches, 1999; Quellen zur
Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v. Feuchte, P., 1999; Kißener,
M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003; Festschrift 200 Jahre Badisches
Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach, W., 2003;
Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005; Schwarzmaier, H.,
Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des Großherzogtums Baden
1806-1918, 2005; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007
Baden-Württemberg ist das 1951/1952 aus Württemberg-Baden (Nordbaden,
Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und Württemberg-Hohenzollern
(Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland der Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches Städtebuch,
Baden-Württemberg 1959; Landesgeschichtliche Vereinigungen in Baden-Württemberg,
bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch Baden-Württemberg, 1982;
Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. d. Kommission für
geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1990ff.; Weber,
R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007
Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf Philipp II. am 2. 1. 1588
erlassene, bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden, das
in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente) auf
dem württembergischen Landrecht von 1567 beruht, das Intestaterbrecht
selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht) (über das
Kurpfälzer Landrecht von 1580) auf die kursächsischen Konstitutionen
zurückgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine
Zivilprozess in den Badischen Markgrafschaften, 1961, 86
Badisches Landrecht von 1654 ist das 1622 gedruckte, für Baden-Baden und
Baden-Durlach gedachte, aber nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige
Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze in sieben Teilen fast
das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20
Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810 als Landrecht für das
Großherzogtum Baden eingeführte, übersetzte Code Napoléon (-> Code civil)
mit Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung durch die Inkraftsetzung des
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. 1. 1900 endet.
Lit.: Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909;
Code Napoleon - Badisches Landrecht, 1997; http://www..koeblergerhard.de/Fontes/CodeNapoleonBaden1809.pdf
Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895) wird nach dem
Rechtsstudium Richter in Kassel (1849), Fulda, Kassel und Berlin. Als
nationalliberaler Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche
Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der
Untersuchung Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund entwickelt er den
selbständig (abstrakt) verpflichtenden Schuldvertrag.
Lit.: Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln
1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983
Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 13. Jh. in literarischen Texten
erscheinende Verfahren, bei dem ein einer Tötung Beschuldigter an die
Totenbahre des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss.
Veränderungen der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft
des Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis
fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu
mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung
verschwindet die B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.
Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Koöb, F., Das
alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Fehr, H., Das
Bahrrecht, Dt. Jb. f. Volkskunde 6 (1960), 85
Balduinus -> Baudoin
Baldus de Ubaldis (Perugia 1327-Pavia 28. 4.
1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in
Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechts in Perugia (1347-1357), Pisa
(1357/13588), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379),
Perugia (1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen
Beherrschung des gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige
Weiterbildung vieler Einzelheiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht,
internationales Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht,
Privatrecht) in rund 2800 Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen
(lückenhaften) Kommentaren.
Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960;
Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die Consilien des
Baldus, 1974
Balkan (Berg in Bulgarien) ist die aus dem Türkischen kommende,
zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische Halbinsel. -> Griechenland,
Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E.,
Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997;
Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan,
M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der
Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A
History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des
Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004
Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit dem 14. Jh. nach
sizilianischem Vorbild die Bezeichnung für die Provinz des -> Deutschen
Ordens mit dem Landkomtur an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen,
Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass-Schwaben-Burgund,
Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien,
Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J., Geschichte
des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.
Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger) ist ein herrschaftlicher
Amtsträger im frühmittelalterlichen Frankreich sowie später in Süditalien und
als bailiff im hochmittelalterlichen England.
Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de
Flandre, 1929
Balte ist der Angehörige eines baltisch sprechenden
indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).
Baltikum ist die Sammelbezeichnung für die spätestens seit dem
ausgehenden Frühmittelalter von ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen
(Esten, Liven, Kuren, Lettgaller, Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am
östlichen Rand der südlichen Ostsee. Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von
Deutschen (Riga 1201) und Dänen (Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga
(1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel, Kurland und Reval sowie der
Deutschordensmeister von Livland erlangen die Stellung von Fürsten des Heiligen
Römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh. in einer altlivländischen
Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen. Das Recht ist vom Reich
beeinflusst (1315 waldemar-erichsches Lehnrecht, ältestes livländisches
Ritterrecht, livländischer Spiegel [als Überarbeitung des ->
Sachsenspiegels], wiek-öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht
[15. Jh.], umgearbeitetes Ritterrecht, Bauernrechte, lübisches und
hamburgisches Stadtrecht). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561
kommt das Gebiet an Polen und Schweden, 1710 fallen Estland und (mittleres)
Livland, 1795 Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession, deutsches
Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben. 1816/9 erfolgt
die Bauernbefreiung, danach die Festlegung des Provinzialrechts (1864
Zivilgesetzbuch, liv-, est- und kurländisches Privatrecht), 1889 die Einführung
des russischen Gerichtsverfassungsrechts und Prozessrechts. 1918 werden
Estland (24. 2. 1918) und Lettland selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940
der Sowjetunion eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v., Einleitung
in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schilling, C., Die
lehn- und erbrechtlichen Satzungen des waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram,
R., Baltische Geschichte, 1954; Von den baltischen Provinzen zu den baltischen
Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992;
Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992; Baltische Länder, hg. v.
Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg. v. Eckert, R., 1994; Der
Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den baltischen Staaten, hg.
v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The Baltic States after
Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz, F. u. a., 1997;
Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum heute, hg. v. Graf,
H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus, Bd. 1, hg. v.
Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die demokratische
und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten, 2004;
Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K.,
Schatzhäuser des Geistes, 2006
Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris 28. 7. 1718)
veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Toulouse als Bibliothekar Colberts
1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen -> Kapitularien (einschließlich
der Volksrechte) des fränkischen Reiches (Capitularia regum Francorum).
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961
Bamberg ist der als Burg Babenberg (-> Babenberger) erstmals zum
Jahre 902 genannte Ort am oberen Main, der 1007 unter dem Sachsen Heinrich II.
Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt eine Aufzeichnung des Dienstrechts der
Dienstmannen. 1507 schafft der bischöfliche Hofmeister Johann von ->
Schwarzenberg die Bamberger Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis).
1735 wird für kurze Zeit eine juristische Fakultät an der von 1648 bis 1803
bestehenden Universität eingerichtet. 1803 fällt das Fürstbistum B. an Bayern.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler,
Historisches Lexikon; Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P.,
Monumenta Bambergensia, 1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis,
1910; Ament, W., Bamberg, 1929; Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974;
Pflefka, S., Das Bistum Bamberg, 2005
Bamberger Halsgerichtsordnung -> Bamberg
Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich das
Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem
Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb
erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland und Rom (lat.
[M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh. berufsmäßige
Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von
Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbotes Juden
geschäftliche Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche
Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg 1619, Bank of
England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken mit der Finanzierung von
industriellen Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital aufzunehmen (Paris
1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die (zu etwa der Hälfte von
jüdischen Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen) Privatbanken (Sal.
Oppenheim in Köln, M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen zur
Gefahrenverringerung entwickelten Aktienbanken allmählich zurückgedrängt,
zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen
Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge
öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Poeschel,
H., Die Statuten der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg
und Altona von 1710-1889; Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E.,
Deutsche Bankengeschichte, 1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon,
hg. v. Grill, W. u. a., 11. A. 1995; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking,
1985; Ruland, A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster
1987; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997; Fuchs, R., Die Wiener
Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000;
James, H., Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die
Bankiers von Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die
Errichtung des westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder,
2003; Der Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003;
James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die
Juden, hg. v. Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von
1720, 2004; Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006
Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank Gezeugter) ist die ältere
Bezeichnung für das -> nichteheliche Kind.
Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und Verbote
unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung auszusprechen.
In diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum
Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das
Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen
Gemeinschaft aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen geringerer
Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt
abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich
kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt,
muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die
Bannrechte des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das
Hoheitsrecht des Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel, W.,
Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung der
Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v.,
Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die
Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im
bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des
Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U.,
Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche,
1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H.,
Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973
Banner ist die vielleicht schon in germanischer Zeit als Zeichen
dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne).
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz-
Rot – Gold, red. v. Grimm, U., 1999
bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung
Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch mehrere) Meilen
festgelegte Reichweite eines -> Bannes oder einer Herrschaftsgewalt. Seit
dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte, Märkte, Mühlen oder
Brauhäuser mit einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines
Staatsorgans den räumlichen Bereich, in welchem keine Versammlungen abgehalten
werden dürfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht,
1964
barbarus (lat. [M.]) plappernder (Nichtrömer)
Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den
spätrömischen Gesetzen, 1992
Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710 Professor für alte
Sprachen in Berlin, 1711-1717 für Geschichte und Naturrecht in Lausanne, 1717-1744
für öffentliches und privates Recht in Groningen, verbreitet naturrechtliches
Gedankengut durch französische Übersetzungen von Werken Pufendorfs, Grotius’
und Cumberlands.
Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des
Naturrechts in Europa, 1970
Bargilde -> Biergelde
Barock
Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des Barock,
hg. v. Pickl, O. u. a., 1992
Baron ist die über das Mittellateinische und Mittelfranzösische
von ahd. baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine Gruppe Adliger (1595 für
Freiherr).
Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar) auftretende Anwalt des
englischen Rechts.
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker,
J., The Common Law Tradition, 2000
Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte Halbfreie im
frühmittelalterlichen Bayern.
Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926; Mayer,
T., Bauer und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143
Bartolus de Saxoferrato (Venatura 1313?-Perugia 13. 7. 1357) lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de
Sighibuldis) und Bologna (1333) betriebenen Studium und der am 10. 11. 1334 in
Bologna erlangten Promotion zum (lat.) doctor (M.) iuris civilis seit Winter
1338 in Pisa und Perugia (1342) weltliches Recht. Neben nahezu 400 Gutachten
verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie etwa
45 wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer, aber
trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise.
Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage
des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista,
nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist).
Lit.: Söllner § 25; Savigny, F., Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 3ff. 1834ff.;
Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913; Bartolo da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962;
Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus und Baldus, 1960; Cavallar, O.
u. a., A Grammar of Signs, 1994
Basel am Rhein wird
auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage vielleicht im 7. Jh. Sitz eines
Bischofs. Seit 1362 zählt es sich zu den freien Städten im Heiligen Römischen
Reich (deutscher Nation). 1431-1437 ist es Tagungsort eines Konzils. 1459 (4.
4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit sehr vielen
Promotionen [1558-1818 rund 2200]). Am 13. 7. 1501 schließt sich B. als neunter
Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz an. Die Stadtgerichtsordnung von
1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen Landrecht von 1555.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Concilium Basiliense,
hg. v. Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der
Stadt Basel, 1909; Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910;
Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel, 1910; His,
E., Geschichte des Basler Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der
Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.; Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud,
A., Le moulin féodal, 1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter,
1922; His, E., Zur Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für
Geschichte und Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt
Basel, 1923; Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E.,
Eine historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die
Burgvogtei Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im
Basler Recht des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu
Basel, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von
Basel, ZGO 52 (1938), 226; Die Matrrkel der Universität Basel, hg. v.
Wackernagel, H., Bd. 1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität
Basel 1632 bis 1818, 1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler
Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Hagemann, Hans Rudolf, Basler Stadtrecht im
Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140; Professoren der Universität Basel,
1960; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel
1459-1529, 1962; Baerlocher, R., Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen
Zivilprozessrechts, 1964; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der
Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870, 1963; Staehelin, A., Sittenzucht und
Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85 (1968), 78; Christ, B., Die Basler
Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969; Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des
Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T., Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im
ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen
Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C., Untertanenverhalten und
obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H., Basler Rechtsleben im
Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische Gesellschaft zu Basel,
ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler Handelspolitik, 1986; Münch,
P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im 19. Jahrhundert, 1991; Hirsch,
V., Der Hof des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H.,
Laiengericht und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27
(2005), 1; Suter, S., Die strafrechtlichen Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B.,
Bildungswege –Lebenswege, 2007
Basiliken (kaiserliche Bücher) ist der Name für die 60 Bücher, in
denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in -> Byzanz die Rechtstexte ->
Justinians ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden
(Digestenparaphrase des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Um 1345
bearbeitet -> Harmenopoulos die B. im -> Hexabiblos.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum
libri LX, hg. v. Scheltema u.a,, Bd. 1ff. 1953ff.
Baske ist der Angehörige eines vorindogermanischen, um die
Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich das Land der Basken mit dem
Königreich -> Navarra. 1939 beseitigt der spanische Diktator Franco die
Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden Basken. 1979 erhalten die Basken
(wieder) Autonomie.
Lit.: Ortots, Die Basken, 1979; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997; Kurlansky,
M., Die Basken, 2000
Baudoin (Balduinus), François (Arras 1520-Paris 1573),
Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen (Mudaeus) kurz in Paris
(Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in Straßburg, seit 1556 in
Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in Besançon und seit 1569 in
Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht er sich um die von der
einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende Behandlung verschiedener
Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).
Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978
Bauer ist der Angehörige des die Landwirtschaft betreibenden
Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der Sesshaftwerdung, mit welcher der
Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im Frühmittelalter gerät der B. vielfach in
grundherrschaftliche Abhängigkeit. Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter
bilden die verbleibenden Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der
Bauern. Namengebend wird das bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan). Zu
Beginn des 16. Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf
(-> Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird vielleicht die
Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen sie Freiheit und Eigentum (->
Bauernbefreiung).
Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der Bauer
als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, Werner, Die Frage der
Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte, hg.
v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins für
Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien
Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Mayer, T., Die Entstehung des
„modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210;
Bader, K., Das Freiamt im Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke,
G., Der gebundene bäuerliche Besitz, 1938, Arbusow, L., Das Bauernrecht des
sog. budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der
livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten
bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche
1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg.
v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F.,
Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Grass, N.,
Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516; Haff,
K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394; Dollinger,
P., L’évolution des classes rurales en Bavière, 1949; Niederer, A., Gemeinwerk
im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der niederlausitzischen
Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern, Freidörfer,
Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195; Wopfner, H., Bergbauernbuch,
1951ff.; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W.,
Vermögensverhältnisse braunschweigischer Bauernhöfe im 17. und 18.
Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im 18.
Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Bauer, Wort
und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Dollinger, P., Der bayerische
Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949); Fossier, R.,
Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985, 4. A. 1987;
Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes,
1989; Trossbach, W., Bauern 1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der
europäischen Geschichte, 1993; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass,
N., Bd. 1ff., 1995ff.; Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003;
Wiese, M., Leibeigene Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert, 2006;
Kissling, P., Freie Bauern und bäuerliche Bürger, 2006
Bauerbrief -> Dorfordnung
Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das unter Vorsitz eines
Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des
mittelalterlich-frühneuzeitlichen Dorfes.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und Sachsen,
1962
Bauernbefreiung ist die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden
gestellten Bauern aus der grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18.
Jh.s zum 19. Jh., die von Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten
Bürgern auch zwecks Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt in Savoyen
(1761, 1771). Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der
Aufhebung der Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird
1787 die Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805
50000 Domänenbauern persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807
verschafft ein preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern
persönliche Freiheit, das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen
Entschädigung. Im Laufe des 19. Jh.s dringt die B. allgemein durch (z. B.
Russland 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp, G., Die
Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Mähren und
Schlesien, Bd. 1f. 1893; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen Hannovers im
19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der Bauernbefreiung,
1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der Rheinprovinz,
1957; Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und
Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich
Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland
1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003
Bauernkrieg ist der zu Beginn der Neuzeit von den -> Bauern gegen
die -> Grundherrn geführte Krieg. Die Bauernkriege gründen sich auf eine als
Folge der Pest am Ende des Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von
Martin Luther genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der Unterdrückten. Nicht
zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme gegen die mörderischen Rotten der
Bauern enden die Bauernkriege mit einer Niederlage der Bauern, ohne dass diese
sich jedoch vollständig entrechten lassen.
Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen
Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband
1935, 12. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der
Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg,
1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998; Strunz-Happe, A., Wandel der
Agrarverfassung, 2003; Fink, B., Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83,
2004; Hohn, M., Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004;
Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a., 2004
Bauerschaft
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908
Lappe, J., Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229;
Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Bauersprache (mnd. bursprake) ist die Versammlung der Nachbarn in Stadt
und Dorf, in der das geltende Recht verkündet wird und bei Bedarf allgemeine
Angelegenheiten beraten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Baulast ist im späten 20. Jh. in Deutschland das sich nicht bereits
aus öffentlichrechtlichen Vorschriften ergebende, also freiwillig gegenüber der
Bauaufsichtsbehörde übernommene, ein Grundstück betreffende Tun, Dulden oder
Unterlassen eines Eigentümers. -> Kirchenbaulast
Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994
Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die sich auf
die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und die Förderung der
Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen sowie auf deren
bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das B. der Grundsatz
der Baufreiheit des Grundstücksberechtigten (so noch das preußische Allgemeine
Landrecht von 1794). Seit dem Hochmittelalter finden sich erste Einschränkungen
in den verdichtet besiedelten Städten. Dem folgen allmählich zahlreiche
einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen der Landesherren. Sie
werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine Regelungen ersetzt (München 1863,
Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/9, Preußen 1871, Württemberg 1872), die mit
zunehmender Besiedlungsdichte immer stärkere Beschränkungen aufnehmen, so dass
der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum bloßen Grundsatz
eingeengt wird.
Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F., Baurecht
nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter, A., Das
Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O., Die
Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das
Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.;
Ries, P., Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; 100 Jahre Allgemeines
Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a. , 2000; Binding,
G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter,
2002; Kocken, E., Van bouwen, 2004: Untermann, M., Architektur im frühen
Mittelalter, 2006
Bausparkasse ist die genossenschaftlich organisierte -> Sparkasse, die
Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt. Die erste B. wird 1775 in
Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831 Oxford Provident Building
Association in Frankfort/Pennsylvania). In
Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924
Bausparkasse Wüstenrot).
Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse, 5. A.
1977
Bautzen
Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002
Bayer ist der Angehörige des aus streitigen Grundlagen
erwachsenden, zum 6. Jh. (Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und
Donau siedelnden Volkes. Die Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der
-> Franken. Vielleicht vor 743 zeichnen sie ihr Recht auf (-> Lex Baiwariorum).
Ihr dem Hause der Agilolfinger angehörender König Tassilo III. wird 788 von
Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern (bzw. gelangt das Gebiet
der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die Luitpoldinger, das sächsische und
salische Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen, die Babenberger
(1139-56), die Welfen und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an die
-> Wittelsbacher. Seit 1255 wird das Land Bayern mehrfach geteilt. 1329
werden Oberpfalz und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit
1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der B. dem Teil Oberbayern (ein 1518
reformiertes) Landrecht, 1474 Herzog Ludwig der Reiche, der Gründer der
Universität Ingolstadt, Niederbayern eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird
(vgl. auch das Landgebot von Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter
Erbfolgekrieg wird 1506 die Unteilbarkeit des wiedervereinigten Landes
festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung, 1516/1520 eine (vielleicht von
Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20 Seiten gekürzte) Landesordnung, 1518
eine Landrechtsreformation (zum Landrecht von 1335/1346), 1520 eine
Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung und 1616 durch den die Landstände
zurückdrängenen, aber nicht entmachtenden Herzog Maximilian (1598-1651) ein
einheitliches Landrecht geschaffen. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht
unter W. v. Kreittmayr im (lat.) -> Codex (M.) iuris Bavarici criminalis, im
-> Codex iuris Bavarici iudiciarii und im -> Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz und Bayern wieder
zusammen. Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das 1806 zum Königreich aufgestiegene
Bayern große schwäbische und fränkische Gebiete. 1808 entsteht eine
Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, 1818 eine Verfassung. 1918 wird das
Königreich zum Freistaat, der 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das
neue Rheinland-Pfalz verliert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler,
Historisches Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia Scientiarum
Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.; Gutmann, F., Die soziale
Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Stowasser, O., Das
Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925; Spindler, M., Die Anfänge
des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v.
Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.; Schmid, A., Das Bild
des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989;
Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerkungen
zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992),
353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige, 2.
A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch- und
Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000; Volkert,
W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002; Bayerische
Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze der
Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L.,
Gloriosus dux, 2003; Kraus, A., Geschichte Bayerns, 3. A. 2004; Freund, S., Von
den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004
Bayerisches Landrecht von 1616 ist dasn von Herzog Maximilian (1597-1651) seinem
Land -> Bayern gegebene einheitliche -> Landrecht.
Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen
Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975
Bayerisches Oberstes
Landesgericht ist das in Wahrung der
Erinnerung an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene,
über mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg)
stehende oberste Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen
Gerichtsbarkeit in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom
Reichskammergericht befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium
(Revisionsgericht) Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische
Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April
1935 bis 1948 war es aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch
die Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006
auch für anhängige Sachen aufgehoben.
Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes
Landesgericht, in: Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509;
Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J.,
375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das
bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G.,
Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255
Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von -> Feuerbach erarbeitete
Strafgesetzbuch -> Bayerns, das unter der Theorie des psychologischen
Zwanges die wechselseitige Freiheit aller Bürger dadurch schützen will, dass es
den Straftatbestand möglichst genau festlegt.
Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland
geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G., Feuerbachs
Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978
Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7. 1870 den älteren (lat.)
-> Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz
-> Bayerns.
Bayern ist
das von den Bayern (-> Bayer) bewohnte Gebiet.
Lit.: Gengler, H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns,
1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen
Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht
des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942; Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d.
Kommission für bayerische Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff.,
Teil Franken 1951ff., Teil Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten
Epoche der alten Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der
Gerichtsbarkeit in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und
Dorfverfassung nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsgeschichte
der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann
Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und
Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214
bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M.,
Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von
Bayern in den Jahren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern,
1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968; Hüttl,
L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971; Mößle,
Wilhelm, Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation und
Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat und
Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H.,
Staatshaushalt, Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was
früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte
Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte
1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische
Staatsabsolutismus 1806/18108-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte
Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von
Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Christoffer af Bayerns breve
1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs
für das Königrteich Bayern von 1811, hg. v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart,
P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die
Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Fischer, S.,
Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter Kurfürst Karl Albrecht von
Bayern 1726-1745, 1987; Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995;
Leeb, J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des
Kurfürstentums und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Heydenreuter,
R., Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on)
Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von
1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d.
historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.
1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004; Schlosser,
H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122 (2005), 263; Weis, E., Montgelas,
2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid, A. u. a., 2005; Kummer, K.,
Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern
(1598-1651), 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern, 2006;
Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neuberb. v. Wild, J. u. a., 2006; Volkert,
W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007
Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit dem 19. Jh. entwickelnde
Gesamtheit der -> Beamten betreffenden Rechtssätze (Ansätze in einem
Reichshofratsprozess von 1776, in dem der Reichshofrat seinen Schutz einem ohne
gerichtliches Urteil entschädigungslos und unehrenhaft entlassenen Beamten
gewährt).
Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats und
die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold, I.,
Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961; Rejewski,
H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht, 1973
Beamter im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer unter Aushändigung
einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in das
Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und Treueverhältnis
berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter entstehenden
Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur Funktionsträger. Im
fränkischen Reich setzt sich für diese das Lehnsprinzip durch. Später wird der
belehnte Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich
geschulten Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner
wohlerworbenen Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines
Amtes enthoben werden. Allgemeine Regeln über die als Zivilbedienstete
bezeichneten Beamten enthält das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II
10 §§68ff.). 1850 schreibt die preußische Verfassungsurkunde für die
richterlichen Beamten moderne Grundsätze fest, welche die Weimarer
Reichsverfassung in den Artikeln 128ff. auf alle Beamten erweitert. Wegen der
hohen Personalkosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von
Beamten ausgeübt werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst,
1808; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K.,
Die Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen
Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum,
1969; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen
Beamtenrecht, 1973; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im
preußischen Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und
Disziplinierung, 1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980;
Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985; Asch,
R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische Bürokratietradition,
1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E., From Ad Hoc to Routine,
1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der NS-Diktatur, 1996; Wunder,
B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E., Pastorale Beamtenethik
1650-1700, HZ 280 (2005) 345
Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen Besitzenden (sind im
Rechtsstreit im Vorteil).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Euripides 485/480-406 v. Chr.)
Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr
(Seigneur) von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener
Sohn des bailli (Amtmanns) des Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechts in
Orléans und vielleicht Bologna 1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in
Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283 verfasst er Li livres des coustumes et des
usages de Beauvoisins (Coutumes de Beauvaisis), die teils das Bestehende
bewahren, teils aber auch verändern. Später erhält er hohe königliche Ämter.
Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir, Coutumes de
Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899,
Neudruck 1970; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les
coutumes de Beauvaisis, 1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Beaumont im Erzbistum Reims ist die freie Siedlung, mit deren Recht
viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden. -> Loi de
Beaumont
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221;
Bonvalot, E., Le tiers état d’après la charte de Beaumont, 1884
Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in Württemberg um 1297-Bamberg 28.
10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach dem Studium des kirchlichen
Rechts in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und nach der Lösung (1351) des
1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof in Bamberg. In seinem
kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1340)
entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er einem Reichskaisertum
ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum gegenüberstellt.
Lit.: Wolf, E.,Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 30
Beccaria, Graf Cesare Bonesana von
(Mailand 15. 3. 1738-28. 11. 1794), 1760-71
Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst
1764 (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und Strafen). Darin
verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena sine lege
(keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe durch
lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung der Folter, die Öffentlichkeit
der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei Strafverfolgung, die
Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung sowie die Bekämpfung
des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung.
Lit.: Köbler, DRG 158; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling,
G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794), 1992; Beccaria et la culture
juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998
Bede ist im deutschen Mittelalter die im Hinblick auf eine
bestimmte Notlage von einem Herrn erbetene und von den Betroffenen durch
Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige -> Abgabe in Geld
seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen Stadt trifft
die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Waas, A.,
Vogtei und Bede, 1919; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963
Bedingung ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt
die Folgen einer menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist
aufschiebend oder auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt
(lat. [F.] -> condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit
dem Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch folgt dem von
Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen
Standpunkt, dass die erfüllte aufschiebende Bedingung regelmäßig keine
rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des
bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des
Eintritts der Bedingung besteht
Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung
der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van de
ontbindende voorwarde, 2003
beerbt (mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)
Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit bzw. der sachlichen
Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen. Insbesondere von Richtern
wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich vorgehen. Allgemein wird die B.
erst im 18. Jh. erfasst.
Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König beanspruchte Recht, einen
Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B. Mauer) zu sichern. Mit der
Entstehung des -> Landes geht das B. vom König auf den Landesherrn über
(1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein B.
Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in Deutschland,
1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911
Begnadigung ist der auf Gnade beruhende teilweise oder völlige Erlass
der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt der Rechtskraft eines
Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist so alt wie die Strafe selbst. Im 20.
Jh. wird sie zunehmend verrechtlicht.
Lit.: Bauer, A., Das Gnadenbitten in der Strafrechtspflege,
1996
Begräbnis ist das Verbringen eines Toten unter die Erdoberfläche. Es
ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich. Vielfach werden dem
Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken mitgegeben. Im Anschluss
an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten im Hinblick auf die
künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses 38,24, 1. Korinther
15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten Begräbnisplatz wird. Mit
der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht.
Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht, 1906;
Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 6. A. 1992
Begriff
Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002; Koselleck,
R., Begriffsgeschichten, 2006
Begriffsjurisprudenz ist die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht,
dass die Rechtsordnung aus einem lückenlos geschlossenen System von Begriffen
(Begriffspyramide) besteht, aus dem vor allem durch einen logischen
Denkvorgang eine Lösung des Einzelfalls ermittelt werden könne. Sie beruht
geschichtlich auf der -> historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch
auf dem -> Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich
-> Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von
rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie
der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener, den
Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage konstruktiv
die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf der Suche
nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind. Die B.
wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s allmählich von der ->
Interessenjurisprudenz verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Krawietz, W.,
Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser, H., Grundzüge
der neueren Privatrechtsgeschichte, 8. A. 1996, § 4; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Haferkamp, H., Georg Friedrich
Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004; Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und
Billigkeit, 2004
Begründung -> Urteilsbegründung
Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G., Die
Begründung in Schöffenspüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960; Begründungen des
Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die Begründung von
Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 86; Köbler,
G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69;
Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die Begründung des Rechts als
historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000; Hocks, S., Gerichtsgeheimnis
und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi. Guiding Principles of Judicial
Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006
Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen anderen, der eine
rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die Vorteile der Tat zu
sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche verselbständigt.
Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene
Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4.
A. 2002; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Behörde ist die organisatorisch selbständige Stelle, die Aufgaben
öffentlicher -> Verwaltung wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden,
sobald die Verwaltung eine gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere
seit der Entwicklung des modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Im 19.
Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer Aufbau aller Behörden. -> Bürokratie
Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H.,
Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch.
Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in
Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen
Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen
Behördenorganisation im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die
Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das
schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die
Verwaltungsreform unter Christian, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943),
26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre
Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973
Beichtstuhljurisprudenz ist die seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom
Verhalten des christlichen Beichtvaters gegenüber einem Sünder hinsichtlich
der Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen besondere
Beichtsummen (lat. Summae [F.Pl.] confessorum) wie z. B. die Summa de
poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die Summa confessorum des
Johannes von Freiburg (vor 1290). Die auftretenden Rechtsprobleme des sog.
(lat.) -> forum (N.) internum werden dabei nach den Regeln der gelehrten
Rechte behandelt.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Michaud-Quantin, P., Sommes
de casuistique et manuels de confession au moyen âge, 1962; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999
Beichtsumme -> Beichtstuhljurisprudenz
Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique, 1962;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828
Beigeordneter ist in
einigen Bundesländern Deutschlands der vom zuständigen Organ einer kommunalen
Körperschaft auf Zeit gewählte führende →Beamte.
Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978
Beihilfe ist die Unterstützung eines Menschen insbesondere bei einer
Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für eine Tätigkeit. Zwischen Tätern
und Gehilfen wird erst im Spätmittelalter gelegentlich unterschieden. Danach
wird die B. als allgemeine Erscheinung erfasst. Die finanzielle B. entwickelt
sich mit dem Ausbau des Rechts der -> Beamten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Beilager ist
der Beischlaf als Voraussetzung für die vollzogene -> Eheschließung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das
Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das
Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter
und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310;
Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961),
298
Beirut -> Berytos
Beisasse ist (vor allem in der mittelalterlichen Stadt) der nicht
vollberechtigte Bewohner (Bürger).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.
1980, 275ff.
Beisitz ist eine Form einer Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht
bleibt nach dem Tode eines Hausvaters die Witwe mit den Kindern in ungeteilter
Vermögensgemeinschaft auf dem Gut sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt
deren Vermögen durch B., bis dieser durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder
Tod beendet wird. Mit der Entwicklung des -> Ehegattenerbrechtes schwindet
der noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) enthaltene B.
Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89
Beisitzer -> Assessor
Beispruch ist im älteren deutschen Recht die Zustimmung des nächsten
Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das Beispruchsrecht beruht
auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund und Boden. Es ist
zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der veräußerten Sache (Rückrufsrecht),
schwindet im Laufe des Mittelalters aber in regionaler Verschiedenheit über ein
Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der Verfügungsfreiheit des Eigentümers.
Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach
altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und
Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und
Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952
Beispruchsrecht -> Beispruch
Beleidigung ist die nach außen dringende Kundgabe der Missachtung oder
Nichtachtung eines anderen. Sie ist im altrömischen Recht in der (lat. [F.])
iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes mit der Folge der Leistung von 25
Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen römischen Recht zu einem Tatbestand
erweitert wird, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit eines anderen
in Wort und Tat umfasst. In der frühen Neuzeit werden Körperverletzung und
tätliche B. voneinander geschieden. Die peinliche Gerichtsordnung Karls V. von
1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Im preußischen Allgemeinen Landrecht
(1794) wird die B. als Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die
Verleumdung von der B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B.,
Verleumdung und üble Nachrede als B. in weiterem Sinn an.
Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und Beleidigung,
1886; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Fuchs, R.,
Um die Ehre, 1998
Belgien ist das Gebiet zwischen der kontinentalen Ärmelkanalküste
und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr. von Caesar unterworfene
keltisch-germanische Mischstämme zurück, die zusammenfassend als (lat. [M.Pl.])
Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der Völkerwanderung unter den Einfluss
der vom Niederrhein einströmenden -> Franken, die den nördlichen Teil sprachlich
assimilieren (flämisch). 843 gelangt ein Teil an den Westen (Frankreich), der
übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte Gebiet an ->
Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das Karl V. 1531 die
Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes) binnen sechs Monaten
anordnet (1750: 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg (1521/1522/1526) fällt
der Raum an -> Spanien, ohne im Freiheitskampf der -> Niederlande mit
diesen sich aus der spanischen Herrschaft lösen zu können. Nach dem spanischen
Erbfolgekrieg (1713) wird B. an das habsburgische -> Österreich gegeben,
nach der Besetzung durch Frankreich 1815 mit den Niederlanden vereint. Unter
der Einwirkung der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische
(romanische), teils flämische (germanistische) Gebiet am 18. 11. 1830 seine
Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle
Monarchie fest. Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt. Die 1831/1839
garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw. aufgehoben. Seit 1952
ist B. Kernland europäischer Einigung. -> Europäische Union
Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la Belgique;
Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire de
Belgique, Bd. 1ff. 1899ff.; Errera, P., Das Staatsrecht des Königreichs
Belgien, 1909; Marez, G. des. Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren, F.,
Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par l’académie
royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en
Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943; Standen
en Landen, Bd. 1ff. 1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst,
A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances
et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977; Gilissen,
J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a., Chronologische
Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J., Historische
Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de officialiteit van
Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982; Cossart, A. v.,
Belgien, 1985; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987;
Costumen van de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2
1989; Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur
Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20.
Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des
Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A.
2002ff.; Geschiedenis van de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red.
v. Gerard, E. u. a., 2003; Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale
geschiedenis van justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004 ; La
Belgique, les petits Ètats et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M.
u. a., 2003; Napoleons nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut,
D., Hadden/hebben de Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk
beleid? 2005; Schaepdrijver, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005;
Heirbaut, D., Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinenb tot heden, 2005;
Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Monballyu, J.,
Zes eeuwen strafrecht, 2006; Dupont-Bouchat, M. u. a. La Belgique criminelle,
2006
Belial (hebr. Bosheit, Widersacher Christi) ist eine Lehrschrift
([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice Salomone, Prozess
Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch geschulten
Archidiakons Jacobus Paladinus de Theramo von 1382. Ihre frühe deutsche
Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der gelehrten Rechte
beschleunigender Literatur.
Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M. Gerwig,
1960, 55
Beliebung -> Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung
Bellapertica -> Petrus de
Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges
Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen
Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig
aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de
Chile von 1855.
Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung des
chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988
Bellot, Pierre François (1776-1836), seit 1819 bzw. 1823 Professor
in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuches und Schöpfer des Prozessrechts
in -> Genf.
Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446
Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des (unbekannten) Verfassers
einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 Kapiteln gegliederten, um 850 wohl in
der Erzdiözese Reims entstandenen, zu mehr als drei Vierteln gefälschten oder
verfälschten Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des ->
Ansegis, Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie
weltlichen Rechts ohne jede Ordnung aneinanderreiht.
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961;
Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.
Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna 1694-1754), seit 1740 Papst,
ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo dioecesana (Über die
Diözesansynode) der früheste Vertreter einer geschichtlichen
Kirchenrechtswissenschaft.
Lit.: Haynes,
R., Philosopher King. The Humanist Pope Benedict XIV, 1970
Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt von Nursia (um 480-547)
zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino geleiteten ältesten
abendländischen Mönchsordens, der nach der von Benedikt verfassten
Klosterregel lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem
Luxeuil, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm,
Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach, Fulda,
Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee, Gorze,
Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig. ->
regula Benedicti
Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen
Mönchtums, 1929; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986
Benediktinerregel -> regula Benedicti
Benediktion
Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909
Beneficium (lat. [N.] Wohltat) ist im römischen Recht jede Gunst (z.
B. Übertragung des Rechts an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b.
divisionis, b. cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b.
inventarii, b. separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]),
im Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte -> Leihe. Als
solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe gegen Leistung von
Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter und in Anerkennung an
spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter (Amtspfründen)
verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des 9. Jh.s auch von
fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von -> Lehen. Im 13.
Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im Rahmen des römischen
Rechts wird es mit dessen Aufnahme seit dem Spätmittelalter wieder verwendet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U., Geschichte
des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 6. A. 1983; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
beneficium (N.) cedendarum
actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden
Ansprüche
Beneficium (N.) competentiae
(lat.) (Rechtswohltat des Notbedarfs)
heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht vorhandene
Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum Geldwert
eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit der
Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein
gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c.
genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu
belassen ist.
Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom
beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des
beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im
klassischen römischen Recht, 1986
beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung
Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung) ist die nach der
Reformation Martin -> Luthers von Landesherren und durch den Augsburger
Religionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte Freiheit, in ein
Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht geteilte Religion
eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung ist der Verkauf der
Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer möglichen
Befreiungsabgabe.
Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. A. 1949, 55
beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat
(Einrede) der Vorausklage
beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der Inventarerrichtung
Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš als dem Präsidenten der
zweiten tschechoslowakischen Republik verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret
des Präsidenten vom 19. Mai 1945 über die nationale Verwaltung [Enteignung)
der Vermögenswerte von Deutschen und Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren,
Dekret vom 19. Juni 1945 über die Bestrafung der nazistischen Verbrecher,
Verräter und ihrer Helfershelfer durch außerordentliche Volksgerichte, Dekret
vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation und Aufteilung des landwirtschaftlichen
Vermögens der Deutschen, Madjaren usw., [Bekanntmachung des Finanzministers
vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen Vermögens,] Dekret vom
20. Juli 1945 über die Besiedlung des landwirtschaftlichen Bodens der
Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde durch Tschechen und Slowaken,
Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den Verlust der Staatsbürgerschaft
der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19. September 1945 über die
Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen
(ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18. Oktober 1945 über die
Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen technischen
Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über die
Konfiskation des feindlichen Vermögens, das Dekret vom 27. Oktober 1945 über
die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret vom
27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen
Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die Aussiedlung
der deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone Deutschlands
und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem Kampf um die
Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden
Handlungen [oder Straftaten]).
Lit.: Dokumente
zur Diskussion über die Beneš-Dekrete, hg. v.
Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy
dekrety, 2002; Mandler, E., Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen
und Magyaren in den Dekreten des Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente
1940-1945, hg. v. Jech, K., 2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler,
K./Schusterschitz, G./Wimmer, M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of
International and European Law 9 (2004), 1
Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6. 1832), Anwaltssohn, wird
nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn (1763) für kurze
Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter (engl.) The
Introduction of the Principles of Morals and Legislation (Einführung in die
Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke zugrunde liegt,
dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht ist, wenn es das
größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere (-> Utilitarismus). Dazu
strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in (engl.) A Catechism on
Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des Parlaments) für jährliche
Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des Wahlrechts und Geheimheit der
Wahl ein. Er beeinflusst John -> Austins analytische Rechtswissenschaft. Die
historische Rechtsschule nimmt ihn nicht zur Kenntnis, doch gibt es einzelne
Auswirkungen seiner Vorstellungen im Prozess, Gefängniswesen und den Zinsen.
Lit.: Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the
Commentaries, hg. v. Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification
dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and
the oppressed, 1984; Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986;
Luik, S., Die Rezeption Jeremy Benthams, 2003
Bentheim
Lit.: Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim
zur Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die
territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters,
1970; Marra, S., Allianzen des Adels, 2006
Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang zur Benutzung einer
öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch die ->
Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich der
öffentlichen Schlachthäuser).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.
Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit der Prozesskostenhilfe
das -> Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten
außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch Rechtsanwälte.
Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe,
1990
Berber
Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004
Bereicherung ist die Vermehrung eines Vermögens. Sie ist dann
herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem Sinn kann
bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat.
indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit der
besonderen Begehrensform der -> Kondiktion (lat. [F.] condictio)
zurückverlangt werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für
Fälle nicht eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes.
Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In
nachklassischer Zeit wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung
mit der allgemein philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt, dass
niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher (lat. locupletior) werden dürfe.
Im Mittelalter versuchen die Glossatoren erstmals, die Kondiktion mit dem
Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene B. zu
verbinden. Dem folgt -> Duaren (1509-1559). Von Hugo -> Grotius wird der
allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der aus der Sache eines anderen,
der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist, herauszugeben hat, worum er
reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die vernunftrechtlichen
Kodifikationen aufgenommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl auf Grund der von Glück
übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur die noch vorhandene B.
herauszugeben ist. Gierke bewirkt, dass im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) die Grundlosigkeit des Habens als Leitgedanke der Ansprüche auf
Herausgabe der B. vorangestellt wird.
Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215, 271;
Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei Accursius, ZRG
RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche,
1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung in dogmengeschichtlicher
Sicht, in: Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi Dergise 29 (1972), 289; Misera,
K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung unter Ehegatten, 1974; Schubert,
W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA
92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen
Rechtsquellen des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex
negotiatione, 1993; Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J.,
The Concept of unjust enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in
Europa, 2001; Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen,
2004; Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v.
Zimmermann, R., 2005
Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz eines
Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777 mit der
Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon aus diesem und anderen
Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach französischem
Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815
fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet zu -> Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt
der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der
Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im Großherzogtum
Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte, 1995; Schmidt,
C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005
Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27. 11. 1765-9.
9. 1843), Amtmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1793
außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident,
Bundestagsgesandter, Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister.
Sein bekanntestes Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des -> Polizeirechts
(1799ff.).
Lit.: Köbler, DRG 152
Bergbau -> Bergrecht
Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks
zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im
südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche
Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im
Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a.,
1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den
sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau
in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995
Bergelohn ist die bei der Bergung eines in Seenot und zugleich aus
der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen Schiffes geschuldete
Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des Strandraubs, dem der
Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem frühen Mittelalter
(Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la Marine 1681) wird dem
Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird für
den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den Umständen nach billigem
Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten (Strandungsordnung 1874, §§
740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957
Bergen („Bergweide“) am Byfjord wird 1070 gegründet. Es ist seit
dem 12. Jh. -> Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet dort die ->
Hanse eine Niederlassung.
Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900; Bergen,
hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu Lübeck, bearb.
v. Asmussen, G. u. a., 2002
Berggericht
Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935
Bergrecht ist das Recht des Bergbaus. Dieser beginnt um Goslar
(Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges um 1140 und im Mansfelder
Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die Bergbaufreiheit des
Grundeigentümers. Wohl bereits im Frühmittelalter beansprucht der König die
Herrschaft über den Bergbau. 1158 verkündet Friedrich I. Barbarossa zunächst
für Italien in Roncaglia (Constitutio de regalibus) das Silberregal und das
Salzregal des Königs. Wenig später wird das B. erstmals festgehalten (Trient
1185). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers an jedem
geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit), wobei der Finder
Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste
1233). 1356 geht das Bergregal auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf
andere Reichsfürsten über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen (Schneeberg
1492, Annaberg 1509, Joachimsthal 1518, Jüich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die
Bergbauunternehmer arbeiten als bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft)
mit Kuxen als Anteilen. Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine
allmählich in verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der
Mitte des 18. Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift
durch Gesetze ein (Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810,
Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Österreich
1854), wobei an die Stelle des Bergregals die staatliche Berghoheit tritt.
Lit.: Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G.
v., De re metallica libri XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg.
v. Lingelbach, G., 2002; Abignente, G., La proprietà del sottosuolo, 1888; Zycha,
A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899; Arndt, A., Noch einmal
der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A., Einige
Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha, A.,
Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338; Arndt,
A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur Geschichte
und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916; Müller-Erzbach,
Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in
Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des
Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im
Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930),
233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in Böhmen, 1929; Sehm, J., Der
Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt, W., Zur Geschichte der
Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 260; Silberschmidt, W.,
Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935), 442,
Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935 (polnisch); Sehm, J.,
Die Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936; Büchsel, H., Rechts- und
Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und Hüttenwesens 1750 bis 1806,
1941, Löscher, H., Die erste Annaberger Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG
GA 68 (1951), 435; Schneider, H., Zur Geschichte des Bergrechts und der
Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954; Schmelzeisen, G., Die
Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schneider, H.,
Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum
Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178; Löscher, H., Vom
Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger Forschungshefte D 22, 1957; Löscher,
H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343; Willecke,
R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches Abbaurecht, FS N. Grass,
1974, 533; Willecke, R., Die deutsche Berggesetzgebung, 1977; Europäisches Montanwesen im
Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a.,
1986; Tubbesing, G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer,
H./Zettler, A., Der mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg,
1996; Ecker, F., Die Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker
Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner, M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert,
Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H., Lütticher Steinkohlen-Bergbau im
Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale montanorum, 2002
Bergregal -> Bergrecht
Berlich(ius), Matthias (Schkölen 9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638),
Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Jena und Marburg 1611
in Leipzig Anwalt. In seinen (lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles
(Praktische Sclüsse) (1615ff.) stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der
kursächsischen Konstitutionen von 1572 dar.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736
Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200 geplanten?) Siedlungen
(Cölln, Berlin, slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jh. nachweisbar?), die
um 1235 Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch vereinigt werden. Am Ende
des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch (Berlin, Stadtarchiv, ohne
Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf dem -> Sachsenspiegel
aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch den Richtsteig Landrechts
und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst ist, aber auch
brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht erkennen lässt.
Unter den Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von
Brandenburg, die hier 1516 das -> Kammergericht einrichten. 1871 wird B.
Hauptstadt des Deutschen Reiches. Am 27. 4. 1920 wird unter Eingemeindung von
59 Landgemeinden Groß-Berlin gebildet, das 1945 in vier Sektoren der
Besatzungsmächte aufgeteilt, 1990 aber wieder vereinigt und danach zur
Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt wird. Der Versuch der
Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; Gebhardt,
P. v., Das älteste Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das
Privatrecht des Berliner Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der
Spree, hg. v. Gebhardt, P. v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der
städtischen Kassenorganisation Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v.
Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche Status Berlins,
1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Clausewitz, P., Das berlinische
Stadtbuch, 1883; Festschrift zum 125jährigen Bestehen der juristischen
Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke, D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v.
Ribbe, W., Bd. 1f. 1987; Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a.,
1988; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61;
Schultz, H., Berlin 1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der
juristischen Gesellschaft zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert,
W., Die Vorträge von Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft
(1881-1897), ZRG GA 110 (1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der
juridischen Fakultät, Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel,
J. u. a., 1998; Raiser, T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A.
Gräfin v., Der nackte Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W.,
2000; Fritze, W./Schich, W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Ribbe, W., Die historische
Kommission zu Berlin, 2000; Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T.,
Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die
Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies,
R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006
Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog von
Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das Reich
zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit umstritten)
und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet sich
1353 mit der -> Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich (1458 4500
Einwohner) zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000 qkm rund
ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst. Seit 1848 ist B. Hauptstadt der
Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die völkerrechtliche Berner Übereinkunft des
Urheberrechts geschlossen, die alle Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte
Staaten von Amerika) zur Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit
Inländern verpflichtet.
Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der Republik
Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons Bern (Teil
1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a. 1902ff.; Welti,
F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2. A. bearb. v.
Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte Seftigen,
Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die historische
Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss. Bern 1920; Audétat,
E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss. phil. Bern), 1921; Rennefahrt,
H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs II., Zeitschrift für
schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H., Grundzüge der bernischen
Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O., Verfassungsgeschichte der Berner
Landstädte, Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern 30 (1929), 1;
Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der Stadt Bern, 1935; Die
Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937; Schmid, B., War Bern in
staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 20
(1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946; Roth, U., Samuel Ludwig
Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von 1824-1830, 1948; Bader,
K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste, ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert
Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v. Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A.,
Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um
die Echtheit der Berner Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6
(1956), 145; Häusler, F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva,
C., Zur Berner Stadtrechtsreformation von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer,
P., Freiheit und Gemeinde im Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der
alte bernische Stadtstaat (1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott
ist Burger zu Bern, 2001; Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium
der Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006
Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach dem Studium in Bologna
Lehrer des geistlichen Rechts und 1187 Propst, 1198 Bischof von Pavia. Seine in
fünf Bücher geteilte systematische Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.)
extravagantium (Kurzfassung der zusätzlichen) (1188/1190) wird (als [lat.]
compilatio [F.] prima, erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren
Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen) des kanonischen Rechts, das seit
seiner Zeit als sich ständig erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten
Stand auf den Universitäten gelehrt wird.
Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen
Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120
Berner, Albert Friedrich (Straßburg/Uckermark 30. 11.
1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von Philosophie
und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher Professor und 1861
ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck geprägtes Lehrbuch
des -> Strafrechts erfährt 18 Auflagen.
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Berthold von Henneberg -> Henneberg
Beruf ist die auf Dauer angelegte, die Arbeitskraft und
Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die im allgemeinen mit
dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu gewinnen, und die
zugleich einen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt (bloße
gelegentliche Betrauung mit einer gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.). Der
B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder. Bedeutsam
ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungsrechtlich geschützt
wird der B. im späteren 20. Jh.
Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im
Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen
Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die
Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996
Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung, die
erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche Bedeutung erlangt.
Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, 1977
Berufsrichter ist der Richter, der seine Tätigkeit als Beruf ausübt. Er
tritt als gelehrter Offizial des Bischofs vereinzelt seit dem späten 12. Jh.
(Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 als ständiger, ordentlicher und selbst
entscheidender Einzelrichter der kirchlichen Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19.
Jh. setzt er sich unter Verdrängung des ungelehrten, ehrenamtlich tätigen
Schöffen auch im weltlichen Gericht durch, ehe ihm dann durch den Liberalismus
erneut ehrenamtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden.
Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des Richters
im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen
Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972; Budischin, H., Der
gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Horn, N.,
Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3 (1976), 221
Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur
Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche Schule.
Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und
Fortbildungsschule zur Berufsschule, 2004
Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich gegen Urteile des
ersten Rechtzuges in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es kommt mit der
Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im Spätmittelalter als ->
Appellation ins Reich und verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit
dem Ende des 13. Jh.s schon B. genannt werden kann.
Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235; Planck, W.,
Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268
Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits vor 238 n. Chr.
berühmten Rechtsschule. Hier wie in Konstantinopel lehren besoldete Professoren
(lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen Studienplan in fünf Jahreskursen
die Institutionen des Gaius, Teile zivilrechtlicher Schriften, Stücke des
Edikts, die Responsen Papinians, die Responsen des Paulus und die
Konstitutionen der Kaiser, wobei sie bewusst die klassischen Traditionen
aufgreifen. Erzeugnisse ihrer Arbeit sind nur vereinzelt überliefert.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53; Wieacker,
F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215
Besançon wird 1691 Sitz einer Universität (bis 1793).
Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten
Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt
zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die dieser grundsätzlich die volle
gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende Gewalt überträgt. 1951
überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten der Pariser Verträge
beseitigt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und
Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der
wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter
alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang,
1999
Besatzungsrecht -> Besatzungszone
Lit.: Zwischen
Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1996; Waibel,
D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland
unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999;
Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in Nordwestdeutschland
1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Zentz, F., Das amerikanische Strafverfahren
als Element der Besatzungspolitik, 2005
Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer von mehreren
Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das -> Deutsche Reich (und das
davon wieder verselbständigte -> Österreich) in je eine B. der Vereinigten
Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs
aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Am 5. 5. 1955 erklären die
westlichen Besatzungsmächte die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am
25. 3. 1954/20. 9. 1955 die Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik.
Das in den Besatzungszonen von den alliierten Stellen unmittelbar oder durch
deutsche Stellen mittelbar erlassene Recht (Besatzungsrecht) gilt auch über die
Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu seiner Aufhebung oder
Abänderung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245; Blomeyer,
A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte
Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v.
Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp,
B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein
Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue
Deutschland, 2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland
1946-1900, 2001;Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003;
Behling, K., Spione in Uniform, 2004
Beschlagnahme ist die zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zur
Sicherung öffentlicher oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle
dieser Art sind bereits in älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio
[F.] in bona, Gütereinweisung).
Lit.: Kaser §§ 85, 86; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912
Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die Belastung, aus der sich ein
verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B. Italien 12. Jh.). Im
Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich die B. in der jüngeren
Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue Sonderform ist die
-> Verfassungsbeschwerde in Deutschland. -> Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner, H., Zur
Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v. Nubola, C.,
2002
Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands, insbesondere die
Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen. Er ist von einem
möglichen Schadensersatzanspruch unabhängig.
Lit.: Kawasumi,
Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch,
2001
Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11. 1809-Bad Harzburg 28. 8.
1888), Kammerratssohn, wird nach dem Studium in Kiel, München, Göttingen und
Heidelberg mit der auch Urkunden berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen
1835 habilitiert und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin
(1859) berufen. Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts versucht ein
dem gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System zu
entwickeln. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch.
Lit.: Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke,
O., Georg Beseler, ZRG GA 10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit
Schriftenverzeichnis, 77 Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der
Berliner Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279
Besitz ist die tatsächliche Gewalt einer Person über eine Sache.
Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.]) possessio, die auf die
tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen auf Land zurückgeht.
Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt
auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium)
wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung
oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer und gewisse Fremdbesitzer wie
Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger oder Sequester). Nicht B. hat der bloße
Innehaber (z. B. Mieter). Vom B. streng geschieden ist das Eigentum. Justinian
schränkt den B. auf den rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert
diesen B. aber einem Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das
schlichte Haben (ahd. haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die
besondere Figur der -> Gewere. Mit der Aufnahme des römischen Rechts verdrängt
das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich kommt es zu einer
gegenseitigen Beeinflussung. Savigny versteht den B. als Tatsache, stellt ihn
dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet ihn in das Deliktsrecht ein und
verrätselt das Recht des Besitzes als das Recht eines Faktums. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der unmittelbare B. die tatsächliche
Herrschaft, neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut)
vermittelte mittelbare B. steht. Die Innehabung ist beseitigt, der Gegensatz
zum Eigentum betont.
Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes, 1803;
Bruns, Das Recht des Besitzes, 1848; Randa, A., Der Besitz nach
österreichischem Recht, 4. A. 1895; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren
römischen Recht, 2. A. 1956; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb
durch Gewaltabhängige, 1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Diurni, G.,
Le situazioni possessorie nel Medioevo, età langobardo-franca, 1988; Schnatenberg,
P., Die Entstehung der Regeln des BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur.
Köln 1994; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des common law,
2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003
Besitzkonstitut -> Besitz
Besitzrecht -> Besitz
Besitzschutz ist der dem zunächst rein tatsächlichen
Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der Rechtsordnung gegen unrechtmäßige
Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das römische Recht besondere ->
Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi [gewaltsam], clam [heimlich],
precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe]). Das kanonische Recht des
Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen Besitzschutz weiter. Hierauf
baut auch das Reichskammergericht auf, das aber bereits bei der vorläufigen
Entscheidung nach einem bestandskräftigen Ergebnis strebt. Die historische
Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen Schutz der besonderen
Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem Recht zum Besitz (z. B.
Eigentum) ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.;
Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v.
Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J.,
Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz,
2000
Besold, Christoph (Tübingen 1577-Ingolstadt 1638), aus einer
Juristenfamilie, 1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt
innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des
neuen öffentlichen Rechts.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 120
Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im Gegensatz zum allgemeinen
Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den Bürger, zusätzliche
Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B. Staat -
Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im letzten
Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.
Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen
Gewaltverhältnis, 1982
Bessarabien (östlicher Teil der Moldau zwischen Pruth und
Dnjestr, in dem ab 1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt wurden, 1918
Rumänien, 1940 umgesiedelt, 1945 vertrieben)-> Rumänien, Sowjetunion, Moldawien
Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die
Deutschen aus Bessarabien, 2. A. 2004, 3. a. 2006
Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles an einen Amtsträger für
eine Dienstpflichtverletzung. Sie ist als Wahlbestechung bereits dem römischen
Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt sie mit der Entwicklung des
Beamtentums.
Lit.: Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4.
A. 2002; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen Leben Athens, 1995
Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern besonders in
Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schultze, A., Seelgerät und
Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38
(1917), 301; Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282
Bet, Josef -> Karo
Betäubungsmittel
Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen der Drogengesetzgebung bis zum
Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006
Betreibung
Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren
der Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87
Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992 die staatliche Fürsorge
für die Person und das Vermögen eines volljährigen Menschen, soweit er infolge
einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten nicht selbst besorgen
kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht bestellten Betreuer.
Die B. ersetzt die Entmündigung
Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W.,
Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung
von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001
Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer einer Betriebs, das in
bestimmten Angelegenheiten eines Betriebes mitwirkt und mitbestimmt. Der B.
entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916 Kriegswirtschaft).
Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben mit 20 und mehr
Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten Reich wird der B.
beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt und danach gestärkt
(11. 10. 1952, 15. 1. 1972).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273; Oertzen,
P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die
Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat, 7.
A. 2002; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von Betriebsräten, 1999
Betriebsrisiko ist die im 20. Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des
Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs ohne Verschulden eines Beteiligten.
Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre,
2001
Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln, welche die Rechte des
Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im Betrieb in Bezug auf das
Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland nach einzelnen Vorläufern
des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 eingerichtet
und durch Gesetz vom 17. 4. 1946 wiederhergestellt.
Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, Quellensammlung zur
Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H.,
Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und
Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996
Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen Betriebs (im Gegensatz zur
Wirtschaft des gesamten Volks oder Staats), die seit 1898 wissenschaftlich
gelehrt wird.
Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg. v.
Gaugler, E./Köhler, R., 2002
Betrug ist die durch Täuschung verursachte Vermögensschädigung (z.
B. der Universitätsassistent I. lässt sich im öffentlichen Dienst jahrelang
krank schreiben und betreibt in dieser Zeit privatwirtschaftlich einen Verlag
für Lügenbarone). Sie findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie von der
Fälschung eindeutig geschieden werden kann. Erst 1871 gelingt eine klare
Abgrenzung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Schütz, S., Die
Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner,
Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel,O. u. a.,
2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001
Betteln ist das Bitten um unentgeltliche Leistungen zum
Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. Zeitweise wird es
mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft (u. a. z. B. Graz 1996).
Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827) und
seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45; Goglin,
J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988, 129;
Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist Betteln
rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., ... und hat seit hero gebetlet, 1996
Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen Studien in
Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für römisches
Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand und Rom,
bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um ein
neues Verständnis der -> Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.
Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik
der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg.
v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994
Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern gelangende -> Lehen.
Bei ihm ist statt Kriegsdienst bei Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe
in den Beutel des Herrn zu leisten. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B.
Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil. d.
Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940)
Beuterecht ist das Recht auf Aneignung feindlichen Gutes im Krieg. Es
besteht ursprünglich gegenüber der gesamten gegnerischen Bevölkerung. Im 19.
Jh. setzt sich für den Landkrieg die Beschränkung auf das für Kriegszwecke
verwendbare Staatseigentum des Feindes durch (Haager Landkriegsordnung 1907).
Lit.:Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994
bewegliche Sache -> Sache
Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer
Vorstellung durch ein Verhalten. Besondere Bedeutung hat der B. in einem Streit
zweier Personen. Im altrömischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex
(Richter) frei die mit beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche.
Demgegenüber setzt sich im spätantiken römischen Recht die Bindung an feste
Beweisregeln und Beweislastregeln durch. Bei den Germanen erfolgt meist
außerhalb des Gerichts ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der
Angegriffene ein Recht zum B. hat. Im Frühmittelalter wird der B. häufig im
Gericht erbracht, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich
unter christlichem Einfluss gewinnt das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn ein
anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht
dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid
anbietet. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren bemüht sich der Richter von
sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als sicherstes Beweismittel gilt das
Geständnis. Zu seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der
Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen
bestimmter Indizien gestattet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln. Mit dem
gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene Tatsachen als zugestanden.
Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen, Parteieid, Urkunden,
Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast), wobei feste
Beweisregeln gelten. Nach französischem Vorbild setzt sich im 19. Jh. die freie
richterliche Beweiswürdigung durch. Die Beweislast trägt jede Partei für die
ihr günstigen Tatsachen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155, 167;
Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis
im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des
Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K., Beweisjury
und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130;
Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem deutschem Recht,
1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang, ZRG GA 49 (1929),
1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA 49 (1929), 26; La
preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nagel, Die
Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess, 1967; Ziller, H.,
Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche Funktion, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1972;
Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v.
Sellert, W., 1986; Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v.
Gouron, A. u. a., 1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England,
1997; Wißgott, V., Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M.,
The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche
Grundlinien des europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von
Stryk, K., Die Krise des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter,
ZRG GA 117 (2000), 1; Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der
Wahrunterstellung, Diss. jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien
Beweiswürdigung im Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Deppenkemper, G.,
Beweiswürdigung als Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004
Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen Zivilprozessrecht eine
gerichtliche Zwischenentscheidung über Beweislast, Beweisthema und
Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den Beginn des
besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter. Besonders
ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover 1850). Im
18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die preußische
allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr, ebensowenig
das französische Zivilprozessrecht und die davon beeinflusste deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879.
Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848
Beweislast -> Beweis
Beweismittel -> Beweis
Beweisurteil ist das -> Urteil über eine Beweisfrage. ->
Beweisinterlokut
Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714), Aktuarssohn,
wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig (Thomasius),
Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg. Dort hält er
als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als Leitfaden des
deutschen Rechts ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718) nach seinem Tod
veröffentlicht wird.
Lit.: Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg,
E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck
1957, 1978, III, 1 137f.
Bibliothek
Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000
Bände)
Biblisches Recht ist das aus den in der jüdisch-christlichen Bibel
enthaltenen zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten
hiervon sind die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche
Beschreibung des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechts, der
die Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet.
Dieser Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.
Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, in: Fontes
iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst, C. v.,
Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G.,
Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd.
1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in
Practice and Study throughout the Ages, 1959; Welch, J., A biblical law
bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994;
Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 5. A. 1994; Campenhausen, H. v., Die
Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel,
2004
Bielefeld
Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer,
B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990
Bienenrecht ist das die Bienen betreffende Recht. Dabei darf der
Eigentümer einen Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück einfangen. Im
deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) gelten die §§ 961ff.
Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht, 1910;
Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; , Haff, K., Zum Bienenrecht in den
schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253; Schulz,
S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990
Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2. 1787-Dresden 1861) wird
nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810 Professor in Berlin.
Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus
stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung gewonnene
(gebraute) Getränk. Im Frühmittelalter wird es von Frauen hergestellt, später
entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen
als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt
sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz,
Hopfen, Hefe, Wasser) durch.
Lit.: Moldehauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss. jur.
Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München,
1981, Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001; Blanckenbuerg,
C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001
Biergelde oder Bargilde ist der im 8./9. Jh. erscheinende (freie)
Mensch, der von der Forschung teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung
verbunden wird. Der Inhalt des Wortes ist nicht völlig klar
(„Abgabenleister“?), obgleich die Biergelden noch im -> Sachsenspiegel (1221-1224)
als besonderer Stand erfasst sind.
Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der Bargilden,
ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959),
111
Bifang ist das von einem Berechtigten neu genutzte, meist
eingefriedete Grundstück.
Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20 (1928)
Bigamie ist die Eheschließung eines verheirateten Menschen in einer
nur die Einehe zulassenden Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an
nur die Einehe für zulässig. Als Folge der Christianisierung der römischen
Gesellschaft ist die B. seit Diokletian strafbar. Im Frühmittelalter ist die B.
eine zunächst rein kirchliche Frage, für die nur die kirchlichen Gerichte
zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen vor allem die Stadtrechte
Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe vor. Die -> Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) behandelt unter dem Einfluss der augustinischen
Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B. strenger als einen Mann, die ->
Constitutio Criminalis Carolina (1532) ordnet die B. stets als qualifizierten
Ehebruch ein. Strafe ist zunächst die Todesstrafe, nach dem preußischen
Allgemeinen Landrecht von 1794 und nach dem Reichsstrafgesetzbuch von 1871
mehrjähriges Zuchthaus (§ 171 StGB). Privatrechtlich ist die B. Ehehindernis.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner, H., Die
Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; Buchholz, S.,
Der Landgraf und sein Professor, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997
Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüberstellung der aktiven und
passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich im
spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jh.
werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der
wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur
Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft).
Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und
Steuerrecht, 9. A. 1991
Bild ist die sichtbare Wiedergabe
eines Umstandes durch menschliches Tun.
Bilderhandschrift ist die mit Bildern ausgestattete Handschrift. Die
umfänglichsten rechtlichen Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen
zum Sachsenspiegel überliefert (1270? Harzvorland?, Stammhandschrift verloren,
Anfang 14. Jh. Heidelberger B. [Druck 1971], vielleicht Meißen wohl 1347-1363
Dresdener B. [Druck 1902, 2002], Wolfenbütteler B. [Druck 1993], 1336
Oldenburger B. [Druck 1995]). Die Bedeutung der Bilder ist streitig.
Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener
Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger
Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text–Bild–Interpretation, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 24; Got ist selber Recht. Die vier Bilderhandschriften des
Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg, Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch
Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F., die sal man alle radebrechen,
1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1995;
Repgow, Eike von: Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999;
Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenpiegels. Interimskommentar, hg. v.
Lück, H., 2002; Der Dresdener Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002
Bildung
Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18.
Jahrhundert 2005
Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit vor allem im einzelnen
Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als (lat. [F.]) benevolentia
des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten Klagen oder
Schuldverhältnissen (lat. -> bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im frühen
Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat. ->
aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach B.
urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B.
auf.
Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das
aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P., Über die
angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Köngs, ZRG GA 47 (1927), 115; Kirn,
P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 53 (1932), 53; Kaufmann, E., Aequitatis
iudicium, 1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989,
745
Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689 vom König angenommen
und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13 Artikeln verbietet
es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer ohne Zustimmung des
Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt Redefreiheit, Petitionsrecht
und das grundsätzliche regelmäßige Geschworenengericht. In den Vereinigten
Staaten von Amerika heißen B. o. R. die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung
von 1787 hinzugefügt werden. -> Virginia Bill of Rights
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; The complete Bill of
Rights, hg. v. Cogan, N., 1997
Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6. 1841-Freiburg im Breisgau 7.
4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Studium in Göttingen (1860-1863)
Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Staatsrecht in Heidelberg
(1865), Basel, Freiburg, Straßburg und Leipzig. Er vertritt auf liberaler
Grundlage ein formales Vergeltungsstrafrecht. Nach seiner Normentheorie geht
der Rechtsregel eine Sozialnorm voraus, deren Befehlswirkung der Täter
missachtet, so dass er durch Bestrafung unter die Macht des Staates gebeugt
werden muss (Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt
Analogie zu und befürwortet die Vernichtung lebensunwerten Lebens.
Lit.: Köbler, DRG 204; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes
in Bindings Normentheorie, 1954
Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den schiffbaren Binnenwasserstraßen.
Sie geht bereits weit in die Zeit der alten Völker zurück. In Deutschland ist
sie in der Gegenwart in einem besonderen Gesetz geregelt.
Lit.: Kischel, D., Die Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit,
1990; Vortisch, O., Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991
Biographie ist die
Lebensbeschreibung eines Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien)
begegnen in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates,
Platon, Augustinus). Im deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14.
Jh.s eine umfangreiche weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus
Muffel, Anton Tucher, Elias Holl, Karl IV.).
Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im
lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K.,
Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987; Rüthers,
B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001; Sonnabend, H.,
Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt, hg. v.
Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik,
bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v. Reichel,
M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006
Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt) -> Schonen, -> Schweden
Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher) ist in der katholischen
Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der Kirche als Nachfolger der
Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt ausübt. Er setzt sich als
Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich durch und hat im 3. Jh.
auch das Amt als Richter inne. Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist
grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.] civitas). Im fränkischen Frühmittelalter
wird der B. vom König eingesetzt oder vom Volk gewählt. Im Investiturstreit
setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und Volk durch. Bis 1215 wird das
Domkapitel zum Wahlgremium. Etwa zu dieser Zeit tritt neben den B. der
Weihbischof. Im Reich wird der B. geistlicher Reichsfürst (bis 1803). Im
evangelischen Kirchenwesen verdrängt der Superintendent bis 1918 (teilweise) den
B.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115, 152;
Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der
Bischöfe im merowingischen Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi,
1964; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kaiser, R.,
Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in merowingischer
Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 1990;
Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z. f. ev.
Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le
royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche Bischofserhebung
im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die Bischöfe des Heiligen
Römischen Reiches, hg.v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe der deutschsprachigen
Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von den Agilolfingern zu
den Karolingern, 2004
Bismarck, Otto von (Schönhausen 1. 4. 1815-Friedrichsruh 30. 7.
1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen und Berlin
Landwirt und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen
Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund, Gesandter und am 23. 9. 1862
preußischer Ministerpräsident. Nach der Gründung des -> Norddeutschen Bundes
(1867) und des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 1890
Reichskanzler. Besondere rechtliche Verdienste gewinnt er durch die Herstellung
der Rechtseinheit in Deutschland und durch die Einführung der ->
Sozialversicherung.
Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183,194; Meyer, A., Bismarcks
Kampf mit Österreich, 1927; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969;
Gall, L., Bismarck, 1980; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f. 1997f.; Krobckow, C.,
Graf v., Bismarck, 1997; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L.,
2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck (1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck
und das preußische Staatsministerium 1862-1890, 2004
Bistum -> Bischof
Lit.: Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen Römischen
Reiches, 2003
Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss von
amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8. 4.
1949).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, Das bizonale
Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der
Bizone, 1996
Bjärköarätt (N.) -> Birkarecht, -> Schonen, -> Schweden
Blackstone, Sir William (London 10. 7. 1723-14. 2. 1780) wird nach
Studien in Oxford (1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle Temple in London
1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758 Professor für
englisches Recht in Oxford, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter. Seine vier
Bände Commentaries on the Laws of England (1765ff.) bieten eine umfassende
knappe Darstellung des englischen Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und
Strafrechts (common law und equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Matthew
-> Hales in Personen, Sachen, Delikte und Straftaten gliedert.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Warden, L., The
Life of Blackstone, 1938; Simmonds, N., Reason, History an Privilege –
Blackstone’s Debt to Natural Law, ZRG GA 105 (1988), 200
Blasius de Morcono ist der letzte Erläuterer des langobardischen
Rechts als eines lebenden Rechtes (Tractatus vielleicht zwischen 1323 und 1332
entstanden).
Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et
ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912
Blasphemie ist die Lästerung des
christlichen Gottes. Seit dem 13. Jh.
erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten. Kirchliche wie weltliche
Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die Bedeutung.
Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy, 1928;
Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius
commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt
von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005
Bleichgericht
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345
Blendung (F.) ist das Ausstechen oder Ausbrennen eines Auges oder
beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum und Mittelalter. Mit der
Aufklärung wird sie beseitigt.
blickender Schein -> Augenschein
Blijde Inkomst -> Brabant
Blinder
Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des
Mittelalters, ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger, J., Blindheit und
Königtum, 1992
Blockade ist die Absperrung eines Gebietes von anderen Gebieten vor
allem im Seekrieg. 1584 verwenden die Holländer die B. als Kriegsmittel im
Freiheitskampf gegen Spanien. Die Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856
und die Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schenk, R., Seekrieg und
Völkerrecht, 1958; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, §§ 42, 48
Blume des
Sachsenspiegels ist die in 10
Handschriften überlieferte ungedruckte Bearbeitung der -> Blume von
Magdeburg durch Nikolaus -> Wurm (um 1397).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 67
Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus -> Wurm am Ende des 14. Jh.s nach
dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter Benutzung des Sachsenspiegels und
des Magdeburger Weichbildes verfasste Werk.
Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3. 1808-Karlsruhe 21. 10. 1881)
wird nach dem Studium in Zürich, Berlin (1827-9) und Bonn Gerichtsschreiber in
Zürich (1830), dann Professor in Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg
(1861). Auf der Grundlage seiner Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und
Landschaft -> Zürich (1838/1839) führt er das Privatrechtliche Gesetzbuch
für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853ff.), das bis 1911 (auch in
Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.
Lit.: Briefwechsel Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny,
Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W.,
1915; Vontobel, J., Die liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre
Joh(ann) Caspar Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die
allgemeine Staatslehre Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Affentranger,
M., Besitz und Besitzschutz im Züricher Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann
Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M., Rassistische und antisemitische Elemente im
Rechtsdenken von Johann Caspar Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B.,
Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881,
2003; Cavallar, G., Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in
seinem historischen Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504
Blutbann ist die Zuständigkeit zur Verhängung der Todesstrafe. ->
Hochgerichtsbarkeit
Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte eigenmächtige Vergeltung
einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung (Tötung). Recht und
Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis zur Neuzeit.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Vlavianos, B., Zur
Lehre der Blutrache, Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im
deutschen Mittelalter, Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961)
Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr zwischen nahen
leiblichen Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch bei den Römern
verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter erfasst, das
als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das Gefängnis kennt.
Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter dem Einfluss des
römischen Rechts (1507 Constitutio Criminalis Bambergensis: Enthauptung). Eine
Einschränkung auf die Verwandten und Verschwägerten aufsteigender und
absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von 1851.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, Das Inzestverbot, Diss. jur. Berlin 1997
Bocksdorf, Dietrich von (Zinnitz um 1405-Zeitz 9. 3. 1466) wird nach
dem Rechtsstudium in Leipzig (1425) und Perugia (1436/1437) Professor des
kirchlichen Rechts in Leipzig und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst
wissenschaftliche Arbeiten zum -> Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451,
Sippschaftsregeln, Erbschaftsregeln, Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht
dagegen die sog. Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.
Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung
Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen
Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs
„Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (H.
Ulmschneider)
Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von -> Bocksdorf nur in
einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der buchschen Glosse des
Sachsenspiegels.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Bocksdorf, Tammo von, verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag als
Domherr in Magdeburg 1426 ein -> Remissorium zum Sachsenspiegel und
vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur
Sachsenspiegelglosse.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Bodenreform ist die Umwandlung von Großgrundeigentum in bäuerliche
Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen (z. B. 1945 sowjetische
Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Weißbuch über die
„Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner, J., Die Bodenreform,
1997; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in
Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen
Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die
rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B.,
2005
Bodenregal ist das vom König im Frühmittelalter grundsätzlich geltend
gemachte -> Regal an herrenlosem Grund und Boden, das sich in Frankreich
erhalten (domaine public) und in Deutschland zum Aneignungsrecht des Staates
(Fiskus) entwickelt hat.
Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, § 27
Bodensee
Lit.: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906;
Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz
1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees, Schriften des Vereins
für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg. v. Maurer, H., 1982
Bodin, Jean (Angers 1530-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird nach
dem Rechtsstudium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat am
Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576
Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem
empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten
Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Sechs Bücher über die
Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen
Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit, Ständigkeit) aufbauende moderne
Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex) befugt
ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius) unterliegt.
Streitig ist, inwieweit B. den -> Absolutismus begründet.
Lit.: Köbler, DRG 148f.; Fickel, G.,
Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin,
Jean, hg. v. Denzer, H., 1973 ; Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit
de la république, 1989
Bodman
Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977
Bodmerei ist die Beleihung eines Schiffes in der Form, dass mit seinem
Verlust die Zahlungspflicht entfällt und die Rückzahlung von der sicheren
Ankunft des Schiffes abhängt (seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch
den Darlehensgeber, reine Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische
Seedarlehen voraus (lat. fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch
indische oder babylonische Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird
auf Grund unbekannter Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr
ausgesetzten Schiffes oder Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles
d’Oléron 2. H. 13. Jh., Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591
Zulassung). Später wird sie durch die Seeversicherung verdrängt und auf die
Notbodmerei des Schiffes (durch den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB
1897). Als Folge der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B.
durch Gesetz vom 21. 6. 1972 im Handelsgesetzbuch Deutschlands ganz aufgehoben.
Lit.: Mathiass, B., Das foenus nauticum und die
geschichtliche Entwicklung der Bodmerei, 1881; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Schuster, S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Böhmen ist das nach den keltischen Boiern (latinisiert Boiohaemum)
benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das seit dem 6. Jh. Slawen
eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um 890 Herzog Boriwoi aus
dem Geschlecht der -> Przemysliden getauft wird. Vom ottonischen König Heinrich
I. wird B. unterworfen. Es entwickelt sich zum Herzogtum im deutschen Reich
(1114 Schenk). 1198/1212 wird es ähnlich wie -> Österreich verselbständigt.
1314 gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das
Nichtappellationsprivileg. 1344 wird Prag Erzbistum. Kaiser Karls IV. Plan
eines böhmischen Landrechts (-> Maiestas Carolina) scheitert 1355. Im 15.
Jh. wird B. zur Adelsherrschaft, die 1526 Ferdinand I. von Österreich auf Grund
von Erbansprüchen zum König ernennt. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über
die Rechtsordnung des Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen
spätmittelalterlichen Rechtswissenschaft. 1564 wird eine 1627 absolutisierend
erneuerte Landesordnung erlassen. 1918 löst sich B., wie seit 1848 gefordert,
in der -> Tschechoslowakei von Österreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 109,
129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Codex juris municipalis
regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina, ZRG GA 9 (1888), 64;
Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98; Grünberg,
C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert, J., Sozialgeschichte
Böhmens in vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H., Untersuchungen zur
Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex diplomaticus et
epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd. 1ff. 1904ff.; Bretholz,
B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A., Die staatlichen
Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern, 1912;
Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den Ursprung der
Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der böhmischen Länder,
Bd. 1f. 1923ff.; Perels, E., Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45
(1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45
(1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im böhmisch-mährischen Landrecht,
ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die böhmischen Konföderationsakte von 1619,
1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und Schlesien,
1935; Wegener, W., Die Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren
des Aufklärungszeitalters in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W.,
Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter, 1959; Nový, R., Libri civitatum
Bohemiae, 1963; Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und
Mähren bis zum 17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v.
Vaněček, V., 1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit,
hg. v. Graus, F./Ludat, H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen
Länder, hg. v. Bosl, K. Bd. 1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do początku XV wieku (Der
Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts), 1973; Procházka,
R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener böhmischer
Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Hlavaček,
I. u. a. Nichtbohemikale Originalurkunden in den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard,
W., Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die
Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit, 1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen
und die böhmischen Stände, 1982; Prinz, F., Böhmen im mittelalterlichen Europa,
1984; Eberhard, W., Monarchie und Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte
Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R., Das römische
Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die Struktur der
Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L., Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten
Landesordnung für das Königerich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M.,
Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die
böhmische Kur und das Reich, 2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht,
2003; Malý, K., Die böhmische Konföderationsakte und die verneuerte
Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285
Böhmer, Justus Henning (Hannover 29.
1. 1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem
Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in Hannover und Hofmeister, seit 1698
Lizentiat in Halle, dann 1701 außerordentlicher und 1711 ordentlicher
Professor. Hier verfasst er 1704 das beste Lehrbuch des römischen Rechts im 18.
Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius digestorum, Einführung in das Recht der
Digesten) und eine umfassende geschichtlich-dogmatische Gesamtdarstellung des
protestantischen Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.] ecclesiasticum protestantium).
Lit.: Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche
Werk Justus Henning Böhmers, 1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei
Justus Henning Böhmer, in: Vom mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen
Rechtswissenschaft, 1994, 317
Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach dem Rechtsstudium seit
1864 Lehrer des römischen Rechts in Grenoble und 1867 Paris, wechselt 1873 nach
-> Japan, wo er als Berater der Regierung französisches Recht lehrt und 1880
ein Strafgesetzbuch und eine Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz
gewordenen Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches erarbeitet.
Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade
et la réception du droit français au Japon, Revue internationale du droit
comparé 43 (1991), 327
Bologna ist die auf etruskischen und römischen Grundlagen ruhende
Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia, die sich seit 1115 von den
vom deutschen König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für
die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische Urkunden erhalten sind). In B. wird
vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten Artistenschule und
wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren (1057) als
Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten Europas
gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus,
Geminianus und Pepo) zunächst -> Irnerius mit der von ihm geprägten Schule
der -> Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis
Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechts hinzu. Die fremden
Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat. [F.Pl.])
universitates eine -> universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit auf etwa
1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem Jahre
1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche, fast
ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durchscnhittlich 23
Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159; Fitting,
H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Knod, G., Deutsche
Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W., Staatsverwaltung und
Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39;
Wandruszka, N., Die Oberschichten Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte
bolognesi del secolo XI, a cura di Feo, G., 2001
Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche Bezeichnung des Kommunismus
in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler).
Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus im
Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967
Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht die nach
der -> Billigkeit beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte
Schuldverhältnis (z. B. Kauf, Miete, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag,
Gesellschaft, Auftrag, Tutel, Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung,
Gesellschaft, Vormundschaft, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe). Bei einem b.
ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. bona fides [F.]) geschuldet wird.
Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der
bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im
bonae-fidei-iudicium, 1969
Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im klassischen römischen Recht
zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein Maßstab, nach dem der
Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen hat. Für den Inhalt des
Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen Vereinbarung auch die
Verkehrssitte Anwendung.
Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12,
18; Köbler, DRG 40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides,
1961
Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittelniederdeutschen
entstandene Bezeichnung für den unzünftigen Handwerker (wie ein Hase auf dem
Boden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“ arbeitend?).
Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981
Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder auch (lat.) probi
homines (M.Pl.) sind im Frühmittelalter und bis ins 13. Jh. Zeugen,
Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie
meist Grundeigentum und Ansässigkeit als rechtliche Voraussetzung ihrer
jeweiligen Tätigkeit erfüllen. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den
oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.
Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines
des frühen Mittelalters, 1981
Bonn am Rhein ist ein auf keltisch-römischer Grundlage
entstandener Ort, der im 12. Jh. an das Erzstift -> Köln gelangt. Im 16. Jh.
wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786 eine 1797 aufgehobene, 1815/1816
jedoch wiedererrichtete Universität, in der 1928 die Staatswissenschaften fast
vollständig aus der philosophischen Fakultät in die juristische Fakultät
übergeführt werden. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen
Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A.,
Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Hübinger, P., Das historische
Seminar, 1963; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der Universität Bonn
1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der Rechtsunterricht an den Universitäten Köln
und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; Die Juristen der Universität Bonn im Dritten
Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakzltät, 2004
Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz) ist im klassischen römischen
Erbrecht die Stellung, die der -> Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im
Fall des Todes eines Erblassers am ehesten für berechtigt hält. Der damit
erreichte Schutz und die damit gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des
prätorischen Rechts können sich durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht
wandeln.
Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG 38;
Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius
esse, ZRG RA 107 (1990), 155
bonus homo -> boni homines
Boppard
Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956
Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch. -> nordisches Recht
Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings und des
Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942
Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene, das Recht des
Wertpapierhandels an der Börse, (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla, Cadiz und
Lissabon [16. Jh.9]) regelnde deutsche Gesetz.
Lit.: Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992;
Schulz, W., Das deutsche Börsengesetz, 1994
Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige Nichtwissen um einen
rechtlich bedeutsamen Umstand. -> guter Glaube
Bosnien ist die östlich der mittleren Adria gelegene Landschaft,
die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird. Zu Beginn des 7. Jh.s siedeln sich
Südslawen an. Das dort entstehende Königreich gerät mit Herzegowina 1463/82
durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit 1878 erlebt B. unter dem
Einfluss Österreichs einen Aufschwung. 1908 wird B. von -> Österreich
annektiert. 1918 wird es Teil -> Jugoslawiens, 1996 wird es als
Bosnien-Herzegowina wieder verselbständigt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S.,
Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna,
A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H.,
Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998;
Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina
1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Stauts von Bosnien-Herzegowina,
2004
Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen anderen
ohne eigene Willensbildung eine Erklärung empfängt oder abgibt.
Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2
Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault im heutigen Departement
Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I. von Clermont (1270-1342,
1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der -> Kapetinger. Die
jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792 und von 1814 bis 1830
bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von 1830 bis 1848 das
Königtum in -> Frankreich. In Spanien wird die Linie Bourbon-Anjou 1700
Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975). Sie herrscht
auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802 und von 1847
bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.
Lit.: Legual, A., Histoire du
Bourbonnais, 1960 ; Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, 2005
Bourges ist die auf keltischen Grundlagen (Avaricum) beruhende
zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und Auron. Ihre
Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des -> mos Gallicus
(lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. -> Budé
Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980
Boutillier, Jehan (Pernes vor 1350-24. 1. 1396) verfasst als Berater
des französischen Königs in Nordfrankreich wohl kurz vor 1396 die -> Somme
rural.
Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G.
van, Jehan Boutillier en de Somme rural, 1951
Boykott ist die nach dem englischen Gutsbesitzer Charles Boycott
(Irland 1880) benannte Ablehnung aller Rechtsbeziehungen zu einem möglichen
Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr
abgeschnitten wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Bozen
Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur
Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb.
v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit
und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005
Brabant ist das aus dem fränkischen Gau Bracbantum im Nordwesten
Europas (1188) entstandene, sich vom Reich verselbständigende (1349 Goldene
Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des
Fürsten begrenzende Herzogtum, das 1390/1430 an -> Burgund und 1477 an ->
Habsburg kommt. 1815 wird es Teil der -> Niederlande, 1830 mit seinem
südlichen Gebiet Teil -> Belgiens.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll,
W., De rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux
chartes romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission
royale d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les
échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936 ; Willem
van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van Brabant,
hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe rechtsbronnen
van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f. 1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung
der ständischen Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1985; Godding, P., Le
Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004
Bracton, Henry de (Bratton Fleming 1210-Exeter 1268) ist nach dem
Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wohl an der Domschule von Exeter
seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245 reisender Richter,
von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of King’s Bench) und
seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 verfasstes oder auch
von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften überliefertes, unvollendetes
Werk (lat.) -> De legibus et consuetudinibus Angliae (Über Gesetze und
Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer Sammlung von etwa 2000 Urteilen
(precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des englischen ->
common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach Personen, Sachen
und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der verschiedenen
Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht. Eine gezielte
Romanisierung des englischen Rechts durch B. ist nicht erweislich.
Lit.: Bractons
Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887; Holdsworth, W., A History of English Law,
Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H., Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische
Staatstheorie des 13. Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem
of his text, 1965; Bracton , hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne,
S., Henry de Bracton 1268-1968, 1970
Brandenburg ist die nach der slawischen Brennaburg (928/9) benannte
Mark (1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319), Wittelsbachern, Luxemburgern
(1375 Landbuch der Mark Brandenburg) gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die
Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt die -> Dispositio Achillea des
Markgrafen Albrecht Achilles die Unteilbarkeit fest. 1614 fallen Kleve, Mark
und Ravensberg an, 1618 -> Preußen als Lehen Polens. Seit 1701 tritt B.
hinter den Namen Preußen zurück. Der Versuch der Vereinigung des Bundeslandes
B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H.,
Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888; Urkundliches
Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v. Stölzel, A., 1901;
Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, 1901f.; Spangenberg,
H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter, 1908; Perels,
K., Die allgemeinen Appellationsprivlegien für Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann,
W., Ausgewählte Urkunden zur brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte, 2. A. 1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk,
1915, Neudruck 1980; Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfüsten von
Brandenburg, 1915; Luck, W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von
Eyb der Ältere (1417-1502), 1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark,
1926; Acta Brandenburgica, Bd. 1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur-
und Hauptstadt Brandenburg an der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische
Landesteilungen, 1928; Schulze, B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in
Brandenburg und Pommern 1809-1918, 1931; Erläuterungen zur brandenburgischen
Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B., 1933; Die alten und neuen
brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815, bearb. v. Curschmann, F. u.
a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v. Schulze, B., 1935; Schulze,
B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik der brandenburgischen Ämter
und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft Sorau von 1381, hg. v.
Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch-preußische geheime Rat,
1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich
Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375, hg. v.
Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen Konstitutionen
zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952), 385; Schultze,
J., Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 1964
(Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg, 1965
(Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur, Lehnbürgertum und
Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967; Geschichte von
Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die
Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg,
ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern,
1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973;
Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Die Mark
Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 2. A. 1989; Ein sonderbares Licht in
Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische Geschichte, hg. v.
Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg. v.
Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy, K.
u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift
Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann,
K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A), 2006
brandenburgischer Landrechtsentwurf -> Köppen
Brandileone, Francesco (Buonabitacolo 1858-Neapel 1929) wird nach dem
Studium der Rechtswissenschaft in Neapel Professor für italienische
Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma, Bologna und Rom.
Brandmarken ist das schon den Römern (Verbot der B. ins Gesicht durch
Kaiser Konstantin) bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen (oder
Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden und noch 1787 in Österreich und
1832 in Frankreich findet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Cate, C. ten, Tot glorie der gerechtigheit,
1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das Gesicht, 1994
Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer (fremden) Sache. Die B. ist in
Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht. Im Mittelalter wird sie wegen
ihrer Bedeutung in der -> Fehde eher gering gebüßt. Der Sachsenspiegel
(1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als ihre Strafen, das
preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die
fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt.
Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2; Osenbrüggen,
E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 348;
Timcke, G., Der Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965
Brant, Sebastian (Straßburg 1458-1521), Gastwirtssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Basel Professor (1489), wechselt aber 1501 als Syndicus
(bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.]) Expositiones [1490,
Ausstellungen9] veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine
Bearbeitung von Tenglers -> Laienspiegel (1509) und des -> Klagspiegels
sowie die Satire Narrenschiff (1494).
Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant, in:
Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des gelehrten
Rechts in Deutschland, 1962, 127
Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich innerhalb einer
Personenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen. Das B. weist
viele Beziehungen zum Recht auf. Insbesondere kann das Recht das B.
beeinflussen.
Lit.: Köbler, DRG 5; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung
und Hochzeit, 1914; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920
(SB Heidelberg), 2. A. 1952; Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker,
A., Frühlingsbrauch und Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche
Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E.,
Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A.,
Brotspenden als Verlöbnis und Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler,
A., Burschenbrauchtum vor den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79
(1962), 254; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner,
W., Bildnis und Brauch, 1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der
Schweiz, (um 1976); Schieder, E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad
rufam ianuam, ZRG GA 115 (1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche
und Feste, 2000
Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals erwähnt und wächst aus fünf
älteren Siedlungen zusammen. Schon früh steht der Ort unter der Herrschaft der
Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B. und Lüneburg benannt wird. Die
zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227 das Hagenrecht und das sog.
Ottonianum aufzeichnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen
Reformation unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel
über und gelangt 1946 an Niedersachsen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Braunschweig, Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994); Hanselmann, L., Die ältesten
Stadtrechte Braunschweigs, Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das
braunschweigische Stadtrecht bis zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel,
J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in
Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig,
1913; Busch, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu
Braunschweig und Lüneburg, 1921; Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des
Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier,
P., Der Streit Herzog Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit
der Reichsstadt Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt
Braunschweig, 1929; Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger
Stadtrecht, 1929; Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen
Anfänge der Stadt Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der
Stadt Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß,
W., Die Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H.,
Die Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur
Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954; Piper,
H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien
Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre Stadtarchiv und
Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt Braunschweig im
Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig,
1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E., Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in
Braunschweig, 1976; Petersen, W., Verzeichnis der Einblattdrucke und
Handschriften, 1984, Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig,
1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefrage, 1988; Henne, T.,
Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hackel, C., Der Untergang des
Landes Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v.
Jarck, H. u. a., 2000; Justiz und Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v.
Isermann, E. u. a., 2004
Braurecht
Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen, 1917;
Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925;
Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981
Braut ist zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in
jüngerer Zeit die durch ein Heiratsversprechen erst zur Eheschließung
verpflichtete Frau.
Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und
Konsensgespräch, 1910
Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen erloschene Bezeichnung für
die Hochzeit.
Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und Sachen
16 (1934), 81
Bregenz
Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912
Breisach
Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39
(1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969
Bremen an der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw.
845/864 eines Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des
Bischofs. 1541/1666 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in der Stellung
als Mitglied des Deutschen Bundes und als Land im Deutschen Reich und in der
Bundesrepublik Deutschland fortsetzt. 1970 entsteht in B. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kühtmann, A., Die
Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A.,
Geschichte der bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste
bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen,
1928; Eckhardt, K., Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931;
Das bremische Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C.,
Untersuchungen zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die
hannoversche Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur.
Göttingen 1957; Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im
Spätmittelalter, 196ich, 1969; 2; Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der
Administrator Friedrich, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,3,2905; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag und König Harald Gormsson, ZRG GA
111 81994), 363; Kessler, A., Die Entstehung der Landesverfassung, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten, bearb. v. Gerstenberger, H.,
1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon, 2000; 700 Jahre Bremer Recht
1303-2003, hg. v. Elmhäuser, K., 2003; Kähler,
J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den
Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007
Bremgarten
Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937
Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh. als befestigte Siedlung.
1225 erhält es eine Marktsiedlung nach deutschem Recht. 1526 fällt es mit
Böhmen an Österreich. 1702 wird eine Universität eingerichtet (bis 1811). ->
Breslauer Landrecht
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Goerlitz, T., Die
Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die Breslauer Stadtbücher,
1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des
Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz,
T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14. Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren,
E., Die Breslauer Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der
Stadt Breslau, 1941, Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt
Breslau, hg. v. Petry, L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999;
Encyklopedia Wroclawia (Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000;
Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811, hg. v.
Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas, 2002; Eschenloer, P.,
Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G., Die fremde
Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis 1811,
hg. v. Conrads, N. u. a., 2004
Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von Böhmen veranlasste, in 351
Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im Fürstentum Breslau und Teschen
gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des ->Sachsenspiegels (1346/1356).
Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische Landrecht,
1828, Neudruck 1966; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934),
155; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30
Bretagne ist die schon früh von Kelten besiedelte westliche
Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die Herrschaft der Römer
gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische Briten von Britannien
aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um 845/846 wird die B.
vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder unter französischer
und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und 1325 wird die
(franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der B.)
aufgezeichnet. 1515
wird die B. Krondomäne Frankreichs.
Lit.: La très ancienne coutume de
Bretagne, hg. v. Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966;
Fleuriot, L., Les origines de la Bretagne, 1980
Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig Alarich II. vor 507
geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen Rechts, die für die
Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter Bedeutung
behält. -> Lex Romana Visigothorum
Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 82;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne Bezeichnung eines
frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für königliche Güter in
Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische
Reichsgut, 1960, 18
Briand-Kellogg-Pakt -> Kellogg-Pakt
Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche, später durch einen Umschlag
verschlossene Mitteilung.
Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts,
hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung
des Petrus de Vinea, 2002
Briefadel ist der durch Urkunde erlangte Adelsstand und die
Gesamtheit der durch Urkunde in den -> Adel erhobenen Menschen. B. ist seit
1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).
Lit.: Köbler, DRG 98
Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem Brief (Schriftstück)
niedergeschriebenen Gedanken eines Menschen. Der verfassungsrechtliche Schutz
des Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004;
Vellusig, R., Geschichte des Briefes, 2000
Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers zu erbringende Schuld.
Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern sind, ist die B. schon im
Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung wächst nach dem Aufkommen der
Geldwirtschaft.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981, § 28
Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2. 1820-München
13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem Studium von Sprachen
und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher Professor und 1854
ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen (1866) und München
(1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandektenlehrbuch (1857ff.), in dem er
die juristische Person als Zweckvermögen versteht.
Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von Brinz,
1975
Britannien -> Brite
Brite ist der Angehörige eines keltischen, die britischen Inseln
bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von römischer Herrschaft frei wird, aber wenig
später von der Bedrohung durch Angeln, Sachsen und Jüten in die -> Bretagne
bzw. nach Wales, Cornwall und Schottland zurückweicht.
Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain,
2. A.
1974; Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain,
hg. v. Todd, M., 2004
Brite -> England, Großbritannien, Kelte
Britische Zone ist die 1945 Großbritannien zugeteilte ->
Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der -> Bizone auf.
Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.
Lit.: Trittel, Die Bodenreform in der britischen Zone
1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische
Zone, ZNR 3 (1981), 158
Brixen
Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes
Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs
6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt Brixen
1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.)
Brocarda oder Brocardica (lat. [F.], Herkunft streitig) ist im
Hochmittelalter die in der Kompilation Justinians noch nicht enthaltene,
gelehrte Rechtsregel (Pilius, Damasus Boemus um 1215).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA 69
(1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung zweier
Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk.. Sie ersetzt die
natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die Römer hatten
eine hoch entwickelte Brückenbaukunst.
Lit: Cooper, A., Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006
Bruderschaft (F.) dem Verhältnis von Brüdern nachgebildeter Verband von
Priestern oder Handwerkern
Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en
España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften
1906; Le mouvement confraternel, 1987 ; Frank, T., Bruderschaften im
spätmittelalterlichen Kirchenstaat, 2002; Rosenplenter, K., Saeculum pium, 2003
Brünn in Südmähren ist der seit 800 erscheinende, im
Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das Stadtrecht von
-> Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem Stadtschreiber
Johannes (1343-58) in Brünn verfasstes, sachlich-alphabetisch von (lat.
[F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera (Wunden) geordnetes ->
Rechtsbuch, das (etwa mit der Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das
einheimische deutsche Recht einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der Stadt
Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1 (1937),
457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA
65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG
GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha města Brna z poloviny 14.
století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus der Mitte des 14. Jahrhunderts
1), 1990; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg. v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon
bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige, C. u. a., 2000; Sulitková, L.,
Vyvoj mestskych knih v Brne, 2004
Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad Kissingen 11. 8. 1915)
wird nach dem Rechtsstudium in Wien Professor in Lemberg (1866/1868), Prag
(1870), Straßburg (1872) und Berlin (1873). Unter genauer Quellenkenntnis
durchdringt er den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen
Einzelarbeiten (z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den
ersten Band seiner die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen
Rechtsgeschichte vor.
Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich
Brunner, 1910; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch,
K., 1931; Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX
Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des 7. Jh.s. Es entwickelt
sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird es Hauptstadt des
neuen Königreichs -> Belgien. 1834 erhält es eine Universität.
Lit.: Favresse, F., Le conseil de
Bruxelles 1282-1521, Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le
droit foncier á Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979
Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück. Sein
Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa
Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits
in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer
halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350
n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von
der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder peciis) abgeschriebenen Handschrift
zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch genannt
Gutenberg [geb. Mainz um 1400] in Mainz zwischen 1440 und 1454, 1448?, Beginn
mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451 42zeilige Bibel mit 48
erhaltenen Exemplaren) wird es zur Massenware, wobei im 16. Jahrhundert bereits
70 bis 90 Millionen einzelne Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im
Jahr)im deutschen Sprachraum hergestellt werden. Die Zahl allein der
rechtswissenschaftlichen Monographien steigt zwischen 1952 und 2002 von 667 auf
3634 pro Jahr.
Lit.: Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler
Buchdruck, ZRG GA 77 (1960), 241; Bieber, H., Die Befugnisse und
Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur.
München 1956; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Presser, H.,
Buch und Druck, 1978; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A.
1987; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Rationalisierung der
Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, 1994; Janzin,
M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und Buchmarkt im späten
Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Nederemeyer, U., Von der Handschrift
zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd. 1ff., hg. v. Mazal,
O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung, 1999; Zimmer, D., Die
Bibliothek der Zukunft, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und
20. Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe
Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson,
L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W.,
2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002; Juristische
Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der
historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen
Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in
Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003; Meyer,
S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E.,
Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon
des Buches, hg. v. Rautenberg, U., 2. A: 2003; Haus- und Familienbücher in der
städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben –
Zerreißen, hg. v. Körte, M. u. a., 2007
Buch, Johann von (um 1290 -nach 1356), aus einer seit 1194 als
Herren von Buch (bei Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen Familie,
ist nach dem Studium in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des Markgrafen von
Brandenburg (1332 Hauptmann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus [M.] generalis,
Generalhauptmann, zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen Urkunden belegt). Er
teilt das Landrecht des ->Sachsenspiegels in drei Teile, versieht es mit
einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen Recht darlegenden
Glossierung (buchsche Glosse) und verfasst um 1335 den -> Richtsteig
Landrechts.
Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der
Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski,
B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte
- Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110
Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur beauftragte Amtsträger (Köln
1479), dem päpstliche Beauftragte seit dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen.
1579 wird für das Reich ein ständiges Bücherkommissariat in Frankfurt
eingerichtet, das ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.
Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952
Buchführung -> Buchhaltung
Buchhaltung ist die Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen eines
Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht. Älteste Versuche in dieser
Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen Jahrtausend im vorderen
Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge unter byzantinisch-arabischem
Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157, Lübeck 13. Jh.). Das älteste
erhaltene Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie
Holzschuher (Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte
Buchführung mit doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Im 19.
Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und greift der
Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die öffentliche
Verwaltung jeweils deutlich zurück.
Lit.: Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in
Deutschland, 1913; Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962;
Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums
(1316-1378), 2003
Budaeus -> Budé
Budapest an der Donau entsteht 1872 durch Zusammenlegung der auf
antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten Städte Buda und Pest, die
1526 bzw. 1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine
Universität eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichshälfte
Österreichs, 1918 Hauptstadt Ungarns.
Lit.: Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970
Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540) tritt
nach dem Rechtsstudium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs von
Frankreich. Nach einer Plutarchübersetzung aus dem Spanischen (1503) legt er
1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten)
vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch untersucht und das
erste Beispiel des (lat.) -> mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die
Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart
verneint er.
Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L.,
Guillaume Budé, 1970
Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalt
durch Gesetz festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das ->
Parlament über (Preußen 1850).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Büdingen
Lit.: Philippi, H., Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954
Bukarest erscheint auf antiken Siedlungsspuren im 13. Jh. als
Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B. eine
Universität.
Bukowina am Osthang der Karpaten gehört seit dem 14. Jh. zu dem
späteren türkischen Vasallenfürstentum Moldau. 1775 gelangt die B. an ->
Österreich, wo sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an -> Rumänien,
1940 im Norden an die Sowjetunion.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I.,
Galizien, Bukowina, Moldau, 1999
Bulgarien südlich der unteren Donau ist anfangs von Thrakern
besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der Makedonier, im 2. Jh.
v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen, Thrakern, Awaren und
Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu einem eigenen Reich
findet. 1393 fällt B. an die Osmanen (Türken). 1877/1878 löst sich B.
teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von der türkischen
Herrschaft. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser
Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich, sozialistisch und nach 1990
demokratisch geprägt.
Lit.: Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg zur
Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton, R.,
A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100
Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Öffentlichkeit ohne
Tradition, hg. v. Heppner, H., 2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht,
2006
Bulle ist die ein Siegel umschließende Kapsel, das Siegel sowie
die mit ihm versehene Urkunde. Aus Byzanz kommt die Bleibulle im 6. Jh. in die
päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den fränkischen Hof
(1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 -> Goldene Bulle Karls IV.).
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle
Kaiser Karls IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970
Bund ist die gewollte Verbindung von Menschen zu einer übergeordneten
Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der -> Deutsche B. Im
Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet werden.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582
Bundesakte -> Deutsche Bundesakte
Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in Kassel bzw. Erfurt (1996).
Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg, F.
u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre
Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004
Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung der Bundesakte, der
Bundesbeschlüsse und gerichtlicher und gerichtsähnlicher Entscheidungen durch
den Deutschen Bund gegenüber einem Bundesglied (z. B. 1830 gegen Braunschweig,
1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie formlos 1866 gegen Preußen).
Bundesfinanzhof ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
Finanzstreitigkeiten mit Sitz in München. Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10.
1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.
Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993
Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 das oberste Gericht der ordentlichen
Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Karlsruhe.
Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW 1975,
1820; Otto, J.,
Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais
im Park, 1999; Medicus, D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die
Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des
Bundesgerichtshofes im deutschen Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd.
1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner, H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof,
NJW 2000, 2971; Fortitudo temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und
beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000
Bundeskanzler ist der politische Führer der Regierung in Deutschland
(1949) und Österreich.
Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch Gesetz des Norddeutschen
Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig eingerichtete Gericht. 1871
wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden Reichsoberhandelsgericht,
das 1879 im -> Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das
Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3,
200; Winkler, S., Das Bundesoberhandelsgericht und das spätere
Reichsoberhandelsgericht, 2001
Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in Deutschland (1949) und
Österreich.
Bundesrat ist (im -> Norddeutschen Bund und) im Deutschen Reich
von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundesgeschehen ermöglichende
Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als Einheit
repräsentiert. Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen, 24 auf 7
mittlere Staaten und je eine auf die übrigen 17 Länder. Mit dem -> Reichstag
erlässt der B. Gesetze. Auch die Bundesrepublik Deutschland kennt einen B. als
Vertretung der (11 bzw. 1990) 16 Länder.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220, 248,
257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz, T.,
Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446; Scholl,
Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982; Klein, E.,
Die Rolle des Bundesrates und der Länder, 1998
Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik Deutschland geschaffene
bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht jeden Bundes.
Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd.
1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen Bundesrechts,
1875
Bundesregierung ist die Regierung eines Bundesstaates.
Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg. v.
Booms, H., 1953ff.; Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U. u.
a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001
Bundesrepublik ist die föderalistische Republik (z. B. Österreich, Deutschland).
Lit.:
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff.
1982ff.; Benz, W., Von der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984;
Morsey, R., Die Bundesrepublik Deutschland, 4. A. 2000; Thränhardt, D.,
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Geschichte der deutschen
Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Ritter, G., Über Deutschland, 1998; Schäfer, J.,
Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der Bonner Republik, hg. v.
Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, 1999; Fünfzig Jahre
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E. u. a., 1999; Frei, N.,
Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die Republik, 1999; Dippel,
H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, in: Der Staat, 1999, 221;
Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz,
Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland,
3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Recker, M.,
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002; Rödder, A., Die Bundesrepublik
Deutschland 1969-1990, 2003; Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch,
2003; Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005
Bundessozialgericht ist das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der
Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Kassel.
Bundessozialhilfegesetz s. Sozialhilfe
Bundesstaat ist der Zusammenschluss von Staaten zu einem neuen Staat
(z. B. Deutsches Reich 1871, Schweiz).
Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee, 1996;
Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002
Bundestag ist allgemein die Versammlung der Mitglieder eines Bundes,
insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig Jahre
Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche
Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche
Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P.,
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker,
S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau
1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder
des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.
Bundesverfassungsgericht ist das am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete
Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland (bis 2001 132000 Verfahren,
davon 127000 Verfassungsbeschwerden).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; Schlaich,
K./Korioth, S., Das Bundesverfassungsgericht, 6. A. 2004;
Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie und Misstrauen, 1998; Das
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Limbach, J., 2000; Limbach, J., Das
Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht und
der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913; Festschrift 50 Jahre
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001; Grigoleit, K.,
Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U., Der Gang nach
Karlsruhe, 2004; Lembcke, O., Hüter der Verfassung, 2007
Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern eines Bundes (z. B.
Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main). In der Bundesrepublik
Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten.
Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schweizerischen
Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und
Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35
Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in
Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in Berlin (bzw. Leipzig).
Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v.
Schmidt-Aßmann, E., 2003
Bundeswehr ist das
Heer der Bundesrepublik Deutschland seit 1955.
Lit.:
50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a., 2005
Bündnis
Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit
Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen, 1971
Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit anderen einzugehen.
Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen, wird es in England
und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich eröffnen es die
Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster und Osnabrück
(1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser und Reich
richtet. Im -> Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung beschränkt,
die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu beeinträchtigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bündnisrecht,
1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der
Reichsstände, Der Staat 8 (1969) 449
Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 1802-Wiesbaden 1897) begründet
als Professor für Provinzialrecht in Dorpat die baltische Rechtsgeschichte und
bearbeitet den 1864 veröffentlichten Band 3 des Provinzialrechts der
Ostseegouvernements, der in Lettland bis 1937 und in Estland bis 1945 als
Zivilgesetzbuch gilt.
Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller-
und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112
Burchard von Ursberg
Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von
Ursberg, 1982
Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem Hause der Grafen von
Reichenbach-Ziegenhain, wird nach seiner Erziehung in Koblenz 1000 Bischof von
Worms. Sein wohl zwischen 1008 und 1012 verfasstes Handbuch ([lat., N.]
Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftsmäßig
ungeklärt) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie beruht auf
der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete Sammlung), dem
(lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über Synodalsachen) des ->
Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen sowie Bußbüchern und
Kirchenschriften. Seine (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri (1023-1025) ist
ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.
Lit.: Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets
des Bischofs Burchard von Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G.,
Frühmittelalterliche Studien, Bd. 2, 1968; Kerner, M., Studien zum Dekret des
Bischofs Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pekorny, R.,
Das Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W.,
2000; Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001
Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der Zuflucht
dient. Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder das Kastell als B.
bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an vielen Stellen Burgen,
von denen nur ein Teil auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh.
sondern sich B. und Stadt. In der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das
Schloss. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich bekannten
mitteleuropäischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel nur noch
Ruinen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96; Merz,
W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Koehne,
C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H., Burgbezirk und
Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter der
Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und
Landesverteidigung um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze, H., 1976;
Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927; Streich,
G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles, Conquest & Charters,
1989; Burg – Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg.
v. Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999;
Spazier, I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches
Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und Wohntürme,
2002
Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs,
bäuerlich-ländliches Landrecht in einer Handschrift des frühen 14. Jahrhunderts
überliefert)
Lit.: Das Burger Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K.,
Das Burger Landrecht, 2003
Bürge ist, wer sich durch Vertrag mit einem Gläubiger eines
Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die Erfüllung der
Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. -> Bürgschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 44, 74, 128
Burgenland ist das ursprünglich meist zu Ungarn gehörige, seit dem 11.
Jh. zunehmend von Deutschen besiedelte Gebiet, das 1919 -> Österreich als
Bundesland zugesprochen wird.
Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.; Burgenland
1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991
Bürger ist der Bewohner der -> Stadt. Ihm entspricht lateinisch
vor allem civis (M.), das hauptsächlich den Angehörigen des römischen Volkes im
Gegensatz zum Nichtrömer und zum Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter
engt sich der weitere Begriff des ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem 11.
Jh. auf den B. ein. Er hat -> Bürgerrecht. In der Neuzeit wird B. dagegen
jeder, der nicht zum Adel oder zu den Bauern gezählt wird (Preußen 1794). Er
ist der Prototyp des modernen Staatsbürgers.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners
für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 (1936),
150; Struck, W., Die Neubürger von Großalsleben 1604-1874, 1962; Köbler, G.,
Civis und ius civile im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R., Herkunft und soziale
Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte, 1977; Res
publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988; Bürgertum
im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht und
Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v. Gall,
L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland zwischen
französischer und deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G., Die Kleinbürger,
1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsregelungen, Freizügigkeit, Gewerbeordnung
und Armenpflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und Kulturgeschichte des
Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v.
Schwiunges, R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen, hg. v. Hahn, H. u. a., 2001;
Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004; Schulz, A., Lebenswelt und
Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert, 2005
Bürgerbuch ist das die -> Bürger der mittelalterlichen Stadt
verzeichnende -> Buch (z. B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest, hg. v. Rothert, H., 1958
Bürgerlehen ist das -> Lehen eines -> Bürgers. Es entsteht meist
durch Verkauf durch den Adel. Der älteste Beleg für das B. reicht bis in das
11. Jh. (Regensburg 1072/1073). Bis in das 15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu,
dann infolge des Widerstandes des landständigen Adels ab. Die danach noch
bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht an.
Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger, 1895;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1957
Bürgerlicher Tod ist der rechtliche Tod im Gegensatz zum natürlichen Tod.
Er bewirkt den Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer
zu sein, eine Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu
testieren, Vormund zu sein, Zeuge zu sein usw.). Er ist wohl aus
unterschiedlichen Wurzeln (Acht, Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh.
mort civile als Bezeichnung bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsverlust).
Im 17. Jh. ist er die Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes
Urteils auf Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen. In der Mitte des
19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen 1850,
Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise auch
die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.
Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen Tod
als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis, 1969; Borgmann,
B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81
Bürgerliches Gesetzbuch ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh. zur
gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in
Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/2 (Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während
es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842,
Bayern 1861/1864). In Deutschland erreichen nach vergeblichen
Gesetzgebungsanträgen der Jahre 1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten
Miquel und Lasker am 20. 12. 1873, dass die Gesetzgebungszuständigkeit des
Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt
wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers Goldschmidt und den Vorschlag
einer später sog. Vorkommission (1874) wird eine (erste) Kommission mit 11
Mitgliedern (u. a. Planck, Windscheid) eingesetzt. Ihr 1888 mit Motiven
vorgelegter Entwurf wird von verschiedenen Seiten (u. a. Menger, Gierke)
angegriffen. Daraufhin wird 1890 eine zweite Kommission (u. a. Planck, von
Jacubezky) samt einer vorgeschalteten Vorkommission mit der Umarbeitung
beauftragt, die nach einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit
Protokollen dem Bundesrat vorlegt. Der danach 1896 im Reichstag mit einer
Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach Bearbeitung am 18. 8. 1896
verkündet und zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt. Das die Geltung des preußischen
Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen Rechts in Deutschland
beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen durchaus offenes, recht
begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den Erscheinungsformen des subjektiven
Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend in fünf Bücher
gegliedertes Erzeugnis technisch geschulter Juristen, unter denen eine
überragende schöpferische Persönlichkeit fehlt. Inhaltlich überwiegen die den
bürgerlichen Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen
patriarchalisch-konservative und soziale Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche
Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht vieler Länder (Japan, Schweiz,
Österreich, China, Brasilien, Thailand, Peru, Griechenland, Italien,
Frankreich). Sein Inhalt ist inzwischen vor allem im Familienrecht erheblich
verändert.
Lit.: Söllner §§ 1, 16, 25;
Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 182, 207, 212; Gradenwitz,
O., Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R., Das
schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Brandt, D., Die politischen Parteien und die Vorlage des
Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung des BGB in
systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, hg. v. Schubert,
W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der Redaktoren zum BGB, hg. v. Schubert,
W., 1980ff.; Behn, M., Der Generalbericht der badischen Kommission zur
Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche
Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches
Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late
nineteenth century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; 1989;
Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992),
152; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des
Bürgerlichen Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697;
Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen Gesetzbuches, NJW 1996,
1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die Sozialdemokratie und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 1996;
Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H., 1997; Schubert, W.,
Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen bis zum ersten
Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach
Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von 1842,, 1998;
BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die Feuertaufe des
BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches Gesetzbuch, NJW
2000, 40; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das Bürgerliche Gesetzbuch
und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer, E., Der Einfluss des
BGB auf das schweizerische und österreichische Privatrecht, AcP 200 (2000),
365; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und Kirche. Mitwirkung der
Zentrumspartei, 2001; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die Entstehung des
BGB, 2000; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt. Privatrechtsmethode und
Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann (1876-1963), 2002; Das BGB im
Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a., 2002; Historisch-kritischer
Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert, J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003;
Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch – Eckpfeiler des
Zivilrechts, 2005; Symposion Hundert Jahre BGB, hg. v. Hamza, G., 2006; Hensel,
R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006
Bürgerliches Recht ist das von den Bürgern in der Französischen Revolution
(1789) als Recht einer egalitären Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet
sich sprachlich von (lat.) ius (N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise
das Handelsrecht (wie in Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).
Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s (Köln 1258, Basel 1261) der
Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant der Gemeinschaft
zunächst in der -> Stadt, dem ein etwas älterer lateinischer -> magister
(M.) civium (Köln) bzw. magister civilis (Hildesheim-Dammstadt 1196)
vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils eingesetzt. Er hat sowohl
verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und Befugnisse. An vielen Orten
gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner Stellung. Oft finden sich mehrere B.
nebeneinander. -> Selbstverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198; Planitz,
H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980, 323; Rabus, K., Der Ulmer
Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die Entwicklung
der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957; Stemmler, G.,
Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004
Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der -> Bürger.
Schon in Rom vermittelt die Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer
Bürger) ein Bündel von Rechten und Pflichten, weil nur für den civis Romanus
das römische (lat.) -> ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das
B. den Bürger zunächst der -> Stadt aus der Allgemeinheit aus. Der Erwerb
des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben durch einen
besonderen Akt der Aufnahme. -> Grundrecht, Menschenrecht
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1,
2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G., Die
Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J.,
Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und
Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und
Stadtverfassung, 1996
Burggraf ist der eine Burg verwaltende Graf (z. B. B.
von Nürnberg).
Lit.: Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit,
1905; Peterka, O., Das Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das
Burggrafenamt und Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Eckhardt, K.,
Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163
Burghausen
Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach,
1960
Burgrecht erscheint seit der ersten Jahrtausendwende als
Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.) civile. In
Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem Erbzins.
Daneben findet es sich etwas später als Benennung des -> Stadtrechts und des
-> Bürgerrechts.
Lit.: Köbler, DRG 104; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964
Bürgschaft ist der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem
Gläubiger eines Dritten und einem -> Bürgen, in welchem sich der Bürge
gegenüber dem Gläubiger des Dritten verpflichtet, für die Erfüllung der
Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Bereits bei den Römern ist die B. das
wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung. Vermutlich verbürgen sich
dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht für die Leistung des
Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den Schuldner (oder eine
Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen (Gestellungsbürge). Erst
aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem Leistungsversprechen (lat.
[F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat. [M.] adpromissor, sponsor,
fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Für das deutsche Recht steht
ebenfalls die Herkunft der B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks
Vermeidung der Festnahme des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B.
gegenüber dinglichen Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger
ausschließlich, teils haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide
gesamtschuldnerisch. Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Bürge
primär und der Schuldner grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der
Vorausklage), in Norddeutschland.
Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47
(1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes,
ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und
Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft
im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Reimer, K.,
Treuhandbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968), 194; Walliser,
P., Das Bürgschaftsrecht in historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die
Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28 (1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft
im schweizerischen Recht, ZRG GA 96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in
süddeutschen und schweizerischen Gesetzbüchern des 16.-18. Jahrhunderts, 1980;
Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die
Bürgschaft im mittelalterlichen englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998
Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den -> Burgundern in der
Völkerwanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400 und 436 Mainz bis Worms,
nach 436 bzw. 443 um Genf und Lyon). Danach ist B. ein fränkisches Teilreich.
879 entsteht ein Königreich B. (Niederburgund), das von dem 888 errichteten
Königreich B. (Hochburgund) 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich
der Grafschaft B. (Franche-Comté) 1032 an das Deutsche Reich fällt. Das
westlich der Saône entwickelte, 963 an die -> Kapetinger gelangte Herzogtum
B. gewinnt im 14. und 15. Jh. große Bedeutung, bis es über Maria von B. 1477/82
größtenteils an die -> Habsburger kommt, in seinem Kern aber 1493 ->
Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird 1674-78 von Frankreich
erobert. 1459 werden die Coutumes générales du Comté de Bourgogne
aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches
Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les
origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901; Walther,
A., Die burgundischen Zentralbehörden, 1909; Richard, J., Les ducs de
Bourgogne, 1954; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Rompaey,
J. van, De grote raad van de hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der
burgundischen Rudolfinger, bearb. v. Schieffer, T., 1977; Boehm, L., Geschichte
Burgunds, 2. A. 1979; Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en Champagne,
1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas Rolin, 1995; Esders,
D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Ehm, P.,
Burgund und das Reich, 2002; Die Gresser, P./Richard, J., La gruerie du comté
de Bourgogne aux XIV et XVe siècles, 2004; Hofordnungen der Herzöge von
Burgund, hg. v. Kruse, H. u. a., Bd. 1 2005; Kamp, H., Burgund, 2007
Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige eines (vielleicht) von der
Ostsee (vielleicht Bornholm) über die Oder und Weichsel an den mittleren Rhein
gelangten ostgermanischen Volkes. Das Recht der B. ist in der -> Lex
Burgundionum bzw. -> Lex Romana Burgundionum überliefert. Von der vielleicht
im 7. oder 8. Jahrhundert untergegangenen Sprache ist möglicherweise außer dem
Namen nichts sicher bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn, A.,
Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De l’établissement
des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die französischen Volksstämme
des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les Borgondes, 1968; Favrod, J.,
Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder, 2004; Godding, P., Laq
législation ducale en Brabant sous le règne de Philippe le Bon, 2006
Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches Lehnwort wohl aus dem
Germanischen seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines Kastell, danach allgemeiner
die Siedlung. Im frühen Mittelalter ist es teils die an eine (lat. [F.])
civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung. Im Reich erscheint b. 1120
(Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.]) burgensis (Frankreich 10.
Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg 1120). Streitig ist, inwieweit b. oder burgum
die Marktsiedlung und burgensis eine besondere Art von -> Bürger anzeigt.
Lit.: Schlesinger, W., Burg und Stadt, in: Mitteldeutsche
Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965
Burgward ist vor allem in der frühhochmittelalterlichen Zeit der
Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte Siedlung (-> Burg) als
Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich.
Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen 1895;
Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, in: Mitteldeutsche Beiträge zur
deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158
Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich tätiges, fachlich
ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person bzw. durch
Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen Amtsvorgänge
gekennzeichnete Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in der Mitte des 18.
Jh.s erfasst.
Lit.: Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel,
E., Der Primat der Bürokratie, 1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991
Burschenschaft ist der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren
Landsmannschaften tretende, national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Verbindung)
der Studenten.
Lit.: Brunck, H., Die deutsche Burschenschaft, 1999;
Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999
Bußbuch ist das ein System kirchlicher -> Bußen für Sünden
enthaltende Buch ([->lat.] -> Paenitentiale). Es erscheint seit dem 6.
Jh. in Irland und England ([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de
poenitentiarum mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach mit der irischen Mission auf
dem Festland (u. a. Buch 19 von -> Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh.
tritt an die Stelle des Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der
Bekenner) der -> Beichtstuhljurisprudenz.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die
Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Spindler, E., Das altenglische
Bußbuch, 1934; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978
Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges durch
eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie ist
dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit der anfangs das vergeltende
Racherecht des Verletzten abgelöst wird (lat. [F.] poena). In der
jüdisch-christlichen Kirche ist sie die Abwendung von einer sündhaften
Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B.
auch an die Allgemeinheit fällt. In den -> Volksrechten des Frühmittelalters
wird ein ganzes System von Bußen festgehalten (-> Kompositionensystem), zu
dem insbesondere auch das -> Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der
-> Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die
-> Strafe zurückgedrängt. Die Leistung an den Verletzten wird als ->
Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten, teils als
an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung weiter
fortgeführt.
Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 43ff., 2, 207ff.; Pappenheim, M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29
(1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina,
1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße, ZRG GA 51 (1931), 541; Hattenhauer,
H., Über Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Vogel, C., Le pécheur et la
pénitence, 1969; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001
Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die an den Staat zu
erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit.
Buteil ist im Frühmittelalter die grundherrschaftliche Abgabe beim
Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des Viehs, teils im -> Besthaupt.
Sie schwindet schon am Ende des Frühmittelalters.
Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2
Büttel ist der gebietende Mensch, insbesondere der Gerichtsdiener.
Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch eine Strafe. Wegen des
niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh. aufgegeben. ->
Gerichtsvollzieher
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Metzke, H., Zur lokalen und sozialen Mobilität
der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18. Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412;
Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener, 2002
Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer Universität.
Buxtehude
Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959
Bynkershoek, Cornelis van (Middelburg 1673 - Den Haag 1743) wird nach
dem Rechtsstudium in Franeker Anwalt in Den Haag und Richter. In seiner
Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das Eigentum am Meer)
begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der jeweiligen Küste, soweit
es mit Waffen beherrscht wird.
Lit.: Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, in:
Zestig juristen, 1987, 141
Byzanz ist e die 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von
Byzantion in Konstantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt
des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das
von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian (527-65)
unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen, bleibt ohne
nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt griechisch
geprägten Land. Vielmehr wird das Byzantinische Reich in der Folge von Persern,
Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen
Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054)
1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der
Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das Byzantinische
Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen,
Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit
der Eroberung Konstantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw.
das Byzantinische Reich.
Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen
Rechts, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des
mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im
früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953;
Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, in: Handbuch der
Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und
Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994;
Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen
der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P.,
Byzanz, 2. A. 1994; Simon, D., Die Epochen der byzantinischen Rechtsgeschichte,
Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P., Grundzüge der byzantinischen Geschichte,
2. A. 1989; Ostrogorsky, G., Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996;
Cutler, A./Spieser, J., Das mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium
in the Seventh Century, 1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Norwich, J., Byznanz, 1998; Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die
byzantinische Kultur und die Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die
Gesellschaft im späten Byzanz, 2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im
späten Byzanz, 2001; Haldon, J., Das byzantinische Reich, 2002; Brandes, W.,
Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002; Regesten der Kaiserurkunden des
oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F., 2. A. 2003; Lilie, R.,
Byzanz und die Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur
abendländischen Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou,
E., 2006
C
Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7. 100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.),
Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil, Prätor und Konsul. Zwischen
58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch den Rhein überschreitet und
auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem erfolgreichen Bürgerkrieg wird
er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den Iden des März wird er
ermordet. Durch ihn endet die römische Republik. Literarisch bedeutsam sind
seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch über die Germanen
berichten.
Lit.: Köbler, DRG 32, 66; Walser, G., Caesar und die
Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C., Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992;
Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar, 1997; Etienne, R., Jules César, 1997;
Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C., Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch,
E., Caesar und Pompeius, 2004; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005
Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf hochmittelalterliche
Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen, 1484 in gedruckter
Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Delegierten der Generalstände
in Frankreich.
Lit.:
Marion, M., Dictionnaire des institutions de la France, 1923, 66
Calenberg ist ein sächsisch-welfisches Teilfürstentum
Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land -> Hannover
und damit über Preußen in Niedersachsen (1946) aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die
Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das
Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980
Calonius -> Turku
Calvin, Johannes (Noyon 10. 7. 1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach
dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges (1528-1532) und dem Lizentiat in Paris
Anhänger der Reformation Martin -> Luthers und beeinflusst von Genf aus
Europa von Schottland bis Siebenbürgen. Der von ihm begründete Calvinismus
wirkt sich auf die Gedanken der -> Demokratie und des ->
Widerstandsrechts bedeutsam aus.
Lit.: Köbler, DRG 153; Bohatec, J., Calvin und das Recht,
1934; Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K. u.
a., 1989; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy, W.,
Calvin, 1994; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische
Rechtsdenken, 2004
Cambacérès, Jean-Jacques-Regis de (Montpellier 1753-1824),
Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im Zuge seiner
Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794) der französischen
Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen -> Code civil
vor, die sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon maßgeblich auf den
1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.
Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961
cambium (lat. [N.]) -> Wechsel
Cambrai
Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f.
1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59
(1939), 88
Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort einer Grafschaft. Seit
1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und Studenten aus ->
Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche Studien. Kennzeichnend
für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang sind die zahlreichen
Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).
Lit.: Emden, A., A biographical register of the University
of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u.
a., Bd. 1ff. 1988ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003
camerarius (lat. [M.]) ->
Kämmerer
Canon (lat.-griech. [M.], Regel, Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift
in kirchlichen Rechtsquellen. Hiervon leitet sich die Bezeichnung ->
kanonisches Recht ab.
Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia canonum
des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte Kanonessammlungen
außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)
Lit.: Weinfurter, S., Canossa, 2006
Cantiuncula, Claudius (Metz um 1490-Ensisheim 1549) wird nach dem
Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel Professor des
weltlichen Rechts und übernimmt danach verschiedene Verwaltungsaufgaben und
Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione studii legalis paraenesis
(1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung des Rechts in Deutschland
nach den Grundsätzen des -> Humanismus.
Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44; Kisch,
G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962, 355;
Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970
Capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die seit etwa 650 den
Merowingerkönigen eigene Reliquie des Mantels des heiligen Martin, danach der
Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit der mit dem König
ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch bei anderen
Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von Mainz
Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Ausgangspunkt des ottonischen ->
Reichskirchensystems. Mit dem -> Investiturstreit verliert die c. r. ihre
darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis 1806 bestehen.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, Bd. 1f. 1959ff.
Capitaneus (lat. [M.]) ist allgemein eine Bezeichnung für eine
hervorragende Person, die z. B. in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am
Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) für höhere städtische Adlige Verwendung
findet.
Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von Locarno im
Mittelalter, 1916; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in
Oberitalien, 1979; La vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v.
Castagnetti, A., 2001
capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der Rechtspersönlichkeit
capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel
Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des fränkischen Reiches um
800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen Rechts.
Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
capitulare -> Kapitular
Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe, ist das in einer
Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s überlieferte, in 70 Kapitel
eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des Großen aus dem letzten Jahrzehnt
des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von Missständen die Verwaltung der Königshöfe
des gesamten fränkischen Reiches ordnen will.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dopsch, A., Westgotisches Recht im
Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Mayer, T., Das Capitulare de villis,
ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare de villis, 1971; Metz, W., Zur
Erforschung des karolingischen Reichsgutes, 1971
Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist das die ->
Capitulatio de partibus Saxoniae mildernde Kapitular Karls des Großen für
Sachsen von 797.
Capitulatio (F.) de partibus
Saxoniae (lat.) ist die in Kapitel
gegliederte, nach 782 entstandene Anordnung Karls des Großen gegenüber den
unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen der Hexe, Verbrennen der
Leiche, Menschenopfer) anhängenden -> Sachsen, die auffälligerweise sehr
häufig die -> Todesstrafe androht. Vielleicht ist ihr zweiter Teil erst 803
entstanden.
Lit.: Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich,
hg. v. Lammers, W., 1970
Cappenberg
Lit.:
Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v. Niemeyer, G. u. a., 2005
Capua
Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd. 1f. 1957ff.
Cardiff am Taff ist 75 n. Chr. Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht.
1883 erhält es eine Universität.
Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad Kreuznach 29. 12.
1721-Gut Reitzen im Kreis Guhrau 23. 5. 1801), reformierter Hofratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in
Preußen, 1768 Chefpräsident sämtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien und
1779 Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements. Infolge seines
Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) -> Corpus (N.) iuris
Fridericianum (Erstes Buch) neu geordnet und vor allem durch Svarez die
Entstehung des -> Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert.
Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967
Carolina (lat. [F.]) -> Constitutio
Criminalis Carolina
Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5. 1595-Leipzig 31. 8. 1666), Sohn eines gleichnamigen
Professors der Rechte, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und
Wittenberg 1620 Mitglied des Leipziger Schöffenstuhles, 1645 Professor in
Leipzig und 1653 Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie
gemeinrechtliche Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis
Saxonica (1635, 9. A. 1695, Neue kaiserlich-sächsische Praxis) bietet er die
erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts. Die (lat.) Iurisprudentia
(F.) Romano Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris
Saxoniae (Römisch-sächsische Rechtswissenschaft nach den kursächsischen Konstitutionen)
erklärt die kursächsischen Konstitutionen an Hand der entschiedenen Fälle. Die
(lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica consistorialis (1649,
konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft) ordnet einheitlich erstmals das
Recht der protestantischen Kirche.
Lit.: Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den
Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs
zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I. Carpzov
(1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966), 310; Schiekel,
H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I. Carpzov, ZRG GA 89
(1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997; Bemedict Carpzov, hg.
v. Jerouschek, G. u. a., 2000
Carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde, vor
allem die subjektiv gefasste Geschäftsurkunde des frühmittelalterlichen
Rechtsverkehrs im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia) Beweisurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880, Neudruck
1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Classen, P.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190
case-law (engl. [N.]) -> Fallrecht
Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator (Bruttium vor 490-nach
580) ist einer der bedeutendsten Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund
seiner vorangehenden Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.]
Verschiedenes) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen
lässt.
Lit.: O`Donnell, J., Cassiodor, 1979
Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter senatorischer Familie, wird
als Schüler des -> Sabinus Haupt der römischen Rechtsschule der Sabinianer
oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris
civilis (Bücher des römischen Rechts) sind nur mittelbar durch Auszüge
überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
casum sentit dominus (lat.). Den Zufall fühlt der Eigentümer.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
caupo (lat. [M.]) Schankwirt
causa (lat. [F.]) Grund, Ursache,
Fall
Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40,
48; Söllner §8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952
causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen
causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen
causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten
causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten
Cautela (lat. [F.]) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann
von Oesfeld 1350 verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte kleine Sammlung
von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht. -> Premis
Lit.: Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela
und Premis, 1857; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, Bd.
1 1990, 66
cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung
Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler, LAW
cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische -> Sicherheitsleistung, -> Mucius
Scaevola
Celle
Lit.: Figge, R., Altes Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss
von Reichshofrat und Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des
Oberappellationsgerichts Celle, 1986
Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist der als ein Haupt der
Prokulianer und als Vater des -> Celsus (filius) bekannte klassisch-römische
Jurist.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137
Celsus, Iuventius Publius (filius) (2. Jh.), Sohn des Iuventius
Celsus (pater), ist der bedeutende Vertreter des hochklassischen römischen
Rechts (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum, Bücher der Digesten), von dem
etwa die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die
Kunst des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere,
sed vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren,
sondern ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum
(129) mit einer Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners im
Erbrecht stammen.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus,
in: Prescriptive formality, 1994
Centena (lat. [F.]) ist im frühmittelalterlichen Franken und
Alemannien eine Verwaltungseinheit streitigen Inhalts.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte der
fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die
Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974
Centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen Spätantike der kaiserliche
Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im Frühmittelalter bei Westgoten,
Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein niederer königlicher Amtsträger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum Amt
des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss. phil.
Wien 1968)
Cessante ratione legis
cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn
eines Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Glosse zu Digesten 35, 1, 72, §6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG
KA 46 (1960), 81
cessio (lat. [F.]) Abtretung -> Zession
Chamave -> Ewa Chamavorum
Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an Savoyen. 1761 erhält es
eine Universität.
Champagne ist die südwestlich vor den Ardennen liegende Landschaft.
Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die Franken und wird 814 Grafschaft.
Diese wird 1314/1361 Krondomäne Frankreichs. Unter Rückgriff auf eine um 1253
entstandene Sammlung der Usages de C. und Einfügung verschiedener
höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295 verfasst wahrscheinlich
Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien coutumier de C.
Lit.: Portejoie, P., L’ancien
coutumier de Champagne, 1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977
Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus dem
Gleichheitsgrundsatz entwickelte Vorstellung, dass in bestimmten
Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.
Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor
Gericht, 1980
Charta der Vereinten Nationen -> Vereinte Nationen
Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist die oktroyierte
Verfassung des Jahres 1814 in Frankreich.
Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita, geteilte Urkunde) ist im
Seehandelsrecht die Urkunde über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes
(vgl. ADHGB von 1861).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957
Chemnitz -> Hippolithus a Lapide
Lit.:
Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA
25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge der Stadt Chemnitz, 1952
China
Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen China,
Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und
Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v.
Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim,
C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., THe Social Life
of Opium in China, 2005; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1270-1949, 2006;
China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006
Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschriebenes) ist in der römischen Antike die
Papyrusurkunde. Von England aus wird c. später zur Bezeichnung für die in zwei
Ausfertigungen auf einem danach zerschnittenen Blatt hergestellte Urkunde über
ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855, St. Bertin 944, Trier 967). Seit dem
14. Jh. wird das c. bei siegelführenden Beteiligten durch die Siegelurkunde
verdrängt, bleibt aber im Übrigen bis zum 18. Jh. in Gebrauch. ->
Chartepartie
Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW;
Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W.,
Chirographum und Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233
Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen Reichsteil der
ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs für das
Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter
angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder
schwindet.
Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat, 1928,
Neudruck 1963
Chorherr ist der Kleriker, der Mitglied eines an einer Kirche
bestehenden Kapitels ist. Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich
schon bei Bischof Eusebius von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter
entwickelt hierfür besondere Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um
755 regula canonicorum). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur
stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen
des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr).
Lit.: Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163
Chrenecruda (afrk. „reine Erde“?) ist die in Titel 58 des
salfränkischen Volksrechtes (Pactus legis Salicae) erwähnte, den
leistungsunfähigen Wergeldschuldner betreffende -> malbergische Glosse, die
sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes
Formalverhalten bezieht.
Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28
(1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica,
1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252
Christentum ist die Gesamtheit des christlichen Glaubens und seiner
Anhänger. Unter Fortführung jüdischer Vorstellungen des alten Testamentes geht
das C. davon aus, dass sein Stifter Jesus Christus als Sohn Gottes durch seinen
Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran
anknüpfenden Gedanken breiten sich im römischen Reich so rasch aus, dass der Staat
seit der Mitte des 3. Jh.s das C. entschieden verfolgt. Durch das Toleranzedikt
Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleichberechtigter Kult, durch Theodosius
I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des Altertums greift das C. vor allem
auf die germanischen Völker über. Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den
besonderen Bekenntnissen der Katholiken, Orthodoxen und Protestanten. In der
Neuzeit verbreitet sich das C. mit der Entdeckung neuer Länder und der
Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde. Bereits kurz nach seiner Entstehung
entwickelt das C. ausgeprägte rechtliche Regeln (-> kirchliches Recht), die
in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten.
Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99, 146;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das Urchristentum
im Rahmen der antiken Religionen, 4. A. 1976; Biondi, B., Il diritto romano
cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A.
1960ff.; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v.
Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K., Kriminalgeschichte des
Christentums, 1988ff.; Die Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u.
a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999; Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J.,
1993; Andresen, C./Ritter, A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan,
J., Der historische Jesus, 1994; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a.,
1995ff.; Winkelmann, F., Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F.,
Frühes Christentum im Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums
in Österreich und Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die
Christianisierung Europas, 1998; Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J.,
Die frühen Orden, 1999; Lexikon der christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u.
a., 1999; Metzler Lexikon christlicher Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die
Geschichte des Christentums, hg. v. Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and
Christians in Late Antiquity, 2000; Mission und Christianisierung am Hoch- und
Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a. 2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum,
2002; Jensen, A., Frauen im frühen Christentum, 2002; Die Alemannen und das
Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von
Konflikten im frühen Christentum, 2003; Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum,
2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum, 2004; Moeller, B.,
Geschichte des Christentums in Grundzügen, 8. A. 2004; Zschoch, H., Die
Christenheit im Hoch- und Spätmittelalter, 2004; Drobner, H., Lehrbuch der
Patrologie, 2. A. 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum,
2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006
Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung
Lit.: Schmidt, H., Die deutschen Städtechroniken, 1958; Schwäbische
Chroniken der Stauferzeit, 1978; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und
Bernolds von Konstanz 1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken
zur Landes- und Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas,
Chronica regum Romaorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003
Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die Zeit (Zeitkunde). In der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von
einem mythischen Beginn an gezählt (z. B. von der Schöpfung an oder vom
angeblichen Gründungsdatum Roms [753 v. Chr.]). Regino von Prüm datiert ab
Christi Geburt und wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die
durchgehende Zählung nach Inkarnationsjahren an.
Lit.: Sonntag, R., Studien zur Bewertung von
Zahlenangaben in der Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bäbler,
B., Archäologie und Chronologie, 2004
Chur
Lit.: Casparis, H., Der Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin,
F., Die Churer Waisenpflege, 1920; Deplazes, L., Reichsdienste und
Kaiserprivilegien, 1973
Cicero, Marcus Tullius (106-43 v.
Chr.), Schüler des Mucius augur und des Mucius Scaevola, ist der bedeutendste
Gerichtsredner und politische Schriftsteller
der römischen Antike, der vor allem das griechische Rechtsdenken aufgreift und
weitergibt. Insbesondere der Schrift De officiis (Von Pflichten) gelingt die
Vermittlung der Naturrechtsidee an die spätere Zeit.
Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17; Wieacker,
F., Cicero als Advokat, 1965; Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero
und die römische Republik, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden,
hg. v. Fuhrmann, M., 1997; Kurczyk, S., Cicero und die Inszenierung der eigenen
Vergangenheit, 2006
Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia (Pistoia 1270-1336/1337), Sohn
eines Notars, wird nach dem Studium des weltlichen Rechts in Bologna Anhänger
Heinrichs VII. Nach der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen
Partei an und wird Professor in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330,
1332-1333), Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334).
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita
e opere, 1881; Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974
Civilian ist im englischen Recht die Bezeichnung für den im
römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.
Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997
civis (lat. [M.]) Bürger
Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964
civis (M.) Romanus (lat.) römischer -> Bürger
civitas (lat. [F.]) Völkerschaft, Bürgerschaft
Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden, 1894,
Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt
clam (lat.) heimlich
clausula (lat. [F.]) Klausel
Clausula (F.) rebus sic
stantibus (lat.) ist die Vorbehaltsklausel
der unveränderten Sachlage (Augustin von Leyser [1683-1752] omne pactum rebus
sic stantibus intelligendum est, jeder Vertrag muss unter gleichbleibenden
Voraussetzungen betrachtet werden). Sie geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen
bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die
Geschäftsgrundlage, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153;
Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985;
Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991
Clementinen sind die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht
auf Ausschließlichkeit gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst
Johannes XXII. 1317 herausgegebenen -> Dekretalen, die den letzten Teil des
(lat.) -> corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Cluny in Burgund ist die 910 gegründete Benediktinerabtei, die im
10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen Reformbewegung (kluniazensische
Kirchenreform) wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny, Bd.
1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch, J.,
1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J., Cluny,
1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a., 1997ff.;
Poeck, D., Cluniacensis ecclesia, 1998; Baud, A:, Cluny, 2003
Coburg
Lit.: Das älteste Coburger Stadtbuch 1388-1453, bearb. v.
Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977
Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10. 1679-Berlin 4. 10. 1755),
Sohn des Völkerrechtsprofessors Heinrich von Cocceji (Bremen 25. 3.
1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem Rechtsstudium in
Frankfurt an der Oder dort Professor, tritt aber wenig später in den Justiz-
und Verwaltungsdienst Preußens (1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister),
wo er 1747 Großkanzler wird. Auf ihn geht die 1747/9 erschienene
Gerichtsordnung (Projekt des Codicis Fridericiani Marchiani) zurück, während
der Versuch einer Neuordnung des materiellen Rechts auf der Grundlage der dem
römischen Recht entnommenen naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus
juris Fridericiani 1749) über Anfänge kaum hinausgelangt. Von beachtlichem
Erfolg gekrönt ist die praktische Vereinheitlichung der bestehenden
Gerichtsverfassung (u. a. feste Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission).
Lit.: Köbler, DRG 140; Springer, M., Die Coccejische
Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961
Code civil ist das 1804 geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch
Frankreichs. Nach ersten vergeblichen Versuchen, das südliche droit écrit
(Schriftrecht) mit dem nördlichen droit coutumier (Gewohnheitsrecht) zu
verbinden unter Heinrich III. (1574-1589), greift die französische
Revolutionsbewegung auch die Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechts
auf und bestimmt in der Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois
civiles communes à tout le royaume (Buch der dem gesamten Königreich
gemeinsamen bürgerlichen Gesetze) geschaffen werden soll. Nach vier erfolglosen
Entwürfen wird hierfür am 12. 8. 1799 eine Kommission (Tronchet, Portalis,
Bigot de Préameneu, Maleville) eingesetzt, die in vier Monaten einen Entwurf
anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 von 102 Sitzungen des Staatsrats teil,
bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung und setzt sich in 59 Fragen durch. Die
nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36 Einzelgesetze fasst ein Gesetz vom 21.
3. 1804 als Code
civil des Français zusammen (1807 Code Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code
Napoléon, 1870 Code civil). Er umfasst 2281
Artikel, die in (einen Titre préliminaire und) drei Bücher (Personen, Güter und
Eigentumsabwandlungen, Eigentumserwerbsgründe) geteilt sind. Die Bestimmungen
verwirklichen antifeudalistische, egalitäre und zentralistische Grundsätze
der Revolution, bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw.
germanisches Gedankengut (Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz,
Laizität). Sie treten auch in den linksrheinischen Annexionsgebieten in Kraft,
sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1. 10. 1814
[Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814 [Bremen])
im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im Königreich
Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1. 1. 1810),
1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1. 1810), 1811 in
Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1. 3. 1811-1. 1.
1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig (21. 7.
1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung (linksrheinisch)
in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld, Rheinbayern,
(rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebietes mit ca. 8
Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder weniger
stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung vieler Länder
(Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz,
Spanien, Portugal, Südamerika, Louisiana 1808, Rumänien 1865, Ägypten 1865,
Quebec 1886, französische Kolonien in Afrika). Durch Novellen ist der C. c. an
geänderte Vorstellungen angepasst (z. B. Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz,
1999 pacte civil de solidarité), durch neue Codes (z. B. Code de la propriété
intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner Bedeutng
geschwächt.
Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141,
180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, Handbuch des französischen
Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des
französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code
civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm,
W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241;
Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A.,
Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E.,
Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977;
Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in
Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A.
1995; Code Napoléon. Badisches Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a.,
1997; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des Français, ZeuP 2004, 5; Le
Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004; Le code
civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y., 2004 Les
Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004, 2004 ; Code
civil (Text imprimé). Les défis d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C. u. a., Der
französische Code civil, NJW 2004, 3757 ; Le Code Napoléon, hg. v. Beauthier,
R., 2004 ; Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen
Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 2006 (S.
21 Angabe der Übersetzungen ins Deutsche) ; Zweihundert (200) Jahre Code
civil, hg. v. Schubert, W. u. a., 2006 ; Le Bicentenaire du Code civil,
hg. v. Witz, C., 2006
Code de commerce
Code de procédure
civile ist das die ersten den gemeinsamen
römisch-kanonischen Prozess seit 1667 durch mündliche Verfahren und
integriertes Beweisverfahren reformierenden königlichen Gesetze (ordonnances)
verstärkende Zivilprozessgesetzbuch Frankreichs von 1806 (öffentliches,
mündliches Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle des Richters, unmittelbare Beweisaufnahme, Anwaltszwang,
Prinzip zweier Instanzen, obligatorischer Vergleichsversuch, Notwendigkeit der
Urteilsbegründung), das 1958 tiefgreifend verändert und 1976/1981 durch einen
Nouveau Code de procédure civile mit erheblichen Erweiterungen der
richterlichen Befugnisse ersetzt wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P.,
Théorie de la procédure civile 1828; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss.
jur. Lausanne 1986; 1806 . 1976 – 2006 De
la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006
Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons vergebene, kurzzeitig (1807-1811,
1852-1870) gültige Name des -> Code civil.
Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des Code
Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in
Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des
Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code
Napoléon et Code Civil vaudois, in: Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross,
N., Der Code Napoléon in Baden, 1997
Code pénal ist das Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810, das seit
1989 erneuert wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des Code
pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
Codex (lat. [M.]) ist allgemein das umfassende Gesetzbuch im
Gegensatz zum Einzelgesetz. Im Besonderen ist C. das römischrechtliche
Gesetzbuch des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-565). Dieser lässt
528/529 von einer zehnköpfigen Kommission aus dem Codex Gregorianus, dem Codex
Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch brauchbar angesehenen
Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser unter Tilgung von Widersprüchen
in einem nicht erhaltenen Codex Iustinianus (vetus) zusammenstellen und 534
durch Tribonian, Dorotheus und drei Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis,
Gesetzbuch der wiederholten Vorlesung). Dieser durch Bruchstücke eines
Palimpsestes des 6. oder 7. Jh.s und jüngere Handschriften (Ende 11. Jh.) fast
vollständig handschriftlich überlieferte C. enthält, eingeteilt in 12 Bücher
(Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8 Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher
10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw. 765) Titel (zitiert als C. nach Buch,
Titel und Konstitution, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer Reihenfolge
ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305). Im Mittelalter
werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das übrige zum ->
Volumen (parvum) gerechnet wird.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15;
Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777) ist die erste noch private
und unvollständige Gesetzessammlung für -> Österreich (unter und ob der
Enns).
Lit.: Köbler, DRG 145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex
Austriacus, Bd. 1f. 1704
Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach älteren Einzelgesetzen
um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich entstandene, in einer Palimpsesthandschrift
erhaltene Gesetzbuch der Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen
Recht beeinflusst ist. -> Lex Visigothorum
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A.,
Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller,
F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R.,
Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger Gregorius
(Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und von 289 bis 290?) privat erstellte,
nur bruchstückweise erhaltene, bis zum Jahre 291 reichende Sammlung von
Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian (117-138) bis
Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. -> Codex)
verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 42; Söllner §§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) Hammurapi -> Hammurapi
Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von einem Amtsträger (Leiter der
Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und vielleicht auch im Westen 291
und von 295 bis 298) und bekannten Juristen namens -> Hermogenian privat
erstellte, nur bruchstückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende
Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian
(284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. -> Codex) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 22;
Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) iuris
Bavarici criminalis (lat.) ist das von
-> Kreittmayr geschaffene, am 7. 10. 1751 für -> Bayern veröffentlichte
Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und Strafprozessrechts (Teil 2). Der C.
beseitigt zwar die Rechtszersplitterung, hält aber an Ketzerei, Zauberei,
Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an grausamen Strafen und an der Folter
fest. Er gilt bis 1813.
Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968;
Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Schütz, S., Die
Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988
Codex (M.) iuris
Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von ->
Kreittmayr aus bayerischem Recht (meist von 1616) und gemeinem Recht (z. B.
über Klage, Provokationsprozess, Wirkungen der Ladung, Urheberbenennung,
Rechtskraft, Restitution, Syndikatsklage, Immission) geschaffene, gegenüber
einem Entwurf deutlich veränderte, 1753 in Kraft gesetzte, klare und fast
lückenlose, Prozesse erfolgreich abkürzende Zivilprozessgesetzbuch ->
Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen Zivilprozesses bemüht und bis
1. 7. 1870 gilt.
Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche
Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex
iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a., Kommentar
über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck 1993
Codex (M.) iuris
canonici (lat.) ist das im 20. Jh.
geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch
-> Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet,
wird es am 27. 5. 1917 zum 19. 5. 1918 in fünf Büchern (allgemeiner Teil,
Personenrecht, Sachenrecht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran
schließt sich 1983 eine Neufassung an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung,
Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen,
Prozess).
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, P., 1917; Codicis iuris canonici fontes, cura
Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag
der deutschen und Berliner Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex
iuris canonici, Stichwortverzeichnis, 1986
Codex (M.) Iustinianus -> Codex
Codex (M.)
Maximilianeus Bavaricus civilis (lat.) ist
das von -> Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 veröffentlichte,
alle zur bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit gehörigen Materien samt Jagdrecht,
Fischereirecht, Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und
statutarischen Rechtsgrundsätzen zusammenfassende Gesetzbuch („kurbayerisches
Landrecht“). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und Ansprüchen in vier
Teile (Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht). Er löst das bayerische
Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär fortgelten und wird
zum 31. 12. 1899 durch das -> Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,)
Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff., Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis, Diss. jur. Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Pöppel, P., Quellen und System des
Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, 1967
Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem umfassenden Plan in Angriff
genommene, 435 begonnene, am 15. 2. 438 veröffentlichte und zum 1. 1. 439 in
der östlichen Hälfte des römischen Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser
Valentinian am 25. 12. 439 auch für die westliche Hälfte verkündete Gesetzbuch.
Der C. enthält ungefähr 3400 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 bis
437. Er gliedert sich in 16 Bücher (1, 6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und
8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche) sowie Titel und ist innerhalb dieser
Einteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400
Konstitutionen hauptsächlich durch das -> Breviarium Alaricianum (506) auszugsweise
überliefert, die Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19, 21,
22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen, T., 1905; Dilger, A., Herkunft und Rechtsnatur
einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch, ZRG GA 94 (1977), 184; Archi,
G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre
Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; The Theodosian Code, hg. v. Harries, J. u.
a., 1993
Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines einheitlichen
österreichischen Gesetzbuches unter Maria Theresia. Er beruht auf der Arbeit
einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilationskommission, die ein auf
natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei die
einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer Staaten
heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard von
Zencker geförderte Unternehmen endet 1776 wegen seiner Dickleibigkeit,
erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das -> Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch von 1811/12.
Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von Harrasowsky, P.,
Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen des Codex
Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72; Wesener, G., Die
Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex Theresianus, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Codex Urnammu ist der 1948 entdeckte Rechtstext des Königs Urnammu von
Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.).
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Codicillus (lat. [M.] Büchlein) ist im klassischen römischen Recht die
letztwillige Verfügung, die entweder als Bestandteil eines -> Testaments
zählt oder nur Fideikommisse und fideikommissarische Freilassungen enthalten
darf.
Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler,
DRG 38
Código (M.) civil (span.) ist das spanische Zivilgesetzbuch von 1888/1889,
das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez (1827-1891) geprägt wird. Es
vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit dem Mittel seiner
Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros) beruhende
Unterschiede im Verhältnis zu -> Kastilien.
Código (M.) de comercio (span.) -> Handelsgesetzbuch
Código (M.) do processo
civil (portug.) ist das portugiesische
Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos
Reis geprägt wird.
Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die allgemeine,
Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler, DRG
18, 20
cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte, -> Verwandte
cognitio (F.) Erkenntnis -> cognitio (F.) extra ordinem
Cognitio (F.) extra
ordinem (lat., Erkenntnis außer der
Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das
durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsverfassung
ersetzt. -> Kognitionsverfahren
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14,
15, 16; Köbler, DRG 34; Köbler, LAW
cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter -> Stellvertreter
Coimbra am Mondego beruht auf römischer Grundlage (Conimbriga bzw.
Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen und wird im 12./13. Jh.
Hauptstadt -> Portugals. Die 1290 in Lissabon gegründete Universität wird
1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377-1537 nochmals Lissabon).
Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade
de Coimbra, 1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista
Portuguesa de história 1 (1940), 49
Coing, Helmut (Celle 28. 02.
1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000)
Lit.: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W.,
1972
Coke, Sir Edward
(Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges 3. 9.
1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge und
der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn und Inner Temple in London 1578
Anwalt, 1592 Kronanwalt und 1594 Justizminister (Attorney General). Zunächst
entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of
the Common Pleas die Unterordnung des Monarchen unter das common law und wird
deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem Parlament
heraus den Widerstand gegen den König. Daneben veröffentlicht er nach einer
umfassenden Sammlung von Entscheidungen (Reports, 1600ff.) und einer Sammlung
von Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes,
die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen -> common law bilden. Davon stellt
das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon
Littleton) eine Rechtsgrundlegung (Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei Bücher
begründen verfassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht im Staat. Im
Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit die in Law
French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und Rechtsdarstellungen.
Lit.: Thorne,
S., Sir Edward Coke, 1952
Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im klassischen römischen
Recht die Verrechnung des Vorausempfanges (Abfindung, Mitgift) eines Hauserben
mit seinem Erbteil vor dem Prätor.
Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59
Collatio (F.) legum Mosaicarum
et Romanarum (lat.) ist die spätantike,
unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad Moysen (Gesetz
Gottes, das der Herr Moses gebot,) überlieferte Schrift eines unbekannten
Verfassers, die Stellen der Bibel mit Stücken des -> Gaius, der
Spätklassiker, des -> Codex Gregorianus und des -> Codex Hermogenianus
mit dem Ziel des Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 394
Collegantia
Lit.: Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937
Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der erblich
an die Scholle gebundene Landpächter.
Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW
Comecon (engl. Council for
Mutual Economic Assistance) ist die am 25. 1.
1949 in Moskau von der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, Polen, der
Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien gegründete, mehrfach erweiterte
Organisation zur wirtschaftlichen Vereinigung Osteuropas innerhalb der internationalen
sozialistischen Arbeitsteilung (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe).
Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A.,
Integration im RGW, 1983
comenda (lat. [F.]) -> commenda
Comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike der Begleiter und Amtsträger
des Kaisers und im Frühmittelalter der -> Graf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW;
Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Ebling,
H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens,
1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A., 1998
Comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen Recht die
unterschiedlich gegliederte Volksversammlung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18
Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien gegliederte römische
Volksversammlung.
Comitatus (lat. [M.]) Begleitung -> comes, (mlat.) Grafschaft
Lit.:
Wagner, G., Comitate um den Harz, Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G.,
Comitate im karolingischen Reich, 1952; Wagner, C., Comitate in Franken,
Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G.,
Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische Zeitschrift 103/104 (1954), 221; Wagner,
G., Comitate zwischen Rhein, Main und Neckar, ZGO 103 (1955), 1; Mascher, K.,
Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957; Claude, D., Untersuchungen zum
frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1; Sprandel, R., Bemerkungen zum
frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288; Holzfurtner, L., Die Grafschaft
der Andechser, 1994
Commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine mittelalterliche Vorform der
Kommanditgesellschaft.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891,
Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der
jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The
Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5
Commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die Handlung, mit der sich
der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
63; Köbler, LAW
Commentaries on the Laws of
England (1765ff.) ist die auch
naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des -> englischen Rechts durch
-> Blackstone (1723-1780).
Commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch
Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Verkehrsrecht.
Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12;
Köbler, DRG 21
Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren klassischen römischen Recht
anerkannte -> Leihe (Realkontrakt).
Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B., Das
commodatum, 2005
Common law (engl., gemeines Recht) ist in England das für alle
einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder persönlich unterschiedlichen
Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter entwickelte Recht im
Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten Recht bzw. das von
Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum gesetzten Recht.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., Concise History of Common Law, 5. A. 1956;
Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973; Simpson, A.,
Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 4. A. 2002; The Reception of Continental Ideas in the
Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J., Anglo-American
Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition. Lawyers, Books
and the Law. 2000
Commonwealth (engl.) gemeinsamer
Reichtum, Weltreich
Communio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die ->
Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder Gemeinschafter einen
rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann.
Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1
communis opinio (lat. [F.]) öffentliche
Meinung
Como
Lit.: Campiche, C., Die Comunalverfassung von Como, 1929
compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch
Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris, 1968
Compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen römischen Recht
grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame Verrechnung mit
einer Gegenforderung. -> Aufrechnung
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla) ist die erste, 1480 von
Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) zusammengestellte Sammlung kastilischer
Vorschriften in 8 Büchern (ordenamiento von 1484). Ihr folgen Sammlungen von (1485,)
1567 und 1805. ->Libro do Leyes
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
1,558,674
Compilatio (F.) maior (lat.) ist die nach justinianischem Vorbild in neun Bücher
gegliederte Sammlung des aragonesischen Rechts durch Vidal de Canellas († 1252)
in aragonesischer Sprache.
Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum, 1979,
1
Compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen Texten des
Frühmittelalters die -> Buße. -> Kompositionensystem
Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H.,
Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107
Conchyleus -> Coquille
Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem Spätmittelalter das vom
Kaiser des Heiligen Römischen Reichs angenommene Reichsgutachten der
Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu werden.
Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16.
Jahrhundert, 1905
Concordia (F.)
discordantium canonum (lat.) ist der Titel
des -> Decretum Gratiani (Dekret Gratians).
concussio (lat. [F.]) -> Erpressung
Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Bedingung.
Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der
Denkfigur der condicio sine qua non, 1984
Condictio (lat. [F.]) ist im Formularverfahren des klassischen
römischen Rechts die Klagformel, die im spätantiken römischen Recht besonders
mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf eine Nichtschuld
Geleisteten) verbunden wird. -> Kondiktion
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner § 9; Köbler,
DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als
Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz,
F., Die Grundlage der condictio, 1952
condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht erbrachter Gegenleistung, ->
Bereicherung
condictio (F.) ex lege (lat.) Bereicherungsanspruch
aus gesetzlicher Obligation, -> Bereicherung
condictio (F.) furtiva (lat.) Bereicherungsanspruch gegen den Dieb, ->
Bereicherung
condictio (F.) indebiti (lat.) Bereicherungsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung
einer Nichtschuld, -> Bereicherung
condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Bereicherungsanspruch wegen nicht entstandenen Rechtsgrundes, ->
Bereicherung
condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen weggefallenen Rechtsgrundes, ->
Bereicherung
condictio (F.) ob turpem
vel iniustam causam (lat.)
Bereicherungsanspruch wegen eines sittenwidrigen oder unzulässigen
Rechtsgrundes, -> Bereicherung
condictio (F.) sine causa (lat.) Bereicherungsanspruch
wegen rechtsgrundloser Leistung, -> Bereicherung
conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst- und Werkvertrag
Lit.:
Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die Königin der Beweise.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
confin -> Militärgrenze
Confoederatio (F.) cum principibus ecclesiasticis ist die im 19. Jh. aufgekommene lateinische Bezeichnung für das 11 Artikel
umfassende, wohl nur die bereits eingetretene Rechtswirklichkeit anerkennende
Privileg König Friedrichs II. für die geistlichen Reichsfürsten vom 26. 4. 1220
als Gegenleistung für die Wahl Heinrichs (VII.) zum König (z. B. Verzicht auf
den Nachlass, Verzicht auf neue Zollstätten, Testierfreiheit,
Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstärkung des Kirchenbannes durch
Reichsacht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die
Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982, 420
Connan, François (Paris 1508-Paris 1. 9. 1551), Sohn eines maître
des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem Rechtsstudium (1529) in Orléans
und Bourges (mit Bekanntschaft zu Calvin) um 1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher
Rat. In einer Gesamtdarstellung des geltenden Rechts in zehn Büchern ([lat.]
Commentariorum iuris civilis libri [M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare
des weltlichen Rechts) versucht er die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen
durch ein wissenschaftliches System (lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem
wenig erfolgreichen Bemühen deutet er die römischrechtliche (lat. [F.]) ->
actio als ein rechtserhebliches Verhalten und legt damit einen ersten Grund für
den Gedanken der -> Willenserklärung.
Lit.: Bergfeld,
C., Franciscus Connanus, 1968
Conring, Hermann (Norden 9. 11. 1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter
ostfriesischer Familie, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von Medizin und
Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für Naturphilosophie
(Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650) in Helmstedt. Er
hält auch juristische Vorlesungen und erstattet Rechtsgutachten. In seinem im
Ergebnis bereits 1635 feststehenden Buch (lat.) De origine iuris Germanici
(1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt er die Ansicht, dass das
römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz Kaiser Lothars III. von
Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog. -> lotharische Legende)
und begründet damit die deutsche Rechtsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den
Beziehungen Conrings zu Dänemark, ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg.
v. Stolleis, M., 1983; Conring, H., De origine iuris germanici (deutsche
Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann, P., Kontinuität oder Zäsur,
in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191; Arnswaldt, A. v., De vicariatus
controversia, 2004; Jori, A., Hermann Conring (1606-1681), 2006
Consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung) ist seit dem
klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrages.
Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW;
Hannig, J., Consensu fidelium, 1982
Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung bewirkt die Eheschließung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Julian um 100-um 170 n. Chr.)
consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span.
consejo, it. consiglio
Lit.: Kaser § 2;
Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG 18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970;
Consilia im späten Mittelalter, hg. v. Baumgärtner, I., 1995; Falk, U.,
Consilia. Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006
Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist die nach dem Seekonsulat von
Barcelona (1282 consules del mar) benannte, mittelalterliche, in Barcelona
zwischen 1266 und 1268 begonnene, später andernorts erweiterte und 1348 vom
Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusammenfassung des mittelmeerischen
Seegewohnheitsrechts. -> Seerecht
Lit.: Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts,
ZHR 29 (1884), 413; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Valls i Taberner,
F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de
Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.
Consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im altrömischen Recht der
Zusammenschluss von Erben nach der Nachlassteilung zu einer vereinbarten ->
Gemeinschaft.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler,
DRG 22, 47
constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz
Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark zerstörten, in Gießen
aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz Kaiser Antoninus Caracallas aus dem
Jahre 212, in dem er zur Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern
des römischen Reiches das römische Bürgerrecht gibt.
Lit.: Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse,
C., Die Constitutio Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana
und Papyrus Gissensis 40 I, Diss. jur. Köln 1976
Constitutio (F.) Criminalis
Bambergensis (lat.) -> Bamberger
Halsgerichtsordnung (1507)
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Strafgesetz[buch] Karls V.) ist die
reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532. Sie geht auf
Beschwerden über die sich häufenden ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits
die Antwort auf die im Mittelalter vor allem infolge des Bevölkerungswachstums,
der Urbanisierung und Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl
auch der Verstärkung der Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem
Reichstag von Lindau (1496/1497) zurück. Dieser setzt zum Zweck der Besserung
des Strafverfahrens eine von 1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe
vorlegende Kommission ein. Sie übernimmt im Wesentlichen den Inhalt der vom
Vorsitzenden des Hofgerichts des Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von
-> Schwarzenberg, auf Grund seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und
unter Einarbeitung des aus Oberitalien kommenden römisch-kanonischen
Strafprozessrechts geschaffenen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis
Bambergensis (-> Bamberger Halsgerichtsordnung) von 1507 in ihre 219
Artikel. Sie will nur subsidiär gegenüber den alten wohlhergebrachten,
rechtmäßigen und billigen Gebräuchen gelten (sog. salvatorische Klausel), kommt
aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie beherrscht das gesamte
Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des Reiches bis in das von
der Aufklärung bestimmte 18. Jh. Besonders bedeutsam sind ihre Lehre von den
für die Anwendung der -> Folter von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen
erforderlichen -> Indizien (Anzeichen, z. B. blutige Kleider) und ihre
Ansätze zu allgemeinen Lehren.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock,
Die Entstehungsgeschichte der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der
peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168;
Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., W., Bd. 1ff.
1900ff., Neudruck 1968;
Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss. jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz,
H., Goblers Karolinen-Kommentar, 1904; Saueracker, K., Wortschatz der
Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53
(1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG
GA 77 (1960), 288; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis
Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v.
Landau, P. u. a. 1984
Constitutio (F.) Criminalis
Theresiana (lat.) ist das unter Maria
Theresia am 31. 12. 1768 erlassene, 1082 Paragraphen umfassende Strafgesetzbuch
mit Inquisitionsverbot, freier richterlicher Beweiswürdigung, festen Tatbestandsbeschreibungen
und Folter, das 1787 durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und
derselben Bestrafung ersetzt wird. Die C. C. T. beruht auf einer von der ->
Constitutio Criminalis Carolina geprägten Halsgerichtsordnung Josephs I. von
1707.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157;
Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur Entstehungsgeschichte der theresianischen
Halsgerichtsordnung, 1880; Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana,
1903; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Rüping, H., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Constitutio (F.) Joachimica (lat.) ist die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte
„Constitution, Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen“ des
Markgrafen Joachim I. von Brandenburg (1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation
des Landrechts).
Lit.: Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen
Konstitution von 1527, 1841, Neudruck; Scholz, J., Der brandenburgische
Landrechtsentwurf von 1594, 1973
constitutum (lat. [N.]) -> Beschluss, Festsetzung
constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage
constitutum (N.) possessorium (lat.) -> Besitzkonstitut
Consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In der römischen Spätantike
wird sie zur Rechtsquelle erklärt. Die gute c. ist auch im späten ius commune
Italiens eine beliebte und praktisch-relevante Rechtsquelle. ->
Gewohnheitsrecht
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005
Consul (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der Republik der
Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (Kollegialität) erlangen die
Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf Vorschlag ihrer Vorgänger hin für
jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367 v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer
c. werden können. Mit dem Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der
Konsuln auf den Prinzeps bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im
Westen und bis 541 im Osten fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090)
ist c. der städtische Ratsherr.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11, 14, 23;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die
Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81
Consultatio (F.) cuiusdam
veteris iuris consulti (lat.) ist die am
Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene, durch einen
Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit Zitaten aus
den Paulussentenzen, dem -> Codex Gregorianus, dem -> Codex Hermogenianus
und dem -> Codex Theodosianus.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408
Contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts) ist im
angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig (crime bzw.
tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Contius -> Le Conte
Contractus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus
dem eine Obligation (Schuld) entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt,
Litteralkontrakt oder Konsensualkontrakt sein.
Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S.,
Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen
Spätscholastik und Aufklärung, in: Scolastica 1973, 223; Feenstra, R./Ahsmann,
M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungsvertrag
Lit.: Knütel, R., Contrarius
consensus, 1968
Contumacia (lat. [F.]) ist im klassischrömischen Kognitionsverfahren die
Prozessweigerung, die in einem Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass der
Geladene gemäß dem Klagebegehren verurteilt wird.
Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2
Conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die dem Fremden durch
Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.
Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60
copy right -> Urheberrecht
Coquille (Conchyleus), Guy (Decize 1523-1603), Sohn eines adligen
Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1539) und Orléans (Du
Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten Schriften stellt er das Gewohnheitsrecht
(franz. droit coutumier) nach dem Vorbild der Institutionen Justinians dar
(Institutions au droit des François, 1607).
Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy
Coquille, 1910, Neudruck 1971
Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von Normannen
bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter der
Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität.
corpore (lat.) durch tatsächliche Sachherrschaft, -> Besitz,
-> corpus, -> possessio
corpus (lat. [N.]) Körper
Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Gesamtheit der
katholischen -> Reichsstände. -> corpus evangelicorum
Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat, mit dem sich die
gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.
Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus delicti, 1933
Corpus (N.)
evangelicorum (lat.) ist in der frühen
Neuzeit die Gesamtheit der evangelischen -> Reichsstände. -> corpus catholicorum
Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller
conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die Stellung
des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968
Corpus (N.) iuris
canonici (lat.) ist die um 1500 von dem
Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor
XIII. am 1. 7. 1580 amtlich verwendete Bezeichnung für die anerkannten
Rechtsquellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum
Gratiani (Dekret Gratians, um 1140), den auf Antrag Papst Gregors IX. von
Raymundus de Penyafort von 1230 bis 1234 gesammelten -> Dekretalen (->
Liber extra), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. zusammengestellten
Dekretalen (-> Liber sextus) und den -> Clementinen. Es gilt bis zum
Inkrafttreten des -> Codex iuris canonici am 19. 5. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus iuris
canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973;
Dickehof-Borello, E., Ein Liber septimus für das corpus iuris canonici, 2002
Corpus (N.) iuris
civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von
dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft
gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er
besteht aus dem -> Codex (repetitae praelectionis) von 534, den ->
Digesten oder -> Pandekten (533) und den -> Institutionen von 533 sowie
den privat gesammelten -> Novellen. Die Bezeichnung entspricht dem Namen
(lat.) -> corpus (N.) iuris canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie
wird seit der Gesamtausgabe der justinianischen Gesetzgebungswerke durch
Dionysius Gothofredus (1583) üblich.
Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z.
T. 22. A. 1973; Corpus iuris civilis Iustinianei,
hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff., Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E.,
Einleitung in das römisch-justinianische Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit
Bibliographie der älteren Ausgaben); Wenger, L., Die Quellen des römischen
Rechts, 1953, 562; Ochoa, X./Diez, A., Indices titulorum et legum corporis
iuris civilis, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Thilo, R., Drucke des Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum,
Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52
Corpus (N.) iuris
feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.
Lit.: Lünig, J.,
Corpus iuris feudalis Germanici, Bd. 1ff. 3. A. 1727
Corpus (N.) iuris
Fridericiani (lat.), Erstes Buch, ist das
1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen
bzw. seines Großkanzlers -> Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den
Zivilprozess einführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer
Zivilprozess, 1982
Corpus (N.) iuris
militaris (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1724.
Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts,
1891
Corpus (N.) iuris
publici (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen Reiches im
18. Jh.
Lit.: Schmauss,
J., Corpus iuris publici Sancti Romani imperii academium, 1722
Corpus (N.) iuris
Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für
eine private Sammlung des sächsischen Rechts.
Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes corpus
iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724
Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter Kaiser Trajan (98-117)
in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es dort darum, Unrecht
wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch hinter dem
germanistischen „richten“.
Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59
Cortes ist die den König beratende Versammlung der Geistlichen,
Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal, Aragón und Navarra
seit der 2. Hälfte
des 12. Jh.s.
Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes
de Aragón, 1978; Procter, E., Curia and cortes, 1980
Corvey
Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J., Die
Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und
Corvey, 1992
Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers (chancellor) des ->
englischen Rechts. Es geht darauf zurück, dass der zunächst geistliche Kanzler
schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an den König hinsichtlich der
Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln begutachtet und im 15. Jh. in
Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das -> common law zu unangemessenen
Ergebnissen führt. Die seit 1529 tätigen weltlichen Kanzler führen das fort
und begründen bald ein System anerkannter Sätze des positiven Rechts, das an
der Billigkeit (-> equity) ausgerichtet ist.
Lit.: Jones, W.,
The Elizabethan Court of Chancery, 1967; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 4. A. 2002
Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte, für Zivilsachen
zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster mit
einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.
Lit.: Hastings,
M., The Court of Common Pleas, 1947
Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten und Finanzsachen
zuständige königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster.
Court of King`s Bench ist das für Strafsachen und Appellationen zuständige
königliche Gericht des -> englischen Rechts in Westminster.
Coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist die rechtlich bedeutsame
Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo). Sie erlangt in Frankreich seit dem 10./11.
Jh. Gewicht und wird seit Beginn des 13. Jh.s in Rechtsbüchern (coutumiers)
schriftlich aufgezeichnet, wobei Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und
teilweise auch römisches Recht und kirchliches Recht einbezogen werden (Très
ancien coutume de Normandie 1199/1200 bzw. 1220, Grand coutumier de Normandie
1254-1258, Conseil à un ami des Pierre de Fontaine für Philipp III. 1253, Livre
de justice et de plet 1260, Etablissements de Saint Louis um 1270, Coutumes de
Beauvaisis [nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir, Ancien
coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300, Très ancienne
coutume de Bretagne 1316-1325, Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil
um 1330, Grand coutumier (de France) des Jaques d’Ableiges um 1388, Somme rural
des Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou 1417). 1454 befiehlt
König Karl VII. wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens
behaupteter Rechtssätze in der Ordonnance von Montil-les-Tours die amtliche
Aufzeichnung aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung.
Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580) entwickelt sich hieraus
ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit commun coutumier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau
coutumier général, hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner,
H., Die coutumiers der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier
de Moudon de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français,
1925, 851; Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la
réformation des coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les
mauvaises coutumes au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des
coutumes, 1962 ; Poudret, J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud,
1967; La coutume de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1970; Le style de
Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972 ; Gräfe, R., Das Eherecht in den
coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O., Bibliographie
des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v. Ourliac,
P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens, L., La
théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984 ; Poudret, J.,
Coutumes et coutumiers, 1998
Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch des mittelalterlichen
Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de -> Beaumanoir. Er bemüht
sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in Beauvaisis, verwendet dazu
aber auch Sätze der Coutumes von Champagne, Vermandois, Artois, Normandie und
Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de Paris, königliche Verordnungen,
römisches Recht und kirchliches Recht. Die systematisierende, vor eigenen
Lösungen nicht zurückschreckende Privatarbeit, die der Rechtswirklichkeit nicht
vollständig entspricht, bleibt trotz hohen gedanklichen Wertes von geringem
Einfluss auf die Rechtspraxis.
Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v.
Salmon, A., Bd. 1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg.
v. Hubrecht, G., 1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir
et les coutumes de Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Coutumier (franz. [M.]) ist die private Aufzeichnung der ->
coutume im mittelalterlichen Frankreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de Poictou,
hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon glosé,
1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach dem Rechtsstudium 1533
Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565 Bischof von Segovia und 1574
Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die strafrechtliche Vorstellung des
bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.] indirectus) zurück.
Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, in: Merzbacher,
F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275; Peressa, V.,
Diego de Covarubias, 1957
Cowell, John (1554-1611), nach dem Studium des römischen Rechts
in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht 1605 eine erfolglose Darstellung
des englischen Rechts nach dem Aufbau der Institutionen Justinians ([lat.]
Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani, Einrichtungen des englischen Rechts) und
muss wegen seiner in seinem erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607)
vertretenen absolutismusfreundlichen und parlamentsfeindlichen Haltung 1611
seine Professur aufgeben.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., Bd. 5, 20
creditor (lat. [M.]) ->
Gläubiger
Crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht das Verbrechen im Gegensatz
zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.) entwickelt sich das besondere
Strafrecht und Strafprozessrecht. Schon früh wird dabei das c. (publicum) mit
der von der Allgemeinheit (mit dem Beil) vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu
den lange noch durch den Verletzten mittels Strafe zu vergeltenden crimina
zählen Mord (lat. [N.] parricidium), Brandstiftung, handhafter Diebstahl,
nächtliches Abweiden eines fremden Feldes und falsches Zeugnis.
Lit.: Kaser §§
32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW
Crimen (N.) laesae
maiestatis (lat.) ist im älteren römischen
Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit
Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen
Magistraten auf den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern
Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder
politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt
werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittelalter allmählich mit
gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den
-> Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die -> Goldene Bulle (1356), die
-> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die -> Constitutio Criminalis
Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein. Danach wird
Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die 1918 ihren
Bezugspunkt verliert.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck
1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz,
K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen
maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit das Verbrechen der
Zauberei. -> Hexerei
Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902
Criminal Code (1879) ist der an dem 1860 verfassten indischen
Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete Entwurf eines englischen
Strafgesetzbuches, der vom Parlament nicht angenommen wird.
Criminal Law Consolidation
Acts (1861) ist die das Strafrecht
betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im ->
englischen Recht.
Cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte die Tat? ist ein von
Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches Rechtssprichwort.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Cuius regio eius
religio (lat., wessen Gebiet, dessen
Religion) ist die von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J.
Stephani (1544-1623) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im
-> Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche
Gerichtsbarkeit des reichsunmittelbaren Landesherrn im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird danach von den
protestantischen Reichsständen beansprucht, in der Gegenreformation auch von
den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und ermöglicht der Satz zu
Lasten der Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der
monarchisch-aristokratischen Verfassung sowie die Ausbildung des
Territorialstaatskirchenrechts und damit des -> Absolutismus und der ->
Souveränität.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M., Staat
und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG KA 42
(1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5.
A. 2005
Cujas, Jacques (1522-1590) wird nach dem Rechtsstudium in
Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554), danach in Cahors, Bourges
(1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence (1567-1575) und Turin (1566-1567).
Er vertieft die Verwendung humanistischer Methoden im Recht in seinen
Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559, Institutiones Justiniani,
1585) und seinen zahlreichen exegetischen Einzelarbeiten. In seinen (lat.)
Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570) stellt er eine gegliederte
Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.
Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen,
1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108
Culpa (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Schuld
oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie fahrlässiges Handeln erfasst.
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15;
Köbler, DRG 44, 49, 61, 216; Köbler, LAW
Culpa (F.) in
contrahendo (lat.) ist das von Rudolf von
Ihering (Jhering) als Haftungsgrund herausgearbeitete, vom Bürgerlichen Gesetzbuch
des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders berücksichtigte Verschulden bei
Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).
Lit.: Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in
contrahendo, FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf
von Ihering, 1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, in: Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 113
culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden
culpa (F.) lata (lat.) grobe -> Fahrlässigkeit
culpa (F.) levis (lat.) leichte -> Fahrlässigkeit
culpa (F.) levissima (lat.) leichteste -> Fahrlässigkeit
Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der
Rechtsgeschichte, 1968
Cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei
Geisteskranken, Verschwendern, Tauben, Stummen, Altersschwachen sowie
gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen, mögliche
-> Pflegschaft, bei welcher der Pflegling für eigene Handlungen der
Zustimmung des Pflegers (lat. [M.] curator) bedarf.
Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64,
82; Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 57
curator (lat. [M.]) -> cura
curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof,
Hofrat
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía,
J., El curia o cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E.,
Le gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of
Anglo-Saxon-England, 1984; Hillen, C., Curia regis, 1999
curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof
Lit.: Villa, curtis, grangia, hg. v.
Janssen, W. u. a., 1983
curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof
Cusanus -> Nikolaus von Kues
Custodia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die
Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z. B. Verwahrer),
haftet danach für das Abhandenkommen der Sache und solche Schäden, die gerade
bei unzureichender Aufsicht üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten
Sonderfällen (höhere Gewalt) wird er von der Haftung frei.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63;
Köbler, LAW
Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte des Fürstentums Moldau
erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775 an Österreich
(Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a. Eugen Ehrlich).
1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach an die Ukraine.
Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v.
Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z.,
Erinnerungen an Czernowitz, 2007
D
Dabelow, Christoph Christian Frhr. v. (Neubuckow bei Wismar 19. 7.
1768–Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher Professor, 1792
ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811 Staatsrat in
Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat.
Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685
Dacheriana ist die nach ihrem ersten Herausgeber (d’Achery † 1685)
benannte, um 800 in Lyon entstandene systematische Kirchenrechtssammlung mit
etwa 400 canones.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259
Dalloz, Désiré (1795-1869)
wird nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des audiences de la
cour de cassation et des cours d`appel (1824 Jurisprudence générale du
royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in
einem Répertoire de jurisprudence générale (allgemeinen
rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach Materien geordnet in alphabetischer
Reihenfolge wichtige Entscheidungen mit Anmerkungen. Dieses Werk legt er von
1845 bis 1870 in verbesserter und erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt
in dem Verlagshaus fort, das als den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von
Entscheidungen, Gesetzen und wissenschaftlichen Stellungnahmen vertreibt.
Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz
(1795-1869), 1964
Dalmatien ist das Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln,
das 9. n. Chr. zur römischen Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s
dringen Slawen und Awaren ein, seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die
Herrschaft. Im 16. Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig
(1797) bzw. über den Wiener Kongress (1815) erlangt -> Österreich das 1816
zum Königreich erhobene D. 1920 wird es -> Jugoslawien zugeteilt, aus dem es
1991 vor allem an -> Kroatien fällt.
Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische
Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24
(1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen
Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000
Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand, ich werde dir das Recht geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)
Damme -> Vonnisse von Damme
Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren altrömischen Recht bekannte
Vermächtnis, bei dem vielleicht der treuhänderische Vermögenskäufer (lat.
familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine bestimmte Geldsumme,
später auch für andere Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG
23
Damnum (lat. [N.]) ist im klassischen römischen Recht der Schaden, zu
dessen Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno
(aquilisches Gesetz über den Schaden) ergeht.
Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65
Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom späten 9. Jh. bis 1066 vom
Recht der Dänen beherrschte Gebiet -> Englands (z. B. Northumbria,
Ostanglien).
Lit.: Loyn, H.,
The Vikings in Britain, 1977
Däne -> Dänemark
Dänemark ist ein nordeuropäischer Staat zwischen Mitteleuropa und
Skandinavien. Die Festigung einer eigenständigen Herrschaft über die Dänen (6.
Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10. Jh.s unter Gorm dem
Alten. Wenig später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen
die Könige Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der
Ostsee (Waldemar der Große 1157-1182) und -> Norwegen, -> Schweden sowie
-> Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht
schriftlich aufgezeichnet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die
lutherische Reformation durchgeführt. Vom Einfluss der katholischen Kirche
befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das Land. Im Gefolge des
Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt. 1660 erzwingen
Bürger und Bauern gegen den Adel die Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie,
die sich 1665 dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian
V. das dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht, Kirchenrecht,
Ständerecht, Eherecht, Unmündigenrecht, Seerecht, Schuldrecht, Sachenrecht,
Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, seeländisches und schonisches Recht,
im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von Grundnormen aber noch in Kraft)
in einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh. dringt mit Aufklärung und
Naturrecht die Lehre von der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht
gesetzlich geändert. 1788 beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt
Norwegen an Schweden. 1849 wird die absolute Monarchie bis 1866 durch eine
konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864 gehen Schleswig, Holstein und
Lauenburg an den -> Deutschen Bund bzw. Preußen verloren. Ab 1891 wird die
Sozialversicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke der
parlamentarischen Kontrolle durch. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung
Nordschleswig zu D. zurück. 1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche
Erbfolge in der Erbmonarchie mit demokratisch-parlamentarischer Regierungsform,
die sich zum Sozialstaat wandelt. 1960 tritt D. der Europäischen
Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft (bzw. 1993 Europäischen
Union). 1979 erhält -> Grönland Autonomie.
Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts, 1883;
Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W. u.
a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider og
vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff, K.,
Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die
dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im
fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores
historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske
profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v.
Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen,
E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F.,
Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte, übers.
v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940; Dahl, F.,
Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P., Dansk
Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde, 1942, Olsen,
G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Imhof, A., Grundzüge
der nordischen Geschichte, 1970; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E.,
Königserhebung und Thronfolgeordnung in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L.,
Rechtsverhältnisse in spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs
(Dänemark), ZRG GA 93 (1976), 257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til
retsvidenskab, 1976; Kroman, E., Dänemarks alte Rechte – Ihr Alter und ihre
Verwandtschaft, ZRG GA 94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques
Centrales du Danemark 1100-1332, 1977; Dübeck, I., Købekoner og konkurrence,
1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979; Danske og
Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987; Thygesen, F., Das Verhältnis
zwischen dänischem und deutschem Recht, ZRG GA 105 (1988), 289; Den Danske
rigslovgivning 1397-1513, hg. v. Andersen, A., 1989; Tamm, D., Laerebog i Dansk
retshistorie, 1989; Tamm, D., Retshistorie 1 Dansk retshistorie, 1990; Tamm,
D., Med lov skal land bygges, 1990 (Aufsätze): Den Danske rigslovgivnning
1513-1523, hg. v. Andersen A,. 1991, Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992;
Danmark i senmidelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H.,
Besaßen die dänischen Könige der vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG
GA 112 (1995), 423; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish
judges in the 20th century, 2003; Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum,
2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v.
Asche, M. u. a., 2003; Geiger, T., Die dänische Intelligenz von der
Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005
Dank
Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474
Danzig an der Weichselmündung in die Ostsee wird am Ende des 10.
Jh.s als Burg genannt. Seit dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer
-> lübisches Recht (1263) mit und erhalten 1342/3 -> Kulmer Recht. 1451
unterstellt sich D. Polen, 1793 kommt es an Preußen, 1920 wird es Freie Stadt.
1945/90 fällt es an Polen zurück.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P., Geschichte
der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening,
O., Untersuchungen zum ältesten Recht von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206;
Keyser, E., Der Streit um ein Danziger Aufwertungsgesetz am Ende des 18.
Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383; Keyser, E., Das älteste Danziger
Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner, A., Zwei alte Danziger
Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das Kriegswesen der Stadt
Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR 107 (1940), 161; Samsonowicz,
H., Untersuchungen über das Danziger Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R., Danzig, 1971; Lingenberg, H., Die Anfänge
des Klosters Oliva und die Entstehung der deutschen Stadt Danzig, 1982; Ruhnau,
R., Die Freie Stadt Danzig, 2. A. 1988; Wittreck, F., Die Anfänge der
verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415
dare (lat.) geben
Darjes, Joachim Georg (1714-1791), Schüler Christian Wolffs,
bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine systematische Gliederung
des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher Grundlage systematisch (1740)
das erbrechtliche Parentelensystem. -> Parentel
Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg
Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007
Darlehen ist ein je nach Gestaltung entweder einseitig
verpflichtender Vertrag oder ein gegenseitiger Vertrag, in welchem sich der
eine Teil (Darlehensnehmer) verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen
in gleicher Art, Güte und Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher)
erhält, zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) -> nexum
bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstverpfändung für ein D.). Daneben
besteht das formfreie (lat. [N.]) -> mutuum als -> Realkontrakt, aus dem
der Gläubiger die (lat. [F.]) -> condictio als abstrakte Klage erhält. Im
frühmittelalterlichen Recht ist D. nur ein Fall der allgemeineren -> Leihe.
Gegen das Nehmen eines Entgeltes für das D. wendet sich schon in karolingischer
Zeit die christliche Kirche (Lukas 6,35 [lat.]: mutuum date nihil inde
sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu erhoffen). Gegen den Widerstand der
Kirche setzt sich aber mit der Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst
für Juden, dann auch für andere insofern bevorrechtigte Personen, 1654 durch
den jüngsten Rechtsabschied allgemein erlaubt. Allerdings werden
Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen
verboten. Im Gefolge des Liberalismus fallen im 19. Jh. die Zinsschranken, doch
bewirkt ein wuchermäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002
wird in Deutschland das D. (Gelddarlehen) vom D. anderer vertretbarer Sachen
(Sachdarlehen) getrennt.
Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16, 18;
Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213, 120,
241; Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz, H., Darlehen und
Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Daseinsvorsorge ist die vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie
wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen
Verwaltung.-> Leistungsverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff.
1983ff.; Jellinghaus, L., Zwischen Daseoinsvorsorge und Infrastruktur, 2006
Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Person vor Missbrauch durch
eine andere Person. Er entwickelt sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s als
Folge der Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung. Zu seiner
Ausführung sind besondere staatliche Datenschutzbeauftragte bestellt.
Lit.: Köbler, DRG 260
Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an Erfüllungs Statt. Bei ihr wird
schon im klassischen römischen Recht der Schuldner nur befreit, wenn sie der
Gläubiger als Erfüllung anerkennt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62
Dauer
Lit.: Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht,
ZRG GA 75 (1958), 206
DDR (Deutsche Demokratische Republik)
Decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen Recht ein Ausschuss von
10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten (z. B. ->
Zwölftafelgesetz).
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19
De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541) veröffentlicht nach dem
Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia (1499-1502) als
Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in consuetudines ducatus
Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen Gewohnheitsrecht
(franz. droit coutumier) in Frankreich.
Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880,
Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss.
jur. Dijon 1977
Deciani, Tiberio (Udine 1509-Padua 1582), Patriziersohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Padua (1523-1529) Anwalt in Udine und Venedig (1544). In
seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus (M.) criminalis (1590,
Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen allgemeinen Teil des Strafrechts
mit einem allgemeinen Straftatbestand.
Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3 (1938),
121
Déclaration (F.) des droits
de l`homme et du citoyen (franz.) ist die
von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung der
Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt wird.
Lit.: Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg.
v. Schnur, R., 1964
Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen Neuzeit (seit Connan
1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur der ->
Willenserklärung.
Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
decreta (lat. [N.Pl.]) Entscheidungen -> Dekret
Decretio (F.) Childeberti (lat.) ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes Dekret
(Kapitular) des fränkischen Königs Childeberts II. für Austrasien (z. B.
Eintrittsrecht der Enkel), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten Lex
Salica überliefert ist.
Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre
Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1
Decretum (lat. [N.]) ist im römischen Prinzipat die Entscheidung
(Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht setzt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008 und 1012 verfasste
Kanonessammlung -> Burchards von Worms.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und 1140 (erste, durch vier
bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige Fassung um 1140
[1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellensammelnde Fassung um 1144/1145?,
erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600 Handschiften, noch
ältere Vorstufe möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS
673) in Bologna von dem Mönch -> Gratian auf Grund zahlreicher älterer
Sammlungen zusammengestellte Concordia discordantium canonum (Übereinstimmung
widersprüchlicher Regeln). Das Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende
D. G. stellt ohne strenge Systematik die bis zum dritten lateranischen Konzil
(1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze (Konsilscanones, päpstliche
Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [ca. 25%], insgesamt 3945 canones)
zusammen. Sein erster Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen
(D.) oder allgemeine Bestimmungen und beginnt mit einer allgemeinen
Rechtslehre. Der zweite Teil befasst sich mit 36 in Untersuchungen und Kapitel
gegliederten Fällen oder (lat.) causae (C.), die beispielsweise das Eherecht
(C. 27ff.) oder die Buße (C. 33) betreffen. Der dritte Teil stellt in 5
Distinktionen (und Kapiteln) das Recht der Weihe und anderer Sakramente dar.
Eine wichtige Quelle sind die Sammlungen des Ivo von Chartres, ein bedeutsames
Vorbild Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barmherzigkeit
und Gerechtigkeit). An das D. G. schließt sich bald (vor 1150) eine
wissenschaftliche Behandlung an, deren Glossen -> Johannes Teutonicus zu
einer (lat.) glossa (F.) ordinaria zum D. G. zusammenfasst. Später bildet das
D. G. den ersten Teil des (lat.) -> corpus (N.) iuris canonici. Vielleicht
stammt die Gliederung in Distinktionen von dem auch Zusätze verfassenden
Schüler Paucapalea. Zitierweisen sind z. B. D. 20. C. 2 oder C. 9 q. 3 c. 11
oder De poen. D.
5 c. 3.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102;
Studia Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians
Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Landau, P.,
Forschungen zu vorgratianischen Kanonessammlungen und den Quellen des
gratianischen Dekrets, Ius commune 11 (1984), 81; Winroth, A., The Two
Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83 (1997); Weigand, R., Das kirchliche
Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997,
1331; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998; Larrainzar,
C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen Stiftsbibliothek
MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making of Gratian’s
Decretum, 2000
Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die Beschlüsse der Synoden
(Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching, die unter Herzog Tassilo
III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur Regelung
kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.
Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen Synoden
des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Landau, P.,
Kanonessammlungen in Bayern, in: FS K. Reindel, 1995, 137
Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7. Jh.?) systematische
Übersicht über das staatliche Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter, Monarchen,
Hofämter, städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger), die
vielleicht nur Lehrzwecken dient und der Wirklichkeit nicht vollständig
entspricht.
Lit.: Beyerle, F., Das frühmittelalterliche Schulheft vom
Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1
Dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht der gewaltunterworfene
Reichsangehörige (str.).
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 30;
Köbler, DRG 35, 57
Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens) (1324) ist die wichtigste
staatsrechtliche Schrift des -> Marsilius von Padua, in der er von der
Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche ausgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H.,
Der „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, 1959
Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung eines (zu bestimmenden und
insofern als verhältnismäßig unbekannt angesehenen) Begriffs. Sie erfolgt
durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten Gattungsbegriffs und des
innerhalb der Gattung aussondernden oder kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B.
Frau ist der Mensch, der weiblich ist, F = Mw). Insbesondere seit
dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.
Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure
civili periculosa est, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23
Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich betreffenden Rechtssätze,
wie sie sich seit dem 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln. Dazu bildet
sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein Deichverband als
Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar geschützten Grundstücksberechtigten.
Der Deichverband ist Eigentümer des Deiches und verwaltet ihn durch eigene
Organe (Deichgraf, Deichschöffe, Deichgericht), sofern hierfür nicht die
Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose)
zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d. h. sein Nutzer oder Eigentümer)
zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer sein Kabel nicht ordnungsgemäß
unterhält, muss mit dem Verlust seines Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann
deichen, muss weichen bzw. wer nicht will deichen, darf weichen). Seit dem 16.
Jh. wird der Deichverband zur Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen
Last gegenüber dem Deichregalträger. Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der
Deichverbände zurück (Preußen 1848). Seit dem preußischen Wassergesetz des
Jahres 1913 werden die Deichverbände als Wassergenossenschaften behandelt.
Lit.: Gierke, J. v., Die Geschichte des deutschen
Deichrechts, Teil 1f. 1901ff.; Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA
28 (1907), 290; Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes,
E., Die geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937;
Albers, E., Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die
Rechtsgeschichte der Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De
historische ontwikkeling van het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden,
H. van der, De Cope, 1955; Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan
Frieslands Westkust, (1956); Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken,
1956; Djuren, H., Das Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um
1960); Ostfriesland im Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D.,
Wie alt sind die ältesten niederländischen Deiche, in: Probleme der
Küstenforschung 15 (1984), 1; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des Landes, 2003;
Fischer, N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki, K., Die schleswigsche
Deichstavengerechtigkeit, 2004
Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem Großen 768 nach
biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene, zunächst nur
religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher zum Ausdruck
bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob die Vermittlung
durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.
Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung
und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und
Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000
Dekalog sind die zehn Gebote, die Moses auf dem Sinai (von Gott)
empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der D. enthält klare Regeln für
wichtige gesellschaftliche Störungen. Die zugehörigen, den Nichtjuden durch
das Christentum vermittelten Lösungen beeinflussen das weltliche Recht großer
Teile der gesamten Menschheit bis in die Gegenwart.
Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der
Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982
Dekan (M.) ist
ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Dekret ist allgemein die obrigkeitliche Entscheidung. Im
Kirchenrecht ist D. das -> Decretum Gratiani.
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der
ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.
Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr. (385 n. Chr. Directa ad
decessorem) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit
rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des
Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feierliche Erlass.
Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des Dionysius
Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die Collectio Britannica oder die
zwischen 1187 und 1226 entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.]
alte Sammlungen, compilatio prima [=Breviarum extra-vagantium] 1188-1191
Bernardus Balbi von Pavia [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern,
compilatio secunda 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191 und 1198], compilatio
tertia 1209/1210 Petrus Beneventanus [erste authentische Sammlung], compilatio
quarta 1215 Johannes Teutonicus, compilatio quinta 1226 Tancred). Sie werden
auf Grund eines von Papst Gregor IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von
dem spanischen Kirchenrechtler -> Raymundus de Penyafort zu einer neuen
ergänzten Dekretalensammlung vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.)
(decretalium) extra (Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich
in fünf Bücher (Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle
älteren Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria
stammt von -> Johannes Andreae († 1348).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Landau, P., Die Entstehung der
systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120; Kuttner, S.,
Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P.,
Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht, ZRG KA 117 (2000), 86
Dekretalist ist der die -> Dekretalen (1234) bearbeitende
Kirchenrechtler (z. B. Johannes Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis,
Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis).
Lit.:
Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983
Dekretist ist der das -> Dekret Gratians bearbeitende
Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea, Rufinus, Stephan von Tournai, Huguccio,
Johannes Teutonicus).
Lit.: Kuttner,
S., Gratian and the Schools of Law, 1983
De laudibus legum
Angliae (lat., Über die Vorzüge des
englischen Rechts) ist eine 1470 vom Richter Sir John -> Fortescue verfasste
Darstellung des -> englischen Rechts im Vergleich zum festländischen Recht.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe oder Zuständigkeit auf
einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen Kaiserzeit bekannt. Im
Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher Gerichtsbarkeit seit dem
12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im Heiligen Römischen Reich wird die
D. seit der Errichtung des Reichskammergerichts eingeschränkt, in der Kirche
seit den Konzilen von Konstanz, Basel und Trient, in den deutschen Ländern seit
dem 18. Jh.
Lit.: Canstein, v., Jurisdictio delegata und mandata im
justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG 13 (1878), 491; Triepel, H.,
Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942; Endemann, W., Der Begriff
der delegatio, 1959; Müller, H., Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der
Normandie, 1997
De legibus et consuetudinibus regni Angliae (lat.) (Treatise on the Laws and Customs of England, Über die
Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) ist eine kurze, in
lateinischer Sprache abgefasste Darstellung des englischen Rechtes (common law)
des 12. Jh.s (1187-1189?) auf der Grundlage der Rechtsprechung der königlichen
Gerichte (ausgenommen das siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser
gilt Ranulf de -> Glanvill. Ein
Einfluss des römischen Rechts ist nur in terminologischer Hinsicht
zweifelsfrei.
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die den Einzelnen, seine
Familie oder sein Vermögen verletzende Tat. Voraussetzung ist Rechtswidrigkeit
und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung am Täter selbst
(z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des Racherechts
tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem bestimmten
Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen Gegenstandes
bestehen kann. In der Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen
Verbrechen und -> Delikt begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel
des nichtkriminellen Verfahrens mehr und mehr als Schadensersatz verstanden.
Justinian hält demgegenüber strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt
aber je nach Nützlichkeit der Angelegenheit für den Handelnden für die
Ersatzpflicht meist einen der verschiedenen Grade von Schuld voraus.
Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW;
Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur
Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum
hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49
Delikt ist die rechtswidrige schuldhafte Tat. Ihr folgt teils
-> Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des römischen Rechts auch
die Figur des (lat. [N.]) -> delictum übernommen. Im Strafrecht ist D. die
mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht die unerlaubte, zu
Schadensersatz verpflichtende Handlung.
Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die
Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939;
Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen
des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 9. A. 2001; Bar,
C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann, R./Verse, D., Die
Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des deutschen Deliktsrechts,
in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 319; Mohnhaupt-Wolf,
U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Immenhauser, M., Das Dogma von
Vertrag und Delikt, 2006
Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung „revolutionärer Umtriebe und
demagogischer Verbindungen“ durch den -> Deutschen Bund auf Grund der am 20.
9. 1819 vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommenen -> Karlsbader
Beschlüsse. Sie besteht beispielsweise in der Aufhebung der Zensurfreiheit von
Universitätsprofessoren, in der Beseitigung von Rechtshindernissen für die
Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die
Entfernung von Studenten von der Universität.
Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005,
§ 30
Demokratie ist die erstmals in -> Athen unter Kleisthenes (508 v.
Chr.) verwirklichte Herrschaft des Volkes in einem Gemeinwesen. Nach der Antike
gewinnt die D. erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789
tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und
Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf Gewaltenteilung,
Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem. Im Einzelnen sind
die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden.
Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1
1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen
Demokratien, 1850ff.; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative
Demokratie, 1966; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische
Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer
Demokratie, 1951; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer
Regierungssystem, 1971; Biographisches Lexikon zur Geschichte der
demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H.
u. a., Bd. 1 1992; Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 4. A. 1995; Die athenische
Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995;
Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur
Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte
Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Lamprecht, O.,
Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in
Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Die Anfänge des Liberalismus
und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49, hg. v.
Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung,
2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006
Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887) verfasst als
Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten Kommentar (Cours) zum
-> Code civil (1845ff.).
Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses œuvres,
1888
Demonstration
Lit.: Dostal, C., 1968 – Demonstranten vor Gericht, 2006
Denarius
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910;
Reverchon, A., Metzer Denare, 2006
Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der überlieferten Zeugnisse eines
Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze. Vorformen des
modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und im Mittelalter.
Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der Einsetzung Raffaels
(1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst Leo X. (1513-1521)
1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der jüngeren Neuzeit
an.
Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des
Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für
denkmalpflegeriche Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112
(1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die Verwaltung
der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts in Preußen,
2005
Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische Bezeichnung des auf Matthäus
18,15-17 zurückgehenden kirchlichen Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten.
Dieses setzt seit Innozenz III. (1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen
der Kirche voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen
darf. Die Auferlegung einer Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende
des 17. Jh.s verliert die d. e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972,
439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000
Denunziation
Lit.: Denunziation, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 1997; Nolte, J.,
Demagogen und Denunzianten, 2007
Depositio (lat. [F.]) ist die -> Hinterlegung an einer bestimmten
öffentlichen Stelle, die bereits im klassischen römischen Recht bei
Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte Erleichterungen verschafft.
Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Depositum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die -> Hinterlegung
einer beweglichen Sache, die der Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der
Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz
der Hinterleger eine Klage wegen Unterschlagung auf das Doppelte. Später
entwickelt sich hieraus eine Klage aus Vertrag auf grundsätzlich nur den
einfachen Wert.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 45
Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort)
Depotgesetz ist das für Deutschland 1896 geschaffene Gesetz über die
Verwahrung von Wertpapieren.
Lit.: Buxbaum,
C., Anlegerschutz zwischen Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002
Deputat (N.) Zugeschriebenes, Arbeitsentgelt in Sachleistung
Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht auf das römische Lager
Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird es Sitz einer
Universität.
Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983
Derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Aufgabe von ->
Eigentum und -> Besitz durch einen bisherigen Eigentümer ohne Zuwendung an
einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach den Sabinianern mit der
Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch einen anderen.
Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio, 1932; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Der Hehler ist nicht
besser als der Stehler.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)
derivativ (abgeleitet)
derivativer Erwerb, abgeleiteter -> Eigentumserwerb
Der König ist
gemeiner Richter überall.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-1224, Landrecht III 26 §
1)
Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin 23. 11. 1907), Sohn
eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors, wird nach dem
Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852) Professor in
Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872). 1871 veröffentlicht er neben der
Tätigkeit im preußischen Herrenhaus ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen
Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts und 1898 ein
dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechts des Deutschen Reiches und
Preußens.
Lit.: Süss, W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 231
Der rechte Weg
Lit.:
Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F.,
2000
Der Schlüssel des sächsischen Landrechts ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten überlieferte),
1421 vorliegende Gesamtverarbeitung des in Sachsenspiegel, Sachsenspiegelglosse
und Schwabenspiegel enthaltenen Rechtsstoffs in alphabetischer Reihenfolge
durch einen unbekannten Verfasser.
Lit.:
Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen Landrechts, 1928
Descartes (Cartesius), René (La Haye 31.
3. 1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem
Besuch der Jesuitenschule La Flèche Mathematiker und Philosoph. Als einzige
Gewissheit gilt ihm die Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich
denke, also bin ich). Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv)
das systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung
fördert.
Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen
Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen
Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a.,
1999; Schultz, U., Descartes, 2001
Desertion (F.) Fahnenflucht
Lit.:
Fritsche, M., Entziehungen, 2004
Designation (Bezeichnung) ist die (während einer
Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder eine Herrschaft
(als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit nicht gilt oder
grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind. Bedeutung erlangt
die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen insbesondere für das
Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und 13. Jh. (z. B.
Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).
Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen 1913; Mitteis,
H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 36; Schreyer, B.,
Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA 67 (1950), 407; Wolf, G.,
Designation und desiganare bei Widukind von Corvey, ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf,
G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von „designare“, ZRG GA 75 (1958), 367;
Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92 (1975), 174; Giese, W., Designative
Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit, ZRG GA
117 (2000), 39
detentio (lat. [F.]) -> Innehabung
detentor (lat. [M.]) Inhaber, -> Innehabung
Deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw. vielleicht schon in
der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg. *teuto, F., Volk)
gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen ältesten Belegen (8. Jh.)
den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum Lateinischen zum Ausdruck zu
bringen scheint und erst gegen Ende des Frühmittelalters auf ein neues
einheitliches Volk bezogen wird. Die deutsche Sprache gliedert sich in
hochdeutsch im Süden und niederdeutsch im Norden und in die zeitlichen
Abschnitte Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065), Mitteldeutsch
(Mittelhochdeutsch 1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neudeutsch (Neuhochdeutsch
ab 1500 bzw. 1350). Seit dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich Latein
als Wissenschaftssprache ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D. als
internationale Wissenschaftssprache auf Betreiben der alliierten Siegermächte
boykottiert.
Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E., Geschichte
des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Kaindl, R.,
Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin. H., Von Raum und
Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes
theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG
104 (1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Lautverschiebungen
in den germanischen Sprachen, 2005
Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen ist die 1933 die
Gewerkschaft ersetzende nationalsozialistische Einrichtung des Arbeitswesens,
die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat.
Lit.: Köbler, DRG 242
Deutsche Bank ist die führende Aktiengesellschaft des Bankwesens in
Deutschland.
Lit.: Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 10. A.
2006; Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995, 1995; James, H., Die
Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten
Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die Deutsche Bank, 2005
Deutsche Bundesakte (1815) ist die auf völkerrechtlicher Vereinbarung
beruhende Verfassung des -> Deutschen Bundes.
Deutsche Demokratische
Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 aus
der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen Reiches als Volksrepublik nach
sowjetischem Muster entstandene, von der Sowjetunion gegen einen Volksaufstand
vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961
künstlich abgeschlossene, durch Öffnung der Mauer am 9. 11. 1989 wieder frei
zugängliche, zum 3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland
aufgegangene deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer
Partei und Sozialdemokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur
Gründung eines eigenen Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000
Mitarbeiter, 173000 informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die
Wirtschaft ist (anfangs noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft
(1970 noch 15 Prozent mittlere und kleinere Privatunternehmen, 1972 noch 11400
zumindest teilweise private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die
Geisteshaltung materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, aber
weder Gewaltenteilung noch Opposition kennende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird
durch eine zweite, die sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10.
1974 die Vorstellung einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst.
Wichtigste Staatsorgane sind schließlich Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat
(7 Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentralkomitees
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit den zusätzlichen
Einrichtungen Nationaler Verteidigungsrat, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund,
Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft und Präsidium des
Nationalrates der Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus
noch kommunale Selbstverwaltung^^ noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste
Gericht, Bezirksgerichte und Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit entbehrt
einer Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber
von besonderen gesellschaftlichen Gerichten ergänzt. In den ersten zehn Jahren
des Bestandes des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Das
Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch
(12. 1. 1968) abgelöst, das bis 1987 an der Todesstrafe festhält. Das
Bürgerliche Gesetzbuch wird zum 1. 1. 1976 durch ein vereinfachendes
Zivilgesetzbuch (19. 6. 1975) ersetzt, in dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht
von geringer Bedeutung sind. Das Familienrecht ist durch ein
Familiengesetzbuch vom 20. 12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein
Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
245, 250, 261ff., 271ff.; Geschichte der Rechtspflege der DDR, hg. v. Benjamin,
H., Bd. 1f. 1968ff.; Markovits, Sozialismus und bürgerliches Zivilrechtsdenken,
1969; Reiland, W., Die gesellschaftlichen Gerichte der DDR, 1971; Suermann,
Verwaltungsrechtsschutz in der DDR, Diss. jur. Götttingen 1971; Ortslexikon der
Deutschen Demokratischen Republik, 2. A. 1974; Bundesrepublik Deutschland -
Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Brunner, G.,
Einführung in das Recht der DDR, 2. A. 1979; Schuller, W., Geschichte und
Struktur des politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR.
Die beiden deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und
Rechtsgeschichte der DDR, hg. v. d. Humboldt-Universität, 1983; Schroeder, F.,
Das Strafrecht des realen Sozialismus, 1983; Staritz, D., Die Gründung der DDR,
1985; Weber, H., Die DDR 1945-1990, 3. A. 2000; Das Oberste Gericht der DDR -
Rechtsprechung im Dienste des Volkes, 1989; Fricke, K., Politik und Justiz in
der DDR, 2. A. 1990; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1991; Brunner, G., Was bleibt übrig vom DDR-Recht nach der
Wiedervereinigung?, JuS 1991, 353; Markovits, Die Abwicklung, 1992; Steuerung
der Justiz in der DDR, hg. v. Rottleuthner, H., 1994; Hagemann, F., Der
Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen 1949-1969, 1994; Eine Diktatur
vor Gericht, hg. v. Weber, J. u. a., 1995; Das Zivilgesetzbuch der DDR vom 19.
Juni 1975, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Werkentin, F., Politische Strafjustiz
in der Ära Ulbricht, 1995; Die Rechtsordnung der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995;
Beckert, Die erste und letzte Instanz, 1995; Mielke, H., Die Auflösung der
Länder in der SBZ/DDR, 1995; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der
Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Die
Vertriebenen in der SBZ/DDR, hg. v. Wille, M., Bd. 1ff. 1996ff.; Rechtswissenschaft
in der DDR 1949-1971, hg. v. Dreier, R. u. a., 1996; Amos, H., Justizverwaltung
in der SBZ/DDR, 1996; Hauschild, I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Mampel,
Die sozialistische Verfassung, 3. A. 1996; Wendel, E., Ulbricht als Richter und
Henker, 1996; Amos, H., Justizverwaltung in der SBZ/DDR, 1996; Johmann, U., Die
Entwicklung des Sozialrechts in der DDR, 1996; Liwinska, M., Die juristische
Ausbildung in der DDR, 1997; Haerendel, H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit,
1997; Rechtserfahrung DDR, hg. v. Dilcher, G., 1997; Feth, A., Hilde Benjamin,
1997; Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft „Walter
Ulbricht“, 1997; Immisch, L., Der sozialistische Richter in der DDR, 1997;
Heitmann, S., Die Revolution in der Spur des Rechts, 1997; Kaiser, M.,
Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker, 1997; Harendel, H., Gesellschaftliche
Gerichtsbarkeit, 1997; Trute, H., Die Überleitung des Personals, 1997; Lexikon
des DDR-Sozialismus, hg. v. Eppelmann, R., 2. A. 1997; Walter, M., Die Freie
Deutsche Jugend, 1997; Kraut, G., Rechtsbeugung?, 1997; Kluge, U. u. a.,
Willfährige Propagandisten, 1997; Mählert, U. Kleine Geschichte der DDR, 1998;
Offenberg, U., Seid vorsichtig gegen die Machthaber, 1998; 50 Jahre DDR, hg. v.
Handloik, V./Hauswald, H., 1998; Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Recht und
Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998; Lorenz, T.,
Die Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Die Strafrechtsjustiz der DDR, hg. v.
Drobnig, U., 1998; Hoffmann, H., Die Betriebe mit staatlicher Beteiligung,
1998; Laufs, A., Recht und Unrecht in der DDR, 1998; Lorenz, T., Die
Rechtsanwaltschaft in der DDR, 1998; Grote, M., Die DDR-Justiz vor Gericht,
Diss. jur. Hannover 1998; 50 Jahre DDR, hg. v. Drommer, G., 1999; Maier, C.,
Das Verschwinden der DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Zum Stand der
Deutschen Einheit: Recht und innere Sicherheit, NJW 1999,1450; Widerstand und
Opposition in der DDR, hg. v. Henke, K., 1999; Überwindung der Folgen der
SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit, hg. v. Deutschen Bundestag, Bd.
1ff. 1999; Papier, H./Möller, J., Die rechtsstaatliche Bewältigung von
Regime-Unrecht, NJW 1999, 3289; Wagner, H., Hilde Benjamin und die
Stalinisierung der DDR-Justiz, 1999; Zivilrechtskultur der DDR, hg. v.
Schröder, R., 1999ff.; Schäfer, B., Staat und katholische Kirche in der DDR, 2.
A. 1999; Kloth, H., Vom Zettelfalten zum freien Wählen, 2000; Raschka, J.,
Justizpolitik im SED-Staat, 2000; Grün, B., Vom Teilungsunrecht zum Wiedervereinigungsrecht,
2000; Rössler, R., Justizpolitik in der SBZ/DDR, 2000; Lexikon Opposition und
Widerstand in der SED-Diktatur, hg. v. Veen, H., 2000; Strafjustiz und
DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung,
2000; Schroeder, F., Zehn Jahre strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts,
NJW 2000, 3017; Rummler, T., Die Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze,
2000; Fahnenschmidt, W., DDR-Funktionäre vor Gericht, 2000; Thiemrodt, I.,
Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Hohoff, U., An den Grenzen des
Rechtsbeugungstatbestandes, 2000; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und
Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2000; Die DDR – Recht und Justiz als
politisches Instrument, hg. v. Timmermann, H., 2000; Die DDR und der Westen,
hg. v. Pfeil, U., 2001; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR,
2001; Gieseke, J., Mielke-Konzern, 2001; Eine Revolution und ihre Folgen, hg.
v. Jesse, E., 2001; Raschka, J., Zwischen Überwachung und Repression, 2001;
Wulf, M., Erich Honecker, 2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Wentker,
H., Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953, 2001; Zehn Jahre deutsche Rechtseinheit,
hg. v. Koch, E., 2001; Schönfeldt, H., Vom Schiedsmann zur Schiedskommission,
2002; Ihme-Tuchel, B., Die DDR, 2002; Holzweißig, G., Die schärfste Waffe der
Partei – Eine Mediengeschichte der DDR, 2002; Armee ohne Zukunft, hg. v.
Ehlert, H., 2002, Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002;
Heuer, U., Im Streit, 2002; Blümmel, R., Der Opferaspekt bei der
strafrechtlichen Vergangenheitsbewältigung, 2002; Soziale Ungleichheit in der
DDR, hg. v. Mertens, L., 2002; Howe, M., Karl Polak, 2002; Horstmann, T., Logik
der Willkür. Die zentrale Kommission für staatliche Kontrolle, 2002; Strafjustiz
und DDR-Unrecht, Bd. 2 Gewalttaten an der deutsch-deutschen Grenze, hg. v.
Marxen, K. u. a., 2002; Reichhelm, N., Die marxistisch-leninistische Staats-
und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Knabe, H., 17. Juni 1953, 2003; Staat und
Kirchen in der DDR, hg. v. Dähn, H. u. a., 2003; Bilanz und Perspektiven der
DDR-Forschung, hg. v. Eppelmann, R. u. a., 2003; Lindenberger, T.,
Volkspolizei, 2003; Alltag in der DDR, 2003; Hoeck, J., Verwaltung,
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Bauer, T., Blockpartei und Agrarrevolution von oben. Die
Demokratische Bauernpartei Deutschlands 1948-1963, 2003; Leupolt, S., Die
rechtliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei,
2003; Baron, U., Kalter Krieg und heißer Frieden, 2003; Heydemann, G., Die
Innenpolitik der DDR, 2003; Scholtysek, J., Die Außenpolitik der DDR, 2003;
Glees, A., The Stasi Files, 2003; Kowalczuk, I., Geist im Dienst der Macht,
2003; Rechtsprobleme der Restrukturierung landwirtschaftlicher Unternehmen in
den neuen Bundesländern nach 1989, hg. v. Bayer, W., 2003; Ebbinghaus, F.,
Ausnutzung und Verdrängung, 2003; Mollnau, K., Recht und Juristen im Spiegel
der Beschlüsse des Politbüros und Sekretariats der SED, 2003; Reichhelm, N., Die
marxistisch-leninistische Staats- und Rechtstheorie Karl Polaks, 2003; Schneider,
U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Grafe, R., Deutsche
Gerechtigkeit, 2004; Korzilius, S., Asoziale und Parasiten im Recht der
SBZ/DDR, 2004; Grütz, R., Katholizismus in der DDR-Gesellschaft 1960-1990, 2004;
Peterson, E., The Limits of Secret Police Power, 2004; Digutsch, G., Das Ende
der nationalen Volksarmee, 2004; Baumgarten, K./Freitag, P., Die Grenzen der
DDR, 2004; Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Korzilius, S.,
Asoziale und Parasiten im Recht der SBZ/DDR, 2005; Thiemrodt, P., Die
Entstehung des Staatshaftungsgesetzes der DDR, 2005; Arp, A., VEB. Vaters
ehemaliger Betrieb, 2005; Weinreich, B., Strafjustiz und ihre Politsierung in
SBZ und DDR bis 1961, 2005; Wolff, F., Einigkeit und Recht, 2005, 2. A. 2005;
Seibel, W., Verwaltete Illusionen – Die Privatisierung der DDR-Wirtschaft durch
die Treuhandanstalt, 2005; Bauerkämper, A., Die Sozialgeschichte der DDR, 2005;
Kurze, D., Sozialistische Betriebe und Institutionen als Verklagte im
DDR-Zivilprozess, 2005; Sozialstaatlichkeit in der DDR, hg. v. Hoffmann, D. u.
a., 2005; Schöne, J., Frühling auf dem Lande? Die Kollektivierung, 2005; Ritter,
G., Der Preis der Einheit, 2006; Markovitz, I., Gerechtigkeit in Lüritz, 2006;
Windmüller, J., Ohne Zwaqng kann der Humanismus nicht existieren, 2006;
Inszenierungen des Rechts, hg. v. Marxen, K. u. a., 2006; Fischer-Langosch, P.,
Die Entstehung des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2007; Johannsen, L.,
Die rechtliche Behandlung ausreisewilliger Staatsbürger in der DDR, 2007
Deutsche Nationalgesetzgebung -> Kodifikationsstreit, -> Allgemeine Deutsche
Wechselordnung, -> Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
Deutschenspiegel ist ein durch eine einzige vollständige, aus dem frühen 14.
Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen kommende Handschrift und einige
verstreute Artikel (in 18 Handschriften) überliefertes, mittelbayerisches
Rechtsbuch (spiegel aller tiuscher liute). Der D. beruht wahrscheinlich auf
einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der Klasse Ib des
-> Sachsenspiegels (und vielleicht einer wohl in Augsburg erfolgten
Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts
unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte
des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der (kirchenrechtlichen)
Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichslandfriedens, zweier
Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrecht
umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im Wesentlichen
unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen. Vermutlich ist der D. 1275/1276 in
Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. -> Schwabenspiegel
Lit.: Köbler, DRG 103; Müller, E. Frhr. v., Der
Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des Deutschenspiegels,
1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels, ZRG GA 45 (1925),
13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien
1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des Deutschenspiegels, ZRG GA 50
(1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger Sachsenspiegel und ausgewählten
Artikeln der oberdeutschen Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt,
K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C. Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels,
ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der
Könige, 1932 (SB Göttingen); Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33
Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des in Deutschland geltenden
Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln (oder bei engerer
Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer Wurzel stammenden
Rechtes) (in Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992
Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante völkerrechtliche
Zusammenschluss (Verein, Staatenbund) von (nach der Deutschen Bundesakte vom 8.
6. 1815 38) souveränen deutschen Einzelstaaten auf der Grundlage der ->
Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815) und der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er
folgt auf die Erkenntnis, dass mit der Niederlegung der Krone des ->
Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) durch Kaiser Franz II. am 6. 8.
1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine Restauration wegen der
egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen deutschen Fürsten und der
außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich, England, Russland) ebensowenig
Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der überwiegend bürgerlichen deutschen
Nationalbewegung nach einem national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen
schließen sich 39 (dann 41, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten
(Österreich und Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, Bayern,
Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum
Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg, Sachsen-Weimar,
Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Hildburghausen,
Braunschweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz,
Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Köthen,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Hohenzollern-Hechingen,
Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere
Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4 selbständig gebliebenen
Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg)
mit 30 Millionen Einwohnern in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem für
Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem
Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Sein Organ ist der
selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongress) in Frankfurt am
Main (vom 12. 7. 1848 bis September 1850 ohne Befugnisse). In dessen selten
zusammentretendem Plenum hat jeder Staat mindestens eine, höchstens aber vier
Stimmen, im engeren Rat führen die elf größten Staaten je eine Stimme. Den
Vorsitz übt -> Österreich aus. Der Deutsche Bund hat grundsätzlich weder
gesetzgebende noch vollziehende noch richterliche Gewalt. Nach den
revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1851 in
verstärkten Gegensatz. An der Verwaltung des 1864 Dänemark abgewonnenen Schleswig-Holsteins
entzündet sich dann ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein besetzt,
Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung des Bundesheeres
gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen erklärt,
Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes gegen Preußen am
26. 7. 1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und die
Bundesversammlung am 24. 8. 1866 letztmals tagt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
169, 192, 196; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff.
1957ff.; Heßler, R., Das Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss.
jur. Berlin (FU) 1966; Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen
Publizistik, 1971; Gruner, Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche
Frage, hg. v. Rumpler, H., 1990; Die Dresdner Konferenz und die
Wiederherstellung des Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen
zur Geschichte des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund
zwischen Reaktion und Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die
Entstehung des Deutschen Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla,
M., Die Entstehung der Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117
(2000), 122; Steinmetz, C., Deutscher Bund und europäische Friedensordnung,
2002; Angelow, J., Der Deutsche Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen
Frankreichs und Großbritanniens anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833,
2003; Ham, R., Bundesintervention und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J.,
Deutscher Bund und deutsche Nation 1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche
Bund 1815-1866, 2006
Deutscher Juristentag ist der 1860 gegründete Verein deutscher Juristen mit dem
Zweck, auf wissenschaftlicher Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und
Ergänzungen der deutschen Rechtsordnung zu untersuchen.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in:
Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche
Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Conrad, H. u. a., Der Deutsche Juristentag
1860-1994, 1997
Deutscher Orden ist die 1199 aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft (1190
Hospital vor Akkon) zu einem geistlichen Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon
umgeformte Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt sie auf Anforderung König
Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen. 1225/1226 ruft Herzog Konrad von
Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe und
überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land. Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten
begabte Deutsche Orden, der 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309 nach Marienburg
in Westpreußen und (nach der Niederlage bei Tannenberg/Grunwald 1410) 1457 nach
Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu Beginn des 15.
Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen Hochmeister die
Schirmherrschaft des Königs von -> Polen anerkennen. 1525/1561 wird das
Deutschordensgebiet in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland
umgewandelt, das 1618/1619 mit Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/1660
vertraglich von der Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche
Orden im Reich, wo er durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom
Deutschmeister (1494 Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen.
1809 wird das 1805 aus dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim
beseitigt. 1834 wird in Österreich der Deutsche Orden unter Erzherzögen als
Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler, Historisches
Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen Ordens aus dem
Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische
Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58
(1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen Ritterordens bis
1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige des
deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964; Wunder,
H., Siedlungs- und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg, 1968, Kisch,
G., Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des
Deutschordenslandes, 1973; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Tumler,
M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 4. A. 1986; Boockmann, H., Der Deutsche Orden,
4. A. 1994; Sperling, F., Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des
Mergentheimer Stadtgerichts unter dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Neitmann,
K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in Preußen 1230-1449, 1986; Braasch-Schwersmann,
U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Militzer, K., Von Akkon zur
Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der Deutsche Orden im Burzenland, 2000;
Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel seiner Besitzungen und Beziehungen in
Europa, 2004; Militzer, K., Die Geschichte des Deutschen Ordens, 2005; Demel,
B., Unbekannte Aspekte der Geschichte des Deutschen Ordens, 2006
Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche Vereinigung der deutschen
Richter.
Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre 1933,
Krit. Justiz 1982, 323
Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland geltende Privatrecht und
herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus germanistischer Wurzel stammende,
vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) auch ohne gesetzgeberischen
Akt unmittelbar geltende Privatrecht in Deutschland. In diesem engeren Sinn
wird es als wissenschaftlich erfassbare Einheit erst anerkannt, als Hermann
-> Conring (1635/1643) den Ursprung des deutschen Rechts (De origine iuris
Germanici) erörtert. In Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrechtlichen
Vorgang aufgenommenen römischen (Privat-)Recht wird es zuerst durch Johann
-> Schilter (1675) und Christian -> Thomasius (1705) behandelt und
vorgetragen und 1718 erstmals von Georg -> Beyer in einem Leitfaden (nach
der romanistischen Systematik der Institutionen) dargestellt. Danach wird es im
18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet. Als wissenschaftliches
Prinzip des deutschen Privatrechts gilt dabei zunächst die Übereinstimmung partikulärer
Rechtssätze, dann die aus den Rechtsverhältnissen vermöge der natürlichen
Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache) und danach die gemeinsame
Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte. Der Ansicht Carl Friedrich ->
Gerbers (1846), dass das auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche
Privatrecht nur eine wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare
Summe von Rechtssätzen sei, widersprechen Georg -> Beseler (Volksrecht) und
Otto von -> Gierke (gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des
Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) hat diese Streitfrage ihre praktische
Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche Privatrecht
sinnvollerweise insgesamt in die allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das wissenschaftliche
Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O. v., Deutsches
Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der
germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491;
Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K.,
Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47; Scherner,
K., Das deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118 (2001), 346;
Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003
Deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland geltende Recht und in
einem engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in
Deutschland (vor allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden
Recht in Deutschland).
Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur Geschichte
des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa, ZRG GA 19
(1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40
(1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechts, 3. A. 1935; Jakowliw,
A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R., Die Anfänge des
deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius teutonicum), 1941
(SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W., Deutsches Recht im
Osten, 1952; Geck, Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert als
rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe germanisches Recht und
deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und 20. Jahrhunderts, Diss.
Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H., Der deutschrechtliche
Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970, 313; Gudian, G., Zur Situation
der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215
Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für verschiedene
verfassungsrechtliche Organisationsformen der Deutschen. Dabei wird als erstes
D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s erwachsene ostfränkische
Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende anscheinend von Italien (Chronicon
Venetum Brixener Urkunde Heinrichs II. von 1020, Miracula Severi) ausgehend
(lat.) regnum (N.) Teutonicum genannt wird. Es wird seit der Mitte des 12.
Jahrhunderts (Lothar III, Konrad III.) hauptsächlich als römisches Reich,
alsbald auch als heiliges Reich und 1474 als -> Heiliges Römisches Reich
(deutscher Nation) bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch
offiziell. Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst gegen Ende
(1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. heißt danach bereits der 1848/1849
vergeblich angestrebte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R.
entscheiden sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen
Bundes bei der Benennung des am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern,
Württemberg, Baden und Hessen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben tretenden
bzw. erweiterten (str.) Bundesstaates (, dem Österreich, Luxemburg, Limburg und
Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm, 56,37 Mill.
Einwohner) umfasst Preußen (2/3 des Reichsgebietes, 3/5 der Reichsbevölkerung),
Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt,
Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie,
Reuß jüngere Linie, Bremen, Hamburg, Lübeck sowie Elsass-Lothringen
(Reichsland) und seit 1884 als Nebenländer die überseeischen deutschen ->
Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo, Kamerun usw. Nach seiner
Verfassung ist der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der
Präsidialrechte. Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und
freien Städte. Der Kaiser regiert durch den Reichskanzler (1871-1890 Bismarck),
der Anordnungen gegenzeichnen muss und dadurch die Verantwortung übernimmt.
Bundesrat und Reichstag beschließen die Gesetze, die dann der Kaiser
ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das Reichsgericht in Leipzig. Am
9. 11. 1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf
dessen Thron bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des
bestehenbleibenden Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik)
ausgerufen, die Adolf Hitler nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1.
1933) rasch in das nationalsozialistische, totalitäre -> Dritte (Deutsche)
Reich (zentralistischer Einheitsstaat) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses
Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten
Siegermächten des zweiten Weltkrieges zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt
die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm
rechtlich identisch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.; Acta
imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Brandenburg, E., Die Reichsgründung, 2. A. 1924, Neudruck 2005;
Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in deutscher und italienischer
Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung des deutschen Reiches, 1940,
2. A. 1942; Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Müller-Mertens,
E., Regnum Teutonicum, 1970; Brühl, C., Die Anfänge der deutschen Geschichte,
1972; Dokumente zur Geschichte des deutschen Reiches und seiner Verfassung
1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d. DDR, 1974ff.; Eggert, W., Das
ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer, B./Engel, E., Vom staufischen
Imperium zum Hausmachtkönigtum, 1976; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A.
1993; Hanisch, W., Als weit das Römische reiche in allen den egenanten
Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101 (1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe
und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989; Duchhardt, H., Altes Reich und
europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die Entstehung des deutschen
Reiches, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich
im Urteil der großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im
Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E.,
Das deutsche Kaiserreich, 2004; Müller-Mertens, E., Römisches Bereich im Besitz
der Deutschen, HZ 282 (2006) , 1
Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch Zusammenziehung aus (mhd.)
daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung für das Gebiet des ->
Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend besiedelte Gebiet.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B., Handbuch der deutschen Geschichte,
1891f.,, 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913, 6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A.
1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970; Andreas, W., Deutschland vor der
Reformation, 1932; Keyser, E., Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938; Kienast,
W., Deutschland und Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.; Raumer, K.
v. u. a., Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands Grenzen,
hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und Gestaltung,
Deutschland 1056-1273, 1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter
Verdichtung, 1985; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und
Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte
1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.; Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Baum,
W., Reichs- und Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte,
1994; Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über
Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche
Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg.
v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998; Nationalatlas
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd. 1ff. 1999ff.;
Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u. a., Deutsche
Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS 2000, 1;
Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das alte böse
Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum ersten
Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der
Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der Integrationsfriede, 2000; Green, A.,
Fatherlands – State Building and Nationhood in Nineteenth Century Germany,
2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs,
A., Ein Jahrhundert wird besichtigt – Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20.
Jahrhundert, ZRG GA 118 (2001), 1; Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler,
H., Deutschland auf dem Weg zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche
Geschichte, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und
die deutsche Einheit, 2002; Plato, A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon
der deutschen Geschichte von 1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste,
H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v.
Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum, E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004;
Goertz, H., Deutschland 1500-1648, 2004; Grigoleit, K.,
Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Pagenkopf, O., Die
Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer, J.,
Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1800-2000, 2004; Weichlein,
S., Nation und Region, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im Mittelalter,
2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A., 2005;
Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a.,
Die Geschichte Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner
Deutschlandpolitik 1989/1990, 2005
Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der westlichen alliierten
Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag der Westmächte mit der
Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955. Er löst die ->
Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik Deutschland die
volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten
zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung Deutschlands,
hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands Einheit, 1996
Deutschösterreich ist die am 30. Oktober 1918 (str.,
Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12. 11. 1918 (Beschluss über die
republikanische Regierungs- und Staatsform)von der provisorischen
Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile -> Österreichs ausgerufene
Republik, die ein Bestandteil der Deutschen Republik sein und nach dem
Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene Siedlungsgebiet der Deutschen
innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs vertretenen Königreiche und
Länder umfassen soll (einschließlich Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen,
Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am 10. 9. 1919 zwischen Österreich und
den alliierten Mächten geschlossene Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye
schließt dies auf Grund der Interessen der nichtdeutschen Mächte aus. Das
Deutsche Reich anerkennt im Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919
notwendigerweise die Unabhängigkeit Österreichs.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Brauneder, W.,
Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000
Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der deutschsprachige Teil
der verschiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft zusammenfassenden
Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H., Beiträge
zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter,
1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 2. A.
1988
Devestierung ist im kirchlichen Recht die das Gegenstück zur sichtbar
gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit einem Amt bei dessen
Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte Entkleidung von dem Amt bei
dessen Entzug (z. B. bei Hus auf dem Konstanzer Konzil). In der Gegenwart wird
die D. nicht mehr durchgeführt.
Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867
Devolution ist der Übergang eines Rechtes von einer Person auf eine
andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des Rechtes zur Verleihung
eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich zuständige Berechtigte
sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D. findet sich bereits bei
Justinian.
Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck 1965;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 343
Dezemberverfassung ist in -> Österreich eine Gesamtheit von sechs am 21.
12. 1867 erlassenen Gesetzen, die einen Reichsrat mit Herrenhaus und
Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als
Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Dezision (F.) Entscheidung, Urteil
Diakon ist in der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener
oder Gehilfe, danach eine Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur
Priesterschaft. In der protestantischen Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh.,
in der katholischen Kirche seit dem zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung.
Hier ist der D., der auch verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische
Handlungen selbständig vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und
Bußsakramenterteilung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980;
Handbuch Geschichte der deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J.,
2000
Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard von Ely (um 1178) ist
ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler über die vom Schatzamt
(lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanzangelegenheiten angewandten
Rechtssätze des englischen Rechts.
Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des Scaccarium,
ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt, übers. v.
Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a., 1983
Diät ist ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der
Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Abgeordneten
für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen
Reiches vom 21. 5. 1906).
Lit.: Butzer, H., Diäten und
Freifahrt, 1999; Urban, N., Die Diätenfrage, 2003
Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und zweiten Buch des Registers
der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete Stücke bzw. genauer 27
undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen zwei Briefen vom 3. und
4. März in das Register eingetragen sind und ohne erkennbare Ordnung Vorrang
und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes betonen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors
VII., in: Monumenta Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Dieb ist der Täter des -> Diebstahls.
Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001
Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache in der
Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe rechtswidrig zuzueignen bzw. ganz
allgemein eine Form von Vermögensschädigung. Im altrömischen Recht hat die
Sachentziehung (lat. [N.] furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des
Wertes und die Infamie zur Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird
der D. zunehmend öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont
daneben den Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D.,
dessen Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer -> Buße geahndet. Mit der
Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der -> Todesstrafe (Hängen),
der kleine D. mit der -> Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht. Die ->
Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung,
doch setzt sich dies nicht vollständig durch. Erst in der ersten Hälfte des 19.
Jh.s wird der D. endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich
beseitigt. 1851 wird in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D.
aufgegeben.
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen,
H., Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im
altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1
Dienst ist die Tätigkeit einer Person für eine andere. Die
Grundlage hierfür ist verschieden, kann aber in einem -> Dienstvertrag
bestehen.
Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E.,
1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945, hg.
v. Auswärtigen Amt, Bd. 1 1999; Concepts and Patterns of Service in the Later
Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000
Dienstadel ist der durch Dienst für einen Herren entstehende Adel z.
B. der Dienstmannen im ausgehenden Frühmittelalter.
Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1
Dienstbarkeit ist ein beschränktes dingliches Recht an einer Sache, das
den Eigentümer in einzelnen Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der
Ausübung seiner Rechte beschränkt. In dieser Beziehung kennt das altrömische
Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad), (M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und
(M.) aquaeductus (Wasserleitung), die als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.]
res mancipi) behandelt werden. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden
sich solche beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften
seit dem Hochmittelalter. Seit dem Spätmittelalter werden die römischen Regeln
über Servituten in abgeänderter Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung
beliebiger Art Gegenstand einer D. sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche
D.). Sie kann sogar dem Eigentümer der Sache zustehen.
Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163;
Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B.,
Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998
Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst allmählich in den Adel
aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des Königs (Reichsdienstmann)
wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19. Jh. ist D. die
Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere
Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen
Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1977;
Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003
Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit geltende Recht. Im Mittelalter
gibt es für die Dienstmannen eines Herrn verschiedentlich ein besonderes,
schriftlich niedergelegtes Recht (z. B. Bischof von Bamberg [1057-64], St.
Maximin bei Trier, Grafen von Ahr, Erzbischof von Köln, Bischof von Basel,
Grafen von Tecklenburg). In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das
Recht des öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H. v.,
Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die
Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965
Dienstvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in welchem sich der eine Teil
(Dienstverpflichteter) zur Leistung von vereinbarten Diensten irgendeiner Art,
der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung
verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört dieser Vertrag zu der
Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner Vorgeschichte unklaren
Konsensualkontrakt (lat. )-> locatio conductio ([F.] Hinstellung - Mitführung)
zusammengefasst sind (-> locatio conductio operis). Er hat deswegen nur
einen geringen Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf
Grund des Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.]
liberales) nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.]
honorarium) anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten
auf Grund grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbindung
geleistet. Diese personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse werden erst in
der hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In
der frühen Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. regelt
den D. im Wesentlichen römischrechtlich und erhofft sich vom freien Spiel der
Kräfte den gerechten Ausgleich. Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit
von Dienstgeber und Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere
-> Arbeitsvertrag für das abhängige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so
dass der D. sich auf wenige Anwendungsfälle beschränkt.
Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler, DRG
45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrages, FS H.
Brunner, 1914, 37
Diepholz
Lit.: Moormeyer, W., Die Grafschaft Diepholz, 1938
Dies interpellat pro
homine (lat., der Termin mahnt für den
Menschen) ist eine Regel des Rechts des Verzugs, die sich für das klassische
römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht
muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine
Zeitangabe bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der
(lat.) -> usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h. Der Code civil
(1804) lehnt ihn ab.
Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 6. A. 1998(Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3, 18, 4, am Ende)
Die Tat tötet den
Mann (d. h. der äußere Erfolg entscheidet,
nicht die innere Einstellung).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat tötet den
Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Dietrich von Bern -> Theoderich
Dietrich von Bocksdorf -> Bocksdorf, Dietrich von
Dietrich von Nieheim
Lit.:
Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et regum Romanorum, hg. v.
Lhotsky, A. u. a., 1956
Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der Spätantike vorhandene,
dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur zwischen den
unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden Lösungen verschiedener
Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche Recht mit dem kirchlichen
Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten verglichen (z. B. Berhard
Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662 [Consuetudines Austriacae],
Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler 1674, Benedikt Finsterwalder).
Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum legale,
1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,345
Differenzgeschäft
Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft
(§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandekten) sind die (9142)
Auszüge aus (mehr als 200) Schriften (wahrscheinlich 39) klassischer Juristen
des römischen Rechts, die der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter
Beseitigung der unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum Gesetz
erhebt. Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Jurist und
Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus
und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus
Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die
erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit
Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in Untergruppen einzelne
Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Juristenkommentaren zum ius civile,
Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der
Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener
vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit 3000000
versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund stehen
Juristen der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5], Papinianus, Gaius
und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7% dessen aufgenommen,
was zur Zeit Justinians von den Schriften der Juristen noch vorhanden ist. Die
Reihenfolge schließt sich an das prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50
Bücher (mit 432 Titeln und 150000 versus) gegliedert, von denen die Bücher 2
bis 46 das Privatrecht und die Bücher 47, 48 das Strafrecht betreffen. Die
sachlichen, teilweise allerdings schon vor Justinian erfolgten Eingriffe in die
Schriften werden in der Neuzeit als -> Interpolationen bezeichnet, deren
Umfang streitig ist. Die wohl wegen ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076
im Westen kaum erwähnten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7.
Jh.s (907 Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte,
vermutlich in Konstantinopel/Byzanz im 6. oder frühen 7. Jahrhundert
zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, im
späteren 11. Jh. in Süditalien wiederentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi
nach Pisa – littera Pisana – , 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte und 1553
erstmals gedruckte Handschrift)und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina
abhängige, aber nach einer von dieser unabhängigen Vorlage durchkorrigierte,
vielleicht in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien
geschaffene Stammform der in drei Teile geteilten Vulgathandschriften) sowie drei
Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt dreigeteilt
in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und Digestum novum
39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme (Rezeption) der
Gedankenwelt der römischen Juristen im Mittelalter. Zitiert werden die D. nach
Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat. [F.] lex) und Anfang (lat.
[N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw. Paragraph (der zweite Abschnitt
wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2, früher [als ff.] nach Titelrubrik und
Anfangsworten der Fragmente).
Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum
seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004;
Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et
Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme,
F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257; Krüger,
H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K., Justinians
Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Honoré,
T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB.
d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Digesten 11 – 20, hg. v.
Behrends, O. u. a., 1999
Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes bzw. unter Verschluss
gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 24,3 bis
38 der Vulgatafassung der -> Digesten, wobei das in D. 38, 2, 82 beginnende
Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile) heißt.
Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum
infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van
de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman,
J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269
Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes) sind die Bücher 39-50 der
Vulgatafassung der -> Digesten.
Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes) sind die Bücher 1-24,2 der
Vulgatafassung der -> Digesten.
Dijon ist als gallorömisches Divio im 2. Jh. n. Chr. nachweisbar.
1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund Stadtrecht. 1477 gelangt es an
Frankreich und erhält 1737 eine Universität.
Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon, 1961;
Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA 94
(1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981
Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt eines von einem ->
Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit ernannten
außerordentlichen Magistrates. Im Anschluss hieran entwickeln sich verschiedene
Formen unbeschränkter Herrschaft eines Einzelnen oder einer Personengruppe.
Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf -> Hitler).
Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 900; Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993;
Korporativismus in den südosteuropäischen Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u.
a., 2005
Dilatura (lat. [F.]) ist eine besondere frühmittelalterliche Buße
bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der
dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43
Diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen Recht die dem sorgsamen
Familienvater angemessene Sorgfalt, deren schuldhafte Verletzung eine
Nachlässigkeit bedeutet.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63;
Köbler, LAW
Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804 Sitz
einer Universität.
Ding (älter thing) ist im Mittelalter und vielleicht schon
vorher die (zu einer bestimmten Zeit stattfindende) Versammlung, in der über
verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann.
Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht.
Unterschieden werden dabei echtes (ungebotenes) D. und gebotenes D. Das D. wird
vom König, Grafen oder von sonstigen Richtern geleitet. Die inhaltlichen
Entscheidungen werden vom Umstand (Dinggenossenschaft) oder besonderen
Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) gefällt. Im 16. Jh. tritt die Verwendung von
D. im Sinne von Gericht zurück, hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in
das 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973;
Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA 28 (1907),
437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG GA 28 (1907),
444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht, ZRG GA 30
(1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG GA
30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des Magdeburger
Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E., Althochdeutsch Thing -
neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss. 104,2, 1958; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Dingfriede ist der im -> Ding einzuhaltende -> Friede.
Dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich Carl von Savigny
entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte,
sachenrechtliche Rechtsveränderungen betreffende Vertrag (Einigung über den
Rechtsübergang an einem Gegenstand) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag
(z. B. Kauf, Schenkung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich Carl von
Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927
Dingliches Recht ist (seit dem 19. Jh.) das eine Sache (körperlichen
Gegenstand) betreffende Recht (z. B. [Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit)
im Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen Recht
(z. B. Kaufpreisforderung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus der
dinglichen Rechte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 623
Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im mittelalterlichen ->
Ding. In welchem Umfang sie bestanden hat, lässt sich nicht ganz eindeutig
bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in seiner zwischen 770 und 780
vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei Dinge.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985
Dionysius Exiguus (Skythien um 475?-Rom um 545) ist ein skythischer Mönch,
der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer griechische Kultur dem
lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete lateinische Sammlung der
griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.] canones) und der
Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber [M.] canonum und
Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist durch zahlreiche
Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl dem Großen die
sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen Berechnung des
Osterdatums führt D. E. erstmals die Jahreszählung von Christi Geburt an (um 5
bzw. 4 Jahre zu spät) ein.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die Canones-Sammlung
des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur Dekretalensammlung
des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus als Kanonist, 1945;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mordek, H., Kirchenrecht
und Reform, 1975
Diplom (lat. [N.] diploma) ist zunächst die durch Falten doppelt
gelegte Urkunde, danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser
ausgestellte Urkunde. Seit dem 17. Jh. ist D. die Herrscherurkunde, die nach
dem Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll.
Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata; Erben, W.,
Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238; Classen, W.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D., Merowingerstudien, Bd. 1f.
1998f.
Diplomat ist der (durch Diplom ausgewiesene, geschickt
handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.
Lit.: Le diplomate au travail, hg. v. Babel, R., 2005
Diplomatik (Urkundenlehre) -> Diplom, Urkunde
Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro 29. 5. 1541) verfasst
nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de Mayno), Perugia und
Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen (lat.) Tractatus (M.)
de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der Doktoren), in dem er
die bedeutendsten Juristen des Altertums und des Mittelalters beschreibt (De
claris iuris consultis).
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172
Dispens ist die Befreiung, insbesondere im katholischen
Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität erteilte Befreiung von der
Geltung eines Rechtssatzes im begründeten Sonderfall.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De privilegiis et
dispensationibus, 1939; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L.,
Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May, G., Die Auseinandersetzungen zwischen den
Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen Stuhl um die Dispensbefugniis im 18.
Jahrhundert, 2007
Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl. weltlichen) Dispenses von
einem kirchenrechtlichen Ehehindernis (z. B. bestehende Ehe) geschlossene Ehe
(z. B. seit 1919 Dispense einzelner sozialistischer Länderregierungen
österreichischer Bundesländer [z. B. Niederösterreich] vom Ehehindernis der
bestehenden unauflöslichen Ehe, woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen
entstehen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung
Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist das Hausgesetz des
Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg (1414-1486) vom 24. 2. 1473, das
nur noch höchstens drei regierende Linien zulässt und 1791 zum Rückfall der
Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der Hohenzollern führt.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883
Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der Verfügungsfreiheit der Parteien im
Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirchlichen Prozessrecht, aus dem sie in
den Prozess vor dem Reichskammergericht übergeht.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004;
Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Disputation (F.) Erörterung
Lit.: Die Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997;
Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 1998
disseisin (mengl.) Besitzentzug -> novel disseisin
Dissens ist die fehlende Übereinstimmung zweier Willenserklärungen
bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen römischen Recht kommt dabei ein
Vertrag dann nicht zustande, wenn der Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn
er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn nachweislich einseitig missdeutet hat.
Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei auch im älteren gemeinen Recht nicht
unterschieden.
Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G., Neue
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Dissertation ist die wissenschaftliche Erörterung einer Frage, die seit
dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaftlicher Befähigung wird. Die Zahl
juristischer Dissertationen in Deutschland steigt dabei im 17./18. Jh. auf
durchschnittlich mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800
nachweisbar). Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im
Verhältnis zur Zahl der Studierenden ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Bibliographisches
Verzeichnis von Universitäts- und Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd.
1ff. 1936ff.; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18.
Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer
Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988
Distinktion (F.) (Unterscheidung, Aufteilung, Unterschied, Auszeichnung)
ist die schon der Antike bekannte, als Ergebnis eines Aneignungsvorgangs
antiker Bildung in Nutzung von Kenntnissen des Triviums im 12. Jh. zum
Kennzeichen der Wissenschaften, insbesondere der Kanonistik, werdende
Untersuchungsweise.
Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktionstechnik in der Kanonistik
des 12. Jahrhunderts, 2000
Disziplinarverfahren ist das außerstrafrechtliche Verfahren bei fehlerhaftem
Verhalten eines Beamten. Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht geschieden (Preußen
1841). Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem
Dienst. Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügen
und darf nicht zur Unterdrückung der Aufdeckung von Missständen missbraucht
werden. Das in Frankfurt 1967 errichtete Bundesdisziplinargericht Deutschlands
in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf die
Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst.
Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung, 1978
Dithmarschen
Lit.: Boie, K., Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens, 1937;
Carstens, C., Bündnispolitik und Verfassungsentwicklung in Dithmarschen,
Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938), 1;
Carstens, W., Geschlecht und Beweisrecht in den Dithmarscher Landrechten, ZS.
d. Gesellschaft f. schleswig-holstinische Geschichte 60 (19419, 1; Stoob, H.,
Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Witt, R., Die Privilegien der
Landschaft Norderdithmarschen, 1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit
nach den Dithmarscher Landrechten von 1447 und 1539, 1978
Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen Recht noch nicht
geregelte Scheidung der Ehe, für die der Wille des Mannes oder beider Eheleute
(die Ehe zu beenden) und ein dies begründender Anlass (Ehebruch der Frau,
Kinderlosigkeit) bestehen muss. -> Ehescheidung
Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22
Doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh. der auch als (lat. [M.])
magister oder professor bezeichnete Lehrer, insbesondere der wissenschaftlich
gebildete Lehrer an der Universität (z. B. quattuor doctores 1158). Im Recht
ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer des weltlichen Rechts) oder doctor
decretalium (Lehrer des kirchlichen Rechts). Seit dem späten 13. Jh. erscheint
in Orléans und Italien der doctor utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h.
des -> ius civile und des -> ius canonicum). Der Titel folgt auf das
Lizentiat und wird in einer kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt
grundsätzlich zum Abhalten von Lehrveranstaltungen und sichert
gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende des Mittelalters gerät er in Verfall.
Seit dem 18./19. Jh. wird deswegen die Habilitation als Voraqussetzung der
Lehrbefugnis entwickelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der
Rechtswissenschaften und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser
Doctores und Judices, ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, in: Das
Profil des Juristen, 1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen
Grades unwürdig, 2002
doctor (M.) iuris (lat.) -> Rechtsgelehrter
doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte
doctor (M.) legum (lat.) Doktor des weltlichen Rechts
Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz
Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932; Piano-Mortari,
V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik, 1981
Doktor -> doctor
Doktorgrad -> doctor
Doktrin (F.) Lehre, Festlegung
Dolo facit, qui petit, quod restiturus est bzw. quod restituere oportet
eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert,
was er demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)
Dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Vorsatz, dolus
malus die Arglist. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste
Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Juristen Gaius
Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist
beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen
Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag.
Gegenüber einer möglichen Verpflichtung kann der Verpflichtete eine Einrede
erheben (lat. exceptio [F.] doli).
Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37;
Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW
Domäne ist in der Spätantike das kaiserliche Grundeigentum. Die D.
ist Vermögen des Kaisers und geht auf den jeweiligen Nachfolger über. Sie wird
getrennt von den Staatseinkünften (vom comes rerum privatarum) verwaltet. Mit
dem Untergang des weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im
Herrschaftsbereich der Franken an den König (->Königsgut). Infolge umfangreicher
Vergabungen gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die
Landesherren. In Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein
Drittel des Landes. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen
Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in
geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen
der D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die
Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die
deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit, die staatliches Domäneneigentum kennen.
In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum haben die Stände das
Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein Ausgabenbewilligungsrecht
hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben im Gegensatz zu den
Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der Monarchie (Deutschland 1918)
fließen sie dem Staat zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die
Domänen fast ganz aufgeteilt. In der Bundesrepublik umfassen sie nur noch weniger
als 0,5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Corsten, S., Das
Domanialgut im Amt Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1962; Klein, W., Die Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht
des 19. Jahrhunderts, 2007
Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30.
11. 1625-Paris 14. 3. 1696), Notarssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655 Kronanwalt und 1683
Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, -> Grotius verpflichtetes
Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel, Die weltlichen
Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht und das dieses
ergänzende französische Recht in der Art eines Lehrbuches des Naturrechts nach
den grundlegenden Sätzen.
Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat
(1625-1696), 1936; Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938
Domesdaybook ist eine zweibändige, unvollständige Landesaufnahme
Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex, Norfolk, Suffolk) auf der
Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von 1066 und 1086. Das D.
dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft. Von 596 im D. genannten Familien
sind 1166 noch 437 in den Cartae baronum erwähnt.
Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book,
1961; Darby, H., Domesday England, 1978; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u. a.,
1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K., Domesday
People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday Descendatns,
2002
Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kaiser als absolutem Herrn und
Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte Herrschaftsform der römischen
Spätantike seit Diokletian (284-313/316).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19; Köbler, DRG
55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978
Dominikaner sind (seit dem 15. Jh.) die Angehörigen des von dem Spanier
Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus dem Geschlecht der Guzmán)
begründeten, 1216 vom Papst unter seinen Schutz gestellten Ordens der Prediger,
dem 1990 677 Klöster mit 6775 Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklöster mit
4225 Schwestern angehören.
Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Hinnebusch,
W., The History of the Dominican Order, 1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die
Dominikaner, 1981; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand und
Anpassung, 1999
Dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht (wie proprietas) das
Eigentum, wobei das d. ex iure Quiritium (quiritisches Eigentum) römischen
Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen Sachen und italischen Grundstücken
möglich ist. Im Mittelalter bezeichnet d. die Herrschaft über ein Gebiet
einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen andererseits. Zugleich wird
ein d. directum (Obereigentum) von einem d. utile (Untereigentum) geschieden.
Mit der Aufnahme des römischen Rechts dringen römischrechtliche Vorstellungen
durch und werden insbesondere gewisse ältere Bindungen des Eigentums
aufgegeben.
Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW; Schmidt,
C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und germanischen Recht,
Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des dominium utile, Diss.
jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Willoweit,
D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Kriechbaum, M., Actio,
ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996; Vandendriessche, S., Possessio und Dominium im
postklassischen römischen Recht, 2006
dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum -> Eigentum
dominium (N.) plurium in
solidum (lat.) Gesamteigentum ->
Miteigentum
dominium (N.) utile (lat.) (vielleicht erstmals bei Johannes Bassianus belegt)
Nutzungseigentum
dominus (M.) terrae (lat.) -> Landesherr
Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser in seinem Land.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Eyben 1660)
Domkapitel ist das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem
gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche erwachsene,
seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende Gremium von
Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das Bistum
vorübergehend verwaltet. Es wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält
eine Reihe von Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der
Sicherung des Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D.
steht bis in das 19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften
erlangen die D. vielfach die Stellung von Landständen.
Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel Deutschlands
als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der geistlichen
Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter
Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hersche, P., Die deutschen
Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984
Donatio (lat. [F.] -> Schenkung) ist im römischen Recht die
unentgeltliche Zuwendung. Sie ist zunächst nur ein Rechtsgrund, der einen
Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser Konstantin wird die d. zu
einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle sind die d. mortis causa (Schenkung von
Todes wegen), die d. post obitum (Gabe nach dem Tod), die d. propter nuptias
(Ehegabe) und die d. reservato usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines
Nutzungsrechts).
Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW; Cappon,
C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von Dietrich von
Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995), 245; Gade, G.,
Donationes inter virum et uxorem, 2001
Doneau (Donellus), Hugo (Chalons-sur-Saône 1527-1591), aus
patrizischer Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (1544) und
Bourges (1546) dort Professor (1551). Als Calvinist flieht er 1572 nach Genf,
geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden und 1588 nach Altdorf. In seinem
Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure civili, Kommentare zum weltlichen
Recht) ordnet er das überlieferte römische Recht nach einem aus ihm selbst
gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten Einzelsätze
besser zu verstehen. Dabei gelingen weiterführende Erkenntnisse (z. B.
Ausdehnung des Satzes [lat.] impossibilium nulla est obligatio).
Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C., Savigny
und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et dogmatique
dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, in: Jacques Godefroy, 1991,
217 ; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische
Rechtsdenken, 2004
Donellus -> Doneau
Dorf ist die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander
liegenden Häusern gebildete, landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D. setzt
die Sesshaftwerdung voraus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw.
kleiner Hausgruppe (Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet
sich das D. in Deutschland im gesamten Gebiet, ausgenommen den Nordwesten, den
Schwarzwald und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch beherrschen
auch Marschhufendorf und Waldhufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem
Nutzungsverband oder auch Gerichtsverband sein, wobei am Nutzungsverband meist
nur die Inhaber vollbäuerlicher Hofstellen berechtigt sind. Der Dorfvorsteher
und evtl. neben ihm stehende Gremien sind unterschiedlich strukturiert und
bezeichnet, die juristische Persönlichkeit lange Zeit nur undeutlich
ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich einheitlich als
-> Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwaltungsbezirkes (1935 Deutsche
Gemeindeordnung) angesehen, zu dem allerdings Selbstverwaltungszüge
hinzutreten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K.,
Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375;
Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich),
1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H.,
Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn
Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganhal, K., Langen-Erchingen
(Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der
oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1
(1937), 265; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Zimmermann,
F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer
Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und
Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung
im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken,
H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W.,
Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R.,
Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und
Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung,
1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H.,
1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980;
Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes, 2006
Dorfgericht ist das in einem -> Dorf und häufig auch nur für
Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde) tätige
Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn und grundsätzlich
nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s verschwindet es
zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht zu
Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der
Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K.,
Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, in: Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K.,
Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1
Dorfordnung s. Dorfrecht, Weistum
Dorfrecht ist das besondere Recht eines -> Dorfes bzw. subjektiv
die besondere Mitgliedschaft in einer Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch
den -> Sachsenspiegel (Landrecht III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht
teils durch Gewohnheit, teils durch Anordnung oder Satzung mit der Territorialisierung
bzw. Lokalisierung des Rechts im Hochmittelalter und verschwindet mit der
staatlichen Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach
erst aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein
1675-1774). Überliefert ist es hauptsächlich im -> Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer
Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917;
Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die
holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die
Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999
Dorpat
Lit.: Luts, M., Eine Universität für unser Reich, ZRG GA 117 (2000),
607
Dortmund
Lit.: Meininghaus, A., Die Grafen von Dortmund, 1905;
Meininghaus, F., Die Dortmunder Freistühle und ihre Freigrafen, Beiträge zur
Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund,
1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft und der freien Reichsstadt Dortmund,
Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v., Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in
Dortmund, 1917; Meininghaus, A., Die Entstehung von Stadt und Grafschaft
Dortmund, 1920; Berken, R. von den, Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850,
1927; Winterfeld, L. v., Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund,
1934
Dos (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die vom
Hausvater der Frau dem Ehemann grundsätzlich gegebene, der Unterhaltssicherung
dienende -> Mitgift, die nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite
schuldlosen Scheidung aus dem Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber
zurückfällt. Im Jahre 18 v. Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote
fundali (julisches Gesetz über Grundstücksmitgift) die Veräußerung eines
Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung der Frau. In der Spätantike wird die
Bestellung einer d. durch den Brautvater zu einer Rechtspflicht. Das Recht der
d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit teilweise aufgenommen (Kurhessen,
Hannover, Braunschweig, Pommern). Nach dem germanischen Recht gibt der Mann
der Frau eine Gabe.
Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R., Geschichte des
ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Brunner,
H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1894, 545;
Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis
16. Jahrhunderts, 1965
Dotalitium (lat. [N.]) ist meist die -> Leibzucht oder das ->
Wittum.
Lit.: Heusler, A., Deutsches
Privatrecht, Bd. 1 1885, 370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali,
1961
Dotalsystem ist das auf der römischrechtlichen -> dos aufbauende
Ehegüterrecht, das von der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe
das Vermögen des Ehemannes treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum
des Ehemannes übergehenden dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption
ändert das römische D. ab, soweit es überhaupt aufgenommen wird. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lehnt das D. ab.
Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694
Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung
Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975
Dou de Bassols, Ramón Llàtzer de (1742-1832) verfasst nach dem
Rechtsstudium in Cervara (1760-1764) und einer anwaltlichen Tätigkeit als
Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des spanischen
öffentlichen Rechts (Instituciones del derecho público general en España,
1800ff.), die sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und jeweils einen
allgemeinen und besonderen Teil gliedert.
Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario
biográfico, Bd. 1 1889, 532
Do ut des (lat.). Ich gebe, damit
du gibst.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)
Douai
Lit.: Espinas, G., La vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913
Drakon ist der athenische Gesetzgeber (Thesmothet), der 624 (bzw.
621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe
(Blutrache) durch strenge Strafen (drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt
und die gewollte Tötung von der ungewollten Tötung und der gerechtfertigten
Tötung unterschieden ist.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, Drakon´s Law on
Homicide, 1968; Gagarin, Drakon and Early Athenian Homicide Law, 1981;
Biscardi, Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die athenische Demokratie,
4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law
of Draco, 1998
Draufgabe (lat. [F.] -> arrha) ist eine Leistung bei Eingehung eines
Vertrages, die als Zeichen des Abschlusses des Vertrages gilt und im Zweifel
auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei Erfüllung zurückzugeben ist.
Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart aber nur von geringer
Bedeutung.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die
Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932
Drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B. aller
guten Dinge [Gerichte] sind drei).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922; Großfeld,
B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh. verbreitete Form der
Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlandes mit Winterfrucht
oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird.
Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W.,
Bauern im Mittelalter, 1985
Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen einteilende Wahlrecht.
Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es z. B. Wählern mit
höherem Steueraufkommen mehr politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium
gewährt (z. B. wählen in Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der
Wähler mittelbar je ein Drittel der Abgeordneten).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Kühne, T.,
Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel, J., Interessen und Ideen im
Konflikt um das Wahlrecht, 1999
Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager Fenstersturz) bis 1648 (Friede
von Münster und Osnabrück, -> Westfälischer Friede) unter Beteiligung
europäischer Mächte (Dänemark, Schweden, Frankreich) währende Religionskrieg im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der dreißigjährige
Krieg und das deutsche Volk, 3. A. 1961; Schormann, G., Der Dreißigjährige
Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C.,
Reichsrebellion und kaiserliche Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jährige
Krieg, 8. A. 1995; Schmidt, G., Der Dreißigjährige Krieg, 6. A. 2004; Oschmann,
A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650, 1991; Englund, P., Die Verwüstung
Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Schmidt, G.,
Der Dreißigjährige Krieg, 4. A. 1999; Zwischen Alltag und Katastrophe, hg. v.
Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F., Der Dreißigjährige Krieg, 2006;
Kampmann, C., Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg, 2006
Dreißigster ist der dreißigste Tag nach dem Tod eines Menschen und die
als gesetzliches Vermächtnis daraus grundsätzlich sich ergebende Verpflichtung
der -> Erben, bestimmten Familienangehörigen des -> Erblassers während
der ersten 30 Tage nach dem Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der
Wohnung und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißigtägige
Beweinung kennt bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint
der D. beispielsweise im -> Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des
Dreißigsten ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch
zum Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum
Dreißigsten ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.)
iacens (ruhenden Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969
BGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G., Das
Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909
Dresden an der Elbe erhält um 1150 eine Burg der wettinischen
Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das Stadtrecht von Magdeburg bestätigt.
Seit 1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828
wird eine Technische Universität eingerichtet, an der 1991 eine juristische
Fakultät entsteht, deren Auflösung 2004 beschlossen wird.
Lit.: Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967; Streifzüge
durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden 1828-2003,
bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU Dresden
1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt Dresden, hg.
v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2006
Dresdener Entwurf ist der in -> Dresden in Sachsen auf Grund der 1862
beschlossenen Schaffung eines einheitlichen Obligationenrechts (->
Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse) der Staaten des ->
Deutschen Bundes beratene Entwurf, der infolge der Auflösung des Deutschen
Bundes (1866) nicht Gesetz bzw. allgemeines deutsches Recht wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann, J., Der
Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle
der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener Entwurf von 1866 und das
Schweizerische Obligationenrecht von 1881, in: Hundert Jahre Schweizerisches
Obligationenrecht, 1982, 57
Drittes Reich ist die nicht unproblematische Bezeichnung des ->
Deutschen Reiches in der vom -> Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers
beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945. Sie geht auf
Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore 1202), der Reiche des Vaters, des
Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück. 1923 weist A. Moeller van den
Bruck auf ein dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und dem Reich
Bismarcks folgendes D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu
einer totalitären Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instrument
der Durchsetzung des Nationalsozialismus wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Rühle, G.,
Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn,
H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im
Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966;
Scheffler, W., Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik
im Dritten Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte
Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979;
Schönbaum, D., Die braune Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im
Dritten Reich, 1981; Broszat, M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich,
R., Wer war wer im Dritten Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten
Reich, hg. v. Tröger, J., 1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten
Reiches, 1984; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u.
a., 1984; Das große Lexikon des Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a.,
1985; Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Lundgren, 1985; Schumacher, U.,
Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und
Staatslehre im Dritten Reich, hg. v. Böckenförde, E., 1985; Gruchmann, L., Justiz
im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2001; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v.
Diestelkamp, B. u. a., 1988; Kropat, W., Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo,
R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., ...
aber im Zivilrecht sind die Richter standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B.,
Entartetes Recht, 2. A. 1989; Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des
Dritten Reiches, 1989; Recht und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u.
a., 1989; Werle, G., Justiz - Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung
im Dritten Reich, 1989; Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten
Weltkrieg, 1989; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003; Schmoeckel, M.,
Die Großraumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten Reich,
1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996; Trott zu Solz,
L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche Herrschaft in
den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F., Lexikon Drittes
Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches Handeln im Dritten
Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich,
1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998; Biographisches
Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger, H. Berichte aus der Justiz des Dritten
Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Geschichte 1933-1945, 1998; Die juristische
Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1998;
Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998; Perels, J., Das juristische Erbe des
Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v.,
Helmuth James Graf von Moltke, 1999; Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches,
2000; Ellmann, M., Hans Lukaschek im Kreisauer Kreis, 2000; Die tödliche
Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001; Klee, E., Deutsche Medizin im
Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich, hg. v. Szöllösi-Janze, M.,
2001; Schott, A., Adam Trott zu Solz, 2001; Studt, C., Das Dritte Reich in
Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002;
Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54; Beevor, A., Berlin 1945,
2002; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten Reich, 2003; James, H., Die
Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Hildebrand, K., Das Dritte Reich, 6. A.
2003; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003; Unschuld,
P., Chronik des Rotary Clubs München, 2003; Klee, E., Das Personenlexikon zum
Dritten Reich, 2003; Tofahrn, K., Chronologie des Dritten Reiches, 2003; Pohl,
D., Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit 1933-1945, 2003; Malinowski, S.,
Vom König zum Führer, 2003; Angrick, A., Besatzungspolitik und Massenmord,
2003; Ciernoch-Kujas, C., Ministerialrat Franz Massfeller (1902-1966), 2003; Regimekritik,
Widerstand und Verfolgung in Deutschland und den besetzten Gebieten, hg. v.
Boberach. H. Erschließungsband zur Mikroficheedition 2003; Stufen zum Galgen,
hg. v. Pätzold, K. u. a., 2004; Kater, M., Hitler-Jugend, 2004; Evans, R., Das
Dritte Reich, Bd. 1 2004; Mühlberger, D., Hitler’s Voice, 2004; Bartels, U.,
Die Wochenschau im Dritten Reich, 2004; Hayes, P., Die Degussa im Dritten
Reich, 2004; Ley, A., Zwangssterilisation und Ärzteschaft, 2004; Gall, L.,
Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft, HZ 279 (2004) 659; Huppuch,
W., Eugen-Rosenstock-Huessy (1888-1973), 2004; Frei, N., 1945 und wir, 2005;
Das Europa des Dritten Reichs, hg. v. Bähr, J./Banken, R., 2005; Finger, T.,
Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hamburg im Dritten Reich, hg. v.
d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst,
2005; Bastian, T., High Tech unterm Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R.,
Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005; Werner, C., Kriegswirtschaft und
Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr. Otto Thierack (1889-1946), 2005;
Confront! Resistance in Nazi Germany, hg. v. Michalczyk, J., 2. A. 2005; Köhler,
I., Die Arisierung der Privatbanken, 2005; Kißener, M., Das Dritte Reich, 2005;
Gesche, K., Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten, 2006;
Voß, R., Johannes Popitz, 2006
Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem Dritten entstandenen Schadens
durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses. Sie ist dem römischen Recht und
dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an sich fremd, für bestimmte
Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck vom 20. 1. 1855 und einer
dogmatischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber gewohnheitsrechtlich
anerkannt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard, I.,
Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992;
Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten,
1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, in: Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193
Drittschutz
Lit.: Hofer, S., Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377
Drittwiderspruchsklage ist die als Interventionsklage entwickelte Klage des
angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die Veräußerung hindernden Rechts an
einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die Zwangsvollstreckung in den
betreffenden Gegenstand.
Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981
Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten. Grundsätzlich wirken
sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger und Schuldner
(relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung, Abtretung und
Schuldübernahme Schwierigkeiten bereiten. Dagegen wirken Sachenrechte
gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s erörtert, aber allgemein verneint.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht
Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de
la France et la coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le
droit commun en France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412
Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in -> coutumiers aufgezeichnete
Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden Frankreichs).
droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches Recht (im Süden
Frankreichs)
Druck ist das Einwirken auf einen Gegenstand mit
Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1454 werden Texte durch Buchdruck vervielfältigt.
Einblattdrucke (z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475
häufig.
Lit.: Eisermann, F., Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke im
Heiligen römischen Reich deutscher Nation, Bd. 1ff. 2004
Druckprivileg ist das seit Erfindung des Buchdruckes (1440-1454) auf
Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in Übung kommende herrscherliche
Privileg, ein bestimmtes Buch ausschließlich zu drucken. Das D. wird seit dem
19. Jh. durch das ->Urheberrecht abgelöst.
Lit.: Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über den
Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970
Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die von zwei voneinander
unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht. In diesem Sinne
besteht seit dem 14. Jh. ein D. (Otto von Gierke 1868) zwischen Landesherr und
Landständen, der im Absolutismus weitgehend verschwindet.
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973;
Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986
Duaren, François (Bourges 1509-1559), adliger Richterssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren Studien bei Budé Advokat am
Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in Bourges. 1544 setzt er sich
in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi iuris (Von der richtigen Art
Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne Studiengestaltung (lat. ->
mos [M.] Gallicus) mit Einführungsveranstaltungen, guten Sprachkenntnissen und
neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender Kommentar über Verträge
beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a. Grundsatz der Beschränkung
der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf die noch vorhandene
Bereicherung).
Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus,
1971
Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171 erhält es das Stadtrecht
von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten gegründet. Seit 1922 ist D.
Hauptstadt Irlands.
Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959
Duell ist der geordnete Waffenkampf zweier Streitender. Die
Wurzeln des Duells reichen in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter durchaus
allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Ross
mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Vom 17. Jh. an wird das D. unter
strenger Strafandrohung verboten. Erst nach Ende der feudalen Gesellschaft
(1918) verschwindet aber das ernsthafte D. gänzlich.
Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896; Fehr,
H., Der Zweikampf, 1908; Dieners, P., Das Duell, 1992; Schmiedel, H.,
Berüchtigte Duelle, 2000; Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002,
537; Walter, W., Das Duell in Bayern, 2002
Duguit, Léon (1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches
Rechtes in Caen und Bordeaux (1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch
als bloße Gruppe von an einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten
und kontrollierten Menschen an.
Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de
Léon Duguit, 1929; Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973
Duisburg an der Mündung der Ruhr in den
Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?)
Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614
an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 ist es Sitz einer Universität.
Lit.: Ahrens, Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten Duisburger
Juristenfakultät, 1962; Roden, G. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.;
Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Die Protokolle
des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Jägers, R.,
Duisburg im 18. Jahrhundert, 2001
Du Moulin (Molinaeus), Charles (1500-1566), aus einer
Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé und dem Rechtsstudium in
Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt nach seiner Vertreibung
wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel, Genf und Straßburg 1553-1555
als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert er die Coutume von Paris, 1567
zahlreiche französische Gewohnheitsrechte (Le grand coutumier).
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980
Dundee wird 1200 erwähnt und erlangt 1883/1967 eine Universität.
Seit 1889 ist es Stadt.
Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891
Duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im altrömischen Recht ein
Organ des Strafverfahrens, im spätantiken römischen Recht ein gemeindliches
Verwaltungsorgan.
Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55
duplum (lat. [N.]) Doppeltes
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65
Durantis, Guilelmus der Ältere (Speculator) (Puimoisson 1237-Rom 1.
12. 1296) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon und Bologna (1255) Rechtslehrer
in Modena und vielfältiger päpstlicher Amtsträger. Sein vierbändiges Hauptwerk
(lat. -> Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel, vor 1276 2. A.
1289-1291, Druck 1574, Neudruck 1975) behandelt, dem Ablauf eines Prozesses
folgend, in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der prozessrechtlichen
Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter Berücksichtigung vieler
Formulare.
Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des
römischen Rechts im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg.
v. Gy, P., 1992
Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise erfolgende Erwerb eines Rechts.
Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989
Durch zweier Zeugen
Mund wird
die Wahrheit kund.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)
dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im
westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux Aqitanorum 909, dux Burgundiae 918,
dux Francorum 937, dux Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae 1088)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R., Dux
und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der Herzogstitel
in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger,
1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I duchi longobardi,
1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003
Dynastie (Herrschergeschlecht) -> Merowinger, -> Karolinger,
-> Ottonen, -> Salier, -> Staufer, -> Welfen, -> Babenberger,
-> Wittelsbacher, -> Wettiner, -> Hohenzollern, -> Habsburger u.
a.
Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe und
Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln
europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in
Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln
europäischer Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des
Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der
Untergang großer Dynastien, 2000
E
Ebenburt -> Ebenbürtigkeit
Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des Geburtsstandes abhängige
rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen Recht das -> conubium. Wann
im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer Rechtsfolge wird, lässt sich nicht
eindeutig feststellen. Immerhin ist erkennbar, dass seit der karolingischen
Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos unter sich heiratet. Später zeigen sich
Auswirkungen auch im Verfahrensrecht (E. der Urteiler, der Zeugen, des
kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem Verlust der Vorrangstellung des Adels
verschwindet (spätestens 1918) auch die rechtliche Bedeutung der E.
Lit.: Köbler, DRG 120; Göhrum, C., Geschichtliche
Darstellung der Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem
der Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die
Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912
Ebenteuer (N.) Sicherstellung
durch gleichen Wert
Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216
Ebstorf
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985
Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht nach Blut) ist eine
mittelalterliche Rechtsregel, die begründet, weshalb Geistliche nicht an
Verfahren teilnehmen dürfen, die zu einer -> Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe
führen können. Sie wird im Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen
1190, Dublin 1214). Sie hat zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen
Herrschaftsgebieten Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das
Blutgericht ausführen. Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung
hält sich die Kirche gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei
Kreuzzügen scheut die Kirche vor dem Blutvergießen nicht zurück.
Lit.: Stickler, A., Il gladius negli
Atti dei concili, Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
6. A.
1998
Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach römischem Recht) ist eine
beispielsweise in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria des 7. Jh.s bezeugte
mittelalterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck bringt, dass die christliche
Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken angenommen hat und ihre Geltung
für ihre Angehörigen einfordert.
Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, 1952ff.;
Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956),
1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Lex Ribvaria 763/4)
Echte Not ist die von der mittelalterlichen Rechtsordnung als
Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere Lage (z. B. ist
Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft, Unwetter] entschuldigt).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene, regelmäßig zu einem
bestimmten Zeitpunkt stattfindende -> Ding.
Eckhardt, Karl August (1901-† 29. 1. 1979)
Lit.: Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v.
Perst, O., 1961; Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v.
Eckhardt, A., 1979
Eddach (mnd.) Eidtag
Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H.
Niedermeyer, 1953, 53
Edictum Theoderici ist der nur durch einen frühneuzeitlichen Druck (1579)
überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5. Jh.?), der in 155
kurzen Kapiteln unter Verwendung des vulgar umgeformten römischen Codex
Theodosianus, des Codex Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der
Paulussentenzen verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in 26 Kapiteln
die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig ->
Theoderich dem Großen (493-526) zugeschrieben werden kann.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Gaudenzi, A.,
Die Entstehungszeit ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953;
Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α,
dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982
Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte -> Edikt des römischen
Prätors.
Lit.: Köbler, DRG 30
Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König Rotharis 643 in 388
Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden (->Volksrecht). Es
berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten (langobardisch cawarfide)
römisches Recht, biblische Gedanken und vielleicht westgotisches, bayerisches,
alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger Rotharis fügen Ergänzungen
an (-> Leges Langobardorum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus ceteraeque
Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin,
A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner,
R., Die Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus
Rothari, 1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et
documenta 34 (1968), 269; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978;
Vismara, G., Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981
Edikt ist allgemein die Bekanntmachung oder der Erlass. In der
römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des Gerichtsmagistrats (Prätors) die
Bekanntmachung vor allem der Grundsätze, die der Gerichtsmagistrat während der
gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will (lat. edictum [N.] perpetuum,
dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer Prozessformel, einer
Rechtsschutzverheißung). Kaiser Hadrian lässt um 130 n. Chr. das Edikt der
Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und praetor peregrinus) und der kurulischen
Ädilen durch den Juristen Salvius -> Iulianus in eine endgültige, nur mehr
durch den Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung bringen.
Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22;
Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum
perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M.
Kaser, 1986, 259
Ediktalzitation ist die durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende Ladung
eines Beklagten, den eine persönliche Ladung nicht oder schwer erreicht (z. B.
durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude). Sie stammt aus dem römischen
Recht. Sie erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19.
11. 1274) und wird danach im Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen.
Sie ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten. Von der E. zu
unterscheiden ist die Feststellung, dass der Beklagte vor Gericht nicht
erschienen ist.
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des
gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 339
Edikt von Nantes ist das am 13. 4. 1598 von König Heinrich IV. von
Frankreich erlassene Edikt, welches das katholische Bekenntnis als
Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (französische Protestanten)
Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.
Edinburgh am Firth of Forth entwickelt sich unterhalb einer seit dem
6. Jh. nachgewiesenen Burg, in der seit dem Ende des 11. Jh.s die schottischen
Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine Universität.
Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779
Eferding
Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954
Eger
Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951), Šimek, E.,
Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972;
Sturm, H., Districtus Egranus, 1981
Ehaft ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des Klosters
Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168
Ehalt ist die örtlich verbreitete Bezeichnung für -> Gesinde.
Ehe ist die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte
Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich
der Vater die Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den
Eltern der Frau in keine verwandtschaftliche Beziehung tritt. Im altrömischen
Recht, in dem die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis ist,
verspricht der Gewalthaber der Braut diese dem Bräutigam. Daneben kann der
Bräutigam seinerseits die Heimführung zusagen. Beides kann durch
Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig danach erfüllt. Die
Eheschließung selbst erfordert den übereinstimmenden Willen, die E.
einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt Eheverbote und
Ehegebote auf. Vielleicht schon im klassischen römischen Recht, jedenfalls in
der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem Einfluss ein stärker
rechtlich geprägtes Verhältnis. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute
genügt der jetzt rechtlich eingeordnete Konsens, der in der Regel nur durch
Urkunden über eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen
sich die kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen
(Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben Entführungsehe],
Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit dem 12. Jh. gilt der Satz, dass
allein die Vereinbarung die E. begründet. Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen
der Rechtssicherheit ein vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des
Ja-Wortes durch den Priester erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung
einer ursprünglich weiteren Bedeutung ihren Namen E. erhält und die vor
kirchlichen Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird
christliches Sakrament. Die protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die
E. als Vertrag. In der frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung gegen das
kirchliche Wesen der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen
Stelle zugelassen oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im
Kulturkampf wird die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger Willenserklärungen
vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875
Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der (zusätzlichen)
kirchenrechtlichen E. fort.
Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18, 23; Hübner
624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114, 120, 161,
209, 238, 267; Baltl/Kocher; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung in
seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck 1965; Sohm, R., Das Recht
der Eheschließung, 1875; Köstler,
R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Schlatter, A., Der
Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts,
1926; Vaccari, P., Il matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher,
G., Das Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im
deutschen Mittelalter, 1936; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den
Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur.
Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poenitentialsummen, 1956; Schwab,
D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit,
1967; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel,
1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Dufour,
A., Le mariage dans l’Ecole allemande du droit naturel moderne, 1972; Giesen,
D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Huber, J., Der
Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Mikat, P., Dotierte Ehe – rechte Ehe,
1978; Raiser, B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im
Dritten Reich, 1980; Buchholz, S.,
Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W.,
1981; Buchholz, S., Recht, Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung
von Ehe und Familie in Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Marriage, property and succession, ed. by Bonfield, L.,
1992; Krüger, J., Die Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H.,
Ehesachen vor dem Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Harmat, U., Ehe
auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe
und Familie, hg. v. Hecker, H., 1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K.,
Die Aufhebung der sog. Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring,
G., Die römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch
(1553-1614), hg. v. Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di
Seidel Menchi S. u. a., 2001; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister
1348-1352, 2001; Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen
Ehe, 2002; Saar, S., Ehe – Scheidung - Wiederverheiratung, 2002; Mammeri-Latzel,
M., Justizpraxis in Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die
römische Ehe als Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe,
2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C.,
Entzweiungen, 2004; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und
Personenidentität im frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Arni, C.,
Entzweiungen, 2004; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von
Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy, C., Marriage in Medieval
England, 2004; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005; Lang, M., Das Eheverbot wegen
Glaubensverschiedenheit, 2004; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006
Ehebruch ist der zumindest bedingt vorsätzliche Vollzug des
Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person anderen Geschlechts. Der
wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach der Bibel die Steinigung
folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) strafbar.
Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und geschoren durch die Siedlung
treiben und damit dem Untergang preisgeben oder überhaupt töten. Ihr männlicher
Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet werden und unterliegt im Übrigen
der Rache und später der Buße. Die christliche Kirche verlangt die
Gleichbehandlung von Mann und Frau, setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den
Städten durch. Dem folgt im Gegensatz zur Constitutio Criminalis Bambergensis
(1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532), äußert sich aber zur Strafe
selbst nicht. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) bestraft die Ehebrecher
nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des beleidigten Ehegatten mit
höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem Religionsbekenntnis ist im
Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund. 1969 wird in Deutschland die
Strafbarkeit beseitigt (Österreich 1996, aber schwere Eheverfehlung). Mit dem
Übergang zum Zerrüttungsprinzip ist E. als solcher auch kein Grund mehr zur
Ehescheidung.
Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 35,
119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22 (1870), 401;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das
Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bullough, V./Brundage,
J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen und deutschen
Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos moicheias, ZRG
RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet,
S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als
Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004
Ehefrau -> Frau
Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten beim Tode des anderen
Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der gewaltfreien Ehe
schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten nachgeordneten) Erbfolge
zwischen Ehegatten. Im deutschen Reich erkennen Stadtrechte im Hochmittelalter
als Folge der Gütergemeinschaft allmählich ein E. an. Nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses.
Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinngemeinschaft (1957) um ein
Viertel.
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 123, 210, 269; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Fröschle, T., Die Entwicklung der gesetzlichen Rechte des überlebenden
Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994
Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter Hausverbänden von
Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh. v. Chr. unter dem
Einfluss der Stoa entwickelt und) unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.)
verboten.
Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke
bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter Ehegatten, in: Familie
und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter Ehegatten, 1998; Gade, G.,
Donationes inter virum et uxorem, 2001
Ehegesetz ist ein die -> Ehe betreffendes Gesetz, insbesondere das
am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich
erlassene Gesetz, welches das Eherecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch
herausführt und u. a. die Ehescheidung erleichtert. 1946 wird das E. von
nationalsozialistischem Gedankengut gereinigt, 1976 das Ehescheidungsrecht
wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254;
Baltl/Kocher; Grachl, P., Die geschichtliche Entwicklung des § 48 Ehegesetzes,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip im
Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ 1988, 1271; Gruchmann,
L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der
Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999
Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten betreffende Recht. Im
altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem Ehemann in der Regel eine
-> dos, die nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem Vermögen des Mannes an den
Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger werdenden gewaltfreien Ehen
bleibt das Vermögen der Ehegatten rechtlich getrennt, wird aber tatsächlich
weiter unter der Verwaltung des Ehemannes gemeinsam genützt. Bei den Germanen
wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann verwaltet. Im Frühmittelalter wird
neben dieser grundsätzlichen -> Gütertrennung mit Verwaltungseinheit bei
Franken und Westfalen eine Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut
sichtbar (-> Errungenschaftsgemeinschaft). Im Hochmittelalter dringt im
weltlich bleibenden E. die -> Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen
weiter vor (allgemeine Gütergemeinschaft, Fahrnisgemeinschaft), wobei die
örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und vertragliche Gestaltungen häufig
werden. In der frühen Neuzeit wird das römische -> Dotalsystem abgewandelt
in einzelnen Gebieten aufgenommen (Braunschweig, Kurhessen). Die
naturrechtlichen Kodifikationen sehen nur gewisse Regelgüterstände vor (§ 1237
ABGB Gütertrennung mit Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) enthaltenen Güterstände werden später auf Zugewinngemeinschaft
(18. 6. 1957), Gütertrennung und Gütergemeinschaft verringert.
Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler,
DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts
in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S., Eheliches
Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über das
eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275; Behre,
E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H., Das
eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur
Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P.,
Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach
bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche
Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in
der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische
Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das
eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die
Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder,
W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für
deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2,
Familienrechtsausschuss, Unterausschuss für eheliches Güterrecht, hg. v.
Schubert, W., 1989; Schmid, K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften
im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen
Güterrecht, 2002; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005;
Lehmann, J., Die Ehefrau und ihr Vermögen, 2006
Ehehindernis ist der einer Eheschließung entgegenstehende Umstand.
Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden)
Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter
Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des
-> conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die
Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im
spätantiken römischen Recht sind christliche Ehehindernisse zu beachten. Seit
dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich nur
wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr Recht der
Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse begegnet
ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf, Österreich
1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen.
Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239
Ehemakler ist der gegen (nicht einklagbares) Entgelt tätige
Vermittler von Ehen.
Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991
Ehepatent ist die 1783 von Joseph II. für Österreich veröffentlichte
Regelung, welche die Ehe als Vertrag ansieht, die Ehescheidung erleichtert und
für Ehestreitigkeiten die Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.
Lit.: Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967
Eherecht ist das Recht der -> Ehe. Es betrifft vor allem die
Eheschließung, die Ehehindernisse, die Ehescheidung und das Ehegüterrecht.
Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Fricke,
F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Plöchl, W., Das Eherecht des
Magisters Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der
eherechtsgeschichtlichen Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das
Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Schönsteiner, F., Grundriss des
kirchlichen Eherechts, 2. A. 1937; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren
angelsächsischen Königsgesetzen, 1941 (SB Leipzig); Emge, C., Das Eherecht Immanuel
Kants, Kant-Studien 29, 243ff.; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht,
1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunders, 1972;
Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen, D.,
Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S.,
Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der
Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und
Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v.
Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W.
Stree/J. Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994;
Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158;
Schwab, D., 20 Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U.,
Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999;
Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005;
Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005
Ehering ist der als Zeichen eines Eheschließungswillens gegebene
Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus (Verlobungsring)
der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue fördert. Er ist im
Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und Langobarden belegt.
Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige Gabe des Bräutigams
an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der Trauung seit dem
Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E. ist bis in das 19.
Jh. aber nur in einer dünnen Oberschicht tatsächlich üblich.
Lit.: Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53
(1933), 1; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981
Ehescheidung ist die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung
eingetretenen Gründen. Sie ist bei den Römern (lat. [N.] -> divortium)
zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirklichkeit
allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christlichen
Vorstellungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Frühmittelalter
wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh.,
verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber
lässt die protestantische Religion seit 1517 allmählich die E. aus bestimmten
Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1. Korinther 7,15), die Stadtgericht oder
Landpfarrer sowie später die Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu.
Die Aufklärung versucht dies auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792,
Österreich 1783 für Protestanten). In England wird 1857 erstmals die E. mit
gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personenstandsgesetz
vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu,
doch wird zur Verhinderung von Ehescheidungen ein Verschulden als
Ehescheidungsgrund gefordert. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche
Verschulden durch die Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein
Ausgleich der Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt
jede dritte Ehe geschieden.
Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267;
Baltl/Kocher; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894;
Damas, P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die Ehescheidung
zur Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die Einführung der
Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht,
1959; Escher, K., Die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in Kleve und Mark
1532-1874, 1967; Mikat, P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die
Entwicklung des deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell,
R., Praesumpta mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des
Bischofs Hans von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von
Württemberg-Weiltingen, 1984; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik,
1986; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271ff.; Wadle, E., Ehescheidung vor dem
Standesbeamten, FS H. Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie
im Scheidungsrecht, 1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen,
1997; Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger
Gerichte, 1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts
zu dem Scheidungsgrund, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung,
2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im Ehescheidungsrecht,
ZRG GA 120 (2003), 280; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über das
Ehescheidungsrecht, 2005; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung
seit 1945, 2006, Försch; H., Die Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die
Reform des Ehescheidungsrechts von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007
Eheschließung ist die Eingehung der -> Ehe. Sie erfordert
geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen
Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht bestimmt, in
der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert das staatliche Recht wieder
durch.
Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung,
1875; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen
Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im Nibelungenlied,
1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der Eheschließung, Bd. 1ff.
1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen Mittelalters, Hess. Bll.
f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung im Ruodlieb und das
Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die germanischen Formen der
Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940; Ritzer, K., Formen, Riten
und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1961; Landau, P., Hadrians IV.
Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511; Schröter, M., Wo zwei
zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die
Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998; Fassbender, M., Das
Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 (Diss. jur. Köln 1998); Siffert,
R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C., Bayerisches Eherecht von
1756 bi1 1875, 2004
Ehevertrag ist der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren
ehelichen Rechtsverhältnisse geschlossene Vertrag zwischen den Eheleuten. Er
betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den
hochmittelalterlichen Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende
Menschen beschränkt.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M., Fürstliche
Eheverträge, 1996
Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der Gesellschaft. Die
Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge nach sich ziehen
(bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr Schutz bleibt
weitgehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen. Bestimmtes Verhalten
führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit, Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte).
Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Kisch, G., Ehrenschelte
und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 1; Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Brauer,
G., Die ehrenwörtliche Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H.,
Die Ehre, 1956; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität,
1965; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht,
1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987;
Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106 (1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v.
Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u. a., Das Konzept der Ehre, 1997;
Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v. Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R.,
Um die Ehre, 1998; Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a.,
Strukturwandel des Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Fama,
hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung –
Untersuchungen zu den Schmähbriefen und Schandbildern, 2004
Ehrenstrafe ist die die -> Ehre betreffende Strafe. Als solche sind
beispielsweise anzusehen das Ausstellen am -> Pranger, das Scheren der Haare
oder das Tragen einer Schandmaske. In der frühen Neuzeit versucht man die E.
gesetzlich festzulegen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s wird ihre Bedeutung
gering.
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen in der
deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck 1970; Künßberg, E. Frhr. v., Über die
Strafe des Steintragens, 1907; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte
des deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen,
1938; Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen,
2004
Ehrlich, Eugen (Czernowitz 14. 9. 1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn
eines Advokaten, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Advokat und 1896 Professor
für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine frühe Schrift über Lücken im
Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung von der Unangreifbarkeit
des staatlichen Rechts. Der Vortrag Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft
(1903) folgert daraus, dass im Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung
erforderlich sei, die sich im Zweifel auf soziologische Überlegungen stützen
müsse. 1913 bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des
Rechts eine der wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der
Rechtssoziologie.
Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die Begründung
der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 2. A. 1986; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S., Soziale
Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische Rechtswissenschaft,
2003
Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11. 1781-Köln 4. 7. 1854),
Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797) in Göttingen (Hugo,
Pütter) 1805 Professor in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in
Göttingen sowie seit 1832-1834 in Berlin. 1808 veröffentlicht er ganz aus den
Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung der deutschen Rechtsgeschichte
(Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit 1823 die Einleitung in das
deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche Privatrecht
systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechtsgeschichte) aussondert.
Die Einheit des deutschen Rechts wird dabei auf die Gemeinsamkeiten der
mittelalterlichen Landrechte, sein System auf die ihnen angeblich zugrunde
liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-1835 folgen noch die
zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.
Lit.: Köbler, DRG 188; Kerler, Zur Lebensgeschichte Karl
Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Jelusic, K., Die historische Methode
Karl Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach
Eichhorns Vorlesung „Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66
(1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987
Eichmann, Eduard (Hagenbach 14. 2. 1870-München 26. 4. 1946) wird
nach dem Studium der Theologie und der Rechtswissenschaft in Würzburg,
Straßburg und München Professor für Kirchenrecht in Prag, Wien und München
(1918-1846) und veröffentlicht 1923 das führende Lehrbuch des Kirchenrechts
seiner Zeit.
Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u. a.,
1940
Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher Verwendung von Maßen.
Diese erfolgt bereits in der hochmittelalterlichen Stadt. Mit verstärkter
Genauigkeit wird die Eichung seit dem 19. Jh. vorgeschrieben.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980
Eid ist die Anrufung einer Macht als Zeugen für die Wahrheit
einer Aussage oder die Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit
verbreitet. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z. B. Handerheben,
Berühren der Bibel usw.). Er ist ein wichtiges Beweismittel im Verfahren (z. B.
Reinigungseid des Beschuldigten, Zeugeneid). Strafbar ist der -> Meineid.
Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der Gerichtseid,
1855ff.; Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883;
Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27
(1906), 331; Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der
Eid bei den Semiten, 1914; Gottlob, T., Der kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck
1963; David, M., Le serment du sacre, 1951; Koller, F., Der Eid im Münchener
Stadtrecht des Mittelalters, 1953; Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister,
P., Die christlichen Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel,
W., Das Ende der bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing,
R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and
the Oath, 1974; Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der
Treueidleistung im merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid,
Meineid und Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992
(deutsch 1997); Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid,
1997; Czeguhn, I., Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der
Eidesbekräftigung des spanischen Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und
Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u. a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der
althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange, S., Der Fahneneid, 2001
Eidgenossenschaft ist allgemein das eidlich bekräftigte genossenschaftliche
Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die -> Schweiz. Hier schließen die
Länder -> Uri und -> Schwyz zwischen 1240 und 1273 einen ersten Bund, dem
1291 und 1315 weitere folgen und zu dem danach zusätzliche Orte hinzutreten.
Von einer Schweizerischen E. wird dabei seit dem späten 18. Jh. gesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse
bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische
Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit
im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur
Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd.
1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der Zusammenschluss
der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung des
Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte
Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der
Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997
Eidhelfer, Eideshelfer, ist im frühmittelalterlichen deutschen Recht
der Mensch, der schwört, dass der Eid eines Eidesleistenden rein und nicht mein
(falsch) sei. Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12 Eidhelfern
sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der E. ist vom Zeugen
grundsätzlich zu trennen. In England wird der Eidhelfereid erst 1833
aufgegeben.
Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885; Schwerin,
C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Ruth, R.,
Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973
Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebietes um Eid
(Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem
kirchenrechtlichen Teil (Christenrecht) in vier Handschriften des frühen 14.
Jh.s überliefert ist (Eidsivathingsbok).
Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des
Borgarthings und des Eidsivathings, 1942
Eigen ist im deutschen Mittelalter das einem Menschen
(uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz zum Gemeinland
(-> Allmende) und zum -> Lehen als einem geliehenen Gut. Häufig wird
neben E. auch das -> Erbe besonders genannt. In den schriftlichen Zeugnissen
betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem 13. Jh. wird E. durch
das vermutlich lateinisch beeinflusste -> Eigentum (lat. [F.] proprietas)
abgelöst.
Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116, 124; Puntschart,
P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des Mittelalters, ZRG
GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA 59 (1939), 194; Ebner,
H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Eigener Herd ist Goldes
wert.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)
Eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand geschriebene und
unterschriebene -> Testament.
Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist die einem Einzelnen
gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin, dass in der christlichen
Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten Haus abgehalten wird, und
darin, dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein
Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäudeeigner vielfach den
dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann
die Kirche übertragen. Im -> Investiturstreit wird die E. als Form der
Simonie bekämpft und danach durch Patronat und Inkorporation ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U., Die
Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der
Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus,
1975
Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind im Mittelalter die
einem anderen gehörenden Menschen. Sie bilden keine in sich einheitliche
Gruppe. Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den ->
Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften Handel
mit Eigenleuten nicht erkennen. -> Hörige
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über Eigenleute
und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die bäuerlichen
Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f. salzburg.
Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1
Eigentum ist das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren
und andere von einer Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer
Zeit ist E. die Gewalt des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der
Vorläufer der beschränkten dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne
scharfe Grenze gegenüber dem -> Besitz. Im klassischen römischen Recht
entwickelt sich das E. als (lat.) -> dominium (N.) ex iure Quiritium an
beweglichen Sachen und italischen Grundstücken, neben dem das E. nach
prätorischem Recht (lat. -> in bonis esse) steht. Gleichbedeutend mit
dominium ist die Bezeichnung (lat. [F.]) -> proprietas. Im nachklassischen
römischen Recht wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw.
beschränkten dinglichen Rechten wieder aufgegeben, doch kehrt Justinian unter
Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen zur begrifflichen
Schärfe des klassischen römischen Rechts zurück. Im germanischen Bereich bildet
das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des Eigentums. Dementsprechend
ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft über eine Sache. Diesem
Eigen stehen vor allem -> Allmende und -> Lehen gegenüber, während die
-> Gewere die äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen
ihres gedanklichen Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit
auch des Eigens ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. egendom
wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat aber keinen
eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt sein. Neben
einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des Lehnsherrn) kann
selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano, Pilius [† 1213, Azo
[zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) ein Untereigentum (lat. dominium
[N.] utile) (etwa des Lehnsmannes) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern
als das umfassende Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand
erfasst, kann E. (dominium) im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände
bezogen (und zwischen mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit
der Aufnahme des gelehrten Rechts fortgeführt. Erst unter dem Einfluss der
Aufklärung und des Liberalismus wird das E. (über Kant) zu einem völlig freien,
von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache
(Thibaut, Über dominium directum und utile, 1801). Am entschiedensten zeigt
sich dies (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von 1863) in § 903 BGB
(trotz Otto von Gierkes vergeblichen Versuchs der Entwicklung eines besonderen
deutschrechtlichen Eigentumsbegriffs). Die fragwürdigen Folgen schrankenloser
Freiheit haben seitdem zur Anerkennung der Sozialbindung des Eigentums geführt.
Außerdem hat sich im öffentlichen Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem
von der Verfassung garantierten E. jede schützenswerte Vermögensposition
versteht.
Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff., 453ff.;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163, 174,
211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65; Arnold,
W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix, L.,
Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die
Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte
in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über
die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R.
v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker,
F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Wagner, H., Das geteilte
Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen
Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70
(1953), 348; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A.
1956; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R., Les
origines du dominium utile, in: Flores legum, 1971, 49; Eigentum und
Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von
Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H.,
Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und
Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom
germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la proprieté,
1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P.,
Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus
pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn,
J., 1987; Kroeschell, K., Die nationalsozialistische Eigentumslehre, in:
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002; Property and Power in the Early Middle
Ages, hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law,
1997; Eigentum im internationalen Vergleich, hg. v. Siegrist, H. u. a., 1999; Eigentum
im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H. u. a.,
2000; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums, 2000; Finkenauer,
T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Michaels, R., Sachzuordnung durch
Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K,
Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum,
Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung, 2004;
Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005
Eigentumserwerb ist der Erwerb des -> Eigentums. Er erfolgt anfangs
originär (ursprünglich) durch Aneignung. Später verdrängt der (abgeleitete) E.
durch Rechtsgeschäft (-> Übergabe auf Grund eines Titels, -> Einigung und
Übergabe) den ursprünglichen E. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt.
Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt, H.,
Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler, G.,
Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201;
Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F.,
Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004
Eigentumsübertragung ist die Übertragung des -> Eigentums von einem
bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer. Ihr geht im römischen Recht
die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines Rechts eines bisherigen
Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues bei einem neuen Berechtigten
folgt, doch kennt bereits das klassische römische Recht den Gedanken der
Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind die (lat. [F.]) ->
mancipatio, die (lat.) -> in iure cessio (F.) und die formfreie Übergabe
(lat. [F.] -> traditio) bei Vorliegen eines Rechtsgrundes. Für die Germanen
ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im Frühmittelalter stehen Einigung
oder Übergabe (ahd. -> sala, lat. traditio) und Besitzeinräumung oder
Bekleidung (ahd. giwerida, lat. -> investitura) in nicht völlig klarer Weise
nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft wird die E. sehr häufig. Sie
erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht und unter Verwendung von
Schriftakten ( -> Schreinskarten). Mit der Aufnahme des römischen Rechts
setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.) titulus (M.) acquirendi und vom
erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi weitgehend durch. Im 19. Jh.
entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen, neben dem schuldrechtlichen Vertrag
(z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrages (abstrakte -> Einigung). Sie findet
Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E.
durch Einigung und Übergabe oder Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch
Einigung (Auflassung) und -> Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen
europäischen Ländern ist die E. ein kausales Geschäft.
Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches Privatrecht,
9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums, 1909; Kleinbub,
M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der
Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB
über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984; Transfer of Title Concerning Movables, Teil 1ff.
, hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006 ff.
Eigentumsvorbehalt ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei einem
bisherigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung bis zu
einem bestimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht (Ulpian
D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse zu C. 4,
54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu Anfang
des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von
Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem
Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der
Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine Anwartschaft, die zum Vollrecht erstarken
soll.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger, W.,
Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum,
1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht, FS R.
Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts, 2000
Eike von Repgow (um 1180?-nach 1233?) ist der Verfasser des (lateinisch-)
mittelniederdeutschen Rechtsbuches -> Sachsenspiegel. Er benennt sich nach
dem Dorf Reppichau bei Dessau im Anhaltinischen. Er tritt in sechs Urkunden
zwischen 1209 und 1233 als Zeuge auf. Er ist schöffenbarfrei und bezeichnet
Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von Quedlinburg, als seinen Herrn.
Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein schreibt und danach übersetzt,
gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen Gesellschaft.
Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest.
Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes
von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der
sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit,
1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und
der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes,
1984; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, in: Rechtsgeschichte
in beiden deutschen Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS
1998, 776
Einantwortung ist die Übertragung z. B. eines Landes (1317)
oder eines Nachlasses (§ 797 ABGBG 1811).
Lit.: Wesener, G., Einantwortung,
FS Kocher, G., 2006, 485
Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der Mutter und ihres
Ehemannes oder die Erteilung des Namens des Vaters an das nichteheliche Kind.
Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen
Kindes, FamRZ 1971, 76
Einem geschenkten Gaul
schaut man nicht ins Maul.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)
Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen -> Verwaltung, der in die
Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen bzw. Staatsbürgers eingreift.
Er ist der Kernbestand der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die ->
Leistungsverwaltung gegenübertritt.
Einigung ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter. Im 19.
Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den
Eigentumsübergang von -> Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte
des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die umständlichen Formen des älteren
Rechts (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese
Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich
anerkannt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich Carl
von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966
Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der Bundesrepublik ->
Deutschland und der -> Deutschen Demokratischen Republik abgeschlossene
Vertrag über die – von Margaret Thatcher eisern bekämpfte - Herstellung der
Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die Deutsche
Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.
Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die
Einheit, 2004
Einkammersystem ist das politische System, in dem das Gesetzgebungsorgan
(-> Parlament) nur aus einer Kammer besteht. Es bildet den Gegensatz zum
Zweikammersystem.
Einkindschaft ist die vertragliche Gleichstellung von Kindern aus zwei
Ehen eines Elternteils. Sie wird wahrscheinlich im Gebiet des fränkischen
Rechts entwickelt (Ingelheim [1378,] 1419). Dabei vereinbaren die Ehegatten der
zweiten Ehe mit den Kindern der vorangehenden Ehe, dass die Kinder unter
Verzicht auf ihr Erbrecht am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten
zugunsten der oder des neuen Ehegatten ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese
erhalten. Die E. ist noch im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794)
enthalten, verschwindet danach jedoch.
Lit.: Hübner 509f.; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss.
jur. Breslau 1900; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968;
Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft, Ius commune 16
(1989), 264
Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher Personen als Steuerobjekt
zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income tax zur Finanzierung des
Krieges gegen Napoleon) 1799, in Ostpreußen 1808 und in Preußen 1851
eingeführt. 1878 beträgt sie in Sachsen bis 5%. Im 20. Jh. wird sie (unter
Verselbständigung der Körperschaftsteuer für juristische Personen 1920) zu
einer der wichtigsten staatlichen Einnahmequellen.
Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die
Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen
Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und
Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in
Deutschland, in: Steuer und Wirtschaft, 1995, 352
Einlager ist die seit dem 12. Jh. bekannte Form der Schuldsicherung,
bei der sich der -> Bürge oder -> Schuldner verpflichtet, bei Fälligkeit
der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne
Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen. Die Kosten der
Unterbringung fallen je nach Vereinbarung dem Hauptschuldner oder dem Bürgen
zur Last. 1577 verbietet eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es
zumindest örtlich bis in das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es
durch die -> Schuldhaft abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128; Friedlaender, E.,
Das Einlager, 1868; Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im
Vollstreckungsverfahren, 1908; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140
Einlassung ist die Bereitschaftserklärung eines Beklagten, mit dem Kläger
über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der Sache nach bereits Bestandteil
des römischen Formularprozesses. In Deutschland wird die E. mit der Aufnahme
des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis contestatio
[F.]).
Lit.: Kaser § 82; Wetzell, System des ordentlichen
Zivilprozesses, 3. A. 1878
Einmal ist keinmal.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus actus)
Ein Mann, ein Wort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)
Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die zunächst bei
einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch für die Entstehung einer
Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur aus einem Gesellschafter
bestehende Gesellschaft.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Einrede ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den
Klaganspruch gerichtete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist bereits dem
römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend
erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland.
Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche romanistische
Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.
Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155;
Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963;
Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die
Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000
Einstweilige Anordnung ist die vorläufige Anordnung des Gerichts in einem
Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich notwendigerweise seit dem Beginn von
Verfahren.
Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der
einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967
einstweilige Verfügung -> Mandatsprozess
Eintragung ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an
unterschiedlichen Stellen Voraussetzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird
in Deutschland die E. in das Grundbuch Voraussetzung für das Entstehen eines
dinglichen Rechts oder die E. einer Gesellschaft in das Handelsregister
Voraussetzung für ihre Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H., Konstitutivakt und
Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze, 1934, 175; Grolle,
N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989
Eintrittsrecht ist das Recht zum Eintritt in eine Rechtslage. Im Erbrecht
ist insbesondere das E. von Enkeln an Stelle vorverstorbener Kinder bedeutsam.
Es wird bereits 595 vom fränkischen König bestimmt und 942 auf Grund eines
Zweikampfes für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts findet es allgemeine Anerkennung im Reich.
Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1; Wesener, G., Zum
Weiterleben römischen Rechts im
Frühmittelalter (in) Cinquante anni della Corte costizuionale della Repubblica
italiana, 2006, 1751
Einung ist die Vereinbarung unter mehreren Menschen. Sie kann
bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden etwa hochmittelalterliche
Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet.
Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel, O.,
Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische Einung,
Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A., Einungen
mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967; Kulenkampff, A.,
Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren, 1971; Spieß, P.,
Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v. Johanek, P., 1993; Moraw,
P., Die Funktion von Einungen und Bünden, in: Alternativen zur
Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E., Bürgereinung und
Städteeinung, 2001
Einwerfung oder Ausgleichung ist die Berücksichtigung eines
Vermögenswerts, der einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers
zugeflossen ist, bei der Auseinandersetzung des Nachlasses. Sie ist dem
römischen Recht als (lat.) -> collatio (F.) bonorum bekannt. Sie findet sich
im langobardischen und westgotischen Volksrecht sowie im -> Sachsenspiegel
und im -> Schwabenspiegel. Ausführlich ist die Ausgleichung in den
neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt.
Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.
Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer Waldes erhält 1283
Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen Fassungen
überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise erhaltene ältere
Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes -> Rothe (Creuzburg
1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet in seinen 10 Büchern Teile des
Meißener Rechtsbuches, des glossierten Sachsenspiegels, des Schwabenspiegels
und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen und anderer gelehrter
Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von 1283 und Eisenacher
Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s. Es wird von einem nicht erhaltenen
Eisenacher Kettenbuch verwertet. 1503/1504 überarbeitet der Stadtschreiber
Johann -> Purgold das ältere Eisenacher Rechtsbuch unter Einbeziehung der
Institutionen und des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren
Eisenacher Rechtsbuches.
Lit.: Die Stadtrechte von Eisenach, Gotha und
Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt, H., Geschichte der
Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch, 1950; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57
ist das im 19. Jh. auf der Grundlage
älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen oder ihm
ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste Eisenbahnstrecke wird
1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche Eisenbahnstrecke
1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits 1838 sieht Preußen auf Grund
eines schriftlichen Votums des Staatsratsmitglieds (1817-1848) Friedrich Carl
von Savigny für die E. eine -> Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten der E.
werden vielfach Grundstückseigentümer enteignet. Die aus militärischen Gründen
überwiegend verstaatlichten Eisenbahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung
des nicht an Schienen gebundenen Automobils (Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit
Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20. Jahrhunderts Streckenstilllegungen
erforderlich sind.
Lit.: Köbler, DRG 176; Anderegg, F., Schweizerische und
bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks
Eisenbahngesetzgebung, 1994; Ziegler, D., Eisenbahnen und Staat im Zeitalter
der Industrialisierung, 1996; Then, V., Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer,
1997; Bracht, C., Der Bau der ersten Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L.,
Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998; Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz
von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152; Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L.
u. a., 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H., Eisenbahnunfälle, 2000; Mitchell,
A., The Great Train Race, 2000; Delbanco, H., Ursprünge des europäischen
Eisenbahnrechts, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts 5 (2000), 215;
Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003
Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf Schienen laufenden, dem
öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden Transportmittel betreffenden
Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die Herrschaft über Raum und Zeit
erleichternde -> Eisenbahn vor allem auf die Bildung von
Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung der
Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das Reich
(bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die
verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert.
Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland seit
1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung,
1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung, 1978;
Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung
des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs
durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische
Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der
Eisenbahn, 2005
Ekenberger, Blasius
Lit.: Elucubratio Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning
Waldemari Lohbuch anno 1595, hg. v. Haff, Jk., 1932
Ekloge ([F.] Auswahl) ist vor allem das römische Strafrecht
abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des Jahres 726, das erstmals
ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet viele verstümmelnde
Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten gegen die Sittlichkeit
aus.
Lit.: Sinogowitz, Studien zum Strafrecht der Ekloge, 1956
Elbing
Lit.: Brünneck, W. v., Zur Geschichte der Gerichtsverfassung Elbings,
ZRG 36 (1915), 24
Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen (lat.) -> mos (M.)
Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissenschaft des 17./18. Jh.s.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990; Van den
Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001
Elsass ist die Landschaft zwischen Oberrhein und Vogesen, die seit
269 n. Chr. von Alemannen besetzt wird. Das E. kommt 870 zum ostfränkischen
Reich. Im Hochmittelalter erringen die Grafen von -> Habsburg wichtige
Rechte, verpfänden ihre Güter 1469 aber an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an
Frankreich, das es seit 1789/1790 zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918
bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslandes Elsass-Lothringen. 1940-1945
wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Stouff,
L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901;
Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass,
1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905; Hessel, A.,
Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne, 1935; Thieme,
H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Colmarer
Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H., Geschichte des Elsass,
Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v. Himly, F., 1970; Seidel,
K., Das Oberelsass, 1980; Dollinger, P., Histoire d’Alsace, 4. A. 1984; Nouveau
dictionnaire de biographie alsacienne, 1982ff.
Elsass-Lothringen -> Elsass, -> Lothringen
Lit.: Jacob, K., Das Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff.
1898ff.; Hamburger, G., Die staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des
Reichslandes Elsass-Lothringen, 1901
elterliche Gewalt -> Eltern, -> Kind
elterliche Sorge -> Eltern, -> Kind
Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985;
Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen
Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der
ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die Sorgerechtsregelungen
bei Ehescheidung seit 1945, 2006
Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes. Von ihnen hat im
römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis zu seinem Tode die
fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas [F.]) über die
Haussöhne und Haustöchter, die nur allmählich gemäßigt wird. In gleicher Weise
untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ. *mundiz) des
Familienvaters. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen
Kinder bis zur Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem
Vater und nur daneben der Mutter obliegt. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche
Gewalt in Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in
gewissem Umfang an wichtigen Entscheidungen beteiligt und die Eltern stärker
auf das Wohl der Kinder verpflichtet sind.
Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die gegenseitigen
Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher, H.,
Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000
Emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die rechtsgeschäftliche
Entlassung des Hauskindes aus der väterlichen Gewalt. Bei ihr werden Söhne
dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen Vertrauensmann
übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen, wodurch sie an
den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung der
väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Hauskind vom
Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem
endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt
des Vertrauensmannes zu fallen.
Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21
Emancipatio (lat. [F.])
Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) geübte Lösung des Haussohns aus der
väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche Verselbständigung (->
Abschichtung).
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160
Emanzipation ist die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder
Abhängigkeit. Sie nimmt ihren Ausgang bei der römischrechtlichen ->
emancipatio. Seit dem 19. Jh. richtet sich die E. hauptsächlich auf die
Befreiung der Frau von der Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im
Familienrecht der zweiten Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996; Jenni, R., Die
Emanzipation der mehrjährigen Frauenzimmer, 1997; Grimme, M., Die Entwicklung
der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und Emanzipation, hg. v. Rennhak,
K. u. a., 2004
Emden
Lit.: Fritzschen, G., Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur.
Göttingen 1958
Emendatio (lat. [F.]) ist die lateinische Bezeichnung für die
frühmittelalterliche -> Buße.
Lit.: Köbler, DRG 91
Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und Adria gelegene,
ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße des M. Aemilius
Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht sie teils unter
der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des Kirchenstaats. Die sich
danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio sowie Parma und Piacenza
kommen 1860 zu -> Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
(Modena, Parma); Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976
Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich
Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des Verfahrensrechts. Zwei Verordnungen
vom 4. 1. 1924 und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft der Partei über das
Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbefugnis des Richters ein und wandeln das
im 19. Jh. errichtete -> Schwurgericht unter Beibehaltung des Namens in ein
großes -> Schöffengericht (3 Berufsrichter, 6 Geschworene) um.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger
vom 4. Januar 1924, 1988; Zivilprozessreform in der Weimarer Zeit, hg. v.
Schubert, W., 2005
Emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des spätrömischen Rechts, die
auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat.
Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il
contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003
Empirismus ist die von -> Bacon (1561-1626) in Fortführung des
mittelalterlichen Nominalismus, dem Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für
einzelne wirkliche Erscheinungen sind, begründete, neue, von kirchlicher
Dogmatik befreite Erkenntnismethode (Begriff von Kant eingeführt), die von der
vorurteilslosen Beobachtung von Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand
von messbaren und zählbaren Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen
soll. Die Erkenntnistheorie des E. entwickelt John Locke (1632-1704).
Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and
Metaphysics, Philosphical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus
Rationalismus, 1996
Emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der -> Kauf. Er ist
ursprünglich wohl ein Handgeschäft, bei dem Abschluss und Ausführung des
Austausches einer Sache gegen einen in Geld bestehenden Preis zeitlich
zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat. [F.]) -> mancipatio
erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über eine res nec mancipi oder
mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des Erwerbers vor Diebstahlverdacht
ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v. Chr. werden Vereinbarung
(Konsensualkontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass die e. v. den Verkäufer
zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung des Eigentums
verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss vielfach
beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des
Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die
Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung zu.
Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9,
15; Köbler, DRG 45
Emser Punktation ist die in Bad Ems im Jahre 1786 getroffene, nicht in
Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier und
Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der deutschen Kirche) vom
Papst zu erreichen.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von der Abgabenpflicht der
kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser Konstantin (306-337). ->
Immunität
Lit.: Köbler, DRG 30
Endlicher Rechtstag ist vor allem im von der -> Constitutio Criminalis
Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen Strafverfahren der der heimlichen
-> Inquisition folgende Tag der öffentlichen Verhandlung, der angesichts des
durch Folter erreichten Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch
förmliche Bedeutung hat. Er entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem
14. Jh. und verschwindet endgültig erst im frühen 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Schild, W.,
Der entliche Rechtstag, in: Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v.
Landau, P. u. a., 1984
Endlösung ist die vom Nationalsozialismus angestrebte und teilweise
verwirklichte Vernichtung des Judentums (Holocaust) in besonderen
Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Dachau).
Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v.
Jäckel-Rohwer, 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002
Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Energiewirtschaft betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Kehrberg, J., Die Entwicklung des
Elektrizitätsrechts, 1997; Grunwald, J., Das Energierecht der Europäischen
Gemeinschaften, 2003
Engadin ist die Tallandschaft in -> Graubünden, die seit dem 10.
Jh. an den Bischof von Chur gelangt.
Lit.:
Jecklin, F., Land und Leute des Unterengadins und Vintschgaus im 14.
Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte des Unterengadis aus
Tiroler Archiven, Jahresbericht der hist. ant. Gesellschaft von Graubünden 53
(1924); Valèr, P., Die Entwicklung der hohen Gerichtsbarkeit, Diss. jur. Zürich
1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol,
ZRG GA 49 (1929), 439; Schwarzenbach, A., Beiträge zur Geschichte des
Oberengadins, 1931; Planta, P. v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931
Engelbert (Poetsch) von
Admont (um 1250-16. 5. 1331) wird nach dem
Studium in Prag und Padua (1278-1287 u. a. Recht) Abt in Admont und verfasst,
beeinflusst von Aristoteles und Cicero, verschiedene staatspolitische
Schriften ([lat.] Speculum virtutum, Tugendspiegel, De regimine principum, Über
Fürstenherrschaft, De ortu et fine Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende
des römischen Reichs).
Lit.: Fowler, G., Engelbert of Admont and the Universal
Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker, Diss. phil.
Würzburg 1973; Engelbert von Admont, hg. v. Baum, W., 1998; Ubl, K., Engelbert
von Admont, 2000
Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28. 11. 1820-London 5. 8.
1895), Textilfabrikantensohn, wird nach kaufmännischer Lehre und dem Besuch von
Philosophievorlesungen Mitbegründer des -> Marxismus (Die Lage der
arbeitenden Klasse, 1845).
Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth, W.,
Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels
Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984
England ist die vereinfachende Bezeichnung für die zunächst von
Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum
Teil von Rom in sein Weltreich eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den
Angeln, Sachsen und Jüten (-> Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen
Inseln. 1066 geraten die Angelsachsen unter die Herrschaft der -> Normannen,
woraus eine ziemlich unterschiedliche anglonormannische Oberschicht entsteht.
Nacheinander regieren Könige aus den Häusern -> Plantagenet (1154-1399),
Lancaster (1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), -> Stuart
(1603-1649, 1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und
Windsor (seit 1910). Bereits 1614 gelingt es dem -> Parlament, seine
Stellung dauerhaft so zu stärken, dass es die Einberufung unabhängig vom Willen
des Königs, die Zuständigkeit für alle Steuergesetze und die Beseitigung aller
Sondergerichte erreicht. 1649 wird König Karl I. hingerichtet, die Monarchie
abgeschafft und E. zum Commonwealth erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als
Karl II. zum König berufen, doch gelingt 1689 in der -> Bill of Rights dem
Parlament der Ausbau seiner Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des
Parlamentes -> Schottlands mit dem englischen Parlament aus der seit dem
Beginn der Herrschaft der Stuarts bestehenden Personalunion die Realunion ->
Großbritannien. Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil indirekter
Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich Weltmacht. In ihm
beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist begünstigte sog.
industrielle Revolution. Das Unterhaus (-> House of Commons) (Wahlrechtsänderungen
1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus (->
House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen
äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als
Weltmacht. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993
Europäischen Union) bei.
Lit.: Köbler, DRG 175; Maitland, F., Roman Canon Lwa in the
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europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,1047,
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Richard I. Löwenherz 1157-1199, 2006; Curia Regis Rolls of the Reign of Henry
III hg. v. Crook, D., Bd. 20-34, 2006
Englisches Recht ist das in -> England (seit 1830 auch in Wales, nicht
dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland) geltende Recht. Seinen
Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen -> Volksrechte (Gesetze) der
-> Angelsachsen. Mit dem Sieg der -> Normannen (1066) wird das ->
angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während am
Königsgericht (-> Court of King`s Bench, -> Court of Common Pleas, ->
Court of Exchequer) eine übergeordnete, französisch (Law French) gehaltene
commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet (->
common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des Königs dem
Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste -> writ (verfahrensrechtliche
Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits 1227 56 verschiedene Arten gibt.
Wegen des Gewichts des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor
ihm durch den writ eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte
Richter im Mittelalter in den Mittelpunkt des Rechts. Dieses wird (neben
allgemeinen Bestimmungen wie der Magna Charta von 1215 oder den Provisions of
Westmoinster von 1259 vor allem) durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur
ausnahmsweise von einem Präjudiz abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in
Latein als records, nichtamtliche Aufzeichnungen durch junge Anwälte in
Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in reports bzw. year books). Dabei kommt zum
königlichen Gericht seit dem Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (->
Court of Chancery) hinzu, das nach Billigkeit (-> equity) urteilt. Seit dem
19. Jh. gewinnt demgegenüber das Gesetz ein gewisses, mit dem Beitritt zur
Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union steigendes Gewicht.
Lit.: Placita
Anglo-Normannica, hg. v. Bigelow, M., 1879; Bigelow, M., History of procedure
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and Lawyers in the City of London 1300-1550, 2007
Enkel ist das Kind eines Kindes. Der E. ist grundsätzlich von der
Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater oder seine Mutter
ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh ein -> Eintrittsrecht zugesprochen.
Lit.: Hübner
Enklave ist das vom Gebiet eines anderen Staats oder mehrerer
anderer Staaten eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats. Für die
zahlreichen Enklaven der Länder des Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation) ist ein allgemeines Durchzugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter
Kräfte bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in
Deutschland noch mehr als 200 Enklaven.
Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen
Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie
Reichsländer, 1927
Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1. 4. 1843-Marburg 31. 5.
1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von Mathematik und Recht 1872
außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873
ordentlicher Professor in Marburg. Er verfasst 1898 ein während der ersten
Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (Allgemeiner
Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928, Schuldrecht, 28.-30. A. bzw.
zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in Deutschland.
Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A.,
Ludwig Enneccerus 1843-1928, 1999
Enteignung ist die Entziehung oder Belastung des Eigentums durch
staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher Belange. Die E. wird
bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel
geübt und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen
Stadt (Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche
Beschränkung festgelegt oder sogar das -> Eigen gänzlich entzogen werden.
Das Naturrecht anerkennt allgemein die E. gegen Entschädigung (-> Grotius,
§§ 74, 75 Einleitung zum ALR, § 365 ABGB, Zwangskauf). Seit der französischen
Revolution (1789/1810) werden als grundlegende Voraussetzungen der E. (franz.
[F.] expropriation) ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren
sowie eine ausgleichende Entschädigung angesehen. Im 20. Jh. bildet in
Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14 GG) die Rechtsgrundlage für den
Eingriff in das Eigentum.
Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124, 163,
212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902; Hedemann,
J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1 1930, 225;
Mann, F., Zur Geschichte des Enteignungsrechts, in: Hundert Jahre deutsches
Rechtsleben, Bd. 2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1770; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts, in: Wissenschaft
und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121; Pennitz, M., Der
Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des Enteignungsrechts
1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung, Bd. 1f. 2. A.
1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath, C., Macht und
Eigentum, 2004
Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die Rechtsprechung 1952 als
entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige, einer rechtmäßigen
Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine vermögenswerte
Rechtsposition.
Lit.: Köbler, DRG 259
Enterbung ist die bereits dem klassischen römischen Recht (lat. [F.]
exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines gesetzlich
Erbberechtigten durch -> letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo
letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.
Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38; Siegel,
H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen
Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Entführung ist die rechtswidrige Fortführung eines Menschen,
insbesondere einer (einwilligenden) Frau zur Erreichung sexueller Ziele. Die
E. begründet im Frühmittelalter eine -> Fehde. Im Spätmittelalter wird für
E. (ohne Einwilligung) wie für Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht.
Seit der Mitte des 18. Jh.s tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche
Freiheitsstrafe.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967, 145
Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche
Gesetz.
Lit.: Köbler, DRG 273
Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts vom Rumpf mittels
Schwert oder später mittels Guillotine vollzogene Tötung bzw. ->
Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967
Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der Keimdrüsen eines
Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu einer Buße
(Wergeld). Sie kann im Mittelalter auch als Strafe (bei Vergehen gegen die
Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im Dritten Reich wurden in Umsetzung älterer
Überlegungen rund 366000 Menschen zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
sterilisiert.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928,
Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S., Ein
ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000
Entmündigung ist die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten
dem Alter nach an sich zustehenden -> Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach
dem Zwölftafelgesetz (5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio
(Untersagung) (des Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und
Verfügungsgeschäften ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des
Verschwenders eine -> Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im
Mittelalter wird die Familie tätig, welche die E. vor Gericht kundzugeben hat.
Später greift die Obrigkeit ein. Der Entmündigte erhält einen Vormund. In
Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz vom 12. 9. 1990) durch die -> Betreuung
ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Schwarz, A., Die
Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998
Entnazifizierung ist die Reinigung von nationalsozialistischem Gedankengut
und die damit verbundene Entfernung von Anhängern des -> Nationalsozialismus
aus ihren beruflichen Stellungen. Sie erfasst im Gebiet der alten Bundesländer
der Bundesrepublik Deutschland 3,6 Millionen Fälle. Als Folge werden 486
Menschen hingerichtet, 1667 als Hauptschuldige, 23060 als Belastete, 150425 als
Minderbelastete, 1500874 als Mitläufer und 1213873 als Entlastete eingestuft.
Andererseits entsteht bald eine überparteiliche Übereinstimmung dahin,
Belastete rasch in die demokratische Gesellschaft einzugliedern. In Westberlin
werden zwischen 1955 und 1979 mehr als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafaen von
insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau,
Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972;
Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Hornhardt, G., Die
Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Vollnhals, Entnazifizierung, 1991;
Frei, N., Vergangenheitspolitik, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung
in der SBZ, 1997; Borgstedt, A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951,
2001; Entnazifizierung im regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004;
Deissler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung
des Zivilrechts, 2004; Entnazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Botor, S.,
Das Berliner Sühneverfahren, 2006
Entsippung ist das im Frühmittelalter verschiedentlich erkennbare
(freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus einem Verwandtschaftsverband
(-> Sippe).
Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, 129
Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige) Verlust der ->
Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich bereits im römischen
Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an den Verkäufer halten,
wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten worden ist.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902
Enzyklopädie (F.) -> Rechtsenzyklopädie
Lit.: Vulgariser la science: les encyclopédies médiévales,
hg. v. Ribémont, B., 1999 ; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter
bis zur frühen Neuzeit, hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des
Rechts, 2004; Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v.
Schneider, U., 2006
Episcopalis audientia (lat. [F.]) ist die in der römischen Spätantike
einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des -> Bischofs.
Lit.: Köbler, DRG 56
Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem umfangreichen
Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum [Byzanz 920])
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
eques (lat. [M.]) -> Ritter
Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus,
1997
Equity (engl.) ist allgemein die -> Billigkeit und im
besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach denen das Gericht des
Kanzlers (-> Court of Chancery) des -> englischen Rechtes unter Rücksicht
auf die Umstände des Einzelfalles, aber ohne unberechenbare Freiheit des
Ermessens, verfährt. -> aequitas
Lit.:
Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of contract in early English
Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002;
Macnair, M., The Law of Proof in Early Modern Equity, 1999
Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich für die Aufgabe einer
Erbaussicht. -> Abschichtung, -> Aussteuer
Erbach
Lit.: Killinger, G., Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach,
1912; Steiger, U., Die Schenken und Herren von Erbach, 2007
Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.) unter mehreren Erben
(M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe (lat. [M.] ->
coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden Gemeinschaft am Erbe
(lat. [N.] -> consortium) jederzeit mit dem Erbteilungsklaganspruch (lat.
-> actio [F.] familiae erciscundae) fordern. Seit der jüngeren Republik
erhält jeder Miterbe schon während bestehender Gemeinschaft ein quotenmäßig
begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen, über das er jederzeit
verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die Erbteilung begehren. Eine
Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich. Allerdings erben mehrere
Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand, so dass der einzelne
Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen kann. Jeder kann aber
Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach einer auch schon bei
Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater Augustin (354-430)
bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung fähige) Ältere teilen
und der Jüngere (den ihm günstiger erscheinenden Teil) wählen (-> maior
dividat, minor eligat). Die gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über
den gesamten Erbteil zulässt.
Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2
Erbbaurecht ist das veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter
fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben. Ihm entspricht im römischen Recht
schon früh die Bürgern vererblich, aber zunächst wohl nicht veräußerlich
erteilte Befugnis, auf städtischem Boden gegen Bezahlung eines Bodenzinses
(lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um die Zeitenwende tritt zu diesem
als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht hinzu, auf einem privaten
Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] -> superficies) zu haben. Justinian
erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete Recht teils
als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse. Im
Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die -> Erbleihe städtischer
Grundstücke, die dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches,
unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum
-> Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies
aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die
insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen
ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücksgleich
bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks
am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der
Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer des einen wesentlichen Bestandteil
des Erbbaurechts bildenden Gebäudes.
Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240;
Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969
Erbbaurechtsverordnung -> Erbbaurecht
Erbe (M.) ist der Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind
in den ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos
gewordene Gut ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht
treten mit dem Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunterworfene
Ehefrau als Rechtsgemeinschaft (lat. [N.] -> consortium) der (lat.) ->
sui heredes (M.Pl.) an seine Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die
Agnaten (z. B. Geschwister des Erblassers, Geschwister des Vaters des
Erblassers usw.) oder hilfsweise auch an die Gentilen als sog. Außenerben.
Möglich sind aber Abschichtung und Abänderung durch ein Testament. E. (lat.
[M.] -> heres) ist dabei nur der E. nach dem Recht der römischen Bürger
(lat. ius [N.] civile), dessen Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf
dem vom Kaiser geschaffenen Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen
Erben schaffen, sondern nur den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.])
bestimmter Menschen wie den eines Erben schützen. Justinian stellt Männer und
Frauen sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die
Agnaten 543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue
Erbklassen, von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die christliche
Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und philosophischen
Gerechtigkeitsvorstellungen heraus allmählich einen Anteil an jedem Erbe
(-> Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater (während seines
Lebens als Verwalter für die Familie oder den Verwandtschaftsverband) besonders
zustehende Gut mit seinem Tod auf seine Kinder über, Grund und Boden vielleicht
nur auf die Söhne. Mehreren gehört es bis zu seiner Aufteilung
gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da der Vater des
Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst Onkel usw.
Stirbt die Frau, so fällt das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr
gegebenenfalls vom Mann zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an
den (ursprünglich) Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter
gibt es noch keine Möglichkeit zur Veränderung dieser Regeln. Erst im
Hochmittelalter wird das -> Testament aufgenommen. Seitdem stehen neben den
gesetzlichen Erben die gewillkürten Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von
Recht zu Recht unterschiedlich. An vielen Stellen dringt die justinianische
Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh. wird hieraus das -> Parentelensystem
entwickelt (Joachim Georg Darjes 1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
verbessert sich die rechtliche Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das
nichteheliche Kind erhält in Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen
Erbersatzanspruch, 1998 wird es gleichgestellt.
Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine Erben“, ZRG GA 84
(1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern. Kinder- und
familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters,
2001
Erbe (N.) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlass eines
verstorbenen Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch
Schulden. Manche Gegenstände können dabei zeitweise einer -> Sondererbfolge
unterfallen (z. B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).
Lit.: Kaser § 65 I; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 2
Erbeinsetzung ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht schon im
altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das Kernstück
jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu Kaiser
Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres esto,
Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder
lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es
eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen
Kindes, die ein fehlendes -> Eintrittsrecht ersetzt.
Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G.,
Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968
Erbengemeinschaft ist die im Falle mehrerer Erben (Miterben) entstandene
Gemeinschaft (lat. [N.] -> consortium). Sie ist im klassischen römischen
Recht sowie im neuzeitlich aufgenommenen römischen Recht
Bruchteilsgemeinschaft, sonst meist Gesamthandsgemeinschaft. Sie endet durch
-> Erbauseinandersetzung.
Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des Erbrechts,
1962, 538
Erbenhaftung ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers (und
der Erbschaft). Wohl schon das römische -> Zwölftafelgesetz (451/450 v.
Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der die
Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge von
selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selbständige Schulden. Der Erbe
haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall
bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich
aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft
ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die
ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer
Sicherheitsleistung oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen
(lat. separatio [F.] bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben
die Wohltat des -> Inventars (lat. -> beneficium [N.] inventarii), wonach
er durch die Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die
Haftung für Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft
beschränken kann. Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im
-> Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden
(z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für
alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die
justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen.
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis, W., Die
Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die Schuldenhaftung
der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27 (1906), 92; Freytagh-Loringhoven,
A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Enneper, C., Die
Reform der Erbenhaftung im Erbrechtsausschuss, 1993; Peer, R., Die Vorschläge
der Akademie für Deutsches Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die
Haftung der Erben im preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997
Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen Recht (z. B. ->
Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts erwachsende
Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis) des (zur Zeit einer Verfügung)
nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über ein
Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf. Fehlt das E., ist das
Geschäft zwischen Erblasser und Dritten gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser
kann es angreifen und das veräußerte Gut teils ohne Gegenleistung, teils gegen
Erstattung des Kaufpreises (-> Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe
hat diese Rechte bis zu einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886, 54;
Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren Walliser
Recht, 1955
Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Befugnis eines
Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes Verfügungsgeschäft über ein
Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des Kaufpreises an den Erwerber
rückgängig zu machen.
Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853
Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des nächsten künftigen Erben
(z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen Erblassers. Es ist eine Art
Anwartschaft auf die in Aussicht stehende Erbschaft. Es beruht auf der
Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich (allmählich nur noch) im ->
Erbenlaub und der -> Erbenlosung bzw. dem ausgleichsfreien
Herausgabeanspruch (Revokationsrecht) aus. In der frühen Neuzeit wird es durch
den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt.
Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur
Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das
Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H.,
Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217
Erbfolge ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den
Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in der Hinsicht
Regeln, wer der -> Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben) innerhalb der
Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind). Dabei
unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen Hauserben (lat. -> sui
heredes [M.Pl.) und Außenerben und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, die
in der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive
ausschließenden Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren
sowie der vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer
Kinder (3) und der übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht
trennt zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften
gegliederten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel verwendet hierfür das
Bild des menschlichen Körpers, bei dem der Erblasser durch den Kopf, die
Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals, die Enkel, Großeltern,
Elterngeschwister und Geschwisterkinder durch die Schulter, die Urenkel,
Urgroßeltern, Großelterngeschwister, Elterngeschwisterkinder und
Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die Ururenkel, Ururgroßeltern,
Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwisterkinder, Elterngeschwisterenkel
und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk usw. versinnbildlicht werden und
ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu
gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen
landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein ->
Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der Frau
verringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen Rechtes
in das deutsche Recht ein. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die
gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor und werden (jeweils außer dem Ehegatten)
fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben nach einem -> Parentelensystem
unterschieden (Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge, Großeltern und deren
Abkömmlinge usw.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so erbt der -> Fiskus als
gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Besonderheiten gelten für die E. in die
Stellung eines Monarchen.
Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht,
1853; Stobbe, O., Die Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen,
1865; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Erbenfolge, 1870; Gál, A., Der
Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven,
A. Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung
des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7
1908; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen
Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529
über die Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961),
310; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Diestelkamp, B., Das Verhältnis von
Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme 1977, 1;
Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht, Gedächtnisschrift
W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Buchholz,
S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen, D., Vorweggenommene Erbfolge,
1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des Sachsenspiegels und des Magdeburger
Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der
neueren Privatrechtsgeschichte, 2005
Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streits um die -> Erbfolge in
einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer E., schlesischer E.,
spanischer E.). Er endet vielfach mit einer einvernehmlichen Güteraufteilung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Erbgut ist im deutschen Mittelalter das durch Erbfolge erworbene
Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das E. gelten bis in die
Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z. B. ->
Erbenwartrecht).
Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.
Erbhof ist allgemein der durch lange -> Erbfolge im Eigentum
einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten Reich wird für den Eigentümer
des vom -> Reichserbhofgesetz (1933-1947) erfassten Erbhofs die ->
Testierfreiheit eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 239
Erbhuldigung ist in den österreichischen Erbländern der besondere Akt
der -> Huldigung (der Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in
Niederösterreich auf das Jahr 1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in
Kärnten auf die Herzogseinsetzung auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal
zurückgeführt wird.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in
Kärnten, 1899
Erblande sind die (seit alters) ererbten Länder gegenüber neueren
Ländern. Zu den österreichischen Erblanden zählt zunächst das Herzogtum
Österreich einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens und Tirols. Später
kommen Burgund sowie Böhmen hinzu. Schließlich werden unter dem Begriff der E.
alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens von Ungarn, Galizien und
den italienischen Ländern geschieden. Der eher privatrechtlichen Vorstellung
der E. entspricht dann der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren
zwischen österreichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275
Erblasser ist der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe hinterlässt.
Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung
des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983
Erbleihe ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht
die erbliche, meist entgeltliche -> Leihe von Grundstücken. Sie entspricht
in vielen Zügen der spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe
(Prekarie). Sie entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in
der ländlichen Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins
allmählich eine privatrechtliche -> Reallast an Eigentum. Auf dem Land
treten zu dem privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente
der Herrschaft des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier
mit der Beseitigung der -> Grundherrschaft im 19. Jh.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers,
J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Schwind,
E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891, Neudruck 1973;
Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901), 181;
Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe
Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in
Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt
Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den
westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der
Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939
Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer Dynastie auf die
(staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige Römische Reich
(deutscher Nation) schwankt zwischen Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines
Erbreichsplans Heinrichs VI. im deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich
kommen aber die Könige und Kaiser des Reiches seit 1438 fast durchweg aus dem
Hause -> Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der
Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird.
Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan
Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan,
2004
Erbpacht -> emphyteusis
Lit.:
Brunner, H., Die Erbpacht der Formelsammlungen, ZRG GA 5 (1884), 69
Erbrecht ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das ->
Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des Erben am Nachlass.
Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechts an ein wichtiger Bestandteil
(des Privatrechts). Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche)
-> Erbfolge, die schon im altrömischen Recht und danach erneut im
hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die gesetzliche
Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge, -> Erbvertrag, ->
Testament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E. zunehmend durch die ->
Erbschaftsteuer beeinflusst.
Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner 734;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher;
Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133; Brunner,
H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107; Brunner, H.,
Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen Weibererbrechts, ZRG GA
21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche Grunderbrecht, 1899; Escher, A., Der
Einfluss des Geschlechtsunterschiedes, 1899; Schultze, A., Der Einfluss der
Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Ferrari,
G., Ricerche sul diritto ereditario, 1914; Fischel, A. v., Erbrecht und
Heimfall auf den Grundherrschaften Böhmens und Mährens, Archiv für
österreichische Geschichte 106 (1915); Schultze, A., Augustin und der Seelteil
des germanischen Erbrechts, 1928; Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“, ZRG GA 50 (1930),
354; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht der Rechtsquellen Unterwaldens,
Diss. jur. Bern 1930; Plucknett, T., A Concise History of the Common Law, 5. A.
1956, 516; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche
Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen
Rechtsquellen, 1959; Besta, E., Le successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The
Will in Medieval England, 1963; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des
Familien- und Erbrechts, 1964; Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt
Esslingen, 1965; Bart, J., Recherche sur l’histoire des successions, 1966;
Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968;
Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk
Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia
del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bley,
H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1977; Schröder, R., Abschaffung oder Reform des
Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss. jur. Freiburg
1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des
Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101
(1984), 117; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der
Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines
Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und
Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Kasten,
B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9. Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990),
236; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G.,
Der Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die
Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der
Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001;
Beckert, J., Unverdientes Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches
Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122
(2005), 88
Erbschaft ist das aus Rechten und Pflichten bestehende Vermögen des
Erblassers, das bei seinem Tod als Ganzes auf eine oder mehrere Menschen
übergeht. Lateinisch heißt die E. -> hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der
Grundstücke, Rechte und Verpflichtungen zur E. entwickelt sich erst allmählich.
Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der
Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und Pflichten des Erblassers
(Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge). Er erfolgt
grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Dagegen müssen im römischen Recht die
Außenerben (Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt,
lat. [F.] aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des
Erblassers und dem Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat.
hereditas [F.] iacens) vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit
in einigen Rechten (für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschiedentlich
eine Einweisung in die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich. Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch
wird die Erbschaft unmittelbar erworben.
Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210; Huber,
E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893, 541;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H.,
Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des
Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb
im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanspruch ist bereits im klassischen römischen Recht der Anspruch des
Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen Vermögensvorteil aus der
Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat. hereditatis petitio [F.]), wobei
ein gutgläubiger Besitzer nach dem -> Senatusconsultum Iuventianum (129 n.
Chr.) nur herauszugeben hat, worum er bereichert ist. Der Erbe nach
prätorischem Recht (lat. bonorum possessor [M.] ) kann die Herausgabe auf Grund
eines (lat.) interdictum (N.) quorum bonorum verlangen. Der E. wird in der
frühen Neuzeit weitgehend übernommen.
Lit.: Köbler, DRG 37
Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder aus dem Erbfallsvorgang
herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach römischem Recht mit der von
Justinian gewährten Rechtswohltat des -> Inventars. Im Hochmittelalter
haftet noch im Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte
Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind.
Später ist für alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird
die Rechtswohltat des Inventars aufgenommen. -> Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG
59, 123
Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines Vermögens durch -> Erbfolge
erfassende -> Steuer. Ihr gehen bereits im Mittelalter Sterbefallsabgaben
etwa an den Grundherrn (-> Besthaupt, Buteil) voraus. Im Deutschen Reich
wird 1906/1911 eine E. eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr
großen Vermögen zu sehr beachtlichen Steuern. Sie werden im Laufe des 20. Jh.s
(z. B. 1997 bis 30%) noch erhöht.
Lit.: Köbler, DRG 210
Erbschein ist das amtliche, vom Nachlassgericht auf Antrag
auszustellende Zeugnis des Erben über sein Erbrecht und bei mehreren Erben auch
über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein entsprechendes Zeugnis kennen
bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es allerdings auf den Fall der
gesetzlichen -> Erbfolge beschränken. Aus den Erbbescheinigungen in
Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze Preußen entwickelt sich
der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das deutsche
Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen Rechts zum
Erbschein des BGB, 2004
Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze) der bäuerlichen Gemeinde
der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat
meist einen besonderen Erbschulzenhof.
Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834;
Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, in:
Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115
Erbteilung
Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36
(1915), 478
Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine weitere weibliche
Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über sie werden vielfach
bedeutende Güter vererbt (z. B. Maria Theresia in Österreich).
Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A.,
Prinzipien der Thronfolge in Europa, in: Vorträge und Forschungen, 1986
Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen Recht (in Preußen) die in
Abschwächung der Leibeigenschaft entstehende grundherrschaftliche Abhängigkeit
(Unfreiheit).
Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Erbunwürdigkeit ist die im spätrömischen Recht aus Einzelfällen entwickelte
Unwürdigkeit, Erbe zu sein. Dem Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat
(lat. [N.] aerarium, später [M.] fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen
Recht übernommen.
Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss. jur.
Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erbverbrüderung -> Erbvertrag
Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867
Erbvertrag ist der Vertrag zwischen mindestens zwei Menschen, in dem
mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige
Verfügungen von Todes wegen trifft. Der E. ist im römischen Recht (als
sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den griechischen Rechten dagegen
geläufig und deswegen in der oströmischen Rechtswirklichkeit im Gegensatz zum
gesetzlichen Verbot verbreitet. Das Frühmittelalter kennt mit der fränkischen
-> Affatomie und dem langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlass
einem nicht verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas
später gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an
Bedeutung, für die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann
insbesondere die seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger
Familien) zwecks Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457
Braunschweig, Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg). In der frühen Neuzeit
werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom -> usus modernus pandectarum
bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage
bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt bei Leyser (1683-1752), Böhmer (1674-1749)
und Heineccius (1681-1741). Die Kodifikationen lassen den E. zu, wobei ihn das
österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) auf Ehegatten
beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des Erbvertrags erfolgt
durch Hasse 1828.
Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, Rhein. Museum für Jurisprudenz 2 (1828),
Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd. 1ff. 1835ff.;
Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R., Erbverbrüderungen,
1867; Kugelmann, Gemeinrechtliche Begründung des partikulären Erbvertrages,
1875; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, in: Bartolo di
Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Weimar, P.,
Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T.,
Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts,
2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005
Ercto non cito (lat.) ist die altrömische Erbengemeinschaft (lat. [N.]
consortium).
Lit.: Kaser §§ 66 I 2
Erfindung
Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des deutschen
Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren Geschichte und
vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen Erfindungsschutzes, ZRG GA 62
(1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F.,
Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr, 2004
Erfolgshaftung ist die beim bloßen Vorliegen eines Erfolgs ohne Rücksicht
auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende Haftung (wie sie in dem
spätmittelalterlichen Rechtssprichwort -> „Die Tat tötet den Mann“ zum Ausdruck
gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter auch die Strafbarkeit wegen
eines bloßen verursachten Erfolges verstanden. E. in diesem Sinn ist für die
Frühzeit in weitem Umfang wahrscheinlich, weil ein Anknüpfen am verursachten
sichtbaren Erfolg geringere Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines
inneren unsichtbaren Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass
bestimmte äußere Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen
entsprechen. Abweichend hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht
(-> Zwölftafelgesetz [451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und
nicht gewolltem Erfolg. Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung
auf die Haftung für ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung
für das Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem
Verhalten eines Gewaltunterworfenen (-> Noxalhaftung) anerkannt. Dieser
Entwicklung entspricht es, dass das germanische Recht zwar am äußeren Erfolg
anknüpft, darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen
will. Das frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwischen vorsätzlicher Tat
und sog. Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche
Strafrechtsquellen des öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und
Körperverletzung) mit peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein
ausgeprägtes Schuldstrafrecht erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich
das Verschuldensprinzip unter dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (->
Ihering) durch. Gleichzeitig gewinnt aber gerade in dieser Zeit die ->
Gefährdungshaftung (Eisenbahn usw.) an Bedeutung.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H.,
Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487;
Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und
Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R.,
Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975
Erfüllung ist das Bewirken der geschuldeten Leistung durch den Schuldner.
Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) -> solutio bekannt. Mit der E.
wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das Verschulden
beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Harder, M.,
Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der nicht
gehörigen Erfüllung, 2004
Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und Wollen des Schuldners
tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E. wird als solcher
besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst. Nach § 278 BGB
haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen und gesetzlichen
Vertreter ohne eigenes Verschulden.
Lit.: Köbler, DRG 214
Erfurt an der Gera, das zu unbekannter Zeit vom König an den
Erzbischof von Mainz gelangt, ist von (1389/)1392 bis 1816 Sitz einer
Universität. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen
Bundesstaat „Deutsches Reich“.-> Johannes von E.
Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur.
Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union
bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984),
169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Märker, A., Geschichte der
Universität Erfurt, 1993; Moraw, P., Die ältere Universität Erfurt, in: Erfurt.
Geschichte und Gegenwart, hg. v. Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und
das Erfurter Unionsparlament 1850, hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das
Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker
Erfurts und der Erfurter Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Wolf,
S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005
Erholung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Rücknahme
einer von einem -> Fürsprecher durchgeführten fehlerhaften Rechtshandlung
durch die Partei (-> Sachsenspiegel Landrecht I 60 § 1). Sie ist vielleicht
um 1200 gegen die Formenstrenge des Verfahrensrechts entwickelt und verschwindet
im Spätmittelalter.
Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863
Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über einen Rechtsstreit
endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und ein
Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des
Verfahrensrechts dessen Kern.
Lit.: Köbler, DRG 19, 202
Erlangen an der Regnitz wird 1743 Sitz einer der Aufklärung
verpflichteten Universität, die am Ende des 20. Jh.s mit einer Wirtschaftshochschule
in Nürnberg verschmolzen wird.
Lit.: Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit
der Erlanger Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger
juristische Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Beyer,
A., Die Verfassungsentwicklung der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A.,
Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Willett, O.,
Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Schieber, M., Erlangen, 2002
Erlass ist im Verwaltungsrecht eine innerdienstliche allgemeine
Anweisung und im Schuldrecht ein Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und
Schuldner. Der privatrechtliche E. ist bereits dem klassischen römischen Recht
geläufig (lat. -> solutio [F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio).
Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht
Eingang.
Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die Erklärung einer Behörde, dass
sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie entsteht im Sinne von Regel und
Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher Verbote.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche
Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970
Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein Verfassungsorgan zu einem bislang
nicht zulässigen Verhalten ermächtigt. Beispielsweise erlaubt es das deutsche
E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des Deutschen Reiches, (rund 1000)
Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und 1923 werden wegen der
schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7 Ermächtigungsgesetze
verabschiedet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24. 3. 1933 wird das Gesetz zur Behebung der
Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch das der Reichstag seine
Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt und diese damit zur
Gesetzgebung ermächtigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933;
Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 2. A. 1961, Neudruck
1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R., 1968;
Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985; Das Ermächtigungsgesetz, eingel.
v. Laufs, A., 2003
Ermessen ist der an der Vernünftigkeit des Ergebnisses
ausgerichteter Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei bestehende
Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend
verrechtlicht.
Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K.
u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996
Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung eines Täters einer
Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit dem 19. Jh. wird es
verrechtlicht.
Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen
Großstädten 1850-1914, 1996
Ermland
Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des Fürstbistums
Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen Kapitelsburgen, Zs. f.
d. Gesch. und Altertumshunde Ermlands 33 (1969), 53
Ernestiner -> Wettiner
Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens eines anderen durch
Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht, sich oder einen
anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen Recht die (lat.
[F.]) -> concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Error (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Irrtum. Er wird
zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann berücksichtigt, wenn er
einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den Gegenstand (lat. [N.] corpus),
den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche Eigenschaft (lat. [F.]
substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße Bezeichnung (lat. [N.]
nomen).
Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis.
Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998
Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier Ehegatten an den während
der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum Sondergut jedes
Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und westfälischen
Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland und bildet um
1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim Tod eines
Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das Sondergut des
Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des Verstorbenen an die
Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem überlebenden Ehegatten
und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig geteilt wird. Die noch
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene E. wird 1957
beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der Fahrnisgemeinschaft.
Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R.,
Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil,
P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459
Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall des Wegfalls des Erben
vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe. Die Einsetzung eines
Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist bereits im klassischen
römischen Recht möglich und wird von dort mit der Aufnahme des römischen Rechts
übernommen.
Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.
Ersitzung ist der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im
altrömischen Recht kann der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung
auf Gebrauchnahme (lat. [F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen
Vormann (im Recht an der Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein
Grundstück 2 Jahre oder eine andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat,
gegen jedermann geschützt, sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte
oder von Unmündigen und Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte
handgreifbare Sache handelt. Später muss der Eigenbesitz einen rechtsgültigen
Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der Besitzerlangung
gutgläubig sein. Im deutschen Recht hat die -> Verschweigung eine
vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die E. in der
Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.])
usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss
eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre, ein ersitzbares Grundstück 10 bzw. 20
Jahre gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes oder wenigstens
30 Jahre gutgläubig besessen worden sein. Nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) erfordert die E. bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen
Eigenbesitz, bei Grundstücken 30 Jahre Besitz und Eintragung im Grundbuch.
Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die
Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988
Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem Studium in den Niederlanden
1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737 Professor für schottisches
Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden (engl.)
Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechts Schottlands) das bis
in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechts.
Lit.: Walker,
D., The Scottish Legal System, 3. A. 1969, 171; Walker, D., The Scottish
Jurists, 1985, 202
Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum) ist das wohl nach dem
Investiturstreit entstandene, seit 1437 allmählich an die Zustimmung des
Papstes gebundene Recht des deutschen Königs auf einen verbindlichen
Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung freigewordene Pfründe
jedes Stiftes oder Klosters.
Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, KRA 94 (1919);
Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51
(1931), 1
Erstgeburt -> Primogenitur
Ertränken ist die im gewaltsamen Untertauchen im Wasser bis zum
Eintritt des Todes bestehende, vom Altertum bis in das 18. Jh. verbreitete Form
der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen, andererseits die
Täter von Diebstahl, Unterschlagung, Notzucht, Doppelehe, Gotteslästerung
usw.).
Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922
Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator [M.]) ist seit 1508 der
die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst ausdrückende Titel des ->
Kaisers des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005,
§ 24 III 1
Erzamt ist die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der
Stammesherzöge im Laufe des Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356
den sieben Kurfürsten für die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch
erweiterte oberste Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien
[Köln], Burgund [Trier], Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann
Hannover], Erzmarschall [Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk
[Böhmen]).
Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911;
Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970
Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in der katholischen (seit
dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen, schwedischen und finnischen)
Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz (Erzbistum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Erzherzog ist die durch das gefälschte lat. -> privilegium (N.)
maius entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den
Kurfürsten gebilligte Titulatur des Herzogs von -> Österreich.
Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957
Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf das Schreibwesen
bezogenen Würde im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Dies ist seit
dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit
1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308
der Erzbischof von Trier).
Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler, 1889;
Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997
Eschwege
Lit.: Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische
Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof
Eschwege in der Germar-Mark, 1970
Eselreiten ist die für die Neuzeit bezeugte, teils (für Frauen) auf
einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen Gestell mit
scharfer Oberkante ausgeführte -> Ehrenstrafe.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318
Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris 22. 7. 1913) wird nach
dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai und Paris 1890
Professor für Rechtsgeschichte Frankreichs (1892 Cours élémentaire d’histoire
du droit français, daneben weitere Grundrisse und Einzelarbeiten).
Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et
les travaux de Adhémar Esmein, in: Séances et travaux de l’Académie des
sciences morales 87, 1917, 437
Essen
Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen
Friedrich von Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M.
Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden
während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86
(1971)
Esslingen
Lit.: Maier, K., Das Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur.
Tübingen 1960; Kirchgässner, B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstdt
Esslingen im Spätmittelalter, 1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt
Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970;
Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992
Estland ist der südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische
Staat. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes Gebiet am
Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom Schwertbrüderorden
und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den -> Deutschen Orden gelangt.
1315 entsteht unter dem Einfluss niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche
Lehnrecht und das älteste livländische Ritterrecht. 1721 kommt das seit 1561/1580
schwedische Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger
Familien) an -> Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert.
1864 wird das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von -> Bunge
erarbeiteten Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements) niedergelegt,
das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nahesteht und in E. bis 1945
gilt. Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E. wird am 6. 8. 1940
der Sowjetunion eingegliedert, am 6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder
als unabhängig anerkannt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v.,
Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt,
O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H., Grundriss
der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die estländische
Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A.
1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, Nordeuropäische Studien
Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999; Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v.
Recker, N. v., 2003
Estoppel (Verschweigung) ist im englischen Verfahrensrecht die
Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten Grund). Die älteste
Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen, niederschlagen)
abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen Königs Heinrich
I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die Urkundenrolle (ne.
record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um die Mitte des 15.
Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in ihren
rechtserheblichen Feststellungen von den Parteien und ihren Rechtsnachfolgern
nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben erscheint seit dem Ende
des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, die in einer unter Handsiegel
abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von dem nicht bestritten werden
kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt, sofern die Urkunde
rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die vielleicht hieraus
abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im Lande (mengl. pays)
weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat, eine ihr notwendig
als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für Mietzahlung) nicht
bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by conduct, e. by representation).
In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich verfeinert und wirkt über das
englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter von Amts wegen
berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei.
Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium, 1912, 55;
Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die materielle
Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875
états généraux (franz.) Generalstände (1468)
Ethik (F.) Sittenlehre
Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997;
Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999
Ethnologie (F.) Völkerkunde (völkerkundliche Berichte antiker Autoren
seit Hekataios von Milet 500 v. Chr., wissenschaftliche Ethnologie 19. Jh.)
Lit.: Kohl, K., Ethnologie, 1993; Streck, B., Vom Wissen
der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M., Taschenwörterbuch der Ethnologie,
3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v. Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba,
W., Einführung in die europäische Ethnologie, 2. A. 2003; Gingrich,
A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen Ethnologie, 2004;
Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004
Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4. A.
1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993;
Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der
Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u.
a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom,
2003
Etter ist der (geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die
dörfliche Wohnsiedlung vom Umland trennt.
Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74
Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit dem 5. Jh. v. Chr. bei
den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung eines Wortes, die bei der Aufklärung
der Entwicklungsgeschichte der sprachlichen Einheiten hilfreich ist.
Lit.: Klinck, R., Die lateinische Etymologie des
Mittelalters, 1970; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995
Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre
Lit.: Roth,
A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, in: Themen juristischer Zeitgeschichte (1)
Schwerpunktthema: Recht und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a.,
1998, 152; Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes, 2000
Eurich (um 440?-484) ist der westgotische König (466) mit
königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert und dem der ->
Codex Euricianus zugeschrieben wird. -> Gote
Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K.,
Eurich, 1937; El Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen
Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungseinheit.
Lit.: Grosjean, R., Was passiert mit unserem
Geld?, 2003
Europa ist (die von Zeus in der Gestalt eines Stieres entführte
Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die tief gegliederte
westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str., 10,5 Mill. qkm).
In vielen Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig übereinstimmend.
Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische
Recht des Altertums wieder aufgegriffen (-> Rezeption). 1923 begründet Richard
Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi eine Paneuropa-Bewegung. Zu einer festeren
Ausbildung einheitlichen Rechts kommt es jedoch erst seit den Europäischen
Gemeinschaften der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1951/1952, Europäische Union
1993, Verfassung 2003/2004/2007).
Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa
1923, 4. A. 1926; Reynold, G. de, L’Europe tragique, 1934; Reynold, G. de, La
formation de l’europe, 1942ff.; Ritter, G., Europa und die deutsche Frage,
1948; Ritter, G., Die Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Foerster,
R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P., Europa und das römische
Recht, 4. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen
Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967;
Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard,
D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter, 1970; Wagner, W., Europa zwischen
Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig, K., Zur Verbreitung des
Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La formazione storica del diritto
moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G., Geschichte Europas im 19. und 20.
Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der gelbe Stern, 1978; Diritto Comune
e diritti locali nella storia dell’Europa, 1980; Bleckmann, A., Europarecht, 6.
A. 1997; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen,
E., 1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard,
W., Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky,
R., Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Bd.
1 Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der
frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen
der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben
und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards
the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die
europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte
Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A.
1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Europaideen im 18. und
19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter, H., 1994; Fontana,
J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der Historiker, hg. v. Hudemann,
R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Europa im Umbruch 1750-1850, hg.
v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die Entstehung des christlichen Europa,
1996; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen Integration,
1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies, N., Europe, 1996;
Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v. Duchardt, H. u. a.,
1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F., 1998; Siedler,
Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische Rechtsgeschichte
der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den Weltkriegen, 1998;
Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in der Zwischenkriegszeit,
1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v. Mörke, O. u. a., 1998;
Schneider, R., Europas Einigung und das Problem Deutschland, 1999; Salewski,
M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das Gesicht Europas, 2000; Demel,
W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts, 2000; Prinz, F., Von
Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W., Geschichte Europas, 2000;
Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Schulz, G., Europa und der Globus - Staaten
und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg. v.
Feldbauer, P. u. a., 2001; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Borgolte,
M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002; Fisch, J., Europa zwischen Wachstum
und Gleichheit 1850-1914; Bernecker, W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945,
2002; Seibt, F., Die Begründung Europas, 2002; Caenegem, R. van, European law,
2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas Aufbruch in die
Neuzeit 1500-1650, 2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der Moderne
1650-1800, 2003; Reinhard, W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J., Die
Geburt Europas im Mittelalter, 2004; James, H., Geschichte Europas im 20.
Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u. a., Geschichte Euroipas im 20.
Jahrhundert, 2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v. Gruner, W. u. a., 2004;
Grabmayer, J., Europa im späten Mittelalter 1250-1500, 2004; Europa und seine
Regionen. 2000 Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Bauer, A. u. a., 2004;
Gruner, W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel, V., Die Ursprünge Europas,
2004; Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln Europas, 2004; Landwehr,
A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte, 2004;
Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, hg. v. Hummer, W., 2004;
Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine europäische Verfassung, hg. v.
Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a.,
2004; Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a.,
2004; Ehlers, J., Das westliche Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches
Europa, 2004; Schuller, W., Das erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa
zwischen Restauration und Revolution 1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T.,, Das
alte Europa 1660-1789, 2005; Petersen, T., Europa – Eine Kulturgeschichte,
2006; Elvert, J., Die europäische Integration, 2006; Borgolte, M., Christen,
Juden, Muselmanen, 2006; Wyrwa, U.,
Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283 (2006), 102; Krüger,
P., Das unberechenbare Europa, 2006; Conze, V., Das Europa der Deutschen, 2005
Europäische Atomgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle
geschaffene Gemeinschaft europäischer Staaten (Deutschland, Frankreich,
Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg usw.) in Angelegenheiten der
Kernspaltung. -> Europäische Gemeinschaft
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996;
Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998
Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische Freihandelszone) ist der am 4. 1.
1960 in Stockholm gegründete Zusammenschluss mehrerer europäischer Staaten
(Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis 1973], Portugal [bis 1985],
Finnland, Schweden, Österreich [alle bis 1994], Schweiz, Island, Norwegen). Die
Bedeutung der Europäischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts
der wichtigsten Mitglieder in die -> Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw.
Europäische Union gering.
Europäische Gemeinschaft ist die am 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht) vereinbarte
Gemeinschaft der Europäischen Atomgemeinschaft, der Europäischen Gemeinschaft
für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Aus ihr
entwickelt sich zum 1. 11. 1993 die -> Europäische Union.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2. A.
1995
Europäische Gemeinschaften sind die Europäische Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (18. 4. 1951) und die Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3. 1957), die zum 7. 2. 1992 zur ->
Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossen werden.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäische Gemeinschaft für
Kohle und Stahl ist die am 18. 4. 1951
zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungsindustrie zwischen der Bundesrepublik
Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg für die
Montanindustrie (Kohle, Eisenerz) vereinbarte und später um zusätzliche
Mitglieder erweiterte internationale Gemeinschaft (Montanunion). Der am 23.
Juli 2002 auslaufende Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und
Stahl wird nicht erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die
Gründung der Europäischen Gemeinschaft unterstellt.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist der
vom -> Europarat 1950 ausgearbeitete, 1952 von der Bundesrepublik
Deutschland als Gesetz angenommene völkerrechtliche Vertrag, der in allen der
Herrschaft der angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern die grundlegenden
menschlichen Freiheiten sichern will. Dazu sind eine Europäische Kommission für
Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gebildet.
Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention
in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame Gerichtshof der ->
Europäischen Union, der die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung
des Europäischen Unionsrechts sichern soll.
Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes
vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000
Europäischer Gerichtshof für
Menschenrechte ist das gemäß der ->
Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg errichtete
Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention gewährleisteten
Menschenrechte wacht und von den Mitgliedstaaten oder der Europäischen
Kommission für Menschenrechte (, an die sich Bürger wenden müssen,) mit einem
Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet.
Lit.: Polakiewicz, Die Verpflichtungen der Staaten aus den
Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß, S., Die
Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006
Europäischer Rat ist das aus den Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten
der -> Europäischen Union gebildete, die Richtlinien der Politik der
Europäischen Union bestimmende Organ.
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen zwischen der ->
Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone
vereinbarte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994),
Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische
Wirtschaftsraum.
Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555
Europäisches Gemeinschaftsrecht
ist das besondere, zwischen Völkerrecht
und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw.
der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem zur Bildung der
Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht (primäres E. G.) und dem
von den Organen der Europäischen Gemeinschaften erlassenen Recht (sekundäres E.
G.). Das Europäische Gemeinschaftsrecht gilt zum Teil unmittelbar in den
einzelnen Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor dem Recht des einzelnen
Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten
geschaffene Recht.
Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht,
1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das gemeinsame
parlamentarische Hauptorgan der -> Europäischen Gemeinschaften bzw.
Europäischen Union.
Lit.: Thöne-Wille, Die Parlamente der EG, 1984
Europäisches Recht ist das in -> Europa geltende Recht. Ein in ganz Europa
einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart nicht. Vielmehr gilt im
Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des römischen Weltreiches. Im
Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner Völker, im Hochmittelalter
und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte und Stadtrechte
nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechts in andere Rechte kommt es
zwar ebenso zu einer gewissen Europäisierung wie mit der Anwendung des
einheitlichen kirchlichen Rechts im christianisierten Europa, doch gelten beide
gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen Rechten. Deren
Geltungsgebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen Nationalstaaten.
In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang. Daneben wird e. R.
erst im Rahmen der -> Europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen
Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas einheitlich) geschaffen.
-> Europarecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002; Schwarze, J.,
Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit privé commun? –
Skizzen zum gemeineuropäischen Privatrecht, 1994; Europas universale
rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends, hg. v.
Köbler, G.- u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und europäische
Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v. Smits, J., 2005;
Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König, B. u. a., 2007
Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung des Rates der ->
Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit dem Ziel, bis zum
Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone in Europa zu gelangen
(Währungseinheit Euro).
Lit.: Scharrer/Wessels, Das Europäische Währungssystem,
1983
Europäische Union ist die zum 1. 11. 1993 aus der Europäischen Gemeinschaft
entwickelte Vereinigung der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich,
Italien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbritannien, Irland, Dänemark,
Griechenland, Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich,
Schweden und Finnland gestoßen sind. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden
[str.]) Organe sind Rat, Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. Zum
1. Mai 2004 wird die E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei,Tschechische
Republik, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern) erweitert. Außerdem
äußern die Türkei, Russland, Rumänien, Bulgarien und andere Staateneinen Wunsch
nach Mitgliedschaft. Die Staatsbürger der Mitgliedstaaten der europäischen
Union 8unionsbürger 1993) dürfen sich der Freiheiten der Europäischen Union
bedienen und sind im Wohnsitzstaat kommunalwahlberechtigt.
Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v. Monar,
J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u. a., 2.
A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen
Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W.,
Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier
Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v Hrbek, R. u.
a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K.
u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a.,
2004; Schönberger, C., Unionsbürger, 2006; Thurner, P., Die graduelle
Konstitutionalisierung der Europäischen Union, 2006
Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung ist die durch
Verordnung des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985
zur Verfügung gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am
23. 9. 1967 als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérệt
Economique.
Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérệt
Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung, 1990
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen Deutschland, Frankreich,
Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg vereinbarte und später auf weitere
Mitglieder ausgedehnte europäische Gemeinschaft in Wirtschaftsangelegenheiten.
Sie ist eine der -> Europäischen Gemeinschaften.
Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E., 1989;
Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1999
Europarat in Straßburg ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten
(Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Norwegen, Schweden, Vereinigtes Königreich von Großbritannien) errichtete
völkerrechtliche Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend
auch osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik
wird Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates) mit dem Ziel,
eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der Mitgliedstaaten
herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außenminister), die beratende
Versammlung (von Vertretern der Parlamente der Mitgliedstaaten) und das
Ständige Sekretariat. Sie wirken hauptsächlich durch Empfehlungen und
Konventionen. Auf den E. gehen die -> Europäische Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten und der -> Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte zurück.
Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956;
Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of
Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die
Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005
Europarecht ist das gesamte, eine europäische Organisation betreffende
Recht. Dementsprechend wird zum E. im weiteren Sinn insbesondere das Recht des
Nordatlantikpaktes (NATO), der Westeuropäischen Union (WEU), der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des ->
Europarates, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und das ->
europäische Gemeinschaftsrecht gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das
europäische Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht).
Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz, R.,
Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Euthanasie ist die bereits dem griechisch-römischen Altertum bekannte
Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird insbesondere im Dritten Reich
planmäßig für gesellschaftspolitische Ziele verwendet.
Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im Dritten
Reich, 2. A. 1980; Klee, „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur
Euthanasie, in: Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v.
Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass,
C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004
Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517 entstandenen protestantischen
Kirchen. Es baut auf dem -> kanonischen Recht auf. Es unterscheidet sich
aber von diesem durch zahlreiche eigenständige Entwicklungen.
Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken und
Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Eventualmaxime ist der Verfahrensgrundsatz, wonach eine Partei eines
Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres gesamten Vortrages diesen
einschließlich aller (denkbaren) Möglichkeiten bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die Notwendigkeit des
gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetatsachen soll das Verfahren
beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen Prozess
an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s abgelehnt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der
Eventualmaxime, 1980
Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für Rechtsgeschichte
in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk „Das älteste Recht
der Russen“ die Entwicklung des Rechts in Russland vom patriarchalischen
Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum Territorialstaat der Neuzeit dar.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands,
1961
Eviktion (-> Entwerung) ist die Wiedererlangung des Besitzes
einer verkauften Sache durch den Berechtigten. Sie ist bereits im klassischen
römischen Recht Voraussetzung dafür, dass der Käufer einer dem Verkäufer nicht
gehörigen (beweglichen) Sache gegen den Verkäufer Schadensersatz wegen Nichterfüllung
verlangen kann. Diese Gestaltung ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 452
Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat. evocatio [F.] Amtsladung)
ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht die Befugnis des
Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor sein Hofgericht zu
ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem (lat.) privilegium
(N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten allgemein erteilt. In der
Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die Länder, 1487 wird das E. des
Königs beseitigt.
Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die
Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et
appellando, ZRG GA 86 (1969), 97
Ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung für das
(objektive) Recht. Die Etymologie des nur westgermanisch (ahd., mhd., as.,
afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva, Lauf, Gang,
Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu lat. ius?).
Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des Christentums entstanden
sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh. engt e. seine Bedeutung
auf (rechtmäßige) -> Ehe ein.
Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J.,
Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, in: Stand und Aufgaben der
Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa,
in: Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937
Ewa Chamavorum ist das Volksrecht des fränkischen Teilstammes der an der
Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae se ad Amorem habet). Es ist in zwei
Handschriften überliefert und in 48 knappe Kapitel gegliedert. Vielleicht wird
es 802/3 in Aachen durch einen Königsboten erfragt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953
Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von König Maximilian mit
Rat der Reichstände erlassene, dauerhafte Geltung beanspruchende und bis 1806
geltende -> Landfriede. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen
Entscheidung jedes Rechtsstreits auf. Zugleich drängen damit die Stände den
König in der Friedenswahrung zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und
Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
5. A. 2005, § 15 II 4
Ewigrente ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer
vereinbarte -> Rente.
Lit.: Hübner
Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf Dauer
gedachte -> Satzung eines -> Pfandes.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9.
A. 1981
exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von Forderungen)
Exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die Einrede. Sie ist im römischen
Recht ursprünglich die dem Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen,
unter denen er dem Klaganspruch (lat. [F.] -> actio) zufolge zu verurteilen
wäre. Aus dieser verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf
Antrag des Beklagten in die Klagformel eingefügt wird, entwickelt sich
allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren des Klägers zu
verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird die e. aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9;
Köbler, DRG 33f.; Köbler, LAW
Exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der Arglist. Sie gilt im römischen
Recht grundsätzlich nur bei Aufnahme in die Klagformel, bei den sog. ->
bonae-fidei-iudicia aber auch ohne diese.
Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40, 53, 62,
65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die exceptio doli
generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1
Exceptio (F.) non
adimpleti contractus (lat.) ist im
römischen Recht (bei Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der
Nichterfüllung.
Lit.: Kaser § 38
Exceptio (F.) non
numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen
Recht die Einrede des nichtgezahlten Entgeltes.
Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W.,
Non numerata pecunia, SDHI 60 (1994)
Exceptio (F.) rei venditae
et traditae (lat.) ist im römischen Recht
die dem Käufer seit Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem
herausverlangenden Verkäufer gewährte Einrede der verkauften und übergebenen
Kaufsache.
Lit.: Kaser §§ 22, 27
Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes (z. B. Digestenexegese,
Sachsenspiegelexegese, Bibelexegese). Sie ist notwendiger Bestandteil jeder
wissenschaftlichen juristischen Tätigkeit. Als eigene Lehrveranstaltung tritt
die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück.
Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médievale, 1959ff.;
Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese, 2. A.
1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer,
M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999
Exercitalis
Lit.: Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni
und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1
Exekution (F.) -> Vollstreckung, -> Zwangsvollstreckung
Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der
Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967
Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie wird als solche von den
Vertretern der Lehre von der -> Gewaltentrennung (-> Locke 1680, ->
Montesquieu 1748) von der Legislative (und der Judikative) getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 190, 191
Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht ursprünglich der
strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Seit
der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der Mitgliedschaft
verbundenen Rechte eingeschränkt. Die Dekretisten entwickeln im
Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für die E. Wegen der starken
Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen Bereich, später ihre
Bedeutung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M.,
L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Elsener, F., Die
Exkommunikation als prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69;
Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396;
Pauler, R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von
Regierungshandlungen exkommunizierter und abgesetzter Kaiser, ZRG GA 112
(1995), 344
Exlibris ist das seit Erfindung des Buchdrucks in der
zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur Bezeichnung des Eigentümers auf die Innenseite
des vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.
Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003
Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)
Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus heres) sind im römischen
Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.]) -> sui heredes (Hauserben)
stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).
Lit.: Kaser §§ 66, 71
Extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht das seit Augustus (63
v. Chr.-14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor Magistrat und
ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche -> Kognitionsverfahren eines
einzigen öffentlichen Amtsträgers.
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18
Extravagantes ist die Bezeichnung für die 20 Dekretalen Papst Johannes’
XXII. (1314ff.) und die 70 Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII. (1294-1303) bis
Sixtus’ IV. (1471-1484), die der Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis in seine
Ausgabe des -> corpus iuris canonici (1499ff.) ohne amtlichen Auftrag
aufnimmt.
Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den heutigen
Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 276
Extremismus
Lit.: Backes, U., Politische Extreme, 2006
Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg)
abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen
Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.
Lit.: Harding,
A., Rolls of the Shropshire Eyre of 1256, 1981
F
Faber -> Favre
Fabrik ist das Gebäude, in dem industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse
hergestellt werden. Die F. entwickelt sich seit dem 18. Jh. aus dem
Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit der Bediensteten außerhalb des
eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F. Gegenstand besonderer rechtlicher
Regelungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken
Deutschlands, Teil 1f. 1781; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der
österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und
Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der
Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische
Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und
Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh.,
hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht
in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993
Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in Preußen für einige Zeit aus
der Polizeijurisdiktion entwickelte und danach im Rheinland geschaffene
besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer Fabrik zwischen
Unternehmern und Arbeitnehmern.
Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen
Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen
Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen
Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160
facere (lat.) handeln
facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungsbefugnis
Fahndung
Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner- und Diebslisten, 2001; Benad, R.,
Geschichte der Fahndung, 2006
Fahne ist das vielfach als Rechtssymbol verwendete Tuch. ->
Fahnenflucht, -> Fahnenlehen, -> Reichsfahne
Lit.:
Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310; Meyer, H., Sturmfahne und
Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H., Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA
53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und Flaggen, (um 1940)
Fahnenflucht ist das eigenmächtige Verlassen des Heeres, das schon im
Altertum gewichtige Folgen nach sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht
die Tötung, das alemannische Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch
später wird zumindest für schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während
einfachere Fälle mit Gefängnis und Ehrenminderung bestraft werden. Die F. in
der Unrechtsherrschaft (berechtigte Fahnenflucht in verbrecherischen Regimen)
kann gerechtfertigter Widerstand sein.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur. Erlangen
1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff.,
Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung, 1939;
Armeen und ihre Deserteure, hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998
Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne als Symbol (einer
besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene -> Lehen. Nach verbreiteter hochmittelalterlicher
Ansicht ist die königliche Belehnung mit einem F. Voraussetzung der
Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder geteilt noch vom König
länger als Jahr und Tag einbehalten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn, 1906;
Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 36
Fähre ist das dem Übersetzen über einen Strom oder See dienende
Fahrzeug. Seit dem Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf
öffentlichem Gewässer als -> Regal verstanden. Von ihm leitet sich das
einzelne Fährenrecht ab. In Deutschland gelten die früheren landesrechtlichen
Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung
enthalten ist.
Lit.: Künßberg, E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG
GA 45 (1925), 144; Riegler, B., Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933;
Elben, J., Die Deutz-Kölner Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das
Fährenrecht am Niederrehin, 1949
Fahrende Habe -> Fahrnis
Fahrende Leute
Lit.: Enklaar, D., Varende Luyden, 1957
Fahrhabe -> Fahrnis
Fahrlässigkeit ist im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt, im Strafrecht für die wenigen fahrlässig begehbaren
Straftaten der Vorwurf, dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht
erkannt oder die daraus folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl
er dazu nach seinen persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen
Könnens imstande gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der
klassischen Zeit an die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] -> culpa) die
zunächst auf den Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich
auch für Verträge. Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur
Sorgfalt (lat. [F.] -> diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er
eine Nachlässigkeit (lat. [F.] -> neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat.
[F.]) culpa wird die grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter
kennen die Quellen eine Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein
Vorsatz angenommen wird (Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus
unterschiedlich, wobei am Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren
Folge für den nicht gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die
Constitutio Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung
und zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem
19. Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885;
Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Exner, F., Das Wesen der
Fahrlässigkeit, 1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 90, Neudruck 1964; Nörr, D., Die Fahrlässigkeit im byzantinischen
Vertragsrecht, 1960; Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit in der
Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische
Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der
Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht von Feuerbach bis Welzel, 1992
Fahrnis ist die bewegliche (mobile) Sache. Auf die Beweglichkeit
einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen Einzelheiten (z. B. Ersitzung,
Besitzschutz, später besondere Form des Kaufs unbeweglicher Sachen) ab. Im
mittelalterlichen deutschen Recht kann über F. schon früh frei verfügt werden,
unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen Regeln hinsichtlich der Nutzung,
Verwaltung und Verfügung und gibt es an F. keine mehrfache und keine ideelle
Gewere. Möglich sind Entliegenschaftung und Verliegenschaftung. In der Neuzeit
verblassen die Unterschiede unter dem Einfluss des römischen Rechts, doch
regelt beispielsweise noch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den
Erwerb von Rechten an beweglichen Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) anders
als den Erwerb von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und
Eintragung).
Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG 2; Estlander,
E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H., Entwerung und
Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39
(1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im
Mobiliarsachenrecht, 1955
Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die -> Errungenschaftsgemeinschaft,
in der auch die voreheliche -> Fahrnis den Eheleuten gemeinschaftlich
zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18
faida -> Fehde
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Fakultät ist die Fachabteilung der Universität. Im Mittelalter ist
die Universität meist in die vier Fakultäten der Artisten, Theologen, Juristen
und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat
sich die Zahl der Fakultäten vermehrt. Seit 1970 sind in Deutschland die
Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche umbenannt und teilweise aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A. v.,
Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS zum
27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit der
Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät
der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät
1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der juristischen Fakultät zu
Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University, 1975; Festschrift der
juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und Philosophen –
Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v. Schwinges, R.,
1999
Falkenstein
Lit.: Codex Falkensteinensis, bearb. v. Noichl, E., 1978
Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen beruhende
Rechtsordnung. F. sind das klassische -> römische Recht und das ->
englische Recht (case-law). Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland
(mittelalterliche Schöffensprüche, Entscheidungen des Reichskammergerichts),
können sich jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen
Gesetzesrechts und des Fehlens einer durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit
nicht ausreichend entwickeln. Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern
bei Fehlen von Abkömmlingen an die Familie, aus der sie gekommen sind.
Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der Ausschluss
der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Rüdin-Bader, S., Die
erbrechtliche Stellung der Stiefkinder und Halbgeschwister nach den
zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels,
A., 1997
Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung schadet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)
Falschaussage -> Meineid
Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage, 1990
Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das Strafgesetzbuch Deutschlands
eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung eines anderen betreffende
Tatbestand des § 164 StGB.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165
StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck vorgenommene Veränderung
oder Nachbildung eines Gegenstandes (z. B. Münze, Bild). Einzelne
Fälschungshandlungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz
(Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden
sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe aus
(Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht usw.), neben die der Betrug
(lat. [M.] stellionatus) tritt. Im Frühmittelalter verschmelzen die Tatbestände
des römischen Rechts zu Deliktsfiguren, die nur noch wenig Ähnlichkeiten mit
ihren Vorbildern haben. Dagegen fasst das spätmittelalterliche gelehrte Recht
die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat. [N.]) crimen falsi
zusammen, zu dem (lat. [M.]) -> stellionatus ein qualifizierter Sonderfall
ist. Im 19. Jh. werden -> Betrug und Fälschung voneinander getrennt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil 2, 2, 1901;
Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich III., 1913;
Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Fuhr, L.,
Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel ane
argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die
Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Hupe, E., Falsum, fraus und
stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Fälschungen im Mittelalter, hg. v.
Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999;
Topper, U., Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen?
hg. v. Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblci
nella Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006
Falsum (lat. [N.]) ist die im klassischen römischen Recht als
Straftat erfasste -> Fälschung, für die Sulla an der Wende vom 2. zum 1. Jh.
eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen
Kriminalverfahrens, 1962
Familia (lat. [F.]) ist im frühen Mittelalter nach antikem Vorbild
vor allem der zu einer Grundherrschaft gehörige Personenverband.
Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in
Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951),
1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbach, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Scherner,
K., Ut proprian familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H., Familia og
Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993
familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer
Familie ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und
Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre
Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben
eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst.
Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof
lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F.
Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Die durchschnittliche
Zahl der Geburten einer Frau dürfte fünf nicht überschritten haben. Die F.
steht meist unter der Personalgewalt des Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung
oder Verheiratung endet. Mit der Christianisierung verbessert sich die Stellung
der Frau in der F. Mit dem 19. Jh. lockern sich die familienrechtlichen
Bindungen, so dass das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als
Summe rechtlicher Einzelbeziehungen versteht. 1957 tritt in Deutschland an die
Stelle der väterlichen Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann
und Frau. 1979 wird die gemeinsame -> elterliche Gewalt durch die elterliche
Sorge ersetzt.
Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner 615;
Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975,
253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und
Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie der
Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77
(1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969;
Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler,
E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der
Rechtsordnung seit 1918, 1970; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media
española, 1980; Gaunt, D., Familjelivi i Norden, 1983; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie
versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Burguière, A. u. a., Histoire de la
famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Goody, J., Die Entwicklung
von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H., Formen der Familie, 5. A.
1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991; Dixon, S., The Roman
Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um dem französischen Familienrat in
Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte der Familie, hg. v. Burguière,
A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u.
a., 1997; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997;
The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u. a., 1997; Gestrich, A., Geschichte der
Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 1998; Schumann, E., Die nichteheliche
Familie, 1998; Gestrich, A., Geschichte der Familie, 1999; Ehe und Familie, hg.
v. Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters,
U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Gestrich, A. u. a.,
Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und
Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat,
2004; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2005; Bauszus, S., Der Topos
von der Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg. v. Gebhardt, M.
u. a., 2007
Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher Stiftung beruhende Bindung
des Vermögens einer Familie im Mannesstamm. Solche Stiftungen des niederen
Adels, die dieselben Wirkungen wie die Hausgesetze der späteren Landesherren anstreben,
sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit dem 11. Jh. bezeugt. Sie
nehmen in der Neuzeit zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis
familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus
dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle
159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et
providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren)
entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche
Willenserklärung errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und
staatliche Genehmigung notwendig) der oder gesamthänderisch die jeweiligen
Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der älteste
Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus wirtschaftlichem Grund.
1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechts aufgehoben. In Preußen wird
die 1850 verfügte Aufhebung später wieder beseitigt. Art. 155 II der Weimarer
Reichsverfassung setzt die Auflösung fest, ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938
beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939, vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12.
1950/ 3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine Stiftung überführt.
Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler, DRG
123, 162, 210, 231; Kunsemüller,
Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die
Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die
Anfänge des Familienfideikommisses in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225;
Seelmann/Klässel, Das Recht der Familienfideikommisse, 1920; Hausgeschichte und
Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann,
J., 2, 2, 1925; Klässel/Köhler, Die Zwangsauflösung der Familienfideikommisse,
Bd. 1 1932; Söllner, A., Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M.
Kaser, 1976, 657; Bar, C. v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfideikommisse,
ZNR 3 (1981), 184; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992;
Eckert, J., Use, Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.
u. a., 1997; Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999
Familiengericht ist die am 1. 7. 1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in
Familiensachen am -> Amtsgericht. Das F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s
aus dem Jugendgericht in den Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan
aufgenommen.
Lit.: Röhl, Das Familiengericht in
Japan, NJW 1957, 12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066;
Peschel-Gutzeit, L., 25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737
Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur Neuordnung des Familienrechts
in der -> Deutschen Demokratischen Republik geschaffene Gesetzbuch
(Egalisierung im Namensrecht, erleichterte Scheidung ohne Unterhaltsansprüche,
Errungenschaftsgemeinschaft, Erziehung der Kinder zu Erbauern des
Sozialismus).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung des
Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Fischer-Langosch, P., Die
Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965. 2006
Familienrecht ist die Gesamtheit der die -> Familie betreffenden
Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von
Mann und -> Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern
sowie die -> Vormundschaft, -> Pflegschaft und -> Betreuung. Die
Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst
allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche
mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint
das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der
Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die
medizinische Entdeckung der medikamentösen Empfängnisverhütung.
Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und Familienrecht
der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L., Studien zum
ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts,
1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts,
1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im Sachsenspiegel,
1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970; Bextermöller,
C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970; Dörner, H.,
Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys
Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die
Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs
eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile,
1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, in:
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A.,
1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur
Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel,
H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht
zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius,
C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005
Fara ist ein langobardisch(-burgundisch)es Wort des 6./7. Jh.s
für die Fahrtgenossenschaft.
Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia,
1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden,
1982, 47
Faschismus ist die politische Bewegung mit nationalistischer
totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von Benito Mussolini
(Italien 23. 3. 1919 fasci di combattimento) genommen hat. Ihr verbunden fühlt
sich rasch Adolf -> Hitler. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945) wird der
F. weltweit geächtet.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und
Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A.
1995; Payne, S., The History of Facism, 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in
Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung
der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A.
2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S.,
Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002;
Nietzsche, Godfather of Facism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C.,
Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus,
2005
Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu unmittelbarem Besitz
übergebene -> Pfand, dessen Name sich von der unrichtigen Verbindung von
(lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus, Faust ableitet. Im römischen
Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils besitzloses Pfand. Im deutschen
Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch entwickelt sich im Hochmittelalter
an einigen für den Schuldner schwer entbehrlichen Sachen auch ein besitzloses
Pfand (neuere Satzung an Fahrnis). Trotz der Aufnahme des römischen Rechts
bleibt das (dadurch zurückgedrängte) F. bestehen und wird in die Hypothec- und
Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die Rechtswirklichkeit zieht die
-> Sicherungsübereignung vor.
Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka,
W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39
Faustrecht ist die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen
Gesellschaft, in dem sich jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu
erkämpfen versucht. Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des
Faustrechts, dem als Gegensatz der moderne Rechtsstaat gegenübersteht, in dem
alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und alle einzelnen Interessen im
Streit der Durchsetzung durch den gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.
favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat
Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht die im Zweifel im
Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der Freiheit.
Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12;
Köbler, DRG 57
Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die bei mehreren
Auslegungsmöglichkeiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur
unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testamentes gegenüber Geschäften unter
Lebenden.
Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60
Favre (Faber), Antoine (1557-1624) wird nach dem Rechtsstudium in
Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610 Präsident des Gerichtshofes von Savoyen,
dessen Entscheidungen er in dem nach dem justinianischen Codex systematisierten
Codex Fabrianus definitionum forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen
Erklärungen) 1609 veröffentlicht.
Lit.: Chevalier, L., Le président
Favre, TRG 20 (1952), 263, 456
FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen
Demokratischen Republik])
Februarpatent ist in -> Österreich das dem -> Oktoberdiplom
folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung des österreichischen Reichs
einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die
anerkannten Teile der ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die
Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die cisleithanischen Länder) versteht
und für den Reichsrat zwei Kammern (Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht und
damit den -> Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales
System und bildet die erste Grundlage für den mit der 1867 begründeten
Konstitutionalismus. -> Dezemberverfassung
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B., Das
Februarpatent in der Praxis, 2001
Fehde ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der
rechtmäßigen, Verletzungen fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft
zwischen dem Verletzten (und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und
seiner Verwandtschaft) zwecks Durchsetzung eines bestehenden oder behaupteten
Rechts. Die F. lässt die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der
Blutrache. Neben ihr steht wohl schon früh die Möglichkeit des
Erfolgsausgleichs durch Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im
Frühmittelalter beginnen König und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden,
in der Nähe des Unrechts stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die
Volksrechte umfangreiche Bußkataloge (-> Kompositionensystem). Im
Hochmittelalter wird in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen
-> Strafe gegen die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Der
ewige Landfriede von 1495 verbietet die F. umfassend. Gleichzeitig wird das
Reichskammergericht als Streitentscheidungsorgan verfügbar. Danach geht die wohl
noch gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig geübte F.,
wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis
1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. -> Duell und ->
Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.
Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und
Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck
1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl. commissie
van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Genzmer,
F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H., Rechtsprobleme des
mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Orth,
E., Die Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler,
H., Über Michael Kohlhaas, 1985; Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994;
Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Vogel, T., Fehderecht und
Fehdepraxis im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans
Kohlhase, 1999; Reinle, C., Bauernfehden, 2003; Bechstein, E., Die Tierberger
Fehde, 2004
Fehmarn
Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn,
Zs. der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117;
Kramer, K., Fehmarner Volksleben, 1982,
Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri 21. 11. 1961) wird
nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin, Bern (Eugen Huber) und Leipzig
(Rudolf Sohm) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle
(1912), Heidelberg (1917) und Bern (1924-1944). Seine Hauptwerke betreffen das
Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933) und die Dichtung im
Recht (1937).
Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K., 1948; Bader,
K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV
Feiertag ist der kraft Rechts arbeitsfreie Arbeitstag. Die
Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentages und der Feste Weihnachten, Ostern und
Pfingsten geht auf die jüdisch-christliche Tradition zurück. 1642 schränkt Papst
Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der katholischen Feiertage auf 34
jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die staatliche Gesetzgebung entscheidend,
auf die auch die an bezahlter Arbeitsfreiheit interessierten Gewerkschaften
Einfluss nehmen. Im ausgehenden 20. Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen
die Bedeutung des Feiertags.
Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff.
1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A., Der
Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in
Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003
Felonie ist der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen). Die
F. des Lehnsmannes berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch
wird diese Folge in der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der
Lehnsmann eine -> Fehde beginnen oder eine Klage erheben.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von Katzenelnbogen, 1969; Bellamy,
J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983,
104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter,
1979, 400
Feme (Bund?, Strafe?), Veme, ist im spätmittelalterlichen
deutschen Recht die auf die Verbesserung der Rechtspflege durch geheime
Verfahren abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit. Zu diesem Zweck
entstehen seit dem 14. Jh. aus den westfälischen Freigerichten besondere
Femegerichte, die mit einem Freigrafen und 7 Freischöffen besetzt sind. Die
Angehörigen des Femegerichts sind in feierlicher Form in die Geheimnisse der F.
eingeweiht. Jeder Freischöffe ist verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu
rügen. Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein Notgericht durchführen
und nach Überführung den Täter sofort mit dem Strang richten. Missachtet ein
Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in Abwesenheit des Betroffenen
durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss er jederzeit mit der
Vollstreckung rechnen. Die allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung
über das gesamte Reich (rund 15000-30000 Freischöffen) verbreitete F. wird
wegen der auftretenden Missbräuche seit der Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt.
Sie endet im 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Duncker, H., Kritische
Besprechung der wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die
Veme, 2. A. 1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 2. A. 1933; Scherer,
C., Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L.,
Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten
über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am
Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002
Femegericht -> Feme
Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen römischen Recht das aus dem
griechischen Recht kommende, ohne weiteres in unbeschränkter Höhe verzinsliche
-> Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem Schiff verladenen Sachen unter,
so wird der Darlehensnehmer frei.
Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das foenus
nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Fertigung
Lit.: Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976
Fertigungsrecht
Lit.: Escher, A., Zur Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes,
Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89
Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses.
Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F.
hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v.
Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und
Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004
Festschrift
Lit.:
Bibliographie juristischer Festschriften, bearb. v. Dau, H., Bd. 1ff.
(1945-1961)ff., 1962ff.
Feststellungsklage ist
die auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.
Lit.: Weismann, J., Die Feststellungsklage, 1879
Festuca ist der seit dem Frühmittelalter (-> Lex Salica, ->
Lex Ribvaria) als Rechtssymbol verwendete Halm oder Stab. Eine f. wird etwa
geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt (Exfestukation). Eine f.
wird überreicht, wenn ein Recht einverständlich übertragen werden soll. In der
frühen Neuzeit verschwindet die f.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW;
Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca,
Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio,
ZRG GA 83 (1966), 1
Festung ist der zum Zweck der Verteidigung durch Bauwerke besonders
gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F. entsteht im 14./15. Jh. in
Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen Befestigungen von Burg und
Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich (Vauban
1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die Erfindung
der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos werden.
Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes,
1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979
Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen Mitwirkung im Bau einer ->
Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit.
Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der öffentlichen
Arbeiten, 1789
Festungshaft ist die in einer -> Festung vollzogene Freiheitsstrafe
der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine Ehrenminderung nach sich.
Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen
Strafrechts, Bd. 1 1825
Feudalismus ist im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffes die
soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine
(adlige) Oberschicht mit Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich
für Kriegsdienste und andere Dienste ausgestattet wird. In Europa entsteht der
F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh. bestimmend.
-> Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174; Baltl/Kocher;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E., Étude sur les
origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale, Bd. 1f. 1939f.;
Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958, 10; Graus, F.,
Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f. Wirtschaftsgeschichte 1
(1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974; Guerreau, A., Le féodalisme,
1980; Zum Problem des Feudalismus in Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter, 1985; Strukturen der Grundherrschaft im frühen
Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und
Verfassung, 1997; Bloch, M., Die Feudalgesellschaft, 1999; Die Gegenwart des
Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v.
Bonnassie, P., 2002; Die Gegenwart des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a.,
2002
feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich zu ahd. fihu (N.) Vieh
Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929;
Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938
Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen 14. 11. 1775-Frankfurt
am Main 29. 3. 1833) wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena
außerordentlicher Professor, 1801 ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804
in Landshut sowie nach Aufgabe seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in
München, 1814 Appellationsvizegerichtspräsident in Bamberg und 1817
Appellationsgerichtspräsident in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen
Lehrbuchs des gemeinen in Deutschland gültigen peinlichen Rechts wird ihm
(1804) die Erarbeitung eines modernen -> Strafgesetzbuchs (1813) in ->
Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten Theorie des psychologischen
Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.] -> nullum crimen sine lege)
jedermann von Verletzungen der Rechte anderer abschrecken (->
Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die wechselseitige
Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für Öffentlichkeit
und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch kriminalsoziologische
Vorstellungen.
Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Döring, Feuerbachs
Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934,
3. A. 1969 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A. Feuerbach,
1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke, W., Kant und
die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P. J. A.
Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper, E.,
Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu einem
Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich Carl
von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die
posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am
Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993
Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den Städten und danach auch
in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Überprüfung aller Gebäude auf
ihre Feuersicherheit.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.
Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters. Die F. ist im Altertum
bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem peinlichen Strafrecht wird
sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit Tieren üblich. Bald werden
insbesondere zahlreiche Hexen verbrannt. Die Aufklärung lässt die F. seit dem
18. Jh. verschwinden.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 502,
Neudruck 1964
Feuerversicherung
Lit.:
Helmer, G., Die Geschichte der privaten Feuerversicherung in den Herzogtümern
Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte
und die Anfänge des deutschen Feuerversicherungsrechts, 1936
Feuerwehr ist die
Abwehr von Gefahren des Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung. Sie beginnt
als staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von Wächtern (vigiles) in
Rom unter Kaiser Augustus (27. v. Chr.-14 n. Chr.). Im 19. Jh. treten
freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden und berufsmäßige Feuerwehr in
Großstädten einander gegenüber.
Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im antiken
Rom, 2004
Fiat iustitia et
pereat mundus (lat.). Es muss
Gerechtigkeit geübt werden und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. es muss
Gerechtigkeit geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Anfang 16. Jh.)
Fichard, Johann (Frankfurt am Main 1512-1580) wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg, Freiburg (Zasius) und Basel Advokat am
Reichkammergericht und dann Syndikus in Frankfurt am Main und nach dem Studium
in Padua 1537 Anwalt und Berater in Frankfurt am Main. Seine wichtigsten
Leistungen sind neben den 1539 veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iurisconsultorum
recentiorum (Lebensbeschreibungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert)
die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften -> Solms (1571) und die
revidierte Reformation der Stadt -> Frankfurt am Main (1578).
Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr.
Johann Fichard, 1889
Ficker, Julius (Paderborn 30. 4. 1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird
nach dem Studium von Geschichte und Recht in Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis
1879) Professor für Geschichte und zeitweise Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo
er zahlreiche unterschiedliche Fragen an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen
und später auch vergleichender Zielsetzungen untersucht.
Lit.:
Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902), XIV
Fideicommissum (lat. [N.]) ist im römischen Recht zunächst die formlose,
nur sittlich verpflichtende Anordnung, die der Erblasser dem in einem Testament
eingesetzten Erben erteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus
solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu
einer Rechtseinrichtung.
Lit.: Kaser § 68 V
Fideikommiss -> fideicommissum, Familienfideikommiss
Lit.:
Kunsemüller, Zur Entstehung der westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K.,
Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990
Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht eine in der späten
Republik für jede Schuld zulässige Form der -> Bürgschaft.
Lit.: Kaser § 57 II 2
Fidelis
Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis,
ZRG GA 57 (1937), 442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351
Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Nachbildung der nur
unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation möglichen (lat. [F.])
sponsio (-> Bürgschaft) für Nichtbürger.
Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63
Fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht die anfangs nur
sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem gegebenen Wort zu
stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte Treue, durch die sich
beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher Besitzer voneinander
unterscheiden. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem die Fälle des
-> bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei begründeten
Schuldverhältnissen).
Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides
alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83
(1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D.,
Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004
Fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die Sicherungsübereignung,
bei der das Eigentum unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache
nach Erreichung des Sicherungszwecks zurückzuübereignen sei. Im spätantiken
römischen Recht stirbt die F. ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9;
Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft,
Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R.
u. a., 1998
Fiktion ist der Rechtssatz, der eine in Wahrheit nicht bestehende
Tatsache als bestehend behandelt. Die F. ist bereits dem römischen Recht an
einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).
Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9
Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny vertretene Ansicht, dass die
-> juristische Person nur eine -> Fiktion sei.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der Mitte des 20. Jh.s
entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des Straftäters, nach welcher
der -> Vorsatz als subjektiver Teil des Tatbestandes zu verstehen ist.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Finanz
Lit.: Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schulz, H., Das
System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982;
Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und
sozialer Wandel, 1985; Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finazverwaltung,
1992; Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat. Eine Geschichte der öffentlichen
Finanzen, 2005; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656),
2006
Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich
zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern.
Lit.: Hidien, J.,
Der bundesstaatliche Finanzausgleich, 1998
Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der
Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12.
1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt) vor allem in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten
eingerichtete Zweig der -> Gerichtsbarkeit.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, in: Justizalltag im Dritten Reich,
1988, 81
Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates (und anderer
öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der Verwaltung. Die F.
erfolgt in Rom durch Verpachtung der Staatseinkünfte an meistbietende private
Unternehmer (Steuerpächter). Im Mittelalter gelangen trotz des besonderen
Hofamtes des -> Kämmerers erst die Landesherren allmählich zu einer
geordneten F. (z. B. Raitkammer König Maximilians in Tirol, im Reich 1495
Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der gesamten
Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in Preußen seit
1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufgestellt und 1714 zur
Prüfung eine Oberrechnungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird das
Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In Deutschland ist die F. in der
Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzamt gegliedert.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A.
1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs- und
Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77 (1923),
168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1 2. A.
1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964;
Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16.
Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972;
Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der
Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G.,
1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A.
de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M.,
Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern
und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, Hg. v.
Bonney, R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ
Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673
als Lord Chancellor Vorsitzender des -> Court of Chancery, wo er eine
zusammenfassende Gestaltung der -> equity (des englischen Rechts) bewirkt.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 1ff. 1903ff., 6, 539
Findebuch, Findbuch, ist das archivalische Hilfsmittel zum Auffinden
von Daten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den
Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987
Findelkind
Lit.: Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995
Finnland ist der zwischen Schweden, Russland und Estlang gelegene nordosteuropäische,
hauptsächlich von schon im 4. oder 3. Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen
besiedelte Staat. Im Hochmittelalter (1150-1323) wird das von Schweden aus
christianisierte Gebiet zu einem Teil -> Schwedens erklärt. Im frühen 16.
Jh. wird die Reformation eingeführt. 1809 muss Schweden zugunsten -> Russlands
auf F. verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. 1812
wird Helsinki statt des westlicheren Turku Hauptstadt. 1889/1894 wird ein
Strafgesetzbuch geschaffen. Am 15. 11. 1917 erklärt sich F. als selbständig.
1920 erkennt Russland das am 21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung
begabte F. an. Im zweiten Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des
Deutschen Reiches kämpfende Land Gebiete an die Sowjetunion und steht lange
unter sowjetischem Einfluss. 1961 verbindet es sich mit der Europäischen
Freihandelszone. Zum 1. 1. 1995 tritt es der -> Europäischen Union bei.
Lit.: Jutikkala, E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands,
1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland,
1984; Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia
pikkujättiläinen, 1987; Albrecht, W./Kantola, M., Finnland, 1992; Finlands
Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland und Deutschland, hg. v.
Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A.
u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungssystem Finnlands, 1999; Ettmayer, W.,
Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O., Dynamic Finland, 2002; Kohler, M.,
Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2002; Nesemann, F., Ein
Staat, kein Gouvernement, 2003; Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the
Cold War, 2006
Firma ist der -> Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel
seine Geschäfte betreibt, im weiteren Sinn auch das -> Unternehmen.
Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma,
Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz,
E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976;
Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. A. 2000
Fischereirecht ist das Recht, in einem Binnengewässer Fische, Krebse und
andere nutzbare Wassertiere, die nicht Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen
und sich anzueignen. Die ursprünglich freie Fischerei wird schon im
Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner als Eigentümer und an
größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom König geht das Regal
seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit später grundsätzlich auf
den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers über. Der Inhaber des
Fischereirechts kann das Fischereiausübungsrecht verpachten.
Lit.:
Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des
Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des altpreußischen Jagd- und
Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E., Die Fischereirechte des
Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922; Kisch, G., Das Fischereirecht
im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch, W., Das Fischereirecht des
Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943; Cahn, E.., Das Recht der
Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R., Fischereirechte im
Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des Meeres, 2000; Lampen,
A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000; Schütt, E., Geschichte des
Fischereirechts und der Fischerei im deutschen Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D.,
Die Schätze Neptuns, 2002
Fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im römischen Recht die
Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die Einnahmen der
Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen. Kaiser
Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen f.
zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam
Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die Staatskasse im f. auf.
Dieser wird eine Art die Vermögensrechte des Staates im Privatrechtsverkehr
wahrnehmender, vielfach privilegierter -> juristischer Person.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das nachrepublikanische
Finanzsystem, 1995
Fiskal ist im neuzeitlichen Verwaltungsrecht der
Interessenvertreter des Staates. -> Fiskalat
Fiskalat ist die spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den
römischen (lat.) advocatus (M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen
die Rechte des Herrschers wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter
Kaiser Friedrich II. in Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach
Frankreich (ministère public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das
Heilige Römische Reich (1421 Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird
im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft aus Frankreich übernommen.
Lit.: Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921; Knolle,
U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964
Fiskus ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in
privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen -> fiscus
zurück. Das lateinische Wort fiscus bezeichnet im Frühmittelalter (vereinzelt
das herzogliche und) meist das königliche Vermögen. Bis zum 13. Jh. werden
Hausgut und Reichsgut und damit Person des Königs und F. getrennt. In den
Ländern entsteht ein F. des Landes. Dort wird als F. zunächst die
landesherrliche Kasse als solche verstanden, danach das Finanzvermögen des
Staates. Der F. wird zum Träger der staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen
19. Jh. wird der Staat in die juristische Person des öffentlichen Rechtes
„Staat“ und die juristische Person des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt.
Seit der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird
der Staat als einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechtes
verstanden, die Bereiche, in denen diese Person sich aber privatrechtlicher
Formen bedient, weiterhin als F. bezeichnet.
Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962;
Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen Bereich,
Diss. jur. Hamburg 1965; Schaller-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt,
1969; Römermann, Der Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und
Fiskalsachen in Kurköln, Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des
karolingischen Reichsgutes, 1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz,
H. u. a., 1994
Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes Gebiet gekennzeichnete und
vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu unterscheidende, seit dem
Mittelalter entstehende -> Staat.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 111
Flame
Lit.: Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische Recht in
Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57 (1937), 138
Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals unter diesem Namen
bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum westfränkischen Reichsteil,
1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit Burgund an Habsburg und 1556 an
die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert gelangt F. 1714 an -> Österreich,
1794 an Frankreich, 1814 an die -> Niederlande und 1830 überwiegend an ->
Belgien. Dementsprechend ist sein Recht anfangs fränkisch und später
französisch geprägt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les baillis
comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de
châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft
Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen
Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938),
163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954, Caenegem,
R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956; Ganshof, F.,
Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A., Die
flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van, Geschichte
Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in Flandern, ZRG GA
90 (1973), 165; Van Peteghem, P., De raad van Vlaanderen, 1990; Nicolas, D.,
Medieval Flanders, 1992; Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen
Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen
en families, 2000
Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des römischen Zensors Appius
Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den Priestern (lat. [M.Pl.]
pontifices) vertrauten Prozessformeln (Legisaktionen) veröffentlicht (sog. ius
[N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der Bürger).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die
literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch
Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2
Flensburg ist die schleswig-holsteinische Stadt, die 1436 ihr ->
Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet.
Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der deutschen
Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49
Fleta ist das in lateinischer Sprache verfasste, bald nach 1290
vollendete, in einer mittelalterlichen Handschrift überlieferte englische
Rechtsbuch eines unbekannten Verfassers, das den (lat.) Tractatus (M.) de
legibus (Abhandlung von Gesetzen) -> Bractons kommentierend fortführt.
Lit.: Plucknett,
T., A Concise History of the Common Law, 5. A. 1956, 265
Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei Bände (1-29, 30-50)
getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstantinopel/Byzanz
zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in
Süditalien im späteren 11. Jh. wiederentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi
nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553
erstmals gedruckte Handschrift der -> Digesten Justinians mit insgesamt 907
Blättern.
Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh. v. Chr. von den Römern
auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 1138 weist F. eigene (lat.
[M.Pl.]) consules auf und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14.
Jh. führende Macht im mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348
erlangt es erstmals eine Universität (1472 Pisa). 1737 fällt das von der
Familie Medici gehaltene Herzogtum F. (1531) an Österreich, 1859 an Italien
(1865-1871 Hauptstadt).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Doren, A., Studien aus
der Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A.
1968; Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Panella, A., Storia di Firenze,
1984; Zorzi, A., L’amministrazione della giustizia penale nella republica
fiorentina, 1988; Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A.,
Renaissance in Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v.
Pinto, G. u. a., Bd. 1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale
Entwicklung, 2001; Dameron, G., Florence and Its Church, 2005
Floß
Lit.: Herold, H., Trift und Flößerei in Graubünden, 1982
Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner jeweiligen Umgebung flieht.
Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast aufgenommen werden. Im 20. Jh.
entwickeln sich allgemeine Regeln über die rechtliche Behandlung der immer
größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.
Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v.
Bundesministerium für Vertriebene usw., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights
of Refugees, 2005
Flumet
Lit.: Diestelkamp, B., Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228),
ZRG GA 94 (1977), 204
Flur
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952
Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und Umgestaltung landwirtschaftlich
genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen Verfahren zum Zweck
ertragreicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in England und danach in
Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern 1861) als Folge der
Auflösung des Gemeinlandes (-> Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie in
Deutschland durch eine Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 durch ein
Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich am Ende
des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von
bescheidener Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Abel, W., Geschichte der
deutschen Landwirtschaft, 1962; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der
Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die Entwicklungsgeschichte
der Landeskultur, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 524; Vergleichende Studien über die japanische und mitteleuropäische
Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998; Quellen zur Entstehungsgeschichte des
Flurbereinigungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß,
E., 2000
Flurzwang ist die durch Zwang erreichte einheitliche Bewirtschaftung
der Flur. Der F. dürfte mit der mittelalterlichen -> Dreifelderwirtschaft
entstanden sein. Er verschwindet mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42
Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken (lat. [N.] foedus, Bund)
beruhende gesellschaftliche Strömung, die sich besonders in der Gestaltung
eines Staates auswirkt (Bundesstaat im Gegensatz zum Einheitsstaat). Als
älteste geschichtliche Form des F. gilt der Stammesföderalismus (z. B. der 12
Stämme Israels). Eine völkerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der
verschiedentlich einem Bundesstaat vorausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und
Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische
Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im
Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G.,
Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus
in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und
Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Föderative nation, hg. v. Langewiesche, G.
u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002; Föderalismus in der
griechischen und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u. a., 2005; Kaiser, A.,
Föderalismus, 2007
Fodrum (lat. [N.]) ist die frühmittelalterliche Abgabe (792) (für
Futter) an den Grafen bzw. König. In norditalienischen Städten entwickelt sich
das f. im 12. und 13. Jh. zum Namen der direkten -> Steuer.
Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss. phil.
Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53; Brühl,
C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
Foederati (lat. [M.Pl.], Sg. foederatus) sind im spätrömischen Recht
die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten).
Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H.,
Foederati, 1930
foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum
folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes Königsland?
Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung vermeidbarer, nicht ganz
unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem Staat oder einem
entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung oder Duldung
eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer Aussage zu
zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius (14-42 n.
Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen. Vielleicht
wird sie im Frühmittelalter gegenüber Unfreien gebraucht. Im Hochmittelalter
(Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/1230 str.], kirchliche
Inquisition 1215/1231/1252, Augsburg 1321) darf der verdächtigte Beschuldigte
der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] „Fohlen“) auf einem Holzbock bzw.
durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte, Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a.
ausgesetzt werden (str. ob Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne
besondere Verdachtsgründe angewandt. Dagegen setzt die -> Constitutio
Criminalis Carolina (1532) besondere Indizien voraus. Die Aufklärung wendet
sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522, Michel de Montaigne,
Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich 1776, Polen, Litauen
1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International gegen
die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter
in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De
pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R.
Stammler, 1926; Helbing-Bauer, Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die
Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom
Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Schünke, W., Die Folter im deutschen
Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli,
P., La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius,
C., Über die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture
and the Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M.,
Humanität und Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P.
u. a. 2000; Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die
Folter, 2004; Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der
Folter im Jahre 1776 in Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der
Wahrheit, 2006
Forderung ist das Recht des Gläubigers gegen den Schuldner auf eine
Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich bei den
Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu. Streitig ist,
ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen (-> Haftung) des
Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich mit der Erfüllung.
Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die Übertragbarkeit von
Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Strohal, E., Schuldpflicht
und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die Forderungspfändung im römischen Recht,
1999
Forensium institutionum
summa (lat. [F.] Gesamtheit der
gerichtlichen Einrichtungen) ist ein von König Alfons VIII. (1158-1214) veranlasstes
höfisches Werk über den -> Fuero viejo de Castilla.
Form ist die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstandes
oder einer Vorstellung. Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste
Norm. Es ist aber fraglich, ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge
einer Rechtseinrichtung oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe
gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im
Vordringen.
Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126; Stutz, U.,
Das Stadtrecht gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler,
O., Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses
Brauchtum der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Eckhardt,
U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976
Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach überwiegender, aber nicht
wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch F. gekennzeichnet (z. B.
lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt sich die -> Formfreiheit
erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält aber auch das Recht der
Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen Form fest. Ein Kennzeichen
des modernen Totalitarismus ist es, unerwünschte Form als bloßen F.
abzustufen.
Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11; Kroeschell,
DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898; Kaufmann,
E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit
statt Formalismus, 1986
Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von der Einhaltung einer
vorgesehenen -> Form abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher Lehre ist im
germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier sind Eid,
Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich die Formen
vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen Beredung
durchgedrungen sein.
Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides
facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875
Formel ist die förmlich festgelegte häufig wiederkehrende Aussage.
Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die Beteiligten eines Verfahrens
vor dem Magistrat in einem ersten Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils
erforderlichen Verfahrensform (lat. [F.] -> legisactio), zu der genau
vorgeschriebene Spruchformeln gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere
Formularverfahren kennt statt der wenigen Legisaktionen viele, auf das
jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Die Verbalkontrakte des
klassischen römischen Rechts erfordern für die Entstehung der Obligation
bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich etwa für Eide, Gelöbnisse,
Einsetzungen usw. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere (lat. [F.] ->
formulae) werden in -> Formelsammlungen gesammelt.
Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G., Paarformeln
in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W., Formeln mit
unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und Ausbreitung der
Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126
Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende Recht im Gegensatz zum
materiellen Recht.
Lit.: Kollmann, Begriffs- und Problemgeschichte, 1996
Formelsammlung ist die bereits im Altertum bekannte, besonders für das
quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von allgemeinen Formularen für
Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart kautelarjuristisch gepflegt wird. Die
bekanntesten frühmittelalterlichen Formelsammlungen sind die westgotischen
(lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba 616-20), die formulae Andecavenses (Angers um
600), die formulae Marculfi (um 650?, 721-35?), die formulae Bituricenses
(Bourges 8. Jh.) und die formulae imperiales (vor 832). Danach finden sich seit
dem 11. Jh. Formelsammlungen innerhalb der (lat.) ars (F.) dictandi (z. B.
Breviarium de dictamine des Alberich von Montecassino) oder der (lat.) ars (F.)
notariae (Rainerius Perusius vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis
notariae, 1255). Für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Deutschland
haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de modo prosandi
(Baumgartenberg A. 14. Jh.) und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).
Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855; Schröder, R.,
Über die fränkischen Formelsammlungen, ZRG GA 4 (1883), 75; Collectarius
perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser, H., 1900; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi
formularum libri duo, 1962
Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich bedeutsamen Handlung von
einer besonderen -> Form. Es ist streitig, inwieweit am Beginn rechtlicher
Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon in den frühesten Quellen auch
feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.] mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich
die Kirche für die F. der Verträge ein. Auch der Liberalismus bejaht
grundsätzlich die F. Dessenungeachtet entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen
(z. B. allgemeine Geschäftsbedingungen, Verbraucherkreditverträge, Arbeitsverträge).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher
formulae -> Formelsammlung
Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem älteren
Legisaktionenverfahren (-> legisactio) im klassischen römischen Recht
nachfolgende, dem späteren -> Kognitionsverfahren vorausgehende Verfahren.
Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt viele, auf das
jeweilige Rechtsverhältnis bezogene Klageformeln. Sie werden auf den formlosen
Vortrag der Parteien vor dem Prätor hin meist schriftlich niedergelegt. 17 v.
Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste abgeschafft.
Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M., Agere
praescriptis verbis, 2002
Foro ist die portugiesische Bezeichnung für -> Fuero. 1111
wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179 an
Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten
gewährt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666
Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer schwedischen
Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Helsinki
1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst 1896 eine
Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön historia).
Forst ist seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen
(lat. [M.]) saltus nachgebildete, durch -> Bann abgesonderte herrschaftliche
Wald (meist des Königs). Im Hochmittelalter gehen die Forsten des Königs auf
die Landesherren über. Örtlich unterschiedlich greift der absolutistische Fürst
entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der Liberalismus verlangt
die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren die Forstgesetze des
19. Jh.s unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K., Geschichte
des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die Forsten der
Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren Rechtsverhältnisse am Wald
in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H., Comitatus nemoris, 1957;
Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Rubner, H.,
Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen Frankreichs, 1965; Bothmer,
H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965; Rubner, H., Forstgeschichte im
Zeitalter der industriellen Revolution, 1967; Young, C., The Royal Forests of
Medieval England, 1979; Mantel, K., Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts, 1980; Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg
1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001
Forsthoff, Ernst (Laar 13. 8. 1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach
der Promotion bei Carl -> Schmitt 1933 Professor für öffentliches Recht in
Frankfurt am Main, Hamburg (1935), Königsberg (1936), Wien (1941) und
Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt sich für den starken Staat ein, der
allein die mit dem technischen Fortschritt eintretenden Probleme bewältigen
könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit, der
umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend gegenüber.
Trotz seines konservativen Verfassungsverständnisses ist sein
Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts
(1950) ist längere Zeit in Deutschland führend.
Lit.: Doehring, K., Ernst Forsthoff, in: Juristen im
Portrait, 1988, 341; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf
konservativer Grundlage, 2006
Fortescue, Sir John (um 1385-um 1479), nach Ausbildung in Lincoln’s
Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht (King’s Bench), von 1463 bis
1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem in der Form eines
Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten Hauptwerk ([lat.] De
laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des englischen Rechts) das
englische Recht mit dem festländischen (französischen) Recht in einer für Laien
verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of the Kingdom of England
(Über die Beherrschung des Königreichs England) (1471/1473) stellt er den
politischen Gesamtzustand seines Landes dar.
Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v. Clermont, T.,
1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58 (1938), 615; Kluxen
K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht der Marktplatz und das
dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das mittelalterliche Kirchenrecht bildet
von daher die Vorstellung eines (lat.) f. externum und eines f. internum.
Daneben bezeichnet f. auch den Markt.
Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger, W.,
Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters,
Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im
Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A.
1980
Forum (N.) externum (lat.) ist seit Thomas von Aquin (1225-1274) (forum
exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des menschlichen
Bußwesens und Gerichtswesens im Gegensatz zum Gott einsehbaren inneren Gericht
des Gewissens, das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als (lat.) forum (N.)
internum bezeichnet wird.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963
Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit (nach 1563) das
Gewissen im Gegensatz zum (lat.) -> forum (N.) externum.
Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963; Trusen,
W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83
Fracht ist der Lohn für die Beförderung eines Gutes und das gegen
Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag entsteht im Hochmittelalter
und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Morisset, J., Der
Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996
Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente) sind die von dem Bologneser Professor Augusto
Gaudenzi (1858-1916) in einer (um 900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek
von Lord Leicester (Codex Holkhamensis Nr. 210) entdeckten, bis dahin
unbekannten 14 Kapitel des gotischen Rechtskreises des 6. Jh.s (?).
Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto
romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G.,
Fragmenta Gaudenziana, in: Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Kaiser, W.,
Die Epitome Iuliani, 2004
Fraktion ist das Bruchstück oder die Vereinigung von
Mitgliedern einer Partei im Parlament.
Lit.: Kramer, H., Fraktionsbindungen
in den deutschen Volksvertretungen 1819-1849, 1968
Franche-Comté (Freigrafschaft) -> Burgund
Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79
(1962), 106
Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet, -> Franken
Lit.:
Lugge, M., Gallia und Francia, 1960
Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die Verteilung der Finanzen zwischen
Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am 12. 7. 1879 verabschiedete, nach
dem Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag des Deutschen Reiches, Georg
Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825-22. 1. 1890),
bezeichnete Klausel, dass der Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des
Reiches), der die Summe von 130 Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den
Bundesstaaten zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern aufgehoben.
Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die
deutsche Finanzreform, 1894
Franeker in den Niederlanden ist von 1585 bis 1815 Sitz einer
juristischen Fakultät.
Lit.: Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG
54 (1986), 39
Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer 258 n. Chr. am
Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die im 5. Jh. in das
südlich gelegene, römische Gallien eindringt. Die Franken besiegen unter ihrem
sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um 466,] 481-511) den römischen
Statthalter in Nordgallien (486), die am oberen Rhein und an der oberen Donau
sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden Westgoten (507).
Danach bringen ihre Könige aus dem Hause der -> Merowinger die Thüringer
(531), Burgunder (532/4) und Bayern in eine gewisse Abhängigkeit. Das Recht der
Franken wird im (lat.) -> Pactus (M.) legis Salicae (507/11?) und in der
(lat.) -> Lex (F.) Ribvaria sowie der -> Ewa Chamavorum aufgezeichnet.
751 löst die Familie der Karolinger die Merowinger gewaltsam im Königtum ab.
Unter Karl dem Großen, der Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser
gekrönt wird, gewinnt das Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen,
Italien). 843 wird es in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges)
Ostreich geteilt, woraus sich 887 eine Zweiteilung entwickelt, die im deutschen
Reich einerseits und in Frankreich andererseits endet. In Frankreich gehen die
Franken bald in der unterworfenen gallorömischen Bevölkerung auf. Im deutschen
Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919 auf die Herzöge von Sachsen. Das
Herzogtum der Franken (ebenso wie ein Territorialherzogtum Franken [1168])
verschwindet infolge seiner späteren Königsnähe bald in vollständiger
Zersplitterung und hinterlässt nur in den bayerischen Regierungsbezirken
Mittelfranken (Ansbach), Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg)
eine blasse Erinnerung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 3;
Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien
und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im
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Europas, 1996; Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Franks and Alamanni, hg. v.
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bis 1268, bearb. v. Störmer, W., 1999; Merz, J., Fürst und Herrschaft. Der
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Landesgeschichte, hg. v. Wendehorst, A., 2001; Edel und Frei, hg. v. Jahn, W.
u. a., 2004
Frankenberg ist die 1243 erstmals erwähnte Stadt an der oberen Eder,
für die1493 der in Erfurt (1454) und Leipzig (1457-9) immatrikulierte
Bürgermeisterssohn und Schöffe Johannes Emmerich ein Stadtrechtsbuch vollendet,
das in seinem ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht
und Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem auf dem
Schwabenspiegel und dem Kleinen Kaiserrecht (Frankenspiegel) beruht und wohl
aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors IX. und die Institutionen
Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach Alsfeld übernommen.
Lit.: Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt
Frankenberg, Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß,
W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82
Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel, Deutschenspiegel und Schwabenspiegel
ausgerichtete Bezeichnung des zwischen 1344 und 1350 bei Frankfurt verfassten,
eng an den sog. Schwabenspiegel angelehnten -> Kleinen Kaiserrechts.
Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K.,
Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44
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Frankfurt am Main ist die 794 als Pfalz erstmals erwähnte Stadt am unteren
Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl, wie dies die Goldene Bulle
(1356) ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Bis 1372 wird
F., dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297)
aufgezeichnet wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509 reformiert die Stadt
ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch Johann -> Fichard noch.
Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in Gießen ausgebildeten
Rechtsanwälte ist überdurchschnittlich groß. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz der
Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und 1848/1849 Sitz der deutschen
Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491 Juristen, viele mit Studien
in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es von Preußen annektiert. 1912
wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften
Sitz einer Universität. 1945 gelangt es zu Hessen.
Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon; Thomas,
J., Der Oberhof zu Frankfurt a. M., 1841; Hohenemser, P., Der Frankfurter
Verfassungsstreit 1705 bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation
von 1578, 1935; Cellarius, H., Die Reichsstadt Frankfurt und die Gravamina der
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Frankfurt am Main, 1939; Ziehen, E., Frankfurt, Reichsreform und Reichsgedanke
1486-1504, 1940; Lenhardt, H., Feste und Feiern des Frankfurter Handwerks,
1950; Die Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt 1311-1400, hg. v. Andernacht,
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Frankfurt am Main, hg. v. Wolf, A., 1969; Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus
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J. van der, Bürger und Beamter Johann Georg Schlosser 1739-1799, 1986; Bund,
K., 1436-1986. 500 Jahre Stadtarchiv Frankfurt am Main, 1986; Die Frankfurter
Nationalversammlung 1848/49, hg. v. Koch, R., 1989; Die Frankfurter
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Frankfurt am Main, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1989; Ein Jahrhundert
Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a., 1989; Gimbel,
R., Die Reichsstadt Frankfurt am Main unter dem Einfluss der westfälischen
Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der Frankfurter historischen
Kommission, 1991; Maly, K., Die Macht der Honoratioren, 1992; Dölemeyer, B.,
Frankfurter Juristen im 17. und 18. Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Regierungsakten
des Primatialstaates und des Großherzogtums Frankfurt 1806-1813, bearb. v. Rob,
K., 1995; Kraß, G., Das Arrestverfahren in Frankfurt am Main, 1996; Best,
H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter
Nationalversammlung, 1996; Roth, R., Stadt und Bürgertum in Frankfurt/Main,
1996; Weber, M., Verfassung und Reform in Vormärz und Revolutionszeit, Diss.
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Laufs, A., Die Frankfurter Nationalversammlung, JuS 1998, 385; Rothemann, M.,
Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Recht und Juristen in der deutschen
Revolution 1848/49, hg. v. Düwell, F., 1998; Johann, A., Kontrolle mit Konsens,
2001, Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Repertorium der Policeyordnungen
der frühen Neuzeit – Frankfurt am Main, hg. v. Halbleib, H. u. a., 2004;
Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im
Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als Handelssiedlung gegründet und
erhält 1253 das Stadtrecht von Berlin. Von 1506 bis 1811 ist es Sitz der ersten
brandenburgischen, 1991 erneuerten Universität.
Lit.:Kliesch, G., Der Einfluss der Universität Frankfurt
(Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte, 1961; Bardong, O., Die Breslauer
an der Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung
der Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an
Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002
Frankfurter Nationalversammlung -> Frankfurt am Main
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Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen
Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992
Fränkisches Recht ist das für -> Franken geltende Recht. Dem fränkischen
Recht untersteht der deutsche König. Als besondere Einheit ist es trotz
gelegentlicher hochmittelalterlicher Bezugnahmen kaum fassbar. -> Pactus
legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum
Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht, ZRG
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in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die Franken und ihr Recht,
ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen
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236; Holtzmann, R., Französische Verfassungsgeschichte, 1910; Goldmann, E.,
Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue
Beiträge zur Geschichte des fränkischen Rechts, 1928; Claude, D., Zu Fragen
frühfränkischer Verfassungsgeschichte, ZRG GA 83 (1966), 273; Sizaret, L.,
Essai sur l’histoire de la dévolution successorale ab intestat, 1975
Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des Reiches der ->
Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische Staat, in dem
sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen Franken in der romanischen Mehrheit
allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den Karolingern zahlreiche
ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Normandie, Burgund,
Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum zwischen
Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach dem Aussterben der westfränkischen
-> Karolinger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von Paris, zum König
gewählt wird, setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Etwa zu dieser Zeit
tritt an die Stelle des westfränkischen Reiches F., das rasch kulturell führend
wird. Der König ist zunächst auf die um 1180 nur ein Zehntel des Reichs
ausmachende Krondomäne beschränkt und beherrscht neun Zehntel des Reichs nicht
mehr selbst, drängt aber später die großen Lehnsträger (rund ein Dutzend
Prinzipate) zurück. Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende
König von England muss bis 1214 große Teile Frankreichs an den französischen
König überlassen. König Ludwig IX. (1226-1270) gelingt die Schaffung wichtiger
Verwaltungseinrichtungen (Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). 1303 kann der
König von F. den Papst gefangennehmen und 1309 nach Avignon verbringen. Beim
Aussterben der -> Kapetinger kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit
England. Erst durch das Eingreifen der Bauerntochter Jeanne d’Arc gelingt der
Sieg über England. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481
umfasst die Krondomäne des Königs drei Viertel Frankreichs. 1492 wird nach
Italien (Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Kalvinismus wird
durch die Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt. Unter dem zum Katholizismus
zurückgekehrten König Heinrich IV. beginnt der Aufbau einer absolutistischen
Herrschaft, in der die Generalstände seit 1614 nicht mehr einberufen werden.
1648 erlangt Frankreich von Habsburg Gebiete im -> Elsass, 1659 Roussillon
und Artois. König Ludwig XIV. (1643-1715) wird als Sonnenkönig absolutistisches
Vorbild in Europa, muss aber am Ende des spanischen Erbfolgekrieges (1714) ein
Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die
bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach
außenpolitischen Misserfolgen und innenpolitischen Wirtschaftskrisen am 14. 7.
1789 den König unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (3.
9. 1791 Verfassung, 1792 Republik). Nach langjährigen revolutionären Wirren
erreicht am 9. 11. 1799 Napoléon Bonaparte die Macht und bringt als Kaiser
(1804) in kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach
militärischen Niederlagen (1813, 1814) Napoléons wird F. konstitutionelle
Monarchie, wechselt aber mehrfach zwischen Republik (1848-1851, 1871ff.) und
Monarchie (1852-1870). 1871 verliert F. den wegen der Thronfolge in Spanien
gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten Krieg. Das dabei
verlorene Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkrieges (1918)
zurück. Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit
eroberten Kolonien. Seit 1952 schließt es sich mit Deutschland, Italien,
Niederlande, Belgien und Luxemburg zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs
über Deutschland) zu Gemeinschaften der Montanindustrie, der Atomwirtschaft
und der Wirtschaft (1957) zusammen, aus denen 1993 insgesamt die ->
Europäische Union erwächst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76,
131, 141, 149, 186, 191, 223, 246, 256; Flach, J., Les origines de l’ancienne
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3,3,3152,3668,3769,3885,3966,4074; Kienast, W., Deutschland und Frankreich in
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wundertätigen Könige, 1998; Rigaudière, A., Pouvoirs et institutions dans la
France médiévale, 2. A. 1998; Hartmann, P., Geschichte Frankreichs, 1999; Schmale,
W., Geschichte Frankreichs, 2000; Rosanvallon, P., Der Staat in Frankreich,
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Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001; Geschichte
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hochmittelalterlichen Frankreich, 2002; Naegle, G., Stadt, Recht und Krone,
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au XVIe siècle, 2002; Schabert, T., Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich
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systematisierten Konflikt, 2002; Baldinger, K., Dictionnaire étymologique de
l’ancien français, 2003; Grüner, S./Wirsching, A., Frankreich, 2003; Goldsmith,
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Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Schmidt, B. u. a., Frankreich-Lexikon,
2. A. 2006
Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des politischen Systems
in -> Frankreich 1789/1799. Sie erwächst aus der zunehmenden Spannung
zwischen dem König und dem nach politischen Rechten strebenden, mit der
wirtschaftlichen Lage und wohl auch der mangels eines Steuerkatasters
willkürlichen Steuererhebung unzufriedenen dritten Stand (der -> Bürger).
Als die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren erstmals wieder zusammengerufenen
Generalstände nach ergebnislosen Beratungen sich am 17. 6. 1789 zur
Nationalversammlung erklären, versucht der König erfolglos, sie aufzulösen.
Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses (Bastille) am 14. 7. 1789 muss er
sie als verfassunggebende Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte
des ancien régime werden aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden
Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche
enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste -> Verfassung geschaffen. Am 21. 1.
1793 wird der König hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein
Revolutionstribunal. Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines
Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses wird mit dem Sturz Robespierres am 27.
7. 1794 beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9.
11. 1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende Direktorium.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Redslob, R., Völkerrechtliche
Ideen der französischen Revolution, FS Otto Mayer, 1916, 773; Stern, Der
Einfluss der französischen Revolution auf das deutsche Geistesleben, 1928; Göhring,
M., Geschichte der großen Revolution, Bd. 1f. 1950f.; Garaud, M., La révolution
et la propriété fonciere, 1959; Schmitt., E., Einführung in die Geschichte der
französischen Revolution, 1976; Vovelle, M., Die französische Revolution, 1982;
Die französische Revolution, hg. v. Günther, H., 1985; Vom alten Reich zu neuer
Staatlichkeit, hg. v. Gerlich, A., 1982; Furet, F./Richet, D., Die französische
Revolution, 1987; Schulin, E., Die französische Revolution, 4. A. 2004; Die
französische Revolution als Bruch des gesellschaftlichen Bewusstseins, hg. v.
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französische Revolution und das Projekt der Moderne, hg. v. Pelinka, A. u. a.,
2002; Thamer, H., Die französische Revolution, 2004; Kuhn, A./Schweigard, J.,
Freiheit oder Tod!, 2005
Französisches Recht ist das in Frankreich geltende Recht bzw. das in
Frankreich geschaffene Recht. Es ist aus zwei großen Teilgebieten erwachsen. Im
Süden Frankreichs gilt seit dem Untergang des weströmischen Reiches (476) das
in vereinfachter Form (-> Breviarium Alaricianum) fortgeführte römische
Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit). Nördlich der Loire bilden
sich auf der Grundlage der fränkischen Volksrechte (-> Pactus legis Salicae)
viele örtliche oder gebietliche Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] -> Coutumes). Sie
werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die
-> coutumes de Beauvaisis des Philippe de -> Beaumanoir (1283). 1454 wird
die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine
glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. -> mos [M.] Gallicus) mit
dem Mittelpunkt in Bourges. Gewicht gewinnen einzelne königliche ordonnances
(1566, 1667, 1673, 1681, 1731, 1735, 1745). Die Aufklärung erweckt ein Streben
nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791 kündigt die Verfassung ein
einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code [M.] des lois civiles
communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht verabschiedet und nur
Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit [M.] intermédiaire).
Nach der Machtergreifung Napoléons entstehen binnen weniger Jahre ein ->
Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch 1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das
europäische Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender -> Code
de procédure civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein
Code de commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle
(Strafverfahrensgesetzbuch 1808) und ein -> Code pénal (Strafgesetzbuch
1810). Sie beeinflussen das Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen
Deutschland) und gelten teilweise noch in der Gegenwart. 1958 wird ein neuer
Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975 bzw.) 1976/81
ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetzbuch), seit 1989
ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit 1867
erhebliche Veränderungen.
Lit.: Boucher D’Argis, A., Lettres d’un
magistrat de Paris à un magistrat de province sur le droit Romain, 1782, hg. v.
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1806 . 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L.
u. a., 2006; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische
Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007
Französische Zone ist die 1945 im Deutschen Reich eingerichtete
Besatzungszone Frankreichs (Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern,
Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949 der Bizone angeschlossen wird und danach in
der ->Bundesrepublik Deutschland aufgeht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Frau ist der erwachsene weibliche Mensch. In einer
patriarchalischen Gesellschaft ist die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder
Beziehung gleichgestellt. Im altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in
der Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des Ehemannes, im Frühmittelalter in der
Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemannes. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung
beträgt 21 Jahre. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im
Alemannien des Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint
ihr Erbrecht gesellschaftlich weniger fest verankert zu sein, und können
verheiratete Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die
Stellung der F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft
(Kauffrau). Im 16. Jh. bricht, wenn auch noch ohne bestimmte rechtliche Folgen,
die Erörterung über die Gleichrangigkeit der Geschlechter auf. Im Zuge der
Aufklärung verlangen zuerst einzelne Frauen die grundsätzliche Gleichstellung.
Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im Umkreis der politischen Unruhen
des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein Allgemeiner Deutscher Frauenverein
gegründet. Danach werden 1869 in Preußen die Schranken der Handlungsfähigkeit
aufgehoben und wird 1877 im Deutschen Reich Prozessfähigkeit gewährt. Im
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der elterlichen Gewalt.
Sie wird 1900 zum Studium (Baden, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, in
Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, Anita Augspurg
1857-1943-erste juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche
Juristin Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919
gleichberechtigte Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern), 1918 zu Wahlen
(Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark 1915, Sowjetunion
1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von Amerika 1920,
Großbritannien 1928, Spanien 1931, Frankreich 1944, Italien 1945, Ungarn 1945,
Japan 1945, China 1949, Schweiz 1971, Südafrika 1994) und (1. 7.) 1922 zu den
Ämtern der Rechtspflege (1924 erste Gerichtsassessorin) zugelassen. Zum 31. 3.
1953 erklärt das Bundesverfassungsgericht alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz
des Grundgesetzes entgegenstehende Recht als außer Kraft. 1979 wird weltweit
eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung von Frauen
beschlossen. 1995 erklärt der Europäische Gerichtshof eine Bevorzugung einer F.
nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für rechtswidrig.
Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K., Die
deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die Rechtsstellung
der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907;
Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Schubart-Fikentscher, G., Das
Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, in: Die Frau 41 (1933/4), 28;
Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen Stadtwirtschaft, 1935;
Barchewitz, J., Von der Wirtschaftstätigkeit der Frau, 1937; Merschberger, G.,
Die Rechtsstellung der germanischen Frau, ZRG GA 58 (1938), 824; Heß, L., Die
deutschen Frauenberufe des Mittelalters, 1940; Pesle, O., La femme musulmane,
1946; Vogelsang, T., Die Frau als Herrscherin im hohen Mittelalter, 1954;
Scheffler, E., Die Stellung der Frau, 1970; Pauli, L., Infirmitas sexus, 1975; Schwanecke,
I., Die Gleichberechtigung der Frau unter der Weimarer Reichsverfassung, 1977; Frauen
in der Geschichte, hg. v. Kuhn, A. u. a., 1979; The Women of England, hg. v.
Kanner, B., 1979; Schmitter, R., Die Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, 1981;
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Allgemeinen Landrechts, 1983; Ennen, E., Frauen im Mittelalter, 1984, 5. A.
1994; Wemple, S., Women in Frankish society, 1985; Frauenlexikon, Fakten,
Perspektiven, hg. v. Lissner, A., 1988; Kroj, K., Die Abhängigkeit der Frau,
1988; Duby, G., Die Frau ohne Stimme, 1989; Frauen in den 80er Jahren, 1989; Freiburg,
A., Die Rechtsstellung der Frau, Diss. jur. Köln 1990; Frauen im Recht, 1990;
Frauen in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Affeldt, W., 1990; Medieval
Women, hg. v. Rosenthal, J., 1990; Koch, E., Maior dignitas est in sexu virili,
1991; Demars-Sion, V., Femmes séduites et abandonnées au 18e siècle, 1991; Geschichte
der Frauen, hg. v. Duby, G. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.; Arjava, A., Women and Roman Law in late Antiquity, Diss. Helsinki, 1994; Wolf,
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Berneike, Die Frauenfrage ist Rechtsfrage, 1995; Dressel-Schuh, E., Frauen in
Frankfurt, 1995; Goetz, H., Frauen im frühen Mittelalter, 1995; Von Huren und
Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; I, CLAVDIA, hg. v. Kleiner,
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Jewish Women in Greco-Roman Palestine, 2006; Rottloff, A., Lebensbilder
römischer Frauen, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006
Frauenarbeit ist die -> Arbeit der -> Frau außerhalb des
Haushaltes und der Familie. Sie gewinnt seit dem ausgehenden 19. Jh. an
Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit der Arbeit von Frau und
Mann.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J.,
Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im
Augsburger Zunfthandwerk, 2001
Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit dem Spätmittelalter als
stadteigene Einrichtung erkennbare Bordell. In der Gegenwart ist F. die
Zufluchtsstätte misshandelter Frauen.
Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992
Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer Frau (zwecks
Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und begründet keine Ehe
(str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die -> Constitutio
Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des römischen Rechts (C.
9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt an.
Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Gössler,
Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf- und
Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und
Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn
1956
Frauenstimmrecht-> Frau, Wahlrecht
fraus (lat. [F.]) Tücke
Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982
Fredus (lat. [M.]) ist das im -> Kompositionensystem des
Frühmittelalters bei einem Unrechtserfolg (nicht an den Verletzten, sondern) an
den König zu entrichtende Friedensgeld (1/3 der Buße).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
91; Köbler, LAW
Freher, Marquard (Augsburg 26. 7. 1565-Heidelberg 13. 5. 1614),
Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf und
Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis 1598 Professor in Heidelberg,
danach Hofgerichtsvizepräsident. Er veröffentlicht eine Reihe deutscher
Geschichtsquellen und verfasst daneben eigene Abhandlungen.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680
Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des 12. Jh.s gegründete
sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes, ziemlich
selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen Prachthandschrift und
4 weiteren Handschriften überliefert ist. 1572 wird es von den kursächsischen
Konstitutionen verdrängt.
Lit.: Ermisch, H., Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff,
H., Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929; Unger,
M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957; Unger, M.,
Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der
Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81
Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch Herzog Berthold II. von
Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten Burgberg (Schloßberg)
gegründete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von Zähringen um (oder auf) einen
Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat. [F.] civitas) erweiterte,
(Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150 ummauerte Ort am Ausfluss der
Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von Zähringen als Ortsherr bei
Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes Stadtrechtsprivileg für die (lat.)
mercatores (M.Pl.) personati (namhaften Kaufleute) erteilt (str.). 1368
unterstellt sich F. (1385 rund 9000 Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg.
1457 wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius
verfasstes reformiertes Stadtrecht in Kraft, das bis 1784/1810 gilt. 1806 fällt
F. an Baden.
Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im
Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg
im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche
Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H.,
Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Rietschel,
S., Neue Studien über die älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, 1907; Beyerle,
F., Untersuchungen zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg i. Br.
und Villingen a. Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA
33 (1912), 471; Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, 1920;
Below, G. v., Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur Deutung des
ältesten Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für Geschichte zu
Freiburg 36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getreidehandelspolitik, 1926; Bastian,
J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele,
F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt
Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität
zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H.,
1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520,
1957; Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg,
1965; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau,
1965; Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63;
Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H.,
Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen
Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg,
1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger-Gründungsurkunde aus dem Jahr
1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v.
Köbler, G., 1986; Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157;
Nasall, W., Das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger
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1996; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach,
B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005
Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV. von Zähringen gegründet.
Am 28. 6. 1249 erhält es von den Grafen von Kyburg eine (erneuerte)
Stadtrechtsurkunde. 1481/1502 tritt es der Eidgenossenschaft der Schweiz bei.
1487 gewinnt es die Reichsfreiheit. 1889 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F., Beiträge zur
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Foerster, H., 2003; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007
Freier ist der nicht von einem anderen unmittelbar abhängige
Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der römische Bürger (lat. civis
[M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es streitig, ob den Kern des Volkes
eine Vielzahl von Freien bildet. Im Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie,
Halbfreie und Unfreie in den Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar,
wie groß die Zahl der Freien in der zunehmend von der -> Grundherrschaft
gekennzeichneten Gesellschaft ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in
diesen geradezu Abhängige des Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den
Bürger der Stadt und vielfach auch den Rodungssiedler eine neue Freiheit (->
Stadtluft macht frei). Im frühen 19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung
(Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner
betreffend) allgemeine Freiheit. Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die
Stände der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und
der Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter
des Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl,
A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f.
württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der
Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die
Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G.,
Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171; Müller, W.,
Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975), 89; Köbler, G., Die Freien im
alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott,
C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983
Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die Schule der Rechtswissenschaft
(Ernst Fuchs [1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven
Jurisprudenz, 1907, H. U. Kantorowicz [1877-1940], Eugen -> Ehrlich
[1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft, 1903), die davon
ausgeht, dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger
Unterordnung (Subsumtion) des Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm,
sondern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der
Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten
Ergebnissen führen würde. Seine Aufgabe bestehe mehr in der am allgemeinen Wohl
ausgerichteten Gesellschaftsgestaltung als in der strengen Normanwendung. Diese
Ansichten setzen sich nicht durch.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die
methodologischen Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und
Freirecht, 1984; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A. 2001; Bartels-Ishikawa, A., Theodor Sternberg, 1998
Freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden Herrschaft des
Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg
1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz
1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768,
Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun
1156-1552, Cambrai 12. Jh.-1552) des Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation). Die Benennung als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die
Benennung als (freie) Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich.
Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen
Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte,
1967
Freigelassener (lat. libertus) ist der von seinem Herrn
durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der Freigelassene ist im
römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer Schutzgewalt (Patronat)
des bisherigen Herrn. Auch im mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene
dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8, 12, 14;
Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der
altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20
Freigericht ist die Bezeichnung für ein im Heiligen Römischen Reich vom
Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines solchen Gerichts).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte des
freien Gerichts Kaichen, 1858; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden,
Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs,
Das königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa 1 Dutzend Dörfern, 1293
erstmals erwähnt)
Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen des Heiligen Römischen
Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft, deren Herkunft
ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit verknüpft. In
Westfalen entsteht aus der F. die -> Feme.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Herold, F., Gogerichte und
Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas, A., Zur Frage der Freigrafschaften,
vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38 (1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft,
Freigrafschaft und Gografschaft, 1949; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung
Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167; Hömberg, A., Die Entstehung der
westfälischen Freigrafschaften, 1953
Freiheit ist die Möglichkeit der uneingeschränkten Entfaltung. Für
viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie nicht dem Stand
der -> Freien (oder des Adels) angehören. Andere erlangen durch Privileg
einzelne besondere Freiheiten. Erst in der französischen Revolution des Jahres
1789 setzt sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer
allgemeinen F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem
vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die
Erklärung der F. als eines Zustandes des von einem Herrn Geschütztseins. Die
Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.
Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die Idee einer
altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v.,
Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach,
G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der
allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182; Otto,
E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939; Njeussychin,
A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 66; Mayer-Maly,
T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und Mittelalter, Z. f.
öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der deutschen und schweizerischen
Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A. 1981; Reibstein, E.,
Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972; Hunke, H., Germanische
Freiheit im Verständnis der deutschen Rechts- und
Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La
liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte
im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Schott, C., Freiheit
und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Chaimowicz, T., Freiheit und Gleichheit im
Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Battisti, S., Freiheit und Bindung, 1987;
Lübtow, U. v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried,
J., 1991; Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und
Eingriffe in die persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das
Freiheitsproblem in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten,
Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski,
M., Studia nad kszałtowaniem się gwarancji ochrony wolności
osobistej w państwie niemieckim (10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der
Freiheitsgarantien für die Person im deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert),
1994; Roche, J., Libertés publiques, 12. A.
1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan, J.
u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche
Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S.,
Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R., Appetitus libertatis –
Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27; Blickle, P., Von der
Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003
Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des Menschen auf Freiheit in
der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter Hinsicht. Die F. werden auf
Grund der gegen den Absolutismus gerichteten Aufklärung seit der zweiten Hälfte
des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen gegenüber dem Staat verstärkt anerkannt.
Seit etwa 1780 werden Freiheitskataloge erstellt. Sie betreffen beispielsweise
die Meinung, die Presse, die Lehre, das Gewissen, die Religion oder die
Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte in
Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im
deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im
Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J.,
Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, in: Die politische
Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die Entwicklung
ökonomischer Freiheitsrechte, 1995
Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit durch
Zuweisung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten bestehende Strafe. Sie ist im
römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer Strafen bedeutsam und begegnet
auch im Frühmittelalter kaum. Erst im 14. Jh. gewinnt sie in den Städten an
Bedeutung. In der Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise
bei kleinem Diebstahl angedroht. Seit dem 16. Jh. werden in England (Bridewell
1555) und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus religiöser Fürsorge
Häuser errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später
auch Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit angehalten werden können. Im
ausgehenden 17. Jh. wird die F. allgemein als sinnvoll anerkannt. Vielleicht
erst im ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheitsentziehung voll als
eigenständige Strafengruppe dem Strafensystem eingeordnet. Danach wird die F. (unter
Zurücktreten der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur
vorherrschenden Strafe.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205, 236,
265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E.,
Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck
1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs,
A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe
und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990),
102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform
des Vollzugs, 2000
Freiherr ist der unter dem Grafen stehende niedere Adelige, der dem
Baron entspricht.
Freilassung ist in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft,
durch das der Unfreie aus der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die
Beendigung eines Freiheitsentzuges. Das römische wie das mittelalterliche Recht
kennen verschiedene Formen der F. (-> mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge,
Freilassungsbrief).
Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 21,
57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de
l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der
germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La
manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982),
220
Freimaurer
Lit.: Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989;
Schuster, J., Freimaurer und Justiz in Norddeutschland unter dem
Nationalsozialismus, 2007
Freirechtsbewegung -> freie Rechtsschule
Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht. -> Feme
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Freising ist der Sitz eines um 738 von Bonifatius in Bayern
eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220 reichsunmittelbar wird. Nach F.
benannt ist das zum eigenen Gebrauch des 1319 in einer Münchener Urkunde
erwähnten Fürsprech Rupprecht (von Freising) 1328 geschaffene, in 13
Handschriften überlieferte, auf Schwabenspiegel (um 1275), Augsburger
Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende
(Freisinger) -> Rechtsbuch, das vorwiegend Strafrecht und Pflichten des
Fürsprechers behandelt.
Lit.: Freisinger Rechtsbuch, bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder,
H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J., Das Bistum Freising, 1986; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58
Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat. (F.) res publica. Als F. in
Deutschland benennen sich (seit 1918) Bayern und Sachsen.
Freistuhl -> Freigericht
Freiteil (Seelteil) ist der seit dem Altertum von der christlichen
Kirche (z. B. Augustinus) vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und
philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen allmählich als Kindesteil oder
fester Bruchteil (1/5, 1/3) geforderte Anteil an jedem Erbe. Er wird im
Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern) übernommen (lat. donatio
[F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet einen wichtigen
Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des Anrechts der nächsten Verwandten auf das
Erbe. Am Ende des Mittelalters besteht Testierfreiheit.
Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil nach
süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss der
Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Schultze,
A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA 50 (1930),
1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956
Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der -> Gerichtsbarkeit) eine staatliche
Organisation und ein staatliches Verfahren zur amtlichen Hilfe in
privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G. schließt an den Ausdruck (lat.
iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen Digesten (D. 1, 16, 2
principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher Fürsorge seit
dem Hochmittelalter vor allem in Nachlasssachen, Vormundschaftssachen, Beurkundungssachen,
Liegenschaftsrechtsübertragungen und Aufgeboten. Zuständig werden in Anlehnung
an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene Verwaltungsbehörden
und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen die preußische Allgemeine
Gerichtsordnung (1783) und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit (17. 5. 1898).
Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae lineae
jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem Gebiete
der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des
gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A.
1831f.; Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens,
1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im
kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 173; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren,
1996
Freizügigkeit ist das Recht der freien Ortsveränderung. F. besteht nicht
für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht. Der -> Augsburger Religionsfriede
von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen Zahlung von Abzugsabgaben,
das preußische Allgemeine Landrecht (1794) das Recht zu freier Auswanderung,
die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des Bundesgebietes, die Verfassung
von 1849 Niederlassungsfreiheit innerhalb des Reichsgebietes und Auswanderungsfreiheit.
In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen Union gilt die F.
der Arbeitnehmer bzw. die Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Scheuner, U., Die
Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199
Fremder im Verhältnis zu einer Personengemeinschaft ist der Mensch,
der nicht der Personengemeinschaft angehört. Er ist rechtlos (Feind), kann aber
als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom entwickelt sich für die freien
Nichtbürger das besondere (lat.) -> ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im
Frühmittelalter verbietet Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht
vorzuenthalten. Die territoriale Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters
ist dem Fremden nicht günstig. Dagegen verlangt das frühneuzeitliche Naturrecht
die völlige Gleichstellung des Fremden mit dem Einheimischen. Der Nationalstaat
des 19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im
Deutschen Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge
internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden
detaillierte Ausländergesetze nötig.
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das Fremdenrecht und
seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Weizsäcker, W., Die Fremden im
böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958; Scholla, P.,
Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des 19.
Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem Fremden,
hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt (1300-1800), 1999; Keechang,
K., Aliens in Medieval Law, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001; Cavallar,
G., The rights of strangers, 2002; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004
Frevel ist im mittelalterlichen Recht die Waghalsigkeit, die eine
Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende Rechtsfolge (Geldstrafe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff,
W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941
Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leipzig 7. 9. 1910), Sohn eines
1824 zur evangelischen Kirche übergetretenen Richters, wirkt als Professor für
Kirchenrecht, Staatsrecht und Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im
Breisgau (1868) und Leipzig (1873). Politisch tritt er für die Trennung von
Staat und Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein. Bedeutsam
sind seine kirchenrechtsgeschichtlichen Editionen (-> Corpus iuris
canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque compilationes antiquae, 1882,
Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian und Bernhard von Pavia, 1897,
Neudruck 1958).
Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 283
Friedberg-Scheer -> Thurn und Taxis
Friede ist der Zustand ungestörter Ordnung, in dem sich niemand
der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen zu verwirklichen. Der F.
innerhalb des Volkes ist zunächst die Aufgabe aller Einzelnen, erst im Laufe
des Mittelalters drängt der Staat mit Unterstützung der Kirche (->
Gottesfriede) die -> Fehde durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (->
Strafrecht, -> Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der ->
Krieg zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des
Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Friedensvertrages
(z. B. Friede von Münster und Osnabrück 1648).
Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck 1968; Rosenstock,
E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das Friedegebot, 1911, His,
R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen Mittelalter, ZRG GA 33 (1912),
139; Schneider, B., Friedewirkung und Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die
Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d. Wiss. München, 1920; Nestle, W.,
Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938; Wiesenthal, F., Die Wandlung des
Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949; Achter, V., Über den Ursprung des
Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und
Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La
Paix, 1961, (Recueils de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der
Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im
Altenglischen, 1966; Åqvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die
frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der
Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe
Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der
frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979; Renna,
T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143; Ermacora, F.,
Der unbewältigte Friede. St. Germain und die Folgen, 1989; Schildt, B., Der
Friedensgedanke im frühneuzeitlichen Dorfrecht – Das Beispiel Thüringen, ZRG GA
107 (1990), 188; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Erkens, M., Die
französische Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des
Friedens, hg. v. Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Suche
nach Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Kamp, H.,
Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Schmidt, K., Friede durch
Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen
Städten vor 1300, 2003
Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht) die durch bloße
Vereinbarung der Brautleute (und Aufnahme einer auf Dauer angelegten
Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des mittelalterlichen Rechts), bei welcher
der Mann im Gegensatz zur Eheschließung unter Mitwirkung des Vaters der Braut
keine Personengewalt (munt) über seine Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre
tatsächliche Bedeutung ist ganz unsicher. Möglicherweise geht die morganatische
Ehe des Adels auf die F. zurück.
Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht,
ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des Friedelkindes,
ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den
Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA
47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol,
A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002
Friedensgeld -> fredus
Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit
in den Rheinlanden, 1994; Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit
1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements,
1994
Friedensgesetzgebung -> Landfriede
Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter
Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen mehreren Staaten
beendende völkerrechtliche Vertrag (z. B. F. zwischen Ägyptern und Hethitern
1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von Troyes 1420, F.
von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von Rijswijk 1697,
F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St. Germain 1919).
Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag,
1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Peace treaties and
international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004
Friedhof ist der Ort, an dem die Toten bestattet werden. Die
Totenbestattung geschieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum (Hügelgräber,
Reihengräberfelder). Mit der Christianisierung entwickelt sich der F. um die
Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern, Ketzern oder Fremden die Bestattung
verweigert wird. Mit der neuzeitlichen Bevölkerungszunahme wird der F. an den
jeweiligen Ortsrand verlegt. Es werden besondere Satzungen oder Ordnungen zur
rechtlichen Regelung des Friedhofswesens geschaffen.
Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein, H.,
Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs-
und Bestattungsrechts, 6. A. 1992; Fischer, N., Vom Gottesacker zum
Krematorium, 1996
Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht vermutlich der Zustand des
Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer friedlos ist, darf bußlos
getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist nicht gut bezeugt. ->
Acht, -> Gottesfriede, -> Landfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda, W., Das
Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der Friedlosigkeit,
ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A.
1906ff.; Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht, ZRG GA 62
(1942), 375; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im germanischen
Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32
Friedrich I. -> Friedrich I. Barbarossa
Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12. 1194-Castel
Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des
Staufers Heinrich VI. und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel -> Friedrich
Barbarossas, wird 1196/1212 deutscher König. Er errichtet in Sizilien mit Hilfe
rechtlicher Regelungen (Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von Melfi 1231)
eine fortschrittliche Verwaltung. Im Reich verbrieft er die von den Fürsten
errungenen Rechte (-> Confoederatio cum principibus ecclesiasticis, 1220,
-> Statutum in favorem principum, 1231). Seine Mitwelt versetzt er als
(lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen.
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Blondel, G., Étude sur
la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E., Kaiser Friedrich
II. 1929 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband 2. A. 1980).; Schrader,
E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs II. von 1220, 1231/32
und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur Diplomatik der
Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG GA 80 (1963),
82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser Friedrich II. in
Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968, 6. A. 1978; Die
Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien,
hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II., hg. v. Fleckenstein,
J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977; Federico II, 1980;
Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und
das Recht, ZRG RA 102 (1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der
Urkunden Friedrichs II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser
Friedrichs II. und der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014
Monographien und Aufsätze); Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W.,
Friedrich II. (1212-1250), in: Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v.
Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner, W., Friedrich II., 1992; Federico II.,
hg. v. Toubert, P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995;
Friedrich II., hg. v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II.
für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A.,
Stupor mundi?, 1999; Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter,
E., Friedrich II. von Hohenstaufen, 2000; Stürner, W., Friedrich II., 2. A.
2003; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v. Koch, W., Teil 1 2002;
Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006
Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Kleinasien 10. 6. 1190) aus der
Familie der -> Staufer ist der zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich
herrschende König. Er führt 1156 im sog. (lat.) -> privilegium minus einen
Ausgleich zwischen Staufern und -> Welfen herbei, indem er den Welfen das
1138 vom König entzogene Herzogtum -> Bayern, vermindert um das
verselbständigte Herzogtum -> Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf dem
Reichstag von Roncaglia die -> Regalien durch Juristen feststellen. Durch
Landfriedensgesetze geht er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante
römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder Rechtspraxis prägende Komponente lassen
seine Urkunden noch nicht erkennen. Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem
König zu mächtigen Herzogtümer (1156 Bayer, 1180 Sachsen) in die das Reich
letztlich auflösenden -> Länder. (Mit seiner ersten Frau – Adela von Vohburg
- scheint er im siebten Grad verwandt gewesen zu sein so dass die Ehe augelöst
werden musste.)
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor imperii,
1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold, J.,
Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer
Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.; Opll,
F., Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich
Barbarossa und die auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v.
Haverkamp, A., 1992; Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B.,
1994; Petrus de Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich
Barbarossa, 3. A. 1998; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter,
K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich
Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA
121 (2004), 200
Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8. 1786) ist der
bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen Erfolge
(Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht
in Europa. Die Schaffung des preußischen Allgemeinen Landrechts (1794) geht
maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus (1740/1754 Abschaffung der
Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauernschutz) verpflichteten Monarchen
zurück.
Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie
Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G.,
Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der
Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia,
1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große
und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große,
1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen
Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985; Panorama
der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung des
geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch, J.,
1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987; Fridericianische
Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J.,1 991; Duffy, C., Friedrich der Große, 1994;
Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des Großen Regentenleben, Bd.
1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004; Wehinger, B., Geist und Macht, 2004
Friese ist der Angehörige eines an der Nordsee siedelnden, im 1.
Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten germanischen Volkes. 734/785 werden die
Friesen von den -> Franken unterworfen. Um 802 wird in der -> Lex
Frisionum ihr Recht aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche
weitere Quellen des -> friesischen Rechts. 1464 wird Ostfriesland zu einer
Reichsgrafschaft erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000
Menschen in Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler,
Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894; Jaekel,
H., Abba, Âsega und Redjêva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H., Êtheling,
Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R., Friesisches, ZRG
GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen Anhaltspunkte für die
Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30 (1909), 49; Jaekel,
H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E., Friesische
Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v. Borchling,
C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen Verfassung,
1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het friese dorp,
1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975; Handbuch des
Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des Mittelalters,
hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij heen met het
Fries?, 2004
Friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es begegnet zuerst in der ->
Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11. Jh. entwickeln die Friesen 17
Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die Wundtaxen, die in 16 nach 1276
einsetzenden Handschriften und einem Druck von 1485 (?) teils amtlich, teils
nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das gemeinfriesische Gebiet
aufgezeichnet werden. Daneben stehen für einzelne Landschaften etwa die
Westerlauwerschen Schulzenrechte (Westfriesland 12. Jh.), die Hunsigoer Küren
(Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das Rüstringer Recht (Rüstringen,
westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer Recht (Brokmerbrief, um
Aurich 1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300) und verschiedene
Beliebungen (-> Siebenhardenbeliebung 1426) (altostfriesisch Rüstringer
Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der ersten Hälfte des 13. Jh.s
verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch).
Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss der gelehrten Rechte Processus
iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta Legum. Ergänzt werden die
allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der Jahre 1329 bis 1573. Seit
dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht allmählich zurückgedrängt und
1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland beseitigt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840,
Neudruck 1960; Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche
Stadrechten, hg. v. Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der
friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht
der Friesen im Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon, Ked,
Koninges-orkene und Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged,
Skelta, Frâna und Bon, ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen
Ostfrieslands, hg. v. Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das
altwestfriesische Schulzenrecht, 1926; His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen
Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Trägert, H., Familienerbe in Friesland,
1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar oudfriesch recht, 1938; Fairbanks,
S., The old west Frisian skeltana riucht, 1939; Oudfriese Taal- en
Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff. 1943ff.; Krogmann, W., Zu den
Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann, W., Eine lateinische Vorstufe
ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958), 352; Gerbenzon, P., Excerpta
Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v. Osterhout, M., 1960; Ebel,
W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland, 1961; Das Rüstringer
Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel,
W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm 1964; Krogmann, W.,
Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe, ZRG GA 82 (1965),
298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des Rechts, ZRG GA 84
(1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus Ius Frisicum“ (17
Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972), 33, 90 (1973) 31;
Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Westerlauwerssches
Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u. a., 1977; Köbler, G.,
Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher friesischer Quellen, 1974;
Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries Recht, 1981; Köbler, G.,
Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch,
1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt v. Buma, W. u. a., 1993; Lokin, J. u. a.,
Het Rooms-Friese recht, 1999; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th
and 18th Century, 2003; Hempenius-van Dijk, B., Hof van Friesland, 2004
Friesland
Lit.: Iterson, W. van, Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen
Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72; Agena, G., Eine Studie über die verfassungs-
und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse des Norderlandes, 1962
Frist ist der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt
in jeder Gesellschaft, in der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für
die Germanen wird in diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten
zählen und den Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen.
Mit der Verrechtlichung aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung
von Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung usw.) ein
immer größeres Gewicht.
Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505; Ziegeltrum,
A., Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Schmitz, M., Die
Fristberechnung nach römischem Recht, 2002
Fristenlösung -> Abtreibung
Fritzlar
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt,
K., 1939; Fritzlar im Mittelater, 1974
Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im
mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren. ->
Fronbote, Frondienst
Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen Recht der Gehilfe eines
Richters für tatsächliche Aufgaben (Botendienste, Wachdienste,
Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) steht er nach Wahl durch
den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und ist durch doppelte Buße
geschützt. Ihm entsprechen Büttel, Scherge oder Weibel.
Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897;
Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991
Frondienst ist im Mittelalter und in der frühen Neuzeit vor allem der
einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende Dienst (z. B. Pflügen, Säen,
Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen, Weben, Fahren, Reiten, Bauen
usw.). Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen
Arbeitszeit. Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. zurück
und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der Frondienst als
Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen
Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft,
1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und
Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A. 1987,
25ff.
Fronhof ist der Haupthof des Grundherrn in der mittelalterlichen
-> Grundherrschaft. Er wird vom Grundherrn selbst oder durch Verwalter
bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland (Herrenland). Seit dem
Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur ->
Rentengrundherrschaft einerseits und zur -> Gutsherrschaft andererseits
seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19.
Jh. gänzlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96; Maurer, G.
v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Kötzschke, R.,
Salhof und Siedelhof, 1953
Fronung ist im mittelalterlichen deutschen Recht die öffentliche
-> Beschlagnahme von Gegenständen im Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten
des Königs). In der (lat. [F.]) Capitulatio de partibus Saxoniae (782/5) wird
die F. angeordnet, falls ein Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels
eines Bürgen nicht ablegen kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der
Beklagte auf viermalige Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter
ist die F. nur in Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Im 16.
Jh. ist sie allgemein geschwunden.
Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961), 39ff.
Frostathingslög ist das in 16 Teile gegliederte Rechtsbuch des um den
Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen erhaltener Text durch
eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte Handschrift überliefert
ist (Frostothingsbok). Der F. geht die -> Gragas voraus. Ihrerseits ist sie
Vorbild für -> Jarnsida und für das Reichsrecht König Magnus Hakonarsons
(1274).
Lit.: Meissner, R., Germanenrechte,
1939; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977
Frucht (lat. [M.] fructus) ist das Erzeugnis (z. B. Kalb) einer
Sache (z. B. Kuh) und die sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene
Ausbeute (z. B. Sand) sowie der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht
gewonnene Ertrag (z. B. Dividende). Im klassisch-römischen Recht wird die F.,
zu der nicht das Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für ein Kapital
zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich selbständig. Sie
wird Eigentum des Eigentümers der Muttersache, sofern diesem nicht ein anderer
Berechtigter (z. B. Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht
fällt die natürliche F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Gewinnung
erforderlichen Aufwendungen erbracht hat. Mit der Aufnahme des römischen Rechts
seit dem Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln ein.
Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55
fructus (lat. [M.]) -> Frucht
Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des -> Kapitalismus am Beginn der
frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher 109,
145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart, W.,
Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung (Konstitution) erstrebende
politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild Bayern
1818, Baden 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche
Frühkonstitutionalismus, in: Hessen, 1997, 39
Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang des weströmischen
Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen Karolinger [911]
bzw. dem) -> Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt des Mittelalters.
Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile im
deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R., Königswahl
und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung
im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000;
Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle Ages, hg. v.
McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen Mittelalters, 2003;
Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003
Frühneuhochdeutsch ist die zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhochdeutsch)
gesprochene, frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache.
Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A. 1967;
Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff.
1986ff.;Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch, 1996
Frührezeption (des römischen Rechts) ist der erste zeitliche Abschnitt
der Aufnahme (-> Rezeption) des römischen Rechts in mittelalterliche
Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme römischrechtlicher Vorstellungen
bereits in frühmittelalterliche Volksrechte lässt sich von F. schon für das
Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn schließt F. aber erst an die
Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem justinianischen Rechtstexten seit dem
ausgehenden 11. Jh. an.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur
Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns,
FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb.
89 (1969), 337
Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt des Sozialismus. Er lässt
sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s setzen. Er endet um 1848. Seine
Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr allgemein und unterschiedlich.
Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A. 1968;
Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995
Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt, Gericht) bzw. foro oder fur ist
in -> Spanien (bzw. Portugal) das teilweise bis in das 20. Jh. geltende
landschaftliche Recht des Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete
Stadtrecht). Besonders in Aragón und Valencia steht der besondere F. im
Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die
ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich. Von besonderer Bedeutung
ist die Bewahrung von aus dem westgotischen Volksrecht (-> Lex Visigothorum)
rührendem germanistischem Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem
Privilegien, Urkunden über Abgaben und Stadtrechte.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und ihre
Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der
sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 681;
Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana cristiana, 2000
Zragón ist die Sammlung von Gesetzen oder Verordnungen, die besonders
Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König Jakob I. an den Bischof von
Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal de Canellas. Von dessen zwei
Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247 die kleinere, weniger
romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter III. abgerungene
(span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen. Im 14. und frühen
15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit herrschenden Könige
erweitert.
Lit.: Tilander, G., Los fueros de
Aragón, 1937; Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940,
108; Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942),
89, 63 (1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón,
1976
Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der Grafschaft -> Kastilien
betreffender Text des spanischen Rechts.
Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el
territorio de la provincia de Burgos, 1982
Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem
durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach 1248 das
kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird.
Lit.: Libro de los Fueros de Castiella, hg. v. Sanchesz, S., 1924
Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in 43 Kapitel gegliederte Fuero
des spanischen Rechts im Königreich Leon und Navarra, den König Alfons VIII.
(1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März 1193 oder in der ersten Hälfte
des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt Cuenca gewährt.
Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000
Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI. von Kastilien dem Dorf
Logroño bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des spanischen Rechts, der
später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099, Toledo).
Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez bei der Erhebung des Ortes
von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von -> Jaca.
Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero
de Jaca, 1927; Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964
Fuero de la Novenera ist die Sammlung des aragonesisch-navarrischen
Gewohnheitsrechts, in die auch bäuerliches Gewohnheitsrecht Eingang findet.
Fuero de León ist ein von 1017(-1020) stammender, sich selbst als (lat.
[N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechts aus dem Königreich
-> Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20 Artikel betreffen das
ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte.
Lit.: García-Gallo, A., El fuero de
Léon, AHDE 39 (1969), 5
Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967 abgeänderte Arbeitsgesetzbuch
-> Spaniens.
Fuero de Madrid ist das Recht von -> Madrid.
Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid,
in: El Fuero de Madrid, 2. A. 1963
Fuero de Sepulveda ist der in einem Privileg König Alfons VI. von Kastilien
(1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechts der südlichen Grenzgebiete
des Königreichs Kastilien, den die Könige Alfons I. und Alfons II. von Aragón
auch in Teilen Aragoniens einführen.
Fuero de Soria ist das Recht von Soria in Kastilien.
Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero
de Soria, in: Fueros castellanos de Soria de Léon y Castilla, 1919, 227
Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des spanischen
Rechts der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt Teruel.
Fuero de Toledo ist der die städtischen Privilegien Toledos
zusammenfassende Fuero des spanischen Rechts, die allen Bewohnern gemeinsam
sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero de Juzgo (der
[westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de Francos nach.
Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de
Toledo, AHDE 45 (1975), 341
Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen Rechts, der die Interessen
der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker berücksichtigt als die der
Bürger.
fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichtsbarkeit in Spanien
Fuero general ist die umfassende private Sammlung des spanischen
Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón und Navarra aus dem 13.
Jh.
Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen in das Kastilische
übertragene (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, die auch nach der Zerstörung
des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die unterworfenen
Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der königlichen
Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in Leon -
nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König Ferdinand III.
den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und Levante (Córdoba,
Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J. von König Alfons
X. in den -> Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes) modernisiert.
fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in Spanien
fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien
Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der 1255 oder 1263 von König
Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem -> Fuero Juzgo
modernisierte -> Fuero des spanischen Rechts. Er passt den aus der frühmittelalterlichen
(lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen
Bedürfnissen an und nimmt verschiedene römischrechtliche und kirchenrechtliche
Sätze auf. Er ist in vier Bücher gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie,
Erbe und Schulden sowie Strafe). Er wird bestimmten Städten in Leon und
Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262) sowie Burgos und Soria verliehen, doch
muss der König 1272 die Fortgeltung der alten städtischen Fueros anerkennen.
Von ihnen werden viele bis 1340 neu aufgezeichnet.
Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero Real,
1988
Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private Zusammenstellung des
kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene Fassung ist
unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische und in
fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der Libro de los
Fueros.
Lit.: García González, F., El fuero
viejo assistemático, AHDE 41 (1971), 767
Fugger ist der Angehörige einer 1367 in Augsburg als Weber
genannten Familie, die in der Linie von der Lilie durch die Fuggersche
Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablasshandel Weltgeltung
erreichen. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie 1504 den
Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation). Sie bilden ein anschauliches
Beispiel des -> Frühkapitalismus.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr. v.,
Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse, 1953; Simnacher,
G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die Fugger, 6. A. 1999;
Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976;
Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M.,
Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger, 1997; Häberlein, M., Die Fugger,
2006
Führer ist der von Adolf -> Hitler im Nationalsozialismus
beanspruchte Rang. Er steht außerhalb der Verfassung. Er vereinigt nacheinander
unterschiedliche Verfassungsstellungen (Reichskanzler, Reichspräsident). Sein
Wille wird als Gesetz angesehen. Nach dem Prinzip des Führers wird das ->
Dritte Reich organisiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229; Das
deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch. f.
öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen
Rechtssystems, 1987; „Führer – Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997
Führerschein ist die Urkunde über die Berechtigung zum Lenken von
Kraftfahrzeugen. Führerscheine werden kurz nach Erfindung der Kraftfahrzeuge
(1876 N. A. Otto stationärer Viertaktverbrennungsmotor, 1885 C. F. Benz
verkehrsfähiges Kraftfahrzeug, 1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen
und regional unterschiedlichen Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes
über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in
Deutschland 36077 Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 1081000,
1991 2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union
vereinheitlicht.
Führungsschicht ist die politische oder geistig führende Gruppe von
Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter stellt der Adel die F.
In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der Gegenwart wird die allgemeine
Meinung in erheblichem Maß durch die Medien Zeitung und Fernsehen bestimmt,
deren Träger die Führung mitgestalten.
Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in
Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der
Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht
in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989
Führungszeugnis
Lit.: Burchardi, K., Strafregister und
polizeiliches Führungszeugnis, 2. A. 1944
Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem Schüler Sturmi des Bonifatius
in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar (Reichsabtei) werdende Abtei mit
sehr großer Grundherrschaft und bedeutender Schriftkultur. Die dort 1723/1734
gegründete Universität wird nach der Säkularisation (1802) aufgehoben.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch des
Klosters Fulda, Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren
Güterverzeichnisse der Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der
Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die
Fuldaer Bürgeraufstände, ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft
und Gesellschaft Fuldas, 1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in
der frühen Neuzeit, 1986; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002
Fund ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen
beweglichen Sache eines anderen. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen
mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer innerhalb
einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den Finder,
teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit an den
Finder.
Lit.: Hübner 457; Hübner, J., Der Fund, 1914
Fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Dieb. Der auf
frischer Tat ertappte freie Dieb (lat. [M.] f. manifestus) darf im altrömischen
Recht getötet werden und wird später als Sklave zugesprochen, der unfreie f.
manifestus darf vom tarpeischen Felsen gestürzt werden. Jeder andere f. hat das
Doppelte des Wertes zu leisten und wird infam.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I
Furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Geisteskranke, der
ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.
Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui
venit contra iura. Il furiosus, 1983
Fürkauf ist im 13. bis 16. Jh. der Vorkauf (zwecks künstlicher
Verknappung und Verteuerung).
Lit.: Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983
Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten -> Fueros (Gesetze bzw.
Verordnungen) des Königreichs von Valencia des spanischen Rechts, die in einer
1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’ IV. bekannt sind. 1482
wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung von Gabriel de Riucech
unter dem Titel Furs e ordinacions de València veröffentlicht, 1707 wird der F.
d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros alfonsinos in
Valencia für weitergeltend erklärt.
Lit.: MA Barrero, A., El Derecho romano en los
Furs de Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639
fur (M.) manifestus (lat.) -> handhafter -> Dieb, -> Diebstahl
Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist
immer in Verzug.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Tryphonius um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)
Fürsorge ist insbesondere die Unterstützung einzelner aus
allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die Kirche
und die Grundherrschaft, seit der frühen Neuzeit auch der Wohlfahrtsstaat. In
Deutschland wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die ->
Sozialhilfe.
Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906; Dilger,
A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945 masch.schr.; Jutte,
R., Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung
in Bayern, Diss. jur. München 1986; Peukert, D., Grenzen der
Sozialdisziplinierung, 1986; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz (1918-1967),
2003
Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im hoch- und
spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im Wort vor
Gericht. Er wird entwickelt, um die Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen
Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu
verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder
verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in
deutschen, französischen und englischen Quellen sicher belegt und könnte eine
Antwort auf das Vordringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein
Zwang, einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen bittet die
Partei den Richter um einen F. Wirkung hat sein Vortrag nur nach Billigung
durch die Partei. Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand,
seit dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In
der Schweiz ist der Fürsprecher der Rechtsanwalt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel, H.,
Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L., Die
Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum
und Advokatur im Kanton Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K.,
Vorsprecher und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931;
Schudel, H., Fürsprecher und Anwälte im schaffhauserischen Recht, Diss. jur.
Zürich 1940; Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972
Fürsprecher -> Fürsprech
Fürst ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der
Adlige, dessen Stellung ursprünglich durch die unmittelbare Belehnung durch den
König gekennzeichnet ist. Er ist also Erster oder bei mehreren Ersten einer von
diesen. Dazu zählen im Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs
(Herzöge, Grafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte). Kennzeichen sind Teilhabe am
Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft), doch ist die
Abgrenzung nach unten nicht eindeutig. Das wichtigste Recht der Fürsten ist die
Wahl des Königs, die sich aber bald auf die -> Kurfürsten beschränkt. Etwa
gleichzeitig wird die Stellung als Reichsfürst genauer festgelegt auf die
meisten Herzöge, einen Teil der Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und
einzelne Grafen (herzogsgleiche Landesherrschaft und reichsunmittelbares
Lehen) sowie die geistlichen Reichsfürsten (Erzbischöfe, viele Bischöfe, viele
Äbte und Äbtissinnen, einzelne Pröpste). 1184/88 wird der Graf von Hennegau als
erster förmlich zum Reichsfürsten erhoben. Demgegenüber wird in Frankreich die
Zahl der Fürsten verringert und in England auf den Prinzen von Wales
beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in einen
Interessengegensatz zum König. Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in
Deutschland nicht mehr verliehen werden und gilt der überkommene Titel F. als
Teil des Namens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130, 149,
154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen
Fürstenhäusern, 1851; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs.
Ges. d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der
deutschen Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924),
1; Kraemer, H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von
Seckendorffs Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und
Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der
Westmächte, Bd. 1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J.,
Fürstenmacht und Ständetum in Preußen, 1963; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“,
1977; Lanzinner, M., Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische
Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und
Städte zu Nürnberg 1355/56, 1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen
Fürstenstand 1550-1806, Bll. f. dt. LG. 122 (1986), 137; Ay, K., Land und Fürst
im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg. v. Weber, W., 1998; Schlinker, S.,
Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J., König, Fürsten und Reich
1056-1159, 2001
Fürstenberg
Lit.: Barth, F., Die Verwaltungsorganisation der gräflich
fürstenbergischen Territorien, Schriften des Vereins für Geschichte und
Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link, R., Verwaltung und Rechtspflege
im Fürstentum Fürstenberg, 1944; Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das
Prozessrecht der Gerichts- und Landesordnungen der fürstenbergischen
Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A. v., Das große Palatinat des Hauses
Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980;
Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986
Fürstenberg
Fürstenbergische Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die
Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987
Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung der Pflichten eines
Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind hauptsächlich Xenophons
(430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des Kuros, die aus Plutarch
(46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die Selbstbetrachtungen Marc
Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen Herrscher im Gottesstaat (413-426).
Zunächst christlich, später humanistisch betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh.
bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z. B. Johann von Salisbury, Polycratius,
1195, Thomas von Aquin, De regimine principum, 1265/1266, Fortescue J., De
laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N., Il principe, 1532, Fénelon,
Les aventures de Télémaque, 1699).
Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937; Berges,
W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Singer, B., Die
Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v.
Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen,
H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische
Politik zwischen Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des
frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006
Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die Stellung eines ->
Fürsten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und Stände
in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim, 1968; Werner,
K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H., Zwischen regnum
und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg. v. Wüst, W.,
2002
Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von 1806 für den bisherigen
Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg vergebene geistlich-weltliche Titel.
Das Fürstentum des F. (Regensburg mit Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch
Napoleon (1808) in ein weltliches Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.
Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen
Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985
Fürth
Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche Entwicklung der
Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H., Wirtschaft und
Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B., Geschichte der Stadt Fürth, 2007
Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Sachentziehung bzw.
der Diebstahl. -> fur
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8;
Köbler, DRG 27, 48; Köbler, LAW
Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen Körpers
wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit verwendet (z. B. engl. foot).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213
Füssen
Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener
hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen,
1977
Futhark ist die der herkömmlichen Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k
usw.) entsprechende Benennung der germanischen Runenschrift.
Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren Futhark,
1966
Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der Übergabe einer Sache
oder eines Menschen an einen Menschen. Nach einem jüngeren Rechtssprichwort
soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach Entgelt. Demgegenüber
kennt das römische Recht die unentgeltliche G. (-> Schenkung).
Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A.,
Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35
Gabella (F.) emigrationis (lat.) ist die im 11./12. Jh. erscheinende, vor allem in
der frühen Neuzeit verbreitete Auswanderungsabgabe (Abfahrtsgeld, vgl. ALR II
17 §§ 141ff.) in Höhe von rund 10% des inländischen Vermögens.
Gabella (F.) hereditaria (lat.) ist im Mittelalter die Erbschaftsabgabe beim
Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein Gesetz Kaiser Friedrichs
II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.
Lit.: Meynal, E., Études sur la
gabelle, TRG 3 (1922), 119
gafol (ae.) Abgabe, Zins
Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr von (Bayreuth 20. 8.
1799-Darmstadt 22. 5. 1888), nach dem Rechtsstudium Regierungsrat und am 5. 3.
1848 Leiter des Staatsministeriums Hessen-Darmstadts, wird am 19. 5. 1848
Präsident der deutschen Nationalversammlung.
Lit.: Wentzcke, P., Zur Geschichte Heinrich von Gagerns,
1910
Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526-11. 12. 1587), Patrizierssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna (1555) Anwalt
in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer, 1569 Reichshofrat in
Wien und 1583 Kanzler in Köln. In seinen (lat.) Practicarum observationum
libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich
wie schon zuvor -> Mynsinger um eine systematische Darstellung der
Entscheidungen des -> Reichskammergerichts.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kempis, K. v.,
Andreas Gaill, 1988
Gairethinx (N.)
Speergedinge -> Launegild
Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53
Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n. Chr. lebende, hauptsächlich
in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius (N.) respondendi (Antwortrecht)
begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in den Provinzen üblichen
Rechtsschutzregister des Privatrechtes und) des Lehrbuches -> Institutionen
(159?, 161?). Er gehört der Rechtsschule der Sabinianer (-> Julian) an. Sein
auf (lat.) -> ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) -> ius (N.)
gentium (Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes, in einer späteren
Fassung vor allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona
aufgefundene Palimpsesthandschrift und zwei in Ägypten gefundene
Handschriftenbruchstücke unmittelbar überliefertes System der Einrichtungen
des Rechts (lat. institutiones) wird von dem oströmischen Kaiser Justinian in
dessen Institutionen (533) übernommen.
Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34; Söllner
§§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; Honoré, A., Gaius, 1962;
Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones,
1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 131; Nelson,
H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C., Il nostro autentico
Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch, hg. v. Manthe, U.,
2004
Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis) ist der in größeren
Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene
klassizistisch-spätnachklassische Kommentar wohl des 5. Jh.s zu -> Gaius.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler, DRG 52
Galater -> Kelte
Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im Mittelmeerraum (Rom 1471,
Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, 1516) verhängte Strafe, auf einer Galeere
angeschmiedet als Ruderer zu sühnen. In den österreichischen Erblanden und
Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet. In Frankreich endet sie
sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1748), wird aber rechtlich erst am 27.
3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20. Jh. gebraucht.
Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der Galeerenstrafe in
Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L., Die
Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557;
Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19
Galgen ist die meist aus zwei Pfosten und einem Querholz
bestehende künstliche Vorrichtung zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an
einem Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der
G. verwendet wird, ist unklar. Im Hochmittelalter ist Erhängen am G. eine
ehrenmindernde Strafe. Seit 1871 ist die -> Todesstrafe in Deutschland durch
Enthaupten zu vollziehen. Die Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen
Kriegsverbrecher 1946 durch Erhängen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Wohlhaupter, E., Haargalgen,
Müllergalgen, ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953
Galicien ist die im Nordwesten der iberischen Halbinsel gelegene
Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt ist. Nach dem Ende der römischen
Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben (Sueben) und Westgoten, 711/718
Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern fällt G. meist an -> Leon und mit
diesem an -> Kastilien. 1979 erhält G. in Spanien Autonomie.
Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro, J.,
Galicia, 1987
Galizien (Halic-Volhynien, -> Wolhynien) ist die nördlich der
Karpaten gelegene Hügellandschaft, die nach dem Abzug der Germanen im 6. Jh.
von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt wird. Im 11. bzw. 12.
Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch). G. gelangt im Spätmittelalter
(1349/1387) an -> Polen. 1772 wird das östliche G. dem österreichischen
Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen weitere Gebiete hinzu
(-> Westgalizien). 1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien
wird 1939 von der Sowjetunion in Besitz genommen.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853;
Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996;
Röskau-Reidel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der
Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen
Verwaltungswesen, 2004
Gallicus -> mos Gallicus
Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet zwischen Apennin und
Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.) das Land der Gallier
zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik (Gallia ulterior).
Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51 v. Chr.) wird G.
romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der rasch romanisierten ->
Franken. -> Frankreich
Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im spätantiken
Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge, M., Gallia
und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der
Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E.,
Gallia Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im
frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G.,
Becoming Roman, 1998; Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L.,
Fremde in Gallien, 2001; Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005
Galway an einer irischen Atlantikbucht erscheint 1124 erstmals. Im
14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine Universität.
Gandinus (de Gandino), Albertus (Crema um 1245-1311) wird nach dem
Rechtsstudium in Padua (1265-1275) Richter in Lucca, Bologna, Siena, Florenz
und Bologna, 1305 Herr (Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz.
1286/1287 veröffentlicht er eine in erster Fassung in Perugia verfasste
Sammlung berühmter Rechtsfragen (vor allem des Odofredus und des Guido de
Suzaria), die erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat.
accusatio, denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen
dieser Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung, Bann usw.], Strafrecht) 1299
in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als (lat.) Tractatus (M.) de maleficiis
(Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und in Deutschland im 15. Jh. (->
Klagspiegel, -> Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) aufgenommen wird.
Daneben stellt er (lat.) Quaestiones (F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten)
zusammen (Bologna 1289).
Lit.: Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG
RA 42 (1921), 1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Werk des Albertus
Gandinus, ZRG RA 44 (1924), 224
Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich ungeteilten
Erbengemeinschaft, insbesondere in der Ritterschaft. Eine Ganerbschaft kann
auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die Erhaltung des
Familiengutes. Ihm dient auch die Begründung eines -> Familienfideikommisses.
Trotz dessen Vordringens bestehen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.
Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann, E.,
Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften in
Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur
Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980
Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus norddeutscher
jüdischer Hoffaktorenfamilie, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Göttingen
und Heidelberg und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828
ordentlicher Professor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin. Im
Streit mit -> Savigny tritt er gegen die Erforschung von geschichtlichen
Einzelheiten und für der Aufklärung verpflichtete philosophisch-universalgeschichtliche
Studien (Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff.,
Neudruck 1963) ein.
Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die „Lex
Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen, ZRG GA
102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum,
1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E.,
Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005
Gant ist im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung
im Wege der Zwangsvollstreckung. Sie entsteht in der Stadt. Sie will die
Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem Wertverlust sichern. Zu
diesem Zweck werden besondere Gantordnungen (z. B. Augsburg 1447) erlassen.
Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte (bewegliche) Pfand
öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden gegen Barzahlung
ausgehändigt werden.
Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
Bd. 1 1912, 680
Garantie ist die einem anderen gegenüber abgegebene Beteuerung der
Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der Gedanke der G. bereits in
der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechts aus. Als eigener Vertrag
erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungsgarantien,
2003
García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach dem Rechtsstudium in
Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und Justizminister (1847).
1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich orientierten, das
partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines (span.) Codigo civil
(Zivilgesetzbuches) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches Zivilgesetzbuch.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,497
Gareis, Karl (24. 4. 1844-München 15. 1. 1923) wird nach dem
Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen und München (Das deutsche Handelsrecht,
9. A. 1909, Enzyklopädie und Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).
Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne Zeiten,
FS H. Hübner, 1984, 215
Garten ist das durch Hecke oder Zaun abgegrenzte, intensiv durch
Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G. die Allgemeinheit von der
Mitbenutzung ausschließt, bedarf seine Einrichtung zeitweise der Zustimmung
der Grundherrschaft oder Gemeinde.
Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252
Gas
Lit.: L’industrie du gaz en Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005
Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist ein nach den mit den
Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768 selbständiges Herzogtum, das
1052 an Aquitanien fällt.
Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes,
M., 1978
Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18. 11. 1934) wird nach der
Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und Kanonistik, 1880
Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer Kurienkongregation. Auf
seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu schaffen, ernennt ihn Papst
Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung eingerichteten
Kardinalskommission. 1917 wird der von ihr erarbeitete -> Codex iuris
canonici veröffentlicht.
Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini, Bd. 1
1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur
Kirchenordnung?, 1968, 29
Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene Mensch,
insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige besondere
Rechtssätze.
Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H., Zur
Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Schultze,
A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth, L.,
Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Stein-Hölkeskamp, E.,
Das römische Gastmahl, 2005
Gastalde ist im frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590
geschaffene langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er
bleibt in Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das
Hochmittelalter bedeutsam.
Lit.: Mor, C., Lo stato longobardo nel
VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd. 1, 271
Gaster
Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905
Gastung ist die einem -> Gast meist auf Grund einer
Verpflichtung zu erbringende Leistung.
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd. 1f.
1968
Gattungskauf ist der -> Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten
Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des Kaufes einer zu einem
Vorrat gehörigen Sache bekannt.
Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und
Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272, Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des
Gattungskaufs, ZEuP 1999
Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte, auf die
Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach bestimmten Gegenstandes
gerichtete -> Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des zufälligen Unterganges
der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung nicht erschöpft ist.
Lit.: Kaser § 34 III 2
Gau ist die als besondere Einheit angesehene kleinere (,
wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft. Sie hat insbesondere im
Frühmittelalter Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den
örtlichen Tätigkeitsbereich eines -> Grafen (lat. comes, -> comitatus) bezeichnet,
ohne dass auch in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben
der Quellen und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne
dass von einem lückenlosen unveränderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden
kann. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die Romantik des 19. Jh.s - der
G. künstlich wiederbelebt.
Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im
Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10. Jahrhundert,
Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und Herrschaft in
Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927; Prinz, J.,
Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941); Hamm, E.,
Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im frühmittelalterlichen Bayern,
Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Metz, W., Bemerkungen über Provinz und
Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P.
v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961;
Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963;
Heinemeyer, W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968;
Hüttenberger, P., Die Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in
Niederlothringen, 1983; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens,
1984; Puhl, R., Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum,
1999; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue in der NS-Zeit in Bayern,
2003
Gaudenzi -> Fragmenta Gaudenziana
Gauner ist die vielleicht auf Ionier (Griechen) anspielende, aus
dem Westjiddischen kommende Bezeichnung für Spieler oder Verbrecher, die zeitweise
eine aus unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtsesshaften
Rechtsbrechern bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.
Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd. 1ff.
1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f. d.
ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919;
Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Blauert,
A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der
Räuber und Gauner, 2001
Gebärde ist die eine innerliche Einstellung ausdrückende äußerliche
Haltung eines Menschen, insbesondere des Gesichtes und der Hände. Bestimmte
Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche Bedeutung haben (z. B.
Erheben der Schwurhand bei einem Eid). Der Untersuchung rechtsgeschichtlicher
Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie.
Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die
Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, 1905; Panzer, M.,
Tanz und Recht, 1938; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde und Schwurfingerdeutung,
1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die Rechtsarchäologie, 1943;
Garnier, F., Le langage de l’image, 1981; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992;
Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der Gesten, 1999
Gebäude ist das von Menschen geschaffene Bauwerk. Es ist im älteren
deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen Eigentümer haben als das
Grundstück, auf dem es errichtet ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechts
seit dem Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des
Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das -> Baurecht immer
stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.
Lit.: Hübner 188f.
Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft bestehende Recht oder
Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche Königtum kann sich ein
G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend durchsetzen. Dagegen steigert
sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht (Erbmonarchie).
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944,
Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl, Abh. d. Akad.
d. Wiss. Berlin, 1948
Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines bestimmten Verhaltens
(, im Zivilverfahrensrecht im Rahmen der Zwangsvollstreckung das Angebot zu
einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo immer
Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der Entstehung
des -> Staates.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Gebotenes Ding ist das durch einzelnes -> Gebot besonders festgesetzte
-> Ding.
Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft oder eines
Gebrauchsgegenstandes oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck oder
Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen
soll. In Deutschland wird 1891 das erste Gebrauchsmustergesetz erlassen.
Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des Erfindungsschutzes,
1898
Gebühr ist die Geldleistung, die als Gegenleistung für eine
besondere, vom Einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung verlangt
wird. Sie ist als (lat. [F.]) sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im
Mittelalter entwickeln die Landesherren aus den auf sie übergegangenen Regalien
Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen
Gegenleistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige
Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen
Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W., Über
Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939
Geburt ist der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen
(oder eines höheren Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt
gelangt. Nach dem römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat.
-> nasciturus) für die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren
fingiert, doch beginnt im Übrigen erst mit der G. die -> Rechtsfähigkeit.
Nach mittelalterlichem und vermutlich germanischem Recht muss das Kind nach der
G. vom Vater bzw. der Familie besonders aufgenommen werden. Verschiedentlich
wird auch eine gewisse Lebenskraft als Voraussetzung für einen Rechtserwerb
verlangt. Für die christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur
Person.
Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120, 129; Brunner,
H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche Vermögensrecht, ZRG GA 16
(1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 248, 253;
Labouvie, E., Andere Umstände, 2. A. 2000; Uebe, A., Die rechtliche Situation
der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000; Drescher, T., Beginn des Menschseins,
2004
Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient (1545-63) in der Kirche
vorgesehene, die -> Geburten festhaltende Verzeichnis. Es geht am Ende des
19. Jh.s auf den Staat über (-> Personenstandsgesetz).
Geburtsstand ist im römischen und mittelalterlichen Recht der durch die
-> Geburt erworbene Stand (z. B. Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).
Gedanken sind frei.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)
Gedinge ist im mittelalterlichen Recht die Vereinbarung oder auch die
Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12. Jh. der Vereinbarung der
Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt, in Deutschland anscheinend im 14.
Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A., Geding,
Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912; Hagemann, H.,
Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114
Gefahr ist die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes eines Schadens.
Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor Schäden schützen, weshalb im
römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum sentit dominus (den Fall spürt
der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes durch Verfahrensfehler soll im
hochmittelalterlichen Recht der -> Fürsprech schützen. Beim Kauf teilt das
römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des zufälligen Untergangs der
Kaufsache vor Vertragserfüllung dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss,
obwohl er die Kaufsache nicht erhält.
Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr vor
Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Wolfgang, E., Das
klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M.,
Periculum emptoris, 1998; Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio,
2002
Gefährdungshaftung ist das einseitig verpflichtende gesetzliche
Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der durch eine
erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die G. ist eine
Art der Erfolgshaftung. Sie entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf der
Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts
durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl
von Savigny mittels eines schriftlichen Votums beeinflussten § 25 des
preußischen Eisenbahngesetzes von 1838. Mit der sozialversicherungsrechtlichen
Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch pauschale Versicherungsbeiträge des
Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach einer allgemeinen Regelung der G.
Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871 Reichshaftpflichtgesetz, 1900
Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908 gemildert], 1909 Automobilgesetz,
1. 8. 1922 Luftfahrzeuge, 29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und
Straßenbahn, 15. 8. 1943 Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959
Stromgesetz, 1990 Produkthaftungsgesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz). In der
Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242; Ogorek,
R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums, T., Die
Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104 (1987),
277; Gadow, O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002
Gefahrenabwehr -> Gefahr, -> Polizei
Gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland die Tätigkeit eines
Arbeitnehmers, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden des
Arbeitnehmers, Arbeitgebers oder eines Dritten führt, für die der Schädigende
aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen einstehen
soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden einstehen muss. 1995 dehnt das
Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf alle Arbeitsverhältnisse aus,
so dass die g. T. als solche überflüssig wird.
Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische
Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S., Die
rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998
Gefahrtragung -> Gefahr
Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen Recht Abgaben und
Einkünfte.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gefangenenbefreiung
Lit.: Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung,
1903
Gefängnis ist das für einen meist hoheitlich angeordneten
Freiheitsentzug eines Menschen verwendete Gebäude. Im Gegensatz zu dem deutlich
älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft oder zur Untersuchung wird
der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als Strafe erst seit dem 15. Jh.
bedeutsamer. Das G. dieser Zeit ist einfach und unmenschlich, wogegen sich
erstmals John Howard ([engl.] State of prisons in England and Wales, 1777, Der
Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem Allgemeinen
Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste Strafe. Am 7. 6.
1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze für den Vollzug
von Freiheitsstrafen. 1969 wird das G. verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches Zuchthaus-
und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd.
1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1 1925; Appenzeller, G.,
Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn, 1957; Blesken, H., Ältere
deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357; Foucault, M., Überwachen und
Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977; Zwicky, J., Das Gefängniswesen
zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982; The Oxford History of the
Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult und Aufruhr in Bernburg,
in: Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R., 1998, 53; Krause, J.,
Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine,
2001; Dunbabin, J. Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300,
2002; Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003; Schäfer, J.,
Nicht-monetäre Entlohnung von Gefangenenarbeit, 2006; Ohlemann, K., Historische
Entwicklung der Gefangenenmitveraqntwortung, 2007
Gefolgschaft ist im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat.
[M.] comitatus, Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger. Die
Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist ungesichert.
Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen
Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf
römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Bretschneider, G., Die altnordische
Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950; Schlesinger, W., Herrschaft und
Gefolgschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn,
H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell,
K., Haus und Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn
und Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische Gefolgschaft,
1983; Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht,
1995, 183
Gegen den Lügner gibt
es keine Redlichkeit. -> Lüge
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)
Gegenreformation ist die mit Hilfe staatlicher Gewalt ausgeführte
Gegenbewegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin
-> Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame
Rekatholisierung protestantisch gewordener Gebiete. Sie beruht gedanklich auf
dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz (lat.) -> cuius
regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda, Würzburg, Österreich
(Böhmen), Oberpfalz und Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück
1648 den Untertanen den Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien,
Italien und Frankreich, Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die G. ebenfalls
erfolgreich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert sie.
Lit.: Köbler, DRG 130; Brandi, K., Gegenreformation und
Religionskriege, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das Zeitalter der Gegenreformation,
1967; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 4. A. 1997; Herzig, A., Der
Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The Counter-Reformation in
Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als Kampf um die
Landesherrschaft, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005
Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten Menschen nach der
Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie zuständigen Menschen. Sie
wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen 1808) zur Einschränkung
der Rechte des Monarchen verwendet.
Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die Gegenzeichnung,
1978; Weber, C., Das Gegenzeichnungsrecht, 1997
Gehalt ist die alimentierende Vergütung des -> Beamten.
gehegtes Ding -> Hegung, Ding
Geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten nichtöffentlich
beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der frühen Neuzeit in
Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten
Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird im 19. Jh. durch das
Ministerium verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten und
Geheimräten, 1970
geheimer Vorbehalt -> Mentalreservation
geheime Staatspolizei -> Gestapo
Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995
Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für einen Gehilfen. Sie findet
sich schon im römischen Recht ([lat.] -> noxae datio [F.]). Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen -> Erfüllungsgehilfen des
rechtsgeschäftlichen Bereiches und -> Verrichtungsgehilfen des
außerrechtsgeschäftlichen Bereiches unterschieden.
Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische
Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des
Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000
Geisel ist der in Gewahrsam genommene Mensch, der mit Freiheit
oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten (oder das Erreichen eines
sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und das einseitige Nehmen
einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter Völkern wie auch unter Einzelnen.
Der bzw. die G. darf anfangs bei Nichterfüllung getötet oder verknechtet
werden. Im Privatrecht endet das Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen
oder Nehmen von Geiseln schon im frühen Mittelalter durch andere Sicherungsmittel
ersetzt.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS; Lechner,
A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen, 1906; Gierke,
O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127; Lutteroth,
A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten
im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140
Geisteskranker ist der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit
leidende Mensch. Er ist als (lat. [M.]) -> furiosus im römischen Recht ohne
weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig. Auch das mittelalterliche
deutsche Recht schließt den Geisteskranken vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am
Ende des Spätmittelalters wird das römische Recht aufgenommen. Der
Geisteskranke kann durch -> Entmündigung unter Vormundschaft gestellt
werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die Entmündigung durch die ->
Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S.,
Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des
Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unterbringung, 1997;
Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998
geistiges Eigentum -> Urheberrecht
Lit.: Wadle, E., Das geistige Eigentum in der
Reichsverfassung, in: Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, 929; Wadle, E.,
Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.
Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geistlichen Fürsten eines
Verfassungsgremiums (insbesondere des Reichstages des Heiligen Römischen
Reiches [deutscher Nation]). 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und 2
Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen
zuletzt etwa 40 Mitgliedern.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat von
1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97
Geistlicher ist der Inhaber eines höheren kirchlichen Amtes der
anerkannten öffentlichrechtlichen Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er
wird schon im Altertum vom Laien durch besonderes Recht geschieden. Infolge
seiner Schriftkundigkeit ist er seinen Mitmenschen auch im Mittelalter
überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften gewähren ihm besonderen Schutz.
Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht und
die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Erler,
A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geistlicher Fürst ist der Landesherr (-> Fürst) des Heiligen Römischen
Reiches (deutscher Nation), dem seine Landesherrschaft auf Grund seines
geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s
umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des
Heiligen Römischen Reichs rund 95000 Quadratkilometer mit mehr als drei
Millionen Einwohnern.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten in
Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003
Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum) ist der für den Fall
eines Übertrittes eines Inhabers eines geistlichen Amtes vom katholischen
Glauben zum protestantischen Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555)
festgelegte Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio,
dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche Rechtsstellung
behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen Rechte aufgeben muss
und das für die Besetzung der Stelle zuständige Gremium einen katholischen
Nachfolger wählen kann. 1648 wird eine Garantie des Besitzstandes vom 1. 1.
1624 vereinbart.
Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation, 1927
Geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das die christliche(n)
Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht (lat. ius [N.] civile)
stehende Recht. -> Kirchenrecht
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geld ist das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten
Stelle beglaubigte,) zum Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel.
Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das Vieh (lat. [N.] pecus -> lat. pecunia
[F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst
gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7.
Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen
Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra
[F.] Pfund) geschaffen, denen später Silbermünzen (187 v. Chr. Silberdenar mit
10 As von 4,55 g Gewicht), seit Caesar († 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.]
aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar römische Münzen, verwenden sie aber
nicht als G. Im Frühmittelalter sind Pfennig, Schilling und Pfund hauptsächlich
Rechnungseinheiten, wenn auch in karolingischer Zeit ein königlicher
Silberdenar geprägt wird. Als Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten
darauf hin, dass auch bei Münzen das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist.
Im Hochmittelalter bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und
damit als Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der
Naturalwirtschaft in die Geldwirtschaft. Seit der frühen Neuzeit (18. Jh.)
tritt zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu, seit der Mitte des 19. Jh.s
zum Hartgeld und Zeichengeld das durch Guthaben bei einer Kontostelle gebildete
unkörperliche Buchgeld (Giralgeld), seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch
gespeicherte Guthaben (Plastikgeld, Netzgeld). Für Münzen und Geldscheine gilt
im Wesentlichen das Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der
Geldentwertung (Inflation), die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und
Gütermenge erwächst.
Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96, 97,
119; Köbler, WAS; Taeubner, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933; Mickwitz,
G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach Christus,
1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens, R., Das
Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte des
schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E., Epochen
der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914,
1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik des 19.
Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 5
1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986 ;La repubblica
internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A. de u. a.,
1986; Spufford, P., Money, 2. A. 1989; North, M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones,
R., Money and Government, 1994; Howgego, C., Geld in der antiken Welt, 2000;
Sprenger, B., Das Geld der Deutschen, 3. A. 2001; Ott, K., Geld und
Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine kurze Geschichte des Geldes, 1999;
Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im
Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005
Geldern
Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche
Wyssenissen van het Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K.,
1953; Reichsarchiv der Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B.,
1957; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und
Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985
Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria) ist im klassischen
römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners auf den Schätzwert
(lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer streitigen bestimmten
Sache im -> Formularverfahren. Sie soll es auch einem Dritten gestatten, den
Beklagten auszulösen. Sie tritt im -> Kognitionsverfahren zurück.
Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34, 42
Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende Schuld. Die G. wird schon im
römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit Ausweitung der Geldwirtschaft
wird sie immer häufiger.
Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der
Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, in: Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner,
1994
Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den Staat lautende ->
Strafe. Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem
späteren altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu
unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des -> Kompositionensystems
vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]-> fredus) an die Allgemeinheit fällt.
Die hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen peinlichen Strafen sind in
Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt zwar die Constitutio
Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die Reichspolizeiordnung von
1530, Landesordnungen und Stadtrechte in vielen Fällen G. vor. Das preußische
Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei Münzdelikten, Bestechung, Wucher,
Fälschung und Betrügerei an. Das preußische Strafgesetzbuch (1851) und das
Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G. aus. Die Strafrechtsreformen (9. 4.
1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken diese Entwicklung. Dabei wird nach
skandinavischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen
des Täters abhängig (sog. Tagessätze).
Lit.:Köbler, DRG 20,
119, 158, 205, 236; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A.
Erler 1977, 273; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002;
Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993
Geldwäsche ist der Umtausch des aus rechtswidrigem Verhalten erlangten
Geldes ist nicht erkennbar rechtswidrig erlangtes Geld (in Deutschland seit
1992 strafbar).
Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung zur
Geldwäsche, 1998
Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von -> Geld als Zahlungsmittel
aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem Hochmittelalter). Die G. verdrängt die
Naturalwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A., Naturalwirtschaft
und Geldwirtschaft, 1930
Gelegenheit macht Diebe.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)
Gelehrter Richter ist der durch universitäre Ausbildung gekennzeichnete
Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh. im kirchlichen Gericht (als
-> Offizial). Im königlichen Kammergericht des Reiches begegnen Doktoren
der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im Reichskammergericht muss 1495 die
Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst später wird es üblich, dass der Richter
als der Vorsitzende gelehrt ist. Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte
bis in das 18. Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der
Obergerichte mit nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt.
Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten Richtertums
in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von Richter und
Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996; Verger, J., Le gens de
savoir, 1997
Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch Lehre vermittelte Recht.
G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und das kirchliche
(geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische Recht der
einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit werden g.
R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten verknüpft
(-> Reformation, -> Kodifikation).
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher
Gerichte, 1974; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes im 12.
Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen Rahmen der gelehrten Rechte
im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron, A., Zu den Ursprüngen des
gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43
Geleit ist die Begleitung und meist auch sichere Führung eines
Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen Entgelt). Das G. zu gewähren
ist im Mittelalter ein bedeutsames, Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht,
das vom König auf den Landesherrn übergeht (Regal, Westfalen 1180). Freies G.
ist das Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Fiesel, L.,
Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41 (1920), 1; Wilhelm,
R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum Württemberg, Diss. jur.
Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1976; Müller, U., Das Geleit,
1991
Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort im unteren Kinzigtal, in
dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen Herzog -> Heinrich den Löwen
stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht getan und nach Lehnrecht seiner
Herzogtümer -> Sachsen und -> Bayern verlustig erklärt wird, so dass die
Herzogtümer in -> Länder aufgeteilt werden können. -> Konrad von G.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Güterbock, F., Die
Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Der Reichstag von
Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und Handwerksurkunden der freien
Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996
Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand zustimmt (z. B. ->
Erbenlaub) oder verspricht. Das G. erscheint bereits im Frühmittelalter (z. B.
Urteilserfüllungsgelöbnis). Die Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von
verschiedenen Umständen ab und reichen von der Leistungsklage über die
Schadensersatzklage, die Buße und die Geldstrafe bis zur -> Strafe an Leib
und Leben.
Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Reincke,
H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40 (1919), 280; His, R.,
Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41 (1920), 386; Strätz, H.,
Treu und Glauben, 1974
Geltung ist die Anwendbarkeit und die Anwendung. Ein Rechtssatz
gilt rechtsdogmatisch, wenn eine entsprechende Sollensanforderung besteht. Er
gilt rechtssoziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird.
Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente
im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der Geltungsgrund des
römischen Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen,
H., Aktualität und Effektivität der ältesten germanischen Rechtsaufzeichnungen,
in: Vorträge und Forschungen 23 1977, 449; Wagner, W., Geltungsbereiche
ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich, Ius commune 14 (1987), 203;
Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den
altösterreichischen Ländern, 1989
Gemara (F.) -> Mischna
Gemeinde ist die einfache unmittelbare kommunale Gebietskörperschaft
mit (vom Staat abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal überlassener
örtlicher Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener Aufgaben. Als solche
Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen Stadtstaaten) die
Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser Gemeindeordnungen erlassen (z.
B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im deutschen Reich erscheint die G. (Stadt,
Dorf) seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.). In der frühen Neuzeit verliert
sie ihre älteren Rechte durch (vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten
Staates (und der Grundherrschaft). Im 19. Jh. erhält die G. ->
Selbstverwaltung (Preußen 19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert,
Bayern 1818/1839, Württemberg 1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832,
Kurhessen 1834, Braunschweig 1834, Hannover 1851, Westfalen 1841
Landgemeindeordnung, Rheinprovinz 1845 Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853
Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeordnung, Preußen 1872 Kreisordnung, 1875
Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeindeordnung [, Österreich 1849
provisorisches Gemeindegesetz, 1862 Reichsgemeindegesetz]). Vorübergehend
beseitigen das Dritte Reich, in dem sich anscheinend die Gemeinden den Zielen
des Nationalsozialimus zumindest teilweise öffneten, und die Deutsche
Demokratische Republik die in Art. 127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig
garantierte Selbstverwaltung. Insgesamt bleibt die G. aber in durch
Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang bestehen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG 197;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Schrötter, R., Die
rechtliche Natur der sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider,
J., Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für
Heimatkunde 9 (1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964;
Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v.
Volkert, W., 1983; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im Nidwalden
des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die Integration der
Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H., Die bäuerlichen
Gemeinden in Deutschland, 2. A. 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt des
Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA
105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991;
Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde
und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1997; Information, Kommunikation
und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A.,
1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B.,
Nationasozialistiscjhe Kommunalpolitik, 2006;
Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die -> Gemeinde betreffenden
Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die einzelnen Gemeinden in Italien
zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung als (lat.) oppidum (N.), colonia
(F.) oder municipium (N.) mit teils eigener, teils römischer Verwaltung, bis
vermutlich unter Caesar eine in Magistrate, Senat (lat. ordo [M.] decurionum,
Gemeinderat) und Volksversammlung gegliederte, einheitliche Kommunalverfassung
eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia municipalis, julisches Stadtgesetz).
Im deutschen Reich ist das G. unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen
werden erst im 19. Jh. geschaffen. 1935 wird eine einheitliche Deutsche
Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist das G. wieder Landesrecht, so dass es
sich von Land zu Land unterscheidet.
Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die
oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1; Oberndorfer,
P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus, W., Quellen
zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Low, P.,
Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen, hg.
v. Knemeyer, F., 1994
Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern gebildeten) Erbengemeinschaft
der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische Personenvereinigung des
deutschen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechts. Sie wird später
weitgehend durch den Teilungsgrundsatz einerseits und durch das Anerbenrecht
andererseits verdrängt.
Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft der
Schweiz, 1897
Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) (im Rückstand gegenüber der weiter fortgeschrittenen
Steuergesetzgebung der Nachbarländer, besonders Frankreichs) für vier Jahre
eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine
Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24 Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden
festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt und nur teilweise an die sieben
dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine Pfennig
auf dem Reichstage von Worms, 1877; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495,
1989
Gemeines deutsches
Privatrecht ist das dem gemeinen
(römischen Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenübergestellte
Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (-> deutsches Privatrecht). Mit der
Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1896/1900) verliert es seine
unmittelbare Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im Gegensatz zu einem besonderen
Recht. Schon im römischen Recht ist eine derartige Gegenüberstellung eines
(lat.) ius (N.) commune und mehrerer besonderer Rechte etwa der römischen
Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch bzw. personal abgegrenzten Bereiches
bekannt. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen Mittelalter, häufiger seit
dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das römische Recht, das kirchliche
Recht, das römische und kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines
Recht im Gegensatz zu einem besonderen Recht (einschließlich eines Privileges)
bezeichnet werden. Im Verhältnis beider entwickeln die Juristen der
oberitalienischen Städte im Hochmittelalter den Vorrang des eigenen besonderen
Stadtrechts (Statutes) vor dem gemeinen Recht. Dem folgt § 3 der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und leidlichen
Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer, Herrschaften und
Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich,
ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen werden.
Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17.
Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechts die Vermutung der
Anwendbarkeit für sich. Im 18. Jh. wird das gemeine Recht durch die von ihm
mitgeprägten Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten
des -> deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1. 1. 1900) endet für 16,5
Millionen Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg,
Mecklenburg, Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein usw. (insgesamt in 93 verschiedenen
Gebieten) die unmittelbare Geltung des gemeinen Rechts in Deutschland. ->
Allgemeines deutsches Recht, -> common law
Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184;
Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bellomo, M., L’Europa
del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des
römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der Neuzeit,
1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg. v.
Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A. 2001; Nève, P., (Europäisches) ius commune und (nationales) gemeines
Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Watson, A., Legal
history and a common law for Europe, 2001; Daniel, A., Gemeines Recht, 2003
Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221-1224),
der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog. Richtsteige (sowie des sächsischen
Weichbildrechts [str.]) entwickelte, in Sachsen mehr oder weniger allgemein
anerkannte Recht, dessen Durchsetzung vor allem die Schöffenstühle von
Magdeburg, Leipzig und Halle, die juristischen Fakultäten in Leipzig,
Wittenberg und Jena sowie die verschiedenen Hofgerichte fördern. Die Gesetze
einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen Sachsenrechts ein,
entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort. Die Geltung des
gemeinen Sachsenrechts betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865),
Schlesien, Brandenburg, die sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B.
Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis 1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900),
Hannover, Lüneburg, Lauenburg, Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und
dazwischenliegende kleinere Länder. Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1863/5) und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die
Geltung des gemeinen Sachsenrechts beendet.
Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen
Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3.
A. 1847; Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848;
Schultze von Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann,
1938, 51
Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der -> Constitutio Criminalis
Carolina (1532), die den örtlichen Gewohnheiten und Satzungen nachgehen will,
gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gemeinfreier ist der allgemeine -> Freie der germanischen Zeit und
des frühen Mittelalters. Im Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen
Rechtsgeschichte ist es in der Gegenwart streitig geworden, ob es in der
fraglichen Zeit eine breite, „den Staat tragende“ Schicht freier Leute unter
einem Adel mit schwach ausgeprägten Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt
die Zahl der Freien im Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der ->
Grundherrschaft ab.
Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie,
ZRG GA 19 (1898), 76; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen
Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer, T., 4.
unv. A. 1981
Gemeinschaft ist die durch eine Gemeinsamkeit verbundene Mehrheit von
Personen, insbesondere im Schuldrecht die gemeinschaftliche Inhaberschaft eines
einzelnen Rechtes durch mehrere. G. ist im klassischen römischen Recht die
vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten aus wirtschaftlichen
Gründen entwickelte (lat.) -> communio (F.) pro indiviso, bei der über die
ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen können und jeder
Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen (rechnerischen) Anteil.
Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit möglichen allgemeinen Teilungsklage
(lat. actio [F.] communi dividundo). Seit dem Spätmittelalter wird die
römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz widersprechende G. in Deutschland
übernommen.
Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur
Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264; Conrad,
H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und
beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004
Gemeinschaftsrecht -> Europäische Gemeinschaft
Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale
Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979
Gemeinwerk ist die vielleicht aus der mittelalterlichen
Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer örtlichen Gemeinschaft
zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu Gunsten der Gemeinschaft.
Seit dem 18. Jh. wird sie durch Abgaben bzw. Steuern ersetzt.
Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen
Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur.
Bern 1943
Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica) ist das allgemeine Wohl einer
Gesellschaft. Das G. ist vielfach Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann
dabei missbraucht werden.
Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS Alfred
Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95
(1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft,
Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische
Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001
Genannter
Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971
Genealogie (F.) Familienkunde
Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O.,
Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger, in:
Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische
Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005
Genehmigung ist die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten
eines anderen. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich
im Verwaltungsrecht zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung,
im Privatrecht zur nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I;
Kroeschell, DRG 2
Generalauditeur ist im 17. Jh. nach schwedischem Vorbild im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) der Leiter der Rechtspflege des Heeres. 1898
wird der G. durch die Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.
Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen
Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349
Generaldirektorium (Generaloberfinanzkriegs- und -domänendirektorium) ist die
aus einer zentralen Fachbehörde der Domänenverwaltung und aus dem
Generalkriegskommissariat erwachsene oberste Behörde in -> Preußen im 18.
Jh.
Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums
in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110
Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche -> Hypothek am
ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in der Neuzeit in
Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende Offenkundigkeit das
Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.
Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H.,
Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Generalklausel ist der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die
konkrete Bestimmung im Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz. Die G.
hat den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare Umstände für sich und den
Nachteil der Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die
Flucht in die Generalklauseln vorgehalten.
Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die
Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989
Generalprävention ist der -> Strafzweck, der auf allgemeine Vorbeugung
gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbekannter Dritter gerichtet ist
(Feuerbach 1813).
Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer gesamten Staatsanwaltschaft
(z. B. DDR).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Generalstände (M.Pl.) allgemeine -> Stände
Lit.: Soule, C., Les États généraux de France (1302-1798),
1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992
Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird um 400 Sitz
eines Bischofs und 1365 Sitz einer Universität Seit 1536 wirkt in G. Calvin
reformatorisch. 1815 wird G. Mitglied der Eidgenossenschaft der -> Schweiz.
Im frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht (1819) gesetzlich
geregelt (-> Bellot). 1873 erlangt G. eine Universität.
Lit.: Köbler, Cramer, J., Précis de l’histoire du droit
genevois, 1761; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du canton du Genève,
Bd. 1f. 1927ff.; Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 3. A.
1986
Genfer Konvention ist die (seit dem 22. 8. 1864) in Genf abgeschlossene völkerrechtliche
Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung des Kriegsrechts).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Genosse -> Genossenschaft
Genossenschaft ist die Personenvereinigung zur Erfüllung der von ihren
Mitgliedern (Genossen) angestrebten Zwecke, insbesondere der Förderung des
Erwerbs oder der Wirtschaft mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ihre
ältesten Formen betreffen die vielleicht von Verwandtschaften ausgehende
gemeinsame Nutzung von Land. Bedeutsam ist die möglicherweise noch ins
Frühmittelalter reichende -> Markgenossenschaft. Besondere Erwähnung
verdient auch die durch eidlich bestärkte Vereinbarung entstehende ->
Eidgenossenschaft. Eine stärkere Verfestigung zeigt die im 12. Jh. sichtbare
(als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genossenschaftlich organisiert sind im
Hochmittelalter auch -> Gemeinderschaft, -> Zunft, Bruderschaft, ->
Universität, bergrechtliche -> Gewerkschaft, Waldgenossenschaft und
Deichgenossenschaft. In der frühen Neuzeit drängt der Einfluss der gelehrten
Rechte die G. zugunsten der römischrechtlichen (lat. [F.]) -> societas bzw.
(lat. [F.]) -> universitas zurück. Die hierauf gegründete Theorie des 19.
Jh.s, dass die -> juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von
-> Beseler und Otto von -> Gierke (Theorie der realen
Verbandspersönlichkeit) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen Bund wird
1867/1868, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G.
(Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das
Genossenschaftsregister juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft,
Raiffeisengenossenschaft, Wohnungsbaugenossenschaft).
Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177, 207,
218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff.
1868ff.; Solmi, A., Le associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsgeschichte
der mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann,
K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K.,
Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genossenschaften in
der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der
Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften,
1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetzgebung vor
100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur
Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie,
Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Gericht, Genossenschaft und Policey,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Schubert, W., Zur Entstehung der
Genossenschaftsgesetze Preußens und des Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG
GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für
Genossenschaftswesen u. a., 1989; Akademie für deutsches Recht 1933-1945,
Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss für Genossenschaftsrecht, hg. v.
Schubert, Werner, 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P., Genossenschaftsgesetz, 1995;
Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Helin, I., Vom Brodverein
zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der landwirtschaftlichen
Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999; Kattinger, D., Die
gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die Reformbestrebungen zum
Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die
Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes, 2002; Schneider, R., Altrechtliche
Personenzusammenschlüsse, 2003
Genossenschaftsgesetz -> Genossenschaft
Genozid (N., M.,) -> Völkermord
Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der
Weltgeschichte, 2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004;
Barth, B., Genozid, 2006
Gent an der Leie (7./8. Jh. [lat.] pagus [M.] Gandao)
erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute wichtige
Rechte. 1879 wird G. Sitz einer Universität.
Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters
Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische
studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H.
van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te
Genbt en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960; Verhulst,
A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red.
Decavele, J., 1989
Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in Deutschland seit 20. 6. 1990 gesetzlich geregelte
Technologie.
Gentile ist der Angehörige eines Sippenverbandes (lat. [F.] gens)
im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe.
Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21
Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach dem Rechtsstudium in
Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor der Inquisition
gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor für civil law) und veröffentlicht
vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke (De iure belli
commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum Kriegsrecht). Nach
1590 wird er als Anwalt tätig.
Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v.
Bull, H. u. a., 1990, 133
gentry (engl.) Landadel (seit 15.
bzw. 16. Jh.)
Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986
Genua am südlichen Steilabfall der Alpen zum Mittelmeer kommt
über Römer, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden an die Franken. Seit dem 10.
Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter fremder Herrschaft, wird
es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont (1861 Italien) vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M.,
Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik
der Erinnerung, 2003
Genus perire non
censetur (lat.). Von einer Gattung wird
nicht angenommen, dass sie untergeht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und Dijon
(1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches Recht)
und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts
(Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et
technique en droit privé positif, 1913ff.).
Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire
du doyen François Geny, 1963
geometricus -> mos geometricus
Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von mehreren) Urkunde(n) über den
am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns liegenden St. Georgsberg
(Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag zwischen Herzog Otakar IV.
von -> Steiermark und Herzog Leopold V. von -> Österreich, auf Grund dessen
mit dem Tod Otakars IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.
Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K., Die
Georgenberger Handfeste, 1986
Gerade ist vielleicht schon im germanischen Recht die Ausrüstung
der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum
[802] und mahalareda in der [lat.] Lex [F.] Burgundionum [um 500]). Im
Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungsgebiet des Sachsenspiegels Schmuck,
Kleider, Gefäße und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten,
Schafe). Beim Tod des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus
an die Ehefrau, beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte
nichtverheiratete weibliche Verwandte (oder einen Geistlichen).
Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162; Hradil,
P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Frommhold, E., Das Recht der
Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade, Diss.
jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen „Gerade“, in: Aus dem
Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um Frauenbesitz, ZRG GA 114
(1997), 182
Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben 11. 4. 1823-Dresden 23.
9. 1891) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Hänel, Albrecht,
Puchta, Mittermaier, Vangerov) 1844 außerordentlicher Professor in Jena, 1847
ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen und 1863 Leipzig. 1871 wird
er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine Untersuchung über das
wissenschaftliche Prinzip des ->gemeinen deutschen Privatrechts vor, in der
er das deutsche Recht statt als Rechtsquelle als bloßes System von Rechtsgedanken
(Geist des deutschen Rechts) versteht. Hierauf gründet er sein erfolgreiches
romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen Privatrechts (1848/9),
in dem er den Geist des deutschen Rechts in konkrete juristische Sätze fasst.
1852 lässt er die auf den Willensäußerungen der Einzelnen als Glieder der
Volksverbindung beruhende Untersuchung über öffentliche Rechte folgen, die 1865
zu Grundzügen eines Systems des deutschen Staatsrechts (mit den vier
Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates], Organe des Staates,
[Formen der] Willensäußerungen des Staates, Rechtsschutz) werden, die den
-> Staat als -> juristische Person verstehen und die moderne deutsche
Staatsrechtswissenschaft begründen.
Lit.: Köbler, DRG 205; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly, W., Der Methodenwandel im
deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich
von Gerber (1823-1891), 2003
Gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der gerechtfertigte Fall
einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder Staaten. Nach Cicero
(106-43 v. Chr.) begründen Rache und Vertreibung von Feinden allein den
gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt das Christentum (Augustinus
354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines gerechten Krieges, zu dem noch
die rechte Gesinnung des Kriegführenden hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um
1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas des Herrschers, den gerechten Grund
und die rechte Einstellung. Francisco de Vitoria begründet die Lehre vom
beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili (1588) schränkt Grotius
(1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer der Kriegsführenden im
Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten könnten. Im 18. Jh. wird
auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und gerechten Kriegen verzichtet.
Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien Kriegsführungsrecht der souveränen
Staaten. Dagegen erfolgt nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr
zur Lehre vom gerechten Krieg, so dass der Angriffskrieg verboten wird.
Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin 15;
Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just War,
1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
gerechter Preis -> Preis
Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß richtigen Verhaltens. Bereits
Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterscheidet die ausgleichende G. (lat. iustitia
[F.] commutativa) zwischen den Einzelnen und die austeilende G. (lat. iustitia
[F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und Einzelnen. Ulpian (170-223)
erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den ständigen Willen, jedem sein Recht
dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den anderen nicht verletzt und jedem
das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die G. durch die in der Natur sich
zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit versucht der Mensch die G. mit
Hilfe der (der Natur des Menschen entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G.
vollkommen zu verwirklichen, muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal
angesehen werden, das tatsächlich nicht oft genug erreicht wird.
Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der
Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische
Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231;
Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel,
O., Die Iustitia, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984;
Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und
Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a.,
1988; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung des antiken Gerechtigkeitsbegriffes,
ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg. v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und
Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Prodi, P., Eine Geschichte der
Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht, Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler,
A., Gerechtigkeit durch Ironisierung, 2003; Duvanel, L., La justice
contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet unser Rechtssystem auf
Gerechtigkeit?, 2005
Gerhabe ist eine mittelalterliche Bezeichnung für den ->
Vormund.
Lit.:
Haff, K., Gerhaben-Stellen aus unveröffentlicheten Urkunden des Allgäus, ZRG GA
51 (1931), 512
Gericht ist die (staatliche) Einrichtung, welche die Entscheidung
in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung ausüben soll. Das altrömische Recht
unterscheidet dabei (im Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem
Richter (lat. [M.] iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor
dem zuständigen Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der
darüber entscheidet, ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen
Schutz (lat. [F.] actio) enthält und danach gegebenfalls unter Auswahl oder
Auslosung seitens der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14
n. Chr.) tritt an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche
öffentliche Amtsträger des -> Kognitionsverfahrens, der untersucht und
entscheidet. Bei den Germanen finden demgegenüber die Entscheidungen in
Streitigkeiten anfangs vermutlich in der vom König oder mehreren Großen
geleiteten -> Volksversammlung unter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag
aus dem -> Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der
König oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.]) -> thunginus (Dingmann) die
Versammlung auf dem -> Malberg, und -> Rachinburgen schlagen ein Urteil vor.
Später verdrängt der -> Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780 ersetzt
Karl der Große die Rachinburgen durch -> Schöffen als Urteiler. Im
geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches
entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw.
Archipresbyter und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemeiner seit 1246 der gelehrte -> Offizial des Bischofs als
ständiger, ordentlicher (berufsmäßiger) Einzelrichter, der selbst entscheidet,
erscheint. Noch im Reichskammergericht (1495) ist der Richter grundsätzlich nur
Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und
(zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und
mehr in festen Gebäuden tagende G. aber zu Lasten der Laien zunehmend mit
rechtsgelehrten Berufsjuristen besetzt und entscheidet (auch) der Richter.
Demgegenüber belebt der Liberalismus des 19. Jh.s das Laienelement wieder
(-> Schwurgericht). In der Gegenwart ist in Deutschland die ->
Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten (ordentliches
Gericht, Arbeitsgericht, Finanzgericht, Sozialgericht, Verfassungsgericht,
Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere Instanzen gestuft (z. B.
Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Bayerisches Oberstes Landesgericht
[bis 2004], Bundesgerichtshof). Die meisten der sehr vielen
Rechtsstreitigkeiten werden durch Berufsrichter entschieden.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150; Köbler,
WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens in
Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste
Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die
lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter
und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313; Jecklin,
C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C.,
Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck
deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W.,
Land- und Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für Walter
Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und Dingstätten
im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 72
(1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in Deutschland, Diss.
jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im
Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G., Richten, Richter, Gericht, ZRG GA
87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die geistlichen Gerichte in den
Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972; Krause, H., Mittelalterliche
Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München); Köbler, G., Gericht und Recht in
der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W.,
Die deutsche Gerichtsverfassung 1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation des Raumes Marburg im 19. und 20.
Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg.
v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten
Reich, 1985; Turner, R., The English Justiciary, 1985; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens,
1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab, M.,
Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20.
Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R.,
Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M.,
Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994; Klemmer,
K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in
Sachsen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung,
1997; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001
Gerichtliche Medizin ist die rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame
Medizin. Im Mittelalter werden allmählich ärztliche Sachverständige in das
Verfahren vor Gericht eingeführt. Die erste bekannte richterliche
Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt. Die Constitutio Criminalis
Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger Frauen und verständiger
Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh. erscheint die (lat.)
medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten. Eigene Lehrstühle
folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807). 1901 wird im Deutschen Reich
g. M. Pflichtfach des Studiums.
Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer,
1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976
Gerichtsakte ist die (seit dem 14. Jh. einsetzende) -> Akte eines
Gerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der bestehenden Rechtsordnung
gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der Allgemeinheit) (Judikative). ->
Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über
Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt, O.,
Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Brand,
E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit
in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, Die höchste Gerichtsbarkeit des
deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965; Hageneder, O., Die
geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich, 1967; Laufs, A., Die
Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in Deutschland, JuS 1969, 256;
Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und Strafrechtspflege in der Reichsstadt
Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im
deutschen Reichsterritorium, Bd. 1 1975; Müller-Kinet, H., Die höchste
Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund 1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche
Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer
Befriedung, 1985; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G.,
Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild,
W., Geschichte der Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale
Gewalt im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil,
H., Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice
en France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter,
1998; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden,
2002; Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der
gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v.
Arlinghaus, F., 2006
Gerichtsbuch ist das bei einem -> Gericht geführte Buch über
gerichtliche Handlungen der streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B.
Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle, Vergleiche, Rechtsgeschäfte).
Gerichtsbücher sind beispielsweise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg,
Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim,
Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und
Brandenburg).
Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als Geschichtsquelle,
1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA 47 (1927), 664; Schultheiß,
W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern und Franken, FS H.
Liermann, 1964, 264
Gerichtsgebrauch ist die an einem oder mehreren Gerichten geübte besondere
Art der Rechtsanwendung.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970
Gerichtsgefälle sind die an ein -> Gericht zu erbringenden Leistungen
(Gefälle). Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten
Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen
sich Geldleistungen für einzelne Gerichtshandlungen, wie beispielsweise auch
für die Tätigkeit des -> Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum
Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu
erhebende -> Gebühren, die der im Verfahren Unterliegende zu erstatten hat.
Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwendung zur
Besoldung des Gerichtspersonals mit festen Gehältern.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 75ff.
Gerichtshof ist das mit mehreren Richtern besetzte (obere) Gericht bzw.
ein Hof, an dem Gericht gehalten wird.
Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die
britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158
Gerichtsmedizin ist die für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische
Betrachtung.
Lit.: Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter,
1999; Herber, F., Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002
Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein -> Gericht unmittelbar
geltenden Rechtssätze. Sie entwickelt sich aus dem von der Kirche geförderten
Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer Weise geordnet sein soll
(lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird hieraus die ->
Prozessordnung.
Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Meier,
A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiete der
heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der
Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Kleinheyer, G.,
Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause 1975, 110; Dank, E.,
Die Appellationsvorschriften der bayerischen Gerichtsordnung von 1520, 1977;
Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978;
Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im Gebiet des Fürstentums Fürstenberg,
FS G. Schmelzeisen, 1980, 9
Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an einzelnen -> Gerichten
zur Aufzeichnung von Rechtshandlungen bestellte besondere -> Schreiber.
Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des ungelehrten Richters und der
ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im Deutschen Reich die
Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F.,
Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke,
D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger, 1993
Gerichtsstab -> Richterstab
Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den
österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971
Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch sachliche Zuständigkeit
eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine an einem Gericht erhobene
Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem Hochmittelalter sehr
bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die
Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die
historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002
Gerichtsverfahren ist das vor und von -> Gerichten durchgeführte
Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen Zivilverfahren und
Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren unterschieden.
Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der -> Selbsthilfe des
Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich wird dabei die
gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt ist auch in den
germanischen Anfängen das G. gegenüber der -> Selbsthilfe (-> Fehde)
selten. König und Kirche fördern das G. seit dem Frühmittelalter. Auf die Klage
des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten entscheiden die unter der
Leitung des -> Richters versammelten -> Schöffen den Streit durch ein
meist zweizüngiges -> Urteil. Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid),
so siegt der Kläger. Die Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine
Überprüfung des Urteils steht nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.)
treten Zivilverfahren und Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren gewinnt
die amtliche Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt sich unter
oberitalienisch-kanonistischem Einfluss (Schriftlichkeit). Die Berufung
(Appellation) an ein Obergericht wird möglich. In England ändert sich das G. am
stärksten zwischen 1154 und 1272. In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung
auch das Gebiet des sächsischen Rechts. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere
Verfahren der französischen Gesetze Zivilprozess und Strafprozess in den
deutschen Staaten.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd.
1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der
Münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den
badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Markov, J., Das
landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17. Jahrhundert,
ZRG GA 83 (1966), 145; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der
Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Fowler-Magerl, I., Ordo iudiciorum vel ordo
iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to Conscience, 1985
Gerichtsverfassung ist die organisatorische Gestaltung der Rechtspflege. Sie
ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem hohen Mittelalter
mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom König auf die
Landesherren zu vielfältigen Gestaltungen. 1877/1879 wird im Deutschen Reich
die partikuläre G. durch das Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht
(Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich
Jurisdiktionsnorm von 1895 mit Bezirksgerichten, Landesgerichten, Oberlandeserichten
und Oberstem Gerichtshof). -> Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 183,
200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der Mark
Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E.,
Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung
von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs
Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen
Gerichtsverfassung Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der
Carolina, Diss. jur. Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung
Steiermarks, Archiv f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung
des Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und
Ostdeutschlands 2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande
Braunschweig, 1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff,
H./Wagner, A., Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und
Richterrechts im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die
Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche
Gerichtsverfassung (1869-1877), 1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu
moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die
kursächsische Gerichtsverfassung, 1997; Grilli, A., Die französische
Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Forster, M., Die
Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, Diss. jur. Regensburg
1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt am Main im
Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
Gerichtsverfassungsgesetz -> Gerichtsverfassung
Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den Zustellungen, Ladungen und
Vollstreckungen zu betrauende Beamte. Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel,
Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 202; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Ziegler, H., Die Stellung des
Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach dem Entwurf einer ZPO von
1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936
Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des -> Gerichts (Richter und
Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor Gericht. Das G. wird im
Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen Beweis einer Behauptung und
kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G. auch in einer Gerichtsurkunde
enthalten sein.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986
Germane ist der Angehörige der Völker, die sich von den
Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame Sprache Germanisch
sprechen. Die Germanen werden vielleicht in der ersten Hälfte des 2. Jt.s v.
Chr. in Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in
mehrere Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im Einzelnen
str.) und viele kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen Schrifttum
genannte Völker gliedern. Ihr nicht sicher deutbarer Name ist um 90 v. Chr. bei
dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals bezeugt. Seit dem 1. Jh. v.
Chr. dringen sie nach Süden (Teutonen 102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr.
bei Vercellae von den Römern geschlagen). Im 4. Jh. überwinden sie den ab 84 n.
Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] -> limes) und
brechen ab 375 in der -> Völkerwanderung in das weströmische Reich ein. 476
setzt der Söldnerführer -> Odowakar den weströmischen Kaiser Romulus
Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer Umgestaltung der römischen Welt
verschiedene Reiche einzelner, aus den G. hervorgegangener Stämme (Franken,
Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden, Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen
über die G. entstammt im Wesentlichen den römischen Schriftstellern (Caesar,
Tacitus).
Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among the Germans,
1883; Dahn, F., Die Könige der Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Rhamm, K., Die
Großhufen der Nordgermanen, 1905; Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen,
1911; Roessingh, D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E.,
Germanische Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44
(1924), 30; Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische
Verfassung, Historische Vierteljahrsschrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die
Streitfragen über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini,
H. v., Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und
Ehe, 1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A.
1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P.,
Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des
germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937; Schultz,
W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Grönbech, W., Kultur und Religion der
Germanen, Bd. 1f. 1937ff.; Germanische Altertumskunde, hg. v. Schneider, H.,
1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Meyer, H., Das Wesen
des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte, 1938; Schmidt, L.,
Geschichte der deutschen Stämme. Die Westgermanen, 1938; Eckhardt, K., Ingwi
und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der Eintritt der GFermanen
in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den Nordgermanen, 1939;
Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939; Thaerigen, G., Die
Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, 2.
A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der germanischen Überlieferung, 1940;
Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei den frühen Germanen, ZRG GA 71
(1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto germanico, 1957; Germanen, hg.
v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G., Sozial- und Kulturgeschichte der
Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die Germanen, 1980; Germanenprobleme aus
heutiger Sicht, hg. v. Beck, H., 1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und
Rechtssprache zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches
Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996;
Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und
Britannier, 1998; Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000;
Ernst, P./Fischer, G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die
Geschichte der Germanen, 2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio
germanica. Die Sehnsucht nach der alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann,
K., Arminius und die Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen,
2003; Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003; Arminius und die
Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und
Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania Gothica,
2004; Fruscione, D., Zur Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA
122 (2005), 1; Wiwjorra, I., Der Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der
Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u. a., 2006
Germania (bzw. De origine et situ Germaniae) ist ein 98 n. Chr. (?)
verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius Cornelius Tacitus (um 55-nach
115, 97 Konsul). Die G. schildert das Naturvolk der Germanen als ein gegen den
Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild. Deshalb bedürfen die Aussagen
dieser für die germanische Zeit wichtigsten Geschichtsquelle sorgfältiger
Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach
Italien gebrachte und dort in ihrem die G. betreffenden Teil verschollene
Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jh.s.
Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900, neuer
Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’ Germania.
Teubner, Leipzig 1920; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken in
der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Melander, K., Tacitus Germania
als Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Die Germania des Tacitus, hg. v.
Much, R. u. a., 3. A. 1967; Krapf, L., Germanenmythos und Rechtsideologie,
1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil 1f., hg. v.
Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Wolfram, H., Die Germanen, 7. A. 2002; Germania
inferior, hg. v. Grünewald, T., 2001; Busch, J., Das Germanenbild der deutschen
Rechtsgeschichte, 2004; Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005;
Riemer, U., Die römische Germanienpolitik, 2006
Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den verschiedenen Stämmen der
-> Germanen geltenden Rechtssätze. Das germanische Recht ist infolge der
bescheidenen Überlieferung nur teilweise bekannt oder erschließbar. Es ist
vermutlich größtenteils als Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch
einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist
ebensowenig anzunehmen wie ein germanischer Rechtsgott. Die Einzelne, in Raum
und Zeit individuelle germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen
Angelegenheiten in der von einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten ->
Volksversammlung. Dort ergehen auch Urteile in Streitigkeiten. Eine allgemeine
Verfolgung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen (Volksverrat, Unzucht)
statt. In der Familie steht der Hausvater an der Spitze. Die Ehe ist
grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber über die Frau mit dem Mann
abgeschlossen. Sie kann durch Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung
des Mannes aufgelöst werden. Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder
weiteren Verwandten. Ein Testament gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus
und Hof auch Acker und Wiese einzeln zugeordnet sind und der Berechtigte über
sie verfügen kann. Die wohl seltenen Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen
als Handgeschäfte. Unrechtserfolge ziehen die -> Fehde nach sich, doch ist
ein Ausgleich durch Leistungen, die teils an den Verletzten, teils an die
Allgemeinheit gehen, möglich.
Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842,
Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890
(Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34
(1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang,
1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Wiebrock, I., Die Sippe
bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic Kinship Structure, 1983;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Kroeschell, K.,
Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme, 1986; Landau, P.,
Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage nationalistischer und völkischer
Ideologie, in: Zur Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in
Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999
Germanist ist der sich mit den (Germanen und) Deutschen befassende
Rechtswissenschaftler oder Sprachwissenschaftler. Er steht in Gegensatz zum
Romanisten. Die Unterscheidung entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.],
De origine iuris Germanici, 1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh.
(Eichhorn, Grimm, Brunner). Sie verliert mit der Internationalisierung des
Rechtes an Bedeutung.
Lit.: Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung
aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Gierke, O. v., Die
historische Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur
Geschichte und Problematik der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth,
F. u. a., 1999, 327; Internationales Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v.
König, C., 2003; Netzer, K., Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht –
Verhandlungen der Germanisten 1846 und 1847, 2006
Gerüfte (Gerüft) ist im mittelalterlichen
deutschen Recht die durch Geschrei erfolgende Verlautbarung eines
(rechtswidrigen) Geschehens (z. B. einer Vergewaltigung) oder einer drohenden
Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung Folge zu leisten. Es befreit den
Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 190, 517; Meyer,
H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916), 382; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff., Neudruck 1964
Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der jeder Gläubiger die
gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur einmal zu leisten
verpflichtet ist.
Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Gesamthand ist die Mehrheit von Menschen, denen ein Sondervermögen in
besonderer Art und Weise (gesamthänderisch) zusteht. Vielleicht fällt in
einfachen Gesellschaften der Nachlass eines Menschen an mehrere Erben allgemein
in der Art und Weise an, dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am
Nachlass (und einzelnen Nachlassgegenständen) nicht (allein) verfügen kann.
Jedenfalls deuten die mittelalterlichen Rechtsquellen auf eine derartige
Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland (-> Ganerbschaft, ->
Gemeinderschaft, -> Handelsgesellschaft). In der frühen Neuzeit behandelt
die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist als (lat. [F.]) -> societas
oder -> communio. Im 19. Jh. versteht Georg -> Beseler (1809-1888) unter
der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte Beziehungen die Grenzen der
Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe gleichmäßig über die den
Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert, ohne dass jedoch ein neues
selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung begründet wird. Nach dem Protest
Otto von -> Gierkes (1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das
deutsch sein wolle, den deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken nicht aus dem
Recht weisen dürfe, wird die G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die
gemeinsame Verfügung der mehreren Beteiligten über den Gegenstand und die
Anwachsung der Berechtigung beim Wegfall eines Beteiligten (an die
Berechtigungen der Verbleibenden) angesehen werden, an einzelnen Stellen noch
in die in Kraft gesetzte Fassung des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches
(1. 1. 1900) aufgenommen (Gesellschaft, eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft).
Die G. ist nicht juristische Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist streitig.
Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2
1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916),
504; Buchda, G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936; Seif,
U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302; Wächter,
T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche Gesetzbuch,
2002
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die Nachfolge in einen Inbegriff
von Vermögensgegenständen ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem
römischen Recht bei der -> Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird
sie aber von der im Übrigen vorgesehenen Einzelrechtsnachfolge übertroffen.
Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gesamtschuld ist die Schuld, die mehrere in der Weise schulden, dass
jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die
Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie ist bereits dem
klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum) bekannt. Wegen
ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner hat sie sich bis zur
Gegenwart behauptet.
Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die
Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte
Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität)
Gesandter ist der diplomatische Vertreter eines Staates bei einem
anderen Staat oder einer internationalen Organisation. Bereits im römischen
Recht ist der fremde Gesandte unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der
ständige Gesandte geschaffen. Im 19. Jh. wird das diesbezügliche Völkerrecht
genauer ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom
21. 11. 1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961).
Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen
Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter,
1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden,
1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994; Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen
Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003
Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, mit rechtlicher Wirkung durch eigene
Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom römischen Recht dem
Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige
(lat. [M.] impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur
mit Einverständnis des Vormundes vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.)
lex (F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen geschützt werden, woraus
die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren Zustandes
(lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen
benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germanischen Recht
steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des
Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der
Hausgewalt des Vormundes. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich
wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der
Personalgewalt getätigten Geschäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen
und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen,
solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln (abgeändert)
übernommen. Geschäfte der Geschäftsunfähigen sind nichtig (Kinder unter 7,
Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt Geschäftsfähigen bedürfen
der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit sie nicht lediglich
rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7. 1875 in Preußen
verwendet.
Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207;
Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U.,
Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters
Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413; Minzenmay,
S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht des 17.
Jahrhunderts, 2003
Geschäftsführung ohne Auftrag ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige
Schuldverhältnis, das dadurch entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag)
für einen anderen (Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen
noch kein Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia
[N.Pl.] gesta, geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer
Stellung im Edikt des Prätors vermutlich von der Vertretung im Rechtsstreit
ausgegangen. Die Verpflichtungen aus der Tätigkeit (Herausgabe des vom
Geschäftsführer Erlangten, Ersatz der Aufwendungen des Geschäftsführers)
werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides) begründet. Justinian
ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der Aufnahme des römischen
Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches Schuldverhältnis in Deutschland
übernommen.
Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne
Auftrag, 2005
Geschäftsgrundlage -> clausula rebus sic stantibus
Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage, 1996;
Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen
Recht, 2002
Geschäftsordnung ist die einer Geschäftsführung einer Gruppe von Menschen
zugrundegelegte Ordnung.
Lit.: Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des hannoverschen
Landtages, 1999
Geschäftsunfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit
Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als -> Zeuge zugezogene
Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und im germanischen Recht.
Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er seit dem Hochmittelalter an
Bedeutung.
Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922
Geschichte ist das in der Dimension Zeit Geschehene und die damit
befasste Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der
griechischen Antike). Besondere Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht,
die Gesellschaft oder die Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des
Vergangenen durch den gegenwärtigen Betrachter.
Lit.: Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen im
Mittelalter, 1858; Below, G. v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916; Rothenbücher,
K., Über das Wesen des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen,
Bd. 1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff der Entwicklung, 1941 (SB
Leipzig); Weis, E., Geschichtsschreibung und Staatsauffassung in der
französischen Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz, Quellenkunde der deutschen
Geschichte, 10. A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab, H., Wörterbuch Geschichte,
11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur deutschen Geschichte, 15. A. 2003;
Brandt, A., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007; Postel, R., Johann Martin
Lappenberg, 1972; Meister, K., Die griechische Geschichtsschreibung, 1990; Simon,
C., Historiographie, 1996; Demandt, A., Geschichte der Geschichte, 1997;
Burkardt, J., Die historischen Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers,
G., Deutsche Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtschreibung,
hg. v. Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A.
1998; Das europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des
positiven Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein,
1999; Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun,
J., Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v.
Mütter, B. u. a., 2000; Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung, 2001; Kompass
der Geschichtswissenschaft, hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch
Geschichte, hg. v. Jenks, S. u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe,
2001; Die Nation schreiben, hg. v. Conrad, C. u. a., 2002;
Geschichtswissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt, H., 2002; Lexikon
Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002; Geschichte(n) der
Wirklichkeit, hg. v. Landwehr, A., 2002; Kompass der Geschichtswissenschaft,
hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F., Geschichtsschreibung und nationale
Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung von den Anfängen bis
Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W., Werkstatt des
Historikers, 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Freytag,
N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte, 2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v.
Winkler, A., 2004; Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu
Geschichte(n)?, hg. v. Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der
Erinnerung, 2004; Herbst, L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf
Wegscheiden der Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004;
Henning, E., Auxilia historica, 2. A. 2004; Clemens, G., Sanctus amor patriae,
2004; Zwenger, T., Einführung in die Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S.,
Das Unsichtbare begreifen, HZ 280 (2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v.
Borsò, V. u. a., 2005; Baberowski, J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte,
H., Weltgeschichte, 2005; Geschichte für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a.,
2005; Völkel, M., Geschichtsschreibung, 2005; Fellner, F. u. a., Österreichische
Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; Christ, K., Klios Wandlungen.
Die deutsche Althistorie, 2006; Hasberg, W., Didaktik der Geschichte, 2006;
Pape, J., Der Spiegel der Vergangenheit, 2006; Brandt, A. v., Werkzeug des
Historikers, 17. A. 2007
Lit.: Signori, G.,
Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG GA 116 (1999), 119
Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende gewerbliche Muster oder Modell,
das durch Gesetz zugunsten des Urhebers besonders geschützt ist. Seine Anfänge
gehen auf Zunftordnungen in Florenz (1418), Genf (1432), Flandern und Burgund
zurück. Staatliche Regelungen werden im 18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und
England (1787) erlassen. Eine Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet
Frankreich (1787, 1806). In Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz
geschaffen.
Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacksmusterschutzes,
1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss.
jur. Erlangen 1954
Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch, der einen Schwur (->
Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszuführen). Geschworene treten
im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen Recht auf.
Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt rechtmäßig
auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürgermeister, Ratmann). Im 19. Jh. wird
das -> Schwurgericht mit besonderen Geschworenen besetzt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener, F.,
Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der Geschworenengerichte,
1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der Geschworenengerichte in
Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung, 1970; Kleinz, A.,
Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik, 2001
Geselle ist ursprünglich der Mensch, der im selben Raum lebt. Im
18. Jh. wird G. zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit eine
Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.
Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der deutschen
Gesellenverbände, 1877; Wissel, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und
Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der
Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische
Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u.
a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K.,
Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985
Gesellschaft ist die Gesamtheit von Menschen, insbesondere im
Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (ausnahmsweise auch nach neuerer
Entwicklung die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch Rechtsgeschäft zur
Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen Recht schließt sich die
G. an die Hauserbengemeinschaft (lat. [N.] -> consortium, ohne persönliche
Haftung der Gesellschafter) an. Daneben entwickelt sich in den letzten
vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier Zusammenschluss zu
gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden entsteht die G. (lat. [F.]
-> societas). Wohl auch im Anschluss an die Miterbengemeinschaft bilden sich
im Hochmittelalter vertragliche Zusammenschlüsse zu Handelszwecken
unterschiedlicher Ausgestaltung (stille G., offene G., beschränkte Haftung,
unbeschränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz, wahrscheinlich persönliche
Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls angeordnet in
Stadtrechtsreformationen). Hieraus werden allmählich die offene Handelsgesellschaft,
die Kommanditgesellschaft und die stille G. Nach Entdeckung der neuen Welt
bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko die Ausbildung der -> Aktiengesellschaft
(Anfang 17. Jh.). In den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das
Gesellschaftsvermögen zum eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht
der G. genauer geregelt. 1892 wird durch Gesetz eine besondere -> G. mit
beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der nichtrechtsfähigen G. wird
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als -> Gesamthand ausgestaltet.
In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird zunächst bei der G. mit beschränkter
Haftung die -> Einmanngesellschaft zugelassen.
Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29, 45,
46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des Aktienrechts, 1895, Neudruck
1968; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt,
W., Beteiligung und Teilhaberschaft, 1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique
des Sociétés de Commerce en France, 1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Servos, R., Die
Personenhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln
1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19.
Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107;
Misera, K., Klagen manente societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft
Villeroy & Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Gall,
L., Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Friedeburg, R. v.,
Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A., Spätmittelalterlicher
Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und
Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000; Hofmeister, J.,
Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F., Die persönliche
Haftung von Personengesellschaftern, 2003; Weiss, M., Rechtsfähigkeit,
Parteifähigkeit und Haftungsordnung der BGB-Gesellschaft, 2005; Jahntz, K.,
Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006
Gesellschaft mit beschränkter
Haftung ist die rechtsfähige
Kapitalgesellschaft, die 1892 im Deutschen Reich durch besonderes Gesetz
geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche Verbreitung erfährt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272; Schubert,
W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12
(1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über
Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth,
R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung
der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im
Nationalsozialismus, 2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des
GmbH-Rechts, 2005
Gesellschafter ist das Mitglied einer (wirtschaftlichen) ->Gesellschaft.
Gesellschaftsrecht ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche) ->
Gesellschaften betreffenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich als
besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.
Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik des
Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im 16.
Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v.
Crone, H. v. d., 2003; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als Richter am
Reichsgericht, 2007
Gesellschaftsvertrag ist politisch der von den Mitgliedern der menschlichen
Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle (idealtypisch)
geschlossene Vertrag (Jean Jacques -> Rousseau, [frz.] contrat [M.] social),
privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer -> Gesellschaft
abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neuzeitliche
Gesellschaftsverträge, 1987
Gesetz ist die abstrakte und allgemeine, in einem festgelegten
Verfahren durch Festsetzung geschaffene rechtliche Regelung. Sein Kern ist die
bewusste Festsetzung eines Inhaltes durch besondere Handlung. Als G. erscheint
- (nach dem Codex Urnammu des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 v.
Chr.] und dem Codex des babylonischen Königs -> Hammurapi [1728-1686 v. Chr.
],) nach den Festsetzungen -> Lykurgs, -> Solons und -> Drakons in
griechischen Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königsgesetzen - in
Rom 451/450 v. Chr. in das -> Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim
tabularum). In der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem
Urheber benannte Einzelgesetze (-> lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.) greift der Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat.
[F.] constitutio), um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des
Altertums umfassende, älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat.
[M.Pl.] codices) in Kraft gesetzt (-> Codex Theodosianus, -> Codex).
Demgegenüber ist bei den Germanen die Setzung von Recht wohl selten. Die
fränkischen Herrscher schließen deshalb in Konstitutionen und Kapitularien eher
an römische Vorbilder an. Im 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor
(-> Landfriede). Er bleibt im Heiligen Römischen Reich aber wegen der
Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens eher Ausnahme. Dagegen wird der
absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die gewichtigsten
Zeugnisse dieses Wirkens sind die -> Polizeiordnungen, -> Reformationen
und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher (-> Kodifikationen) der
Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch 1811/1812). Mit dem 19. Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom
Rechtsstaatsgedanken und der beachtlichen Vergütung der gesetzgeberischen
Tätigkeit der Abgeordneten und ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste
Gesetzesflut.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6, 31, 50,
52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre, 1924; Wengler, L.,
Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung
in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und Form der Gesetze, 1958; Gagnér,
S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D.,
„Gesetz“ im Staatsrecht und in der Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus,
1970; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975;
Genicot, L., La Loi, 1977; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und
verwaltungsinterne Gesetzgebung, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601;
Berman, H., Law and Revolution, 1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht
als Grenze der Gesetzgebung im neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104;
Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a.,
1987; Karpen, U., Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland,
Gedächtnisschrift W. Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz
(1919-79), ZRG GA 106 (1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter,
hg. v. Sellert, W., 1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik,
1994; Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M.,
Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im
Frankreichs Ludwigs XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder
Wachstum?, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und
Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998;
Weber, R., Das Gesetz bei Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001;
Igwecks, T., Die drei Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002;
Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen Republik, 2003; Holzborn, T.,
Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Caroni, P., Gesetz und
Gesetzbuch, 2003; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004; Schröder, J.,
Gesetz und Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz und Vertrag, hg. v.
Behrends, O. u. a., 2004ff.; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M.,
Die Methode der preußischen Richter, 2005; Vec, M., Recht und Normierung in der
industriellen Revolution, 2006; Der biblische Gesetzesbegriff, hg. v.Behrends,
O., 2006
Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem Gesetze (und
Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (z. B. Frankreich 4. 12. 1793
Bulletin des lois de la république, Bayern 1799 Kurbayrisches Regierungs- und
Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches Regierungsblatt, Württemberg 1807
Königlich württembergisches Staats- und Regierungsblatt, Westphalen 1807,
Großherzogtum Hessen 1808 Großherzoglich Hessische Zeitung, Preußen 1810
Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwerin 1812, Oldenburg 1814, Hannover 1818,
Sachsen 1818, Österreich 1849 Reichsgesetzblatt, Schleswig-Holstein 1849).
Lit.: Silvestri, G., Die deutschsprachigen Gesetzblätter
Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne
Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift H. Conrad 1979,
601; Holzborn, T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003
Gesetzbuch ist das umfassende Gesetz. Es findet sich bereits im
Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus). Danach erscheint es wieder in
der frühen Neuzeit (ALR, Code civil, ABGB usw.).
Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzgebung, 2003
Gesetzesauslegung -> Auslegung, -> Interpretation, -> Gesetz
Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und
Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation,
Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen
Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987
Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im Recht, die im letzten
Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den Volkswillen verkörpernde
-> Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das ordnungsmäßige
Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und Gerechtigkeit
gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189
Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die Zusammenstellung von einzelnen
Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit. Sie erfolgt im Altertum
zunächst privat (-> Codex Gregorianus 294, -> Codex Hermogenianus) und
danach im besonderen Gesetzbuch (-> Codex Theodosianus, -> Codex). Auch
in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche, teils private Gesetzessammlungen
als notwendig oder sinnvoll.
Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748, 1752,
1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische Gesetzsammlung
(Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931
Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/1271) gesicherte bzw.
abgeändert auch für Norwegen (um 1100) und Schweden wahrscheinliche, auf Zeit
oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der Volksversammlung (->
Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des Gesetzessprechers ist
unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh. wieder.
Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des Gesetzessprecheramtes
in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R., Gesetzsprecheramt und
Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Lehmann, K., Zur Frage nach
dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6 (1885), 193; Haff, K., Der
germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität, ZRG GA 66 (1948), 364;
Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; See, K. v., Altnordische
Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195
Gesetzesumgehung -> Umgehungsgeschäft
Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung,
1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004
Gesetzgeber ist der Urheber eines -> Gesetzes. In monarchisch
geprägten Zeiten ist dies der -> Monarch (z. B. Augustus, Diokletian,
Justinian), in demokratisch strukturierten Gesellschaften das -> Parlament
als die Vertretung des Volkes.
Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen
Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München
1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und
Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm
Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den
lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter,
Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der
sogenannte réferé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber,
Gesetz und Richtermat, 2000
Gesetzgebung ist die Schaffung eines (formellen) -> Gesetzes. Sie ist
im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter ist sie möglich.
Im Hochmittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen. Dabei entsteht im Umkreis
der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der von der Scholastik
aufgenommenen Politik des Aristoteles die erste Gesetzgebungslehre, welche die
Gesetzgebung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten stellt, aber
nördlich der Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird. Die größte Bedeutung
erlangt die G. seit dem Absolutismus und der Aufteilung der Gewalten sowie der
Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888 entwickelt sich in Deutschland eine
eigenständige Methodenbewegung legislative Rechtswissenschaft (Rudolf Stammler),
seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre.
Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum
Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung des Reichs und der weltlichen
Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss. phil. Marburg, 1931; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg
1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der Gesetzgebung, 1960; Mühl, M.,
Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung, 1963;
Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im Mittelalter, Ius commune 1 (1967);
Vanderlinden, J., Le concept de code en Europe occidentale, 1967; Birtsch, G.,
Gesetzgebung und Repräsentation im späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265;
Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die
sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre
Bundesgesetzgebung, in: Bulletin der Bundesregierung 11. September 1979, Nr.
103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der
neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G.,
Zur Funktion der Gesetzgebung im 18. Jahrhundert, in: Das achtzehnte
Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung im
bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M., Condere leges et interpretari.
Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17. Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89;
Gesetzgebung als Faktor der Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz als Grundlage der Gesetzgebung im nationalsozialistischen
Staat, 1985; Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v.
Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a.,
1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa 1100-1500, 2. A. 1996; Simon, T., Krise
oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Ullrich, N.,
Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Gesetz und Gesetzgebung in der
frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Legislation und Justice, hg.
v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der
Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria,
hg. v. Maier, H. u. a., 2003; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003;
Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004;
Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland, 2005; Emmenegger, S.,
Gesetzgebungskunst, 2006
Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch allgemeine Regeln festgelegte
zuständige Richter. Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer
persönlicher Einflussnahme vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins
Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1. c. 7) zurückreichenden Ansätzen wird sie (unabhängig
vom modernen Rechtsstaatsbegriff) im Deutschen Bund in den Verfassungen des
19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter, Hessen 1820 g. R.).
Lit.: Köbler, DRG 200; Kern, E., Der gesetzliche Richter,
1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner Grundgesetz, Diss. jur.
Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Müßig, U., Der
gesetzliche Richter ohne Rechtsstaat?, 2007
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der staatlichen
Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird erstmals 1810
von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der menschlichen
Handlungsfreiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten
Staatslehre).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
199
Gesinde ist die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und
der Personalgewalt des Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der
Bevölkerung). Zu unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für
das unfreie G. gelten zunächst die allgemeinen Regeln der ->
Grundherrschaft. Für das freie G. entwickeln sich in den Städten im
Spätmittelalter besondere Gesindevorschriften (z. B. Freiberg um 1300). Im 18.
Jh. werden zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden dann auch in
Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Hertz, G., Die
Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Kähler, W.,
Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Lennhoff, E., Das ländliche
Gesindewesen in der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte
des Gesindes in West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S.,
Beiträge zum Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum,
T., Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Das
Gesinde war immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt,
1995; Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995
Gesta (N.Pl.)
municipalia (lat.) sind im ausgehenden
Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten.
Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss. Marburg
1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977
Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung einer
Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B.
einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny
(anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück.
Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903).
Lit.: Steiner, R., Das Gestaltungsrecht, 1984
Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das Eingestehen der Wahrheit
einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten.
Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich macht, schon in die Anfänge
des Verfahrensrechts. Dort wird es später als Königin der Beweismittel
angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13. Jh. bis zum 18. Jh. die
-> Folter.
Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem
im germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des
Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.
Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus meist fähigen und
harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor brutalsten Maßnahmen
nicht zurückschreckenden Polizisten zusammengesetzte politische Polizei (z. B.
im nationalsozialistischen Deutschen Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo V-Leute,
1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A. 1994;
Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u. a.,
1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei in
Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in
Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller,
2004
gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung
Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die der Ideologie
entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines formaljuristisch
gefundenen, dem -> Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden
richterlichen Ergebnisses verwendet wird.
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine
Erbschaft Savignys, ZHF 10 (1983), 199
Gesundheit
Lit.: Möller, C., Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer
Medicinalpolicey, 2006 (von 1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“)
Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter anerkannte,) an
mindestens zwei in unterschiedlicher Stärke berechtigte Personen aufgeteilte
„Eigentum“ (z. B. Obereigentum, Untereigentum). Es wird von Naturrecht,
Liberalismus, Kant und vor allem von -> Thibaut (1801) abgelehnt und zwar
noch nicht vom Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und dem Allgemeinen
Gesetzbuch Österreichs (1811/1812), aber doch bereits vom Bürgerlichen
Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
ausgeschlossen. Es soll in veränderter Form im Vorbehaltseigentum, im
Sicherungseigentum oder in der Wohnraummiete fortleben (str.).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krauss, F., Das geteilte
Eigentum im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004
Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung
Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen Bedeutung der Formel „ane geverde“ im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333
Gewährleistung ist das Einstehen für die Mangelfreiheit einer Sache oder
eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (-> Wandelung,
-> Minderung). Mit der Aufnahme des römischen Rechts wird sie den
einheimischen Grundsatz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend übernommen.
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214; Lautner, J.,
Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Wenzel, A., Das Gewährleistungsredht
in der Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006
Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer Sache für den Fall,
dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt. Im römischen Recht
erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das Recht, in einem solchen
Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu prozessualer
Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den Dritten zu verteidigen.
Verweigert der Veräußerer die Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so
dass der Dritte die Sache erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den
doppelten Kaufpreis. Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis
durch eine vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht.
Im deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittelalter (str.) eine
Gewährschaftsbürgschaft und daraus eine allgemeine G.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die Haftung
des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F., Gewährschaftszug und
laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Gewährschaft nach
fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und
Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G.,
Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87
Gewalt ist der Einsatz von Kraft zur Erreichung eines Zieles sowie
die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt das Gewaltmonopol an. Deswegen
versucht er die G. des Einzelnen möglichst auszuschließen. -> väterliche
Gewalt
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981;
Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der
Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt,
1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, in:
Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v.
Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence
in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early
modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt,
2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004;
Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg.
v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a.,
2005; Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a., 2005; ;
Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006
Gewaltenteilung ist die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere
sich gegenseitig kontrollierende und beschränkende, von unterschiedlichen
Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der Notwendigkeit der G.
entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B. Herodot, Plato,
Aristoteles, Cicero) und Wirklichkeitsansätzen (römische Republik) in der
frühen Neuzeit als Folge der gegen den -> Absolutismus eines Monarchen
gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon vor 1690 entwickelt John -> Locke
(1632-1704) in England zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen die Trennung
von ausführender Gewalt (executive power) und gesetzgebender Gewalt
(legislative power) (1690 Two Treatises of Government, Zwei Abhandlungen über
die Regierung). 1748 gestaltet dies Charles de Secondat Baron de la Brède et de
-> Montesquieu (1689-1755) in die Dreiteilung Exekutive, Legislative und
Judikative um (De l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). In Frankreich
greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme et du citoyen
(Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte) und 1791, 1795 und 1848 die
Verfassungen auf. In Deutschland nehmen die meisten Verfassungen der deutschen
Einzelstaaten in ihren Text (nur) die Bestimmung auf, dass alle Gesetze der
Zustimmung des Landtages bedürftig seien, welche die Freiheit oder das Eigentum
der Staatsangehörigen betreffen. Später wird das Gewaltenteilungsschema
leitendes Ordnungsprinzip.
Lit.:
Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 923;
Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu Montesquieu, 1927;
Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des
Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der
Gewaltentrennung, 1959; Gewaltentrennung im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D.,
1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions of 1848-1849, hg.
v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000; Máthé, G., Die
Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky, M., Die Diskussion über
Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005; Maier, C.,
Gewaltenteilung bei Aristoteles, 2006
Gewaltverhältnis
Lit.:
Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982
Gewann ist die vielleicht in der Grundherrschaft ausgebildete
Unterteilung der Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen
gleichförmiger und einheitlich zu bewirtschaftender Streifen. Die Gewanne
werden wegen ihrer gegenwärtigen Unwirtschaftlichkeit durch die Flurbereinigung
beseitigt.
Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42
Gewedde
Lit.: Ebel, F., Der Traktat „Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276
Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und Gewinnerzielung (str.)
gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich neben der Plantagenwirtschaft
von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven betriebene Manufakturen für
Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch keinen Maschineneinsatz kennen. In
den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die gewerbliche Produktion. Sie
beginnt neu in der frühmittelalterlichen Grundherrschaft (z. B. Schmied,
Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen Stadt zu
größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der -> Zunft organisiert und
reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf und
schafft die -> Gewerbefreiheit, aber auch die staatliche Gewerbeaufsicht.
Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250; Eberstadt,
R., Das französische Gewerberecht, 1899.; Schulte, E., Das Gewerberecht der
deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht Böhmens im 14. Jahrhundert,
1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Fecht, O.,
Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C., Gewerberechtliches in deutschen
Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926;
Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden,
1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im Süderländer und Siegener
Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht der
Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd.
1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch,
T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen, 1987; Reininghaus, W., Gewerbe in
der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J., Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl,
M., Fabrikinspektoren in Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, in:
Arbeit und Recht, 1995, 313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen
Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Vorindustrielles
Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am
Gewerbebetrieb, 2007
Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen Betätigung (Frankreich
1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814, Dänemark 1849/1857, Österreich
1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich durch die -> Gewerbeordnung
von 1869 näher ausgestaltet.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983
Gewerbegericht
Lit.: Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in
Deutschland, 2005
Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des Rechts der -> Gewerbe,
insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869 geschaffene Gesetz.
Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu leistende Steuer.
Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse und
Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des
Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993
Gewerblicher Rechtsschutz ist der gewerbliche Rechte betreffende Schutz durch die
Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente (Venedig 1474, England 1623/4,
Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster (Deutschland 1871), der Geschmacksmuster
(Frankreich 1711, Deutschland 1876), der Zeichen (Deutschland 30. 11. 1874,
12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5.
1894, 7. 6. 1909).
Lit.: Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der
gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und
seine gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz,
hg. v. Schubert, W., 1999
Gewere ist im mittelalterlichen deutschen Recht (der sachenrechtliche
Vorgang [Einkleidung eines Menschen mit einer Sache oder einem Amt, lat.
investitura] und) das (aus diesem Vorgang erwachsende) Verhältnis eines
Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft dessen der Träger vor allem
rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand abwehren und den Gegenstand nach
Wegnahme herausverlangen darf. Die G. gilt der herrschenden Meinung als
urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts. Wahrscheinlich wird sie
aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung gegenüber sich wandelnden
Sachenrechtsverhältnissen entwickelt. Sie wird formelhaft als Kleid (d. h.
äußere Erscheinungsform) des (als gedanklichen Gebildes unsichtbaren)
Sachenrechtes (z. B. Eigentum an einem Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich
augenscheinlich beispielsweise im Innehaben und Benutzen des Gegenstandes. Der
Aufteilung des Sachenrechtes auf mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer,
Untereigentümer) entspricht die Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und
eine leibliche (körperliche) G. Der G. werden eine Offensivfunktion, eine
Defensivfunktion und eine Translativfunktion zugeschrieben. Mit der Aufnahme
des römischen Rechts seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu
(lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen
mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird.
Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162;
Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872;
Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Kiesel, K.,
Die Bedeutung der Gewere des Mannes am Frauengute für das Ehegüterrecht des
Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und
fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters,
1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein
Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of
Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske,
W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus
incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im
Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59
Gewerkschaft ist der Zusammenschluss von Menschen zu einem gewerblichen
Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der freiwillige Zusammenschluss von
Arbeitnehmern zur Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen
Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. aus älteren
Arbeitsgenossenschaften gebildete Gesellschaftsform ohne festes Grundkapital.
Die vor dem Allgemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten vom 24. 6. 1865
gebildete ältere bergrechtliche G. ist -> Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen
[Kuxen] am Gesellschaftsvermögen), die G. neueren Rechts ist juristische Person
mit zwischen 100 und 10000 Kuxen. Im Arbeitsrecht bildet sich aus älteren
Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in England, wo sie durch
Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824 verboten wird. In
Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden Anfängen in der Mitte des
19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung gesetzlicher Vereinigungsverbote
(Sachsen 1861, Preußen 1867, Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I
Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig nichtrechtsfähiger -> Verein. 1868
entsteht ein allgemeiner deutscher Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien
Gewerkschaften), 1869 ein Verband der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen
die freien Gewerkschaften die Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands
(1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund). 1894 entwickeln sich
christliche Gewerkschaften. Nach Auflösung der freien Gewerkschaften und
Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche Arbeitsfront im Dritten
Reich (1933-1945) wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche
Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerkschaften gegründet, dem die Deutsche
Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit
dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten
steigernden und damit Arbeitslosigkeit verursachenden) Gewerkschaften
Mitglieder und Einfluss.
Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24; Gierke, O.
v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954, 971; Deutsch,
J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd. 1f. 1908ff.;
Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Jühe,
R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland,
2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Schulte
Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider, M., Kleine
Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft nach Plan
und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005
Gewette ist in Ostfalen im Hochmittelalter die vom Täter an den
Richter zu erbringende Leistung, die neben der Leistung an den verletzten
Kläger steht. -> fredus, Bann
Lit.: Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898,
196
Gewicht -> Maß
Lit.: Mulsow, H., Maß
und Gewicht der Stadt Basel, 1910
Gewissensfreiheit ist die Freiheit der Gewissensbildung wie der Gewissensbetätigung.
Sie wird in Frankreich um 1600 erkannt. Sie wird fester Bestandteil der ->
Grundrechte.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gewohnheit
Lit.: Buchda, G., „Gewohnheiten“ in der Pößnecker
Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64
Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in der Überzeugung, damit
recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht. Vermutlich erwachsen
die ersten Rechtssätze allgemein aus Gewohnheiten und entsteht erst zusätzlich
hierzu die bewusste Setzung von Recht durch -> Gesetz. In Rom wird in der
Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser Konstantin
(319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als Quelle
neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen mit
einzelnen Gesetzen in -> Volksrechten und Rechtsbüchern (-> Landrechten)
aufgezeichnet. In der Neuzeit ist das G. als ausschließliches Erzeugnis des
Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig, wird aber ab etwa 1650 dem
Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner Entstehung die (vermutetete)
Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im 18. Jh. verlegt man zwar den
Entstehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder allein in das Volk zurück, indem
man den gesetzlichen Vorschriften ein allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers
entnimmt, doch wendet sich der absolute Staat mit seiner Gesetzgebung
(Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl. § 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der
liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt trotz der abweichenden Einschätzung
durch die (eigentlich auf das wissenschaftliche Recht zielende) ->
historische Rechtsschule das Gesetz. Dennoch gibt es noch in der Gegenwart
gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254; Puchta,
G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom
Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA
59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechtsgewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo
im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur
Frührezeption der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst,
C., Zur Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis
vom Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1;
Gilissen, J., La coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999;
Geyer, P., Das Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den
privatrechlichen Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R.,
Consuetudo, 2005; Maisel, S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006
Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz, 1997
Gierke, Otto von (Stettin 11. 1. 1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn
des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und
Heidelberg und nach der Promotion (1860, Homeyer) und Habilitation in Berlin
(1867, Beseler) Professor in Breslau (1871), Heidelberg (1884) und Berlin
(1887). In seiner mehrbändigen Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht
(Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt er den Versuch der Ermittlung der großen
Entwicklungslinien der Geschichte der menschlichen Verbände, in seinem deutschen
Privatrecht (Bd. 1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der
deutschen Privatrechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht.
Rechtspolitisch beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuches (1900) und des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung
(Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, 1888/1889,
-> Gesamthand).
Lit.: Köbler, DRG 207; Festschrift Otto Gierke, 1911; Stutz,
U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke, ZRG GA 43 (1922), VII (mit
Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke, 1932; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543; Jobs, F., Otto von
Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1968;
Janssen, A., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen Rechtswissenschaft,
1974; Mundt, H., Sozialpolitische Wertungen als methodischer Ansatz in Gierkes
privatrechtlichen Schriften, 1976; Otto Gierke, Associations and Law, hg. v.
Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur
Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches
Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997; Pfennig, C., Die Kritik
Otto von Gierkes, 1997; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von
Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts
Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353
Gießen an der Lahn ist seit 1607 Sitz einer (lutherischen) juristischen
Fakultät.
Lit.: Hall, Die juristische Fakultät der Universität Gießen
im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler, G., Gießener
juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982; Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener
Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W. Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M.,
Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Chroust, P., Gießener Universität und
Faschismus, 1994
Gilde ist die Vereinigung mehrerer Menschen im mittelalterlichen
nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England als Empfänger von
-> Wergeld erwähnt. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im
Hochmittelalter bilden die Gewerbetreibenden Gilden. -> Zunft
Lit.: Köbler, DRG
121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck
1964; Pappenheim, M., Die altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die
niederdeutsche Kaufgilde, ZRG GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die
niederdeutschen Verkehrseinrichtungen neben der alten Kaufgilde, ZRG GA 15 (1894),
1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im Breisgau, FG Anton
Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51
(1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt
Goslar, 1957; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg. v.
Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz, C.,
Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998
Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren 1533/4-Prag 1604) wird nach dem
Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und Orléans teils gefeierter, teils
umstrittener Professor in Straßburg (1570), Altdorf (1583) und Ingolstadt
(1590) und 1599 Reichshofrat.
Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät, 1973, 134
Gladbach
Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609,
Diss. jur. Bonn 1959
Gladiator
Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004
Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon 1190), aus
normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von Yorkshire (bis
1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum ersten
Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von
England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften
überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae
(Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und
Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein
vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den
Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines
königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die
römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das
älteste book of authority des -> common
law. Es wird von Henry de -> Bracton benutzt.
Lit.:
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 188; Peter, H.,
Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the Laws, hg. v. Hall, G., 1965;
Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 2. A. 1988
Glarus ist das seit 1352 zur Eidgenossenschaft der Schweiz
gehörige, 1803 als Kanton anerkannte Gebiet an der Linth, das sich am 22. 5.
1887 eine Verfassung gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F., Beiträge
zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und Stabgelübd im
Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das glarnerische
bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus, hg. v. Stucki,
F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der Verfassung des
Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)
Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg 19. 3. 1831-Wien 26. 12.
1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor in Wien und erarbeitet
als liberaler Justizminister (1871-1879) die österreichische
Strafprozessordnung des Jahres 1873.
Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H.,
Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184
Glasgow in Schottland erhält um 548 eine erste Kirche. 1136 wird es
Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird 1689 in Stadtrecht
umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten.
Lit.: Durkan,
J./Kirk, J., The University of Glasgow, 1977
Glatz
Lit.: Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA
45 (1925), 250
Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen religiösen Glauben zu
bilden und dafür zu werben. -> Religionsfreiheit
Gläubiger (lat. [M.] -> creditor) ist der aus einem
Schuldverhältnis zu einer Leistung Berechtigte. Er ist bereits dem römischen
Recht allgemein bekannt. Wird er benachteiligt, so gewährt der Prätor während
des Vollstreckungsverfahrens die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes
(lat. -> in integrum restitutio [F.]) und nach dem Vollstreckungsverfahren
ein wiederherstellendes Edikt, woraus sich bei Justinian die (lat.) -> actio
(F.) Pauliana (Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, die in Deutschland seit
dem Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des
mittelalterlichen Stadtrechts verbunden wird.
Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung und
Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren deutschen
Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigeranfechtung
Lit.: Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des
Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht bekannte, durch
Verschiebung von Vermögensteilen des Schuldners erfolgende Benachteiligung von
Gläubigern. Ihr sollen besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz)
entgegenwirken.
Lit.: Kaser § 9 III
Gläubigerverzug ist die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung
der Erfüllung durch Fehlen eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen
Verhaltens (z. B. Annahme) des Gläubigers.
Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der
Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
glebae adscriptus (lat. [M.]) Schollengebundener (Kolone bzw. Bauer)
Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich der Rechte (für Frauen und
Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der älteren patriarchalischen
Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der Mitte des 19. Jh.s (1848)
verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit als angesichts der
Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu vernünftiger Erkenntnis
notwendige Schutzmaßnahme erklärt worden war. Danach werden 1869 in Preußen
wichtige Einschränkungen der Handlungsfähigkeit der Frau aufgehoben und wird
1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt. Nach 1900 wird die Frau zum
Universitätsstudium zugelassen, 1919 erhält sie das aktive und passive
Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt erwerben. Am 29. 7.
1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht gegen den Vorrang des
Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberechtigungsgesetz).
Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; Hippel, T. v., Über
die bürgerliche Verfassung der Weiber, 1792; Wollstonecraft, M., Vindication of
the rights of Women, 1793; Boehmer, G., Die Teilreform des Familienrechts durch
das Gleichberechtigungsgesetz, 1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und
Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90; Dann, O., Gleichheit und
Gleichberechtigung, 1980; Leicht-Scholten, C., Die Gleichberechtigung im
Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der familienrechtlichen
Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C., Bonner Grundgesetz und
Familienrecht, 2005
Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich
sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen theoretisch schon die antiken
Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum. Dennoch sind antike und
mittelalterliche Gesellschaft durch die Ungleichheit oder die nur
stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung des 18. Jh.s
wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen Forderung
(-> Montesquieu, -> Voltaire, -> Rousseau). Seit 1776 nehmen die
Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818, Preußen 1850,
Weimarer Reichsverfassung 1919).
Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der amerikanischen
Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor dem Gesetz
gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von der
ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G.,
Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit
und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht
auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des
Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten,
2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003
Gleve (F.) Einheit im Ritterheer
Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940
Glocke
Lit.: Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939
Glogau
Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuches,
ZRG GA 64 (1944), 319
Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688 durch Eingreifen des
Parlamentes unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch gewordenen König Jakob II.
aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem protestantischen Ehemann
Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine wirkliche Revolution ist,
sondern die aristokratische Ordnung vordergründig eher festigt, legt die in der
-> Bill of Rights (1689) errungene Sicherung der Rechte des -> Parlaments
die Grundlage für die weitere verfassungsmäßige Entwicklung zum
Parlamentarismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
glossa -> Glosse
Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die Zusammenfassung aller
einzelnen -> Glossen zum römischen bzw. kirchlichen Recht zu einer
kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch Accursius (1182/1185-1260/1263,
96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus, 17969 zum Digestum infortiatum,
22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex [1-9], 4737 zu den Institutionen,
7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch
etwa 1200 Handschriften belegt) bzw. Johannes Teutonicus (1216). Die bereits
1258 in Florenz wenig später in Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und
Portugal sowie gegen Ende des 13. Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt
1285, Brügge 1291) verwendete g. o. des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als
von früheren Verfassern (z. B. Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315)
stammend gekennzeichnete Glossen.
Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Glossator -> Glosse
Glosse ist das ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige
Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit aller Erklärungen
erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel). Im Recht beginnt
die Glossierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann
der Erleichterung des Verständnisses und schließlich der synthetizierenden
Entwicklung einer widerspruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl
mit Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem die vier Doktoren
Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden die Glossen durch
Namenssiglen gekennzeichnet. Nach 1215 wird die Tätigkeit der Glossatoren durch
Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung (Kommentare der
Kommentatoren) ersetzt. -> Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler, LAW;
Savigny, C., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3ff. 2. A.
1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann, W.,
Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I glossatori e
la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960;
Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG
RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Villata di Renzo, G., La
tutela, 1975; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis
Iustiniani, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte,
G., Logische Einteilungstechniken bei den Glossatoren, in: Dialektik und
Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen,
hg. v. Bergmann, R. u. a., 2001; Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus
de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006
Glück, Christian Friedrich von; geb. Halle 01. 07. 1755;
gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft Universität Halle, 1776
Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle, 1784 Professor
Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 Nobilitierung ist der
Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten in 34
Bänden (1790ff.).
Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg
1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus pandectarum, ZRG
RA 123 (2006), 330
GmbH -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gnade -> Begnadigung
Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910;
Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche Unzulässigkeit
der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95 (1978), 239; Mickisch,
C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004
Gnadenjahr
Lit.:
Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr, ZRG GA 27
(1906), 1
Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich von (Berlin 13. 8. 1816-22.
7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin
(Savigny) 1845 außerordentlicher Professor und 1858 ordentlicher Professor
(1857/1860 Das heutige englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Er wirkt
als Politiker zunächst gegen Bismarck und später Bismarck unterstützend gegen
Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das Zustandekommen der
Reichsjustizgesetze (1877/1879) und die Einführung des richterlichen
Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der gerichtlichen Überprüfung
der Verwaltungstätigkeit.
Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber, D., Die
Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale Monarchie oder
soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von Gneist, 1995;
Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2003
Go ist der hochmittelalterliche Dorfschaftsverband
(Landgemeinde) in Sachsen. Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der Gobewohner
statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die Herkunft. Im
16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes.
Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der
Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische
Gogerichtsbarkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und
Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127
Gobler, Justin (St. Goar um 1503-Frankfurt am Main 21. 5. 1567)
wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Bourges [Alciat]) Rat, Richter und
Publizist. Er übersetzt und kommentiert als erster (vor 1543) die ->
Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 ins Lateinische. Durch sein
umfangreiches, vielfach angefeindetes Gesamtwerk fördert er sowohl die
Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen
Rechtes im europäischen Umfeld.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H.,
Goblers Karolinenkommentar, 1904
Goch
Lit.: Liesegang, E., Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem
Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912), 224
Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) (um 1000)
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 107;
Karlsson, G., Godar og baendur, 1972
Godefroy (Gothofredus), Denis
(Dionysius) (Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7.
9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Paris
(Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans (1579) als hugenottischer
Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg (1591), Heidelberg (1600),
Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-1621). Er veröffentlicht 1583 eine
humanistisch gebesserte kritische Ausgabe der justinianischen Gesetzbücher
(lat. [N.] -> corpus iuris civilis), die bis 1776 die allgemein anerkannte
Edition bleibt.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143;
Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus) (Genf 1587-1652), Sohn des
Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]), wird nach dem Rechtsstudium
in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris 1619 Professor des Rechts in
Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er veröffentlicht 1665 eine
kommentierte, kritische Ausgabe des -> Codex Theodosianus in sechs Bänden,
die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben kleineren Quelleneditionen
verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der (römischen) Rechtsgeschichte
(lat. Manuale [N.] iuris, 1632).
Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin, B. u.
a., 1991
Goding
Lit.: Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachen, ZRG
GA 111 (1994), 536
Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am Main 28. 8. 1749-Weimar 22.
3. 1832), Sohn des Juristen und kaiserlichen Rates Johann Kaspar Goethe und
einer Stadtschultheißentochter, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig
(1765-1768) und Straßburg (1770, Lizentiat, nicht zum Doktor promoviert)
Advokat in Frankfurt am Main und Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar
und 1775 bzw. 1776 Rat des Herzogs von Sachsen-Weimar, für den er vor allem in
den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungsangelegenheiten
vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet. In sein berühmtes dichterisches
Werk fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein.
Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885; Fischler, M.,
Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940); Schubart-Fikentscher,
G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949; Goethes amtliche
Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff. 1950ff.; Schubart-Fikentscher,
G., Goethes amtliche Schriften, 1977; Goethe-Zitate für Juristen, hg. v.
Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes Juristenlaufbahn,
1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N., Goethe, Bd. 1ff.
1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897; Goethes Amtliche
Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit 1776-1819, hg. v.
Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum Nachdruckschutz außerhalb des
Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301
Gogericht (Goding) ist das Gericht des Gografen über die Gogemeinde
in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist im Sachsenspiegel (1221-1224)
hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte eingeschränkt, umfasst aber nach
den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche. Alter und Herkunft des
Gogerichts sind streitig.
Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels,
ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte, Diss. phil.
Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft, 1949;
Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd.
1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit, Diss. phil.
Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127;
Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109
(1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG
GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte, Diss. jur. Münster 1997;
Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von
1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004
Gografschaft
Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949
Gold
Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino, 1928;
Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004
Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Espen [in] Bischofszell/Thurgau 6. 1. 1578-Gießen
11. 8. 1635) wird nach dem Schulbesuch in Memmingen und dem Studium der Philosophie
und Rechtswissenschaft in Altdorf (Magister artium) sowie einem nach eigenen
Angaben 1604 von der Stadt Genf verliehenen, aber nicht angenommenen
Doktortitel Erzieher und Herausgeber einheimischer Quellen (z. B. Imperatorum ...
statuta, 1607) und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627).
Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1930;
Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger, Melchior
Goldast, 1975; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006
Goldene Bulle ist das vor allem die Rechte der -> Kurfürsten regelnde,
seit 1400 nach dem seinen sieben erhaltenen Ausfertigungen (5 für Kurfürsten,
je eine für Frankfurt am Main und Nürnberg) anhängenden, nach byzantinischem
Vorbild im 9. Jh. im Westen eingeführten goldenen Siegel benannte, lateinisch
gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler Johann von Neumarkt formulierte
Reichsgesetz Kaiser Karls IV. vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23) bzw. 25. 12. 1356
(Kapitel 24-31, Name erstmals 1400 bezeugt). Obwohl die G. B. sich als Privileg
darstellt, fasst sie eigentlich nur bereits weitgehend anerkannte Sätze
zusammen. Dabei festigt sie das Wahlrecht der sieben Kurfürsten, erkennt die
unbeschränkte Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das
Münzrecht und die Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das
kurfürstliche Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im unteilbaren
Fürstentum).
Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Ludewig, J. v., Vollständige
Erläuterung der Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H. 2005;
Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884),
96; Altmann, W., Die alte Frankfurter deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897),
107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1908, Neud; ruck 1972;
Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer,
K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff, A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle
von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275; Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen
Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von
1356, DA 22 (1966), 227; Die güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt,
U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non
evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift,
hg. v. Wolf, A., 1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile
der Ausfertigung für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten,
Herren und Städte zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar
und 25. Dezember 1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11,
537-641); Die Goldene Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A.,
2002; Laufs, A., Das Reichsgrundgesetz von 1356, NJW 2006, 3189; Die
Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356-1806, hg. v.
Brockhoff, E. u. a., 2006
Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name für die schon dem Alten
Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri tibi, vide ne alteri tu
aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´
auch keinem andern zu.
Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS A.
Söllner, 2000
Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829-Berlin 16. 7. 1897),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Bonn, Heidelberg und
Berlin (Dissertation De societate en commandite) 1855 in Heidelberg
habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor, 1866 ordentlicher Professor
sowie 1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In
seinen handelsrechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (Handbuch
des Handelsrechts, 1864ff., Universalgeschichte des Handelsrechts, [Bd. 1 3.
A.] 1891, Neudruck 1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von
römischrechtlichen und nichtrömischrechtlichen Sätzen, um Einbeziehung
wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und um Berücksichtigung der
praktischen Rechtsanwendung mit dem Ziel einer möglichst vielseitigen
Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer Kommission zur Vorbereitung des
Bürgerlichen Gesetzbuches.
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996
Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg 18. 12. 1764-München 18.
4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in Ingolstadt bzw. 1800 in
Landshut Professor und wechselt 1811 in den Justizdienst Bayerns. Vom
Reichsstaatsrecht (Teutsches Staatsrecht, 1804) kommend wendet er sich der
politischen Entwicklung folgend der einzelstaatlichen Gesetzgebung zu
(Hypothekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine öffentlichrechtliche
Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der Staatsdienst, 1808)
und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch des deutschen gemeinen
Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).
Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners Staatslehre,
1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur. Würzburg 1955
(masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz von 1822, in:
Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1976
Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals erwähnt und hat um 1500
rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein in einer in der ersten
Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift (101 Blätter) erhaltenes
Stadtrechtsbuch für G., das eine wortgetreue ungereimte Übersetzung des (lat.)
-> Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel(mittel)deutsche (Artikel 1-30
von insgesamt 47) mit Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem
Weichbildrecht, vermutlich auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der
Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung (1304) verbindet und dabei in seinem zweiten
Teil vielleicht auf dem (verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel
Landrecht) beruht.
Lit.: Köbler, DRG 103; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch,
Diss. jur. Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966;
Lemper, E., Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch,
L., Städtische Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005
Görres, Josef (1776-1848)
Lit.: Raab, H., Josef Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H. 1985
Goslar am Harz ist Ort einer bedeutenden Königspfalz, neben der
eine Stadt entsteht, welcherder Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen
Freiheitsbrief gibt. Zu Beginn des 14. Jh.s erringt sie die
Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich zwischen 1348 und 1360 ihr Recht
in den Goslarischen Statuten auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die
Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische
Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren
Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922;
Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das
Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die
Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier,
P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer
Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933; Cordes,
G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die Goslarer
Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im Mittelalter, 1949;
Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar, 1951; Engemann, H.,
Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über ein Goslarer
Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das Gewerberecht
der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das Stadtrecht von
Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003; Kelichhaus, S.,
Goslar um 1600, 2003
Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit von
der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) 375 n. Chr. in das Römische Reich
eindringenden germanischen Volkes, das sich in -> Ostgoten (Italien) und
-> Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt. Zwischen 25 und 50% der als Goten
bezeichneten Menschen dürften nach ihrer volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein.
Ihr Ursprung in Skandinavien wird bezweifelt.
Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A
History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique,
1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001;
Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches
Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und
Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K.
Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitita
Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the
Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005;
Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo,
2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005
Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und 1621 mit Stadtrecht
begabt. 1891 erhält es eine Universität.
Gothofredus -> Godefroy
Gotland
Lit.: Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999
Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer des
Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und
Verbot den Menschen gegeben hat (-> Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er den
Menschen zur Rechenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang,
B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht,
2002
Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das im späten Frühmittelalter ([Le
Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy 994, Poitiers
1000) von der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer
Kapitularien und Bußbücher ausgehende Friedensgebot, dessen Verletzung
kirchliche Folgen nach sich zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus gegen
Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg 1085).
Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und weltlicher Herren
Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub usw. vor.
Besonders geschützt werden Mönche, Kaufleute, Bauern, Frauen, Kirchen oder
Vieh. Besondere Zeiten des Friedens sind die hohen Feste und die Tage von
Donnerstag bis Sonntag. Seit dem ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem ->
Landfrieden.
Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur Geschichte
der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede in der
Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien rzu Rechtsgeschichte
der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals Gottesfrieden
und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter, E., Studien
zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Conrad, H.,
Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter, V., Über den
Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die Bedeutung der
Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H., Gottesfriede
und Treuga Dei, 1964; Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977;
Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG GA 105 (1988), 122; Wadle, E.,
Gottesfrieden und Landfrieden, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.
a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la paix de Dieu, 1999; Gergen, T.,
Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu, 2004
Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die im römischen Recht
(Todesstrafe) und seit dem Spätmittelalter (1495) strafbare, besonders
verletzende öffentliche Kundgabe der Missachtung des christlichen Gottes, die
seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813 bis 1827 in Bayern straflos)
und 1969 in Deutschland straflos wird.
Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den
Religionsregeln, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und
Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das
Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der
Gotteslästerung, 1987
Gottesstaat ist die Vorstellung von der Herrschaft des christlichen
Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von Augustinus (354-430) geprägt, der
in seinem Werk (lat.) De civitate Dei (413-426) einen Gegensatz von (lat.)
civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.) civitas (F.) terrena (irdischer
Staat) bildet.
Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965
Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in einer menschlichen
Streitfrage. Im mittelalterlichen, wohl insofern von der christlichen Kirche
beeinflussten Recht ist das G. die Entscheidung über die Schuld oder die
Unschuld eines Beschuldigten durch ein auf (den christlichen) -> Gott
zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen eines glühenden
Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen, [folgenloses] Eintauchen
des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten vor die Leichenbahre eines
Toten usw.). Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die
Stellung der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1219/1222 wendet sie
sich deutlicher gegen das G. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh., bis
es vielleicht durch die Aufnahme des römischen Rechts oder die zunehmende
Vernünftigkeit verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi, J. u. a.,
Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M., Über die
Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136; Schwerin, C.
Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De ordaliis,
collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil des
Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile,
Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H.,
Gottesurteile, 1949; Thoma, H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953),
325; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956; Hexeter, R., Equivocal Oaths and Ordeals,
1975; Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983)
257; Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes
Urteil ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn,
N., 1994, 89
Göttingen an der Leine (953 Gutingi) wird (1736/)1737 Sitz einer
aufgeklärten, im 18. Jh. in Deutschland führenden Universität (-> Pütter,
-> Hugo), von deren 172000 Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000
Rechtswissenschaft studieren. Am 18. 11. 1837 protestieren sieben Göttinger
Professoren (u. a. Jacob Grimm und Wilhelm Grimm) gegen die Aufhebung der 1833
gewährten Verfassung seitens des Königs von Hannover und verlieren dadurch ihr
Amt.
Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer
academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen,
Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich zum
Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum Gottingense
1737-1928, 1930; Smend, R., Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die
Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die
Verfassung der Göttinger Universität, 1955; Ebel, W., Zur Geschichte der
Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an der Universität Göttingen, 1961; Catalogus
professorum Gottingensium 1734-1962, hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und
ältesten Statuten der Georg-August-Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W.,
1961; Mohnhaupt, H., Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert,
1965; Wittram, G., Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen 1966; Tütken, H.,
Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die
Steuerverfassung Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia
Gottingensia, 1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A.,
Urfehde und ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v.
Loos, F., 1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987; Die Universität Göttingen
unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987; Dilcher, G., Der
Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit der
Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250 Jahre
Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine Fehde,
1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der
Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); See, K. v.,
Die Göttinger Sieben, 1997; Boockmann, H., Göttingen, 1997; See, K. v., Die
Göttinger Sieben – Kritik einer Legende, 3. A. 2000; Jeske, R., Bürgertum in
der Universitätsstadt Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr,
Wiedergutmachung, 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001;
Göttingen, hg. v. Böhme, E. u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003
Goudelin -> Gudelinus
Grab
Lit.: Paret, O., Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart,
1937
Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter der
ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel comes (Gefährte, Begleiter) findet
sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian (284-313/316) für hohe
Höflinge und danach für örtliche Amtsträger (u. a. auch [lat.] comes
civitatis). Der frühmittelalterliche fränkische comes soll den Frieden wahren,
Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die fränkische
(lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu stellenden
afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsuchenden Sachen wegnehmen oder
unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein örtlicher
königlicher Befehlshaber ist. In der Mitte des 8. Jh.s verschmilzt dieser
grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in karolingischer Zeit in
der Erhaltung des Königsgutes, der Aufbietung der Heerfolgepflichtigen, der
Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem Gut und der Leitung des
Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist der G. absetzbar, doch
wird seine Stellung in vornehmen Familien bald erblich. Die richterlichen
Aufgaben treten in den Vordergrund. Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche
Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher Mächte. Der Grafentitel wird zu
einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen wird mittelbarer landsässiger
Adel, die reichsständischen Grafen treten im Reichsfürstenrat zusammen
(schwäbische, wetterauische, fränkische und westfälisch-niedersächsische
Grafenkurie). Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation)
verliert auch der reichsunmittelbare G. seine selbständige Bedeutung. G. wird
zum (verliehenen) höheren Adelstitel.
Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom
Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im
Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien
und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die
Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964;., Studien zur sächsischen
Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v., Iudex hoc
est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und comes in
der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die sächsischen
Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen Marken in der
Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K., Franken um 800,
2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen
von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung,
Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens,
1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte, ZGO 136 (1988), 1;
Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989
Grafenbann ist der vom König im Frühmittelalter dem -> Grafen
verliehene -> Bann von 15 Schillingen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
grafio -> Graf
Grafschaft ist der Amtsbezirk des -> Grafen (lat. comes, -> lat.
comitatus). Im Gegensatz zu älteren Forschungen werden trotz etwa der
erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie Pippin des Jüngeren oder Ludwig
des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung einer Deckungsgleichheit von
Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen Bezirken von Grafen und die Vorstellung
eines lückenlosen Systems von Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt
(Amtsgrafschaften neben auf verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften).
Zu einer stärkeren Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der
Festigung der Landesherrschaft zu kommen.
Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949; Krüger,
S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Metz,
W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954), 167; Schulze,
H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten östlich des
Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984;
Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44
(1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA 46 (1990), 375;
Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994
Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum beruhende, 1548
nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus Gesetzen,
Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen zusammengesetzte, zwischen
1258 und 1271 aufgezeichnete und durch das Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex
[M.] regius) und das Stadarholsbuch (Stadarholsbok, [lat.] Codex [M.]
Arnamagaeanus) der zweiten Hälfte des 13. Jh.s überlieferte, altisländische
Recht ([930-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht,
Grundgüterrecht und Vertragsrecht). Die Geltung der G. auf Island wird nach der
Unterwerfung -> Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch
König Magnus Hakonarsons (->Jarnsida, -> Jonsbok) aufgehoben.
Lit.: Bechert, R., Eine dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA
48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr,
FS P. Foote, 1984, 155; Beck, H., Wortschatz der altisländischen Grágás, 1993
Granada an der Sierra Nevada geht auf eine keltische Gründung
zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen Königreichs (1030-1050,
1238-1492). 1526/1531 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladero Quesada, M., Granada,
1988
Grande ordonnance de
réformation du royaume ist das
französische Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in
den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt.
Grangie ist der hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof
vor allem der Zisterzienser.
Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer
Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa,
curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
Gratian (Carraria um 1100-Bologna? nach 1143 [um 1150?]),
(kamaldulensischer Mönch? und) Magister der Theologie in Bologna, verfasst
zwischen 1125 und 1140 die -> concordia discordantium canonum (->
Decretum Gratiani). Er begründet mit diesem vielleicht 3800 Kapitel
kirchenrechtlicher Quellen zusammenfassenden, die Widersprüche kommentierend
auflösenden Werk die kirchenrechtliche Wissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht des
Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R., Die
Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S., Research
on Gratian, in: Seventh International Congress of medieval Canon Law, 1984;
Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of Gratian’s Decretum,
2000
Graubünden ist der aus antihabsburgischen Bündnissen (1367
Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene, seit 1497ff. zur
-> Eidgenossenschaft in Beziehung tretende Kanton (1803/1815) der ->
Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F.,
Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f. 1907ff.;
Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton Graubünden, 1920;
Pieth, F., Die
Umbildung des Freistaates der drei Bünde in den Kanton Graubünden,
Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57
(1928); Liver, P., Vom Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos,
K., Das gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des
Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes,
1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz.
Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen
Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v.
Meyer-Marthaler, E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v.
Meyer-Marthaler, E., 1959; Staatsarchiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960,
hg. v. Jenny, R., 1965; Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni.
P., Einflüsse des deutschen Rechts Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta,
A., Bd. 1f. 1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte
Graubündens, 1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M.,
Entstehung und Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb,
C., Die Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003
gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im Gegensatz zu Vorteil,
Gewinn)
Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach dem Studium in Scaela
(Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird Professor zunächst für
Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk sind die 1701
veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge des
weltlichen Rechts).
Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo
Gravina, 1962
Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als Markt
neben einer Burg genannt. Seit 1379 ist es Residenz. 1584/1586 erhält es zum
Zweck der Gegenreformation eine Universität, an der auch juristischer
Unterricht stattfindet.
Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928; Popelka,
F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Ebert, K., Die Grazer
Juristenfakultät im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte
an der Universität Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht
und Naturrecht, 1978; 850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des
Rechts. Festschrift zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaftlichen Fakultät
der Universität Graz, hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei
1786-1850, 1992; Wesener, G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz,
2002
Gregorius ist der Verfasser des -> Codex Gregorianus.
Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/539-Tours 17. 11. 594), seit 573
Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem
libri [M.Pl.] historiarum) wichtige Gegebenheiten der merowingischen Frankenzeit.
Lit.: Gregorii
episcopi Turonensis historiarum libri X, 2. A. hg. v. Krusch, B., 1937ff.; Weidemann,
M., Kulturgeschichte der Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of
Barbarian History, 1988; Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; The World of
Gregory of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002
Greife ist der Angehörige eines vor 1124 christianisierten
Herzogsgeschlechts der Pomoranen (Pommern), das seit 1215 einen Greifen im
Wappen führt und 1631 ausstirbt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M.,
Genealogie des pommerschen Herzoghauses, 1937
Greifswald nahe der Ostsee mit -> lübischem Stadtrecht erhält 1456
eine Universität (1456-1524 3317 Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700
von Ernst Friedländer 1893f. veröffentlicht).
Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät, FS
zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die Universität
Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik 1637-1815, 1956;
Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp, K./Biederstedt,
R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und staatswissenschaftliche
Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch (1291-1332), bearb. v.
Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in Vorpommern, 2000; Link, A., Auf
dem Weg zur Landesuniversität, 2000; Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000;
Fietz, J., Nordische Studenten an der Universität Greifswald, 2004; Die
Matrikel der Universität Greifswald, hg. v. Schmidt, R. u. a., Teil 1ff.
2004ff.; Die Universität Greifswald und die deutsche Hochschullandschaft im 19.
und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W., 2004; Igel, K., Zwischen Bürgerhaus
und Frauenhaus, 2006
Grenze ist die Trennungslinie zwischen zwei Bereichen,
insbesondere zwei Staaten. Ursprünglich nur wenig genau bestimmt, wird die G.
mit wachsender Bevölkerungsdichte und zunehmender Territorialisierung immer
eindeutiger gekennzeichnet und gesichert. Für die Grenzfestlegung entwickeln
sich besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt
wird.
Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche Grenzaltertümer
aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwäbische Untergang,
1933, Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp, H., Grenzen
in Ostmitteleuropa, 1972; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg. v. Demandt,
A., 3. A. 1993; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Grenze und Differenz im
frühen Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000
Greyerz (Gruyères)
Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères, 1939, Rennefahrt,
H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f. schweiz. Gesch. 22
(1942), 321
Grieche ist der Angehörige des die griechische Sprache sprechenden,
von den Indogermanen abstammenden Volkes, das im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten
Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den 27803 Versen von Ilias und Odysee
sich lichtenden Jahrhunderten (1200-800 v. Chr.) bilden die Griechen in der
Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat (polis) aus (Sparta, Athen und viele
andere). Sie führen die Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales,
Anaximander, Anaximenes, Xenophanes, Heraklit, Demokrit, Pythagoras, Sokrates,
Plato, Aristoteles). Ihr Recht ist durch schon im 7. Jh. einsetzende
Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon) und die rechtsphilosophische Unterscheidung
von natürlichem Recht (-> Naturrecht) und gesetztem Recht gekennzeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechts, 3. A. 1892, Neudruck 1955; Mühl,
M., Untersuchungen zur altorientalischen und althellenischen Gesetzgebung,
1963; Mummenthey, H., Zur Einführung: Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff,
H., Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, 1978; Biscardi, Diritto greco
antico, 1982; Triantaphyllopoulos, Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Lendle,
O., Einführung in die griechische Geschichtsschreibung, 1992; Greek Law, hg. v.
Foxhall, L. u. a., 1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003;
Cerchiai, L. u. a., Die Griechen in Süditalien, 2004
Griechenland ist der südosteuropäische, zwischen Italien und der Türkei
gelegene, seit 1. 1. 1981 der -> Europäischen Gemeinschaft (1993 ->
Europäischen Union) angehörende Staat. Sein anfangs durch viele Stadtstaaten
(z. B. -> Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit 336 v. Chr. unter
Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer, wird
330 n. Chr. Ostrom bzw. -> Byzanz zugeteilt und fällt 1453 an die Osmanen
(Türken). Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die Griechen gegen die osmanische
Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit wird 1828 der -> Hexabiblos
als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als unabhängige
Erbmonarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz Otto von
Wittelsbach bestimmt wird. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen Recht
geprägt (1832-1834 Georg Ludwig von Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung,
Gerichts- und Notariatsordnung, Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines
Zivilgesetzbuches). 1940 wird das vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch beeinflusste
Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946 die Geltung des
gemeinen Rechts (-> Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967 putscht die Armee
gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen.
Lit.: Lipsius, Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Jones, The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Mantzoufas,
G., Über griechisches Prvatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch,
ZRG RA 78 (1961), 355; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Bengtson, H., Griechische
Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, Griechische Geschichte, 4. A. 1995;
Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg. v. Hallof, K., 1993;
Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow, F., Handwörterbuch der
griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche Gesetzestexte, hg. v. Hallof,
K., 1993; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994; Christ, C.,
Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die
griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der
griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the
Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999;
Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K.,
Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999;
Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger,
M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000;
Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechselwirkungen,
hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic
Tradition, hg. v. Speake; G., 2000; Welwei, K., Die griechische Frühzeit, 2002;
Lotze, D., Griechische Geschichte, 5. A. 2003; Rose, H., Griechische
Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC,
2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei den Griechen, 2003; Barceló, P.,
Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta,
H., Zur juristischen Professionalisierung im alten Griechenland, FS Rudolf
Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History, 2004; Linke, B., Religion und
Herrschaft im archaischen Griechenland, HZ 280 (2005), 1; The Cambridge
Companion to Ancient Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005
Grimm, Jakob (Hanau 4. 1. 1785-Berlin 20. 9. 1863),
Amtmannssohn, wird nach dem nicht abgeschlossenen Rechtsstudium in Marburg
(Savigny) Bibliothekar in Kassel und 1829/1830 Professor der Germanistik in
Göttingen. 1837 wird er als einer der Göttinger Sieben (-> Göttingen) des
Amtes enthoben, 1840 nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828
erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm
Grimm [24. 2. 1786-16. 12. 1859]), den deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen
Grammatik (1819) seine deutschen Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch
Vorlesungen hält, seit 1840 seine deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein deutsches
Wörterbuch, durch die Jakob G. den germanistischen Teil der historischen
Rechtsschule nicht unmaßgeblich beeinflusst.
Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im Recht,
Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W., Deutsches
Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A.,
1923; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v.
Leitzmann, A., 1927; Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W.,
Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft, 1963; Schuler, T., Jacob Grimm
und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J., De desiderio patriae, hg. v.
Ebel, W., 1967; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E., 1974; Seitz,
G., Die Brüder Grimm, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931;
Der Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob
Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm
Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in Berlin,
red. v. Kaindl, K. u. a., 2004
Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen 23. 6. 1775-Darmstadt 14.
2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Erlangen Professor in Gießen
und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er setzt sich für die Auffassung
ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch Einwirkung auf Straftäter künftigen
Verbrechen vorzubeugen (-> Spezialprävention).
Lit.: Esselborn, K., Grolman, in: Hessische Biographien,
Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss. jur. Gießen
1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998
Groningen wird im Jahre 1000 erstmals erwähnt. 1559 wird es Sitz
eines Bischofs. 1614 erhält es eine Universität.
Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W. van, Die
Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99
Grönland ist die verwaltungsmäßig zu -> Dänemark gehörende größte
Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von -> Wikingern entdeckt. Die 982
anschließende Besiedlung geht im Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine
Neubesiedlung unter Dänemark. Unter dem dänischen Recht erhält G. 1979
Selbstverwaltung.
Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i middelalderen,
1934; Dúason, J., Die koloniale Srtellung Grönlands, 1955; Gad, F., The History
of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,525
Großbritannien ist der nordwesteuropäische, zwischen Irland und Frankreich
gelegene, seit 1. 1. 1973 der -> Europäischen Gemeinschaft bzw. ->
Europäischen Union angehörender Staat. Er entsteht 1707 durch die Überführung
der 1603 gebildeten Personalunion zwischen England und Schottland in eine ->
Realunion (Vereinigung des englischen und schottischen Parlamentes). Sein
amtlicher Name lautet United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland
(Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben). Seine ungeschriebene Verfassung
nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den kontinentaleuropäischen
Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der Europäischen
Menschenrechtskonvention). -> England, -> Schottland, -> Irland
Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A. 1961; Hrebek,
R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971; Ritter, G.,
Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther, H., Der
Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K., Industrialisierung
und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index, hg. v. Bank, D.,
1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin, G., Private
Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994; Oxford
Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch, U., Das
politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische
Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall,
P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen
Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A.
1999; A Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C.
R., revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann,
C., Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis
2000, 2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen
Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R.,
Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M.,
Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien
seit 1945, 2005
Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog erhöhende Fürstentitel
(Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg 1815).
Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft
10. 4. 1583-Rostock
28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach dem
1594 begonnenen Studium in Leiden und der Promotion in Orléans (1598) 1599
Anwalt und danach Syndikus. 1606-1608 erarbeitet er das Werk (lat.) De iure
praedae (Vom Recht der Beute), wobei er den Grundsatz der Freiheit der Meere
vertritt. 1619 wird er aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt,
aus der er 1621 nach Frankreich flieht. In der Gefangenschaft verfasst er die
1621 veröffentlichte niederländische, der Systematik der Institutionen
Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd, in der
Verbannung sein Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (, 1625,
Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa von Eigentum,
Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe]). Dabei überführt er die aus der
Moraltheologie stammenden Naturrechtslehren in die Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146; Lee, R., The Jurisprudence of
Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema Andreae,
S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Wellschmied,
K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot, Hugo de,
Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F. u. a.,
1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des Hugo Grotius
vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie des écrits
sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii Instiutiones
juris Hollandici e Belgico in Latinum sermonem translatae, hg. v. Fischer, H.,
1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R.,
Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als
Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, 1984; Hugo Grotius and
International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Schnepf, R.,
Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der
Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v.
Konegen, N. u. a. 2005
Grundbuch ist das vom Grundbuchamt geführte, alle die
Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen aufnehmende
öffentliche Register. Seine Ursprünge liegen im Mittelalter (-> Köln um 1130
-> Schreinskarten, Metz [1197], Andernach [12. Jh.], Lübeck [1284],
österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst nach
Geschehniszeitpunkten oder nach Personen, in Anklam (1401) und Hannover (1428)
bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem). Die Aufzeichnung dient
anfangs der Gedächtnisstützung, gewinnt später aber selbständigen
(konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechts drängt das G.
zurück. Zunächst nur in Sachsen, seit dem 19. Jh. allgemein (Sachsen 1843,
Österreich 1871, Preußen 1872, Deutsches Reich 24. 3. 1897), setzt es sich aus
Verkehrsbedürfnissen durch (Dreiteilung in Eigentümer, Reallasten usw.,
Hypotheken usw.). 1995 beschließt Griechenland als (bislang) letzter Mitgliedstaat
der Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten.
Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher, H.,
Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die
geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in
Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L.,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme, P.,
Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Rehme, P., Über
das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39
(1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A.,
1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht,
1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher,
Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher
zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958); Hammer,
E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das Haus- und
Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. (1971), 1; Brauneder,
W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus incorporalibus“, ZRG GA
94 (1977), 218; Böhringer, W., Historie und Vergleich,
Rechtspfleger-Studienhefte 1997, 33
Grunddienstbarkeit ist die -> Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei der
ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks
in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen
benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen
werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist. Dem
älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der Siedlungsdichte
entwickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts im ausgehenden Mittelalter dringt die Unterscheidung von bloß
bestimmten Personen zustehenden Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen
Eigentümer eines Grundstücks zustehenden Dienstbarkeiten ein.
Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte
deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten
nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Grundeigentum ist das -> Eigentum an einem -> Grundstück. Im
Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich oder grundherrschaftlich
gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.
Lit.: Judeich, Die Grundentlastung in Deutschland, 1863; Brünneck,
W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891, 1895,
1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern, 1892; Loening, O.,
Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des
Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen Eigentumsübertragung an
Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst, V., Die Entstehung des
deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte des germanischen
Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von Schowingen, K.,
Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die preußische Gesetzgebung
zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3; Goeke, U., Das
Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist die Verfassung(surkunde)
der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949. Das G. entsteht auf
Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des Deutschen Reiches. Ein von den
11 Ministerpräsidenten berufener Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8.
1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts
aus. Dieser wird von einem -> Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet,
von den drei westlichen Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen
von 10 der 11 damaligen Länder angenommen. Er gliedert sich in einen
Grundrechtsteil und einen Organisationsteil (Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat,
Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundesverfassungsgericht und [5]
Bundesgerichte).
Lit.: Köbler, DRG 256; Vorgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent auf
Herrenchiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den
Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland,
hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes, NJW
1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v. Schneider,
H., 1990ff.; Wehner, G., Die Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl,
W., Die Entstehung des Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jaestedt, M.,
Das Grundgesetz im Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998;
Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H., Ausländische
Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms, H., Die
Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre Grundgesetz, NJW
1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp, M., 1999; Auf
dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999; Wilms, H., Ausländische
Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Spevack, E., Allied
Control and German Freedom, 2002; Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung
des Grundgeseszes – Dokumente - , hg. v. Wilms, H., 2003
Grundherr -> Grundherrschaft
Grundherrschaft ist die von einem (weltlichen oder geistlichen) Grundherrn
(z. B. König, Bischof) beherrschte Gesamtheit von Gütern, die dieser von einem
Haupthof (-> Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden,
Hintersassen) bewirtschaftet. Bereits im Altertum finden sich Verbindungen von
umfangreichem Eigentum an Grundstücken und Herrschaftsrechten über Menschen.
Wie weit die Germanen Vorformen der G. kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’
nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im Frühmittelalter die G. (mit bis zu 5000
Höfen) weit verbreitet. In sie treten Bauern durch Vergebung ihres Hofes ein.
Die meist unfreien Hintersassen haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks
-> Abgaben und -> Dienste zu leisten. Die G. ist ein wichtiger
Ausgangspunkt für die Bildung von Landesherrschaft. Mit dem Eindringen der
Geldwirtschaft im Hochmittelalter wird die G. zur ->Rentengrundherrschaft.
Im Nordosten des Reiches entwickelt sie sich seit dem Spätmittelalter zur ->
Gutsherrschaft. Der Grundherr erlangt vielfach Patrimonialgerichtsbarkeit und
Polizeigewalt. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19.
Jhs. allgemein beseitigt (-> Bauernbefreiung, Ablösungsgesetzgebung).
Grundsätzlich ist die (bäuerliche) G. vom (adligen) -> Lehen streng zu
trennen.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133, 174;
Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Knapp, T., Die
Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48; Kötzschke,
R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft Werden, 1901; Stengel,
E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Fehr, H., Die
Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264; Grosch, G.,
Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Hofbauer,
S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im Reiche der Merowinger, 1927;
Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg im Mittelalter,
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 73 (1933), 74 (1934); Perrin,
C., Recherches sur la seigneurie rurale, 1935; Lütge, F., Die mitteldeutsche
Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der
deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E., Die Grundherrschaften um die Stadt
Villach, Archiv für vaterländische Geschichte 27 (1942); Kötzschke, R., Salhof
und Siedelhof im älteren deutschen Agrawresen, 1953; Schreiber, A.,
Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der spätmittelalterlichen
Klostergrundherrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19 (1956), 1; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958; Bergengruen, A., Adel und
Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard, R., Rural England, 1959;
Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964; Kuchenbuch, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Lindkvist,
T., Landborna i Norden, 1979; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v.
Patze, H., 1983; Vassberg, D., Land and Society in Golden Age Castile, 1984;
Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft
und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W.,
Grundherrschaft im Wandel, 1991; Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Scherner,
K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage der sozialen Sicherung in der
karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111 (1994), 330; Čechura, J., Die
Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T.,
Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Grundherrschaft und bürgerliche Gesellschaft
im Hochmittelalter, hg. v. Rösener, W., 1995; Strutture e trasformazioni della
signoria rurale, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche –
Stadt zwischen Maas und Rhein während des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp,
A. u. a., 1997; Otto, G., Die Arbeitsverfassung der bayerischen
Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L., Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG
GA 121 (2004), 1
Grundholde -> Grundherrschaft
Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973 zwischen Bundesrepublik
Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum deutsch-deutschen
Grundlagenvertrag 1972, 1993
Grundpfandrecht ist das in der Verpfändung eines Grundstücks bestehende
beschränkte dingliche Recht. -> Hypothek, -> Grundschuld
Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche
Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden,
1909; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54
(1934), 1; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936, Neudruck 1983;
Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz, in:
Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1976
Grundrecht ist das dem Einzelnen zustehende, verfassungsmäßig
verbürgte elementare Recht. Eine Vorform des Grundrechts wird in den Rechten
sichtbar, die der englische König Johann Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in
der (lat.) -> Magna Charta (F.) libertatum (große Urkunde der Freiheiten)
verbriefen muss (z. B. Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit
sehen einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben,
Freiheit und Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte
des Menschen an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7.
1572) in den Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act
(1679) und Declaration of Rights (1689) besondere Rechte des Einzelnen. In den
Einzelstaaten Amerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskrieges gegen
England auch fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights,
[franz.] 1770 droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen
Eingang. Dem folgen deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (Preußen 1850, nicht
die Verfassung von 1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte
bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz
zum einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen
Formen der -> Freiheit und der -> Gleichheit (-> Gleichheitsgrundsatz)
den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte. ->
Menschenrecht
Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte
des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis
zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und
Bürgerrechte, 4. A. 1927; Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung,
hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Bohatec, J., England un die Geschichte
der Menschen- und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der
Hamburger Konstitutamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte und Grundfreiheiten im Umriss, 1968; Die Grundrechtsdiskussion
in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte
im süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im
Bismarkschen Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte
der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grund- und Freiheitsrechte im
Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Grundrechte im
19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1982; Starck, C., Entwicklung der
Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W.,
Die Grundrechte, 2. A. 1982; Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur
Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die
gerichtliche Überprüfung, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund-
und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg.
v. Birtsch, G., 1987; Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich,
1992; Dreier, H., Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische
Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die
steuerlichen Grundrechte, 1993; Schmale, W., Archäologie der Grund- und
Menschenrechte, 1997; Kröger, K., Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H.,
Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung
und Entwicklung der Grundrechte, NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan
zum Bürger, 1999; Müller, J., Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U.,
Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses, FS A. Söllner, 2000; Die
Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger, K., 2000; Austermühle, G.,
Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002;
Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v. Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer,
H., Die ungeschriebenen Freiheitsrechte in der schweizerischen
Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der Grundrechte in Deutschland,
hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F., Entstehungsgeschichte der
Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der Weimarer Reichsverfassung,
2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D. u. a., Bd. 1ff. 2004ff.;
Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?, 2004; Pauly, W.,
Grundrechtlaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund- und Menschenrechte
in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne,
T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen Frühkonstitutionalismus,
2005; Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Stern, K., Bd. 4
2006f.
Grundrente ist der Ertrag, den der Grund (Grundstück) ohne
Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft. Die G. ist eine
vermögensrechtliche -> Reallast. Sie hat sich vermutlich aus der ->
Erbleihe entwickelt. Später wird die G. durch -> Rentenkauf geschaffen. Seit
dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der
Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch gesicherte ->
Darlehen ersetzt.
Lit.: Hübner 397
Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch ein Schiff (beim
Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut dem zufällt, der
es in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche und Kaiser bekämpft
und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das Völkerrecht der Gegenwart
gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem Küstenstaat zu.
Lit.: Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im
Mittelalter, 1955
Grundschuld ist eine Belastung eines Grundstücks in der Weise, dass an
den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme aus dem
Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900 in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz, S.,
Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978
Grundsteuer ist die von -> Grundstücken und grundstücksgleichen
Rechten zu entrichtende -> Steuer. Sie wird bereits von dem römischen Kaiser
Diokletian (284-313/316) erhoben. Der frühneuzeitliche Staat greift dies wieder
auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig mit verstärkter
Abschöpfung zu rechnen.
Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an, hg.
v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992
Grundstück ist der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im
Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer
gebucht ist). Im römischen Recht sind die italischen Grundstücke (lat.) ->
res (F.Pl.) mancipi. Im deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt
als die bewegliche Sache. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirtschaftlich
genutzter Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung
eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekanntmachung vom 15. 3. 1918,
Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische Grundverkehrsordnung
vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).
Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90; Böckel,
F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911; Hallermann,
H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten, 1925; Richter,
G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934; Merk, W., Die
Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55 (1935), 169, 56
(1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen,
1934; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg,
1937; Köbler, G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken
in Preußen, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3
1967, 201; Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister,
H., Zur Entwicklung des Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grundkredits
in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen
Gesetzgebung von 1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister,
Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen
Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984
Gründungsstadt ist die durch bewusste Gründungshandlung geschaffene ->
Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Grundvertrag -> Grundlagenvertrag
Grupen, Christian Ulrich
(1692-1767)
Lit.: Hoppenstedt, Dietrich, Christian Ulrich Grupen als Jurist und Rechtshistoriker,
Hannoversche Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971)
Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550-Löwen 1619) wird nach dem
Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als Advokat 1582 Professor in
Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken verbindet er römisches Recht
mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und Frankreichs.
Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301
Gulathingsbok ist das in einer Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (um
1250) und in weiteren Fragmenten überlieferte, vielleicht in verschiedenen
Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s gefasste Recht
des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste norwegische
Rechtsaufzeichnung darstellt. 1267 setzt König -> Magnus Hakonarson eine
neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene G. in Kraft. Zahlreiche Bestimmungen
werden 1274 in das norwegische Reichsrecht (Landslag) übernommen.
Lit.: Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings,
hg. v. Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247
Gülte, Gült, ist eine Bezeichnung für die mittelalterliche ->
Grundrente.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler, S., Das
Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das Passauer
Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358
Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensittenbach 25. 2. 1671-Halle
9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der Theologie in Altdorf,
Jena, Leipzig und Altdorf Hofmeister in Halle. Als Schüler Thomasius’ wird er
Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer rechten
Reichshistorie, 1708).
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 302
Gutachten ist die Beurteilung einer Frage durch einen Fachmann.
Bereits die klassische römische Jurisprudenz ist dadurch gekennzeichnet, dass
seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Juristen (Respondierjuristen)
das Recht verliehen wird, auf eine Anfrage im Namen des Staatsoberhauptes (lat.
[M.] princeps) eine gutachtliche Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher
der (lat. [M.] iudex) Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die
oberitalienischen Juristen (-> Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als
Schüler des -> Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der -> Aktenversendung
beginnt eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen Fakultäten (bis 1877/1879)
und entsteht ein Markt, auf dem
rechtswissenschaftliche Dienstleistungen in großer Zahl angeboten und
nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der Frage aus und
folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.
Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107;
Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist,
E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen
1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der
Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung
der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott,
C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät
Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia.
Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006
Gutalagh ist das wohl nach 1285 (str.) in der Volksversammlung nach
norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften (um 1350, [1470 bzw.]
1587) und zwei Übersetzungen überlieferte Recht der Insel Gotland, das um 1400
auch in die deutsche Sprache übersetzt wird.
Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E.,
Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976
Gütergemeinschaft ist der (vertragliche) Güterstand, bei dem grundsätzlich
das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung der -> Ehe haben
oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches Vermögen (Gesamtgut)
wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei Franken und Westfalen
in der Form der -> Errungenschaftsgemeinschaft. Im Hochmittelalter dringt
sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor, wobei die Verwaltung der
Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) wird die für rund 11 Millionen Menschen bestehende allgemeine
Gütergemeinschaft zu einem vertraglich festlegbaren Ehegüterstand
(Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der -> Gesamthand gilt.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267;
Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht
im 19. Jahrhundert, 1978
Guter Glaube ist das Vertrauen auf die Richtigkeit eines Anscheins. Im
römischen Recht (D. 50, 17, 54) gilt der Grundsatz (lat.) -> nemo plus iuris
transferre potest quam ipse habet (niemand kann mehr Rechte übertragen als er
hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht übertragen kann, doch schützt
bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen (also nicht bei gestohlenen,
verlorenen oder [in klassischer Zeit auch] unterschlagenenen Sachen) ein
rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf) nach Ablauf der einjährigen Ersitzungsfrist
den Erwerber vor dem Herausgabeanspruch des Berechtigten. Demgegenüber sichern hochmittelalterliche
Quellen den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte freiwillig aus der Hand
gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom Dritten verlangt wird. Das
lübische Recht führt 1586 im Interesse des Verkehrsschutzes den gutgläubigen
Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein. Der (lat.) Codex (M.) Theresianus
(1766) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber zu.
Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung g. G. von der lateinischen
bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant entspricht der gutgläubige Erwerb
distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB (1861) teilt bei nicht gestohlenen
oder verlorenen beweglichen Sachen dem redlichen Erwerber in einem
Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgt das Bürgerliche Gesetzbuch 1900,
während das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik einen
gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten für nicht erforderlich hält.
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212;
Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der
Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung
über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB),
Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici,
1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS
H. Coing, 1982, 389; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs,
1991; Good Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000;
Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen
Pfandgesetzgebung, 2004
Güterrecht -> Ehegüterrecht
Gütertrennung ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte alleiniger
Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt und
alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei den
Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die Ehe
einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der
grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit auf der Seite des Mannes,
besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit Ausnahme
der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der -> Gütergemeinschaft
zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifikationen behandeln die G. als einen
Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB (1811/2) Gütertrennung vor, die
aber infolge verschiedener unklarer Vermutungen inhaltlich als „vermutete“
Verwaltungsgemeinschaft verstanden wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) ist die G. ein Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichberechtigungsgesetz
vom 18. 6. 1957 als Regelgüterstand festgelegte -> Zugewinngemeinschaft ist
inhaltlich G. mit Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung
der Ehe. Daneben ist die einfache G. zulässig.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267; Schröder
R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.,
Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels, 1867;
Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von Fritz Kern verbreitete
Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten habe, weil es alt und gut
gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht geschaffen, sondern nur nach
Beseitigung der von den Menschen bewirkten Verdunkelung wiederentdeckt habe
werden können. Diese Ansicht widerspricht der germanischen und mittelalterlichen
Wirklichkeit, in der sich Recht unablässig entsprechend den menschlichen
Bedürfnissen ausformt. Sie deckt sich allerdings mit der christlichen Trias von
Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht der göttliche Dekalog, die
menschliche Verirrung (Rechtsverdunkelung) und die (Möglichkeit der) Rückkehr
zum von Gott gegebenen (und deswegen notwendigerweise guten, alten) Recht
entspricht, wie sie die christliche Kirche auch im Mittelalter verkündet.
Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung vom
Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971;
Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der
Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im
Mittelalter, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93;
Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23
Gute Sitten (lat. -> boni mores [M.Pl.], Sg. bonus mos) sind die
vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltensweisen. Im römischen Recht
werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren (lat. [boni] mores
[M.Pl.] maiorum) verletzen, wie beispielsweise die Schenkung einer erwarteten
Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den Juristen und den Kaisern als rechtswidrig
bekämpft. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter
werden die guten Sitten als Bewertungsmaßstab übernommen.
Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 414
Güteverfahren
Lit.: Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen
Zivilprozessrecht, 2004
Gutglaubensschutz -> guter Glaube
Gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem Veräußerer gehörigen Sache
zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der -> guten Glauben in
Bezug auf das Recht des Veräußerers haben muss (z. B. gutgläubiger Erwerb von
Grundstückseigentum Württemberg 1828, Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom
mittelalterlichen deutschen Recht geschützte, vom römischen Recht abgelehnte,
von den naturrechtlichen Gesetzbüchern aber in bestimmten Grenzen anerkannte gutgläubige
Erwerb dient dem Verkehrsinteresse.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004
Gutsherrschaft ist das geschlossene, in Eigenwirtschaft durch Tagelöhner
bewirtschaftete Großgrundeigentum (-> Grundherrschaft), in dem der
Eigentümer meist auch die unteren hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit,
Polizei) ausübt. Sie entsteht als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher
der oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem
Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende
Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung
der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der
Mitte des 16. Jh.s die Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende des
18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter
aufgeteilt und bzw. oder gehene an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine
sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Fuchs, C., Zur Geschichte des
gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in der Mark Brandenburg, ZRG GA 12
(1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der Gutsherrschaft im nordwestlichen
Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und Untertan in der Mittelmark
Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die Grundherrschaft im späten
Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und Kontrolle, in: Haak, H., Die
Gutsherrschaft, 1991; Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schleinert, D., Die Gutswirtschaft im
Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und zweite
Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte, 2005
Haager Landkriegsordnung ist das auf den Friedenskonferenzen in Den Haag
(Niederlande) 1899/1907 geschlossene Abkommen über die Gesetze und Gebräuche
des Landkrieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder sonstigen
kennzeichnenden Behandlung.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Habeas-corpus-Akte ist das 1679 zum Schutz der Freiheit erlassene englische Gesetz,
nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl verhaftet oder ohne richterliche
Überprüfung in -> Haft gehalten werden darf.
Lit.: Kluxen, K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Habilitation ist der Nachweis vertiefter
wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat.
disputatio pro loco) seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816, um 1870
in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen Professoren habilitiert).
Lit.: Kundert, W.,
Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom,
Forschung und Lehre, 2000, 69
Habsburg (Habichtsburg) ist die um 1020 von Bischof Werner von
Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen Nordostschweiz) errichtete Burg,
nach der sich seit 1090 eine südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurückzuverfolgende
Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie
belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit -> Österreich und baut von
dort eine Hausmacht auf. Vom Spätmittelalter bis 1806 stammt der König bzw.
Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) fast durchgehend aus
dieser Familie. Von 1806 bis 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen
Österreich(-Ungarn) weiter, wird dann aber ausgewiesen und enteignet und nach
Rückgabe des Privatvermögens 1939 nochmals enteignet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches
Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin,
J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902; Ammann,
H., Die Habsburger und die Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das
habsburgische Archiv in Baden, Zs. f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169;
Feine, H., Die Territorialbildung der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA
67 (1950), 176; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die Habsburgermonarchie
1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.; Wandruszka, A., Das
Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der Habsburger, 1982; Kohler,
A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V., 1982; Rieger, E., Das
Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986; Die Habsburger, hg. v.
Hamann, B., 1988; Kamm, R., Geschichte des Habsburgerreiches, 1990; Baum, W.,
Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg.
v. Heinig, P., 1993; Heinig, P., Kaiser Friedrich III. (1440-1493), 1997; Krieger,
K., Die Habsburger im Mittelalter, 2. A. 2004; Bankl, H., Die kranken
Habsburger, 1998; Hansert, A., Der Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H.,
Räte und Herrscher, 1998; Die Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v.
Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe, M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die
Habsburger, 2001; Laubach, E., Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Nuss, P., Les
Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger, H./Moritz, V./Schippler, B., Schwarzbuch
der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche Herrschaftsrepräsentation, 2004;
Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die Doppelregierung Kaiser
Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005; Koller, H., Friedrich
III., 2005
Hafen ist der Landeplatz und die Liegestelle für Schiffe. Der H.
erscheint schon im Altertum.
Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafren, ZRG GA
26 (1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur
Industrialisierung, hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des
Hafen- und Schiffahrstsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag)
Haflidaskra ist das 1117/8 in -> Island eingeführte, nicht
überlieferte Recht, das in der -> Gragas aufgeht.
Lit.: Johannesson, Islands Historie, 1969
Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor allem
zum Zweck der Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer Handlung.
Ihre Voraussetzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch- und spätmittelalterliche
Quellen (mit Schöffenvorbehalten) sowie dann die englische ->
Habeas-corpus-akte (1679) verlangen aber vielleicht als Folge des Aufkommens
des Inquisitionsprozesses einen richterlichen Haftbefehl bzw. eine richterliche
Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder staatliche Eingriff in die
Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig gemacht (Bayern 1818, Baden
1818, Württemberg 1819 usw.).
Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das Verhaftungsrecht,
Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr, 1992;
Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Haftbefehl ist die schriftliche Anordnung eines Richters, einen
Menschen in Haft zu nehmen. Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische
warrant of commitment, der dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in
das Gefängnis zu bringen, wie auch der französische -> lettre de cachet, der
oft den königlichen Befehl enthält, sich in ein Gefängnis zu begeben.
Demgegenüber bestimmt nach der englischen -> Habeas-corpus-akte (1679) die
französische -> Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789), dass
kein Mensch in Haft genommen oder gefangengehalten werden darf, außer in den
durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom Gesetz vorgeschriebenen
Förmlichkeiten. Die französische Verfassung von 1791 fordert für jede
Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der Verfassung von
1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten und dem Verhafteten
abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799 verlangt einen
richterlichen H. Der 1808 erlassene Code d’instruction criminelle
unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf das
deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848,
Reichsstrafprozessordnung 1877/1879).
Lit.: Speck, H., Die Geschichte der Voraussetzungen für die
Anordnung der Untersuchungshaft, Diss. jur. Kiel 1969
Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der gesetzlichen Verpflichtung zu
einer -> Haftung abzuschließende oder abgeschlossene -> Versicherung (z.
B. [1939] des Halters eines Kraftfahrzeuges).
Lit.: Bar, C. v., Das Trennungsprinzip, AcP 181 (1981), 289
Haftung ist das Unterworfensein des Schuldners als Person mit
seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des Gläubigers. Die H.
ermöglicht deshalb die Erzwingung der Erfüllung, die der Schuld als solcher
(vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (einzelne Fälle von) H. ohne Schuld
und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist nach Ersetzung des ursprünglichen
rächenden Zugriffsrechts des Verletzten gegenüber dem unrecht handelnden Täter
durch eine Sühnegabe auch die künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft
möglich (z. B. lat. [N.] -> nexum, [F.] -> sponsio - stipulatio). Später
tritt neben der H. auch der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der
jüngeren Republik wird in der (lat. [F.]) -> obligatio neben der H. die
Schuld mitverstanden. Ähnliche Verhältnisse sind auch für das germanische
Recht anzunehmen. Dementsprechend setzt sich seit dem Frühmittelalter die
Auffassung durch, dass jede Schuld auch ohne besondere zusätzliche Vereinbarung
eine H. zur Folge habe. Auf dieser Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit
der Aufnahme des römischen Rechts auch die römische Vorstellung von der (lat.
[F.]) obligatio aufgenommen. Die älteste Form der leiblichen Haftung endet
dabei im Jahre 1868. Im Übrigen steht neben der Haftung eines einzelnen
bestimmten Gegenstandes (Sache, Recht) die allgemeine, grundsätzlich unbeschränkte
Vermögenshaftung. Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung
möglich.
Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167; Egger,
A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v.,
Schuld und Haftung im älterem deutschem
Recht, 1910, Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und
Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht,
ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die Haftung des Verkäufers für
Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969; Benöhr, H., Zur
außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser, 1976, 689;
Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589;
Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur
des Haftungsrechts, 2003
Hagen
Lit.: Linscheidt, P., Das Landgericht Hagen, 2004
Hagenrecht ist das im 12. Jh. im Weserbergland sichtbar werdende
günstige Bodennutzungsrecht der hochmittelalterlichen deutschen
Rodungssiedlung.
Lit.: Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen,
1949; Kroeschell, K., Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954),
117; Molitor, E., Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, in: Adel und
Bauern, 2. A. 1967, 331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978,
107
Hagestolz
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Stoll,
F., Das Hagestolzenrecht, 1970
Hagerup, Francis (1853-1921), Beamtensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und 1895
Ministerpräsident. Durch eine Reihe von wichtigen Beiträgen zu verschiedenen
Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre, Strafprozess, Zivilprozess,
Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechtswissenschaftler ->
Norwegens.
Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie,
Bd. 1 1984, 133
Halberstadt
Lit.: Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des weltlichen Territoriums des
Bistums Halberstadt, 1916; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980;
Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123-1804, hg. v.
Diestelkamp, A. u. a., 1989
Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach kurzem
Theologiestudium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in London,
1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung des
englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671 Chief
Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten
Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the
Crown), eine methodische Erfassung des Rechts (Analysis of the Civil Part of
the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown)
und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).
Lit.: Burnet,
G., Life and Death of Sir Matthew Hale, 1682; Holdsworth, W., History of
English Law, Bd. 6 1937, 574
Halle an der Saale ist der wegen des dortigen Salzvorkommens
schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort, der wohl im 12. Jh. Stadt wird. Nach dem
1680 erfolgten Übergang an den Markgrafen von Brandenburg richtet dieser 1694
eine aufgeklärte Modelluniversität in H. ein (->Thomasius) (bis 1806).
Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte magdeburgische
und hallische Recht, 1826; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für
Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Schranil,
R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Urkundenbuch
der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow, E., Das
Halle-Neumarkter Recht 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der hallischen
Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Bucda, G., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil
1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64
(1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944; Buchda,
G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Körner,
H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle 1952; Buchda,
G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag<), ZRG GA 71
(1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen Russlandkunde im
18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Die Spruchtätigkeit der Halleschen
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980; Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra
Universität, 1991; Jelowik, L.,
Kuriosa aus der Geschichte der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992),
382; 300 Jahre Universität Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H.,
Aufklärung, Pietismus, Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche
Rechtsgelehrte jüdischer Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die
Juristenausbildung an der Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle,
hg. v. Lieberwirth, R., 1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Kannowski,
B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG GA 120 (2003),
61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005
Halm ist der Stengel des Grases, der im mittelalterlichen Recht
vielfach als Symbol der -> Investitur mit einem Gut verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.
Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau 1500-1531) gibt 1528-1531 auf
der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und Bolognins sowie der Florentiner
Handschrift eine (humanistische) unglossierte Ausgabe der justinianischen Rechtstexte
mit unvollständigen griechischen Bestandteilen in Pandekten und Codex und
griechischen Novellen heraus, in der er die mittelalterliche Gliederung der
Pandekten beseitigt, die Inskriptionen beachtet und im Codex die
Subskriptionen herstellt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,645
Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine Paarformel für die
Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.
Halseisen ist im deutschen Mittelalter die Vorrichtung, mit deren
Hilfe ein Straftäter am -> Pranger befestigt wird.
Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen
1949
Halsgericht (13. Jh. [1296]) -> Hals und Hand, Halsgerichtsordnung
Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am Beginn der frühen Neuzeit
([Nürnberg 1314,] Ellwangen 1466, Nürnberg 1485, Tirol 1499, (Volkach 1504,)
Radolfzell 1506, Bamberg 1507, Laibach 1514, Krain 1535, Niederösterreich
1514/1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich 1559). Als H. wird auch die
-> Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 benannt. In den
Halsgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des
Verfahrens auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert.
Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des
Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung
Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt
Volkach, 1997
Hambacher Fest ist das vom 27.-30. 5. 1832 auf der Burgruine von Hambach
(Maxburg) in der Pfalz auf Einladung des Schriftstellers Philipp Jakob
Siebenpfeiffer (1785-1849) als politische Kundgebung des Liberalismus mit etwa
25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die geplante Wahl einer provisorischen
Nationalregierung zwecks Abschaffung der Monarchie und Bildung eines Bundes von
Republiken nach amerikanischem Muster scheitert. Die Hauptverantwortlichen
werden auf Drängen Österreichs und Preußens zu Haft verurteilt. -> Deutscher
Bund
Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach,
Teil 1f. 1832; Süß, E., Die Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher
Fest, hg. v. Baumann, K., 2. A. 1982
Hamburg ist der vielleicht aus einem Königshof Karls des Großen
nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsene Stadtstaat. 1189 bestätigt
Kaiser Friedrich I. Barbarossa der Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und
Schiffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht im sog. Ordeelbook aufgezeichnet,
1292 erhält die Stadt vom Stadtherrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Am
Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsunmittelbarkeit anerkannt (1460
Reichsstadt). 1497 wird das Recht in einer Bilderhandschrift neu gefasst, 1603
nach dem Vorbild Nürnbergs reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hamburgisches
Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.; Baumann, H., Das
Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856; Die
Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem
Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken,
1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der
freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen
Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd.
1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs,
1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951; Ewald,
M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische
Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D.,
Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d.
Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in
der Hamburger Konstitutante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F.,
Die rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss.
jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960; Dokumente
zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke, H., 1961; Pitz,
E., Die Zolltarife der Staddt Hamburg, 1961; Schultze-von Lasaulx, H.,
Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961; Die Hamburger Elbkarte aus dem
Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J., 1964; Ipsen, H.,
Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die Bilderhandschrift des Hamburger
Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968; Hamburger Testamente, bearb. v.
Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt,
1970; Ramcke, R., Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert,
1969; Richter, K., Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und
Sozialgeschichte um 1300, 1971; Gabrielson, P., Struktur und Funktion der
Hamburger Rentengeschäcfte 1471-1490, 1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und
Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v. Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche
Kommission der Jahre 1708-1712, 1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und
Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v.,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg, 1988; Stadtgeschichte Hamburg, red.
v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u.
a., 1991; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs, 1997; Rademacher,
R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 3 1997; Das
Hamburger Ordeelbook von 1270, v. Eichler, F. 2005; Krieger, M., Geschichte Hamburgs, 2006; Kähler, J.,
Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten
Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007
Hamm
Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926
Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.), König von Babylon,
veranlasst die bekannteste, 1901/1902 auf einer Dioritstele entdeckte
Rechtssammlung des orientalischen Altertums (Codex Hammurapi) mit 280
Abschnitten. Noch älter ist der -> Codex Urnammu.
Lit.: Fehr, H., Hammurapi und das salichse Recht, 1910; Koschaker,
Paul, Rechtsvergleichende Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver/Miles,
The Babylonian Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex
Hammurapi, 1954; Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher
Quellen, 1965; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“ Hammurapi, in:
Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U., Geschichte des Rechts,
3. A. 2006
Hand ist das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das im
Recht vielfach symbolisch verwendet wird. -> Hals und Hand
Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften
des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt,
8. A. 1951
Handel ist der Ankauf und Verkauf von Waren auf dem Weg vom
Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der -> Tausch. Mit der
Verwendung von -> Geld beginnt der -> Kauf den Tausch abzulösen.
Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem Hochmittelalter
in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbstversorgung allgemein hinter der
Versorgung durch Markt und Handel zurück.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176, 217,
225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen
Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des
Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden
im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933; Koppe, W.,
Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540,
1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand commerce d’exportation, 1935; Köhler,
E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938; Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und
Leinenabsatz im östlichen Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur
Getreidepolitik oberitalienischer Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W.,
Der Handel im Oderraum im 13. und 14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu
Handel und Verkehr der vor- und frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und
Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K., 1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen
Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher
Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000;
Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hornbogen, J.,
Travail national – nationale Arbeit – die handelspolitische Gesetzgebung in
Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson, K., The Art of the Deal, 2002
Handelsbrauch
Lit.: Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934
Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter vom Händler über seine
Geschäfte geführte -> Buch, das in der Neuzeit auch rechtlich den Beweis
erleichtert (ALR [1794]).
Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann,
W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften über Handelsbücher, Diss. rer.
pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v., Handels- und Rechnungsbücher, hg. v.
d. schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.
Handelsgericht ist das für Handelssachen
zuständige Gericht.
Lit.: Schön, D.,
Die Handelsgerichtsbarkeit im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999
Handelsgesellschaft ist die -> Handel treibende -> Gesellschaft. Sie
erscheint zum einen im Mittelmeerraum (Venedig, Genua), wobei die (lat. [F.])
commenda (Seedarlehen) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris) zumindest
zeitweise den Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die ->
offene H. Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung
abgeändert, woraus sich im 16. Jh. als neue Form die ->
Kommanditgesellschaft ergibt. Im nordischen Bereich finden sich ebenfalls
genossenschaftliche Unternehmungen. Bedeutsam sind hierbei die Kommission
(-> sendeve) und das Darlehen (wederlegginge). In Oberdeutschland bilden
Familien offene Handelsgesellschaften (z. B. Fugger). Mit der Entdeckung der neuen
Welt seit 1492 werden hohes Kapital und breite Gefahrenstreuung notwendig.
Hieraus entwickelt sich die -> Aktiengesellschaft (1602 Niederländische
ostindische Handelskompagnie). Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber
mit der H. im Allgemeinen Landrecht (Preußens) von 1794. Frankreich, das
bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen hatte, setzt 1808 einen
eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsgesetzbuch) in Kraft, der die
Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich regelt. Im
Deutschen Bund behandelt 1861 das -> Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch
die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die
Aktiengesellschaft und die stille Gesellschaft. Das Handelsgesetzbuch von 1897
nimmt zusätzlich die Kommanditgesellschaft auf Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892
wird die -> Gesellschaft mit beschränkter Haftung geschaffen, mit dem 30. 1.
1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen Gesetz verselbständigt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, 1889; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, Bd. 1 1923; Pollack-Parnau, F. v., Eine
österreichisch-ostindische Handelskompagnie 1775-1785, 1927; Ammann, H., Die
Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M., Die Handelsgesellschaft Felix v.
Oldenburg & Co. 1753-160, 1931; Condanari-Michler, S., Zur
frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt, W., Von collegantia und
rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e diritto in onore di
Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce
en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of the Middle Ages, 1971;
Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976;
Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im Spätmittelalter, FS F. Vischer,
1983, 557; Societates, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Söhnchen, M., Die
historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen, 2005
Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde besondere Gesetzbuch. Es
erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in Frankreich, wo schon ->
ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren (-> Spanien 1829 [Código
de comercio], -> Portugal 1833, -> Niederlande 1838). Im -> Deutschen
Bund wird nach einem vergeblichen Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und
unter Verwendung preußischer und österreichischer Vorlagen 1861 ein ->
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten
als eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897
in das Handelsgesetzbuch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System
umgeformt.
Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der Kommission
zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J.,
Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen
Handelsgesetzbuches auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966;
Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144
(1980), 484; Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland
(1848/49), hg. v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch
von 1897, hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v.
Paschke, M. u. a., 1998
Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene Körperschaft des öffentlichen
Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen der Mitglieder im Bereich des
Handels (Hamburg 1868, Preußen 1870).
Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte und
Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986
Handelsrecht ist das Recht des -> Handels bzw. subjektiv das
Sonderprivatrecht der -> Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger
besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum erst seit dem Mittelalter
in Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und
Spanien (Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossenschaftlichen
Zusammenschlüsse der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für
das Seerecht gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua (1350) und Barcelona (1348 ->
Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im nordeuropäischen Raum die ->
Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H. hauptsächlich in den städtischen
Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg 1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.),
daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523, 1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu
dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche Bemühungen um das H. ein (->
Mevius 1586, Johann Marquard 1662). In Frankreich erlässt Ludwig XIV. 1673 die
(frz.) -> ordonnance du commerce und 1681 die (frz.) -> ordonnance de la
marine. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) befasst sich Kreittmayr
in seinen Anmerkungen mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im
preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute
enthalten. Demgegenüber fasst der französische -> Code de commerce (1808)
das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine eigenständige
deutschrechtliche Sonderentwicklung im deutschen Bereich lässt sich nicht
erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des gemeinen deutschen Privatrechts
besonders auch des Handelsrechts annehmen. -> Handelsgesetzbuch
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des
Handelsrechts vom bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem des 19.
Jahrhunderts, 1962; Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner,
K., Anfänge einer Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972),
465; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571,
3,3,2853; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts,
in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte
in Hamburg, hg. v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann
und Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v.,
Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J.,
Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno
Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a.,
Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura
mercatorum durch Privilegien“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v.
Piergiovanni, V., 1987; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im
frühmittelalterlichen Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme,
1994; Eisenhardt, U., Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS
P. Raisch, 1998, 51
Handelsregister
Lit.: Rintelen, M., Das Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft,
Hist. Zeitschrift für Schwaben und Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das
Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34 (1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen
über die Entwicklung des Handelsregisters, 1914
Handelsvertrag ist der den -> Handel zwischen mindestens zwei ->
Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich seit dem 12. Jh., und zwar neben
dem Privileg des Herrschers.
Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit
Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der
Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962
Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist der als Vertreter tätige Gehilfe des -> Kaufmanns.
Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der
Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der
Handelsvertreter, 2000
Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeichnung für ein Schriftstück
(vgl. gr. [N.] cheirógraphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186,
Kulmer H. 1233, Berner H. 1218?).
Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter das Handzeichen und das
vielleicht damit bezeichnete Stammgut.
Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach
altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal
und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30
(1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien
Geschlechtes bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954),
126; Balon, J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141; Krogmann,
W., Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271
Handhafte Tat ist im Mittelalter die durch Ergreifen des Täters in oder
unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete Tat (vgl. im römischen Recht
das [lat.] furtum [N.] manifestum). Wahrscheinlich darf in germanischer Zeit
der handhafte Täter sofort getötet werden. Die frühmittelalterlichen
Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in allen Fällen, aber doch
bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor Gericht ist dem
Handhafttäter der -> Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittelalter darf nur
noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitionsprozess
gekennzeichneten Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheint ein besonderes
Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Brunner,
H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten Hand, ZRG GA 31
(1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382
Handlung ist das menschliche Verhalten, das als von Willen
beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden kann. In den
Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen
Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s eine rein
kausele Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der Mitte des 20.
Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft wird.
Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die Entwicklung
des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt, 1966
Handlungsfähigkeit -> Geschäftsfähigkeit
Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende
Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18.
Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben
notwendigen Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.
Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche Aspekte
zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000
Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung der -> Schenkung
stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern übliche, sofort
vollzogene Schenkung.
Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der
Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972
Handschlag ist das gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum
Zeichen des Abschlusses des Geschäftes im deutschen Recht, dem bei den Römern
lat. manum dare entspricht.
Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1894
Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte Schrift und das dadurch
geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht mit der Entwicklung der
-> Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für bedeutsamere Schreibergebnisse
in das gedruckte -> Buch über. Möglicherweise konnte ein Schreiber täglich
etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden dabei seit 1250 Handschriften
jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur Vervielfältigung abgegeben
(Peciensystem).
Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2. A.
1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer Bibliotheken,
Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au Moyen Age, hg.
v. Glenisson, J., 1988 ; Die datierten Handschriften der bayerischen
Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a. 1994ff.; Die
Handschriften der Universitätsbibliothek München. Mikrofiche-Edition 1994-1995
(99 deutschsprachige mittelalterliche Handschriften, 447 lateinische
mittelalterliche Handschriften); Katalog der illuminierten Handschriften der
württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3, 1, bearb. v. Sauer, C. u. a.,
1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer,
R., 1996; Bischoff, B., Katalog der festländischen Handschriften des 9.
Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002;
Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57 (2001), 555; Köbler, G.,
Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten altdeutschen Handschriften, 2005
Handschuh ist das Bekleidungsstück der menschlichen Hand, das im
(deutschen) Recht als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).
Lit.:
Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating to Gloves, 1901; Schwineköper,
B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981
Hand wahre Hand ist im spätmittelalterlichen deutschen Recht (seit dem 14.
Jh. bzw. später) die Wendung, die zum Ausdruck bringen soll, dass der
Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche Sache anvertraut, diese nur von
ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an den die Sache gelangt ist,
zurückverlangen kann. Alter und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache
nach enthält zwar bereits der Sachsenspiegel einen entsprechenden Satz, doch
sind die mittelalterlichen Lösungen dieses Rechtsproblems durchaus
unterschiedlich (z. B. nach h. M. abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der
Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches (Vindikation) des Eigentümers seit
dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als
erforderlich, als dessen Folgen der (aus den römischrechtlichen Sätzen über die
Ersitzung hergeleitete) -> gute Glaube des Erwerbers bedeutsam und die
Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter Verpflichtung der Aufwanderstattung
(Lösungsrecht) erweitert wird. Der -> Codex Theresianus (1766) erkennt den
gutgläubigen Eigentumserwerb des Erwerbers an. Streitig ist in der Folge,
inwieweit der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H.
beruht.
Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H.,
Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E.,
Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand
wahre Hand, 1952; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991;
Engstfeld, J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002
Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung von Stoffen für andere
ohne Verwendung industrieller Arbeitsformen (z. B. Schreiner, Zimmermann,
Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum wird diese Tätigkeit überwiegend
von -> Sklaven ausgeführt, im Frühmittelalter im Rahmen der ->
Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in der hochmittelalterlichen Stadt das
freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus und schließt sich genossenschaftlich
ab (-> Zunft, -> Gilde, -> Innung). Wer in einem H. tätig sein will,
muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister erlernen. Danach
kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst, wenn er Meister
geworden ist. In manchen Städten nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des
Handwerks an der Stadtherrschaft teil. Im Kampf mit der liberalen ->
Gewerbefreiheit des 19. Jh.s gelingt dem H. die Bewahrung der durch Prüfungen
nachzuweisenden Qualifikationsmerkmale bis in die Gegenwart (Handwerksordnung).
Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H. sich zu halten.
Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J., Nürnbergisches
Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i Danmark, hg. v.
Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Bock,
H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes, 1922, Wissell, R., Des
alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K., Bd. 1f. 1929; Hornschuch,
F., Aufbau und Geschichte der internationalen Kesslerkreise in Deutschland,
1930; Weichs, E. Frhr. v., Studien zum Handwerkerrecht des ausgehenden 17.
Jahrhunderts, 1939; Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler,
H., Das gesamtdeutsche Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954;
Fischer, W., Handwerksrecht und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler,
E., Handwerkerbünde und Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in
Eferding, 1973;z, C., Die Zürcherische Handwerksordnung von 1681, FS J.
Bärmann, 1975; Göttmann, F., Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W.,
Handwerker und Lohnarbeiter in der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil.
Göttingen 1981; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Bd. 1ff. 1929, 2. A. 1981; Landolt, K., Das Recht der Handwerkslehrlinge, 1977;
Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a.,
Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des zünftigen Handwerks im Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken, 1986; John, P., Handwerk im Spannungsfeld zwischen
Zunftordnung und Gewerbefreiheit, 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit
zwischen Absolutismus und Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg.
v. Reith, R., 1990; Brand, J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten
Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297; Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Spohn,
R., Kampf um die Arbeitskraft, 1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen,
1996; Wiener Neustädter Handwerksordnungen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm,
U. Die Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa,
hg. v. Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert,
H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein
Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk – Städte – Reich, 2002;
Deter, G., Handwerk vor dem Untergang, 2005
Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und nach
der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in Kiel
ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches Staatsrecht,
1892).
Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materialem
Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 355
Hängen ist das Töten eines Menschen durch Aufhängen an einem
Strick (-> Todesstrafe, -> Galgen). Das H. ist dem römischen Altertum
fremd, den Germanen bekannt. Später wird vor allem der Dieb gehängt. Seit 1771
wird das H. im deutschen Sprachraum durch das Enthaupten ersetzt. Mit dem
Verbot der -> Todesstrafe verschwindet es allgemein.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922
Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg hervorgegangene, nach der
Stadt (1163? bzw. 1189) H. an der Leine (1831 Technische Hochschule) benannte
norddeutsche Fürstentum (1714-1837 Personalunion mit England), das 1814 zum
Königreich aufsteigt (1850 Bürgerliche Prozessordnung) und 1866 von Preußen
annektiert wird. -> Göttingen
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12.
1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850,
Neudruck 1971; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen
Rechte, 1904; Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W.,
Zweihundert Jahre Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866,
1962; Besecke, K., Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen
1964; Pufendorf, F., Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W.,
1970; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans.
Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Der hannoversche Verfassungskonflikt
1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt, Kirche und Reformation, 1987; Rechtsquellen
aus den hannoverschen Landen 1501 bis 1803, hg. v. Oberschelp, R., 1999; May,
J., Vom obrigkeitlichen Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000;
Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover, Bd. 1ff., hg.
v. Seidel, R. u. a., 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im
Königreich Hannover 1848-1866, 2007
Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von hochmittelalterlichen
Kaufleuten ausgehende norddeutsche -> Städtebund. Seinen Anfang bildet
vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh. bevorrechtigte Genossenschaft
deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird danach die Gründung
deutschbesiedelter Städte von Lübeck bis Riga (1201), Reval (nach 1219) und
Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des Interregnums fassen die einander nahestehenden
Städte gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358 [mnd.] stede von der
dudeschen hanse). Außer in London (Guild Hall, Stalhof) bestehen bedeutsame Niederlassungen
in Nowgorod (um 1200-1494), Brügge und Bergen (um 1340). Unter der Führung der
H., der bis zu 70 Städte angehören, kann im Kampf gegen Dänemark 1368
Kopenhagen erobert werden. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H.
aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und
Lübeck verbleibt.
Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das
Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die
deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse
und der deutsche Orden in Preußen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die
Antwerpener Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden
und Wesen der Hanse, 3. A. 1943; Ebel, W., Hansisches Recht, 1949; Reibstein,
E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs. f. ausländ. öff. Recht 17 (1956),
38; Pagel, K., Die Hanse, 3. A. 1963; Olechnowitz, K., Handel und
Seeschifffahrt der späten Hanse, 1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische
Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost
und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte und Landesfürsten, 1971; Stark, W.,
Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K., Holland und die Hanse, 1973; Dollinger,
P., La Hanse, 4. A. 1989; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse, 3.
A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch, F.
u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische
Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler,
H., Die Hanse, 1996; Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn,
N. u. a., 1999; Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000; Pichierri, A., Die Hanse,
2000; Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die
Blütezeit der deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u.
a., 2002; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003
Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich die Benennung für einen
Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben (Regensburg 1184, Brügge
1187, Österreich seit 1266, Kassel 1323, Bremen 1405).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A.
1980, 58, 284
Hardburi
Lit.: Krogmann, W., As. hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233
(Stammesobrigkeit)
Hardehausen
Lit.: Urkunden des Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002
Hardenberg, Karl August (Essenroda 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822)
wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Göttingen (Pütter) und einem Besuch
am Reichskammergericht in Wetzlar 1770 Verwaltungsbeamter in Hannover, 1782 in
Braunschweig, danach in Preußen (1791 Staatsminister für Ansbach und Bayreuth,
6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen). Mit seinem Namen verbinden sich die
Maßnahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit
1810, Regulierungsedikte 1811, 1816).
Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen
Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der
Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von
Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl
August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann,
I., Hardenberg, 2003
Harderwijk ist von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität.
Häresie ist die dem kirchlichen Dogma widersprechende Irrlehre
(Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum durch Verbote von
Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der Todesstrafe sowie im
Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft.
Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen
im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967; Lerner,
E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in Österreich,
1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998; Lambert, M.,
Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of Heresy, 2006;
Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u. a., 2006
Harlem wird 1752 Sitz einer Universität.
Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als Richter von Thessaloniki
ein -> Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des spätbyzantinischen Reiches
in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf dem Balkan während der
Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges Zivilgesetzbuch (bis 1946)
Verwendung findet.
Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995
Harmschar (F.) Qual, Schande
Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim 20. 1. 1560-Tübingen 18. 9.
1639), früh verwaister Juristensohn, wird nach dem Studium der Philosophie und
Rechtswissenschaft in Straßburg, Tübingen und Marburg 1589 in Tübingen
promoviert und nach kurzer Tätigkeit am Reichskammergericht 1592 Professor in
Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein sechsbändiger Kommentar zu den
Institutionen Justinians (Opera [N.Pl.] omnia multis insignibus quaestionibus
adaucta, 1627-1630, Gesammelte, mit vielen berühmten Untersuchungen vermehrte
Werke), der auch die Praxis und das heimische Recht berücksichtigt.
Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und Dr.
Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272
Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/5-nach 1210?), mittelhochdeutscher
Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus (Gesetzen) gelesen hatte und dadurch
(mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke erfassen zahlreiche rechtliche
Geschehnisse.
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Wapnewski,
P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967
Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem Rechtsstudium
in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn. In seinem
Buch Die Culpa des römischen Rechts (1815) teilt er die (lat. [F.]) culpa unter
Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) und die
Schuld (culpa).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289
Hassfurt
Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002
Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit dem 15. Jh. belegte
Genossenschaft zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes im
Turnus von 16-18 Jahren. Sie entwickelt sich zur juristischen Person.
Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des
Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1956
Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist ein Anführer wie z. B. in
Friesland seit dem 14. Jh..
Lit.:
Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA 24 (1903), 148
Hauptstadt ist im neuzeitlichen Staat der amtlich festgelegte Ort des
Sitzes der Herrschaftsgewalt.
Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen
Rechtsgeschichte. Diss. jur. Bonn 2003
Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor für Verwaltungsrecht
(1888) und Verfassungsrecht (1920) in Toulouse, begründet, ausgehend vom
Verwaltungsakt, die Wissenschaft vom Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de
droit administratif et de droit public général, 1892, Grundriss des
Verwaltungsrechts und allgemeinen öffentlichen Rechts).
Lit.: Sfez, L., Essai sur la
contribution du doyen Hauriou au droit administratif français, 1966
Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere
Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in
erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten
Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer
Besiedlung öffentlichrechtlichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche
Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet
des Geschlechts).
Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71, 88,
120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937; Kramer,
K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt „Haus
Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956), 155; Dölling,
H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958; Benedikt, H., Die
Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft,
1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hann.
Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus und Hof im
spätmittelalterlichen Lübeck, in: Der Ostseeraum, hg. v. Friedland, K., 1980,
31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A.,
1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2 1985; Haus und
Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Haus- und
Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2005
Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem 14. Jh.
erkennbare handwerksartige Tätigkeit in eigenen Räumen für Zwischenmeister oder
Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19. Jahrhundert. Für die
1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein Hausrbeitgesetz
geschaffen.
Lit.: Leuthier, O., Entstehung und Entwicklung des Hausarbeitgesetzes, 2006
Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in
Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an
den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Mannes, dessen
Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass
sie bislang geklärt ist.
Lit.: Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben,
1991; Forker, A., Kaspar Hauser, in: Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs
(1775-1833) für die Gegenwart, 2003, 99
Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im römischen Recht der Mensch,
der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui iuris) wird, nämlich vor
allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das adoptierte Kind, der
adrogierte Sohn sowie die gewaltunterworfene Ehefrau.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler,
DRG 23, 38
Hausfriede ist das Recht, innerhalb der eigenen Wohnung und des
umfriedeten Lebensbereiches ungestört zu sein. Bereits im Frühmittelalter sind
Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer Buße bewehrt. Im
Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein erfasst. Danach schaffen
partikulare Rechte sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch einen
besonderen Tatbestand des Hausfriedensbruches.
Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857,
Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Hausgesetz ist die von einer hochadligen Familie für sich gesetzte
besondere Rechtsordnung. Das H. findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es
betrifft vor allem die Erbfolge, die Ehe und die Veräußerlichkeit des
Familiengutes (z. B. -> Dispositio Achillea für die Hohenzollern 1473, ->
Pragmatische Sanktion vom 19. 4. 1713 für Österreich). Im 19. Jh. wird das H.
von der Genehmigung durch den Staat abhängig.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der pragmatischen
Sanktion, 1911
Hausgewalt -> Haus
Haushalt ist ursprünglich die häusliche Verbrauchsgemeinschaft, seit
dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben
dienenden Einkünfte und Ausgaben einer -> juristischen Person des
öffentlichen Rechts (-> Staatshaushalt), die nach dem Vorbild der
Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh. vom Parlament durch ein
Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht der
Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der
Staatshaushaltsplan, 1968; Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Richarz, I., 1994; Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik,
1987; Strube, S., Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Hauskind ist im römischen Recht das unter der väterlichen Gewalt
lebende -> Kind.
Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I,
50 III 4a, 66 VI, 68 III 2
Häusler ist im mittelalterlichen Recht der nur ein Haus und kein
Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte, Seldner).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der Deutschen
Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457
Hausmarke ist im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem
Wappen des Adels vergleichbare schriftartige Erkennungszeichen für einen
Menschen oder ein Haus (u. a. Handelsmarke, Notarssignet).
Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870, Neudruck,
1964; Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M.,
Schweizerische Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel,
K., Die Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320
Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der Leiter einer Hausverwaltung
im spätrömischen Italien und im Frühmittelalter. Bei den fränkischen
Königsfamilien finden sich (anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751
verdrängt der austrasische H. Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der
Arnulfinger oder Pippiniden den König aus dem Geschlecht der -> Merowinger
und begründet die Königsfamilie der -> Karolinger.
Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt, 1880,
Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen
Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts,
Diss. phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens,
Francia Beiheft 16/1 1989, 217
Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses. Nach altrömischem Recht
kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.) lance et licio
(Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher der Suchende
nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und eine Schüssel
(lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter bei
erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet
werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen
beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende
bußpflichtig. Seit dem Hochmittelalter bedarf die H. mehr und mehr der
vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die
Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh.
gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz
eingeschränkt werden kann.
Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin, C. Frhr. v., Die Formen
der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, in: Sympotica F. Wieacker
1970, 59
Haustürgeschäftswiderrufsgesetz
ist das deutsche Gesetz vom 16. 1.
1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines
Vertrages über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines
Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen
einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das
Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 266
Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt beschränkte, alle verwendeten
Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft. Sie ist bereits im antiken Rom
zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im Frühmittelalter erweitert sie sich
auf die jeweilige Grundherrschaft und tritt seit dem Hochmittelalter zurück,
um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre Bedeutung zu verlieren.
Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt der
Neuzeit, 1988
Haut und Haar ist eine mittelalterliche Bezeichnung für Leibesstrafen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Haverei (Haverie) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und
Ladung entstehende Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im
hellenistischen Bereich entwickelte (lat.) -> lex (F.) Rhodia de iactu
(rhodisches Gesetz über den Seewurf), nach welcher der Schiffer, der in Seenot
Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff rettet, dem geschädigten
Befrachter zur Erstattung eines anteiligen Ausgleiches entsprechend dem Wert
der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet ist, gegen die er seinerseits
Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern dies die -> Rôles d’Oléron
in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger Stadtrecht bildet Regeln über die H.
aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner, nur das Frachtgut betreffender, und
großer, auch das Schiff erfassender H. unterschieden wird. Über das ->
Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das deutsche
Handelsgesetzbuch (1897) ein.
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex Rhodia de
iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei, 1889;
Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts, Hamburg.
Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles d’Oléron, 1970;
Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen,
1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur Begriffsgeschichte der Haverei, FS H.
Niederländer, 1991, 57
hebräisch -> Israel, Jude
Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6. 1943)
wird nach dem Studium von Mathematik und Recht in Leipzig und der Habilitation
in Berlin Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen (1901). Er
begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen ->
Begriffsjurisprudenz und -> freie Rechtsschule gerichtete -> Interessenjurisprudenz,
die Lücken im Recht durch Vergleich gesetzlicher Entscheidungen von
Interessengegensätzen (oder bei deren Fehlen durch persönliches Wertempfinden)
schließen will. Daneben verfasst er Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und
Sachenrecht (1930) und zahlreiche rechtsgeschichtliche Arbeiten.
Lit.: Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz,
1932; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf,
M., Philipp Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische
Methode als Lebensaufgabe, 2001
Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte. Sowohl in
Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines Volksheer. In Rom
beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein Berufsheer von
Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter Augustus (63 v. Chr.-14
n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu 6000 Männern vorhanden.
Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen
Nachfolgevölkern das Volksheer der einfachen Freien und wird durch ein
ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als 2000
Gepanzerten ersetzt. An dessen Stelle tritt seit dem 14. Jh. der berufsmäßige,
zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete Fußsoldat, der nach
Bedarf angeworben wird (Landsknechte). Das Reichsheer besteht aus geringen Kontingenten
der Reichsstände, wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren
Gestellungsverpflichtungen entziehen. Seit der Mitte des 17. Jh.s strebt der
Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die Aushebung die
Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die allgemeine
Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das deutsche H.
auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf Hitler bald diese
Einschränkung. 1956 wird die Bundeswehr der Bundesrepublik Deutschland (und im
Gleichlauf die Volksarmee der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) eingerichtet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG 112,
150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872; Bonin,
B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn der
Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Grosse,
R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche
Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann,
A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Das Heerwesen, 1935ff.; Huber,
E., Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938; Höhn, R.,
Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG
GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief für die Reichsarmee von
1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die Heeresverfassung des deutschen
Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J., Der Krieger der Merovingerzeit,
1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen Territorien von 1500
bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M., The Laws of War, 1965; Hermann,
C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller, K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling,
O./Schwinge, E., Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des
nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus.
Zerstörung einer Legende, 1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die
Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a., 1999; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v.
Hamburger Institut für Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg
zum Imperium, 2003; Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003;
Bald, D., Die Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005;
Megargee, G., Hitler und die Generäle, 2006
Heerbann ist seit dem Frühmittelalter (Erstbeleg um 665) der das
-> Heer betreffende -> Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht mit dem H.
bewehrt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Heergewäte (Hergewäte) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H.
wird wohl schon seit dem Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen
männlichen Verwandten (ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem
Hochmittelalter im Schwinden begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh.
(Fehmarn) allgemein abgeschafft.
Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein
Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade,
Diss. jur. Göttingen 1966
Heerschild ist das Einteilungskriterium der mittelalterlichen Ordnung
der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224)
hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten stehen im zweiten H., die
weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die (siebenstufige) Heerschildordnung
nach unten reicht, ist auch den mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig
klar.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J., Vom
Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen
Könige, 1979
Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8. 1770-Berlin 14.
11. 1831), Beamtensohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in
Tübingen Hauslehrer und nach der Habilitation (1801) außerordentlicher
Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist Weltgeschichte der
notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute Geist seiner
Freiheit im dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese
bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen Staat als
Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem Einzelnen
stärker übergeordnet als notwendig.
Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands [um 1803],
hg. v. Mollat, G., 1893; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP
59 (1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975;
Materialien zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen,
M., Sein und Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Fulda, F., Georg Wilhelm
Friedrich Hegel, 2003; Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006
Hegemonie (F.) Vormachtstellung
Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie, 1938
Hegung ist im deutschen Recht die förmliche Eröffnung von gerichtlichen
Versammlungen durch künstliche Abgrenzung und Durchführung eines
Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh. eindeutig sichtbaren
Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem Spätmittelalter wird die H.
ziemlich sinnentstellt durchgeführt (, in Basel wohl noch bis in das
ausgehende 19. Jh.).
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893;
Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989,
1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu
Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355
Hehler ist, wer eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst
durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hat,
ankauft, sich oder einem Dritten verschafft, absetzt oder absetzen hilft, um
sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H. ist strafbar (-> Der Hehler
ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein Privileg Heinrichs IV. für die
Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt aber, dass Juden, die gestohlene
Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur gegen Ersatz des Kaufpreises
herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder Lösungsrecht). Mit dem Ausgang des
Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden.
-> Der Hehler ...
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Meyer, H., Das
Hehlerrecht, in: Forschungen zur Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum
Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur
Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 360; Dersch, G.,
Begünstigung, Hehlerei und unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B.,
Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im 11. Jh. erbauten Burg wird
seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort der seit 1214 wittelsbachischen
Pfalzgrafen bei Rhein, an dem 1386 eine Universität errichtet wird, an deren
juristischer Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max Gutzwiller, Ernst
Levy, Gustav Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek (sowie Herbert
Engelhard, Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und Kalr Geiler)
lehrten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, Ruperto-Carolina, Sonderband Aus der Geschichte der
Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961; Jammers, A., Die Heidelberger
Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als Spruchkollegium, 1964; Merkel, G.,
Wirtschaftsgeschichte der Universität Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit,
D., Das juristische Studium in Heidelberg, in: Semper apertus, FS Universität
Heidelberg, hg. v. Doerr, W., Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger
Juristen in sechs Jahrhunderten, in: Richterliche Rechtsfortbildung, FS der
juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität
Heidelberg, 1986, 653; Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Küper, W., 1986; Der Humanismus und die oberen Fakultäten,
hg. v. Keil, G. u. a., 1987; Mußgnug, D., Die vertriebenen Heidelberger Dozenten,
1988; Wolf, K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J.,
Heidelberg, 1999; Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.;
Remy, S., The Heidelberg Myth, 2002; DIe Universität Heidelberg im
Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a., 2006
Heilige Allianz ist das am 26. 9. 1815 zwischen Franz I. von ->
Österreich, Friedrich Wilhelm III. von -> Preußen und Alexander I. von ->
Russland abgesprochene religiös-moralische Manifest, das neben dem Bekenntnis
zur christlichen Religion und zu den Grundsätzen der Legitimität, Legalität und
Stabilität auch ein allgemeines Beistandsversprechen enthält. Ihm treten fast
alle christlichen Staaten Europas bei. Bereits 1823 außerhalb Europas und 1830
in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimistische
Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interessengegensätze der
beteiligten Mächte aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der Heiligen
Allianz, 1928
Heiliger -> Reliquie
Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Wetzstein,
T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen
Spätmittelalter, 2004
Heiliger Stuhl -> Papst
Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) ist die sich im Spätmittelalter
ausformende Bezeichnung des (ersten) deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um
1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.] imperium Romanum, 1122 Romanorum
imperator, ab 1157 phasenweise [lat.]
sacrum imperium [N.], seit der Spätzeit Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit
etwa 1230 häufiger sacrum Romanum imperium). Das H. R. R. wird getragen von
-> König bzw. Kaiser und -> Reichsständen. Es endet als H. R. R. auf den
politischen Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsforderung an den Kaiser vom
22. 7. 1806) am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone durch Kaiser Franz
II. (aus der Familie der -> Habsburger). Die h. M. legt den im 15. Jh.
aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das
deutschsprachige Gebiet einschränkend aus. Die (materielle) -> Verfassung
des Heiligen Römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen
behandelnden „Grundgesetzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser
Konkordat von 1122 beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene
Bulle 1356, Wiener Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskammergerichtsordnung
1495, Augsburger Reichsabschied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster
Reichsabschied 1654, Reichshofratsordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711,
Reichsputationshauptschluss 1803).
Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher
Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff.
1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation,
1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches,
ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, HZ
156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen
Römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie
des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches
Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen
Römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit
Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges Römisches Reich
1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H., Bestrebungen zur
Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970; Koch, G., Auf dem
Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und Reich, 1979; Bussi, E.,
Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971; Aretin, K. Frhr. v., Das
Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register); Walter, G., Der Zusammenbruch
des Heiligen Römischen Reiches, 1980; Nonn, U., Heiliges Römisches Reich
deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N., Das Römische am Heiligen
Römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Heiliges Römisches Reich und moderne
Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin, K. v., Das alte Reich
1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges Römisches Reich, 1995;
Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Sssig, M., Das Reich als europäische
Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches, 1999; Marquardt, B.,
Das römisch-deutsche Reich als segmentäres Verfassungssystem, 1999; Hartmann,
P., Kulturgeschichte des heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium
Romanum – irregulare corpus – Teutscher Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M.,
2002; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel, 2003; Gotthard, A., Das alte
Reich 1495-1806, 2003; Prietzel, M., Das heilige römische Reich im
Spätmittelalter, 2004; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Herbers,
K. u. a., Das Heilige Römische Reich, 2005; Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A.,
Zeitenwende 1806, 2005; Hartmann, P., Das Heilige Römische Reich in der
Neuzeit, 2005; Stollberg-Rilinger, B., Das heilige römische Reich deutscher
Nation, 2006; Lesebuch altes Reich, hg. v. Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus,
H., Das Ende des alten Deutschland, 2006
Heilung (von Rechtsgeschäften) -> Konvaleszenz
Heimbürge (seit 9. Jh. belegt) ist seit dem
Hochmittelalter der Leiter (von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist
dörflichen Gemeinde zwischen Elsass und Thüringen, der endgültig im 19. Jh.
verschwindet.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962
Heimfall ist der Anfall des Nachlasses von erbenlos verstorbenen
Menschen. Er steht teils dem Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der
Gemeinde, teils dem König oder Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der -> Fiskus gesetzlicher Erbe.
Lit.: Hübner 777; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und
die Gütervereinigung im älteren böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1;
Poll, B., Das Heimfallsrecht auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925,
Neudruck 1978; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149;
Jewell, H., English Local Administration, 1972
Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit
Lit.: Dörner, B., Heimtücke, 1998
Heineccius, Johann Gottlieb (Eisenberg 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741)
wird nach dem Studium der Theologie in Leipzig und des Rechts in Halle (Stryk,
Thomasius, Böhmer, Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und 1720/1721
Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder (1727) und
Halle (1733). Seine dogmatischen Grundrisse (darunter die erste geschlossene
Darstellung des deutschen Privatrechts und das erste römischrechtliche Lehrbuch
moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum
syntagma [N.], 1721, Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institutionum,
1725, Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Jurisprudentia [F.] Romana, 1738ff.,
Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurisprudentiam patriam illustrantes, 1772ff.,
Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f., Elementa [N.Pl.] iuris naturae et
gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Reibstein, E., J. G. Heineccius als
Kritiker des grotianischen Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24
(1964), 236; Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht,
Ius commune 1 (1967), 195; Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v.
Bergfeld, C., 1994
Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem 13. Jh. nachweisbare
dörfliche Marknutzungsverbände von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792
von Frankreich beseitigt werden.
Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der pfälzischen
Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der Haingeraiden,
Pfälzer Heimat 20 (1969), 20
Heinrich der Löwe (1128/9?-Braunschweig 6. 8. 1195), -> Welfe, Herzog von
Sachsen (1142) und Bayern (1156), gefährdet durch seine beinahe königliche
Machtstellung den mit ihm verwandten deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa
(-> Staufer). Da er mehreren Ladungen in einem von Fürsten wegen
Landfriedensbruches eingeleiteten Verfahren vor dem Kaiser nicht Folge leistet,
wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet und als Folge des Nichterscheinens
in einem daraufhin wegen Nichtachtung der Majestät begonnenen Verfahrens im
Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im April 1180 wird das
Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln) und (östliches)
Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das Herzogtum Bayern
an Otto von -> Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur die Eigengüter um
Braunschweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums Sachsen
wird die Bildung von -> Ländern weiter gefördert.
Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen, 1909;
Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3
(1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195;
Moeller, R., Die Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Schambach,
K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, Zs.
d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189; Güterbock, F.,
Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920; Hüttebräuker.
L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs
des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen
Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische „Staat“ Heinrichs des
Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung Heinrichs des Löwen in
Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues zum Text der Gelnhäuser
Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs des Löwen, bearb. v.
Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des Achtspruches, ZRG GA 69
(1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961;
Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und Stadtrechte des 12.
Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich der Löwe, 1979, 2. A.
1980; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W., 1980; Engels, O., Stauferstudien,
1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt, J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der
Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe und die Welfen, HZ 268 (1998), 375;
Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und die Slawen nordöstlich der unteren
Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried, J. u. a., 2003
Heinrich von Segusia -> Hostiensis
Heirat (F.) -> Eheschließung
Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R., Ein
Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen
Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004
Heirat macht mündig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)
Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung eines Menschen mit
einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmittelalter bedarf die Braut der H.
des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die Fälle fehlender
Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie die H. des
Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse für
Beamte, Soldaten, Kranke, Witwen usw. Die Aufklärung drängt seit dem
ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück.
Lit.: Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des
Rechts der Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung,
1908; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967
Helgoland
Lit.: Moeller, E, v., Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904
Heliand („Heiland“) ist die nach der lateinischen Übersetzung (6.
Jh.) der Evangelienharmonie des Syrers Tatian (2. Jh.) vor 850 (wohl in Fulda
oder Werden) verfasste altsächsische Stabreimdichtung. Es ist streitig, in
welchem Umfang das Werk frühmittelalterliches Recht wiedergibt (Herrschaft,
Stände, Rüge).
Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand, 2. A.
1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn, H., Die
Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski, B.,
Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg. v.
Taeger, B., 10. A. 1996
Hellenismus ist ursprünglich der richtige Gebrauch der griechischen
Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer Kultur seit Alexander dem
Großen (356-13. 6. 323 v. Chr.).
Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22;
Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des Hellenismus,
3. A. 2003; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die Rezeption der Antike, hg.
v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999; Heinen, H., Geschichte des
Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v. Schmitt, H./Vogt, E., 2005
Heller, Hermann (Teschen 17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933),
Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920
in Kiel (Radbruch) habilitiert, 1928 zum außerordentlichen Professor in Berlin
und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main (bis 7. 4. 1933)
ernannt. Er versteht in der Staatslehre den Staat als sozialen Rechtsstaat.
Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale
Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann
Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002
Helmarshausen
Lit.: Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey,
1992
Helmstedt ist von 1576 bis 1810 Sitz einer vom Herzog von Braunschweig
gegründeten Universität.
Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der Universität
Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz, E., Die
Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die Spruchpraxis an der
juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kundert, W., Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, 1984 (2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der
altständischen Gesellschaft im Zeitalter des „Absolutismus. Die
Gutachtertätigkeit der Helmstedter Juristenfakultät, 1989; Alschner, U.,
Universitätsbesuch in Helmstedt, 1998
Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König von Schweden gegründet
und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine Universität. 1812 wird es
Hauptstadt des russischen Großfürstentums -> Finnland.
Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von Caesar 58 v. Chr.
besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich (Napoleon) beeinflusste
Republik in der -> Schweiz (1798-1803).
Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik, 1945;
Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982;
Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984
Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst bezeugte Vollstrecker des
(auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt als unehrlich. Vor der
Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden eine Henkersmahlzeit zu.
Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne, ZRG GA
44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928; Hentig, H.
v., Vom Ursprung der Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter,
1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Deutsch, A.,
Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420; Bendlage, A., Henkers
Hetzbube, 2003
Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang und im Hochmittelalter
und Spätmittelalter insbesondere im Recht des Ingelheimer Oberhofes der ->
Ehevertrag.
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert,
1968, 104
Henneberg
Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen,
1944; Bibliographie zur hennebergischen Geschichte, bearb. v. Henning, E. u.
a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch,
J., 2006
Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12. 1504), aus der Familie der
Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium der Theologie in Erfurt
(1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und Erzbischof von Mainz (20. 5.
1484). Er bestimmt als Reichskanzler maßgeblich die Reformen des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation) im Jahre 1495 (-> Reichskammergericht,
-> Landfriede, -> Gemeiner Pfennig).
Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader, K.,
Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia,
Diss. phil. Würzburg 1970
Hennegau
Lit.: Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des
mittelalterlichen Hennegaues, 1909; Verriest, L., Le servage dans le Comté de
Hainaut, 1910; Cauchies, J., La législation princière pour le comté de Hainaut,
1982
Heraldik (F.) Wappenkunde
Lit.: Köbler, DRG 3; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische
Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948; Crusius,
E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M., Handbuch der
polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger, Z., Ceska
heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Lexikon der
Heraldik, 1984; Henning, E./Jochums, G., Bibliographie zur Heraldik, 1984;
Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock, T./Robinson, J., The Oxford Guide to
Heraldry, 1988; Handbuch der Heraldik, 19. A. 1998; Filip, V., Einführung in
die Heraldik, 2000; Filip, V., Einführung in die Heraldik, 2005
Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist der erste europäische
Philosoph, der den Einsatz des Einzelnen für die rechtliche Ordnung als
Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens hervorhebt.
Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993
Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe eines Menschen oder
einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabeanspruches ist die schon dem
altrömischen Recht vertraute (lat.) -> rei vindicatio (F.). Sie lebt im
modernen H. in abgewandelter Form fort.
Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212
Herberge
Lit.: Hermesdorf, B., De herberg in de Nederlanden, 1957
Herborn ist von 1584 bis 1815 Sitz einer Universität.
Lit.: Schmidt-von Rhein, G., Zur Geschichte der
rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen Schule zu Herborn, ZRG GA 103
(1986), 263; Terharn, C., Die Herforder Fehden im späten Mittelalter, 1994
Herdecke
Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939
Herder, Johann Gottfried (Mohrungen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12.
1803) wird nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764) Prediger. Er
sieht in der Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst
schaffenden -> Volksgeistes, dessen nationale Eigenart geschichtlichen
Eigenwert besitzt (Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er -> Savignys
Verständnis vom Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Gesamtkultur
in bedeutsamer Weise.
Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur,
1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772;
Würtenberger, T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12
(1957), 137; Kalletat, F., Herder und die Weltliteratur, 1984; Zaremba, M.,
Johann Gottfried Herder, 2002
Heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in klassischer römischer
Zeit die schon früh an den Anfang des Testamentes zu stellende, lange Zeit
unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres esto).
Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2
Hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht die vor allem aus
Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt als Einheit durch
Gesamtnachfolge dem Erben an.
Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW
Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende
Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.]
extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischem dem Tod des Erblassers und
der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Außenerben. Ursprünglich gelten
die Erbschaftsgegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die
Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und
können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte erwerben.
Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter
übernommen (z. B. Österreich).
Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985, 562, 621, 629
Hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbegehren) ist bereits im
altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine Person, die
behauptet Erbe zu sein.
Lit.: Kaser §§ 65 III, 75
Heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Erbe (Hauserbe
oder Außenerbe).
Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37;
Köbler, LAW
Herford ist eine westfälische, um das 823 gegründete, 1147
reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die Bilderhandschrift eines
mittelalterlichen Rechtsbuches überliefert ist.
Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 64 (19449, 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung
von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die
Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der
Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Terharn, C., Die Herforder
Fehden, 1994
Hergewäte -> Heergewäte
Herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der tatbestandliche Vorwurf
(des Hochverrats), der 788 zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.
Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 53
Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.), Bürger in Magdeburg, fertigt
möglicherweise ein Register zum Landrecht des -> Sachsenspiegels sowie die
um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen Schriften -> Cautela und ->
Premis an.
Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela und
Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 66
Hermann von Salza von 1209 bis (Salerno) 20. 3. 1239 (vierter) Hochmeister
des Deutschen Ordens, erlässt die sog. -> Kulmer Handfeste, die lübischem
und magdeburgischem Vorbild folgend den nach Kulm und Thorn gezogenen Bürgern
freiheitliche Rechte gewährt.
Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung des
Deutschordensstaates in Preußen, 1924
Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter Kaiser Diokletian (284-313/316)
Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.) praefectus (M.) praetorio
(Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private (halbamtliche?) Sammlung von
Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293 und 294 (-> Codex
Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die -> Digesten Justinians
aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus
klassischen Juristenschriften).
Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris
Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36,
137
Herold (M.) Verkünder
Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956
Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der Donau 17. 12. 1514-1567),
Übersetzer und Drucker, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung von 12 (10)
Volksrechten, deren handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.]
Frisionum, eine Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.
Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder über
einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat. [M.]
senior, Älterer, gebildet. Hausherr, Grundherr, Lehnsherr und -> Landesherr
sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät wird H. zu einer allgemeinen Anrede
erwachsener Männer.
Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren Grafen
und Herren des Heiligen Römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v., Der
Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande, 1916; Oberschelp,
B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren, Herrenbesitz und
Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969 (masch.schr.); Kulenkampf,
A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer Grafen und Herren, Diss. jur.
Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/65,
1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein, 1990; Algazi, G., Herrengewalt,
1996
Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11 Ministerpräsidenten der westlichen
Besatzungszonen des Deutschen Reiches vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee
im Chiemsee einberufene, eine -> Verfassung (-> Grundgesetz) der späteren
Bundesrepublik -> Deutschland vorbereitende Gremium.
Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981; 50 Jahre
Verfassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998; Weichenstellung
für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998
Herrenfall ist der Tod des -> Herrn im Lehnsverhältnis.
Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem englischen House of Lords
nachgebildetes Staatsorgan der Verfassungen des 19. Jh.s (Preußen 1855-1918,
Österreich 1861-5, 1867-1918). Ihm gehören hauptsächlich Vertreter des ->
Adels an.
Lit.: Baltl/Kocher; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Spenkuch, H., Das preußische Herrenhaus, 1998
Herrenlos ist die Sache, die keinen Eigentümer hat (z. B. in Freiheit
befindliche wilde Tiere). Die herrenlose Sache unterliegt der Aneignung.
Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jedermann, nach späterem deutschem Recht
der jeweils besondere Träger eines Aneignungsrechts (z. B. Jagdberechtigter,
Fiskus).
Lit.: Hübner 454f.
Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines Menschen (-> Herrn) über
einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand). Sie entsteht vorwiegend durch
Eroberung und Überschichtung. Es ist streitig, ob sich die umfassende
Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt.
Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und
Landesherrschaft, Hausherrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort
herscaf (mhd.) als Herrenstellung findet sich erst im 13. Jh. Seit etwa 1750
wird zwischen öffentlichrechtlicher Herrschaft und privatem Eigentum des
Landesherrn unterschieden.
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas,
A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W.,
Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen
der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und
souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O., Land
und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen
deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A.,
Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und
Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze,
hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale
Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986;
Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft,
1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6.
und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und
Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Hohkamp, M., Herrschaft in der
Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Holtz, S.,
Bildung und Herrschaft, 2002; Die Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F.,
2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H. u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft,
2003; Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v.
Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U.,
Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer
Herren?, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2005
Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen Altertum ansatzweise
sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft
Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht
diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag an (Thomas von Aquin, -> Marsilius
von Padua). Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als ->
Gesellschaftsvertrag (-> Althusius, -> Hobbes, -> Locke, ->
Pufendorf, -> Rousseau 1762).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge
und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt,
A., 1965
Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen der (als solcher unsichtbaren)
Herrschaft (z. B. -> Ornat, -> Krone, -> Lanze, -> Schwert, ->
Zepter). Seine Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher bescheiden. Der
bedeutendste Schatz an H. sind die -> Reichsinsignien.
Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, 1955; Fillitz,
H., Die Insignien und Kleinodien, 1954
Herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der Gelehrten (z. B. Rechtsgelehrten
in einer Frage (z. B. Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu
finden sich bereits im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins
[321], das zunächst -> Papinianus für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz
Theodosius’ II. und Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus,
-> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius besondere Geltung
verleiht und bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im
Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der
(lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht, ->
Bartolus, -> Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen Gerichts das
regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die Wiedergeburt
der Rechtskultur in Italien, 1938, 204
Herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage insgesamt vorherrschende
Meinung.
Lit.: Zimmermann, Die Relevanz einer herrschenden Meinung,
1983; Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989
Herrscher
Lit.: Europäische Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988; Herrscherchronologien
der antiken Welt, hg. v. Eder, W., u. a., 2004; Bussmann, B., Die
Historisierung der Herrscherbilder (ca. 1000-1200), 2006
Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen 6. 10. 1651-Gießen
19. 9. 1710) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Gießen und des
Rechts in Jena, Leipzig und Wittenberg 1683 Professor in Gießen. Er verwendet
neben dem römischen Recht auch deutsche Rechtsquellen, befasst sich mit dem
Kollisionsrecht (Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher
deutscher Rechtssprichwörter heraus.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62;
Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963
Herzegowina -> Bosnien
Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998;
Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche
Stauts von Bosnien-Herzegowina, 2004
Herzog ist die wohl nach griechischem Vorbild geschaffene
germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder Volkes). Bei den
Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie weströmische
duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s stammen die
Herzöge im Frankenreich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der
königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder
Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen usw.) auf
([ältere] Stammesherzöge). Die Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H.
durch fränkische Adlige (Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s
entsteht erneut ein (zweites) (Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher
Grundlage, das sich dem König aber früh zumindest teilweise wieder beugen muss
(Schwaben 926, Bayern 938). Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland
einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H.
verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsherzogtum
an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (-> Österreich 1156, Westfalen
1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235). 1918 verschwindet der H. aus der
deutschen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P.,
Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt
und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Much,
R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406; Miller,
C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T., Der Staat
der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und
Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der
Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im
agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel
in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978;
Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und
Herzöge von Bayern, 1986
Herzogtum ist die Würde und der Herrschaftsbereich des -> Herzogs.
Wichtige Herzogtümer sind zu unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben,
Franken, Sachsen, Thüringen, Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg,
Westfalen, Braunschweig-Lüneburg, Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg,
Württemberg, Nassau usw.
Lit.: Köbler, DRG 94
Hessen ist im Jahre 738 der Name eines kleinen, wahrscheinlich auf
die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes an der unteren Fulda, dessen
Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der -> Franken zuzurechnen ist
Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die Landgrafen (1130) von Thüringen und wird
nach Aussterben der Ludowinger (1247) selbständige Landgrafschaft. Nach dem
Übertritt Philipps des Großmütigen zum Luthertum (1524) wird H. bei seinem
Tode 1567 geteilt (Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel). Hessen-Darmstadt erhält
1820 eine Verfassung, Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung vor
1848. Hessen-Kassel wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (Provinz
Hessen-Nassau). Am 19. 9. 1945 wird der 1918 aus Hessen-Darmstadt entstandene
Volksstaat mit den preußischen Provinzen Nassau und Kurhessen zu Großhessen
bzw. H. verbunden.
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt,
A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum
Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in Hessen-Cassel, 1913; Klibansky,
E., Die topographische Entwicklung der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk,
H., Die Mainzer Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann,
K., Der Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen
Verfassung von 1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der
Niedergrafschaft Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich,
1932; Der ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd.
1f. 1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg?
Oberhessische Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an
der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches
Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958;
Hessische Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.; Demandt,
K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der Kreis
Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen, 1960ff.;
Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958; Geschichtlicher
Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn, F., 1960ff.;
Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von Hessen, bearb. v.
Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen zur
Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W., Hessische
Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W., Der pagus
des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil und die
Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis 1847,
ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.
3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Weiss,
U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein hessischer
Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981), 56; Demandt,
K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981; Krüger,
K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K., Verwaltungskontrolle in
Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur kurhessischen Parlaments- und
Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier, H., 1987; Rudersdorf, M., Ludwig
IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den
Anfängen der kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe,
E., Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der
hessischen Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a.,
1997; Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v.
Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land
Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H.,
2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebungen und Wissenschaft in
Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus
Hessen, 2005; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im
internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens,
2006
Lit.: Brandau,
B./Schickert, H., Hethiter, 2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich,
W., Die Hethiter, 2003; Friedrich, J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A.
2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite Priesthood, 2007
Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmitgliedes eines Schiffes.
Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in dem der Dienst auf einem Schiff
durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein Teil des Entgeltes
und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig.
Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1 1915;
Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiterrechts, Diss. jur. Greifswald
1938
Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11. 1921), Sohn des
Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem Rechtsstudium in
Basel, Göttingen und Berlin (1856) 1863 Professor, Richter und Politiker in
Basel. Sein bedeutendstes Werk sind die Institutionen des Deutschen
Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über
Menschen (-> Munt) und über Sachen (-> Gewere) ein umfassendes
Rechtssystem des mittelalterlichen deutschen Privatrechts aufzubauen versucht.
Auf H. geht auch die Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück.
Lit.: Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel,
1860; Festgabe der juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten
Geburtstag, 1904; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz, U.,
Andreas Heusler, ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische
Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in
der Schweiz, 1923; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und
die Sprache, 1967; Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Hexe (Zaungeist?) ist die zauberkundige Frau mit
magisch-schädigenden Kräften, die angeblich durch die Luft fliegen, sich in
Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem
Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Vielleicht im frühen 15. Jh. in Savoyen
beginnen bei der Verfolgung der Armut und Frieden fordernden, Eid und Amt
verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre Valdes) Hexenverfolgungen
(um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im Tessin [in der Leventina]),
aus denen nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden, die sich unter
Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439) aus
Inquisitionsprozessen entwickelt haben dürften und die auch der
Herrschaftsausübung dienen können. Möglicherweise werden vor allem zwischen
1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu) einer
Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000?, in ganz Europa [nur]
50000 bis 100000?, darunter auch Kinder) verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg
über den Hexenglauben gelingt (Johann Georg von Godelmann, De magis, 1584,
Friedrich von Spee, Cautio criminalis contra sagas, 1631, Thomasius, 1712). Der
letzte Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete
mit dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793).
1986 wird in Deutschland die Frage Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die
ihren Mitmenschen etwas anhexen können, von einem Drittel der Befragten bejaht.
Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die
Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der
Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn,
Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen,
J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung
im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M., Geschichte der
Hexenprozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und Hexenprozesse in
Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader, G., Die
Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W., Die
Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer Unterschiede
im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee und die
Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre abbatiale
de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959; Merzbacher,
F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C., Über die
Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y su mundo,
1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die Osnabrücker
Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in der
Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen
städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen,
ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der
Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn
und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in
Nordwestdeutschland, 1977; Kneubühler, H., Die Überwindung von Hexenwahn und
Hexenprozess, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland, 1981; Lorenz,
S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v. Degn, C.,
1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen Alpenländern, der
Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der neuzeitliche
Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u. a., 1987; Hexen
und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 4. A. 2000; Ginzburg,
C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann,
E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann, G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991;
Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter, A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei
im Spiegel der Rechtstheorie, 1992; Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess,
1992; Walz, R., Hexenglaube und magische Kommunikation im Dorf der frühen
Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und Regionalgeschichte, hg. v. Wilbertz, G. u.
a., 1994; Lambrecht, K., Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995;
Hexenglaube und Hexenprozesse, hg. v. Franz, G. u.a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung,
hg. v. Sönke, L. u. a., 1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v.
Voltmer, R. u. a., 1996; Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht,
1997; Schild, W., Die Maleficia der Hexenleut`, 1997; Behringer, W.,
Hexenverfolgung in Bayern, 3. A. 1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997;
Tschaikner, M., Magie und Hexerei im südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W.,
Hexen, 1998; Briggs, R., Die Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der
Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998), 566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer
verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd, 1999; Methoden und Konzepte der
historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u. a., 1998; Schmidt, J., Glaube
und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A. 2001; Himmlers
Hexenkartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Schulte, R., Hexenverfolgung in
Schleswig-Holstein, 2001; Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden,
H./Voltmer, R., 2002; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und
Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und
Teufeln, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003;
Levack, B., Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003;
Tschaikner, Manfred, Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t
Gallen, 2003; Koppenburg, I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our
demons, 2003; Perlhefter, V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann,
N., Verdorrende Bäume und Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und
die Hexen – Aus den geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen.
Magie, Mythen und die Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg.
v. Lorenz, S. u. a., 2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004;
Koppenborg, I., Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts,
2004; Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K.,
Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007
Hexenbulle ist die Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er
die Verfolgung der -> Hexen fördert (Summis desiderantes affectibus vom 5.
12. 1484).
Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist die erstmals 1486 bei
Peter Drach in Speyer gedruckte, die -> Hexenbulle kommentierende Anleitung
zum Vorgehen gegen -> Hexen von Heinrich Institoris (Kramer) (und Jakob
Sprenger) (handschriftliche deutsche Fassung 1491 an Nürnberg übersandt).
Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930; Malleus
maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus
maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich
Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger
Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus
maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H.,
Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000
Hexenprozess -> Hexe
Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für
Strafsachen
Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingrtaal
uit het Amorland, 1950
Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen 2. 5. 1946) wird nach
dem Rechtsstudium in Breslau (Dahn) außerordentlicher Professor in Berlin und
ordentlicher Professor in Königsberg, Marburg und Berlin (1914). Kennzeichnend
für ihn sind die Annäherung der Rechtsgeschichte an das geltende Recht und der
vielseitige Weitblick (Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts,
1896, Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechtsformen der
militärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen
Industrierechts, 1921).
Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit Schriftenverzeichnis);
Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65 (1947), IX
Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf Überordnung und
Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum in der Kirche und
im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit dem
Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung.
Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 103
Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus Fulda stammenden
Handschrift von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s in 68 stabreimenden
Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied.
Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher
Denkmäler, 1986
Hildesheim
Lit.: Gebauer, J., Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.;
Klewitz, H., Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim, 1932;
Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61 (1941),
151; Adamski, H., Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939; Quellen
zur Hildesheimer Laandesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964; Lücke,
J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968; Illemann, H.,
Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B., Der
Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978
Hinkmar von Reims (um 806-Epernay 21.? 12. 882), aus vornehmem fränkischem
Geschlecht, wird nach der Schulung in St. Denis 854 Erzbischof von -> Reims.
Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und Stellungnahmen in einzelnen
Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie aufbauende Darstellung des
Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine palatii, Von der Ordnung des
Palastes).
Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967; Hincmarus
de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar, 1975f.; Hinkmar
von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980; Stratmann, M.,
Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims und Hinkmars
von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De presbiteris
criminosis, 2004
Hinrichtung ist die Vollstreckung eines Todesurteils. Sie erfolgt im
altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil, im klassischen römischen
Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus hängen die Germanen
Volksverräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit dem Hochmittelalter
finden sich zahlreiche verschiedene -> Todesstrafen (Enthaupten, Hängen,
Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendigbegraben, Ertränken).
Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W., Die
Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968; Richtstätte
und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992; Martschukat, J., Die
öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186; Seeger, A.,
Hinrichtungen, 1998
Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12. 1898), protestantischer
Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Keller) und Berlin
(Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel (1868) und Berlin
(1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein sechsbändiges Kirchenrecht
der Katholiken und Protestanten in Deutschland (1869ff.). Politische Bedeutung
hat seine Mitwirkung am -> Kulturkampf (Personenstandsgesetz).
Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte, 1905
Hinterlegung (lat. [F.] -> depositio) ist die im Rahmen eines
Schuldverhältnisses erfolgende Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch
den Schuldner an die öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen
römischen Recht bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem
römischen Recht zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings
meist bei Gericht.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die
Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411
Hintersasse ist der vom Grundherrn abhängige Mensch in der ->
Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit
über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102
Hippolithus a Lapide (Bogislaw Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad
17. 5. 1678) veröffentlicht (zwischen 1640 und 1647 [um 1643?]) die (lat.)
Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico
(Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in der
er das Reich als Aristokratie der Stände erklärt.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 203
Hirdskra ist die zwischen 1274 und 1277 entstandene, unter König
-> Magnus Hakonarson (1263-1281) aufgezeichnete norwegische
Gefolgschaftsordnung, der eine vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin
vorausgeht. In 54 Kapiteln behandelt das vielleicht von einem Geistlichen
verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der Amtsträger, die
Hofämter, die Verteidigung, den Frieden usw.
Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v. Meißner,
R., 1938
Hirtenrecht ist das für Hirten in Spätmittelalter und Neuzeit geltende
besondere Recht.
Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schöller, R.,
Der gemeine Hirte, 1973
His, Rudolf (Basel 1870-Münster 1938), Medizinprofessorensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel
(Heusler) und der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder) Professor in
Münster. Er verfasst in der Nachfolge der Systematik Heinrich Brunners eine
grundlegende Strafrechtsgeschichte (Das -> Strafrecht des deutschen
Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die Geschichte des deutschen Strafrechts
bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967).
Lit.: Naendrup,
H., Rudolf His, 1941
Historie (F.) Geschichte
Historiker (M.) Geschichtsforscher
Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller, R.,
2. A. 2002
Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen Habermas 1985 ausgelöste,
1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte versiegte Streit deutscher
Historiker über die Bedeutung des Nationalsozialismus in Deutschland.
Lit.: Kailitz, F.,
Die politische Deutungskultur im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001
Historische Rechtsschule ist die von Friedrich Carl von -> Savigny begründete
Schule der geschichtlichen Rechtswissenschaft. Für sie greift Savigny in einem
objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche -> Naturrecht
(Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechtspolitisch die Freiheitsethik
Immanuel -> Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav -> Hugos (1764-1844)
methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen
Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des
Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen,
absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen
(tatsächlichen, positiven, konkreten, exegetisch-praktisch behandelten)
Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den
Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Element des
Besitzrechtes konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. In der historischen
Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen
gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt
willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich
selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm
entsprechend den Vorstellungen -> Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten
der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur
und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das
Historische in der Jurisprudenz nicht mehr als zufällig, sondern als
geschichtlich notwendig verstanden wird, hält er eine -> Kodifikation wie
das -> Allgemeine Landrecht (1794), den -> Code civil (1804) oder das
-> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811/1812 (zumindest in ihrem
Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings
dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis
nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur
historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden
kann. Schon seit seinen Landshuter Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt
Savigny, ohne dies zu begründen, dabei die Ansicht, dass die Wanderungen und
Revolutionen der germanischen Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche
germanische Recht einen festen Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe,
weshalb die Deutschen gar kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass
auch für sie das übernommene römische Recht das eigentümliche Recht sei (!).
Der nach der damit begründeten Zurückweisung des älteren deutschen Rechts
germanischer Herkunft und nach Ausscheiden der mittelalterlichen und
neuzeitlichen Entstellungen des römischen Rechts verbleibende Stoff, nämlich
das klassisch-römische Recht, ist im eigentlich von einer historischen
Rechtsschule nicht zu erwartenden Wiederaufgreifen naturrechtlicher
Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik für Savigny der Gegenstand
konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche Entwicklung
bewusst als überflüssig abstreifender Durchdringung (System des heutigen
römischen Rechts, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten (->
Savigny, -> Puchta, -> Windscheid) und Germanisten (-> Eichhorn, ->
Grimm, -> Gierke). Ihre dogmatisch-praktische Zielsetzung geht bald in der
(unhistorischen) -> Begriffsjurisprudenz auf.
Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische
Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, Studien zur Staatslehre der
historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und
historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der Entstehungszeit
der historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm, ZRG
GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die Schweiz, Die
Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule,
1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule und das Problem der
Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9; Wieacker, F., Wandlungen
im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Scheuermann, R., Die Einflüsse
der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als
Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf von Ihering und die historische
Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische Schule und Common Law, 1993; Bürge,
A., Ausstrahlungen der historischen Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643;
Gadomski, C., Die Rezeption der historischen Rechtsschule und der
Pandektenwissenschaft in der italienischen Wissenschaft, Diss. jur. Frankfurt
2006
Historischer Materialismus ist die von Karl -> Marx als geschichtlicher
Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Geschichtsphilosophie.
historische Schule -> historische Rechtsschule
Historismus ist (seit etwa 1850, verstärkt seit 1874 [Nietzsche]) die
Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des Einmaligen und
Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit und
Wiederholbarkeit einbüßen.
Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger, F./Rüsen, J.,
Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg. v. Küttler, W.
u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996; Historismus am Ende des
20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997;
Conte, D., Storicismo e storia universale, 2000
Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin 30. 4. 1945),
(unehelicher) Sohn eines Zollamtsoberoffizials, wird (ohne Schulabschluss) nach
Aufenthalten in Wien (1908) und München (1913) sowie freiwilliger
Kriegsteilnahme mit trotz psychiatrischer Heilung von Erblindung weiterwirkender
posttraumatischer Belastungsstörung Vertrauensmann der Reichswehr (Propagandist
zur politischen Aufklärung der zu entlassenden Soldaten im Sinne der neuen
Republik) und Mitglied der Deutschen Arbeiterpartei (Februar 1920 ->
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Juli 1921 Vorsitzender). Nach
einem gescheiterten Putsch (9. 11. 1923) inhaftiert, verfasst er in der Festung
Landsberg die Programmschrift „Mein Kampf“. Seit 1928/1929 gelingen ihm
wachsende Wahlerfolge. 1925 gibt er die Staatsbürgerschaft Österreichs auf und
erwirbt im Februar 1932 die Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Am 30. 1.
1933 ernennt ihn der Reichspräsident als Führer der stärksten
Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des -> Deutschen Reiches. Durch
Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären
Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (-> Drittes Reich). Nach dem
2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten.
Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen tatktisch motivierten
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion greift er am 1. 9. 1939 Polen an („wird
zurückgeschossen“) und löst damit den zweiten Weltkrieg aus, an dessen Ende am
8. 5. 1945 die völlige Kapitulation des Deutschen Reiches steht. Das Recht
gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger Weise als Kampfinstrument zur
Durchsetzung der Ideologie des -> Nationalsozialismus.
Lit.: Köbler, DRG 222; Hitler, A., Mein Kampf, 17. A. 1933;
Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann, H., Der Hitlerputsch,
1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2. A. 1965; Hoffmann, P.,
Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Franz-Willing, G., Ursprung der
Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third
Reich, 1977; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 13. A. 1992; Jäckel, E., Hitlers
Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs,
2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Goldhagen, D., Hitlers willige
Vollstrecker, 1996; Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur
Macht, 1996; Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf
Hitler, 1997; Der Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.;
Large, D., Hitlers München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.; Schmitz,
H., Adolf Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS-Verbrechen
und der militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000;
Kershaw, I., Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein Kampf“,
2000; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R.,
Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter
Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B.,
Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler
und das Ende des Dritten Reiches, 2002; Der deutsche Widerstand gegen Hitler,
hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R., Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M.,
Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers
Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch
Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen und ihr Führer, 2004; Aly, G.,
Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im Führerbunker, 2005;
Schreckenberg, H., Hitler, 2006; Zehnpfennig, B., Hitlers Mein Kampf, 3. A.
2006; Plöckinger, O., Geschichte eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006
Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4.
1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem
Philosophiestudium in Oxford Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem
Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.) philosophiae (Grundlagen der Philosophie)
(Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger], 1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er
den Ursprung des Staates mit dem vom (bösen) Menschen zur Vermeidung des
Kampfes aller gegen alle zugunsten des souveränen Herrschers geschlossenen
-> Gesellschaftsvertrag, als dessen Folge auf Grund der Autorität des
Herrschers die menschlichen Gesetze die Naturgesetze ablösen.
Lit.: Tönnies,
F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und Absolutismus,
1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; MacPherson,
C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967; Dießelhorst, M.,
Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968; Hobbes-Forschungen, hg.
v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas Hobbes und der Puritanismus,
1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms, T., Thomas Hobbes, 1987;
Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988;
Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig, B., Die
Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D., Freiheit und
Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H., Thomas Hobbes,
2003; Hirsch, A., Recht auf Gewwalt?, 2004
Hochadel -> Adel
Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die Gerichtsbarkeit über die
mit der -> Todesstrafe bedrohten Verbrechen (-> Totschlag, ->
Notzucht, -> Diebstahl). Sie steht (auf Grund königlicher Verleihung)
grundsätzlich dem -> Landesherrn zu, der sie seit dem (lat.) -> Statutum
(N.) in favorem principum (1231/2, Gesetz zugunsten der Fürsten) als eigenes
Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber wird die Niedergerichtsbarkeit (->
Niedergericht) von niederen Gerichten ausgeübt.
Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901; Rietschel,
S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905; Wohlhaupter, E.,
Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A.
1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, 2000
Hochmeister -> Deutscher Orden
Lit.: Stengel, E., Hochmeister und
Reich, ZRG GA 58 (1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994,
hg. v. Arnold, U., 1998
Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des Mittelalters, der von
etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254 bzw. 1273 angesetzt
werden kann.
Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und das
Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen,
hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des Hochmittelalters, 1983; Jakobs,
H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 2. A. 1988; Haas, W., Welt im Wandel,
2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert (1125-1198), 2003
Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet eines geistlichen
Reichsfürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das zugehörige Bistum)
(z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Würzburg, Bamberg, Hildesheim, Augsburg,
Freising, Passau, Regensburg, Brixen usw.) vom Hochmittelalter bis zum Jahre
1803.
Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der deutschen
Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände des
Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Wetter,
I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszentren, 2006 (Konstanz, Augsburg)
Hochschule s. Universität
Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703, möglicherweise kann auch
bereits der Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als früher Ansatzpunkt
angesehen werden) ein neuer Ausdruck für das Majestätsverbrechen (lat. [N.]
-> crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren Treuebruch
verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten erfassen, die den
inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum -> Landesverrat und
zum -> Majestätsverbrechen). Nach -> Feuerbach (1798) ist jeder Angriff
auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge) H. (z. B. Entziehung eines
Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers, Revolution), doch folgt dem
die Rechtspraxis nicht. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet
demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.
Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen
Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann,
M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste
Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994;
Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v.
Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I.,
Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P.
u. a., 2004
Hochzeit ist eine Bezeichnung für die Feier(lichkeiten) der ->
Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der Landesherr seit dem 15. Jh. besondere
Hochzeitsordnungen. Sie verbieten übermäßigen Luxus (-> Luxusverbot).
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33
(1955), 212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P.,
Et teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T.,
1998
Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz,
allgemeiner der landwirtschaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines
Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der ->
Grundherrschaft. Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes ->
Hofrecht geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte,
besondere Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen.
Im ernestinischen Sachen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell, DRG
1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der
Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die
zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de
Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377; Elsener,
F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und Hofverwaltung des
Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und Hofschutz, Diss. jur.
München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958;
Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger,
M., Maximilian und die Entwicklung der Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke,
J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht
und Parlamentspraxis, 1989, 3; Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus
und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997;
Plassmann, A., Die Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999;
Höfe und Höfeordnungen 1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der
Hof des Großen Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben.
Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen
in Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen
Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004;
Weise, W., Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich
Barbarossas, 2004; Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004
Hofamt ist hauptsächlich das Amt der Verwaltung eines
herrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) -> Hofes. Bereits zum
spätrömischen -> Kaiser gehört eine nahezu aus dem Nichts geschaffene
umfangreiche Zentralverwaltung in Rom mit zahlreichen hierarchisch geprägten
Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch dem frühmittelalterlichen ->
König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall bzw. Truchsess, Marschall, Schenk,
Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, die dem hohen Adel zugeteilt,
später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der königliche Hof
bildet sich bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation)
immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild für die Hofämter an den einzelnen
Fürstenhöfen ab.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG 1,
2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Lübeck,
K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177;
Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f.;
Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I., Hofamt, Erzamt
und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der Staat des
hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989);
Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in
Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K.,
Hofdamen, 2005
Höfeordnung ist das am 24. 4. 1947 für die -> britische Zone des
Deutschen Reiches erlassene Gesetz, das für landwirtschaftliche Höfe teilweise
besondere Rechtsregeln (Sondererbfolge) schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert
wird.
Lit.:
Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April 1947, 2004
Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2. 1810),
Gastwirt und Tiroler Freiheitskämpfer gegen die Besetzung -> Tirols durch
-> Bayern und -> Frankreich (1809), nach anfänglichen Erfolgen verraten
und hingerichtet
Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s in Anknüpfung an das
ältere -> Anerbenrecht gesetzlich geschaffene besondere Erbrecht für bestimmte
landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz Hannover 1874 und 10 weitere
deutsche Bundesstaaten [Reichsländer] bis 1930, Reicherbhofgesetz 1933, Höfeordnung
der britischen Besatzungszone 1947, Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963
erklärt das deutsche Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor
Frauen im H. für verfassungswidrig. Für die nicht vom besonderen H. erfassten
Höfe gilt das Grundstückverkehrsgesetz.
Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der Grafschaft
Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in Hannover,
Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966; Tykwer, F.,
Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997
Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof, insbesondere die
Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des Mittelalters mehr und
mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer anfänglichen Pflicht zu
einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Hofgericht ist einerseits das am grundherrschaftlichen Fronhof
eingerichtete Gericht eines -> Grundherrn über seine Hintersassen und
andererseits das am fürstlichen Hof gebildete Gericht des Herrschers, aus dem
der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh. ausscheidet. Das königliche H.
(Reichshofgericht) kennt seit 1235 neben dem König einen besonderen
Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen, überliefert etwa
2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren erteilten
Nichtevokationsprivilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346, 1353,
Ladungsregister 1396, Hofgerichtsregister 1409). Das H. in Rottweil ist ein
seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes Landgericht, dessen Vorsitz
ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs innehat.
Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das Reichshofgericht
im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des Hofgerichts
Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im Vest
Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler
Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970; Wohlgemuth, H.,
Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378, 1973; Battenberg,
F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein Prozess gegen Stift und
Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B., Vom königlichen
Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Urkundenregesten der
Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.;
Frey, S., Das württembergische Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das
kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche
Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v.
Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R., 1996
Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und des Verfahrens eines
-> Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es einen Entwurf einer H.
von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erscheinen später (z. B. Pfalz
1462, verloren).
Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von
1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die
Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967
Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen Hofes. Die österreichische
H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der Reichskanzlei getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher
Hofkapelle
Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle,
1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad
III., 1956
Hofmark
Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen
Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern
am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches, 1986
Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H. 13. Jh.) ein führender
Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des Fürsten dem Hofrat
vorsitzen kann.
Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885
Hofnarr ist der nach antiken und orientalischen Vorbildern vom
Hochmittelalter bis ins 17. Jh. (Frankreich) oder 18. Jh. (Heiliges Römisches
Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an Fürstenhöfen tätige Narr (oft
Zwerg oder Krüppel).
Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren, 1991
Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien seit dem frühen Hochmittelalter
entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers in bestimmten Angelegenheiten (z.
B. Legitimation unehelich Geborener, Bestätigung von Vormundschaften,
Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel). Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen
die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt
das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt zusehends.
Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz, 1890;
Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten Deutschen
Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss, 1953ff.; Hofpfalzgrafenregister,
hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964
Hofrat ist das zunächst aus dem -> Adel gebildete, unscharf
umgrenzte, ständige Beratergremium eines Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III.
(1452 – 1493) umfasst er 283 weltliche und 150 geistliche Berater, von denen
235 aus den Erblanden und 198 aus dem außererbländischen Binnenreich
einschließlich Tirols stammen. Der H. wird seit dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen
kollegialen Behörde der Landesverwaltung. Zunehmend finden gelehrte ->
Juristen Aufnahme. Statt des Fürsten sitzt ihm später der Kanzler oder ->
Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das Schwergewicht der Tätigkeit auf die
Rechtsprechung.
Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der jülich-bergische
Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und
Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter, R., Der
landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von Bayern,
1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung, hg. v.
Boockmann, H. u. a., 1998
Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das besondere Recht eines
grundherrschaftlichen Verbandes (Worms 1023/1025, Limburg 1035). Später geht
das H. in das -> Dorfrecht über.
Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht und
Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die
Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955;
Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss.
jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger
Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht,
1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468
Hoftag -> Hof
Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg. v.
Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004
hohe Gerichtsbarkeit -> Hochgerichtsbarkeit
Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates, einseitig rechtlich
verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus früher vereinzelten
Hoheitsrechten des Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden
Verdichtung. Seit dem 18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als
ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung des
Hoheitsbegriffes, 1998
Hohenberg
Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der
Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f. 1953ff.
Hohenlohe
Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen
Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die
hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die
Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in Hohenlohe im 17. und 18.
Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von Hohenlohe im Vormärz, 1977;
Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975; Hohenlohische
Dorfordnungen, bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985
Hohenstaufen -> Staufer
Hohenzollern ist die nach der Burg Zollern bzw. H. in Schwaben (seit
1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an den 1411/1415/1417
nach Brandenburg gelangten Zweig der zugehörigen Familie (-> Preußen)
zurückfällt. Das Gebiet geht 1945/51 im Zuge der Aufteilung Preußens in
Baden-Württemberg auf.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980; Eisele,
K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W., Das
Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des
Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons
Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg
des Hauses Hohenzollern, 1995; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, Bd. 1f.
1996ff. ; Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1
bearb. v. Raberg, F., 2004
Höhere Gewalt ist die vom Menschen nicht abwendbare Gewalt. Diese befreit
den Schuldner schon im römischen Recht in bestimmten Fällen vom ->
Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht man zusammenfassend von (lat.)
-> vis (F.) maior. Diese wird im Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie
verbindet sich mit dem Begriff der -> echten Not, in der eine
Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschuldigt wird.
Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Doll, A., Von der
vis maior zur höheren Gewalt, 1989
Holdsworth, William Searle (Elmers
End 7. 5. 1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn,
wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in Oxford und London 1897
Professor in Oxford. Mit seiner sechsbändigen History of English Law verfasst
er ohne eigene Quellenstudien eine umfassende, die Grundlagen einbeziehende
Darstellung des englischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Lit.: Lawson,
F., The Oxford Law School 1850-1965, 1968
Holland ist die seit dem 10. Jh. im Gebiet der Maasmündung bezeugte
Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg (1477) 1579 in die Vereinigte
Republik (1815 Königreich) der -> Niederlande gelangt. Durch Verordnung vom
13. 8. 1428 wird der Rat von Holland und Seeland als oberste Gerichtsbehörde
und Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom Hof von Holland fortgesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten der
stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad) van
Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v.
Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland,
1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938; Oorkondenboek
van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a., 1970ff.; Lingbeek-Schalekamp,
C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984; Das römisch-holländische
Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L., Holland, 1994; Israel, J.,
The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung
der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland,
2006
Holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der bereits um 1000 in
Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911
Holocaust -> Endlösung
Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 5. A. 2003; Finkelstein, N.,
The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des Holocaust, 2002; Die Täter
der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der Holocaust und die westdeutschen
Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of the Holocaust, 2003; Mayer, E.,
Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C., Die Entfesselung der Endlösung,
2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical Trial, 2004
Holschuld ist die Schuld, bei welcher der Handlungsort des Schuldners
der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im älteren Recht ist die Schuld
grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele Schulden zu Bringschulden. Nach
dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) ist die Schuld im Zweifel
Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) H.
Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F., Erfüllungsort
und Schuldort, 1907
Holstein ist der um 800 erscheinende Name des nördlichen
Stammesgebietes der Sachsen („Holzsassen“). 1110/1111 werden die von
Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/1386 sind H. und -> Schleswig in fester
staatsrechtlicher Verbindung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste Urteilsbuch
des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925;
Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926
Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter in Norddeutschland das
besondere Niedergericht in Waldnutzungsangelegenheiten. Es schwindet seit der
frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht spätestens 1877/1879
gänzlich unter.
Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960
Homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die förmliche Ergebung des
Lehnsmannes in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das h. geht im
Spätmittelalter im Lehnseid auf.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1970, 259
homagium (N.) pacis (mlat.) -> Huldigung (des Lehnsmannes)
Homeyer, Carl Gustav (Wolgast
13. 8. 1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin (Savigny, Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg
(Thibaut) 1824 außerordentlicher Professor und 1827 ordentlicher Professor in
Berlin. Seit 1827 veröffentlicht H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und
stellt die Handschriften übersichtlich zusammen (Des Sachsenspiegels erster
Theil, oder das Sächsische Landrecht, 1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des
Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842, Bd. 2 1844, Die deutschen
Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).
Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des Mittelalters
und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.,
Hommel, Karl Ferdinand
(Leipzig 6. 1. 1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in
Leipzig und wirkt, beeinflusst von -> Thomasius und -> Beccaria, auf der
Grundlage des Determinismus zugunsten der -> Aufklärung im Strafrecht
(„Joch, A. v.“, Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770,
Neudruck 1970).
Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss. jur.
Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph und
Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach türkischen
Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley, R., Die
Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis cura
leges, übers. v. Polley, R., 1975
homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave
homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann
der Kirche
Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im mittelalterlichen Recht (seit
dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A. 1983
Homosexualität ist die geschlechtliche Beziehung zu einem Menschen
gleichen Geschlechts, insbesondere zwischen Männern. Sie ist dem griechischen
Altertum vertraut. Das Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H.
ab. Der Codex Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der
Verbrennung. Nach Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor
versenkt. Das Mittelalter sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis
Carolina (1532) bedroht H. unter beiden Geschlechtern in Übereinstimmung mit
dem gemeinen Recht mit dem Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur
bestimmte Gestaltungen unter Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter
Männern nicht strafbar, bis sie § 175 StGB mit einer Strafandrohung versieht.
Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird diese Vorschrift auf Grund liberaler
Überlegungen aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H.,
Over Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u. a.,
1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980;
Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonek, B., Homosexuelle
unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997;
Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann
für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ
267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der
Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T.,
Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; Nationalsozialistischer Terror gegen
Homosexuelle, hg. v. Jellonek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der
Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003
honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als (freiwilliges) Entgelt für höhere
Dienste im römischen Recht
Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen 3. 11. 1743-29. 12. 1797)
wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und 1767 Professor der Rechte in
Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In seiner Zeit gilt er als der
bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das Naturrecht des einzelnen
Menschen, der Gesellschaften und Völker und der Theoretisch-practische
Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter dem Einfluss des
Naturrechts entwickelt H. die Begriffe der Verbindlichkeit, der Willenserklärung
und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das geltende Recht
verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.
Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS W.
Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992
Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-81), Ratsherrnsohn, wird nach dem
Studium des kirchlichen Rechts in Avignon (1362) und Bologna (1367) Professor
in Prag (1372). Als Richter an der (lat.) -> Rota (F.) Romana veröffentlicht
er (1376-1381) eine Sammlung von Entscheidungen.
Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm
Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche
Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)
Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines anderen. Im Hochmittelalter
stellt das kirchliche Recht den Grundsatz des Verbotes des Aussagezeugnisses
vom bloßen H. auf. Er wird seit dem Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen
und behauptet sich bis zur Einführung der Zivilprozessordnung 1877/1879.
Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum, U.,
Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960,
59
Höriger ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen Recht der
grundherrschaftlich abhängige, dem -> Grundherrn in gewisser Weise gehörige
Mensch. Der Ausdruck erscheint seit dem 14. Jh. in Norddeutschland. Seit dem
späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich verallgemeinert. -> Hintersasse
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte der
deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery and
Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des 8.
bis 11. Jahrhunderts, 1991
Horten, Johann Peter -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Hospital -> Spital
Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor 1200-Lyon 1270) wird nach
dem Rechtsstudium in Bologna (Jacobus Balduini) seit 1236/1239 Lehrer des
kirchlichen Rechts in Paris und nach einem Englandaufenthalt 1244 Bischof von
Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262 Kardinalerzbischof von Ostia.
Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste Titelsumme zum (lat.) -> Liber (M.)
extra (Summa super titulos decretalium, Summe über die Titel der Dekretalen, 2.
A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe). 1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber
extra zur Veröffentlichung frei ([lat.] Commentum [N.] super decretalibus,
Kommentar über die Dekretalen). Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke
beeinflusst H. die Aufnahme der gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis,
1964
Hotman (Hotomannus), François (Franciscus) (1524-1590) wird nach
dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris, Lateinlehrer in Genf und 1556
Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Valence, 1566 in Bourges, 1572-1578 in
Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen Arbeiten folgt der 1603
posthum erschienene Antitribonianus, in welchem H. die Anwendbarkeit des
römischen (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis verneint und eigenständige
Gesetzbücher vorschlägt.
Lit.: Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Kelley, D., François
Hotman, 1973
House of Commons (Unterhaus) ist im -> englischen Recht die im 13. Jh. (unter
der Wirkung Simon de Montforts 1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute
des Königs (-> House of Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600
92) Rittern und (um 1600 417) Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier
Universitäten). Sie entwickelt sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten
zum entscheidenden politischen Organ -> Englands.
Lit.: The
English Parliament, hg. v. Davies, R. u. a., 1981; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002
House of Lords (Oberhaus) ist im -> englischen Recht die im Laufe des
13. Jh.s aus dem Königshof hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute
des Königs, zu der 1265/97 das -> House of Commons hinzutritt. Es umfasst
(1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505 auf
Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 92 ausgewählte Mitglieder des
Erbadels, die wenigen Lordrichter, zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen
auf Lebenszeit ernannte Lords und Ladies.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr -> Eike von Repgows, der die
Übersetzung des -> Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem Lateinischen in das
Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll.
Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium in
Warschau (1818-1821) und Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und
Petersburg (1841-1845) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845)
und Polens (1847).
Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii
prawa w Polsce, 1948
Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium in
Bonn (Carl-> Schmitt) Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937), Straßburg
(1941-1944), 1957 Hochschule Wilhelmshaven und Göttingen (1962-1968). Sein
Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches (1937/1939) will den Führerstaat in
rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige deutsche ->
Verfassungsgeschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als der
maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen.
Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893;
Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich
bei Ernst Rudolf Huber, 2005
Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird nach
dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außerordentlicher
Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern
(1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System
und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an
erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).
Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA 44
(1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber, 1990
Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach dem
Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und Heidelberg
Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der
Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Praelectiones
(F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam
auch seine niederländisch geschriebene Darstellung des friesischen Rechts
(Hoedendaegse Rechtsgeleertheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk,
1686).
Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen 1974
Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864-Jena 7. 8. 1945),
Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg (Laband) und
Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in Bonn, 1904
ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und 1921 in
Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post obitum
(1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen Zeit
(1893), denen eine Sammlung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit (1893)
zur Seite steht, verfasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an die
Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte der Institutionen des deutschen
Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930).
Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA 66
(1948), IX
Hude
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß
unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen.
Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt
werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungseinheit (z. B. Preußen
1715).
Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der
Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger,
1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U.,
Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990
Hugenotten (entsteht aus „Eidgenossen“) ist die Bezeichnung für die
mit dem Eindringen des Calvinismus (-> Calvin) aus der Schweiz nach
Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten.
Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht), erhalten aber
im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht der freien Religionsausübung. Erst
die Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig.
Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten, 1983;
Brandenburg, I./ Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die
Hugenotten, 2006
Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844),
Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (-> Pütter) und ->
Halle (Promotion) 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher
Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das siebenbändige Lehrbuch eines
civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie 1792, Naturrecht 1798, Geschichte
des römischen Rechts 1790, heutiges römisches Recht 1789 Institutionen, 1798
Pandektenrecht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen
historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechts
zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte (Lehrbuch der Geschichte
des römischen Rechts 1790, 11. A. 1832) die Geschichte des Systems mit der
Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der
Grundlage des geschichtlichen römischen Rechts zu erläutern. Mit dieser sowohl
gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur
an der Praxis ausgerichtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten
geschlossenen systematischen Darstellung der gesamten römischrechtlichen
Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römischen Rechts als eine geschlossene
geschichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschaftsbegriffs) wird er zum Begründer der Rechtswissenschaft
des 19. Jh.s und zum Vorläufer der -> historischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; Weber, H., Gustav
Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav Hugos, 1935; Buschmann,
A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen Rechtswissenschaft, Diss. jur.
Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964; Behrends, O., Gustav Hugo, in:
Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen Rechts, 1996; Briefwechsel der
Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo, hg. v. Bialas, S., 2004
Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4. 1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und
Theologie in Bologna Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190).
Sein Hauptwerk ist die zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.)
Summa (F.) super decretum (Summe über das Dekret), die das -> Decretum
Gratians am ausführlichsten erläutert.
Lit.: Köbler,
DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law, 1983; Müller, W.,
Huguccio, 1994
huissier (franz. [M.]) Türsteher, Gerichtsvollzieher
Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines Menschen,
insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem Herrn. Der Herr
kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht dem die (lat.
[F.]) indignatio des Herrschers.
Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113;
Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977
Huldigung ist das Versprechen des Wohlwollens, der Treue oder der
Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken dem Grafen oder dem
König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große eine allgemeine
Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides tritt später
der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hochmittelalter auch der Huldigungseid der
Reichsunmittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein Erbhuldigungseid
der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn (in
Niederösterreich bis 1835) andererseits.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten,
1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich und England,
1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss. jur. Mainz 1954;
Holenstein, A., Die Huldigung, 1991; Die Kultur des Humanismus, hg. v. Mout,
N., 1998
Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um eine der Menschenwürde
entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere die geistige Bewegung
des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschaftsgestaltung in den
klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien (Dante,
Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und
schließlich auch im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wirksam
(Erasmus von Rotterdam u. a., politische Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und
Jülich-Berg-Ravensberg). Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den
Übergang vom sog. (lat. [M.]) mos Italicus zum (lat. [M.]) -> mos Gallicus. Im
Kirchenrecht bleiben die Einflüsse des H. sporadisch.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die
Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423; Schaffstein, F., Die
europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Kisch,
G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel, Archiv für
Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz
seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje, H., Graeca
leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im Zeitalter des
Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium der Rechte,
1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg. v. Thieme,
H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem Einfluss des
Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen, hg. v.
Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der Universität in
Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des Humanismus, hg. v.
Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der frühen
Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und Quellenkritik –
Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus, 2003; Kloosterhis,
E., Erasmusjünger als politische Reformer, 2004; Humanisten am Oberrhein, hg.
v. Lembke, S., 2004; Funktionen des Humanismus, hg. v. Maissen, T. u. a., 2006
Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6. 1767-Tegel 8. 4. 1835) wird
nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Altertumswissenschaft in
Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren privaten Studien Leiter des
Unterrichtswesens in Preußen, als der er das Bildungswesen aus dem Geist des
idealistischen -> Humanismus erneuert (Elementarschule, Gymnasium,
Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die
Universität -> Berlin (-> Savigny) gegründet, an der Einheit von
Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit
stattfinden sollen.
Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952; Hübner,
U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C., Wilhelm von
Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A., Die
Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001;
Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm
von Humboldts, 2004
Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus niederem
Adel) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und Literatur
(in Edinburgh) Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739), Diplomat,
Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage von
allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der
einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist.
Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum
und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith,
Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar.
Lit.: Jäger, W., Politische Partei und parlamentarische
Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003; Streminger, G.,
David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering, D., 2003;
Szczekalla, M., David Hume, 2003
Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im altrömischen Recht die
militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus zu stellen ist. Ob sie
auch eine germanische Verwaltungseinheit darstellt, erscheint fraglich. Im
Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.) huntari oder eine hundred
erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken, obere Donau, Friesland,
Schweden, England), deren Herkunft und Zusammenhang nicht zweifelsfrei erwiesen
sind. In der Gegenwart wird H. für eine Verwaltungseinheit der Polizei
(Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzpolizei) genannt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell, DRG
1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907; Rietschel,
S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28
(1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 29 (1908),
261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193; Mayer, E.,
Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916; Mayer, E.,
Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG GA 46
(1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen Ortsnamen, ZRG
GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen hund
und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A Hila,
1998
Hure
Lit.: Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995
Hus, Johannes (um 1370-6. Juli 1415), Magister, in Konstanz
als Ketzer verbrannt, im 19. Jh. Symbolfigur des tschechischen Nationalismus
Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan Hus,
hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger
Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die
hussitische Revolution, 2002
Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut des
Landvogtes Gessler bei Wilhelm Tell).
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943, 36;
Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952
Hygiene
Lit.: Hygiene in preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a.,
1986
Hypothek ist die Belastung eines Grundstücks oder eines
Miteigentumsanteils an einem Grundstück in der Weise, dass an den (Hypothekengläubiger),
zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt bzw. besteht, eine bestimmte Geldsumme
zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem Grundstück zu
zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen Zeit (->
Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat. [F.]) hypotheca
ein Name für das besitzlose, beim Schuldner verbleibende -> Pfand (z. B.
Inventarstücke eines Gutes), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als
ein Verhältnis reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann
an einzelnen Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek)
bestellt werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der
Prioritätsgrundsatz durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht
entwickelt sich im deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum
allgemeinen Pfand. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter
bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen. An anderen wird
das geltende Recht römischrechtlich abgeändert und eine Generalhypothek am
gesamten Vermögen anerkannt. Verschiedentlich wird dem öffentlichen Pfand der
Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Seit dem ausgehenden 17. Jh. werden
zur Sicherung des Kreditverkehrs Hypothekenbücher eingeführt, welche die
Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende H. ebenso ausschließen
wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das -> Hypothekenbuch zum ->
Grundbuch erweitert (Preußen 1872, Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist die H. nur eines von insgesamt drei Grundpfandrechten.
Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213, 240; Egger,
A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Cohen, A., Die
Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906; Herman, A., Het
karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond, 1970; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Marzi, L., Das Recht der
Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17. Jh. eingerichtete Buch zur
Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693, Preußen 1722, Hypothekenordnung
1783). -> Hypothek
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel, K., Die
Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914
Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822, Württemberg 1825, Sachsen
1843)
Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats- und
Rechtsgeschichte, 1903
I
Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius Tossianus L. Iavolenus Priscus)
(um 100 n. Chr.) ist der als besoldeter Staatsbeamter aufgestiegene römische
Jurist der -> Sabinianer, von dem drei Bearbeitungen der Werke älterer
Juristen und ein in 14 Bücher gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechtsfälle
(lat. [F.Pl.] epistulae, Briefe) bekannt sind.
Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B.,
Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus
Priscus, 1982
Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen arabischen Amtsträgers in
Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der Rechtsschule Zahiriya.
Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem Menschen ermöglicht, Gottes
Willen zu erfüllen.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110
Idealismus ist die philosophische Strömung, die alle Dinge auf einen
geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I. steht im Gegensatz zum ->
Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im Altertum ist Platon (428/427-348/347
v. Chr.), bedeutendste deutsche Vertreter des I. -> Kant (1724-1804), von
dem -> Savigny beeinflusst wird, und ->Hegel (1770-1831).
Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft, Recht und
Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984
Ideologie ist die Gesamtheit der einer bestimmten Gruppe von Menschen
zugeordneten Denkweisen und Wertvorstellungen. Sie wirkt sich besonders im 20.
Jh. auf das Recht aus. Sowohl im -> Nationalsozialismus wie auch im ->
Sozialismus ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.
Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der
Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten,
2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg,
H., Ideologie und Alltag im Dritten Reich, 2003
Iglau in Südmähren wird nach der Entdeckung von Silber (um 1240)
als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten gegründet. Sein -> Bergrecht
(1249/1280) wird vielfach andernorts übernommen.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und seine
Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900; Kresadlo, K.,
Jihlava, 1986
Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22. 8. 1818-Göttingen 17. 9.
1892), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg,
Göttingen, München und Berlin (Puchta) und der Habilitation in Berlin (Homeyer)
Professor in Basel (1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien
(1868) und Göttingen. Zunächst folgt er bis 1858/1859 -> Puchta und erklärt
das (römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissenschaft
schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen
Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue
Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechts auf den
verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und
damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle
Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I.
unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der
soziologischen Betrachtung des Rechts zu und befasst sich mit dem Zweck im
Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunftweisenden brauchbaren
Methodenlehre gelangt er dabei nicht, wenngleich er die -> Interessenjurisprudenz
anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von
Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der -> culpa in
contrahendo. Beachtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums
Recht (1872, 20. A. 1921) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (13. A.
1924, Neudruck 1988).
Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine
Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends,
O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003; Lange,
H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86
(1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel
zwischen Ihering und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in
contrahendo bei Rudolf von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v.
Kroeschell, K., 1988; Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische
Rechtsschule, 1989; Rudolf von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993;
Privatrecht heute und Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O.,
1993; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1996; Der Briefwechsel
Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996; Rudolf von Ihering, Ist
die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, hg. v. Behrends, O., 1999
Illegitimität (F.) -> Unehelichkeit
Lit.:
Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991
Imbreviatur ist die Niederschrift eines Vorganges durch einen ->
Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den
endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller Abkürzungen
(Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre
Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154).
Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.
Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler
Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und
Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen
Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989
Imbreviaturbuch -> Imbreviatur
Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen, geistigen Rechtsgüter. Es
gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine bekannteste Ausprägung
ist das -> Urheberrecht.
Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen, ZNR
1982, 132
Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger Gesandtenkongress in
Regensburg tagende -> Reichstag.
Immission (lat. [F.] immissio) ist die Zuführung unwägbarer Stoffe.
Bereits im römischen Recht muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen
von Rauch, Wasser und dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das
übliche Maß nicht überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das
Mittelalter kennt nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der
Industrialisierung bilden die I. eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem
Freiheitsstreben der Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich das
preußische Obertribunal durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußert. §
906 BGB nimmt das auf dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit,
Üblichkeit). In der Gegenwart gilt in Deutschland daneben ein besonderes
Bundesimmissionsschutzgesetz, das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter
Anlagen vorsieht.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J., Das
Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht
von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen Regelungen der
Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen
Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhudert,
2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts
seit Beginn der Industrialisierung, 2004
immobil (Adj.) unbeweglich
Immobiliarprozess ist das Verfahren im Rechtsstreit um Grundstücke.
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893
Immobiliarrecht ist das besondere Recht der Grundstücke (Liegenschaften),
wie es sich im deutschen Recht entwickelt.
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der deutschen
Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des deutschen Immobiliarrechts
im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250
Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff. Im Frühmittelalter ist
I. die Freiheit einer besonders ausgenommenen -> Grundherrschaft von
königlicher Gewalt. Sie geht auf die spätrömische (lat. [F.]) -> emunitas
zurück, die Freiheit der kirchlichen, vielleicht auch der kaiserlichen Güter
von öffentlichen Lasten bedeutet. Im 6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin,
dass der (Graf als der) örtliche Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den
Grundherrn) im Immunitätsgebiet ausgeschlossen wird und deshalb keine Verhöre
durchführen, keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich
das Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen
die weltlichen und geistlichen Großen (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte) als
Immunitätsberechtigte selbst (oder durch Vögte) wahr. Otto I. nutzt diese Art
der Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte
Kirche dazu, sich selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten
(Erzbischöfe usw.) unmittelbare Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen
Bezirken werdenden Immunitätsgebiete zu verschaffen (ottonisches ->
Reichskirchensystem). Nach dem hierdurch hervorgerufenen -> Investiturstreit
(1075-1122) gehen die bedeutenden Immunitäten in den Landesherrschaften
(geistlichen Fürstentümern) auf. In der Gegenwart genießt der Abgeordnete
parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten Maßnahmen, die sich
gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten (Frankreich 1799, 1814).
Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und
Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im
Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche
und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische
Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité franque, 1910; Stengel, E.,
Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem
Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die Immunität der Abtei Groß-St.
Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur Diplomatik der mährischen
Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die Verbindung von Schutz und
Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die päpstlichen Klosterexemtionen
in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey, M., The History of Diplomatic
Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a.,
2002
Immunitätsprivileg -> Immunität
Impeachment ist vor allem ein seit 1376 angewendetes Strafverfahren im
englischen Recht, bei dem das -> House of Commons anklagt und das House of
Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den englischen Kanzler).
Lit.: Plucknett,
T., Studies in English Legal History, 1983
imperator (lat. [M.]) Kaiser
Lit.: Söllner §
14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The History of the Title I., 1920; Kienast, D.,
Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403
Imperialismus ist die auf Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung
des Staates seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.
Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969;
Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G., Das
Zeitalter des Imperialismus, 3. A. 1994; Cain, J./Hopkins, A., British
Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson, N.,
Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und nationale
Identität, 2003
Imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen Recht die unbeschränkte
Amtsgewalt der Konsuln, zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in
welchem sie ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich
auch die weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat.
[N.]) sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat.
[F.]) potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler, LAW;
Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im imperium Romanum, 1930;
Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des imperiums
des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum imperium, 2.
A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit, 2. A. 1969;
Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio regni, 1986
Imperium (N.) merum et
mixtum (lat.) ist nach einer
Unterscheidung des römischen Juristen Ulpian (170?-223) die oberste
Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh.
erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichtsbarkeit in die
Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige
Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als
Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.
Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem
Investiturstreit, 1913
imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich
Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es keine Verpflichtung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970
Impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Unmündige. Ist er
(lat.) infantia maior (älter als 7), kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des
Vormundes (lat. [M.] tutor), ein Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der
Geschlechtsreife (lat. [F.] pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig
geschäftsfähig und deliktsfähig. Die Mündigkeit wird bei Knaben auf 14, bei
Mädchen auf 12 festgelegt.
Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II;
Köbler, DRG 21
Imputation ist die von -> Pufendorf (1632-1694) aus der Theologie
in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer Handlung und eines Erfolges zu
einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der Freiheit und der
Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die Voraussetzungen,
die für Bestrafung bestehen. -> Feuerbach (1755-1833) unterscheidet
demgegenüber die abstrakte I. des Gesetzgebers bei der Festlegung des
strafbaren Verhaltens und der Strafe im Strafbestand und die konkrete I. des
Richters bei Bestimmung der Strafe im Einzelnen Fall. Wenig später wird die I.
auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff der
Zurechnungsfähigkeit.
Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen
Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs,
1958
Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1. 1843-Innsbruck 28. 11.
1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und Staatswissenschaft in
München 1868 außerordentlicher Professor und 1871 ordentlicher Professor in
Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine Deutsche Wirtschaftsgeschichte
(1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den Quellen erarbeitete
Gesamtdarstellung.
Inauguration
Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel 1665, 2002
In bonis (lat. im Vermögen) haben ist im klassischen römischen
Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den Prätor gegen einen Dritten. Wer
eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res mancipi) ohne den Formalakt der ->
Manzipation erhält und i. b. hat, erlangt prätorisches Eigentum. Im spätantiken
römischen Recht wird die Unterscheidung zwischen zivilem Eigentum und
prätorischem Eigentum beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a., Die
verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107
(1990), 155
Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im römischen Recht die
unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unterscheidung zwischen
bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung gelockert.
Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II
incipit (lat.) es fängt an
Indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die nichtgeschuldete
Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl wegen der Ähnlichkeit
mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der -> Kondiktion
zurückverlangt werden.
Lit.: Kaser § 48 II 2
Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten von der gerichtlichen
oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder Äußerung im Parlament.
Die früher auch als -> Immunität bezeichnete I. entsteht in England mit der
-> Bill of Rights (1689). Im -> Deutschen Bund erscheint sie seit 1818
(Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen 1848).
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789,
Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der
parlamentarischen Redefreiheit, 1991
Index (M.) librorum prohibitorum (lat.) ist der Anzeiger der (für
Christen) verbotenen Bücher (1559/1564-1966/1967).
Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf
den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe und
Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener
Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf,
H., 2001
Indien
Lit.: Kulke, H., Indische Geschichte bis 1750, 2005; Mann, M.,
Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert, 2005
Indiz ist eine Tatsache, aus deren Vorhandensein
einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache geschlossen
werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht. Hier
ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von Indizien
(Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre etwa der
-> Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die -> Folter nur
zulässig bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung eines
einer Bluttat Verdächtigen).
Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, Der Indizienbeweis des
Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture and the Law of
Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999; Michels, K., Der
Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000
Indogermane ist der Angehörige eines der zur indogermanischen
Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch, baltisch, slawisch, illyrisch,
thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch,
indoarisch, tocharisch) mit einer jeweils ältesten Überlieferung zwischen dem
14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr. gehörenden Einzelvölker. Wann und wo
dieses philologisch rekonstruierte Volk besteht, ist unklar (Mitteleuropa?,
Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800 Jahren?).
Die Zahl seiner philologisch erschließbaren Rechtseinrichtungen (Volk, Haus,
Zeuge, Gast, Erbe) ist gering.
Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Delbrück, B.,
Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B., Altarisches ius
gentium, 1889, Neudruck 1978; Brunner, H., Eine bisher unbekannte
indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340 (tocharisch); Schulz, W.,
Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O., Indogermanisches
etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die Indogermanen, 1972;
Schmitt-Brandt, J., Einführung in die Indogermanistik, 1998; Köbler, G.,
Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-indogermanisches Wörterbuch,
3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J.,
Indo-European and its closest relatives, 2000
Indien
Lit.: Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004
Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch
Lit.: Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der
Privatrechtsordnung, (1956)
in dorso (lat.) auf dem Rücken, -> Indossament
Indossament ist eine regelmäßig auf der Rückseite (lat. in dorso, frz.
en dos) eines -> Wertpapieres angebrachte Erklärung, durch die eine Person
(Indossant) die Rechte aus einem -> Orderpapier auf eine andere Person
(Indossatar) überträgt. Das erstmals in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint
häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in Frankreich etwa gleichzeitig mit der zur
selben Zeit in Süditalien aufgekommenen, vorderseitig angebrachten girata.
Ihre Ursprünge sind ungeklärt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des
Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des
Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra
internazionale della banca, 1972
In dubio pro reo ist der bereits im klassischen römischen Recht bekannte
Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel freizusprechen ist. In der Neuzeit
formuliert Stübel 1811 in Anschluss an Justinians -> Digesten 42, 1, 38 den
Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte bis zum Nachweis der Schuld als
unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten zu entscheiden ist (vgl. Art. 6
II der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte 1950). In der
Verfahrenswirklichkeit setzt sich der Satz aber erst allmählich durch.
Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um 120-um
180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933; Wenig,
G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die
Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965
Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von
Rohstoffen. Die I. entsteht seit dem Ende des 18. Jh.s in Großbritannien. Seit
dem frühen 19. Jh. folgen die deutschen Staaten (1800-1830 leichtindustriell,
1830-1880 schwerindustriell, Durchbruchsphase 1845-1875, 1880-1914
Elektroindustrie, chemische Industrie, optische Industrie). Die
Industrialisierung bedeutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur
arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft (industrielle Revolution). Eine
wichtige Folge ist die Entstehung des -> Arbeitsvertrages.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution, hg. v.
Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien im Zeitgeschehen
eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der
Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im
vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle
Arbeitsvertrag, in: Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche
Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979;
Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981),
403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie,
1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984;
Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution, 1989; Studien
zur Einwirkung der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991;
Hudson, P., The Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im
Dortmunder Raum, hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle
Revolutionen, 1994; Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998; Gestwa, K.,
Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in
Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der
Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J.,
Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie
in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus
zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution,
2002; Lenger, F., Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003; Kiesewetter,
H., Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die Industrialisierung
in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle Revolution, 2005; Vec, M.,
Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006; Butschek, F.,
Industrialisierung, 2006
Industriekammer
Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation der
Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K.,
Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung,
1998
infam -> Infamie
Infamie ist die mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des
Verlustes der bürgerlichen -> Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht
ziehen Kuppelei, Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Doppelehe, Wucher,
Häresie, Ausstoßung aus dem Heer die I. (Verlust der bürgerlichen Ehre) nach
sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des christlichen
Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg, Grabfrevel,
Zauberei, Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid, Diebstahl, Raub, Mord)
die I. (Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit usw.). Im weltlichen Recht schließen
einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom
Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader usw. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein
Überrest der I. ist die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafgesetzbuch
von 1871. Nach Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur
noch eine eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.
Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A., Die
Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der kanonistische
Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im kanonischen Recht,
ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen
Infamiebegriffs, 1966
Infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht das -> Kind, das die
für rechtliche Folgen bedeutsamen Wörter noch nicht sprechen kann, im
spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres. Der
i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen und keine ersatzpflichtige Handlung
(Delikt) begehen.
Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW
Inflation ist die Erhöhung des nominalen Wertes einer Geldeinheit.
Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller Zeiten der Geldwirtschaft.
In der I. im -> Deutschen Reich nach dem ersten Weltkrieg ist als Folge der
Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November 1923 ein Dollar 4200000000
Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare Auswirkung auf alle
wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse.
Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche Inflation
des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation 1919-1923,
2004
Infortiatum (lat. [N.]) -> Digestum infortiatum
Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des Infortiatum,
Ius commune 11 (1984), 231
Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines vielleicht aus einem
ehemaligen Reichsvogteigericht hervorgegangenen, seit 1366 bezeugten ->
Oberhofes, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000 Urteile zwischen 1398
und 1464 überliefern (davon etwa 7% Strafrechtsfälle).
Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885; Meyer,
H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG GA 24
(1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs, 1935; Erler,
A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69 (1952), 74; Die
älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Erler,
A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des Ingelheimer Oberhofes, ZRG
GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den Urteilen des Ingehheimer
Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Vorlagen F. J. Bodmanns,
ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes,
1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim Gauodernheim
Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil. Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof
Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J.,
1964; Eigen, P., Die Verbotung in den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966;
Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und
Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des
Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Erler,
A., Ingelheimer Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der
Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen
1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters
in Deutschland, 2001
Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841 Königshof an
Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer 1800 nach
Landshut und 1826 nach München verlegten -> Universität.
Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände, Diss.
jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen
Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und
Verfassungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H.,
Die privaten Stipendienstiftungen, 1972, Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn
Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u.
a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte
der Stadt Ingolstadt, 2000
Inhaberpapier ist das -> Wertpapier, bei dem das verbriefte Recht
grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden kann. Es fehlt dem
Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz, erscheint aber seit dem 9.
Jh. vor allem in Gebieten langobardischen Rechts in Italien und ist im
Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten und der Vertretung
verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldverschreibung auf. Seit dem
-> Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich gesetzliche Regelungen.
Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des
Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das
französische Inhaberpapier, 1879
In integrum
restitutio (F.) (lat.) ist im römischen
Recht in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte ->
Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die eingetretenen Wirkungen des
Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen. Eine vom
Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) -> actio (F.) quod metus
causa, die den bestraft, der die Wiedergutmachung verweigert.
Lit.: Kaser § 8 IV
In iure cessio (F.) (lat.) ist die im
römischen Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines
Scheinverfahrens mögliche Übertragung, Abtretung oder Aufhebung bestimmter
Rechte auf der Gerichtsstätte.
Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9,
18; Köbler, DRG 21, 25, 40
Iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht das Unrecht (in der Form
der Personenverletzung). Nach altrömischem Recht soll neben Gliedzerreißen und
Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von 25 Pfund Kupfer
ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i. zu einem
Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit in Wort
oder Tat (-> Körperverletzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge ist ein
durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen Recht
ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation
(Persönlichkeitsmissachtung). Im Deutschen wird iniuria als Injurie
(Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen 1793 bzw.
1794-> Beleidigung).
Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65; Köbler,
LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht,
1984; Lingelbach, G., Jnjurie und Injuriensachen, in: Organisation der Kritik,
hg. v. Matuschek, S., 2004, 143
Inkorporation ist die Eingliederung einer kirchlichen -> Körperschaft
in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem Ende des 11. Jh.s
(Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit der I. gehen die
Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B. Kirche) auf eine
andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass die Rechtspersönlichkeit
der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit wird die I. wegen der mit
ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung zurückgedrängt (Trient 1545-1563).
Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation und
des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls
IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951
Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500
Lit.: Langer, G., Von Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und
Rechtsgeschichte, ZRG GA 85 (1968), 217; Catalogogus incunabulorum ...
Hungariae, hg. v. Sájo, G. u. a., 1970; Mazal, O., Österreichische
Nationalbibliothek Inkunabelkatalog, Bd. 1 2004
Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im römischen Recht eine nur
schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer Sache, die den Innehaber
schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat. [F.] possessio). Bloße
Innehaber sind alle nicht besonders begünstigten Fremdbesitzer (z. B.
Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne Auftrag, Werkunternehmer,
Mieter, Pächter). Ihnen steht kein -> Besitzschutz zu. Die I. ist im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aufgegeben.
Lit.: Kaser § 19 V
Innerösterreich ist die im Spätmittelalter (1379-1463) und in der frühen
Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen des Hauses -> Habsburg
entstehende Gebietseinheit (Steiermark, Kärnten, Krain, Görz, Gradiska,
Windische Mark), die auch später noch als eigene Verwaltungseinheit behandelt
wird.
Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in
Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension
und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung
1564-1749, AÖG 105 (1916), 111
Inn of court ist die von der Universität unabhängige Ausbildungsstätte
(Innung) für den englischen Juristen (Anwalt). Sie entsteht daraus, dass im
Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler (apprentice at law) gemeinsam in
Häusern der westlichen Vororte Londons leben. In der Mitte des 14. Jh.s wird
dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar. Von den etwa 20 bekannten inns (z.
B. Clifford’s Inn) setzen sich bis etwa 1420 vier inns of court durch (Inner
Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388], Gray´s Inn, Lincoln´s Inn
[1417?]).
Lit.:
Palmer, R., The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A
History of the Inns of Court, 1978; Thorne, S., The early History of the Inns
of Court, 50 Graya 79; Ives, E., The Common Lawyers of pre-Reformation England,
1983; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker,
J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and Readings in the Inns
of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M., The Royal Prerogative and the
Learning of the Inns of Court, 2003
Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht entstehende, der
(lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der vorgeschriebenen Worte)
zugewiesene sog. unbenannte Vertrag. Bei dem I. erbringt jemand eine Leistung
und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten, obwohl er an sich die Rückgabe
erreichen kann. Die vier Fälle des Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des
(ich gebe, damit du gibst), do, ut facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut
des (ich tue, damit du gibst) und facio, ut facias (ich tue, damit du tust).
Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64;
Bucher, E., Der Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95
Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die
Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem).
Lit.: Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980;
Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers,
J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope
Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v.
Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M.,
Innocenz III. und der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537
Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um 1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teutonicus,
Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der
Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten
Dekretalen stehen zwischen (lat.) -> Liber (M.) extra (1234) und (lat.)
-> Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen
Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium,
Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana
ecclesia“ (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch
fördert er die Rechtsfiguren der -> juristischen Person (lat. persona [F.]
ficta), des -> gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die
Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes.
Lit.: Legendre, P., La Pénétration du
droit romain dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995, 313
Innsbruck (1167/1183 erstmals genannt) am mittleren Inn in ->
Tirol ist seit seit 1490 Anfangspunkt der ersten modernen Postverbindung (nach
Mecheln bzw. Brüssel) unbd wird 1669 (bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten)
von der Gegenreformation geprägten, mehrach teilweise aufgehobenen Universität.
Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität Innsbruck,
1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der
Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904, 101; Wretschko,
A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck, ZRG GA 41 (1920),
40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v. Huter, F., 1952;
Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät (1671-1686), ZRG GA 85
(1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der Lehrkanzel für
deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte mit
italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen
Rechts und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA
88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen
Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität
Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und staatswissenschaftliche
Fakultät der Universität Innsbruck 1945–1955, 1999; Goller, P. u. a.,
Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern
(1945-1950), 2003
Innung ist der freiwillige Zusammenschluss selbständiger
Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirkes zur Förderung der gemeinsamen
gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet sich vor allem
im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des Zunftzwangs mit
der Gewerbeordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker die I. wieder
eingerichtet.
Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens, 1900;
Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968
Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem Inn, Donau und Salzburg
gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an -> Österreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio
Beamter im Justizministerium Japans. Nach Aufenthalten in Frankreich und
Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens und setzt sich für
eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens bzw. des
Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).
Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v.
Goin-bunko kenkyûkai, 1992
Inquisition ist allgemein die Untersuchung, besonders das geistliche
Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im
ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und
Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit
Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen
Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher)
eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus entwickelt sich wohl der
-> Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in Oberitalien im 13. Jh.
sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von mindestens zwei Schöffen
die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu ermitteln, wozu er den
Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines Geständnisses darf die
-> Folter (1252) angewandt werden. In Spanien ist die 1478 von Isabella I.
von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón eingesetzte, die Lehre vom
verdorbenen Blut verwendende I. eine staatliche, der Sicherung der Rückeroberung
des Landes von den Muslimen dienende, zutiefst korrupte Einrichtung, die sich
später auch gegen Lutheraner und jede Aufklärung richtet. Die I. verschwindet
im Heiligen Römischen Reich nach der Reformation und endet im Übrigen mit der
Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/1834, Portugal 1820, Italien 1808/1859).
Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der
Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition
und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire
de l’Inquisition au Moyen-Age, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche
Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77
(1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im
Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996;
Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index –
Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003;
Schwerhoff, G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und
Indexkongregation, hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff.; Rawlings, H., The Spanish
Inquisition, 2006
Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch eine Untersuchung. Der
I. findet sich in merowingischen und karolingischen Quellen.
Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der
karolingischen Zeit, 1865
Inquisitionsprinzip -> Untersuchungsgrundsatz
Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des
Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161
Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche Verfolgung und Untersuchung
gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob der I. in Deutschland unabhängig
von fremden Einflüssen entstanden oder durch kirchlich-oberitalienische
Anregungen veranlasst ist. Jedenfalls zeigen sich schon seit dem 12. Jh.
verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in peinlichen Sachen. So werden
etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse im Gericht zu rügen.
-> Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sollen öffentlich
verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten und seiner sechs
Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst -> Innozenz III. in ein
kirchliches Disziplinarverfahren den von Amts wegen zu erhebenden Beweis der
Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren
(Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das Verfahren vor allem auch in den Städten
allmählich (z. B. in Frankfurt am Main im 14. Jh.) zu einem einseitigen
Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen den Verdächtigen, in dem der ->
Richter zur Unrechtsverfolgung verpflichtet ist und sich selbst über die
erheblichen Tatsachen unterrichten muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die
unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb es stärker als zuvor auf die Ermittlung
der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als ihr sicherster Beweis gilt das
Geständnis. Um das -> Geständnis zu erreichen, darf der verdächtige
Beschuldigte durch den Richter und die Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei
Schöffen der von der Antike bekannten und von daher auch wohl im
Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten -> Folter durch Gefängnis,
Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel (Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt
werden. Nach dem Geständnis in der Untersuchung beginnt das eigentliche
öffentliche Verfahren (sog. -> endlicher Rechtstag), in dem nach der
Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat durch das Geständnis oder das
Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis führt, am Ende das Urteil verliest
und den Stab über den Angeklagten bricht. Im 19. Jh. wird der etwa in der ->
Constitutio Criminalis Carolina (1532) ausführlich geregelte, nunmehr als
rechtsstaatswidrig angesehene I. allgemein aufgegeben und nur noch vereinzelt
(Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Hansestädte) bis zur Reichsstrafprozessordnung
von 1877/1879 fortgeführt.
Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur
Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I.,
Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des
Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen
Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus
delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am
Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v.
Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer,
1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge
der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05
Inquisitionsverfahren -> Inquisition, Inquisitionsprozess
Inschrift
Lit.: Panzer, F., Die Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche
Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W.,
Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975 (73 bis 1525); Koch, W. u.
a., Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik
(1998-2002), 2005
Insel
Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht
der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333
Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch Versprechen oder Verlesen)
Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder Macht) ->
Reichinsignien, Reichskleinodien
Lit.:
Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen, 1964
Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage, Zustellung
Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung wirtschaftlicher Werte in
Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs.
Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen
römischen Recht, 2001
Instanz ist die zuständige Stelle. Im -> Inquisitionsprozess
gibt es die besondere -> Instanzentbindung. Im Verhältnis mehrerer Instanzen
zueinander besteht der -> Instanzenzug.
Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia [lat.]) ist die im
mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae) entwickelte, seit 1648
(Brunnemann, Tractatus iuridicus de inquisitionis processu, Rechtliche
Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen Strafverfahrensrecht aufgenommene,
vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus Mangel an Beweisen mit der
jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der Aufklärung bekämpft, wird die
I. (seit der französischen Revolution von 1789) auch in Deutschland in der
Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843) oder aufgegeben (Baden
1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die Einstellung des
Verfahrens.
Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in
dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch gestuften behördlichen
oder gerichtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen im römischen Altertum
entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates seit dem Spätmittelalter.
Allgemein wird ein vierstufiger I. der Gerichtsbarkeit in Österreich unter
Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreisamt, Appellationsgericht, Oberste
Justizstelle) und im Deutschen Reich 1877/1879 (Amtsgericht, Landgericht,
Oberlandesgericht, Reichsgericht) geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des
kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Geschäftsführer, für
dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt erhält der Unternehmer aus
den Forderungen, die sein gewaltfreier kaufmännischer Angestellter erwirbt,
eine (lat.) -> actio (F.) utilis.
Lit.: Kaser § 11
Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die Einrichtung.
Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht einiger
Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986
Institutes of the Laws of
England (Einrichtungen der Gesetze
Englands) ist der Titel des Hauptwerkes von Sir Edward -> Coke (1551-1633).
Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu -> Les
Tenures von Sir Thomas -> Littleton (1480). Die Teile 2 bis 4 betreffen
ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History,
4. A. 2002
Institutionen ist schon im klassischen römischen Recht die Bezeichnung
für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechts. Als I. geführt wird das
(lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte elementare, von den Zeitgenossen kaum
gewürdigte Einführungswerk in (4 Büchern und) insgesamt 98 Titeln des Gaius
(159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende systematische, der griechischen
Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und Sachen folgende Einteilung des
Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl.), res (F.Pl.), actiones (F.Pl.)
überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Unter dem
oströmischen Kaiser -> Justinian erscheint 533 ein ebenfalls in vier Bücher
geteiltes, auf Gaius gegründetes amtliches Einführungsbuch I. (lat. [F.Pl.]
institutiones) (, aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I.
2,1,30). In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh. unter dem Titel I.
auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel I. des deutschen
Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht vorgelegt.
Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54; Schneidewin,
J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros commentarii,
1575, Neudruck 2004; Heusler, A., Institutionen des deutschen Privatrechts,
Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen. Geschichte und
System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949; Seckel,
E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939; Luig, K.,
Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18. Jahrhundert, Ius
commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems,
ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends, O. u. a., 2. A. 1999;
Meincke, J., Die Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Institutionen, Instrumente und Akteure
sozialer Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen
und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U.,
Einrichtungsgarantien, 2003
Institutionensystem ist das im späten Naturrecht (Pufendorf, Dabelow,
Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild der ->
Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche einteilende System.
Es wird im 19. Jh. (-> Heise 1807) vom -> Pandektensystem (Persoenen bzw.
Allgemeines, Schulden, Sachen, Familie, Erbe) abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische
Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93
Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrensrecht der Grundsatz, dass sich der
Richter selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten muss.
Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht die Mitgifturkunde.
Lit.: Kaser §§ 58, 59
instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör,
Notariatsinstrument
Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43
Integrationslehre ist die von Rudolf -> Smend (1882-1975) begründete Lehre
vom in der Integration bestehenden Wesen des -> Staates.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W., Staatsintegration
als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633
Intentio (lat. [F.]) ist im römischen Zivilprozessrecht der erste
Satz der Klagformel (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x
milia dare oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen
geben muss).
Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9
Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)
Intercessio (lat. [F.]) ist im römischen Schuldrecht das
Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von Verbindlichkeiten im Interesse
Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Verpfändung). Ein (lat.) ->
senatusconsultum (N.) Vellaeanum aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet
Frauen die i. Es begründet eine Einrede gegenüber einer aus dem an sich
gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung. Das Verbot der i. wird mit der
Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter übernommen, seit dem
19. Jh. aber aufgegeben.
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44; Mönnich,
U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999
Interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im mittelalterlichen
Kirchenrecht die I. des Rechts auf geistliche Güter oder der Vornahme einer
kirchlichen Handlung)
Lit.: Krehbiel,
E., The Interdict, 1909
Interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht ein Verbot des Prätors
zur Sicherung von Rechtslagen.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40
Interdictum (N.) de arboribus
caedendis (lat.) ist im römischen Recht
der Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang.
Lit.: Kaser § 23 III 1
Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz beim
Einsammeln von Früchten.
Lit.: Kaser § 23 III 2
Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Wohnungsmieters beim Verlassen der Wohnung.
Lit.: Kaser § 31 III 6
Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Rückgabe
einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen Störung
des Besitzes mit Waffengewalt.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) quam
hereditatem (lat.) ist im römischen Recht
der Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung
auf die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.
Lit.: Kaser § 75 I 4
Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der Befehl zur Herausgabe
eines Grundstücks, das ein Kläger herausverlangen will, an jeden, der das
Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.
Lit.: Kaser § 27 I 5
Interdictum (N.) quem
usumfructum (lat.) ist im römischen Recht
der Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes
einzulassen.
Lit.: Kaser § 29 I 5
Interdictum (N.) quod vi aut
clam ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.
Lit.: Kaser § 23 III 9
Interdictum (N.) quorum
bonorum (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers.
Lit.: Kaser § 75 II
Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz des
Verpächters bei der besitzlosen Verpfändung von Inventar eines Pächters an den
Verpächter.
Lit.: Kaser § 31 III 6a
Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame
Eindringlinge.
Interdictum (N.) uti
possidetis ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.
Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4
Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der Rechtsschutz gegen den
fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 1b
Interdikt -> interdictio, -> interdictum
Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach prätorischem Recht gegen
eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat. [N.]) -> interdictum
geschützte -> Besitz (lat. [F.] possessio). I. haben Eigenbesitzer,
Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.
Lit.: Kaser § 19 IV
Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden Schadens. Das I. geht
auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest zurück. Im 20. Jh.
(-> Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder
Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.
Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft
und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69
Interessenjurisprudenz ist eine methodische Richtung in der Rechtswissenschaft,
die davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der Rechtsordnung der
Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als wertende
Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Ihering und) den
Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler Philipp -> Heck
(Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914) zurück. Heck stellt dabei auf den
sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen beteiligten Interessen ab. Der
Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber in den gesetzlichen Regeln
abstrakt gefassten Entscheidungen der Konflikte und der dabei getroffenen
Wertungen der beteiligten Interessen oder Begehrensdispositionen zu bedienen.
Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte Interessenbewertung
auffinde, dürfe er selbst so entscheiden, wie der Gesetzgeber vermutlich
entscheiden würde.
Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz,
1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz, 1967; Kallfass, W.,
Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Schoppmeyer, H.,
Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001
Interimsschein
Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913
Interlinearglosse (F.) zwischen den Zeilen eingetragene Erklärung (Glosse) le kriminalistische Vereinigung ist die von Franz von -> Liszt begründete Vereinigung
von Strafrechtlern (1889-1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die Internationale
Kriminalistische Vereinigung, 1994
Internationaler Gerichtshof ist der 1946 als Nachfolger des ständigen Internationalen
Gerichtshofes des Völkerbundes gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen
mit Sitz in Den Haag und einer Besetzung durch 15 hauptamtliche Richter, der Rechtsstreitigkeiten
zwischen Staaten auf Grund des Völkervertragsrechts, des
Völkergewohnheitsrechts und der von den zivilisierten Staaten anerkannten
allgemeinen Rechtsgrundsätze entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25
Gutachten (ohne Vollstreckungsmöglichkeit) erstattet hat.
Lit.: Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, § 50 VI; Fifty Years of the International
Court of Justice, hg. v. Lowe, V., 1996
Lit.: Ferencz, B.,
Von Nürnberg nach Rom, 1998; Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen
Strafgerichtsbarkeit, 1999; Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004
Internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit Auslandsberührung betreffende
staatliche Privatrecht. Das römische Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze.
Nach dem frühmittelalterlichen, auf das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht
gilt zu Beginn der Territorialisierung des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts
(lat. lex [F.] loci) des entscheidenden Richters, den -> Accursius (1228)
und -> Azo mit römischen Quellenbelegen rechtfertigen. Unter den Kommentatoren
(Jacobus Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht
eingeschränkt, das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen
Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, die auf der Grundlage der
römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln entwickelt werden. Demgegenüber setzt
sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré) durch, die
(lat.) statuta (N.Pl.) personalia, (lat.) statuta (N.Pl.) realia und (lat.)
statuta (N.Pl.) mixta unterscheidet und damit in erster Linie auf das
innerstaatliche Recht abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die
Rückkehr zu den Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis
maßgeblichen Recht (Sitz des Rechtsverhältnisses). Auf dieser Grundlage
entsteht in der Mitte des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des
internationalen Privatrechts, deren Ergebnisse Eingang finden in das
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im
ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche internationale Privatrecht in
Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und der Schweiz (1989) neu
gefasst.
Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des heutigen
römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956; Neumayer, K.,
Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und Strafrechts
bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K.,
Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller,
M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts,
1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des
Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die
deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen
Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F.,
Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J.,
Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des
Internationalprivatrechts, 1977; Anhauser, V., Das internationale
Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17.
Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H.,
Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle
civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001;
Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G.
Foelix, 2006
Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im Landes„inneren“)
Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete nichtstaatliche
internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener Parlamente mit Sitz
in Genf.
Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union 1889-1914,
1988
Interpolation ist die abändernde und damit wohl oft verfälschende
Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen Wortlaut eines
Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen Juristen
verwertenden Gesetzgebungstätigkeit Justinians (z. B. Ersetzung von [lat. F.]
mancipatio durch [lat. F.] traditio).
Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien
1979
interpretatio (lat. [F.]) Auslegung, -> Interpretation
Interpretation ist die -> Auslegung von Gedankenerklärungen. Die
juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht am Zwölftafelgesetz durch
die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft entwickelt sich
nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern vertrauten Verfahrensformeln
(304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung mit Aufsetzen von Formularen,
Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die I. ist. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts im Mittelalter wird auch die I. aufgenommen, wobei es am
Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) -> mos (M.) Gallicus um die
bessere I. besserer Texte geht.
Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser, M./Schwarz,
F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956; Behrend, O., Die fraus
legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik, hg. v.
Schröder, Jan, 2001
Interregnum ist die zwischen (1250 bzw.) dem Aussterben der ->
Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von -> Habsburg zum deutschen König
(1273) liegende Zeit, in der die Landesherren zu Lasten des Reiches erstarken.
Das I. trennt Hochmittelalter und Spätmittelalter voneinander. Daneben ist I.
auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen und der
Herrschaft seines Nachfolgers.
Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum, 1892;
Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter
Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik,
2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002; Kirk, M., Die kaiserlose, die
schreckliche Zeit, 2002
Intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen Gewähren im
Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der Besitzer
einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat. tertia
manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu bringen,
ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der Spurfolge die
Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum Ding bringen
werde.
Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang, 1908;
Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33 (1912),
129
Intervenient
Lit.: Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser
Heinrichs IV., 1970
Interzession -> intercessio (lat. [F.])
Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne -> Testament zur
Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der -> Hauserbe und danach der Außenerbe.
Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die prätorischen
Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusammen. Dem I.
entspricht später der gesetzliche Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38;
Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876
introitus (lat. [M.]) Eintritt -> Immunität
Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks Entschärfung sozialer
Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene -> Sozialversicherung für den Fall
der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation werden besondere
Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält eine Rente.
Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks, in:
Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung, 1979,
387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung,
in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1
Inventar (lat. [N.] inventarium) ist eine Gesamtheit von
Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis. Im spätantiken
römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars (lat. beneficium
[N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb bestimmter Fristen ein
Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die
Erbschaftsschulden auf die Nachlassgegenstände beschränken und damit von
seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der
Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in
diesem Sinne aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler,
DRG 59; Mely, F. de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires
imprimés, Bd. 1ff. 1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 600
inventarium (lat. [N.]) -> Inventar
Investitor (M.) Einkleider, Einweiser
(Bologna 1057)
Investitur ist im Mittelalter die förmliche, die unsichtbaren
Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar machende
Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer Herkunft ist,
ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens mit einem (an
sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche zu kommen.
Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala, lat. [F.]
traditio) ist ungewiss. Als Symbole der den Übergang der -> Gewere
bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze, Fahne und
anderes verwendet.
Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW; Mayer,
E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer, E., Zur
Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der
Einkleidung, ZRG GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su alcune „notitiae
investiturae“ contenute nel Codice diplomatico Lombardo, Annali della R.
Università di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche
Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und
Investitursymbol des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der
Gewere, TRG 43 (1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte
Briefe Papst Gregors VII. übersetzt v. Schmale, Franz-Josef, 1978; Krieger, K.,
Die Lehnshoheit, 1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u.
a., 2004
investitura (lat. [F.]) Einkleidung, -> Investitur
Investiturstreit ist der aus -> Immunität und ottonischem ->
Reichskirchensystem erwachsene, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und
Papst Gregor VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand ausgebrochene
Streit um die Bekleidung (-> Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern
(Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen
den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach ->
Canossa die Lösung vom Bann. Mit dem -> Wormser Konkordat kommt es 1122 zu
einem vorläufigen Ausgleich.
Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit,
1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im Investiturstreit,
1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und Reichsverfassung,
hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen
Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit, 1982; Hartmann,
W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Englberger, J., Gregor VII. und die Investiturfrage,
1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit, 1996; Golinelli, P.,
Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W., Kirchenreform und
Investiturstreit 910-1122, 2000; Der Investiturstreit, hg. v. Laudage, J. u.
a., 2. A. 2006
Inzest (M.) Blutschande
Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der
merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss.
jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, Claudia, Inzest,
2005
Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen Zivilverfahren und
Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das seit dem 16. Jh. im
-> Inquisitionsprozess aufgeht.
Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach
bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970
Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird aufgerechnet) ist eine im
Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene Rechtsregel, welche die
Entbehrlichkeit einer besonderen Aufrechnungserklärung ausspricht (anders §
388 BGB).
Iran
Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003
Irland ist der westlich Englands gelegene, nordwesteuropäischer
Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union
(1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr. wandern Kelten in
die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. werden die Bewohner
christianisiert. 1171/2 greift der König von England auf I. aus. 1534 beginnt
er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I. Im Norden setzt sich
der englische Einfluss und damit auch die protestantische Religion durch. Seit
dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein selbständiges irisches
Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament eingerichtet. Am 6. 12.
1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nordirland) von Großbritannien
vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch geprägt, wird aber seit
1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat I. eine formelle
Verfassung.
Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u. a.,
1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G., English
Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971; Die Iren
in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new history of
Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985, 1989; Elvert,
J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval Ireland, 1995; Irland
und Europa im fühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P. u. a., 1996; Richter,
M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine Geschichte Irlands, 1998;
Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999; Charles-Edwards, T., Early
Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte Irlands, 2003; Breuer, R.,
Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf, 2003; Richter, M.,
Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der Nordirlandkonflikt, 2005
Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl immer] Wernerius)
(1060?-1125?) ist der Urheber der durch Wiedergewinnung der -> Digesten
Justinians (530/3) veranlassten, durch die zunehmende Schulung in den freien
Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales) ermöglichten und im Ergebnis wohl auch
gewissen praktischen Bedürfnissen entsprechenden rechtswissenschaftlichen
Literatur des Mittelalters. Vermutlich erteilt I. zuerst Unterricht in den
freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der Rhetorik auch das Recht.
Danach versieht er bei scholastischer Interpretation fast die gesamten
justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, -> Codex, -> Institutiones)
mit mehreren tausend nur teilweise erhaltenen Glossen (lat. Apparatus [M.]
glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er die -> Authenticae an und
verfasst vielleicht eine kurze -> Distinktion. Zwischen 28. 6. 1112 und dem
10. 12. 1125 ist er als (lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin
Mathilde von Tuszien und (lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V.
bezeugt. 1119 wird er (wahrscheinlich) exkommuniziert.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G., Die
Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio, 1896,
Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965), 327;
Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius bononiensis
iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Fried, J.,
auf Bitten der Gräfin Mathilde, in: Europa an der Wende vom 11. zum 12.
Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001
Irrtum (lat. [M.] error) ist das Auseinanderfallen von
Vorstellung eines Handelnden und Wirklichkeit. Im römischen Recht ist der I.
ein Fall von fehlender Willensübereinstimmung, so dass er (als I. über
Gegenstand, Preis oder Vertragstyp) keinen Vertrag entstehen lässt. In der
byzantinischen und mittelalterlich-römischen Rechtswissenschaft schließt auch
der I. über die tatsächlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstands die
Bindung aus, wobei es später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme
des Geschäfts ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als
Fallgruppen der Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner
und Geschäftsbezeichnung unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils
grundsätzlich für unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam
(Allgemeines Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt
(Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten in
einem komplizierten Geflecht verbunden. Im 19. Jh. erscheint der I. als
allgemeine Figur auch im allgemeinen Teil des Strafrechts.
Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204, 208;
Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis des
Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom
Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Kramer,
E., Der Irrtum beim Vertagsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische
Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F.,
Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, in: Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des
wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im
Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über
wesentliche Eigenschaften, 2003
Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4. 636), aus hispanorömischer
Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat. [F.Pl.]) Etymologiae (bzw.
Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar. Durch die weite Verbreitung
dieses Werkes werden zahlreiche römische Rechtsbegriffe schon im
Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius, lex, consuetudo, mos, ius civile,
ius gentium, ius naturale). Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk
Sententiae (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit
seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und
Kirchenrechtssammlungen ein.
Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Isidoro di
Siviglia, hg. v. Fontaine, H., Bd.. 1ff. 1962ff.; Diesner, H., Isidor von
Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville,
2000
Islam ist die von -> Mohammed (Mekka um 569 – Medina 8. 6.
632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen Gottes Allah), deren Anhänger sich
Muslime (die sich Gott unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der I.
von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen. Im
10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile Indiens.
1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken erobert und
der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach Indonesien, im
20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion, weshalb schon
der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt. Hinzu kommt das
überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch islamische
Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (-> Saria, Scharia). Im 16. Jh. wird im
osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des Sultans
unterstellt.
Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen Rechts im
16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.; Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The
Cambridge History of Islam, 1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser,
K. u. a., Bd. 1ff. 1974; Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An
Introduction to Islamic Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische
Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989; Dilger, K., Tendenzen zur
Rechtsentwicklung, in: Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170;
Motzki, H., Die Anfänge der islamischen Jurisprudenz, 1991;
Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische Islam, hg.
v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique, 1995; Der Islam
in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz, P., Malikitisches
Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997; Oßwald, R., Pactane
sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis 1500, 1998; Schneider,
I., Kinderverkauf und Schuldknechtschaft,
1999; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der
Islam, 1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der
Islam, 2000; Beiträge zum islamikschen Recht, Bd. 1ff., hg. v. Ebert, H. u. a.,
2000ff.; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2001; Tibi, B.,
Einladung in die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of
islamic jurisprudence, 2002; Bihl, W., Islam, 2003; Möhring, H., Warum verlor
die islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G.,
Geschichte des Islam, 2005; Lohlker, R., Bibliographie des islamischen Rechts,
2005; Endreß, G., Der islam in Daten, 2006
Island ist der auf der zweitgrößten Insel Europas gebildete
nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr. bekannt und wird am
Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875 durch Wikinger
(Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I. christlich. Trotz
karger natürlicher Gegebenheiten entwickeln sich hohe literarische Kultur und
vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der König von -> Norwegen durch
Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen an -> Dänemark, das 1550
die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von Dänemark unabhängig. 1944 wird I.
Republik.
Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle af den
islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische
Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die
wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff,
H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26; Scovazzi,
M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese nella
Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A., Grundzüge der
nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v.
Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J.,
Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Gerhold, W., Armut und
Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002
Isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw. Islands. Seine Anfänge
sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der Gulathingslög von Ulfljotr
zusammengefasst und in Island von einer Versammlung (Allthing) als Recht (an.
log) angenommen worden sein. Mit der Christianisierung (1000) treten Änderung
in dem mündlich durch Gesetzessprecher (an. logsogumadr) bewahrten Recht ein.
1117/1118 verfasst der Gode Hafliðe Marsson eine schriftliche Fassung (an.
Haflidaskra), die ebenso verschollen ist wie das 1122-32 entstehende Christenrecht
(an. Kristinna laga thattr). Vermutlich beruht auf den Inhalten die ->
Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/1273 wird unter norwegischer Herrschaft (1262) die
-> Jarnsida (Eisenseite) angenommen, 1281 die -> Jonsbok (Lögbok
Islendinga), von der rund 200 Handschriften überliefert sind. Um 1275 stellt
Bischof Arne von Skalholt ein neues Christenrecht (an. kristinrettr Arna
biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse ermöglichen auch die
Geschichtsdarstellungen und die Isländersagas.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911;
Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Isny
Lit.: Die Urkunden des früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis
1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich,
P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann,
Die Reichsstadt Isny am Ende des alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C.,
Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976
Israel ist im Alten Testament der zweite Name Jakobs, der
stellvertretend für die -> Juden und ihren Staat steht, insbesondere für den
seit 1917 angestrebten bzw. 1948 verwirklichten Staat.
Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956;
Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss
deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L.,
Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999;
Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan,
A. u. a., 2005; Gerstenberger, E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R.,
Leben zur Zeit der Bibel, 2006; Balke, R., Israel, 3. A. 2007
Istanbul am Bosporus geht auf das griechische Byzanz zurück. 1453
wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine Universität.
Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985
Italicus -> mos Italicus
Italien ist der zwischen Griechenland und Spanien gelegene südeuropäische
Staat, der seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union
(1993) gehört. Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu
lat. vitulus [M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als
Italia bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das
allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt.
476 fällt I. als Teil des westlichen Teiles des Reichs der Römer mit Rom an
Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rückgewinnung
seitens des oströmischen Kaisers Justinian wird durch den Einbruch der ->
Langobarden (568) gestört. Danach wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna,
Unteritalien), den Langobarden und dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des
Papstes besiegt der fränkische König Pippin III. den Langobardenkönig Aistulf
und gewährt dem Papst in der -> pippinischen Schenkung 754 Teile der von den
Langobarden besetzten Gebiete (-> Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der
Große die Langobarden. Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die
Bindung eines Teils Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen
Normannen in Unteritalien Fuß und beginnen oberitalienische Städte nach
Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und Konstanzes von
Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von Papst und
Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee eines
einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im Zeichen
verhältnismäßig selbständiger, dem Reich lehnsrechtlich verbundener
Mittelstaaten (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel, Venedig). Seit 1494 wird
I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als Nachfolger der Anjou
[1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien
1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]). 1701/1713 gelangt als Folge des spanischen
Erbfolgekrieges der Süden an Frankreich, der Norden an Österreich. Das
erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum Kampf gegen
Österreich, das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen
Bourbonen aus dem Süden vertrieben. Der Fürst von Sardinien-Piémont nimmt mit
dem 17. 3. 1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird von Österreich
Venedig gewonnen und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch
Annexion eingezogen. Nach der faschistischen Herrschaft Mussolinis (1922-1943)
wird I. am 2. 6. 1946 Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen
nicht.
Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler, Historisches
Lexikon; Lessico Etimologico Italiano; Blandini, G., La tirannide italiana nel
rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle città, 1903; Mayer,
E., Italienische Verfassungsgeschichte, 1909; Mayer, E., Bemerkungen zur
frühmittelalterlichen, insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Chiapelli,
L., L’età longobarda e Pistoia, 1922; Solmi, A., Il comune nella storia del
diritto, Enciclopedia giuridica italiana 3, 2 (1922); Schneider, F., Die
Entstehung von Burg und Landgemeinde in Italien, 1924; Sthamer, E., Aufgaben
der Geschichtsforschung in Unteritalien, ZRG GA 46 (1926), 132; Bognetti, Sulle
origini dei comuni rurali nel medio evo, 1926f.; Below, G. v., Die italienische
Kaiserpolitik des deutschen Mittelalters, 1927; Stutz, U., Neue Forschungen zur
Geschichte des italienischen Städtewesens, ZRG GA 48 (1928), 444; Calasso, F.,
La legislazione statutaria dell’ Italia meridionale, 1929; Mochi Onory, S.,
Ricerche sui poteri civili dei vescovi, 1930; Silberschmidt, W., Die Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Dahm, G., Das Strafrecht
Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Solmi, A., L’amministrazione finanziaria del regno
italico nell’ alto medio, 1932; Chiapelli, L., Storia di Pistoia, 1932; Mochi
Onory, S., Vescovi e città (sec. IV-VI), 1933; Deibel, G., Die finanzielle
Bedeutung Reichsitaliens für die staufischen Herrscher des zwölften Jahrhunderts,
ZRG GA 54 (1934), 134; Giardina, C., Il supremo consiglio d’Italia, 1934 (Atti
Palermo); Deutsch, W., Das Wesen des italienischen Staates, 1936; Beloch,
K., Bevölkerungsgeschichte Italiens 1, 1937; Rasi, P., Exercitus Italicus e
milizie cittadine, 1937; Wolf, H., Volkssouveränität und Diktatur in den
italienischen Stadtrepubliken, 1937; Studi di storia e diritto in onore di
Enrico Besta, 1939; Mitteis, H., Zur Lage der rechtsgeschichtlichen Forschung
in Italien, ZRG GA 69 (1952), 203; I placiti del „regnum Italiae“, hg. v.
Manaresi, C., Bd. 1f. 1955ff.; Hlawitschka, W., Franken, Alemannen, Bayern und
Burgunder in Oberitalien 774-962, 1960; Petrucci, A., Notarii, 1958; Dilcher,
G., Bischof und Stadtverfassung in Oberitalien, ZRG GA 81 (1964), 225; Santini,
G., I comuni di Pieve nel medioevo italiano, 1964; Annali della fondazione
italiana per la storia amministrativa 1, 1964; Hoke, R., Die rechtliche
Stellung der national gemischten Bevölkerung am Nordrand der Adria im
mittelalterlichen deutschen Reich, ZRG GA 86 (1969), 41; Waley, D., Die
italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Italien, 1970; Projet du Code civil de la Republique Romaine
(1798), hg. v. Ranieri, F., 1976; Bibliografia delle edizioni giuridiche
antiche in lingua italiana, 1978; Keller, H., Adelsherrschaft und städtische
Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Italien im Mittelalter, hg. v. Gall, L.,
1980; Bosl, K., Gesellschaftsgeschichte Italiens im Mittelalter, 1982;
Schumann, R., Geschichte Italiens, 1983; Härtel, R., Die älteren Urkunden des
Klosters Moggio bis 1250, 1985; Goetz, W., Grundzüge der Geschichte Italiens,
3. A. 1988; Lill, R., Geschichte Italiens in der Neuzeit, 4. A. 1988; Potter,
T., Das römische Italien, 1992; Die großen Familien Italiens, hg. v. Reinhardt,
V., 1992; Indice biografico italiano, hg. v. Nappo, T., Bd. 1ff. 1993;
Chielloni, C. u. a., Italien, 3. A. 1995; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R.,
1995; Die deutsche und italienische Rechtskultur, hg. v. Mazzacane, A. u. a.,
1995; Pauler, R., Die deutschen Könige und Italien, 1997; Hersche, P., Italien
im Barockzeitalter, 1999; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 1999; Kroll, T.,
Die Revolte des Patriziats, 1999; Delumeau, J./Heullant-Donat, I., L’Italie au
Moyen Âge, 2000; Ascheri, M., I diritti del Medioevo Italiano, 2000; Voßkamp,
U., Instabilität und Regierbarkeit, 2001; Cammarosano, P., Storia dell’Italia
medievale, 2001 Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel in
Italien vom Ende des 2. Weltkrieges bis heute, hg. v. Ullrich, H., 2001; Reinhardt,
V., Die Renaissance in Italien, 2002; Reinhardt, V., Geschichte Italiens, 2003;
Italy in the Central Middle Ages 1000-1300, hg. v. Abulafia, D., 2004; Arnaldi,
G., Italien und seine Invasoren, 2005; Reiter, J., Entstehung und
staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del lavoro, 2005; Quellen zu
den deutsch-italienischen Beziehungen 1861-1963, hg. v. Altgeld, W., 2005;
Italienisches Recht ist das in Italien geltende Recht. Es ist im Altertum das
römische Recht. Nach dem Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische
(Goten, Langobarden, Franken, Normannen), griechische und arabische
(sarazenische) Volksgruppen ein. Die Wissenschaft des römischen Rechts verschwindet
(vermutlich). In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im
ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (-> Irnerius).
Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer
stärker hervor (-> Statuten), neben denen das von Glossatoren und
Kommentatoren weiterentwickelte gelehrte Recht als gemeines Recht (lat. ->
ius [N.] commune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische
Rechtswissenschaft (lat. [M.] -> mos Italicus) zugunsten der französischen
Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh.
entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die
Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt.
Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivilgesetzbuch (it. Codice civile), eine
Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und 1889
ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931 das
Strafprozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich Handelsrecht, 2969
Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 entstehen zahlreiche
Sozialgesetze.
Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd. 1ff. 2.
A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del diritto
italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum, 1907; Meyer,
E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck 1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e
criminale, 1925; Pitzorno, B., Elaborazione scientifica della storia del
diritto italiano, 1928; Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato
italiano, hg. v. Ermini, G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e
storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im
ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso, F., La „convenientia“, 1932; Leicht,
P., Il diritto privato preirneriano, 1933; Paradisi, B., Massaricium ius, 1937;
Nicolini, U., Le limitazioni alla proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti
della personalità e rapporti di famiglia nel rinaschimento italiano, ZRG GA 58
(1938), 478; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938;
Giardina, C., La così detta proprietà degli alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm,
G., Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen
Stadt, 1941; Paradisi, B., Gli studi di storia del diritto italiano, 1950; Petracchi,
A., Le origini dell’ordinamento comunale e provinciale italiano, 1962; Luther,
G., Einführung in das italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331,
3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi
delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen
Rechts im 18. Jahrhundert, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini, R.,
Disegno storico del diritto privato italiano (1865-1942), 1980, 2. A. 1990; Ghisalberti,
La codificazione del diritto in Italia, 1985; Vallone, G., Iurisdictio domini –
Introduzione a Matteo d’Afflitto (um 1443-1523), 1985; Santini, G., Europa
medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a strutture sociali padane
nella prima età moderne, Carolus Ruinus (1456-1530), 1988; Deutsche
Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen Rechtskultur
während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze, R., 1990; Mazzacane,
A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian, G., Fünfzig Jahre
italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler, P., Einführung in das
italienische Recht, 1993; Köbler, G., Rechtsitalienisch, 2. A. 2004; Beneduce,
P., Il corpo eloquente, 1996; Watkin, T., The Italian legal tradition, 1997;
Rübesamen, R., Das italienische Zivilgesetzbuch, 2000; Prodi, P., Una storia
della giustizia, 2000; Verfassungsgebung, partitocrazia und Verfassungswandel
in Italien, hg. v. Ullrich, H., 2001; Matrimoni in dubbio, hg. v. Seidel
Menchi, S. u. a., 2001; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Englert, T.,
Deutsche und italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Somma, A., I
giuristi e l’asse culturale Roma-Berlino, 2005
Iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die
Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußweges und Reitweges.
Lit.: Kaser § 28 I 2a
Itinerar (N.) Reiseweg
Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte, B.,
König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002
Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) das konfessionsbedingte Auseinandertreten jeder der drei
Kurien des -> Reichstages seit etwa 1529, gesetzlich anerkannt seit 1648.
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA
95 (1978), 180
Iudex (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der vom
Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im Formalverfahren ein Privatmann, der
nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann.
Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer
amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus
etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Im Kognitionsverfahren ist der
i. Amtsträger. -> Richter
Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19; Köbler,
LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93; Broggini,
G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K., Zur
Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N.,
Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis,
Diss. jur. Tübingen 2004
Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)
Iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht, Urteilsgericht) ist im
römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter ihrer Mitwirkung
eingesetzte Gericht, in dem der Richter das Urteil treffen soll
(Spruchgericht).
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium
belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod
interest im bonae fidei iudicium, 1969
Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit dem Frühmittelalter das
Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England 1215). Mit dem Schwinden
des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die Entstehung des
Instanzenzuges einher.
Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Iulianus, Salvius (Hadrumetum um 100-um 170), Abkömmling einer aus
Italien kommenden Kaufmannsfamilie in Nordafrika, wird mit einer
eindrucksvollen Ämterlaufbahn zu einem der bedeutendsten römischen Juristen der
klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten auszugsweise
überlieferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium Ferocem, liber
singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne verbindenden Text
schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die abschließende
Bearbeitung des prätorischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt der
sabinianischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E.,
Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157
Iulianus (Konstantinopel um 554 Einführungsvorlesung in die
justinianischen Novellen in lateinischer Sprache) ist ein byzantinischer
Rechtslehrer.
Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004
Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein römischer Jurist des 2. Jh.s
v. Chr., von dem (lat.) libri (M.Pl.) tres iuris civilis (drei Bücher
Zivilrecht) bekannt sind.
iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur
Lit.:
Körner, T., Iuramentum und frühe Friedensbewegung, 1977
Iura ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den Knochen
(Personalitätsprinzip).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius
praedii]) sind im römischen Recht die landwirtschaftlichen und städtischen
Servituten (Grunddienstbarkeiten) wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.),
aquaeductus (M.), servitus (M.) stillicidii usw.
Lit.: Kaser § 28 I 2
iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter
Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T.,
De claris iuris consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968
iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung, Gerichtsbarkeit
Lit.: Söllner §§ 6, 9
iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) -> freiwillige Gerichtsbarkeit
Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA 106
(1989), 180
Iuris praecepta sunt
haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes sind: ehrenhaft leben,
den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus
sacerdos, in: Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555
Ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht. Die
Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (verwandt mit ahd. ewa?). Das Wort
kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen, objektives Recht)
wie auch subjektiv (Einzelberechtigung, subjektives Recht) gebraucht werden.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler, LAW;
Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et ius,
1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius in
re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Haug, F., Ius
und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994;
Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente,
2005
Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit dem Abschluss eines
Rechtsgeschäftes entstehende Recht auf die Sache. Es erscheint in der
gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-10], Summa super usibus
feudorum [1230-1250, Jacques de Revigny?]) für den Lehnsmann, der zwar bereits
belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt hat. Er darf das
Gut (auch im Verhältnis zu Dritten) an sich ziehen. Ähnliches gilt für den
Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit wird das i. a. r. zu dem
allgemeinen Grundsatz ausgebaut, dass der spätere dingliche Erwerber einer
Sache dem früheren schuldrechtlichen, dessen Anspruch er kennt, weichen muss.
In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das -> Allgemeine Landrecht
(Preußen 1794) eingegangen. Mit dem preußischen Eigentumserwerbsgesetz (5. 5.
1872) wird es für unbewegliche Sachen durch die -> Vormerkung ersetzt.
Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W. v.,
Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte des
jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius ad
rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung
des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International
Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und
persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer,
1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002
Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem frühen Juristen Sextus
Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste Recht.
Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29
Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.) -> privilegium (N.) minus
(1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich und
seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte Recht, bei Kinderlosigkeit den
Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten (lat.) privilegium (N.) maius
(1358) vom Fälscher auf alle österreichischen Herzöge erweitert.
Lit.: Baltl/Kocher
Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in
der Neuzeit das Recht, ein Heer zu unterhalten.
Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen
Territorien von 1500-1800, in: Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419
Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das seit etwa 1140 im ->
Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.) -> corpus (N.) iuris
canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche Recht.
Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der Quellen
und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus iuris
canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A.
1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A., Kirchenrecht,
5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex
iuris canonici, Lemmata, 1986
Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen Bürger im Gegensatz zum
(lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.) honorarium (bzw. praetorium).
Es beruht auf dem Zwölftafelgesetz, auf den Volksgesetzen und der daran
anknüpfenden Auslegung (der Rechtswissenschaft). Im Frühmittelalter ist i. c.
das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) canonicum, seit dem
Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht (lat. ius [N.]
terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das bürgerliche Recht (Privatrecht).
Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt Zivilrecht zunehmend den Ausdruck
Privatrecht.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25;
Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
Ius (N.) civile
Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von
Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.
Lit.: Köbler, DRG 29
Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende Recht im Gegensatz zum durch die
Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum).
Lit.: Kaser § 3 II
Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im Gegensatz zum besonderen
Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere Bedeutung. Seit der
Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter benennt es das
römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum besonderen Recht
einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst durch die
Kodifikationen abgelöst.
Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The
ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es ist im Christentum
schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen Offenbarung der
Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das i. d. positivum
ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Gewalt, Sakramente). Das i. d.
naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt wird, ist zwar auch
grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der menschlichen Vernunft in
seiner Anwendung Schwankungen unterworfen. Das menschliche Gesetz darf nicht
gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i. d. teilweise nur als
moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze überführt werden
muss.
Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unveränderliches
und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und
das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius est ars boni et
aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst
(bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.
Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Celsus,
um 70-um 140)
Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
das Recht des Königs, jede Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen
(Evokationsrecht). Seit dem 13. Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den
Kurfürsten allgemein das Privileg, dieses Recht nicht in Bezug auf das
privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw. 1495 verliert das Nichtevokationsprivileg
grundsätzlich seine Bedeutung, weil das königliche Gericht keine Zuständigkeit
für reichsmittelbare Menschen mehr hat.
Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der
Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86
(1969), 75
Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera ist das seit 1648 allen
Gliedern des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zustehende ->
Bündnisrecht.
ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im römischen Recht seit Cicero
(106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern - für alle Rechtssubjekte -
auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der Völker), das nach späterer
Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker beruht und dem (lat.) ius
(N.) naturale (-> Naturrecht) nahesteht. Es gewinnt in der frühen Neuzeit
für das Naturrecht erneute Bedeutung.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG 30, 31,
146; Kaser M., Ius gentium, 1993
ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das von den Amtsträgern
(Prätoren) geschaffene Recht, das vorwiegend den Bereich des Rechts der Völker
(lat. ius [N.] gentium) betrifft.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler,
DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M., Ius
honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache
Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche Sachenrechte -
iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195
iusiurandum (lat. [N.]) Eid
iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid, -> Kalumnieneid
ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau
nach der Geburt von mehreren Kindern
Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem Menschen vorgegebene
Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum vom Menschen
geschaffenen Recht, insbesondere dem gesetzten Recht (griech. thesei dikaion).
-> Naturrecht
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein, W., Ius
naturale, ZRG RA 11 (1994), 1
Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte Königsgesetze geschaffene, am
Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester Papirius veröffentlichte, aber
nicht überlieferte römische Recht.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht
Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit die Polizeigewalt des
Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen Prätor geschaffene Amtsrecht
(lat. [N.] ius honorarium).
Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31
Ius (N.) primae
noctis ist das nur vereinzelt belegte,
(als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden 1538, Muri
1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hintersassin.
Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau, A.,
Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten
Nacht, 1999
Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223)
zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius est], quod ad singulorum
utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des Einzelnen belangt. Es
bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte ->
Privatrecht.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1
Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach einer Ulpian (170?-223)
zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est, quod ad statum rei
Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens
betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit abgesonderte
öffentliche Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103
(1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd.
1 1988
Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das subjektive Recht, das
eine Person durch einen Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung
erlangt hat.
Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte, 1895
Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) -> ius (N.) civile der römischen
Bürger.
Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9
Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) das Recht des Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten
rechtlich zu gestalten. Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648
ausdrücklich anerkannt. Seit dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.
Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius
reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit das (dem Kaiser)
vorbehaltene Recht.
Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte, Diss.
jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)
Ius Romanum allegans
fundatam habet intentionem (lat.). Wer
sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrundlage.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977,
1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der frühere Anspruch des Staates
auf das bewegliche Vermögen verstorbener kirchlicher Würdenträger.
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
ius (N.) terrae -> Landrecht
ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit
Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter das deutsche Recht als ein
Grundbesitzrecht im Osten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge des
deutschen Rechts, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist.
Kl. 93 1941, H. 2
Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das Wegnahmerecht.
Lit.: Kaser §§ 26, 27
Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht durch fremdes Staatsgebiet
zu -> Enklaven.
Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine Bezeichnung für das
(lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile. Beide Rechte lehrt
vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der Neuzeit betrifft das
juristische Studium regelmäßig beide Rechte (-> [lat.] doctor [M.] iuris
utriusque).
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992
Ius (N.) vitae
necisque (lat.) ist im römischen Recht das
Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen.
Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§
5, 8
iussum (lat. [N.]) Geheiß, Ermächtigung
Iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht der anerkannte
Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat. traditio [F.])
einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen werden.
Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40
Iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die
iustitia, 2. A. 1997
Iustitia est constans et perpetua voluntas suum cuique tribuendi (lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem
das Seine zu geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, 106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh.,
Institutionen 1, 1, pr.)
iustum bellum (lat. [N.]) ist der -> gerechte Krieg.
Iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht der gerechte Preis. Im
spätantiken römischen Recht kann der Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag
anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache verlangen,
wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den
auf den gerechten Preis fehlenden Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis).
Allerdings ist das i. p. schwer zu bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die
spätantike Lehre vom i. p. Im 19. Jh. wird die Vorstellung des i. p. wieder
zurückgedrängt.
Lit.: Köbler, DRG 64; Ruland, L., Die moraltheologische
Lehre vom gerechten Preis, 2. A. 1951; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und
gerechter Preis im Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Göttlicher,
Doris, Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004
Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17. 10. 1253 [1247?, 1250?]-19.
5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem 13jährigen Studium von
Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und Priester. Vielleicht
wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit -> Ivo von Chartres
ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher Heiliger der
Gerechtigkeit.
Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909), 321;
Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristenfakultät, Freib.
Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an
den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige
Ivo von Hélory, 1998
Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem Studium in Paris und Bec 1090
Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.) Collectio (F.) trium partium
(Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum und eine achtbändige (lat.
[F.]) Panormia, in denen er Kanones und Dekretalen sammelt und dadurch ->
Gratian erheblich beeinflusst.
Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962
J
Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramirez gegründete, mit einem
-> Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón.
Lit.: Nelson,
L., The foundation of Jaca, Speculum 53 (1978), 688
Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um
1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.)
quattuor doctores (M.Pl.) des 12. Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag
in Roncaglia auftreten.
Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des
Juristenstandes, 1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny) (1230/1240-1290) wird nach dem
Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor und 1289 Bischof von Verdun.
Neben verschiedenen Vorlesungen über die justinianischen Texte stammt
vielleicht das erste Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium [N.] iuris) von ihm.
Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L.,
La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les
répétitions de Jacques de Revigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997
Jacques de Révigny -> Jacobus de Ravanis
Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den Regeln
des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann danach
das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im
Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) -> Forst zum
königlichen Recht (-> Regal). Im Hochmittelalter geht das allmählich
erweiterte Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausgeschlossen,
wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (-> Bauernkriege) vergeblich wehrt.
Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich
zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in
der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des
Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später
(Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des
Grundstückeigentümers (Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke)
und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.
Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K., Geschichte
des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Lindner,
K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur
Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H.,
Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und
höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d.
Wiss., 2002; Rösener, W., Die Geschichte der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel
im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt – Herrschaft, Gesellschaft, 2004;
Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007
Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine im deutschen
Mittelalter häufige Zeitbestimmung unklarer Herkunft, die erstmals in Formeln
der Jahre 769-775 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist damit von Anfang an
die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6 Wochen und 3 Tagen
zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der unangesprochene Erwerber
eines Grundstücks die rechte -> Gewere.
Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von Jahr und
Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75; Puntschart, P.,
Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323 (1911), 328; Klein-Bruckschwaiger,
Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441; Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr
und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287
Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine schon im Frühmittelalter
bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht durchgesetzten
Ansatzpunkt zur Entwicklung der -> Steuer bildet.
Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die Mündigmachung durch
Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im 13. Jh. und steht
zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem
Spätmittelalter wird die römischrechtliche Einrichtung der (lat.) venia (F.)
aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährigkeitserklärung erscheint sie im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).
Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847, 86,
168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor 1900, Diss.
jur. Halle-Wittenberg 1907
Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270-Toledo 1343) verfasst nach seiner
1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeutendsten jüdischen Rechtsbücher des
Mittelalters (Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es betrifft Gebete und Feiertage,
Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie Diebstahl, Erbe, Vertrag und
Verfahren. Verarbeitet sind neben -> Talmud zahlreiche Rechtsquellen.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1058
Japan ist der östlich Chinas auf Inseln gelegene, ostasiatische,
bis zum 5. Jh. schriftlose, in Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh.
über Portugiesen) bekannter werdende Staat, dessen überkommenes, aus China
stammendes Recht, das z. B. in einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Goseibai-Shikimoku)
überliefert ist, nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853
erzwungenen Öffnung des Landes (Handelsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit
1858 Europa angenähert und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889)
grundlegend vom europäischen Recht (Frankreich [Strafgesetzbuch, Strafprozessordnung],
Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bürgerliches Gesetzbuch -
1890 französisch geprägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch verkündet, aber nach
Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und
Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898])
beeinflusst wird (-> Boissonade, Hozumi, -> Inoue, -> Roesler).
Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des
insitutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des
europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die
Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen
japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976;
Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, in: Japans Weg in die
Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen Rechts,
hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen Rechts
auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v.
Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im
japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der Kodifikationsstreit
zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann, R., Geschichte des
modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des japanischen
Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Schenck, P.,
Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji Kokusei (Die
deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999; Bruns, G., Die
japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das japanische
Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während der
Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche BGB,
in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J., Die
Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer Jurist
im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige Hozumi
und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl, M.,
Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of
1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27
(2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2005
Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im altnordischen
Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der weltliche Titel
eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er von der Mitte des
12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.
Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen
Verfassungsgeschichte, 1933;
Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk
Retshistorie, 2. A. 1947; Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989
Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/1273 unter norwegischer
Herrschaft (1262/1264) in -> Island eingeführte Recht. Es beruht auf
Gulathinglög und -> Gragas. 1281 wird die J. durch die -> Jonsbok
ersetzt.
Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd.
9 1936
Jasomirgott ist ein erst seit dem Spätmittelalter belegter, vielleicht
aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname Heinrichs II. (von
Babenberg, 1107/1108-13. 1. 1177).
Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der
Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157
Jason de Mayno (Pesaro 1435-Pavia 1519), außerehelicher Sohn eines
Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Alexander de
Tartagnis) 1467 Professor in Pisa, 1485-1488 in Padua, 1489 in Pisa. Neben
zahlreichen (414) Gutachten verfasst er umfangreiche Kommentare zu einzelnen
Stellen der justinianischen Rechtstexte.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi
a Padova nel secolo XV, 1986, 221
Jedem das Seine.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)
Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem Rechtsstudium am William
and Mary College (1760-1762) und einer praktischen Ausbildung 1767 Anwalt und
Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich, Außenminister und 1801
Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist maßgeblich verantwortlich
für die amerikanische -> Bill of Rights 1791 und die Einschränkung der
amerikanischen Zentralgewalt.
Lit.:
Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987
Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6. 1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn
eines Rabbiners und Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in
Wien, Heidelberg und Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht
in Wien, 1889 ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein
erfolgreichstes Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte
(1892) folgende Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits
als soziale Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als
Rechtsordnung (normatives Sollen).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft,
hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998;
Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg
Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und
Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911, 2005
Jena erscheint um die Mitte des 9. Jh.s (830-50). Um 1230 wird
es Stadt. 1556/1557/1558 erhält es eine Universität.
Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die Anfänge
des Jenaer Srtadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum Geschoßbuch
der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität Jena, Bd. 1ff.,
bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der Stadt Jena, 1966;
Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder, U., Das
gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in Jena, 1996;
Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a. 2003; Klassische
Universität und akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a. 2005; Hochschule
im Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K., Stapelstadt des
Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a., 2007
Jerusalem
Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12.
Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, hg. v. Bauer, D. u.
a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002;
L’idea di Gerusalemme, 2003
Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der von Ignatius von Loyola
(1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540 vom Papst bestätigte,
katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im Dienst der Kirche. Er wird
in der -> Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773 hebt ihn der Papst auf
(Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada), stellt ihn am 7. 8. 1814 aber
wieder her.
Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff. 1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968;
Hartmann, P., Die Jesuiten, 2001; Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld,
H., Ignatius von Loyola, 2006
Jesus (Nazareth um 4 v. Chr.? –
Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach etwa zweijährigem Wirken als
öffentlicher Wanderlehrer gekreuzigte Begründer der christlichen Religion.
Lit.: Theessen, G.,
Der historische Jeus, 1996; Cohn, H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer
Sicht, 1998
Jhering -> Ihering
Joachimica Constitutio -> Constitutio Joachimica
Johannes Andreae (bei Florenz um 1270-Bologna 7. 7. 1348) wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des kirchlichen Rechts. Er
kommentiert den -> Liber sextus, die Clementinen (lat. glossa [F.]
ordinaria) und den -> Liber extra. Trotz seiner stark kompilatorischen Arbeitsweise
ist er der bedeutendste Kirchenrechtler des 14. Jh.s. In seinen (lat.)
Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis (Zusätze zum Spiegel des
Wilhelm Durantis) stellt er als erster die Literaturgeschichte des kirchlichen
Rechts dar.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850,
Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes Andreaes Additiones to the
Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328
Johannes Teutonicus (1180?-25. 4. 1245), deutscher Schusterssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210 Rechtslehrer in Bologna und
vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes Zemeke?). Zwischen 1210 und
1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria zum (lat.) -> Decretum
(N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst Innozenz’ III. von 1210-1216
setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes durch.
Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995,
329
Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und Theologe, ist der Verfasser
verschiedener früher rechtswissenschaftlicher Arbeiten in Deutschland (u. a.
[lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa 1280).
Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg. v.
Brieskorn, N., 1981
Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350-Prag 1414) verfasst nach dem Studium
der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer und Notar außer dem
Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen Band des Stadtbuches
von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge).
Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem Ackermann
aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388
Johann von Buch -> Buch, Johann von
Johanniter
Lit.: Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff.
2002; Die Ballei Brandenburg des Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann,
K., 2006
joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft
Jonsbok (F.) (oder Lögbok Islendinga) ist der Name des 1281 in
-> Island eingeführten, in rund 200 Handschriften überlieferten, nach (dem
Lögmann) Jon Einarsson benannten, in zehn Teile gegliederten Rechts König ->
Magnus Hakonarsons. Die J. bleibt bis in das 18. Jh. bedeutsam.
Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for
Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984
Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?), Domkapitular in Osnabrück,
verfasst wohl vor 1273 einen durch -> Alexander von Roes 1281 überlieferten
(lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio (Abhandlung über das Römische
Reich), in dem er den Vorrang des Römischen Reiches bis an das Weltende lehrt.
Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander von
Roes, 1910
Josaphat („Jahwe richtet“) ist nach Joel 4,12 im
jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist als
Kidrontal verstanden).
Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht, 1934
Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20.
2. 1790), Sohn Kaiser Franz’ I. und Maria Theresias, wird 1764 römischer König,
1765 Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780) alleiniger Landesherr
der österreichischen Erblande. Er strebt einen zentralistischen Gesamtstaat
-> Österreich deutscher Staatssprache an. Seine aufgeklärte Reformpolitik
(Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, -> Josephinisches Gesetzbuch,
Bauernbefreiung, Josephinismus) kann sich gegen ständischen und föderalen
Widerstand nicht durchsetzen.
Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962; Bradler-Rottmann,
E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L., Kaiser Joseph II.,
1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979; Karniel, J., Die
Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph II., 1987;
Blanning, T., Joseph II., 1994
Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf gebliebenen (lat.) -> Codex
(M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten (1776) hervorgegangene
österreichische Gesetzbuch vom 1. 1. 1787. Dieses „Allgemeine bürgerliche
Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht. Es wird zum 1. 1. 1812 durch das
-> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch.
Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und seine
Umarbeitungen, 1886
Josephinismus ist ein staatspolitisches bzw. kirchenpolitisches System
des aufgeklärten -> Absolutismus unter -> Joseph II. in -> Österreich.
Im J. wandelt der Landesherr die ständische Verwaltung in eine bürokratische
Beamtenverwaltung um. Die Leibeigenschaft wird abgeschafft,
Wohlfahrtseinrichtungen werden gegründet. Deutsch wird Amtssprache. Der
geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt, Sakrament, Gottesdienst und
Disziplinargewalt über den Klerus beschränkt. Der evangelischen Religion wird
Toleranz gewährt (1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (1783).
Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine Geschichte,
1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E., Der
Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993; Der
Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995
Jude ist der Angehörige der Religionsgemeinschaft Judentum,
ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn Jakobs
benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die Frühgeschichte
der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr. werden die
Oberschichten der Reiche Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr. gerät das
Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König Kyros II.
von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten Juden die Rückkehr nach
Jerusalem. 63 v. Chr. erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen
die Römer 70 n. Chr. unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr.
blutig nieder. Bis zum 5./6. Jh. breiten sich die Juden unter Bewahrung ihrer
besonderen Religion und ihres besonderen Rechtes in einzelne Gebiete Spaniens,
des Frankenreiches und Italiens aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit
als Händler. 638 fällt Jerusalem an die Araber. Bis in das 9. Jahrhundert, in
dem die Juden unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem besonderen Abzeichen
gekennzeichnet werden, sind sie im Frankenreich nur am Mittelmeer sichtbar.
Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich Schutzprivilegien gewährt, für die
sie einen Schutzzins leisten. Im Reichslandfrieden von 1103 werden die Juden,
die in den Städten in eigenen Gassen oder Vierteln (Ghettos) leben, unter die
besonders befriedeten Personen aufgenommen. 1236 unterstellt sie Kaiser
Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem Schutz des
Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn. Da die Juden wegen des ->
kanonischen Zinsverbotes den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen an sich
ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347-1351, im Herbst 1347
durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien gebracht, je 50000 Tote in
Florenz und Genua, im Heiligen Römischen Reich vielleicht ein Zehntel der
Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren angebliche Urheber vielfach
verfolgt und weitgehend aus den Städten vertrieben. In den Schriften deutscher
Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt, aber vor allem aus
Nächstenliebe, später (Justus Henning Böhmer 1674-1749) auch aus naturrechtlichen
Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der verbliebenen
Juden der Aufstieg im Bankwesen. In der Aufklärung (z. B. Dohm, C., Über die
bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781) erhalten die Juden alle
staatsbürgerlichen Rechte (Virginia 1776, Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812
Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen
Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern
erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen
zusprich t-, 1850, Österreich 1867), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre
besondere Gerichtsbarkeit einschränken. Dabei wird nach 1780 allgemein die
Forderung nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben.
Als Folge der Gleichstellung und der durch die frühere Ausgrenzung begünstigten
Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden in die Großstädte und
aus dem Osten in die deutschen Staaten. Gegen 1860 hat sich das Judentum als
eigene kulturelle Komponente in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert (1871
1,05 Prozent der Deutschen, 1933 0,76 Prozent). In Abwehr der Judenemanzipation
entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in Deutschland z. B.
Treitschke, Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann Ahlwardt, Theodor
Fritsch [1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer, Alfred Rosenberg,
Hans F. K. Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programmes des ->
Nationalsozialismus Adolf -> Hitlers. Als Folge der bis 1918 judendiskriminierenden
Einstellungspolitik sind Juden im Staatsdienst nur schwach vertreten und
drängen in den Rechtsanwaltsstand. 1933 wird nahezu ein Drittel (28 %) der
Rechtsanwälte Preußens und die Hälfte (54 %) der Rechtsanwälte Berlins als
Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main 45 %, Breslau 35 %, Bayern 460 von etwa
2400). 1935 werden die Juden diskriminiert (1936 Entzug des Titels und der
Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und Dozenten, 1937 Verbot der
Promotion für jüdische Studenten, 1938 Verbot der Immatrikulation für jüdische
Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für jüdische
Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechtsanwälte entlassen). Die
1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland bzw. möglichen Einwanderungsländern
abgelehnten Auswanderung (von 300000 bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung
wird seit Sommer 1941 verwirklicht. Nur ein geringer Teil der europäischen
Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich, 190000 in Österreich, 1939 72000
Judenmischlinge ersten Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in
Deutschland) überlebt die sog. Endlösung (Holocaust).
Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161,
172, 206, 222, 225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff.
1853ff., Neudruck 1996; Stobbe, O., Die Juden in Deutschland während des
Mittelalters, 1866; Scherer, J., Die Rechtsverhältnisse der Juden in den
deutsch-österreichischen Ländern, 1901; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit
der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Rosenberg, A., Beiträge zur
Geschichte der Juden in Steiermark, 1914; Das Erfurter Judenbuch (1357-1407),
hg. v. Süßmann, A., 1915; Fehr, H., Deutsches Recht und jüdisches Recht, ZRG GA
39 (1918), 314; Urkunden aus Wiener Grundbüchern zur Geschichte der Wiener
Juden im Mittelalter, hg. v. Geyer, R. u. a., 1931; Fischer, H., Die
verfassungsrechtliche Stellung der Juden in den deutschen Städten während des
13. Jahrhunderts, 1931; Heise, W., Die Juden in der Mark Brandenburg bis zum
Jahre 1571, 1932; Fischer, H., Die Judenprivilegien des Goslarer Rates, ZRG GA
56 (1936), 89; Baer, F., Die Juden im christlichen Spanien, Bd. 1ff. 1929ff.; Grayzels,
S., The church and the Jews in the thirteenth century, 1933; Löning, G., Juden
im mittelalterlichen Bremen und Oldenburg, ZRG GA 58 (1938), 257; Katz, S., The
Jews in the visigothic and frankish kingdoms of Spain and Gaul, 1937; Krusemarck,
G., Die Juden in Heilbronn, 1938; Bender, H., Der Kampf um die
Judenemanzipation im Spiegel der Flugschriften 1815-1820, 1939; Zuncke, W., Die
Judenpolitik der fränkisch-deutschen Könige und Kaiser, 1941; Kisch, G., Jewry
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G., Forschungen zur Rechts- und Sozialgeschichte der Juden, 1955, 2. A. 1978; Kisch, G., The yellow badge in history,
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Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 358; Falk, Hebrew Law in Biblical Times, 1964;
Herzog, The Main Institutions of Jewish Law, Bd. 1f. 2. A. 1965ff.;
Blau, B., Das Ausnahmerecht für die Juden, 3. A. 1965; Dokumente über die
Verfolgng der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das
nationalsozialistische Regime 1933-1945, bearb. v. Sauer, P., 1966; Staudner,
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Kisch, G., Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Halle 1686 bis 1730, 1970;
Veitshans, H., Die Judensiedlungen der schwäbischen Reichsstädte, 170;
Veitshans, H., Kartographische Darstellung der Judensiedlungen, 1970; Adam, U.,
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1973; Herrmann, S., Geschichte der Juden in alttestamentarischer Zeit, 1973;
Adler, H., Der verwaltete Mensch, 1974; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in
die akademischen Berufe, 1974; Hodik, F., Beiträge zur Geschichte der
Mattersdorfer Judengemeinde, 1975; Geissler, K., Die Juden in Deutschland und
Bayern bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, 1976; Kisch, G., Forschungen zur
Rechts- und Sozialgeschichte der Juden in Deutschland während des Mittelalters,
1978 (Aufsätze); Kisch, G., Forschungen zur Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Juden, 1979 (Aufsätze); Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980;
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Jahrhunderts, 1982; Katz, J., Zur Assimilation und Emanzipation der Juden.
Ausgewählte Schriften, 1982, Laske, W., Die Situation der Juden in Gallien zur
Zeit und nach dem Zeugnis Gregors von Tours, ZRG GA 100 (1983), 260; Neunhundert
Jahre Geschichte der Juden in Hessen, 1983; Aufgebauer, P., Die Geschichte der
Juden in der Stadt Hildesheim, 1984; Donner, Geschichte des Volkes Israel, Bd.
1f. 1984ff.; Boecker, Recht und Gesetz im Alten Testament, 2. A. 1984; Graus,
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hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Braun, J., Die „Lex Gans“ – ein Kapitel aus der
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Judentoleranz und Judenemanzipation in Kurmainz 1774 bis 1813, 1985; Beer, U.,
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1987; Battenberg, F., Judenverordnungen in Hessen-Darmstadt, 1987; Germania
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Das Judentum, 3. A. 1988; Jodmann, W., Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft,
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Geschichte der Juden im hessischen Staatsarchiv Marburg 1267 bis 1600, bearb.
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der Juden im Rheinland 1825-1845, hg. v. Kastner, D., 1989; Die Ermordung der
europäischen Juden, hg. v. Longerich, P., 1989; Göppinger, H., Juristen
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Zeitalter der Juden, Bd. 1f. 1990; Aschkenas, Bd. 1ff., hg. v. Krach, T./Battenberg,
J., 1991ff.; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in Preußen, 1991; Braun, J.,
Sigmund Zimmern (1796-1830) – ein deutsch-jüdisches Gelehrtenschicksal, ZRG GA
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mittelalterlichen Umwelt, hg. v. Birkhan, H., 1992; Wissenschaft des Judentums,
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Strukturen der Diskriminierung der Juden im Dritten Reich, 1993; Burmeister,
K., Zur Geschichte der Juden am Bodensee Bd. 1ff. 1994ff.; Volkov, S., Die
Juden in Deutschland 1780–1918, 1994; Katz, D., The Jews in the History of
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Antisemitismus und deutsche Universitäten, 1995; Mentgen, G., Studien zur Geschichte
der Juden im mittelalterlichen Elsass, 1995; Lorenz, I./Berkemann, J.,
Streitfall jüdischer Friedhof Ottensen, 1995 (2 Bände); Die Judenpolitik des
Sicherheitsdiensts 1935 bis 1938, hg. v. Wildt, M., 1995; Quellen zur
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1997; Toch, M., Die Juden im mittelalterlichen Reich, 1997; Zimmermann, M.,
Die deutschen Juden 1914 – 1945, 1997; Meyer, M., Deutsch-jüdische Geschichte
der Neuzeit, 1997; Gotzmann, A., Jüdisches Recht im kulturellen Prozess, 1997;
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P., Politik der Vernichtung, 1999; Altermatt, U., Antisemitismus in der Schweiz,
1998; Juden und Christen im Zeitalter der Kreuzzüge, hg. v. Haverkamp, A.,
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Wie es umb der iuden recht stet, 1999; Marzi, W., Judentoleranz im
Territorialstaat, 1999; Juden in der Stadt, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 1999;
Judenvertreibungen, hg. v. Burgard, F. u. a., 1999; Illustrierte Geschichte
des Judentums, hg. v. Lange, N. de, 2000; Cluse, C., Studien zur Geschichte der
Juden in den mittelalterlichen Niederlanden, 2000; ; Bohrmann, M., Valeurs du judaïsme du début de notre
ère, 2000; Herzfeld, E., Juden in Brandenburg und Preußen, 2001; Juden in
Europa, hg. v. Schoeps, J. u. a., Bd. 1ff. 2001ff.; Rechtsentscheide Abraham
Ben Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2001; Battenberg, J., Die Juden
in Deutschland, 2001; Browning, C., Judenmord, 2001; The Jews and the Expansion
of Europe to the West, hg. v. Bernardini, P. u. a., 2001; Handbuch zur
Geschichte der Juden in Europa, hg. v. Kotowski, E. u. a., 2001; Stern, S., Der
Hofjude im Zeitalter des Absolutismus, 2001; Juden – Bürger – Deutsche, hg. v.
Gotzmann, A. u. a., 2001; Große jüdische Gelehrte an der Münchener juristischen
Fakultät, hg. v. Landau, P. u. a., 2001; Weitere Rechtsentscheide Abraham Ben
Davids von Posquières, hg. v. Mutius, H., 2002; Baltrusch, E., Die Juden und
das römische Reich, 2002; Lohrmann, K., Die Juden in der Gesellschaft des
Mittelalters, 2002; Judentum und Aufklärung, hg. v. Herzig, A. u. a., 2002; Schall,
U., Die Juden im römischen Reich, 2002; Schäfer, R., Die Rechtsstellung der
Haigerlocher Juden, 2002; Gruner, W., Öffentliche Wohlfahrt und
Judenverfolgung, 2002; Althaus, H., Zocker, Zoff und Zores – Jiddische Wörter
im Deutschen, 2002; Herzig, A., Jüdische Geschichte in Deutschland, 2. A. 2002;
Barkai, A., Wehr dich – Der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens 1893-1938, 2002; Katz, J., Tradition und Krise, 2002; Finkelstein,
I./Silberman, N., Keine Posaunen vor Jericho, 2002; Eckart, O., Gottes Recht
als Menschenrecht, 2002; Staudacher, A., Jüdische Konvertiten in Wien
1782-1868, 2002; Kieffer, F., Judenverfolgung in Deutschland – eine innere
Angelegenheit?, 2002; Geschichte der Juden im Mittelalter, hg. v. Haverkamp,
A., 2002; Hoppe, J., Jüdische Geschichte und Kultur in Museen, 2002; The
History of the Jews in the Netherlands, hg. v. Blom, J. u. a., 2002; Jüdische
Gemeinden und ihr christlicher Kontext, hg. v. Cluse, C. u. a., 2003; Paucker,
A., Deutsche Juden im Kampf um Recht und Freiheit, bearb. v. Suchy, B., 2003; Atlan,
G., Les Juifs et le divorce, 2003; Adam, W., Judenpolitik im Dritten Reich,
2003; Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland, hg. v. Kaplan, M., 2003;
Rechtsentscheide von Moses Nachmanides aus Gerona, hg. v. Mutius, H. v., Teil 1
2003; Bergemann, H./Ladwig-Winters, S., „Für ihn brach die Welt, wie er sie
kannt, zusammen …“. Juristen jüdischer Herkunft im Landgerichtsbezirk Potsdam,
2003; Hambrock, M., Die Etablierung der Außenseiter, 2003; Bajohr, F., Unser
Hotel ist judenfrei, 2003; Elon, A., Zu einer anderen Zeit, 2003; Barth, C.,
Goebbels und die Juden, 2003; Schubert, K., Jüdische Geschichte, 5. A. 2003;
Althaus, H., Kleines Lexikon deutscher Wörter jiddischer Herkunft, 2003; Toch,
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Toskana und in Preußen im Vergleich, 2003; Towards Normality, hg. v. Liedtke,
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Juden in Thüringen in der frühen Neuzeit, 2003; An der Schwelle zur Moderne,
hg. v. Veltri, G. u. a., 2003; Rabbinic Law in Roman and Near Eastern Context,
hg. v. Hezser, C., 2003; Überleben im Dritten Reich, hg. v. Benz, W., 2003; Browning,
C., Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Barth, C., Goebbels und die Juden,
2003; Holtmann, A., Juden in der Grafschaft Burgund, 2003; Lewis, B., Die Juden
in der islamischen Welt, 2004; Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten
1933-1945, hg. v. Kulka, O. u. a. 2004; Heilbronner, O., Das (bürgerliche)
deutsche Judentum im Spiegel der deutschen Fachwissenschaft, HZ 278 (2004), 101;
Hayoun, M., Geschichte der jüdischen Philosophie, 2004; Europas Juden im
Mittelalter, hg. v. Cluse, C., 2004; Schuster, F., Zwischen allen Fronten,
2004; Jüdische Lebenswelt Schweiz, hg. v. Schweizerischen israelitischen
Gemeindebund, 2004; Lotter, F., Sind christliche Quellen zur Erforschung der
Geschichte der Juden im Frühmittelalter weitgehend unbrauchbar? HZ 278 (2004),
311; Toch, M., Jüdisches Alltagsleben im Mittelalter, HZ 278 (2004), 329; Bergemann,
H., Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im
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Groot, H. de, Judenverdrängung, Judenverfolgung und Judendeportation, 2004;
Scheiner, J., Vom Gelben Flicken zum Judenstern?, 2004; Die Deportation der
Juden aus Deutschland, hg. v. Kudrus, B. u. a., 2004; Lässig, S., Jüdische Wege
ins Bürgertum, 2004; Luig, K., weil er nicht arischer Abstammung ist, 2004; Middelberg, M., Judenrecht, Judenpolitik und der
Jurist Hans Calmeyer in den besetzten Niederlanden 1940-1945, 2004; Cohen, M.,
Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter, 2005; Brechenmacher, T.,
Der Vatikan und die Juden, 2005; Zimmermann, M., Deutsch-jüdische
Vergangenheit, 2005; Jüdisches Leben im Rheinland, hg. v. Grübel, M. u. a.,
2005; Jüdische Welten, hg. v. Kaplan, M. u. a., 2005; Bronisch, A., Die
Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo, 2005; Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während
des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E.,, 2005; Jüdische Quellen zur Reform
und Akkulturation der Juden in Westfalen, bearb. v. Herzig, A., 2005; Hebräische
Berichte über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzzuges, hg. v.
Haverkamp, E., 2005; Judenverfolgung in Italien, hg. v. Wagenknecht, R., 2005;
Lange, N. de, Das Judentum, 2005; Bringmann, K., Geschichte der Juden im
Altertum, 2005; Dohna, J. Graf zu, Die jüdischen Konten der fürstlich
Castell’schen Credit-Cassen, 2005; Cohn, W., Kein Recht, nirgends, 2006; Bruer,
A., Aufstieg und Untergang. Eine Geschichte der Juden in Deutschland
(1750-1918), 2006; Münzel, M., Die jüdischen Mitglieder der deutschen
Wirtschaftselite 1927-1955, 2006; Deutsche, Juden, Völkermord, hg. v. Mallmann,
K. u. a., 2006; Niedermeier, U., Lippisches Judendrecht, 2006; Longerich, P.,
Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Weber, R., Das Schicksal der jüdischen
Rechtsanwälte in Bayern nach 1933, 2006; Friedländer, S., Die Jahre der
Vernichtung, 2006; Adam, K., Saul und David in der judäischen
Geschichtsschreibung, 2006; Schmidt, K., Die Entwicklung der jüdischen
Religionsgesellschaft zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, 2006
Judeneid ist der besondere, von -> Juden in Rechtsstreitigkeiten
mit Nichtjuden zu schwörende, seit dem 9. Jh. überlieferte Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid, 1937; Schmidt,
R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA 93 (1976), 322; Zimmermann,
V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G., Ausgewählte Schriften, Bd.
1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19. Jahrhundert, 2007
Judenpogrom -> Juden
Judenrecht ist das besondere, für -> Juden geltende Recht. Es ist
teils nichtjüdisches Recht (z. B. Codex Theodosianus 438, Codex Justinianus
534), hauptsächlich aber jüdisches Recht.
Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial Legislation,
1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Judenregal -> Jude
Judenverfolgung -> Jude
Judicature Acts von 1873/1875 sind Gesetze, die das englische
Gerichtsverfassungsrecht erheblich abändern und dabei das Gericht des Kanzlers
mit den drei Gerichten des Königs verbinden.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Judikative ist im Rahmen der -> Gewaltenteilung die rechtsprechende
Gewalt.
Judikatur (F.) Rechtsprechung
Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen
Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H.,
Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84
jüdisches Hehlerrecht -> Hehler
Jugend ist die Zeit des Heranwachsens eines Menschen. Für die J.
gelten seit Entstehung des Rechts besondere Rechtssätze. -> Kind,
Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstrafrecht
Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998
Jugendgericht ist das für Jugendsachen in Deutschland zuständige Gericht,
das durch das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; Baltl/Kocher
Jugendschutz ist der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Gefahren.
Ihm dient das besondere Jugendschutzgesetz (Deutschland 1985,
Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Österreich 1987).
Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004
Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh. entstehende besondere Strafrecht
für Jugendliche (Deutschland 16. 2. 1923 Jugendgerichtsgesetz).
Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts,
1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J.
u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997; Fritsch,
M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D., Von der
Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung des
Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der
Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des
Jugendstrafrechts, 2004
Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten Österreich-Ungarns, des osmanischen
Reiches und des seit 1830 autonomen und seit 1878 unabhängigen Königreichs
(1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am 29. 10. 1918 wird die
Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung Bosniens und Herzegowinas
von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss Montenegros an Serbien
ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen erklärt. 1929 wird das Land in J. umbenannt, am 29. 11. 1945 zur
Republik umgewandelt. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere Einzelstaaten
(Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [mit Montenegro],
Makedonien).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler,
Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,325; Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Geč-Korošec, M., Die
geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen Familienrechts, ZRG GA 106
(1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Baer,
S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A., Jugoslawien und Österreich,
1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien, verf. v. Arbeitskreis
Dokumentation in der donauschwäbischen Kulturstiftung, 1998; Der
Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie Jugoslawien
verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001; Dérens,
J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider. K., Partisanenkrieg in
Jugoslawien 1941-1944, 2002
Julianus -> Iulianus
Jülich ist der Mittelpunkt einer Grafschaft, die 1356 zum
Herzogtum erhoben wird und deren Gebiet über Pfalz-Neuburg (1614), Bayern
(1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von Jülich-Berg
1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die Entwicklung
der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v. Schoop, A.,
1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich, bearb. v.
Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus, T.,
Jülich, Aachen und das Reich, 1987
Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des Jüngsten als Alleinerben bei
mehreren an sich gleich nahen Verwandten. Es entsteht im -> Anerbenrecht. Es
ist weniger verbreitet als das Ältestenrecht.
Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2
jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete letzte Reichsabschied
des Reichstags des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) (vor dem
immerwährenden Reichstag). Von Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied
enthaltene neue Verfahrensordnung des Reichskammergerichts mit der Abschaffung
der artikulierten Klage usw.
Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem
Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnohr, W., Der immerwährende
Reichstag zu Regensburg, 1963
Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch-christlichen Religion erwartete
Gericht Gottes am Ende der Welt.
Juniorat -> Jüngstenrecht
Junker
Lit.:
Heß, K., Junker und bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner,
P., Bauern, Junker und Beamte, 2005
jura (lat. [N.Pl.]) -> ius (lat. [N.])
Jura ist das Gebiet eines Gebirgszuges nahe dem Doubs. Der
französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton
Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der -> Schweiz (24. 9.
1978) wird J. selbständiger Kanton.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1859
Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung, Erstbeleg 1298
Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über die Ausübung der
Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.
Lit.: Baltl/Kocher
Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (römische) Rechtswissenschaft. Sie ist bedeutsam
im klassischen römischen Recht (3. Jh. v. Chr.-3. Jh. n. Chr.) und seit der
Wiederentdeckung des römischen Rechts im Hochmittelalter (-> Irnerius). Der
durch J. fachlich Gebildete ist der -> Jurist. -> Begriffsjurisprudenz,
Interessenjurisprudenz
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99; Kirchmann,
J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck 1956,
1960, 1988; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Trusen,
W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Canaris, C.,
Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969; Stupp, H., Mos
geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss. jur. Köln 1970;
Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien zur
humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und
„Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz
als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder,
J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Backhaus,
R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The
Origins of Medieval Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Afrika,
1993; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Ihering, R. v., Ist die
Jurisprudenz eine Wissenschaft?, 1868, hg. v. Behrends, O., 1998; Liebs, D.,
Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jashrhundert), 2002
Jurist ist der planmäßig rechtswissenschaftlich ausgebildete
Rechtsgelehrte. Juristen kennt bereits das römische Altertum, in dem die
öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anscheinend zuerst
durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus (Oberpriester)
Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter beginnt die
Ausbildung von Juristen wohl mit -> Irnerius und seinen Schülern am Anfang
des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des Erzbistums Salzburg,
1267 des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der erste, in Bologna noch
ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von Mainz, dem bis 1440 49
weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt ausgebildete Juristen folgen
(Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250 und 1440 etwa 700
rechtsgelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen
Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof
von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von
Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende
des Rechts (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus
Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen),
aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische) Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien
seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet
Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen
Königshof erstmals unter Rudolf von Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV.
(† 1378, in Frankreich unter Ludwig IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III.
(1452–1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten
Spätmittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit
ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem
landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem
städtischen Großbürgertum entstammenden Juristen, die zeitweise als dem Adel
gleichwertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit
dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im
Dritten Reich wenden sich auch Juristen dem Nationalsozialismus zu (u. a.
Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit Wieacker, Lange, Thieme, Maunz, Dahm,
Ernst Rudolf Huber, Busse, Ritterbusch und Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936). Die
150 berühmtesten (deutschen) Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88
Universitäten und lehrten durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechselten
also (zur Vermehrung ihrer Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im
Studium und einmal im Beruf ganz selbverständlich.
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114, 151,
154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H., Schweizer
Juristen, 1945; Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen, Studi P.
Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt
Nürnberg, in: Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen
klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Kunkel,
W., Die römischen Juristen, 2. A. 1967, Neudruck 2001, Neudruck 2001; Becker,
G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970; Laufs,
A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus
fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Deutsche und europäische
Juristen aus neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996; Kolbeck,
T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der europäischen
Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die Selbstzeugnisse
der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des
modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium, hg. v. Fried,
J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen 1986;
Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in Österreich
(1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium der
Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v.
Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988;
Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich
Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H.,
Juristen jüdischer Abstammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im
amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18.
Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert,
I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo
eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der
Merowinger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und
Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das
Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek,
R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus,
ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001 (Taschenbuchausgabe);
Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001; Österreichische
Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003;
Jurists uprooted – German speaking émigré lawyers in twentieth-century Britain,
hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die Flucht in die
Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963),
2004; Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Juristische
Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005; Zwischen
Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, , 2006
Juristenausbildung ist die universitäre oder praktische Ausbildung zu einem
-> Juristen (-> Rechtsunterricht). Sie beginnt im Mittelalter nach
vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh. Ausbildungsort ist
hauptsächlich die -> Universität, in England aber auch die Juristenzunft
(engl. inn of court). An der Universität ist die juristische Fakultät eine der
drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen Fakultäten. Lehrbefugt ist
am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh. der Habilitierte.
Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige, seit dem 18. Jh. der
(lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen werden erst zu
Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist zunächst (6-8 Jahre)
unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von 6, später 7 Semestern
festgelegt. Wichtigste Lehrveranstaltung ist die Vorlesung (lat. [F.]
praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die römischen Texte Justinians
und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh. einzelne Fachgebiete. Seit dem
18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den Staatsdienst) eine der
Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung mit anschließender)
Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der
Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die
legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der
Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der
juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung
des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel
1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G.,
Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Hagemann, H.,
Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek, R.,
Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in
den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der
juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996;
Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997
Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter entstandene
Redewendung (überliefert in vier Handschriften von Hugo von Trimbergs
Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den Vermutungen,
dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht, die Wahrheit
verdunkelt und die Verfahren verlängert.
Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse
Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925
Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht ausführende Fakultät der
Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in Oberitalien und Frankreich
(Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum. Die J. ist
Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss (Wittenberg
1508, einzelne -> Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige Größe
sehr stark zu.
Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universitäten,
Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der
Juristenfakultät von 1386 bis 1436, in: Semper aperta, FS Universität
Heidelberg, Bd. 1 1985, 85
Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk oder vom Gesetzgeber)
geschaffene Recht. Es spielt in der rechtswissenschaftlichen Diskussion des
frühen 19. Jh.s (-> Puchta) eine gewisse Rolle. -> Richterrecht
Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 4;
Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines Recht,
1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22;
Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die Zivilrechtslehre
Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993
Juristenstand -> Jurist
Juristentag ist eine freiwillige, periodisch stattfindende Versammlung
von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung ist die öffentliche
Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960, in:
Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des
deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag
1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996
Juristische Person ist die durch die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem
Altertum ist der Gedanke, dass ein Personenverband mit selbständiger Rechtsfähigkeit
ausgestattet sein kann, noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder
Verein die Gesamtheit der jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als
Folge der zunehmenden Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus
ergebenden Verstärkung der Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Universität,
Orden, Zunft, Markgenossenschaft usw.) spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals
von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten Person). Im 19. Jh. wird auf der
Grundlage naturrechtlicher Ansätze der moralischen Person oder juristischen
Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt. Streitig ist nur, ob die j. P. eine
Fiktion (-> Savigny) oder ein sozialer Organismus (-> Gierke) sei.
Juristische Personen sind vor allem -> Verein (u. a. ->
Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) und -> Stiftung.
Seit dem ausgehenden 20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich.
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Henkel, W., Zur
Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F.,
Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der
juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W.,
Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der
Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A.,
Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66
Jury ist das mit Laien besetzte Geschworenengericht. Die J.
entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen
Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und
dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als
-> Schwurgericht eingerichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the
jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900,
hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in
Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of
England, 2002; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006
Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12. 1717-Küstrin
21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser) 1750 Professor
für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist mit Vorlesungen
in Göttingen (1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu der Macht und
Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neudruck 1965). Hierzu stellt er die
wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen Interesse des
nur durch Grundgesetze gebundenen absoluten Monarchen voran. Die Polizei
beschränkt er auf die Gewährleistung der Rahmenbedingungen für privates
wirtschaftliches Handeln. Die systematische Bearbeitung des Polizeibegriffs
legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.
Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften des
Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970; Ebihara,
A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U., The Political
Economy of J. H. G. Justi, 2006
Justinian (Tauresium 482-Konstantinopel 11. 11. 565), Bauernsohn und
Kaiserneffe, wird 527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die
Schaffung der -> Institutionen (533), der -> Digesten oder ->
Pandekten (530/533) und des -> Codex (534) und erlässt danach noch
Einzelgesetze (-> Novellen). Anfangs tatkräftig, wirrd er später vom
Gedanken göttlicher Berufung beseelt.
Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966;
Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine
Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M.,
Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004
Justiz (zu lat. iustitia [F.] Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege
(vielfach nur der ordentlichen Gerichtsbarkeit).
Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform, 1914; Liebermann,
F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und Gerichtshalter, ZRG GA
46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v. Gürtner, F., 1938; Hannover,
H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck 1987; Wenzlau, J., Der
Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis 1948, 1979; Kuhn,
Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983; Fieberg, G., Justiz
im nationalsozialistischen Deutschland, 1984; Justiz in alter Zeit, hg. v.
Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper, G., Justiz und
Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die Gehilfen, 1988;
Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Recht und
Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter Zeit,
3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg. v.
Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a.,
1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz,
1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la
justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und
Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998;
Schulte-Nölke, H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20
(1998); Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 3. A. 2003; Justiz
und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Justiz im Nationalsozialismus.
Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002; Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen von
Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003;
Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus,
hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt,
M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2005
Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich angelegte Sammlung der Justizgesetze.
Lit.: Baltl/Kocher
Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich überprüfbare Angelegenheit.
Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H.
Thieme, 1983
Justizstelle -> oberste Justizstelle
Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der allgemeinen Verwaltung
getrennten Gerichtsbarkeit.
Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im Dritten
Reich, in: FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986;
Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des heutigen
Landes Rheinland-Pfalz, 1995
Jütisches Recht -> Jyske Lov
Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960; Wagner,
W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992
Jütland ist der festländische Teil Dänemarks zwischen Nordsee und
Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner ziehen im 5. Jh. in das heutige
Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw. England. 1241 erlässt König
Waldemar von Dänemark das -> Jyske Lov.
Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.
Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241 von König Waldemar II.
(1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht für Jütland erlassenes
Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften des 14. Jh.s
überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts. Es ist
kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis 1900.
Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira, K.,
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch Lowbok.
Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976
K
Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung des Judentums in
Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.)
Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala, 1962;
Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G., Mystik, 3.
A. 1988
Kabel (F.) ist im mittelalterlichen Norddeutschland das Los und
der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem Deich).
Lit.: Hübner § 114
Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach, in dem der neuzeitliche
Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus entwickelt sich eine
beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K. die Regierung.
Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett und
Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f. Gesch. 51
(1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten
Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett in Baden, 1973
Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe des Landesherrn in einen
geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im -> Absolutismus ist der Machtspruch
erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s wird er als Verstoß gegen die
-> Gewaltenteilung bekämpft und im Gefolge der französischen Revolution
(1789) und der Verfassungsgebung Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19.
Jh. ausgeschlossen.
Lit.:Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur
Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria
Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss.
110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977;
Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132
Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch den Kadi (Richter in
arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen Rechtsprechung.
Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz, in: Das
Profil des Juristen, 1980, 295
Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main 1900-England 1979) wird nach dem
Studium von Geschichte und Recht in Heidelberg, Leipzig und Frankfurt
(Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen seiner jüdischen Herkunft nach
England aus und wird 1951 Professor in London, 1964 in Oxford. Er gehört zu den
führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.
Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen an
die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183
Kaiser ist der Träger der höchsten weltlichen Würde. In der
Nachfolge Gaius Iulius Caesars († 44 v. Chr.) nennen sich schon die römischen
Herrscher (lat. [M.]) caesar. In Westrom endet dies 476 n. Chr. Im Osten tritt
im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An Weihnachten 800
krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator [M.] Romanorum). In
der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die Krönung zum K. Die damit
verbundenen Rechte sind gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum. Der
Herrscher Russlands nennt sich Zar (1917 gestürzt). Nach 1530 wird der K. des
Heiligen Römischen Reichs von den Kurfürsten gewählt. 1804 nehmen die Herrscher
von Frankreich (mit Unterbrechungen bis 1870) und Österreich den Titel K. an.
1806 endet das Kaisertum des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. 1871
wird der König von Preußen zum K. des Deutschen Reiches proklamiert. 1918 endet
das europäische Kaisertum (Deutschland, Österreich).
Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147,
194, 195; Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v.,
Das österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des
Großen, 1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm,
P., Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche
Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere
Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters, 3. A. 1938; Stengel, E., Kaisertitel und
Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im früheren
Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum in der abendländischen
Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950), 309; Andreae, F., Das
Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15. Jahrhunderts, Diss. phil.
Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und Kaisertitel bei den Angelsachsen,
ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe
Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte,
1958; Stengel, E., Abhandlungen und Untersuchungen zur Geschichte des
Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt, H., Die Kaiserideee Friedrich
Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Fehrenbach,
E., Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Das byzantinische
Herrscherbild, hg. v. Hunger, H., 1975; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et
Germanus eligendus, ZRG GA 97 (1980), 232; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich
1871-1918, 5. A. 1983; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern
ihrer Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A.
1994; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der
Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser,
3. A. 1990; Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991;
Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss, M., 2.
A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula Caesaris, 1999;
Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u.
a. 1999; Wagner, N., Der deutsche Kaiser und
König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die Kaiserinnen Roms, hg. v.
Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser, Hof und Staat – Wilhelm
II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004; Kienast, D., Römische
Kaisertabelle, 3. unv. A. 2004; Schneidmüller, B., Die Kaiser des Mittelalters,
2006; Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007
Kaisergericht ist die vom -> Kaiser verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B.
in Rom).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J.,
Senatsgericht und Kaisergericht, 1962
Kaiserkonstitution ist die (lat.) -> constitutio (F.) des Kaisers vor allem
im spätantiken Rom.
Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum Kaiser, wie sie im
Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit verbundenen Handlungen
entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960 überliefert). Danach
folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der Herrschaftszeichen, Messe,
Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl.
Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland, Bd. 1f.
1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960; Hageneder,
O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist die feierliche
Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.
Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T. u.
a., 1970
Kaiserrecht ist das auf den -> Kaiser bezogene -> Recht. Im
römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der (lat. [M.Pl.]) principes
als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K. alles Recht, dessen Quelle
der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches Recht wie römisches Recht
erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den meisten Handschriften der
später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines Kaiserrecht ein wenig
jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des 14. Jh.s sind K. etwa
die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das Recht der
Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichtsbarkeit gesprochene Urteil oder
das römische Recht (z. B. Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K. meist das
aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das kirchliche Recht.
Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA 26
(1905), 280¸ Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die
Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die
Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D.,
Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003
Kaiserslautern
Lit.: Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern, Teil 1f.f. , hg. v. Dolch,
M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v.
Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v.
Dolch, M. u. a., 2002
Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche, später die südwestliche
Halbinsel der Hablinsel Italien. K. kommt über die Punier, Römer, Byzantiner
und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die -> Normannen.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen
Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984
Kalender ist ein Mittel zur Einteilung der Dimension Zeit (nach
Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von
Sonne und Mond). Der nach lat. calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen
Völkern des Altertums bekannte K. wird von Caesar neu bestimmt (julianischer K.
mit einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325 wird der Frühjahrsanfang
auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz
vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von Dionysius Exiguus (475?-545)
eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im Frühmittelalter verbessern
Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die Kalenderführung durch
Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen Lebenswelt. 1582 wird der zu
Verschiebungen führende julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den
genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K. ersetzt, dem sich die
reformierten Landesherren im Heiligen Römischen Reich am 23. 9. 1699
anschließen (England 1752, Russland 1917). Ein an der französischen Revolution
ausgerichteter neuer Kalender scheitert nach kurzer Zeit.
Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M., Der
französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des
rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der
karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit,
hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A.,
Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest, 2006
Kalif (M.) Stellvertreter (des islamischen Propheten Mohammed)
Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003
Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin
(Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen und Politiker. Er
fördert die Aufnahme deutscher und römischrechtlicher Gedanken in Griechenland.
Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines griechischen Zivilgesetzbuches
mit.
Lit.: Kairophylas, K., Pavlos
Kalligás, 1937
Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat. iuramentum [N.] calumniae)
ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularverfahren) sichtbare Eid der
Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmissbräuchlich zu
führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird
nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren
am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis
zum Voreid des deutschen Rechts (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der
Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die
Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher
Anschuldigung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der Glaubenseid,
1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349
Kalvinismus -> Calvin
Lit.: Calvinism
and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002
Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die Wissenschaft von den
wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des frühneuzeitlichen Staates
(Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Sonderform des
-> Merkantilismus. Wichtige Vertreter sind -> Justi, ->Seckendorff
und -> Sonnenfels. Seit 1727 werden in Deutschland besondere Lehrstühle für
diese Wissenschaft eingerichtet.
Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die Entstehung der
deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff, A.,
Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates, 1937; Kunze,
K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo alle scienze di
stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und Naturrecht,
1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schulz,
H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit,
1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999
Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die wissenschaftlich-literarische
Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht (bzw. auch die
Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen Johann ->
Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium observationum iudicii
imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565, Vierhundert
Einzelbeobachtungen des kaierlichen Kammergerichts) und Andreas -> Gaill
(1526-1587, [lat.] Practicarum observationum . . libri [M.Pl.] duo, 1578, Zwei
Bücher praktischer Beobachtungen) Urteile.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die Entwicklung
des Kameralprozesses, 1981
Kameralprozess -> Reichskammergericht
Kameralwissenschaft -> Kameralismus
Kammer ist ursprünglich die gewölbte Decke, danach der von daher
benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche Behörde. Nach dem schon im
Frühmittelalter sichtbaren -> Kämmerer entstehen bereits im späten 15. Jh.
in einzelnen habsburgischen Ländern ständische Raitkammern. 1498 richtet König
Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale, kollegial organisierte Finanzbehörde
des Reiches und der habsburgischen Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im
16. Jh. Amtskammern und 1689 eine geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh.
ist K. ein Haus eines mehrteiligen Gesetzgebungsorgans, ein kollegialer
Spruchkörper eines Gerichtes oder eine berufliche Standesvertretung.
Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890; Storch,
A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912; Thimme,
H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W., Tudor
Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v. Zavelberg,
H., 1989
Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für die Einkünfte zuständige
Verwaltungsamtsträger bereits des frühmittelalterlichen Könighofes (882). 936
erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer), seit dem 12. Jh. der
Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche Hofamt des Kämmerers
haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach die von Weinsberg
und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern inne, doch
verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in der
normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im 13.
Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K.
amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Schubert,
P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45
(1989), 485
Kammergericht im Heiligen Römischen Reich ist ein seit 1415 urkundlich
nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht bestehendes königliches
Gericht. Es entsteht vielleicht bereits im 14. Jh. aus dem königlichen Rat. Es
ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist zuständig für
Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere Gegenstände.
Nach Verschwinden des Hofgerichtes zwischen 1451 und 1456 wird es als Hof- und
Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch überliefert,
seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer Kammergerichtsordnung,
nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden sollen. Tatsächlich sind
von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. (1452 –
1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von süddeutschen Ständen häufig
angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam zu Entscheidungen und vermag
nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen. Seit 1461 wird es verpachtet,
seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am 9. 7. 1490 ernennt Kaiser
Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20 Prozessrubra, 1495 35
Prozessrubra genannt). Ihm folgt 1495 das -> Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre
1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG
GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996;
Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und
Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg.
v. Battenberg, F. u. a., 2004
Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das (oberste) Gericht des
Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark -> Brandenburg
(14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392 kammerrecht, 17. 3. 1468 K.).
Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung, von 1540 (Cölln an
der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen. 1748 wird das
K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz. 1877/1879 wird
es Oberlandesgericht.
Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in
Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste
Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs, 1895; Schmidt, E., Kammergericht und
Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur Geschichte des Kammergerichts in Berlin,
1968
Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der frühen Neuzeit die
Gesamtheit der Einkünfte der -> Kammer. Streitig ist im 17. Jh. und 18. Jh.,
ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört.
Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht am
deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen
Finanzen, 1895
Kammerrichter -> Reichskammergericht
Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) die Gesamtheit der von den Reichständen
für das -> Reichskammergericht aufzubringenden Geldleistungen. Der K.
beläuft sich meistens auf weniger als 1% der Ausgaben des schuldenden
Reichsstandes, wird aber vielfach gleichwohl nicht ordentlich oder überhaupt
nicht geleistet.
Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine Pfennig,
1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911
Kampanien ist die um Neapel liegende süditalienische Landschaft, die
über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an das langobardische Herzogtum
Benevent gelangt.
Lit.: Storia arte e cultura della
Campania, 1976
Kanada ist der nördlich der Vereinigten Staten von Amerika
gelegene, aus Kolonien Englands und Frankreichs entstandene Staat.
Lit.: Vachon, A.,
Histoire du notariat canadien 1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas,
2000; Handschug, S., Einführung in das kanadische Recht, 2003
Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel oder Vorschrift des
richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kanonischen) Rechts
(325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodalbeschlüsse werden seit
der Mitte des 4. Jh.s (bis zu -> Gratian, um 1140, und danach) in
Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens
mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst.
Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den römischen
Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte Fassungen
der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, in: Sant’ Anselmo, 1987, 383;
Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte
Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM); Kéry,
L., Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140), History of
Medieval Canon Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999; Landau, P., Die Quellen
der mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben Büchern (MS Vat. lat. 1346,
Ritual, Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio Sangermanensis
XXI titulorum, 2004
Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein Mitglied eines
Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr).
Lit.: Semmler, J., Mönche und
Kanoniker, 1980; Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980
Kanonisches Recht (lat. -> ius [N.] canonicum) ist das kirchliche Recht
im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist es im Gegensatz zum
neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) -> corpus (N.) iuris canonicum
enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht im Gegensatz zum
staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchenrecht). Seit der Mitte des 4. Jh.s wird
es in Kanonessammlungen zusammengefasst. Große Bedeutung hat es lange für Ehe,
Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule.
Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das Kirchenrecht,
Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen
Rechts auf die europäische Rechtskultur, in: Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechts für die
Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf, K.,
Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American Law
and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen
Recht, 2003
Kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes und gebt ein Darlehen,
ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche Verbot, für Darlehen Zinsen
zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein durch. Die wirtschaftlichen Ziele
des verzinslichen Darlehens werden aber mit Hilfe zahlreicher
Umgehungsgeschäfte erreicht. Im Übrigen dürfen -> Juden verzinsliche
Darlehen geben und werden infolgedessen vielfach zu Gläubigern christlicher
Schuldner. 1654 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das
kanonische Zinsverbot durch einen Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh.
schwindet auch der Höchstzinssatz.
Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316
Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804),
Sattlerssohn (Riemerssohn), wird nach dem Studium von Mathematik,
Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770
(zunehmend introvertierter) ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik
(1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der
Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach
einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann
(Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelausführungen zum
Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird ->
Savigny.
Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants Leben
und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel, W.,
Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht Immanuel
Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932,
Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische Zwangstheorie
Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und Praxis des
Zivilrechts, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Naucke, W., Die
Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969); Ritter, C., Der
Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R., Eigentum, Staat
und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Kants Rechtsphilosohpie,
hg. v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei
Hobbes und Kant, 1988; Höffe, O., Immanuel Kant, 5. A. 2000, 7. A: 2007; Zotta,
F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants Metaphysik der
Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel
Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant: Metaphysische Anfangsgründe
der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999; Falkenburg, B., Kants Kosmologie,
1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett des Karneades, 1999; Kater, T.,
Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S., Kants Theorie des Staatsrechts, 2002;
Höffe, O., Kants Kritik der reinen Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003, 5. A:
2004; Dietzsch, S., Immanuel Kant, 2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen
Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant und die Bioethik, 2004; Römpp, G., Kant
leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch, H., Subreption und Dialektik bei Kant,
2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant, Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006);
Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 3. A: 2007
Kanton ist vor allem das Mitglied (Verwaltungseinheit bzw.
Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der
Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 23 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone
sind Aargau, Appenzell, (Appenzell-Außerrhoden, Appenzell-Innerrhoden), Basel
(Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Freiburg, Genf, Glarus, Graubünden,
Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Tessin,
Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden ob dem Wald), Uri,
Waadt, Wallis, Zug und Zürich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E., Geschichte des
neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die Entstehung der
direkten Demokratie, 2006
Kantonssystem ist ein 1733/5 in Brandenburg-Preußen eingeführtes
Aushebungssystem, bei dem der Staat in Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die
je einem Regiment zur Aushebung zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von
Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805 von Bayern übernommen, wenig später
(Preußen 1804) aber aufgegeben.
Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im alten
Preußen 1713-1807, 1962
Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen 1877-Cambridge 1940),
Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und
Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und der Habilitation
in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik
[1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst (1933)
wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen Schrift (Gnaeus
Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der Begründer der
-> freien Rechtsschule.
Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984; Muscheler,
K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631
Kanzlei ist die für die Herstellung von Schriftstücken zuständige
Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum unter Kaiser Claudius
(41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige an, deren K. sich aus
weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referendarii) und diesen untergeordneten
Schreibern zusammensetzt. Wenig später treten Geistliche an ihre Stelle. Die
Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt
sich auch eine K. des Papstes. Seit dem 12. Jh. wird die K. eine nach festen
Regeln eingerichtete Behörde zur Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14.
Jh. bilden sich auch in den Ländern und Städten besondere Kanzleien.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The
Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen
Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen Kurfürsten,
1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von
Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Battenberg,
F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichtes, 1974; Csendes,
P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden und die
Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kamzlei, Kapelle und
königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei
der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg.
v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006
Kanzler ist der Angehörige oder Leiter einer -> Kanzlei. Der
(lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an den die Richter von der
Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.] cancelli) Dienste verrichtende
Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber, seit dem 10. Jh. der Leiter
einer Beurkundungsstelle (Reich 953, Frankreich 12. Jh.). Seit dem 12. Jh.
erscheint der K. an Schulen und Universitäten als bedeutsamer Amtsträger. Auch
nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) bleibt der K.
bedeutsam (1810 Preußen Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler,
1871 Reichskanzler, 1949 Bundeskanzler).
Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die
staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl
Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe,
2. A. 1936
Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.]) capa (Mantel [des heiligen
Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren Rechtsstellung gegenüber der Kirche
zeitweise in verschiedener Hinsicht gemindert ist.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, 1959
Kaperei ist die Aufbringung feindlicher Schiffe durch bewaffnete,
staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17. Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits
im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch Staatsverträge und die Pariser
Seerechtsdeklaration von 1856 beseitigt.
Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, §§ 30, 35, 36
Kapetinger ist der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866
gefallenen Robert sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987 das Königtum
im westfränkischen Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328)
folgen die Nebenlinien Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830) und
Orléans (1830-1848). Als Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät (17.
Jh.).
Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger (987-1200). Diss.
phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues Capet, 1987; Ehlers,
J., Die Kapetinger, 1999
Kapital (N.) ist die verzinsliche Geldsumme bzw. die Gesamtheit der
in ein Unternehmen eingebrachten Mittel
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399; Weber,
A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige, Stadt und Kapital,
1982
Kapitalgesellschaft ist die -> Gesellschaft, bei der die bloße Beteiligung
von -> Kapital im Vordergrund steht und es nicht wesentlich auf die
Persönlichkeit des einzelnen Gesellschafters ankommt. Die K. entsteht nach dem
Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen, kapitalbedürftigen
Welthandels (-> Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17. Jh.s. Ihre Bedeutung
wächst noch immer.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913
Kapitalismus ist eine Wirtschaftsform, in der das -> Kapital prägende
Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des Privateigentums strebt
der Einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt den größtmöglichen
Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als Frühform des K.
(Frühkapitalismus) gilt die Wirtschaftsweise z. B. der -> Fugger am Beginn
der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst im Liberalismus des 19. Jh.s
durch, bewirkt dort aber auch die Trennung der Gesellschaft in Kapitalisten
(besitzende Bürger) und Proletarier (besitzlose Arbeiter).
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur
Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des
modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus,
1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R.,
Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999
Kapitel (N.) Teil, Gemeinschaft
Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen fränkischen Recht die in
Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs. Das unter verschiedenen Namen
verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit
Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien
begegnen, in rund 275 Handschriften überliefert, von etwa 500 bis etwa 900, am
häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779
(773).
Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capitularia
regum Francorum, Bd. 1f 1883ff., Neudruck 1960; Seeliger, G., Die
Kapitularien der Karolinger, 1893; Eckhardt, W., Die Kapitulariensammlung
Bischof Ghaerbalds von Lüttich, 1955; Ganshof, F., Wat waren de Capitularia?,
1955; Ganshof, F., Was
waren die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kaspitularien?, ZRG
GA 79 (1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte,
DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und
Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G.,
Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa
Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen
Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der
merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium
regum Francorum manuscripta, 1995; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter den
Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T., Admonitio und praedicatio,
1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000; Koal,
V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart,
M., Die Kapitulariengesetzgebung Lothars I. in Italien, 2002
Kapitulation (17. Jh.) ist der in Kapitel
eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der Vertrag über die
Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen Mitteln.
Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. v.
Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck
und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917 ordentlicher Professor in
Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der Länder der böhmischen Krone
(Právní dejiny zemí Koruny ceské, 1913ff.).
Lit.: Antologie ceské právní vedy,
1993, 44
Karantanien (7. Jh.) -> Kärnten
Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht der vom Papst ernannte
höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv (lat.)
cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur bischöflichen
Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang des 8. Jh.s die
jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am Beginn des
Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet sich ein
Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf 24
Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und 1958
nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des 11.
Jh.s wirken die Kardinäle an der Herrschaft der Gesamtkirche mit, seit 1179
wählen sie den Papst.
Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977; Weber, C., Senatus
divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A., 2004
Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2. 4. 747-Aachen 28. 1.
814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden bzw. Karolinger, wird 768
König der Franken und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch
zahlreiche Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (-> Langobarden,
-> Sachsen). In -> Kapitularien setzt er Recht. Im Übrigen veranlasst er
die Aufzeichnung von -> Volksrechten. Wahrscheinlich um 770 führt er ->
Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein.
Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen
Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im
Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928; Brandenburg,
E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964; Pirenne, H., Mahomet
und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der Erziehungsstaat Karls des
Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de Charlemagne, 1950; Folz,
R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne, 1951; The coronation of
Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K., Zur Frage der
Verfälschung von Karls d. Gr. diviso regnorum, ZRG GA 81 (1964), 305; Fleckenstein,
J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels, W. u. a., Bd. 1ff.
1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und
Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282; Wolf, G., Die
Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die sonstigen
Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P., Karl der
Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der Große,
2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe Karls
des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v. Erkens, F.,
2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita Karoli,
2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003; Karl der
Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v. Bastert, B.,
2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005; Charlemagne, hg. v.
Story, J., 2005
Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11. 1378), aus der Familie
der Grafen von Luxemburg, wird 1346 deutscher König und 1355 Kaiser. Er macht
Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348 Universität) und
veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) -> Maiestas (F.]) Carolina und für das Reich die -> Goldene Bulle.
Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356, bearb.
v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV. Staatsmann und
Mäzen, 1978; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am Hofe Karls IV.,
1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die
Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996;
Schlotheuber, E., Die Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561
Karl V. (Gent 24. 2. 1500-Estremadura 21. 9. 1558), aus der
Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1516 spanischer König, 1519 deutscher
König und 1530 Kaiser. 1521/1522 überlässt er seinem Bruder Ferdinand die
Herrschaft in den österreichischen Erblanden und die Stellvertretung im Reich
(9 Reisen nach Deutschland, zehn Reisen in die Niederlande, 40 Reisen
insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen die Reformation. Unter seiner
Herrschaft wird 1532 die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina
erlassen.
Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., 1913ff.; Kalkoff,
P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die Reichsregisterbücher
Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W., Nationale und
nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der Wahlkapitulation
Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint, 1957; Weber, H., Die
peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960), 288; Rabe, H.,
Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976; Spěvaček,
J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V.,
hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V., 8. A. 1986; Kaiser Karl V.
und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985; Burkert, G., Landesfürst und
Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996; Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001;
Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E., Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte,
L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz,
2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558, 2005
Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs vom
6.-31. 8. 1819 in Karlsbad (nordwestlich Prags) von den Ministern von 10
deutschen Staaten getroffenen Beschlüsse zur strengen Überwachung der
Universitäten durch Regierungsbevollmächtigte, zur Einschränkung der
Pressefreiheit, zur Einsetzung einer Kommission zur Aufdeckung revolutionärer
Bestrebungen und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass
ist die Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten
Karl Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag
(Bundesversammlung) des -> Deutschen Bundes die in den Karlsbader
Beschlüssen enthaltenen Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung
demokratischer Bestrebungen gelingt nicht.
Lit.: Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen,
1860; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 30 III
Karlstadt
Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963
Kärnten ist ein im keltisch-römischen Norikum enthaltenes, nach
der Karanta (Ulrichsberg, Karnburg, Karnberg) benanntes, von slawischen
Einwandererrn besetztes, seit 740/750 (Karantanien) unter die Herrschaft der
Bayern und dann der Franken geratenes Gebiet an der mittleren Drau, das 976 von
-> Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Ludwig den Bayern an die
Grafen von Habsburg gelangt. Im 16. Jh. entsteht aus dem -> Landlauf von
Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist Bundesland -> Österreichs.
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899;
Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den
slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das
obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und
Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten
Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner
Herzogseinsetzung, FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und
Einritt am Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzugen zur kritischen
Literatur über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947),
337; Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C.,
Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998;
Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002;
Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002
Kärntner Rechtsbuch -> Landlauf von Steyr
Karo, Josef (1488-Sated 1575) ist ein jüdischer Rechtsgelehrter
aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er kommentiert
umfassend die Arba ’at ha-Turim des -> Jakob Ben Ascher (Bet Josef, Kurzform
Sulchan ’Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in Mitteleuropa und
Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den jüdischen Gemeinden.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A. 1988,
1087
Karolinger ist der Angehörige eines (vielleicht mit den Merowingern
verwandten,) von Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten,
als -> Hausmeier 751 zum fränkischen Königtum (Pippiniden) aufgestiegenen
Geschlechts, das später nach -> Karl dem Großen als K. bezeichnet wird. Die
K. sterben im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus.
Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa
precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der
Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata Karolinorum,
Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I., Aufstieg und
Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der
Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc
Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken
zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die
Karolinger, 1992, 3. A. 2000; Karl
Martell in seiner Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität
und Integration, 1999; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H.,
Gundulfus subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in
the Late Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen
Großreichs, 2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit
der Karolinger, 2006
Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H.
12. Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in
Bologna (?) und Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt
wohl eine um 1215 entstandene umfangreiche Glossierung der gegen Ende des 11.
Jh.s entstandenen systematischen Sammlung langobardischer Gesetze (->
Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien bis in
das 18. Jh.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di
Carlo di Tocco, in: Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4
(1920), 157; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange,
H., Zum Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317
Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen und) Ziehen eines Karrens
bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe.
Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten des
Königreichs Württemberg, 1832, 253
Karte
Lit.: Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum,
2006; Oehme, R., Die Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens,
1961; Schumm, K., Inventar der handschriftlichen Karten im
Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, 1961; Großer historischer Weltatlas, hg. v.
bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil 1ff. 1953ff.; Putzger, F., Atlas und Chronik
zur Weltgeschichte, 2002; Schneider, U., Die Macht der Karten. Eine Geschichte
der Kartographie vom Mittelalter bis heute, 2004; Recker, G., Gemalt,
gezeichnet und kopiert – Karten in den Akten des Reichskammergerichts, 2004;
Kartenwelten, hg. v. Dipper, C. u. a., 2006
Kartell ist die Abrede selbständiger Unternehmer zwecks bestimmten
gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die -> Zunft den Wettbewerb
beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer sich zur
Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des 19. Jh.s
auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen Reichsgericht
zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie am 2. 11. 1923
verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957 ergeht in der
Bundesrepublik Deutschland ein Gesetz gegen die Wettbewerbsbeschränkungen
(Kartellgesetz), das später noch verschärft wird (3. 8. 1973 vorbeugende
Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für Markenartikel,
Verstärkung der Missbrauchsaufsicht). 2004 wird das europäische Kartellrecht
inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G., Die
Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem ersten
Weltkrieg, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4
1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D.,
Kartelle im Mittelalter, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988; Baums,
T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen
Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K., Die Leiden des
Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des europäischen
Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Richter,
K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914, 2007
Karthager ist der Angehörige des um die phönizische Kolonie Karthago
am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien ausgreifenden, jedoch seit dem
3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr.
von den Römern endgültig unterworfenen Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v.
Chr.).
Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992;
Geus, K., Prosopographie der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati,
S., Die Karthager, 1996; Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und
Frieden, 2002; Zimmermann, K., Rom und Karthago, 2005; Christ, K., Hannibal,
2003; Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004
Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des von Bruno von Köln 1084
in La Chartreuse bei Grenoble gegründeten christlichen Ordens.
Lit.: Gruys, A.,
Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology of the Carthusian Life, 1988
Kartular (N.) Urkundensammlung
Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1.
1997), Geschichtsprofessorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der
Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933)
und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen
Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und Zivilprozessrechts
(1966). Zusammengefasst sind seine synthetisierenden Arbeitsergebnisse in
einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch.
Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro, T.,
Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231
Kassation ist die Aufhebung eines Urteils (wegen Nichtigkeit).
Während das römische Recht ein unter Verletzung der Gesetze zustandegekommenes
Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt das frühmittelalterliche
langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat. reclamatio [F.] ad regem,
Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s wird zwischen Verletzung
des Verfahrensrechts (-> Nichtigkeitsbeschwerde) und Verletzung des
materiellen Rechts (-> Appellation) unterschieden, später aber unter dem
Einfluss des kanonischen Rechts die Nichtigkeitsbeschwerde auch auf große
erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hat zunächst
devolutive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende Wirkung. Für sie
werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in Italien
Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden. In
Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein auf
Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs im Lauf
des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen
Rechtsprechung ausgestatteten Einrichtung (Kassationsgerichtshof) übertragen, welche
die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die genaue Auslegung der Gesetze
gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte zurückverweisen muss.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die
Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998;
Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin
(1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004
Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der Entwicklung der
Geldwirtschaft werden bei allen Behörden besondere Kassen gebildet.
Kassel an der Fulda ist eine aus einem 913 erstmals bezeugten
fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652 Universität), die 1807-13
Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in der Bundesrepublik Deutschland
das Bundessozialgericht und lange auch das 1996 gesetzlich nach Erfurt
verlegte Bundesarbeitsgericht beherbergt.
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919; Eisenträger,
M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935; Nehls, A., Alte
Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967; Heinemeyer. K.,
Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die Handschriften der
Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer, M., Bd. 2 1969; Kassel
als Stadt der Juristen, 1990
Kassenarzt ist der auf Grund eines von der deutschen Reichsregierung
geforderten Abkommens zwischen Krankenkassenverbänden und Arztverbänden
abgeschlossenen Abkommens (1914) bzw. einer Verordnung (1923) bzw. eines
Gesetzes (1955) von der Krankenkasse (-> Krankenversicherung) für die
Behandlung Kranker zugelassene und deshalb in ein Arztregister eingetragene
Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw. bei Familienbehandlung ein K. auf
1000 Versicherte).
Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß, R.,
Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsordnung, 1990
Kaste (F.) Stand in Indien
Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung
Indiens, 1997
Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.]) castella benannte Gebiet am
oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft des Königreichs Asturien-León
mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt 1029 erbweise an den König von
Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von 1037 bis 1065 und 1230 wird
León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo erweitert, 1236 um Córdoba, 1243
um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der König von K. auch Herrscher in
Aragonien. Wenig später werden K. und A. in Personalunion (1474) verbunden.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff,
2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las
Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge
Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische
Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und
das Imperium, 2002
Kastration (F.) -> Entmannung
Lit.: Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003;
Czeguhn, I., Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933
und die Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C.,
Zwangssterilisation in Bonn (1933-1945), 2006
Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung
Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens gelangt über Iberer und
Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an die Römer, seit 409 an
die Alanen und 415 an die Goten (Kata-lanen), um 800 an die Franken. 1137 fällt
die dort entstehende Grafschaft Barcelona an -> Aragonien, behält aber
Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält aber von
1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.
Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en
Cataluña (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del
derecho en Cataluña, Anuario de historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann,
F./Bahder, X. v., Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg.
vom Centre Associat de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de poblacion y
franquicia, Bd. 2 1983; Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa,
1984; Brocá, G. de, Historia del derecho de Catalunña, 1985; Zimmermann, M., En
les orígens de Catalunya, 1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós
Aquilino, 2000; Bowman, J., Shifting landmarks. Property, proof and dispute in
Catalonia around the year 1000, 2004
Kataster ist ein Verzeichnis von Personen oder Gegenständen,
insbesondere ein Verzeichnis der Grundstücke eines Gebietes mit genauen Angaben
über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks. Im 15. Jh. erscheinen
erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit dem 18. Jh.
zwecks Sicherung der Grundsteueraufkommen K. an (Neapel 1740, Lombardei 1750,
Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822 für Rheinland und Westfalen).
Das K. liefert auch dem -> Grundbuch die notwendigen technischen Angaben.
Lit.: Lambert, M., Geschichte der
Katharer, 2001
Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des Erzbischofs oder Bischofs.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel wuchsen,
2006
katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh. Bischofstitel)
Lit.: Katholizismus und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von
Hertling 1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit
1945, hg. v. Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999;
Hollerbach, A., Katholizismus und Jurisprudenz, 2004
Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an Hessen gelangte
Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf einer Landesordnung
geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende des 19. Jh.s Bedeutung
hat.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die
geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen,
1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff. 1953ff.;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Maulhardt,
H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafsachaft Katzenelnbogen, 1980
Kauf ist ein gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag,
durch den der eine Teil (Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines
Gegenstandes und der andere Teil (Käufer) sich zur Zahlung eines Kaufpreises
verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) -> emptio (F.)
venditio vertraut. Zu den Germanen kommt er über den namengebenden römischen
Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo). Bedeutung erlangt er mit der
Durchsetzung der Geldwirtschaft in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem
Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung einschließlich der
Sachmangelhaftung im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen.
Für den K. von Grundstücken wird das (aus den hochmittelalterlichen
Schreinskarten Kölns hervorgehende) -> Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh. wird
in Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft vom
Erfüllungsgeschäft streng getrennt. -> Marktkauf
Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler, DRG 45,
63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen Quellen,
1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt
Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr
und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel,
W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts
in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechts, Diss. jur. Bonn 1953; Levy,
E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in süddeutschen
Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der Kauf nach deutschen
Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965; Scherner, K.,
Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Scherner, K., Salmannschaft,
Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf nach
österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A.,
Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen,
Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der
Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion
des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Michaels,
R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002
Kauf bricht nicht die
Miete ist ein Rechtssprichwort, das
besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete) in (vielen)
deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grundstücks
durch den Eigentümer das Mietverhältnis eines Mieters nicht beendet
(Veräußerung vertreibt den Mieter nicht).
Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen, J.,
Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des Grundsatzes
„Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960
Kaufgut ist das durch -> Kauf erworbene Gut. Es wird im
Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft erlangte Gut
(Erbgut).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199
Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für den
Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern. In
Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen
Kaufleuten im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876,
Karstadt Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen
Erfolg die kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute.
Lit.: Spiekermann, U., Warenhaussteuer in Deutschland, 1994
Kaufmann ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. In Rom von eher
untergeordneter rechtlicher Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer,
Juden, Griechen und Friesen als vereinzelte Wanderhändler. Mit dem
Hochmittelalter lässt sich der K. in der Stadt nieder und bildet Gilden oder
Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998
vereinheitlicht und vereinfacht.
Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C., The
Gild Merchant, 1890; Stoeven, Mercedes, Der Gewandschnitt in den deutschen
Städten des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin,
1920; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H.,
Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1
1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le
marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126;
Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v.
Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990;
Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns
1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A.,
Hamburgisches Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmannsbücher und Handelspraktiken, hg.
v. Denzel, M. u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmannsethik im
Mittelalter, 2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004
Kaufmannseigenschaft -> Kaufmann
Kaufvertrag ist der über einen -> Kauf geschlossene -> Vertrag.
Kausalität (F.) Ursächlichkeit
Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges,
1996
Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit
des Juristen, die schon dem römischen Recht bekannt ist und seit dem
Mittelalter vor allem von -> Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden
ausgeübt wird. Von hier aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und
seit dem 18. Jh. auch besonderen Standesregeln.
Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der
Rechtsanwaltschaft, 1905, 247
Kawerze (M.) Einwohner von Cahors, Südfranzose, Geldhändler (13.
Jh.)
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991
Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung eines Mannes mit
einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche bekämpft.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3
Keilschriftrecht ist das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer
und Babylonier).
Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher
Rechtsquellen, 1965; Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher
Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Keine Antwort ist auch
eine Antwort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)
Keine Regel ohne
Ausnahme.
Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine exceptione)
Keller oder Kellner ist im Mittelalter der für die Verwaltung der
Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder der Landesherrschaft.
Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im
Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg.
v. Patze, H., 1983
Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach dem amerikanischen
Außenminister Frank Billings Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12.
1937) benannter, am 27. 8. 1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag
zur Ächtung des Krieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Buchheit,
E., Der Brinad-Kellogg-Pakt, 1998
Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881-Berkeley 19. 4. 1973), aus
kleinbürgerlicher Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien und der Taufe
(1905) 1917 außerordentlicher Professor und 1919 ordentlicher Professor in
Wien. 1920 wirkt er bei der Ausarbeitung des Bundesverfassungsgesetzes ->
Österreichs mit. 1934 veröffentlicht er nach seiner Beurlaubung in Köln (13.
4. 1933) sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine Lehre des
positiven Rechts geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen Grundnorm baut
er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzelgestaltung er auch während
seiner späteren Tätigkeiten in Genf, Prag, New York und Kalifornien weiter
ausgestaltet.
Lit.: Walter, R., Hans Kelsen, 1985; Dreier, H.,
Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans Kelsen, 1986; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 705; Rub, A.,
Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache,
1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and Norms, hg. v.
Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diner, D. u. a.,
1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira Dias, G., Rechtspositivismus
und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v. Paulson, S. u. a., 2005; Walter,
R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005
Kelte ist der Angehörige der keltisch sprechenden, von den
Indogermanen abstammenden Völker. Die Kelten siedeln zuerst zwischen Main und
Donau, werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien,
Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit
sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert.
Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en besit
van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen der
Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA 55
(1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in Mitteleuropa,
3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die Kelten in Italien,
1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das Zeitalter der
Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; Strobel, K., Die Galater, 1998;
Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of Hierarchy, ZRG GA 115 (1998),
361; Maier, B., Die Kelten, 2. A. 2003; Demandt, A., Die Kelten, 4. A. 2002;
Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001; Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002;
Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B., Kleines Lexikon der Namen und Wörter
keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg, M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004;
Pilch, H., DIe keltischen Sprachen und Kulturen, 2007
Kemnath
Lit.: Sturm, H., Kemnath, Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt
Pressath, 1975
Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am Columbia
College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American Law
(1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische
Darlegung des durch Anpassung des -> englischen Rechts an amerikanische
Bedürfnisse geschaffenen amerikanischen Rechts.
Lit.: Horton,
J., James Kent, 1939
Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter zum Einkerben von
Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwendetes Holzstück.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde, 1936,
139
Kerker ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für eine
verschärfte Haftstrafe verwendet.
Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen,
1905, Neudruck 1970; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A.
2002
Kerze ist eine aus Docht und Wachs gebildete
Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung findet.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940
Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen des Armes in siedendes
Wasser eines Kessels beim -> Gottesurteil (belegt bei Gregor von Tours).
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255
Ketzer (Häretiker) ist im katholischen Kirchenrecht jeder bewusste
Leugner eines kirchlichen Grundsatzes. Ketzerische Lehren erscheinen bereits
kurz nach der Begründung des Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und
Irrglauben ist dabei objektiv kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist
vielfach mit anderen Überlegungen verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit
Exkommunikation, seit Gratian (um 1140) mit Verbennung, Gütereinziehung und gegebenenfalls
kriegerischem Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und
Todesstrafe. Im Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem
älteren Bogomilismus entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh.
bis etwa 1460 vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K.
1697 wendet sich Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu
behandeln. Seitdem setzt sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungsweise
durch.
Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die Ketzerverfolgungen
im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse Bewegungen im
Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer, 1949; Blauert,
A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer, 1991; Opitz,
C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte der
Katharer, 2001; Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006
Kiburg
Lit.: Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg
und Habsburg, 1986
Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz
einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge nationalsozialistische
Rechtslehrer berufen (Kieler Schule).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604),
hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898; Das
Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das Eigentum am
Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler Rentebuch
(1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908; Trautmann,
P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über die Kieler
Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter, E., Die
Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938), 752; Festschrift
zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität Kiel, hg. v.
Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte der
juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät
1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und
Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992
kiesen (wählen)
Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche Fischersiedlung in
Brandenburg (mindestens 74 bereits vor 1700 bezeugt)
Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936; Krüger, B.,
Die Kietzsiedlungen, 1962
Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus Jütland stammenden
germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in Oberitalien von den
Römern vernichtet wird.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
Kind ist der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum
Erwachsensein [Mündigkeit]). In Rom steht das K. (lat. [M.] infans)
grundsätzlich unter der Hausgewalt des freien römischen Bürgers in seiner
Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise unter der Personalgewalt eines
Vormundes (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen untersteht es der Hausgewalt
(ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt eines Vormundes. Aus ihr löst es
sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw. Mündigkeit. Die Unterscheidung
nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von der christlichen Kirche
gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König und Kirche Einfluss auf
die Rechtsstellung des Kindes. Seit dem Hochmittelalter wird die Bildung außerhalb
des Hauses immer wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht
aufgenommen und die Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen
Verselbständigung auf die Vollendung des 25. Lebensjahres gelegt. Im 19. Jh.
wird das K. vielfach zur Kinderarbeit gezwungen. Der Wohlfahrtsstaat des
späteren 20. Jh.s versucht die immer wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung) zu
schützen und zu fördern (Kindergeld, elterliche Sorge statt elterlicher Gewalt
beider Elternteile, Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher Kinder).
Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88, 120,
160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K.,
Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters,
Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932; Bischof,
I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger, C., Die
Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen
Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg.
v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen
Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A.,
Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und
Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly,
T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause,
E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte
der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the
Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser,
Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern,
2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona
adventicia – freies und unfreies Kindesgut, in: Iuris vincula Studi in onore di
M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der
Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne
Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004; Boentert,
A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006
Kindererziehung, religiöse -> religiöse Kindererziehung
Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Menschen mit Kindern zur
Verminderung ihrer Belastung, die in Deutschland nach dem Vorbild Frankreichs
1954 durch Gesetz (Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst) 25 DM ab dem
dritten Kind gewährt wird.
Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und
Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003
Kindesmissbrauch ist der sexuelle Missbrauch eines -> Kindes, der
strafrechtlich bewehrt ist.
Lit.: Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4.
A. 2002
Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines Kindes (durch die Eltern).
Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht der Gewalthaber das Recht
über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber sowohl im römischen Recht
wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich verdrängt. Als K. in einem
engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772 Susanna Margarethe Brandt in
Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes Faust) die Tötung eines
neugeborenen, außerehelichen Kindes während oder gleich nach der Geburt durch
die Mutter. Sie ist ein privilegierter Tötungstatbestand, der die ältere
Mordqualifizierung ablöst. Am Ende des 20. Jh.s wird er in Deutschland
aufgegeben.
Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des
Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Weber,
B., Die Kindsmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974; Dülmen, R.
van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann, M.,
Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt, NJW
1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg.v. Habermas, R., 1999; Das Kind in
meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und
Vorurteil, 2005
Kindsmord -> Kindestötung
Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621) Geldwechsler, die
vollwertiges Silbergeld gegen unterwertiges Kleingeld eintauschen.
Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich, F.,
Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972
Kirche ist die in eigenen Verfassungsformen geordnete, im
christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft. Sie
entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im 1.
Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen Heilslehren
im Römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre Schriften gegen
180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische Verfassung von
Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die unteren
Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach
anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen
Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im
Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im
Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius vertretenen Form
391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung
erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus.
Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit
Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch.
Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit
dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger
Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751,
800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum ->
Investiturstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen
römisch-katholischen K. Die K. gewinnt als Folge der -> ottonischen
Reichskirchenpolitik weltliche Macht in der Form der geistlichen Fürstentümer.
1517 verursacht Martin -> Luther mit seinen gegen kirchliche Missstände
gerichteten 95 Reformationsthesen die Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung
sieht sich die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte K. einer
ständigen Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in
erheblichem Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797
Vereinigte Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, -> Kulturkampf).
Am Ende des 20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal,
aber doch tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht
die K. als Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121, 159,
205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8. unv. A.
1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894; Schulte, A.,
Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte der
protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und die
deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte
Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G.,
Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der
Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG
KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W., Staat
und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Becker, J., Liberaler Staat
und Kirche, 1975; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f.
1977ff.; Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in
England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Oakley, F., The Western Church, 1979;
Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat
und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Fuchs, J., Das schweizerische
Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Hölscher, W., Kirchenschutz als
Herrschaftsinstrument, 1985; Leitner, F., Kirche und Parteien in Österreich
nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht-Staat-Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer pluralistischen Gesellschaft, 1989;
Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur, J. u. a., 1990ff.; Lexikon für
Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R.,
Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Hauschild,
W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 1ff. 1995ff.; Zippelius,
R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines Lexikon der Kirchengeschichte,
1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte, hg. v. Fürstenberg, M. u. a.,
1998; Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg,
Epochen der Kirchengeschichte, 3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon
Religion und Theologie, 1998; Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen
Trecento, 1999; Heim, M., Kirchengeschichte, 2000; Wallmann, J.,
Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5. A. 2000; Lexikon der
Kirchengeschichte, 2001; Die Erforschung der Kirchengeschichte, hg. v.
Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001; Frank,
K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 3. A. 2002; Vogtherr, T., Kirche
im Mittelalter, 2002; Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ
276 (2003), 281; Schwarz Lausten, M., Abendländische Kirchengeschichte, 2003;
Studt, B., Papst Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland,
2004; Vogtherr, T., Kirche im Mittelalter, 2004; Logan, F., Geschichte der
Kirche im Mittelalter, 2005; Ökumenische Kirchengeschichte, hg. v. Kaufmann, T.
u. a. Bd. 1ff. 2006
Kirchenasyl -> Asyl, -> Kirche
Kirchenbann -> Kirche, -> Bann
Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von Menschen, eines
einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des Baues,) der
Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer -> Kirche (-> Eigenkirche). Sie
ist mit dem -> Patronat verbunden. Wo eine K. in das Eigentum des Staates
übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs der Staat die K.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B. v.,
Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003
Kirchenbuch ist ein von der -> Kirche geführtes Buch über kirchliche
Angelegenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen, Eheschließungen, Begräbnisse). Nach
Mitgliederlisten des Altertums und Totengedenkbüchern des Frühmittelalters
erscheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im 14. Jh. Im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen
1553 Ehebuch). In der Neuzeit verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für
ihre Zwecke. 1875 tritt neben das K. das Personenstandsbuch des Staates. Die
Zahl der Kirchenbücher des Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer
Milliarde Einzeleinträgen geschätzt.
Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die Kirchenbuchführung in
Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die pfarrlichen Kirchenbücher,
1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck, S. u. a., 2000
Kirchenbuße -> Kirche, -> Buße
Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist die mit der Errichtung
einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische Person“). Die
Hauptlast der K. ist die -> Kirchenbaulast. Das Vermögen der K. kann nur in
einem besonderen Verfahren veräußert werden. -> Kirchengut
Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten Rechte einer ->
Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann aber auch Abgaben
(-> Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach bestimmten Regeln
verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bischof, Klerus, Armen und ->
Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K. säkularisiert wird,
können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert sich dann in
mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K. teilweise
Landesherrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem Umfang
säkularisiert (u. a. im Reichsdeputationshauptschluss vom 28. 2. 1803).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung und
Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J., Die
Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Mempel, H., Die
Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979
Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des kirchlichen Lebens durch
vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im Altertum und dann insbesondere
als Folge der Reformation Martin -> Luthers im 16. Jh. zwecks Ablösung des
kanonischen Rechts finden (z. B. Hessen 1526, Schwäbisch Hall 1526, Hadeln
1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck 1531, Lüneburg 1531,
Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover 1536 usw.).
Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der
evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des
16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980, (z. B. Bd. 18 2006); Wolf,
E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und Kirchenzucht in
Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den Kirchenordnungen des 16.
Jahrhunderts, 2004
Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze, die entweder das Leben
innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der katholischen Kirche auch
kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur Religion und zu den
Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K., Staatskirchenrecht). K. entsteht
unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des
Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang des römischen Rechts, gestaltet
durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber
auch vielfach neu ([lat.] -> ius divinum, -> ius ecclesiasticum, ->
ius naturale). Bereits seit dem 4. Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von ->
Dionysius Exiguus). Dem schließen sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600
Vetus Gallica, 633 Hispana, 774 von Papst Hadrian an Karl den Großen
übermittelte Dionysio-Hadriana, 850 „Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri
[M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei Bücher Synodalsachen] des Regino von
Prüm, 1007-1022 [lat., N.] Decretum Bischof Burchards von Worms). Um 1140 fasst
in Bologna -> Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von
Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) -> Decretum zusammen. Daran schließen
sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] -> Liber [M.] extra, 1298
[lat.] Liber sextus, 1317 -> Clementinen), so dass allmählich das (lat.)
-> corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den
protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich
anerkannt, danach aber vor allem durch -> Kirchenordnungen abgewandelt.
1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. -> Codex [M.]
iuris canonici). -> Staatskirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht seit
der Reformation Martin -> Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem
ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar
Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile
ihrer hergebrachten Rechtsstellung (-> Körperschaft des öffentlichen Rechts,
-> Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).
Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266; Eichhorn,
K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen
Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch des katholischen und
evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J., Geschichte des
Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen
Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung
von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland,
1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931;
Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das
Decretum Gratiani und das evangelische Kirchenrecht, in: Studia Gratiana 3
(1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.;
Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964; Benn, E.,
Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19. Jahrhundert, Z. f.
ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Winter, J., Die
Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Gaudemet, J., Droit de
l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf,
C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht, 1999; Lexikon für Kirchen- und
Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A. Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö,
P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002; Landau, P., Evangelische
Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f. ev. Kirchenrecht 48
(2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of Medieval Canon Law,
2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M., 2005
Kirchenstaat ist der (weltliche) -> Staat der katholischen Kirche. Er
nimmt seinen Ausgang vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin
(313), das die christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger
anerkennt. Hinzu kommt die sog. -> konstantinische Schenkung, nach der
Konstantin Papst Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich
verliehen haben soll. Danach erhält die Kirche zahlreiche Grundstücke als
Gaben, die in ihrer Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7. Jh. gilt der Papst als Schutzherr
und Herrscher des Gebiets um Rom bzw. zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4.
754 gibt der fränkische König Pippin Papst Stephan die ehemals oströmischen,
von den Langobarden besetzten Güter in Italien um Ravenna und Rom (zurück,
-> pippinische Schenkung). Der Sicherung der Herrschaft dient wenig später
der K. um die Romagna und Tuszien (sowie um Venaissin [1274] und Avignon
[1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um Ferrara (1598), Urbino (1630) und
Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K. durch die Römische Republik, doch
gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am 20. 9. 1870 zieht die italienische
Einigungsbewegung den K. bis auf geringe Reste an sich bzw. das neue Königreich
-> Italien.
Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd. 1ff.
1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899, Neudruck 1969;
Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff.
1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.; Ermini,
G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und der
Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State in
the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg.
v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T.,
The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della
Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sactae Romanae ecclesiae nel Lazio,
1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003
Kirchensteuer ist die durch die öffentlichrechtlichen
Religionsgesellschaften erhobene, vom Staat eingezogene Steuer. Sie ersetzt den
älteren Kirchenzehnt (Preußen 20. 6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht
von 1794). Rechtliche Grundlagen werden die Weimarer Reichsverfassung und Art.
140 GG.
Lit.: Köbler,
DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Fischer, G., Finanzierung der
kirchlichen Sendung, 2005
Kirchenvertrag ist ein Vertrag eines Staates mit einer (evangelischen)
Kirche über kirchliche Angelegenheiten. -> Konkordat
Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987
Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher -> Herrschaft für eine ->
Kirche durch einen -> Vogt.
Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei
im 10. Jahrhundert, 1933
Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von Erträgnissen und Früchten
von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n. Chr. auf der Grundlage
von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der Kirche gefordert und vom
fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes Kirchengut zugestanden. Seit
der französischen Revolution (1789) und den Unruhen der Jahre 1848ff.
verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die -> Kirchensteuer
ersetzt.
Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im karolingischen
Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Kirchliches Recht ist das auf die -> Kirche bezogene -> Recht (->
Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum kirchlichen Recht bildet das
weltliche Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)
Lit.: Julius Hermann von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993
Kirchspiel (Kirchenbezirk) -> Kirche
Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der Kirchspiele,
Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much, 1923; Haff,
K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65 (1947), 1, 253;
Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966
Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen Sachen
Lit.: Hübner 470
k. k. (kaiserlich-königlich, Österreich
1867, nicht pragmatische Angelegenheiten) -> k. u. k.
Klage ist im rechtlichen Sinn das Begehren des Klägers an das
Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten. Im römischen Recht ist K. die
(lat.) -> actio (F.). Von K. wird wohl unter kirchlichem Einfluss erst seit
dem Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der Verletzte nicht mehr
unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern hauptsächlich an einen
Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der Verfolgung des Rechts
wendet. Im Hochmittelalter werden verschiedene Arten der K. unterschieden (um
Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche K., peinliche K. und
gemischte K.) und anscheinend genaue Formulierungen verlangt (->
Prozessgefahr), so dass Vertreter im Wort (-> Fürsprecher) erscheinen. Mit
dem im Spätmittelalter aus Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird
die K. vielfach schriftlich und durch Vertreter in der Sache (-> Anwalt)
geformt.
Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 86,
116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9, Neudruck 1973,
357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit
Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P.,
Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und
Klageerwiderung im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M.,
Agere praescriptis verbis, 2002
Klage gegen den toten
Mann ist eine wissenschaftliche Bezeichnung
des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie ist vor
allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K. g. d. t.
M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.
Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909; Fischer,
P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die Klage
gegen den Toten, 1958
Klage mit dem toten
Mann ist im norddeutschen Recht des
Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor Gericht
gebrachten Täter.
Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG GA 31
(1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der toten
Hand, ZRG GA 36 (1915), 458
Klagengewere ist im mittelalterlichen sächsischen Prozess die Zusicherung
des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass er zur -> Klage befugt sei. Macht
ein zweiter Beteiligtergegen den Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger
die Ansprüche vom Beklagten abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene
Klage aufgeben und -> Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie
wird von der Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.
Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur. Frankfurt
am Main 1958
Klagenkonkurrenz ist im klassischen römischen Recht die mehrfache
Geltendmachung einer Klage gegen mehrere Beteiligte (kumulative K.).
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die
Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972
Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der Ausschluss eines zweiten
Streites über das geltend gemachte Recht durch die Streiteinsetzung (lat. [F.]
-> litiscontestatio).
Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19
Kläger ist, wer durch eine -> Klage vom Gericht Rechtsschutz
begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex 3, 7, 1 [lat.] invitus
agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen wird niemand zum Klagen
oder Anklagen gezwungen).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage,
klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit dem Spätmittelalter der
Schriftsatz, durch den der -> Kläger -> Klage erhebt bzw. Rechtsschutz
begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im Termin. Später reicht er
sie bei Gericht ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg,
M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1 1868ff.,
Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian -> Brant unter dem Titel
Richterlich Clagspiegel neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber
(Conrad Heyden, aus Schwäbisch Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in
Erfurt als pauper, ohne Abschluss, 1413 Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436
entlassen † 1444) in Schwäbisch Hall um 1436 verfasste Schrift über
Verfahrensfragen. Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De
libellis iuris civilis (Von Büchlein des weltlichen Rechts), ein Handbuch des
geschriebenen Rechtes bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und
Strafverfahren nach römischen Rechtsgrundsätzen (Digesten, Codex, Durantis,
Speculum iudiciale u. a.) dar. Insgesamt ist der K. die älteste und
umfassendste Wiedergabe des römischen Rechts in deutscher Sprache und unter
Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470
bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24 Auflagen gedruckt und bildet eine
wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation von -> Worms, der (lat.) ->
Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (1507), für Tenglers ->
Laienspiegel (1509/11), Goblers Rechten-Spiegel und Rauchdorns Practica.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel,
2004
Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um 1504-Celle 6.(?) 2. 1578),
Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium von Theologie und Recht in Ingolstadt
und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge
von Braunschweig-Lüneburg. Neben der Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen
(Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung, Polizeiordnung) verfasst er 1565 ein
posthum vielfach gedrucktes, deutsches (lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht
und Landrecht) mit lateinischen Erläuterungen.
Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar
Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum,
Compendium iuris, 1968
Klasse (F.) Gruppe
Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995), 1;
Meyer, T., Stand und Klasse, 1997
Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes durch Angehörige der gesellschaftlich
herrschenden -> Klasse (Liebknecht 1907) bzw. nach Klassen unterscheidende,
im Dienste einer herrschenden Klasse stehende Rechtspflege.
Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der
arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983
Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie des classischen
Pandectenrechts) -> römisches Recht
Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck dienende, durch Tätigkeit
geschaffene Umhüllung des Menschen. Das Kleid kann durch Rechtssätze festgelegt
werden (Kleiderordnung). Es kann als Metapher oder Kennzeichen für rechtliche
Vorgänge und Zustände Verwendung finden (-> Gewere, -> Investitur, Robe,
Uniform).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994
Kleiderordnung ist eine -> Ordnung über die Verwendung von ->
Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in der die Bekleidung der
Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im Spätmittelalter zum Schutz
vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderordnungen erlassen (Spanien 1234/1256,
Frankreich 1279/1294, England 1336, Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den
Ländern anscheinend voran.
Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G., Beiträge zur
Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L., Kleiderordnungen, 1962; Schädler,
K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Baur, V., Kleiderordnungen in
Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999
Klein, Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781
Mitarbeiter am Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in
Halle und 1800 Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der
Hallischen Juristenfakultät erarbeitet er Ansätze für sichernde Maßnahmen.
Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von der
Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand Kleins
Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur. Breslau,
1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur. Bonn 1973;
Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F. Klein, 1998
Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926), Goldschmiedssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor, 1891
außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor. Auf
Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des Justizministeriums
in -> Österreich und arbeitet die Zivilprozessordnung (1895), die
Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen die
Stellung des Richters gestärkt wird.
Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband Franz
Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988
Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und 1350 zwischen Frankfurt am
Main und der Wetterau nach dem später sog. -> Schwabenspiegel (Kaiserrecht)
abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen Anhängers Ludwigs des Bayern. Es
enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht, Privatrecht und Strafrecht,
Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und Recht der Reichsstädte.
Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846; Gosen, J.
v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E., Ein
altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte des
kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker
Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., in: Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D.,
Des keisers recht, 2003
Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14. Jh.-Avignon 15. 6.
1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369 Artikel des ->
Sachsenspiegels zusammen, die nach seiner Ansicht gegen kirchliches Recht
verstoßen (lat. [M.Pl.] -> articuli reprobati).
Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883), 118; Kullmann,
J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd.
1 1990, 28
Kleriker ist der Angehörige des -> Klerus. Für ihn gilt das
kirchliche Recht. Da zeitweise fast nur K. schreiben können, sind sie
gleichzeitig Träger wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges des
clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel, Bd.
2 1972, 195
Klerus ist im katholischen Kirchenrecht der geistliche Stand im
Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche Standespflichten.
Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz gegen Ehrverletzungen
(lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10), Befreiung von der weltlichen
Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl. Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von
weltlichen Pflichten wie Kriegsdienst, Schöffenamt usw. (lat. privilegium [N.]
immunitatis, vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung
(lat. beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des
Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) ist der K. sowohl in den
Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten.
Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im
Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen Klerus
und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma, 1999
Klettgau
Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966
Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft, die
1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen)
fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze und Verordnungen,
1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Centralverwaltung in Kleve-Mark,
1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18. Jahrhundert, 1924; Ilgen,
T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen Territorien – Herzogtum Kleve,
1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55
(1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen
(1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische Städteprivilegien, hg. v.
Fink, K., 1989; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v.
Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die
ältesten Klever Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der
Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994;
Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink, K., 1997
Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3. 1754-Lechterke 25. 4.
1830), Prokuratorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen Anwalt in
Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht (u. a.
Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des Hochstifts
Osnabrück, 1798).
Kloster ist die geschlossene, Ordensangehörigen als gemeinsame
Wohnung, Gebetsstätte und Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint im Bereich
des Christentums in Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im fränkischen
Reich werden Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban) wichtige
Vorbilder für zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch Privilegien und
Gaben unterstützte Gründungen, für die sich im 8. Jh. die Ordnung des ->
Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh. in Cluny, Gorze und
Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich unterschiedliche Orden aus (->
Zisterzienser, -> Prämonstratenser, -> Dominikaner, Franziskaner). In
der Neuzeit werden unter dem Einfluss auch der Reformation und danach der
Aufklärung zahlreiche Klöster säkularisiert.
Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz bei
Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910,
Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913;
Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K.,
Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die
Rechtspersönlichkeit der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das
Kloster Sankt Gallen in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958;
Siepen, K., Vermögensrecht der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rehfus, M., Das
Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die Traditionen, Urkunden und Urbare des
Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J., 1969; Reden-Dohna, A. v.,
Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982; Prinz, F., Frühes Mönchtum im
Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v., Kloster und Grundherrschaft
Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2. A. 1994;
Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995; Die benediktinischen Mönchs-
und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol, bearb. v. Fuat, U. u. a., 2000f.;
Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht,
2001; Württembergisches Klosterbuch, 2003; Beales, D., Prosperity and Plunder,
2003; Gleba, G., Klosterleben im Mittelalter, 2004; Ströbele, U., Zwischen
Kloster und Welt, 2005; Gleba, G., Klöster und Orden im Mittelalter, 2. A. 2006
Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte durch den Eintritt in ein
-> Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh. -> bürgerlicher Tod
Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde, Gruchot
Beiträge 45 (1901), 193
Kluftbrief (Vetternschaftsbrief)
Lit.: Künssberg, E. Frhr. v., Vier Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA
43 (1922), 304
kluniazensische Kirchenreform -> Cluny
Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann
Knappschaft ist vielleicht schon seit dem Hochmittelalter ein
Zusammenschluss von Bergleuten zur Sicherung gegen Unglücksfälle durch eine
Unterstützungskasse. Die K. wird seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen
geregelt. 1770 bildet sich auf Grund eines vom König von Preußen 1767 gewährten
Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit
Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter Knappschaftszwang eine
öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von Knappschaftsvereinen ein.
Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7. 1926 bringt eine
einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969 Bundesknappschaft).
Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung und
Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche Knappschaftswesen,
1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschaftsversicherung seit 1934, Z. f.
Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Lauf, U.,
Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen Bestehens der Bundesknappschaft,
1999
Knecht ist der junge Mensch, der im Verhältnis zu einem Herrn
Dienste leisten muss. Am Ende des Mittelalters scheidet K. aus den
Altersbezeichnungen aus und wird zur Bezeichnung für einen niederen, vielfach
bäuerlichen Bediensteten.
Lit.:
Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen Norwegen, 2004
Knien ist ein vielleicht dem vorderen Orient entstammendes
Demutsverhalten.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994
Koadjutor (M.) vom Papst ernannter, mit bischöflicher Weihgewalt
ausgestatteter Vertreter eines Bischofs
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Koalition (F.) Vereinigung
Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der
Arbeitsbedingungen oder Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden (oder
auch [negativ] solchen Vereinigungen fernzubleiben). Die frühe Neuzeit wendet
sich gegen die K. der Handwerksgesellen (1530, 1731, 1845). Im 19. Jh. werden
die Verbote aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861, Baden 1862, Norddeutscher
Bund 1869, Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsverfassung erhebt die K. zu
einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R., Die
Koalitionsfreiheit, 1971
Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813 Sitz einer
französischen Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen
juristischen Fakultät.
Lit.: Bär, M., Zur Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Koblenz),
ZRG GA 12 (1891), 1; Just, L., Franz von Lasaulx, 1926; Conrad, H.,
Stadtgemeinde und Stadtfrieden in Koblenz während des 13. und 14. Jahrhunderts,
ZRG GA 58 (1938), 337; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von
Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Eilers, K., Stadtfreiheit und Landesherrschaft
in Koblenz, 1980; Mallmann, L., Französische Juristenausbildung im Rheinland
1794-1814. Die Rechtsschule von Koblenz, 1987; Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz,
1994
Kodex -> Codex
Kodifikation (Gesetzbuchmachung) ist die grundsätzlich
erschöpfend gedachte Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder mehrerer
Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.] -> codex) (oder
Gesetz). Die Zusammenfassung des gesamten (römischen) Rechts in Codex, Digesten
und Institutionen durch Justinian (527-565) stellt noch eher eine Kompilation
als eine K. dar. In der Neuzeit sind die Landesherren ebenfalls an
zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst von Montesquieus De
l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen Preußen (Allgemeines
Landrecht, 1794), Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere Codes) und
Österreich (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, 1811/1812) bekannte
Kodifikationen, die inhaltlich (außer vom römischen und vom einheimischen
Recht) stark vom -> Naturrecht (Vernunftrecht) geprägt sind. Ihnen schließen
sich später zahlreiche andere Staaten an (z. B. Deutsches Reich 1871, 1877/1879,
1900, Schweiz 1907/1912, Portugal 1833/1867, Niederlande 1838, Italien 1865,
Spanien 1829/1889 usw.). Geprägt wird der Begriff der K. von Bentham (Juni 1815
in Briefen an den Zaren von Russland und den polnischen Prinzen Adam
Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification and Public Instruction mit
einem separaten Rundschreiben On Codification). Kennzeichnend sind materielle
Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche Festigkeit.
Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139; Cauvière,
H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A., L’unificazione
legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte
der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée
de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius
commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code, 1967; Caroni, P.,
Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Nordmann, J.,
Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer am Ende des 18.
Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts
im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977; Sozialdemokratie und
Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing, H., Zur
Vorgeschichte der Kodifikation, in: Formazione storica, Bd. 2 1977, 797;
Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980;
Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der
Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986;
Lokin/Zwalve, Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990; Rechtskodifikation
und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v. Gehrke, H., 1994;
Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Gesetz und
Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Caroni,
P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998; Kodifikation und
Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P., Ideologie della
codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene Jubiläen, JuS 2000,
15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy, E., 2000; Der
Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v.
Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und Wirtschaftsordnung, ZNR
2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzgebung, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst
im Zeitalter der Kodifikationen, 2004
Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von -> Thibaut (1772-1840) und
-> Savigny (1779-1861) 1814 geführte rechtspolitische Streit um die
Schaffung eines einheitlichen deutschen Nationalgesetzbuches. Thibaut begründet
seine Schrift „Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen
Gesetzbuches für Deutschland“ mit Vaterlandsliebe und praktischem Interesse
der zivilrechtlichen Verhältnisse. Savigny stellt dem die Behauptung entgegen,
dass Recht organisch aus dem Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre
1814) ein von oben kommendes Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder
schädlich sei. Im Ergebnis setzt sich die von den politischen Gegebenheiten
(viele souveräne deutsche Einzelstaaten) nahegelegte und von Savignys
Gelehrtenruhm gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der
Rechtszersplitterung in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen
Reich (im bürgerlichen Recht) bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern,
J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72
(1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen Rechtsschule,
1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer, H., Thibaut und
Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und
ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung
im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit, 2004
Kodizill -> codicillus
Kofod Ancher, Peder (1710-1788), 1741 Rechtsprofessor, verfasst in der
Form verschiedener Einzelabhandlungen die erste, bis zur Neuzeit reichende
Rechtsgeschichte Dänemarks (En Dansk Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen
Rechtswissenschaft, 1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98
Kognat (lat. [M.] cognatus) ist der durch Abstammung Verwandte. Im
römischen Recht ist zunächst der -> Agnat wichtiger als der K.
Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61
I 1, 65 II 2, 66 III
Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im klassischen römischen Recht ein
einheitliches, vor einem beamteten Richter durchgeführtes Verfahren. Dieses
recht formlose Verfahren erscheint zunächst als durch wohlfahrtsstaatliche
Erwägung gegründete (lat.) cognitio (F.) extraordinaria (außerordentliche
Erkenntnis) durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch
einzelne ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des
Prinzeps. Die Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die
-> Ladung wird ein amtlicher Akt, dessen Missachtung den Streitverlust nach
sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem sachlichen Recht. Das auf
freier Beweiswürdigung beruhende -> Urteil wird schriftlich verfasst. Die
-> Kosten trägt in der Regel der Unterlegene. Gegen die Entscheidung wird
die -> Appellation an eine höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh.
verdrängt das K. das ältere -> Formularverfahren.
Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18; Köbler,
DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966
Kohle -> Bergbau
Lit.:
Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117 (2002), 592
Kohler, Josef (Offenburg 9. 3. 1849-Berlin 3. 8. 1919),
Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg i. Breisgau und
Heidelberg (Vangerow) Richter, 1878 Professor in Würzburg und 1888 in Berlin.
Vielseitig interessiert befasst er sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und
Persönlichkeitsrecht verbindenden immaterialgüterrechtlichen Fragen (Das
deutsche Patentrecht, 1878) und rechtsgeschichtlichen Ausgaben
(Werksverzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80 juristischen
Inhalts).
Lit.: Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler,
J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild,
1920; Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel, G., Josef
Kohler, 1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v.
Adrian, J., 1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113 (1996), 434
Kolbengericht
Lit.: Haupt, H., Ein oberrheinisches Kolbengericht aus dem Zeitalter
Maximilians I., ZRG 16 (1895), 199
Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas (1792-1850), dänischer
Rechtshistoriker, verfasst neben verschiedenen anderen Lehrbüchern die erste
systematische Rechtsgeschichte Dänemarks (Grundrids af den danske Lovhistorie,
1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen
Rechtswissenschaft, 1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148
Koldín, Pavel Kristián (1530-1589) wird nach dem Studium der
(lat. [F.Pl.]) artes in Prag 1557 Professor. Er verfasst 1569 einen 1579 vom
Landtag und 1610 von allen Städten in Böhmen angenommenen Entwurf für ein
einheitliches Stadtrecht, das teilweise bis 1811 in Böhmen und Mähren gilt.
Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti
v Europe, hg. v. Maly, K., 1982, 341
Kollatai, Hugo (1750-1812) wird nach dem Studium der Theologie und
des Kirchenrechts in Krakau, Wien und Rom Priester, Professor und Richter. Auf
ihn geht wesentlich die Verfassung -> Polens vom 3. 5. 1791 zurück. 1793
muss er in die Emigration gehen, 1794 bis 1802 ist er von Österreich
gefangengesetzt.
Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo
Kollataj, 1952; Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957
Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsgesellschaft von
Studenten (Köln 1530), Vorlesung
Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000
Kollegialbehörde ist eine aus mehreren gleichberechtigten Mitgliedern
bestehende, meist durch Stimmenmehrheit beschließende Behörde. Nach älteren
Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich
1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499, Hessen 1500).
Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern bestehendes, durch
Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form kollegial verfahren
bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen
Rachinburgen oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem
Aufkommen des gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht, danach in den
unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der Liberalismus
wieder zum K. (-> Schwurgericht). Aus Kostengesichtspunkten wird seit 1924
dagegen die Zuständigkeit des Einzelrichters erneut erweitert.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit Pfründen für Kanoniker
(Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche Kirche. Sie erscheint
bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K. voll ausgebildet. In der
Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.
Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte,
1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Studien zum
weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995
kollektiv (gemeinschaftlich)
Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer nationaler
Rechtsordnungen zueinander geltende nationale Recht (z. B. ->
internationales Privatrecht). Es entsteht in Oberitalien seit dem 12. Jh. Es
gewinnt mit der zunehmenden Internationalisierung wachsende Bedeutung.
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungsgeschichte
der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung
des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988
Köln am Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr. [lat.] oppidum [N.] Ubiorum,
50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in
der seit dem Anfang des 4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof
erhoben wird (seit dem 13. Jh. Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs
werden in K. bereits seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliquienschrein)
verwahrte Karten (-> Schreinskarten) erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend
unabhängig und reichsunmittelbar. 1388/1389 erhält K. die bis 1798 bestehende,
unter Besetzung Frankreichs geschlossene erste deutsche städtische Universität.
Zu ihren Fächern zählt das römische Recht. 1437 werden die Statuten der Stadt in
einer Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen Stadtrechten und
frühneuzeitlichen Reformationen aufgezeichnet, wobei eindeutig römischen
Ursprungs nur das Inventarrecht in Art. 14 und die dem senatusconsultum Macedonianum
entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919 wird die Universität erneuert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kruse, E., Die Kölner
Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur Verfassungsgeschichte der
Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler, J./Liesegang, E., Das römische Recht
am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille, A., Instanzenzug des kurkölnischen
Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Heldmann, K., Der Kölngau und
die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die Kölner Bauerbänke, 1905; Loesch, H. v.,
Die Kölner Zunfturkunden, 1907; Beyerle, K., Die Entstehung der Stadtgemeinde
Köln, ZRG GA 31 (1910), 1; Keussen, H., Topographie der Stadt Köln im
Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg, E., Anklänge an die Lex Ribuaria im
mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33 (1912), 483; Gothein, E.,
Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln vom Untergange der
Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches, 1916; Schmidt, A., Die
Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner Judenviertels
1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in Köln, 1921; Koebner,
R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922; Quellen zur Geschichte
des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd. 1ff. 1917ff.; Braubach,
M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von Köln, 1925; Loesch, H. v.,
Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323; Aders, G., Das Testamentsrecht
der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die Grundlagen der ältesten Kölner
Gemeindeverfassung, ZRG GA 53 (1933), 89; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in
den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934), 1; Keussen, H., Die alte
Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht und seine Verbreitung in
der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Die Amtleutebücher
der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a., 1936; Die Kölner
Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Die
Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a., 1937; Festschrift zur
Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im Jahre 1388, 1938 (S.
109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten Universität Köln in den
beiden ersten Jahrhunderten der Kölner Juristenfakultät); Buyken, T./Conrad,
H., Ein frühes Statut der Amtleutegenossenschaft, ZRG GA 58 (1938), 808; Buyken,
T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der kölnischen Sondergemeinde St.
Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln 1939;
Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio reservato usufructu in
den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der
Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und Wirtschaft in Kurköln, 1957; Eisenhardt,
U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Eisenhardt,
U., Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1965; Pötter, W.,
Die Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Strait, P., Cologne in
the twelfth century, 1974; Köln 1475, hg. v. historischen Archiv der Stadt
Köln, 1975; Herborn, W., Die politische Führungsschicht der Stadt Köln, 1977;
Wensky, M., Die Stellung der Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher,
G., Die Zisterzienserstadthöfe in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981;
Strauch, D., Iurisprudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur
Geschichte der Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters,
J., Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J.,
Hochschulstudium für kommunale und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987; Chmurzinski,
B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln 1988; Beschlüsse
des Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.; Festschrift der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Universität Köln,
1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v. Binding, G., 1990; Bergerhausen,
H., Die Stadt Köln und die Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U., Öffentliche
Armenpflege in Köln, 1991; Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln,
hg. v. Laum, D. u. a., 1994; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2 , hg.
v. Deeters, J. u. a., 1996; Groten, M., Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele,
G., Bürgertum in Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437,
1999; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff.
1999ff.; Strauch, D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002;
Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das Oberlandesgericht Köln in
der Weimerer Republik, 2004; Herbers, W., Der Verlust der Hegemonie, 2003;
Daniels, H., Kulrkölnisches Landrecht, hg. v. Becker, C., 2005; Dirr, K.
Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den Kölner Erzbischöfen und der Stadt
Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher Verfahren des 16. und 17.
Jahrhunderts, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2005;
Bartz, C., Köln im Dreißigjährigen Krieg, 2005; Leiverkus, Y., Köln, 2005
Kolonat -> colonus
Kolonie ist die Niederlassung von Angehörigen eines Volkes oder
Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum (Griechen, Römer) ebenso bekannt
wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der Neuzeit entstehen ausgedehnte
Kolonien europäischer Staaten (England, Frankreich, Portugal, Spanien,
Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches Reich [Schutzgebiet] u. a. April
1884 Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz, 1913 fast 15000 Weiße im Land],
Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh.
weitgehend wieder verloren (für Deutschland 1918 als Folge des ersten
Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen Freiheitskämpfen der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung in der Zwischenzeit ist nicht
einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands).
Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg. v.
Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 4. A. 1981; Kunst,
A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz, G., Imperialismus
und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Gründer, H., Geschichte der
deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Osterhammel,
J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995; Wolter, U./Kaller, P.,
Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a., Koloniale Konflikte im Alltag,
2. A. 1997; Albertini, R. v., Europäische Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert,
W., Das imaginäre Kolonialreich, ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und
herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon, A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz,
M., Je weniger Afrika, desto besser, 1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung
in Deutsch-Südwestafrika, 2000; Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in
Ostafrika, 2001; Grosse, P., Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts,
hg. v. Voigt, R., 2001; Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001;
Die deutsche Südsee 1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die
deutschen Kolonien, 2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie
Deutsch-Südwestafrika (1884-1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und
staatsrechtliche Stellung der deutschen Kolonialgesellschaften des 19.
Jahrhunderts, 2002; Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B.,
Moderne Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial
Contexts, 2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in
Deutsch-Südwestafrika, hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The
European Colonial Empires 1815-1919, 2004, Zeller, B.-, Ex facto ius oritur,
2006; Schlottau, R., Deutsche Kolonialrechtspflege, 2007
Kommanditgesellschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines
Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist und bei der bei
mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage
beschränkt (Kommanditist) sowie bei mindestens einem anderen Gesellschafter
unbeschränkt (Komplementär) ist. Sie entwickelt sich in der frühen Neuzeit
(16. Jh.) aus der im Hochmittelalter und Spätmittelalter entstandenen ->
Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches noch als -> stille Gesellschaft bezeichnete K.
gesetzlich geregelt (Code de commerce [1807], Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch [1861]).
Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommandigesellschaft (KG) und die
stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999
Kommendation ist die übergebende Anvertrauung insbesondere innerhalb des
Lehnsrechtes.
Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach
fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990
Kommentar ist die Erklärung oder die Erläuterungsschrift (zu einem
Gesetz). Der K. findet sich bereits im Altertum. In der
rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K. seit dem 14. Jh. hervor. Er ist
auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. -> Kommentator
Kommentator ist der Verfasser eines Kommentars. Als K. werden die
führenden rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des Spätmittelalters (z. B.
-> Bartolus, -> Baldus, Dinus de Rossonis, -> Cinus de Pistoia, Albericus
de Rosate, Alexander de Tartagnus, -> Jason de Mayno, -> Jacobus de
Ravanis, -> Petrus de Bellapertica) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A., Die
causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960),
182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit, Ius
commune 2 (1969), 84
Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit Erklärungen zu versehen. Es
findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565) in Bezug auf die Digesten.
Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa von 1182, Innozenz’ III.
von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von Melfi (1231).
Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der Neuzeit
(Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh. kehrt
sich hiervon ab.
Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der
Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de
code en Europe, 1967
Kommissar ist der Beauftragte, der im Bedarfsfall zur Verwirklichung
von Aufsichtsbefugnissen eingesetzt werden kann. In der frühen Neuzeit
unterscheidet Jean -> Bodin (1529/1530-1596) 1576 zwischen dem regelmäßigen
Amtsträger und dem außerordentlichen K. Sachlich finden sich Kommissare
bereits im römischen Prinzipat und in der mittelalterlichen kirchlichen
Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein staatlicher Beamter, der die
Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen ausübt oder die zeitweise
Verwaltung einer Selbstverwaltungskörperschaft durchführt.
Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910, 493;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Kommission ist einerseits der Ausschuss, andererseits ein
schuldrechtliches Handelsgeschäft, bei dem es eine Person (Kommissionär)
übernimmt, gegen Entgelt Waren oder Wertpapiere für Rechnung einer anderen
Person (Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu verkaufen. Nach
älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11. Jh. in Südeuropa und seit dem 13.
Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung. Seit dem Ende des 16. Jh.s ist die
K. von der -> Gesellschaft sicher abgegrenzt. Gesetzliche Regelungen finden
sich seit den Statuten von Genua 1588/1589, dem Codex Maximilianus Bavaricus
civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäftes in Deutschland, Bd.
1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971;
Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003
kommunal (gemeindlich)
Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die Grundordnung der Gemeinden und
Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach älteren Ansätzen in Altertum
und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine einheitliche Vorstellung der
Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758 Kommunordnung). Im 19. Jh. sind
mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden. Nach der Magistratsverfassung
stehen eine Versammlung von gewählten Gemeindevertretern und ein kollegiales
oberstes Verwaltungsorgan (Magistrat) nebeneinander. Nach der Bürgermeisterverfassung
ist der Bürgermeister allein entscheidender Leiter der Verwaltung und
gleichzeitig Vorsitzender der Versammlung der gewählten Gemeindevertreter.
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in
Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunalverfassung, 1995
Kommune (F.) Gemeinde, im Mittelalter Stadtgemeinde in Italien (z.
B. 1085 Pisa, Lucca usw., seit etwa 1300 teilweise unter Adelsherrschaft) und
Frankreich, Gemeinschaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7. 1789-1795, 18. März 1871
– 28. Mai 1871)
Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966; Haupt,
H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle cittá italiane,
hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in Europa, 1996;
Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris Commune 1871;
Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25 (1999), 373;
Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272 (2001), 667
Kommunikation (F.) Gedankenmitteilung
Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft, hg. v.
Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im
Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kommunikation in Brandenburg-Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19.
Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K.,
2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003;
Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart, R. u. a., 2005
Kommunismus ist eine Gesellschaftsordnung, in der alle Gegenstände
allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen gemeinsam zustehen und alle
Menschen gleichgestellt sind. Der K. entsteht nach älteren Ansätzen im Altertum
(Urkommunismus) und im Mittelalter kurz vor der Mitte des 19. Jh.s als
Gesellschaftstheorie. Versuche zu seiner praktischen Umsetzung finden mit
geringem Erfolg im 20. Jh. statt (Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion
beeinflusste mitteleuropäische Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K.
theoretisch überflüssig.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455;
Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967; Die
frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was ist
Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978;
Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte
der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der
Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996;
Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement,
1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der DDR
und der Untergang des Kommunismus, 1999
Kommunistisches Manifest ist die von Karl -> Marx und Friedrich -> Engels im
Auftrag des zweiten Kongresses der Union der Kommunisten erarbeitete und im
Februar 1848 in London anonym veröffentlichte Programmschrift. Das
Kommunistische Manifest versucht die Ansicht zu belegen, dass die Geschichte
aller bisherigen menschlichen Gesellschaft die Geschichte von Klassenkämpfen
sei. Es nennt als Ziel die Aufhebung des Eigentums des Einzelnen durch
Zentralisierung der Produktionsmittel in den Händen der als herrschende Klasse
organisierten Proletarier. Es erklärt den wissenschaftlichen Kommunismus zur
einzigen richtigen Theorie. Es endet mit der Aufforderung: Proletarier aller
Länder vereinigt euch. Eine kommunistische Partei entsteht in Russland 1898
(Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands), in Deutschland 1918.
Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des
„Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948;
Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F.,
Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute,
hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000; Bolz, N., Das kommunistische Manifest,
4. A. 2003
Komotau ist die 1252 erstmals (als lat. oppidum) bei
der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als Stadt (lat. civitas)
bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder entzogene böhmische
Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren Erzgebirges.
Lit.: Weizsäcker, W., Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau,
1935
Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur Bestimmung (bzw. Änderung) der
Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden Deutschen Reich
zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines Bürgerlichen
Gesetzbuches (1900) aus.
Kompetenzkonflikt ist der Streit über die Zuständigkeit einer staatlichen
Stelle. Grundsätzlich ist er überall dort möglich, wo mehrere staatliche
Stellen (ohne eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung) nebeneinander stehen.
Geschichtlich bedeutsam sind die Kompetenzkonflikte zwischen Herrscher und
Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat seit dem 16. Jh.,
zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder zwischen
ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem späten 19.
Jh.
Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen der
civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens, J.,
Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz, J.,
Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen
Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A.,
Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999
Kompilation (F.) Sammlung, Aufhäufung
Kompositionensystem ist eine Bezeichnung für ein Rechtssystem, in dem die
Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht
soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven
150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut,
soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung
oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen Sachwertes. Das Frühmittelalter
zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rechnungsbeträgen (-> Wergeld,
-> Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung,
Diebstahl) und verschiedene Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf, die
nach den Angaben des Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das frühmittelalterliche
K. wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen -> Strafe verdrängt,
doch werden Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der Einwirkung der Constitutio
Criminalis Carolina allgemein aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy,
E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122
(2005), 113
Kondiktion ist der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Die
K. geht auf die (lat. [F.]) -> condictio des römischen Rechts zurück, mit der im
klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum
solutum [N.]) wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen
zurückverlangt werden kann. Über die Nichtschuld hinaus gilt dies auch für
Fälle nicht eingetretener Erwartungen oder sittenwidrigen Leistungszwecks.
Herauszugeben ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht
später auch ein unbestimmter Gegenstand (lat. [N.]
incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im Westen völlig
verschwindende - (lat. [F.] ) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere
Bedeutung. Sie wird mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung
gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden
dürfe. Darunter werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine
Nichtschuld Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund
Geleisteten und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten.
Dazu kommen verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe
des Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kondiktionen, welche die
hochmittelalterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der
Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu
verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo
-> Grotius wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der
aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist,
herauszugeben hat, worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifikationen
beschränken sich demgegenüber vor allem auf die Regelung der K. wegen
Nichtschuld. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) unterscheidet bei der
ungerechtfertigten -> Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und
Nichtleistungskondiktion.
Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die causa
im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960), 182;
Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des
Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis, 2003
Kondominat ist die gemeinsame Ausübung der Hoheitsgewalt durch mehrere
Hoheitsträger auf einem ihnen gehörigen Gebiet (Kondominium). Das K. ist seit
dem Mittelalter nicht selten, wird aber seit 1803 beseitigt. 1864/1865 besteht
ein K. Österreichs und Preußens an Schleswig-Holstein, dessen Durchführung das
Ende des -> Deutschen Bundes bewirkt.
Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im Prechtal,
1934; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 32 I 2
Kondominium -> Kondominat
Konferenz über Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) ist
die vom 3. 7. 1973 bis 1. 8. 1975 währende Konferenz der 35 Außenminister
europäischer Staaten (sowie der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas) in
Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn Leitlinien als Absichtserklärungen
zusammengefasst. An die K. schließen sich mehrere Nachfolgekonferenzen in
Belgrad, Madrid, Wien usw. an.
Konfession (F.) Bekenntnis
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im
konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland
seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung
im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v.
Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt,
W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O. 2001
Konfessionsschule (Bekenntnisschule) ist die auf eine bestimmte ->
Konfession ausgerichtete -> Schule. Sie ist im Gegensatz zur
Gemeinschaftsschule in der Gegenwart die Ausnahme. Sie ist aber zulässig.
Konfinen -> Militärgrenze
Konfiskation (F.) Einziehung
Lit.:
Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in Niederland, 1957
Konflikt
Lit.: Conflict in Medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003
Konföderation (F.) Staatenbund
Konfusion ist die Vereinigung des Schuldners und Gläubigers in einer
Person. Die K. bewirkt im klassischen römischen Recht das Erlöschen einer
Schuld.
Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß, P.,
Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
Kongress (Zusammenkunft) ist in den Vereinigten Staaten von Amerika
das aus Repräsentantenhaus und Senat bestehende -> Parlament.
Koni, Anatolij Fedorovic (1844-1927) wird als Staatsanwalt,
Richter und Strafrechtslehrer in Sankt Petersburg zu einem führenden liberalen
Rechtspolitiker -> Russlands im ausgehenden 19. Jh.
Lit.: Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982;
Balantine, E., Anatolij Fedorovic Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale
1986
König (lat. [M.] rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen
Germanenstämmen der durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete
Anführer des Volkes. In Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König
(Tarquinius Superbus) gestürzt und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den
Franken gelingt Chlodwig ([* um 466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem
Königtum. Die wichtigste Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben
stützt sich seine Herrschaft außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das
Königsgut, auf die Grafen (-> Der König ist gemeiner Richter überall), auf
das Lehnsprinzip und auf die römische Tradition. Den -> Merowingern folgen
als Könige die -> Karolinger (751-911), -> Ottonen (919-1024), ->
Salier (1024-1125), -> Staufer (1138-1254) und mit geringen Unterbrechungen
die -> Habsburger (1273-1806). Zunehmend gebunden wird dabei der K., der
mit Beginn der Neuzeit auch ohne Mitwirkung des Papstes -> Kaiser wird,
durch die -> Reichsstände. Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh.
wählenden -> Kurfürsten die Wahl von -> Wahlkapitulationen abhängig.
Dennoch setzt sich die nicht durch Erbrecht gesicherte Abfolge der Habsburger
fast gänzlich durch. Seit dem späten 17. Jh. streben im Übrigen auch deutsche
Landesfürsten nach einem Königstitel (Sachsen, Preußen, Hannover), der sich zu
Beginn des 19. Jh.s allgemeiner durchsetzen lässt (Bayern, Württemberg). 1918
bzw. 1945 wird in vielen Staaten Europas das Königtum beseitigt.
Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen
der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das
Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock,
E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch,
M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König
Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im
Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die
Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P.,
Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme,
1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H.,
Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A.
1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The king’s two
bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein, E., Die
Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische
Wortschatzbewegungen im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960),
154; Baaken, G., Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und
Forschungen 6 (1961); Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in
ottonisch-salischer Zeit, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum,
1963; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C.,
Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Wadle, E., Reichsgut und
Königsherrschaft, 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972;
Sawyer, P./Wood, I., Early Medieval Kingship, 1977; Giese, W., Das
Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, ZRG GA 95 (1978), 202; Krieger,
K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979; Schubert, E., König und Reich,
1979; Hannig, J., Consensus fidelium, 1982; Reich und Kirche vor dem
Investiturstreit, hg. v. Schmid, K., 1985; Das spätmittelalterliche Königtum im
europäischen Vergleich, hg. v. Schneider, R., 1987; Krah, A.,
Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987; Hlawitschka, E.,
Stirps regia, 1988 (Aufsätze); ¸Wolf, A., König für einen Tag, 1993; Esders,
S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Schneider, R.,
Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG GA 114 (1997),
296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im Westfrankenreich, 2000;
Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Körntgen, L.,
Königsherrschaft und Gottes gnade, 2001; See, K. v., Königtum und Staat im
skandinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und Politik, 2003;
Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller, B./Weinfurter,
S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, Bd. 4
2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth Century, 2004;
Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005; Jussen, B., Die Macht
des Königs, 2005; Rogge, H., Die deutschen Könige im Mittelalter – Wahl und
Krönung, 2006
Lit.: Kowalski, W.,
Die deutschen Königinnen und Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des
Interregnums, 1913; Die Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v.
Schütte, B, 1994; Schütte, B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der
Königin Mathilde, 1994; Eickhoff, E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A.,
Die Königin im mittelalterlichen Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des
hochmittelalterlichen Frankreich, 2002
Königreich ist das Herrschaftsgebiet eines -> Königs.
Lit.: Reynolds,
S., Kingdoms and Communities, 1984; Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a.,
2002
Königsbann ist der dem -> König zustehende -> Bann. Er wird im
frühen Mittelalter auf 60 Schillinge bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Königsberg am Pregel in Preußen, 1255 eine vom Deutschen Orden nach
König Ottokar II. von Böhmen benannte Burg, ist seit 1544 Sitz einer
Universität (Kant) (bis 1945).
Lit.: Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in
Königsberg, 1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski,
M., Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45
juristische Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., „Das Königsberger
Gebiet“, 1991; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D.,
1995; Gause, K., Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A.
1996; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996; Heckmann,
D., Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um 1455, ZRG GA
114 (1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg, hg. v.
Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg. v. Rauschning, D.,
1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb. v. Hartmann, S.,
2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte Königsberg, 2005
Königsbote (lat. missus [M.]
dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem unter Karl dem Großen,
ein Beauftragter des Königs, der Verbesserungsbedürftiges verbessern soll.
Meist werden zwei Königsboten für ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich
bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s verschwindet der K.
Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi
dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia
von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi
dominici, ZRG GA 100 (1984)
Königsfreier ist der dem -> König unterworfene Freie (T. Mayer 1953).
Er schuldet dem König Zins. In den Quellen lässt er sich im 6. bis. 9. Jh.
(vereinzelt und wenig genau) fassen. Abzulehnen ist die Ansicht, jeder Freie im
Frühmittelalter sei (K. und deshalb) eigentlich unfrei.
Lit.:Köbler,
DRG 78; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6
(1943), 239; Müller-Mertens, E., Karl der Große, Ludwig der Fromme und die
Freien, 1963; Tabacco, G., I liberi del re, 1966; Krause, H., Die liberi der
lex Baiuvariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit,
Diss. jur. Göttingen 1972; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, in:
Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38
Königsfriede ist der mit dem -> König verbundene -> Friede im
Mittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der Königsfriede
der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11.
A. 1987
Königsgastung ist (der Anspruch auf) die Beherbergung des Königs und
seiner Begleitung zu Lasten eines Verpflichteten. Im Frühmittelalter hat die K.
hauptsächlich der Inhaber von Königsgut zu leisten. Ihr Umfang lässt sich daran
ermessen, dass zumindest im Hochmittelalter der Zug des Königs wohl über 1000
Beteiligte umfasst.
Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen Könige,
1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium regis in
der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997
Königsgericht ist das durch den -> König ausgeübte -> Gericht, über
das im Frühmittelalter nur bruchstückhafte Berichte vorliegen. Danach sind
Urteiler die Vornehmen und Getreuen, die vielleicht zusammen mit dem König
entscheiden. Im Hochmittelalter ist der König jedenfalls allgemeiner Richter
und alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch kommt. Allerdings beschränkt
sich tatsächlich schon im 13. Jh. die königliche Gerichtsbarkeit nur noch auf
wenige Gerichte, zu denen in erster Linie das mit ihm ziehende -> Hofgericht
zählt. Vielleicht im 14. Jh., in dem mehr als 7400 Nachweise für Verfahren am
Königshof bekannt sind, entsteht ein königliches -> Kammergericht. 1495
wird das -> Reichskammergericht (der Reichsstände) geschaffen. Neben dieses
tritt bald eine Rechtsprechung des -> Reichshofrates. (Schätzungsweise beträgt
die Zahl der Quellennachweise zur Tätigkeit der zentralen Gerichte am deutschen
Königshof von 911 bis 1451 rund 14500, davon 2000 bis 1272, 1750 von 1273 bis
1347, 2750 von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das
Königsgericht zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E.,
Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung
von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94
(1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum
Reichskammergericht, FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44;
Urkundenregesten der Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451,
Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp, B., Königsferne Regionen und
Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Königsgut ist das dem -> König zustehende (unbewegliche) Gut. Es
besteht, weil im Mittelalter eine strenge Scheidung zwischen Allgemeingut und
Privatvermögen noch nicht durchgesetzt ist, aus dem vom Vorgänger
hinterlassenen Gut und dem vom neuen König zusätzlich eingebrachten Gut. Durch
zahlreiche Vergabungen schwindet das K. Vielleicht (erst) im späteren 13. Jh.
wird zwischen Reichsgut und Eigengut deutlicher getrennt.
Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909; Stimming,
M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. Jahrhundert, 1922; Ranzi, F.,
Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische
Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im
Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer,
K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die
Ardennen im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988; Göldel,
C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das Königsgut
im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000
Königsheil ist das den König umgebende Heil (Charisma).
Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii, 1963
Königshof ist im Mittelalter der den -> König begleitende ->
Hof sowie der dem König gehörige landwirtschaftliche Hof.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Stölzel,
A., Ein Karolinger Königshof, 1919
Königspfalz ist der nach dem Vorbild des römischen Kaiserpalastes auf
dem Palatin im fränkischen Reich vom König errichtete befestigte Aufenthaltsort
(z. B. in Paris, Orléans, Reims, Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy,
Compiègne, Herstal, Aachen, Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des
Königs etwa 20-30 km beträgt, wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf
abstellendes Netz von Königspfalzen eingerichtet. Durch sie ist es dem König
möglich, sein Reich im Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur
Hausmachtpolitik nach 1273 erübrigen sich Königspfalzen weitgehend.
Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v.
Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.
Königsschutz ist der im Frühmittelalter aus Privilegien bekannte Schutz
des Königs für einzelne Menschen oder Gruppen von Menschen (z. B. Kleriker,
Kaufleute, Juden, Witwen, Waisen, Klöster). Die meisten dieser Gruppen werden
im Hochmittelalter durch -> Landfrieden geschützt.
Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde, ZRG GA
17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90
(1973), 10
Königsurkunde ist die vom mittelalterlichen -> König ausgestellte
-> Urkunde im Gegensatz vor allem zur Privaturkunde. Sie kann nicht als
falsch gescholten werden. Bei zwei widersprechenden Königsurkunden ist bis in
das 12. Jh. die ältere gültig. Seit dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in
der K.
Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W., Die Kaiser- und
Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen, P.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum
Urkundenwesen Wilhelms von Holland, 1977; Fees, I., Abbildungsverzeichnis der
original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden von
den Merowingern bis zu Heinrich VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den
merowingischen Königsurkunden, 1998
Königswahl ist die Wahl des Königs. Sie bedeutet vielfach nur eine
Auswahl innerhalb eines mit -> Königsheil begabten Geschlechtes. Anfangs
sind die Wähler Große des Reiches ohne feste Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern
sich im deutschen Reich die sieben -> Kurfürsten aus. Einzelheiten des
Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14. Jh. setzt sich dabei das
Mehrheitsprinzip durch.
Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der deutschen
Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen Königswahlen und
die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der Einfluss der
fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899), 164; Lindner,
T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E., Zu den
germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und
Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl
im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die
deutsche Königswahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die
Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die
deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads
IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur
Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924),
263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen
Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische
Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl
Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der
Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen
Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen
Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum,
1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und
salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet
v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in
ottonisch-frühdeutscher Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Königswahl
und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1975; Reinhardt,
U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975; Hlawitschka,
E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts
und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands, 1987; Schmidt, U., Königswahl und
Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg
(† 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter
filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A., Königswähler in den deutschen
Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert, H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu den
Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598;Lenz, M., Konsens
und Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349), 2002
Königszins ist ein an den -> König zu entrichtender -> Zins im
Mittelalter. Er beruht auf unterschiedlichen Gründen. Erstmals erscheint er
vielleicht 724.
Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927; Gallmeister,
E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946
masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische Freiheit und
Königszins, DA 19 (1963), 1
Königtum -> König
Lit.:
Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10. und 11. Jahrhundert, 1993
Konkordat (1418 lat. capitula [N.Pl.] concordata) ist im katholischen
Kirchenrecht ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Kirche (bzw. dem
Heiligen Stuhl) und einem Staat zur Regelung einer kirchenpolitischen
Angelegenheit. Als erstes K. gilt das Wormser K. vom 23. 9. 1122, das den ->
Investiturstreit (vorläufig) beendet. Danach erscheinen Konkordate mit England
(1213/1215), Portugal (1238) und anderen Ländern. Für das Reich ist besonders
bedeutsam das bis 1803 wirksame Wiener K. vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh.
versucht der Staat die Kirche seiner Aufsicht zu unterstellen (z. B.
Napoleonisches K. 15. 7. 1801/8. 4. 1802). Österreich vereinbart am 18. 8. 1855
ein 1870 gekündigtes K., das Dritte Reich am 20. 7. 1933.
Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige Sammlung
aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E., Das
Wormser K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche Staatsgedanke
und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950; Raab, H., Die
concordata nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen Konkordate, Bd.
1f. 1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche in der
Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Volk, L., Das
Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972
Konkubinat ist die auf längere Zeit abgestellte außereheliche
Geschlechtsgemeinschaft. Der K. gewinnt im klassischen römischen Recht als
Folge der Eheverbote des Princeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) an
Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen widerspricht, wird er von der
Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren königlichen Konkubinen des
Frümittelalters sind 6 nobilis und nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird
der K. förmlich verboten. Im letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die ->
nichteheliche Lebensgemeinschaft durch.
Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37, 58,
161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht,
1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Esmyol,
A., Geliebte oder Ehefrau?. Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002
Konkurrenz ist allgemein der Wettbewerb. Im Recht können Ansprüche
oder Straftatbestände miteinander konkurrieren. Systematisch befasst sich mit
dieser Frage erst die neuzeitliche (strafrechtliche) Rechtswissenschaft ([nach
Carpzov 1635] Koch 1758). Sie unterscheidet Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz
bzw. Handlungseinheit und Handlungsmehrheit.
Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris
criminalis, 3. A. 1770; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der Verbrechen, 1840;
Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in den Volksrechten,
1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schaffstein, F.,
Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Liebs, D., Die
Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972
Konkurs (lat. concursus [M.]
creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger) ist das Verfahren zur gleichzeitigen
und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners aus dessen
Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht wird das Vermögen eines
Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung gegenüber mehreren Gläubigern
in einer Gesamtvollstreckung verwertet. Im Mittelalter gilt demgegenüber zunächst
der Grundsatz der Priorität der jeweiligen Einzelvollstreckung. Seit dem Ende
des 13. Jh.s findet sich vielleicht unter oberitalienischem Einfluss in den
Hansestädten zunächst bei Tod oder Flucht des Schuldners der Gedanke der
quotenmäßigen Aufteilung des verbleibenden Vermögens auf mehrere Gläubiger. Im
17. Jh. werden die römisch-oberitalienischen Ansätze von der europäischen
Rechtswissenschaft vertieft und danach in Gesetze aufgenommen (Österreich 1781,
Preußen 1793, Westgalizien 1796). Der Code de commerce (Frankreich 1807) und
das Fallimentgesetz (1838) beschränken den K. auf Kaufleute und stärken die
Stellung der Gläubiger. Ihnen folgen Preußen (1855), das Deutsche Reich (1877/1879
bzw. 1898) und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s (1. 1. 1999)
wird der Privatkonkurs zugelassen, die Vernichtung wirtschaftlicher Werte
eingeschränkt und dabei das Konkursrecht in das allgemeinere Insolvenzrecht
(Insolvenzordnung) überführt.
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG 56,
116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z. f.
dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts, 1891; Hellmann,
F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A., Die Grundlage
des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5; Hellmann, F., Zur
Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Skedl, A., Die
Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach, 1913; Fliniaux,
A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de droit français et
étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge des Konkursrechts
in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli, U., Per la storia
del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl, 1978,
535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana Moral,
P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die Geschichte
des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu Beförderung des
Credits …, ZNR 26 (2004), 177
Konkursordnung -> Konkurs
Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13. 4. 1390) wird nach dem
Theologiestudium in Paris und dem Kirchenrechtsstudium in Bologna Professor in
Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität Heidelberg.
Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896), 6
Konrad von Megenberg -> Megenberg
Konradiner
Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka, E.,
Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Wolf,
A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman, D.,
Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka, E., Konradiner Genealogie,
unstatthafte Verwandtenehen und spätottonische-frühsalische
Thronbesetzungspraxis, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123
(2006), 1
Konsens ist die Willensübereinstimmung. Der K. begründet im
klassischen römischen Recht den Konsensualkontrakt (Konsensualvertrag wie Kauf,
Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft und Auftrag). Seit dem frühen
Mittelalter vertritt die Kirche die Ansicht, dass auch die Ehe durch K.
zustande kommt. In der frühen Neuzeit werden die Voraussetzungen eines
Konsenses genauer festgelegt (verbindlich, gegenseitig, wahr, vollkommen und
ausdrücklich erklärt). Die Willensübereinstimmung wird zum Kern jedes
Vertrages und jeder Einigung.
Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner; Köbler, DRG
45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in mittelalterlichen
Trauungsritualen, 1910; Marongiu, A., Il principio della democrazia e del
consenso, Studia Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das sogenannte Synallagma in
den Konsensualkontrakten, 1965; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht,
1977; Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986
Konsensualkontrakt (M.) Konsensualvertrag -> Konsens
Konsensualvertrag -> Konsens
Konservativismus ist eine auf das Bewahren des Hergebrachten ausgerichtete
menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass von einem oder mehreren
Menschen (liberale, soziale oder sonstige) Veränderungen angestrebt werden.
Seit dem ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will der K. als Gegenbewegung zur
-> französischen Revolution von 1789 Staat, Gesellschaft und Kultur in der
bisherigen Weise fortführen bzw. sich zeitweise nur gegen ungestümes
Vorwärtsdrängen wehren. Der entschiedenste Vertreter der vor allem von Adel,
Bauern, Beamten und Kirche geteilten Auffassung ist Karl Ludwig von Haller
(1768-1854). Politisch als Partei organisiert sich der K. kurz vor 1848
(1835-45 Gerlach, Leo, Stahl). Konservative Parteien des 20. Jh.s sind etwa
Zentrum, Konservative Partei, Democrazia Cristiana, Österreichische
Volkspartei, Christlich-Demokratische Union, Gaullisten u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Schwentker, W., Konservative Vereine und
Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als
Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer,
L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v.
Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konservativismus,
hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des
Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen
der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg
(1803-1868), 2004
Konsiliator ist ein Gutachten verfassender Jurist des 14. und 15. Jh.s
(Postglossator, Kommentator, z. B. -> Bartolus, -> Baldus). Auch nach
dieser Zeit werden einzelne Juristen und juristische Fakultäten vielfach
gutachterlich tätig (-> Aktenversendung). Die Eigenart der gutachterlichen
Tätigkeit besteht in der begründeten Anwendung des allgemeinen Rechtssatzes auf
den besonderen Einzelfall. Die Konsilien sind teilweise in gedruckten
Sammlungen veröffentlicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius, M.,
Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff.; Kunkel, W., Das Wesen des ius
respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler
Juristenfakultät, 1929; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967, §§ 9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N.,
Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische Rechtssprechungs- und
Konsiliensammlungen, Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke, H., Die privatrechtliche
Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974
Konsistorium ist in der römischen Spätantike der Rat des Kaisers, seit
dem Mittelalter die Versammlung der Kardinäle, in der Neuzeit eine
protestantische Kirchenbehörde (Wittenberg 1539). Seit 1918 wird das
protestantische K. zum Landeskirchenamt.
Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich braunschweigischen
Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893, 201; Bornhak, C.,
Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990
Konskription ist die listenmäßige Erfassung zwecks Heranziehung zu
kriegerischen Diensten. Sie wird auf der Grundlage römischer Ansätze durch
Gesetz vom 5. 9. 1798 in Frankreich aufgegriffen und danach auch in den
deutschen Staaten angewendet. Dort war schon seit dem Beginn des 17. Jh.s das
Söldnerheer allmählich durch die Wehrpflicht ersetzt worden (Preußen 1733,
Österreich 1771).
Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd. 2f.
1964ff.
Konstantin (der Große) (Naissus 27. 2. 280-Nikomedia Pfingsten 337)
ist der römische Kaiser (306), der 330 in Konstantinopel (Byzanz, Istanbul)
eine neue Reichshauptstadt errichtet, das Christentum anerkennt (313) und das
Recht in mancherlei Einzelheiten ändert (Zeugen beim Grundstückskauf,
Beurkundung der Grundstücksschenkung, Pflichtteil, Verbot der Verfallsabrede).
Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v. Kraft, H.,
1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine and the
Christian Empire, 2004; Schmitt, O., Constantin der Große, 2006
Konstantinische Schenkung ist die auf -> Konstantin den Großen (306-337)
gefälschte Urkunde des 8./9. Jh.s, in der Konstantin angeblich Papst Silvester
I. Rom und das weströmische Reich überträgt und den Vorrang der römischen
Kirche festlegt. Die Urkunde wird bereits 1001 als Fälschung angezweifelt und
im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als Fälschung erwiesen. Geschichtlich gesichert ist
nur die Gabe des (lat. [F.]) domus Faustae an den Bischof von Rom.
Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die konstantinische
Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, ZRG GA
68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und abendländisches
Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v. Fuhrmann, H., 1968
(MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen im
Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988
Konstantinopel -> Konstantin
Lit.: Schreiner,
P., Konstantinopel, 2007
Konstanz am Bodensee beruht auf einem vermutlich nach 300
eingerichteten römischen Kastell. Es wird (in der Tradition einer spätantiken
Militärsiedlung) zwischen 550 und 590 Bischofsitz. 1237 heißt es Reichsstadt.
1414-1418 tagt dort das 16. allgemeine Konzil. 1966 erhält K. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die
Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle,
K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im
mittelalterlichen Konstanz – Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die
Säkularisation des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des
Bistums Konstanz, 1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine
wieder aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15.
Jahrhunderts, ZRG GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer
Kaufhaus, 1954; Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz,
1955; Feger, O., Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die
Entstehung der städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das
Konstanzer Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961; Eisenmann,
H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370 bis 1521,
1964; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das Kriminalverfahren
und der Strafvollzug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold, K.,
Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Baur. P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer,
H., Konstanz im Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von
Konstanz, 1991; Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M.,
Konstanz im 18. Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000;
Die Konstanzer Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v.
Maurer, H., 2003; Crivellari, F. u. a., Vom Kaiser zum Großherzog, 2006;
Immenhauser, B., Bildungswege –Lebenswege, 2007
Konstitution (lat. [F.] -> constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und
auch mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz gemeint, seit
dem ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine
Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten
zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung
(-> Polen, -> Vereinigte Staaten von Amerika).
Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst
Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische
Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft
4 1980, 7; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze,
2007
Konstitutionalismus ist die europaweit in unterschiedlicher Einzelform
erkennbare politische Gestaltung, bei
der das Staatsoberhaupt durch eine (formelle) Verfassung (-> Konstitution)
beschränkt ist (z. B. Entwürfe am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792],
konstitutionelle Monarchie vor allem im 19. Jh., z. B. Spanien
Cortes-Verfassung von Cádiz 1812, Frankreich charte constitutionelle 1814,
Nassau 1814, Baden, Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820,
Belgien 1831 usw.).
Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der
konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der
Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen Konstitutionalismus,
1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Probleme des
Konstitutionalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns
Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und
Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der
konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum Verhältnis von Verfassung
und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus, Gedächtnisschrift H.
Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und im Deutschen Bund, Z.
f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche Wirkungen und
Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G., Der kirchliche
„Konstitutionalismus“, 1988; Die Anfänge des Frühkonstitutionalismus, hg. v. Dippel,
H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus,
1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des Vormärz. Der Staat, 1998,
166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999; Kirsch, M., Monarch und
Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und Umsetzung des
Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der Verfassungsstaat vor
der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2002;
Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Konstitutionalismus
und Verfassungskonflikt, hg. v. Müßig, U., 2006
Konstitutionelle Monarchie ist die durch eine Verfassung (-> Konstitution)
beschränkte -> Monarchie. Vorbild der konstitutionellen Monarchie ist seit
der Glorious Revolution von 1689 -> England. In -> Frankreich werden 1814
die Rechte des Monarchen durch Regelmäßigkeit der Tagungen des Parlamentes,
Budgetrecht und Ministerverantwortlichkeit eingeschränkt. Teils behält in der
Folge der Herrscher alle Rechte, die er nicht ausdrücklich der Volksvertretung
gibt, teils hat er nur die Rechte, die ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit
1918 wird in Europa die k. M. durch die Republik oder durch die
parlamentarische Monarchie ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung der
konstitutionellen Monarchie in Europa, in: Hartung, F., Volk und Staat in der
deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder
parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37
Konstitutionen von Melfi ist das von Friedrich II. im September 1231 für das Königreich
Sizilien erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh. lat. liber [M.] augustalis). Es
gliedert sich in drei Bücher mit 74, 49 und 81 Konstitutionen (später insgesamt
253 bzw. 291), von denen knapp 80 Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II.,
Wilhelms II. und Friedrichs II.) beruhen und nur
etwa ein Fünftel völlig neu geschaffen wird. Inhaltlich werden besonders das
Verfahrensrecht, das Staatsorganisationsrecht und das Strafrecht erfasst.
Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475,
Neudruck 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a.,
1973; Buyken, T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973; Dilcher,
H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il Liber
Augustalis, hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico II,
1988; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v.
Stürner, W., 1996
konstitutiv (begründend)
konstruktiv (aufbauend)
Konstruktives Misstrauensvotum ist eine Bestimmung der Verfassungen Württemberg-Badens
(1947), Württemberg-Hohenzollerns, Nordrhein-Westfalens und des deutschen
Grundgesetzes (1949), nach welcher der Bundestag einem Bundeskanzler nur dann
das Misstrauen aussprechen kann, wenn er gleichzeitig mit Mehrheit einen neuen
Bundeskanzler wählt. Der Gedanke des konstruktiven Misstrauensvotums wird seit
1927 erörtert (Herrfahrdt, Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Konsul (lat. [M.] ->
consul) ist schon im altrömischen Recht ein Höchstmagistrat. Im Hochmittelalter
werden die Ratsherren als (lat. [M.Pl.])
consules (Italien um 1100) bezeichnet. Wenig später ist K. der Vertreter eines
Staates in einem anderen Staat.
Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6,
11, 14, 23; Köbler, DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, in:
Bibliothèque de l’Ecole des Chartes 121 (1963), 226
Konsum (M.) Verbrauch
Lit.: Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsumpolitik,
hg. v. Berghoff, H., 1999; Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und
Sozialmoral, 2001; North, M., Genuss und Glück des Lebens, 2003; Haupt, H.,
Konsum und Handel, 2003; North, M., Genuss und Glück des Lebens – Kulturkonsum
im Zeitalter der Aufklärung, 2003
Konsument (M.) Verbraucher
Konsumentenschutzgesetz ist ein dem Schutz des Verbrauchers dienendes Gesetz.
Solche Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh., insbesondere seit dem
letzten Drittel des 20. Jh.s.
Konsumgenossenschaft ist eine nach englischem Vorbild (Anfänge seit etwa 1770,
Verstetigung seit etwa 1840) seit dem späteren 19. Jh. (seit etwa 1860) zur
Verbilligung des Gütererwerbes gebildete -> Genossenschaft von Verbrauchern.
Im späteren 20. Jh. erweisen sich die Konsumgenossenschaften als zu
unproduktiv.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und Dividende,
1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999
Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei Gesamtforderung und Gesamtschuld
der Ausschluss einer weiteren Klage eines anderen Gläubigers oder gegen einen
anderen Schuldner durch die (lat.) -> litis contestatio (F.) bezüglich einer
(lat. [F.]) -> actio eines Gläubigers oder gegen einen Schuldner.
Lit.: Kaser § 56 II
Kontinuität ist allgemein die Fortdauer, im besonderen die Fortdauer
römischer Gegebenheiten im Frühmittelalter. Diese ist streitig. Deswegen muss
im Einzelfall untersucht werden, ob eine frühmittelalterliche Erscheinung aus
dem römisch-christlichen Bereich oder aus dem heidnisch-germanischen Bereich
kommt oder in der Zeit selbst erst neu entstanden ist.
Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969;
Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuità nella Storia
del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den
Geisteswissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg.
v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990
Kontokorrent ist die laufende Rechnung zwischen zwei Beteiligten. Einen
Ansatz hierfür liefert bereits das in Rom bekannte Kassenbuch. Bedeutsam wird
die Rechnung aber erst in Oberitalien im 13. und 14. Jh., im Heiligen Römischen
Reich (deutscher Nation) im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K. seit dem
19. Jh. angesehen.
Lit.: Endemann, W., Studien in der romanisch-kanonistischen
Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die Geschichte der
Forderungsverrechnung, 1928
Kontrahierungszwang ist die rechtliche Verpflichtung, eine Vereinbarung
abzuschließen. Der K. widerspricht der Privatautonomie. Er wird in engen
Grenzen im 20. Jh. anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das mittelalterliche
Stadtrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kontrakt (lat. [M.] ->
contractus) ist der ->Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 45
Kontrollrat -> Alliierter Kontrollrat
Kontumazialverfahren ist ein bei Ladungsungehorsam (lat. [F.]
contumacia) eintretendes Verfahren des klassischen römischen und neuzeitlichen
Verfahrensrechts. -> Versäumnisverfahren
Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966;
Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter,
Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959
Konvaleszenz ist das nachträgliche Wirksamwerden eines nicht oder nicht
voll wirksamen Geschäftes im römischen und gemeinen Recht.
Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher, D.,
Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987
Konventionalstrafe ist die bereits im römischen Recht als Fall der ->
Stipulation mögliche Vertragsstrafe.
Lit.: Kaser § 40 I 4b
Konversion ist die schon dem römischen Recht bekannte Umdeutung eines
unwirksamen Rechtsgeschäftes.
Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des
Rechtsgeschäfts, 1980
Konzentrationslager ist ein wohl dem spanischen Ausdruck campos reconcentrados
nachgebildetes Wort. In campos reconcentrados (campos de concentración) hält
Spanien seit 1895 im zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg kubanische Guerrilleros
und deren Angehörige gefangen. Am Ende des 19. Jh.s errichtet England im
südafrikanischen Burenkrieg „laagers“ bzw. concentration camps für die
Angehörigen der Burenguerilleros. In der Sowjetunion, in der 1921 bereits rund
50 Zwangsarbeitslager bestehen, durchlaufen zwischen 1929 und 1953 etwa 18
Millonen Menschen Lager, aus denen mehr als 4,5 Milllionern Menschen nicht
zurückkehren. Seit 1933/1934 entstehen durch das Deutsche Reich etwa 60 K. (z.
B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen), in
denen 1934 etwa 45000, 1935 etwa 3500 und 1938 etwa 60000 Menschen
untergebracht sind (1944 in Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden
zu regierungsgestützten planmäßigen Vernichtungslagern aller missliebigen
Fremdvölkischen gemacht, in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein
staatsabträgliches Verhalten zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit
und Mord vernichtet werden (möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen
Opfer).
Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Broszat, M., Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, 1970; Richardi,
H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J.,
Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg.
v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Buchenwald, 1998; Wenck, E.,
Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 1999; Konzentrationslager Buchenwald,
1998; Wippermann, W., Konzentrationslager, 1999; Orth, K., Das System der
nationalsozialistischen Konzentrationslager, 1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v.
Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ der Gestapo, 2000; Orth, K., Die
Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen und Quellen zur Geschichte von
Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u. a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A.,
Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000; Friedler, E. u. a. Zeugen aus der
Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die sowjetischen Konzentrationslager, hg.
v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B., Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A.,
Der Gulag, 2003; Steinbacher, S., Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach
Langenstein, 2004; Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager,
hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; … und wir hörten auf, Mensch zu sein,
hg. v. Mayer, M., 2005; Fings, K., Krieg, Gesellschaft und KZ – Himmlers
SS-Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a., Der Ort des Terrors, Bd. 1f. 2005; Dirks,
C., Das Verbrechen der anderen, 2006
Konzentrationsmaxime ist im neuzeitlichen Verfahrensrecht der auf Konzentration
gerichtete Verfahrensgrundsatz, der den Ablauf des Verfahrens beschleunigen
soll.
Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975
Konzern ist im Wirtschaftsrecht des 20. Jh.s die unter Wahrung der
rechtlichen Selbständigkeit erfolgende Zusammenfassung eines herrschenden und
mindestens eines abhängigen Unternehmens (Unterordnungskonzern) oder mehrerer
rechtlich selbständiger, nicht von einander abhängiger Unternehmen
(Gleichordnungskonzern) unter einheitlicher Leitung. Mit der
Internationalisierung der Wirtschaft tritt der große multinationale K. in den
Vordergrund. Den Missbrauch soll das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(27. 7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich,
V./Sonnenschein, J., Konzernrecht, 7. A. 2001; Dettling, H., Die Entstehung des
Konzernrechts im Aktiengesetz von 1965, 1997
Konzentrationsmaxime
ist die der Beschleunigung des Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst
wenige Termine dienende Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird.
Lit.: Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004
Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende System, das für die
Entstehung einer juristischen Person eine Konzession (Verleihung, Genehmigung)
des Staates erfordert. Es wird durch den liberalen Grundsatz der freien
Körperschaftsbildung (System der Normativbestimmungen) abgelöst (Österreich
1870).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
207, 217
Konzil (lat. [N.] concilium)
(oder -> Synode) ist im katholischen Kirchenrecht das kollegiale, nicht
ständige Organ zur Behandlung kirchlicher Angelegenheiten. Das K. lässt sich
seit der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr. nachweisen. Allgemeine
(ökumenische) Konzile finden seit Nikäa (325), Konstantinopel (381), Ephesus
(431) und Chalkedon (451) statt. Weitere wichtige Konzile sind die vier
Laterankonzile von 1123, 1139, 1179 und 1215, das 16. ökumenische K. von
Konstanz von 1414-1418, das 17. ökumenische K. von Basel (1431-1437), das 19.
ökumenische K. von Trient (1545-1563), das erste Vatikanische K. (1869-1870)
sowie das zweite Vatikanische K. von 1962-1965. Sie treffen meist
richtungweisende Beschlüsse.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v., Conciliengeschichte,
Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine Konziliengeschichte, 8. A. 1969;
Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr, K.,
Kirche und Konzil bei Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten Kirche,
1979; Sieben H., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984; Dekrete
der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Ballweg, J.,
Konziliare oder päpstliche Reform, 2000; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien
der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des
zweiten Konzils von Nizäa (787), 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im
spätantiken Gallien, 2004; Sieben, H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der
Konzilien, 2005; Boockmann, H./Dormeier, H., Konzilien, Kirchen- und
Reichsreform (1410-1495), 2005
Konziliarismus ist in der katholischen Kirche die am Ende des 14. Jh.s
entstehende Bewegung, die das -> Konzil zur höchsten Gewalt der Kirche zu
machen versucht. Der K. kann sich nicht durchsetzen.
Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren Theorie,
Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der Konziliarismus,
HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen Schisma, 1990
Konzilsappellation ist der wohl seit der Spätantike bekannte Versuch, gegen
eine Entscheidung des Papstes -> Appellation an ein -> Konzil einzulegen.
Die K. kommt, ohne durchschlagende Erfolge, während des gesamten Hochmittelalter
und Spätmittelalters häufiger vor.
Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein
allgemeines Konzil, 1978
Kopenhagen gelangt 1167 als Fischersiedlung vom König von Dänemark an
den Bischof von Seeland. 1254 erhält der Ort Stadtrecht. 1416 kommt er an den
König zurück. 1479 wird er Sitz einer Universität.
Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981;
Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v.
Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff.
Kopernikus
Lit.: Biographia Copernicana, bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004
Kopfsteuer ist eine verschiedentlich verwendete Art der -> Steuer,
bei welcher der Mensch (Kopf) als solcher die Steuergrundlage bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher
Kopialbuch ist ein Sammelband von Abschriften von Urkunden. Das K.
erscheint im Frühmittelalter in kirchlichen Kanzleien und im Hochmittelalter in
landesherrlichen Behörden.
Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und
Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957)
Köppen, Johann (Treuenbrietzen 1531-Berlin 1611) wird nach dem
Rechtsstudium in Wittenberg und Frankfurt an der Oder Rechtslehrer in Frankfurt
an der Oder, Kammerrat, Richter und Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für
die Kurmark und die Neumark (1590, gegliedert nach Personen, Contracten,
Erbrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht) scheitert.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973
Koran (arab. [M.] Lesung) ist das in Reimprosa abgefasste heilige,
die Offenbarung des Propheten -> Mohammed (um 569-632) (608-632) enthaltende
Buch des -> Islams (114 Suren bzw. Kapitel). Der K. ist Grundlage des
islamischen Glaubens und Rechts.
Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 3. A. 1983; Nagel, T.,
Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der Koran, 1999, Thyen, J., Bibel und Koran,
2000
Korea
Lit.: Eggert, M./Plassen, J., Kleine Geschichte Koreas, 2005
Kormcaja (Kniga) (F.) (Steuermannsbuch?)
ist das vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf byzantinischen Grundlagen
aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts (Fassung des 11. Jh.s mit 14
Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in Moskau erstmals gedruckt.
Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian Canon
Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der
Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Körperkraft ist verschiedentlich ein rechtlich bedeutsames Merkmal.
Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Kraft
und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3
Körperschaft ist eine mitgliedschaftlich verfasste, vom Wechsel der
Mitglieder unabhängige Personenvereinigung. Nach älteren Ansätzen im römischen
Altertum und im Mittelalter sowie in der evangelischen Staatskirchenlehre des
17. Jh.s (so Endrös) setzt sich die Figur der -> juristischen Person bzw.
Körperschaft in der ersten Hälfte des 19. Jh. (so Forsthoff) durch (->
Beseler). Streitig ist die Art des Verständnisses (Fiktion oder realer Organismus).
Die K. kann dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht angehören. Der
Personenverband (K.?) wird schon in älterer Zeit durch Symbole dargestellt (z.
B. Krone, Lanze, Thron, Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). In Deutschland wird
1920 die Körperschaftsteuer für juristische Personen von der seit 1799
entwickelten Einkommensteuer verselbständigt.
Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von
Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die
Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren
Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3) 399; Endrös, A.,
Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts“,
1985; Landau, P., Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier
Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, in: FS A.
Erler, 1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung,
1986; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999),
314
Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit eines
Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an denkbar. Im altrömischen
Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich entweder mit ihm
vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem anderen (nur ?) ein
Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund Kupfer (lat. [F.]
poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein
sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidigung)
antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist
Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher)
Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch ->
Buße ausgeglichen. Im Hochmittelalter erscheint sie als Straftatbestand
(Lähmung, blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis
Carolina (1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche
Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht
Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K.,
fahrlässige K.).
Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158;
Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die
Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920),
75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972;
Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984;
Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002; Korn, F.,
Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C., Körperverletzungsdelikte, 2004
Korporation (F.) -> Körperschaft (E. 19. Jh. auch
Studentenverbindung)
Korruption ist das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen
Geld, in eleganteren Fällen geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwidrige
Verhalten von Verpflichteten bzw. die Erlangung eines privaten Vorteils durch
Missbrauch eines öffentlichen Amtes. K. findet sich an vielen Orten zu vielen
Zeiten (z. B. Vermittlung einer Stelle als Universitätsassistent als Entgelt
für eine Schmeichelbiographie, Verbeamtung eines Betrügers auf Antrag eines
Lügners als Entgelt für eine Wahl zum Institutsvorstand, Überlassung einer
Schriftenreihe einer Klinik als Entgelt für die Habilitationsvermittlung usw.).
Wer sie bekämpft und sich nicht selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit
allen Mitteln verfolgt.
Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics, 1910;
Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J. van,
Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner, J.,
The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller, W.,
1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political
Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg,
B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004; Engels, I., Politische
Korruption in der Moderne, HZ 282 (2006), 313
Korsika ist eine Mittelmeerinsel, die seit 227 zur römischen
Provinz Sardinien gehört. Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern,
Langobarden, Sarazenen und Mauren setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768
gibt Genua K. an Frankreich. 1982 erhält das demnach im Recht nacheinander
römisch, genuesisch und französisch geprägte K. in Frankreich Autonomie.
Lit.: Histoire de la Corse, hg. v.
Arrighi, J., 1971; Grimaldi, S., La Corse, 1988
Kosten sind die Werte, die für die Beschaffung oder Herstellung
eines Gutes aufgewendet werden. Bereits im -> Kognitionsverfahren des
klassischen römischen Rechts trägt der Unterliegende die K. des Verfahrens.
Dieser Grundsatz ist in der Neuzeit wieder erkennbar, wobei im 18. Jh. das sog.
-> Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die ->
Prozesskostenhilfe entsteht.
Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Kostvertrag ist im Mittelalter ein Vertrag über Verköstigung, Kleidung
und Ausbildung eines Kindes.
Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen Stadtbüchern,
FS H. Lentze, 1969, 137
KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) -> Kommunismus
Kraftfahrzeug ist das Landfahrzeug, das durch Maschinenkraft bewegt wird,
ohne an Geleise gebunden zu sein. Das mit Benzin getriebene Kraftfahrzeug wird
1885 erfunden und 1886 von Carl Benz vorgeführt.. In Frankreich (1893 etwa 500
Automobile, 1900 2897 Automobile und 11252 Motorräder) wird am 14. 8. 1893 eine
Pariser Ordonnance über den Verkehr mit Motorfahrzeugen erlassen. In
Deutschland, wo 1902 4738 Kraftfahrzeuge (Automobile) für den öffentlichen
Straßenverkehr zugelassen sind, werden 1909 durch das Kraftverkehrsgesetz (3.
5. 1909) zum 1. 10. 1909 die -> Gefährdungshaftung für den Halter eines
Kraftfahrzeuges und der Straftatbestand der Unfallflucht des
Kraftfahrzeugführers (§ 22 KFG) eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über
den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow,
O. v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Schubert, W., Das Auomobil ist der
Anarchist unter den Gefährten, ZRG GA 123 (2006), 218
Krain ist die nahe den Karawanken gelegene Landschaft, die
nacheinander von Römern, Langobarden und Slowenen besiedelt wird und im 8. Jh.
an die Bayern bzw. Franken gelangt. Über verschiedene Grafengeschlechter fällt
K. 1282/1335 an die Grafen von -> Habsburg. 1394 wird K. Herzogtum. Am 29.
10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit Laibach an Jugoslawien, von dort
1991 an Slowenien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S.,
Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas,
1987; Kos, D., In Burg und Stadt, 2006
Krakau an der oberen Weichsel wird 1000 Sitz eines Bischofs und
nach der Neugründung nach Magdeburger Recht (1257) 1320-1611 Hauptstadt ->
Polens. 1364 wird in K. eine Universität gegründet. Das Gericht auf der
Krakauer Burg (1356?) wird Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und
Dörfer (bis 1791, Urteile von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K.
zeitweise österreichisch.
Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M., Der Krakauer
Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A., Najstarsza ksiega
sadu najwyzszego prawa niemicckiego na zamku krakowskim, 1936; Antiquum registrum
privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v. Estreicher, S.,
1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1 1965, 474; Pauli,
K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der freien Stadt Krakau
nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z przeszlosci Krakowa,
1989; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri Cracoriensis, hg. v. Lysiak,
L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius supremum
Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Decreta iuris supremi
Magdeburgensis castri Cracoviensis. Die Rechtssprüche des Oberhofs des
deutschen Rechts auf der Burg zu Krakau 1456-1481, hg. v. Łysiak, L. u.
a., 1995; Schüßler, M., Verbrechen in Krakau, ZRG GA 115 (1998), 339; Obladen,
M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005
Kramer (M.) Kleinhändler
Krankenhaus ist die die bloße Aufbewahrung von Kranken im Spital durch
den Versuch der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ersetzende Einrichtung.
Das K. setzt sich im 19. Jh. durch.
Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und Sozialpolitik,
HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft, 1999; Kumm,
R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B., Krankenhaus und
Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003;
Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S., Vom allgemeinen Krankenhaus zur
Gesundheitsfabrik, 2004
Krankenkasse -> Krankenversicherung
Krankenversicherung ist die private oder soziale Versicherung gegen (die
Auswirkungen bzw. Kosten) einer Krankheit. Die soziale K. ist Teil der
Sozialversicherung. Sie entsteht nach älteren Gemeindekrankenversicherungen, Hilfs-
und Unterstützungskassen (z. B. Armen- und Versorgungskasse Chemnitz 1795),
Knappschaftskassen, Fabrikkrankenkassen oder Innungskrankenkassen im Deutschen
Reich 17. 11. 1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsversicherungsverordnung, 20.
12. 1988 Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Krankenkassen.
Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten
Krankenversicherung, 1971; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und
England, 1983; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der
Schweiz und ihre Ablösung durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8
(1986), 157; Reiter, H., Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der
Spitzenverbände der Krankenkassen, 1996
Krankheit
Lit.: Frevert, U., Krankheit als politisches
Problem 1770-1880, 1984; Göckenjan, G., Kurieren und Staat machen, 1985;
Barthel, C., Medizinische Polizey und medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg,
M., Homo patiens, 2003; Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit,
2004; Müller-Jahncke, F. u. a., Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf,
S., Heilen außerhalb der Medizinal-Ordnung, 2004
Kranrecht (lat. ius [N.]
geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des Landesherrn, Auslegen,
Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren anzuordnen.
Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht,
3. A. 1829, 947
Kranzgeld ist die Bezeichnung für den Schadensersatzanspruch einer
unbescholtenen Verlobten, die ihrem Verlobten die Beiwohnung gestattet. Dass
der Verführer eines Mädchens dieses heiraten und ausstatten soll, bestimmt
bereits 2. Moses 22,16 und danach der -> Liber extra und das gelehrte Recht.
Später tritt eine Entschädigung ein, wenn der Verführer das Mädchen nicht
heiratet. Im 19. Jh. wird der Anspruch eingeschränkt, 1996 beseitigt.
Lit.: Gerber, C./Cosack, K., System des Deutschen
Privatrechts, 17. A. 1895
Krause, Karl Christian Friedrich Eisenberg (Thüringen) 7. 5.
1781-München 27. 9. 1832
Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl
Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe
Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000;
Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003; Krause, K., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1, hg. v. Bach, T. u. a., 2007
Kredit ist die zeitweise Überlassung von eigenen Mitteln an einen
anderen zur wirtschaftlichen Verwertung. Der gebräuchlichste Weg der Gewährung
von K. ist das -> Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das Kreditwesen ständig
erweitert. Am 5. 12. 1934 wird in Deutschland das Gesetz über das Kreditwesen
erlassen. -> Bank
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die
Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003
Kreis ist seit der frühen Neuzeit (1500) im Heiligen Römischen
Reich (deutscher Nation) eine Gebietskörperschaft (-> Reichskreis). Seit dem
19. Jh. ist K. eine Gebietskörperschaft, die eine Mehrzahl von Gemeinden zur
Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der Selbstverwaltung zusammenfasst
(Landkreis).
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Hartung,
F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910, Neudruck 1973;
Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der Regierungszeit
Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis, 1967; Stadler, K.,
Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Laufs, A., Der
schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg (Amtliche Beschreibung nach
Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert Jahre Kreisordnung in
Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Dotzauer,
W., Die deutschen Reichskreise, 1989
Kreisassoziation ist der Zusammenschluss mehrerer Reichskreise zu
gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird 1559 erstmals verwirklicht. Mit der
Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697 erlangt die K. vorübergehend
beachtliche Bedeutung.
Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation, Z. f.
bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation
1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975
Kreisgericht ist das für einen -> Kreis zuständige Gericht (z. B. in
Österreich oder der Deutschen Demokratischen Republik).
Kreisordnung ist eine für einen oder mehrere -> Kreise geltende ->
Ordnung (z. B. Preußen 13. 12. 1872, Posen 20. 12. 1828).
Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in Nordrhein-Westfalen,
hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H., Bismarcks Kampf um
die Kreisordnung, 1996
Kreisverfassung ist die Verfassung eines Kreises (Reichskreis, Landkreis).
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die
Kreisverfassung von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen
Kreises, Nieders. Jb. 7 (1930), 1
Kreittmayr (Kreitmeir), Wiguläus Xaverius Aloysius (1745 Frhr. v.)
(München 14. 12. 1705-27. 10. 1790), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und Utrecht und einem Praktikum am
Reichskammergericht 1725 Hofrat in Bayern und 1758 Kanzler. Auf ihn gehen
maßgeblich der (lat. [M.]) -> Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der ->
Codex iuris Bavarici iudiciarii (1753) und der -> Codex Maximilianeus
Bavaricus civilis (1756) zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem
verfasst er Grundrisse zum Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769).
Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium iuris,
1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus
Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a., 1991
Kreml (M.) Wald, Burg
Kremsierer Entwurf ist der vom im Juli 1848 gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien
konstituierten, am 22. 10. 1848 von Wien nach Kremsier (in Mähren [Kromeriz])
verlegten österreichischen Reichstag erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der
zwar von der Volkssouveränität ausgeht, inhaltlich aber im Wesentlichen der
-> Pillersdorfschen Aprilverfassung (mit Gewaltenteilung, Gegenzeichnung
der Vollzugshandlung des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag
bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer, Grundrechtskatalog) entspricht.
Wegen Auflösung des Reichstages durch die Regierung zum 4. 3. 1849/17. 3. 1849
bleibt der K. E. bloßer Entwurf.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der
Reichstag von Kremsier, 1995
Kremsmünster
Lit.: Die Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978
Kreta ist die Insel im südöstlichen Mittelmeer, die 67 v. Chr.
römische Provinz wird und über Oströmer und Araber 1204/1212 an Venedig fällt.
1645-1649 erobern die Osmanen (Türken) die Insel. Die 1832 einsetzende
Befreiungsbewegung führt 1908/1913 zum Anschluss an -> Griechenland.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K.,
Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische
Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004
Kreuz ist das Sinnbild des Leidens und der Auferstehung des
Religionsstifters Jesus Christus. Es kennzeichnet daneben auch die
Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter werden vielfach Steinkreuze als Erinnerung an
den Tod eines Menschen angebracht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei den
Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T. Klausen, 1964;
Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989
Kreuzbergurteil ist das vom preußischen Oberverwaltungsgericht 1882
gefällte Urteil, das der -> Polizei die Zuständigkeit für Maßnahmen der
Wohlfahrtspflege (Untersagung eines Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine
besondere gesetzliche Grundlage dafür vorliegt. Damit wird die Polizei auf den
Schutz von Sicherheit und Ordnung beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers
wird erweitert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kreuznach
Lit.: Massmann, G, Die Verfassung der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn
1962
Kreuzprobe ist das Gottesurteil, bei dem sich zwei Menschen mit
ausgebreiteten Armen aufstellen und die Behauptung dessen als erwiesen
angesehen wird, der seine Arme länger waagrecht halten kann.
Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das
Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84
Kreuzzug ist die unter dem Zeichen des christlichen Kreuzes
ausgeführte Kriegsfahrt (zur Eroberung der christlichen Gedenkstätten in
Palästina zwischen 1096 und 1270). 1095 ruft Papst Urban II. in Clermont auf
Bitten des von den turkmenischen Seldschuken bedrohten oströmischen Kaisers die
Ritter zum K. auf. 1099 wird Jerusalem erobert. In den folgenden 6 Kreuzzügen
wird nur die islamische Rückgewinnung verzögert. Dessenungeachtet belebt der K.
den Handel und beeinflusst in Randbereichen auch das Recht (Ritterorden,
Kreuzfahrerstaaten, Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum
Schuld- und Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht usw.
62 (1931), 229; Grousset, R., Histoire des croisades et du royaume franc de
Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949; Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd.
1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya, A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; The Atlas
of the Crusades, hg. v. Riley-Smith, J., 1991; Housley, N., The Later Crusades,
1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Hehl, E., Was ist eigentlich ein
Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L., Heerführertum und Erobererrecht auf
dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995), 316; Richard, J., Histoire des
croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first Crusaders 1095-1131, 1997; Die
Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a., 1997; Riley-Smith, J., Historische
Geschichte der Kreuzzüge, 1999; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 9. A.
2000; The Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas,
hg. v. Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002; Geldsetzer, S.,
Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience of Crusading, Bd. 1f. hg.
v. Bull, M. u. a., 2003; Oberste, J., Der Kreuzzug gegen die Albigenser, 2003; Thorau,
P., Die Kreuzzüge, 2004; Hechelhammer, B., Kreuzzug und Herrschaft unter
Friedrich II., 2005; Hebräische Berichte
über die Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005;
Ebendorfer, T., Historia Jerusalemitana, hg. v. Zimmermann, H., 2006
Krieg ist die Austragung von Streitigkeiten zwischen Staaten mit
Gewalt. Die Anfänge des Krieges reichen in vorgeschichtliche Zeit zurück. Seit
dem Altertum stellt sich dabei die Frage nach dem -> gerechten Krieg.
Angesichts der von der Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in der
Neuzeit bestimmte Erscheinungen des Krieges als menschenrechtswidrig
angesehen. Seit dem 19. Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über
unzulässige Maßnahmen (Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der
Verwundeten der Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze
und Gebräuche des Landkrieges, Haager Landkriegsordnung von 1907). Durch den
-> Kelloggpakt (1928) wird der K. allgemein geächtet.
Lit.:
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567; Köbler, WAS; Görris, G., De
denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht der Entscheidung über Krieg
und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955; Rosenau, P., Wehrverfassung
und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss. jur. Bonn 1959; Pietzcker,
F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964), 318; Angermeier, H., Die
Reichskriegsverfassung in der Politik der Jahre 1679-1681, ZRG GA 82 (1965),
190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus unter den sächsischen Kaisern,
Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche Reich und der zweite
Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite Weltkrieg, 8. A. 1985;
Goldstein, E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine, P., La guerre au Moyen
Age, 3. A. 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; La guerre, hg. v.
Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N., Krieg und Frieden im Mittelalter, 1997;
Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C., Krieg und Verbrechen, 1997; Krieg ist ein
Gesellschaftszustand, hg. v. Hamburger Institut für Sozialforschung, 1998; Die
Wiedergeburt des Krieges, hg. v. Kunisch, J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im
Mittelalter, hg. v. Brunner, H., 1999; Tuck, R., The rights of war and peace,
1999; Krieg im Mittelalter, hg. v. Kortüm, H., 2000; Staat und Krieg, hg. v.
Rösener, W., 2000; Wie Kriege entstehen, hg. v. Wegner, B., 2000; Die
Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen im Mittelalter und in der frühen
Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten der Weltgeschichte, hg. v.
Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v. Wegner, B., 2. A. 2003;
Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M. u. a., 2003; Wolfrum, E.,
Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im Bild, hg. v. Arbeitskreis
historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg, Nation und Konfession, 2004;
Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J., Kriegskunst in Europa, 2004;
Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004; The Cambridge History of Warfare, hg.
v. Parker, G., 2005; Chaniotis, A., War in the Hellenistic World, 2005; Prietzel,
M., Kriegführung im Mittelalter, 2006; Stöver, B., Der kalte Krieg, 2007
Kriegsartikel sind in der Neuzeit kriegsherrliche Gebote für die Soldaten
(Schweden 1632, Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im 19. Jh. tritt das
Militärstrafgesetzbuch teilweise an die Stelle der K.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892
Kriegsbefestigung oder Streitbefestigung ist die deutsche Bezeichnung für die
(lat.) -> litis contestatio (F.) des (römischen) Verfahrensrechts.
Kriegsentschädigung ist die Entschädigung des Siegers eines Krieges durch den
Besiegten wegen der erlittenen Schäden. Ansätze hierzu kennen Altertum und
Mittelalter. Francisco de Vitoria (vor 1546) und Hugo -> Grotius (1624)
erlauben die K. durch Beutemachen. Seit dem 18. Jh. enthalten Friedensverträge
häufig eine Verpflichtung zu einer K. (Reparation).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Kriegserklärung ist die Erklärung eines Krieges durch einen Staat gegenüber
einem anderen Staat. Sie findet sich schon im Altertum und im Mittelalter, ohne
als stets notwendig angesehen zu werden. 1907 wird die K. als verpflichtend
festgelegt.
Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung, Diss.
jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichskriegserklärung im 17. und 18.
Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Kriegsgefangener ist der in einem Krieg in die Gefangenschaft des Gegners
geratene Mensch. Ursprünglich ist er Feind bzw. Beute und damit weitgehend rechtlos.
Erst seit dem späteren 18. Jh. entwickeln sich Rechte des Kriegsgefangenen
(Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager Landkriegsordnung (29. 7. 1899)
sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten zu, was durch das Genfer
Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft vom 26. 7. 1929 noch
entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer Abkommen vom 12. 8.
1949).
Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort
Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsgefangenen, 1943; Hinz, J., Das
Kriegsgefangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992;
In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche
Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000
Kriegsgericht ist das besondere Gericht für Soldaten, später das für
Straftaten der Soldaten während eines Krieges zuständige Gericht. Zu Beginn der
Neuzeit erscheint bei den Landsknechten ein besonderes Gericht des
Kriegsschultheißen und zwölfer Landsknechte. Im 17. Jh. treten Juristen in
dieses Truppengericht ein. In der Folge wird ein stärker verrechtlichtes K.
entwickelt (z. B. Schweden 1632, Deutsches Reich, Militärstrafgerichtsordnung
1898), das jedoch zu bestimmten Zeiten (z. B. im Dritten Reich) entartet.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg
1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur.
Würzburg 1972
Kriegsrecht ist einerseits die Gesamtheit der (erst zu Beginn des 20.
Jh.s eindeutig festgelegten) völkerrechtlichen, im Krieg zwischen den
Beteiligten geltenden Rechtssätze und andererseits die Gesamtheit der
innerstaatlichen, für den Kriegszustand abgeänderten Rechtssätze.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechtes,
1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Kriegsverbrechen ist das während eines Krieges begangene Verbrechen. Zwecks
Verfolgung Deutscher verfügt Art. 227 des Versailler Friedensvertrags nach dem
ersten Weltkrieg die Einsetzung eines besonderen Gerichtshofs, doch gelangt der
Artikel (samt Auslieferungsbegehren gegen 890 Angeschuldigte) nicht zur
Ausführung und werden vor dem Reichsgericht in Leipzig insgesamt nur vier
Angeklagte wegen K. verurteilt. Nach 1945 werden internationale
Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland (Strafverfahren gegen 106178
Beschuldigte mit 6494 rechtskräftigen Verurteilungen und 486 Hinrichtungen) und
Japan, seit 1993 (mit geringem Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im
jugoslawischen Bürgerkrieg und seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg
durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsverbrechen
in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a.,
2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003; Wiggenhorn, H.,
Verliererjustiz, 2005
Kriegsverfahren ist das im Krieg anzuwendende Militärstrafverfahren. Für
dieses wird 1898 im Deutschen Reich die Militärstrafgerichtsordnung geschaffen,
die 1934 abgeändert und 1938 (Kriegsstrafverfahrensordnung) erheblich
vereinfacht wird.
Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutschland,
Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der deutschen ordentlichen
Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967
Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende Wirtschaftsrecht, das z. B. die
knappen Güter rationiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
kriminal (die Straftat betreffend, z. B. Österreich 1788 Allgemeine
Kriminalgerichtsordnung, Preußen 1805 Kriminalordnung)
Lit.: Bellmann, E., Die internationale kriminalistische
Vereinigung (1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die
Kriminalwissenschaften, 1999
Kriminalistik (Verbrechenskunde)
Lit.: Fallanalyse und Täterprofil, hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003; Becker,
P., Dem Täter auf der Spur, 2005
Kriminalität ist die Begehung von Straftaten (Straffälligkeit). Sie
setzt eine Bestimmung von Straftaten voraus. Seitdem ist jeder Verstoß gegen
ein Straftatverbot grundsätzlich K. Die rechtstatsächliche Erfassung der
soziologisch immer bedeutenderen K. ist Gegenstand der historischen
Kriminologie (Verbrechenskunde). Während des Modernisierungsvorgangs des 19.
Jh.s steigt die K. in den industriellen Ballungsgebieten (z. B. in Baden)
deutlich an.
Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen
Kriminalrechtes, 1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie
der deutschen Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur
Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W.,
Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der
Kriminalsoziologie, Kriminolog. Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener
Kriminalgericht, 1973; Blasius, D., Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität,
1976; Blasius, D., Kriminalität und Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in
der DDR, 1981; Blasius, D., Geschichte der politischen Kriminalität in
Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom Rechtsstaat ins Desaster, in: Kriminalistik
1989, 335; Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van,
1990; Schwerhoff, G., Köln im Kreuzverhör, 1991; Jütte, R.,
Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten Mittelalter und in der frühen
Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A., Kriminalistik im 19. Jahrhundert,
1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Roth, A.,
Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten 1850-1914, 1996; Schüßler, M.,
Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA 116 (1999), 482; Blastenbrei,
P., Kriminalität in Rom 1560 – 1585, 1995; Frank, M., Dörfliche Gesellschaft
und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler,
M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246;
Wagner, P., Volksgemeinschaft ohne Verbrecher, 1996; Eibach, J.,
Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681; Kolmer, L., Gewalttätige
Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff, G., Aktenkundig und
gerichtsnotorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes Verhalten, hg. v.
Berding, H. u. a., 1999; Kriminalitätsgeschichte, hg.v. Blauert, A. u. a.,
1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von der Strafe zur
Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000; Schuster, P., Eine
Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg. v. Freitag, S. u.
a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker, M., Kriminalität,
Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001; Hohlfeld, N.,
Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität und
Gesellschaft im Wandel von 1500-2000, hg. v. Borck, H., 2002. 712 S; Unrecht
und Recht. Kriminalität und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame
Landesausstellung der rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive.
Ausstellungskatalog, hg. v. Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002;
Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in
Spätmittelalter und Neuzeit, hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne,
Alltag und Kriminalität, 2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004;
Friedländer, H., Interessante Kriminalprozesse, 2005 (CD-ROM); Moses, A.,
Kriminalität in Baden im 19. Jahrhundert, 2006; Lindner, A., 100 Jahre
Frauendelinquenz, 2006
Kriminalpolizei
Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002
Kriminologie (F.) Verbrechenskunde
Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R., Inventing the
Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der
Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im
Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im deutschen Kaiserreich, 2004;
Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der
Spur, 2006; Mayenburg, D. v., Kriminologie und Strafrecht zwischen Kaiserreich
und Nationalsozialismus, 2006
Kristallnacht -> Reichskristallnacht
Kroatien ist die Landschaft zwischen Donau, Drau und Adria, die seit
dem 7. Jh. von Südslawen besiedelt wird. 1102 kommt das 845 selbständige K. in
Personalunion an Ungarn und damit 1526 an -> Österreich. 1849 wird K. dort
Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird. 1918 wird K. Teil -> Jugoslawiens,
von dem es sich 1991 löst.
Lit.: Gazi, S., A history of Croatia, 1973; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek, F., Crkva i krscanstvo u Hrvata,
1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der Rechtsordnung Kroatiens, ZEuP
1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Steindorff, L., Kroatien,
2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Weber, J., Kroatien, 2002
Krone ist ein aus Metall gefertigter Stirnreif, der als Sinnbild
der Würde und Macht eines Fürsten verwendet wird. Die K. findet sich früh in
vorderasiatischen Königreichen. In Rom ist vielleicht der Lorbeerkranz der
Ausgangspunkt. Die deutsche Königskrone vom ausgehenden Frühmittelalter wird
bis 1796 als Teil der Reichskleinodien in Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor
den Wirkungen der französischen Revolution nach Wien verbracht wird.
Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut
und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische Kaiserkrone,
Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik,
Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni, hg. v. Hellmann,
M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats, R., Die
Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II.
(1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995
Krone der rechten Wahrheit
Lit.: Carstens, W.,
Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung,
Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368
Krongut -> Königsgut
Kronkardinal ist der seit dem Hochmittelalter auf Vorschlag eines
weltlichen Herrschers vom Papst ernannte Kardinal.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Kronland ist in Österreich zwischen 1849 und 1860 das Erzherzogtum
Österreich, das Herzogtum Salzburg, das Herzogtum Steiermark, das Königreich
Illyrien (Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die Grafschaft
Tirol (mit Vorarlberg), das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft Mähren, das
Herzogtum Schlesien, das Königreich Galizien und Lodomerien (Auschwitz, Zator,
Kakau), das Herzogtum Bukowina, das Königreich Dalmatien, das Königreich
Kroatien, das Königreich Slawonien, das Königreich Ungarn, das Großfürstentum
Siebenbürgen, die Gesamtheit der Militärgrenzbezirke und das
lombardisch-venetische Königreich.
Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische
Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968
Kronprinz ist der als Thronfolger in Aussicht genommene Prinz.
Kronprinzenprozess ist der 1730 gegen den Kronprinzen Friedrich (II.) von
Preußen wegen eines Fluchtversuches geführte, wegen Unzuständigkeitserklärung
des Gerichtes ohne Strafausspruch gebliebene Prozess.
Lit.: Henrichs, C., Der Kronprinzenprozess, 1936
Krönung ist das Aufsetzen der -> Krone zum Zeichen eines Herrschaftsantrittes.
Die K. beginnt im fränkischen Reich vielleicht mit Pippin II. (751?).
Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione, ZRG GA
24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 30
(1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik altfranzösischer
Krönungsordnungen, ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch einmal über
altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer, H., Die
rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung, 1911; Buchner, M.,
Nochmals die Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA 33 (1912),
328; Schiffers, H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C., Sacring and
crowning, 1957; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im
Frühmittelalter, 1972; Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator
Romanorum triplici corona coronatur, 1991;Ordines coronationis Francia, hg. v.
Jackson, R., Bd. 1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch im
Westgotenreich, ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000; Investitur-
und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C., Imperatrix, si
venerit Romam, DA 60 (2004), 1
Kronvasall ist der mit -> Königsgut vom -> König belehnte ->
Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Kronzeuge ist im angloamerikanischen Recht ein Zeuge der (die Krone
vertretenden) Anklage, der an der Tat beteiligt war, aber für seine Aussage
Strafmilderung oder Straffreiheit erhält. Am Ende des 20. Jh.s wird der K.
bedingt auch in Deutschland (kurzfristig bis 1999 und tatsächlich selten von
Bedeutung) und Österreich in das Strafverfahrensrecht aufgenommen.
Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990;
Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999
Krummstab ist der bereits bei Isidor von Sevilla (vor 639) bezeugte
(oben gekrümmte) Stab des Bischofs.
Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß, R.,
Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68
(1957), 215
KSZE -> Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa
Kues -> Nikolaus von Kues
Lit.:
Die Urkunden des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues an der Mosel, hg. v.
Kortenkamp, G., 2004
k. u. k. (kaiserlich
und königlich, Österreich 1867, pragmatische Angelegenheiten) -> k. k.
Kulm (Culm) ist der Mittelpunkt eines Bistums und Landes in
Preußen (1366 Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W. v.,
Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm und
Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983
Kulm (der alte K.) ist das in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in
Kulm aus einer um wenige Zusätze vermehrten Form des Breslauer Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer
systematisches Schöffenrecht) durch Auslassungen, Artikelversetzungen und
Hinzufügung von Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm und von Stücken aus dem
Schwabenspiegel gewonnene, in fünf Bücher geteilte Rechtsbuch. -> Kulmer
Handfeste, Landläufige kulmische Rechte
Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer Systematische
Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des alten Kulm, ZRG
GA 3 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel, F., Kulmer
Recht, in: 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9; Sondel, J., Studia
nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre alter Kulm, in: Ostdeutsche
Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo karne w trzech rewizjach prawa
chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski,
Z., Nieznany spis prawa chełmińskiego z przełomu XIV-XV wieku
(Das bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der Wende des 14. zum 15.
Jahrhundert, 1993
Kulmer Handfeste ist die am 28. 12. 1233 (?) vom Hochmeister des Deutschen
Ordens und vom Landmeister Preußens den Städten Kulm (1232) und Thorn (1231)
verliehene Urkunde, welche die Grundlage der Rechtsentwicklung im
Einflussgebiet des Deutschen Ordens wird. Sie umfasst 24 Artikel. Sie betreffen
die Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr folgen jüngere Gerichtsbücher.
Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892; Kisch,
G., Studien zur Kulmer Handfeste,
ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1931; Willoweit, D., Die
Kulmer Handfeste, Beitr. z. G. Westpreußens 9 (1985), 5; Das Kulmer
Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath, C./Benninghoven, F., 1999
Kulpakompensation ist im neuzeitlichen gemeinen Recht die Berücksichtigung
des Mitverschuldens im Wege einer Aufrechnung, die zum Verlust des
Ersatzanspruchs führt.
Lit.: Köbler, DRG 214
Kultur (F.) Bearbeitung, Ausbildung, Daseinsgestaltung
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und Staat
in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte heute, hg.
v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der Kulturgeschichte,
1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft, 1999;
Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a., 2001; Gassert, M., Kulturtransfer
durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann, P., Kulturgeschichte des Heiligen
Römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001; Müller, R., Die Entdeckung der Kultur,
2003; Handbuch der Kulturwissenschaften, hg. v. Jaeger, F. u. a., 2004;
Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte,
2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v. Kokorz, G. u. a., 2004; Vietta, S.,
Europäische Kulturgeschichte, 2005; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des
20. Jahrhunderts, 2006; Maurer, M., Alte Kulturgeschicht – Neue
Kulturgeschichte, HZ 280 (2005), 281; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte
des 20. Jahrhunderts, 2006; Assmann, A., Einführung in die Kulturwissenschaft,
2006
Kulturkampf ist der politische Kampf zwischen dem liberalen -> Staat
und der katholischen -> Kirche (Papst Pius IX. 1846-1878) um die
Säkularisierung von Staat und Gesellschaft (Badener Artikel 1834, Aargauer
Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860, Bayern 1868 Abschaffung der geistlichen
Schulaufsicht, Österreich 1870 Kündigung des Konkordats, Deutsches Reich 10.
12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7. 1872 Ausweisung der Jesuiten, Preußen 11. 3.
1872 Gesetz über die staatliche Schulaufsicht). 1873 erlegen die vier sog.
Maigesetze der Kirche staatliche Kontrolle auf. Am 6. 2. 1875 wird die
obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter Papst Leo XIII. kommt es seit 1880 zu
einer Beruhigung und schließlich zu einem beiderseits annehmbaren Ausgleich.
Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J., Die
Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm, H.,
Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf in
Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der Ära
von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in den
deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf, hg. v.
Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck’s Kulturkampf, 1998; Ruppert,
S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002
Kummer ist im Mittelalter die Bezeichnung für -> Arrest. Der K.
entwickelt sich vielleicht im Frühmittelalter aus dem Verfahren bei handhafter
Tat. Der Gläubige kann den flüchtigen, später auch schon den nur fluchtverdächtigen
Schuldner festnehmen bzw. seine Vermögensstücke beschlagnahmen, um dadurch die
Rechtsverweigerung zu verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu
sichern. Durch die spätmittelalterliche Wissenschaft wird die rechtliche
Behandlung des Kummers unter italienischem Einfluss verfeinert.
Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess, 1868,
Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922
Kündigung ist die einseitige, auf die Beendigung eines
Schuldverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses) gerichtete Willenserklärung.
Dem römischen Recht scheint sie nicht eigen zu sein. Vielleicht ist sie beim
Darlehen entstanden. Ihre Verallgemeinerung erfolgt erst in der Neuzeit.
Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W., Die
Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E.
Heymann, 1931, 349; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im
Franquismus, 2007
Kündigungsschutz ist der gesetzliche Schutz gegen die -> Kündigung. Der
K. gehört dem 20. Jh. an, in em die schrankenlose Freiheit aus sozialen Gründen
eingeengt wird. Er findet sich hauptsächlich im Mietrecht und im Arbeitsrecht.
Im Arbeitsrecht schreibt das deutsche Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951
für die Kündigung eine soziale Rechtfertigung vor.
Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau, A.,
Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungsschutz, Diss. jur. Bielefeld, 1998;
Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005; Römermann, M., Kündigungen und
Kündigungsschutz im Franquismus, 2007
Kunkelmage ist im mittelalterlichen deutschen Recht die weibliche
Verwandte.
Lit.: Hübner
Künßberg, Eberhard Frhr. v. (Porohy 28. 2. 1881-Heidelberg 3. 5.
1941), Forstmeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Mitarbeiter des
Deutschen Rechtswörterbuches (1911) und 1929 Honorarprofessor.
Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des
österreichischen ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde,
1936, Nachruf ZRG GA 62 (1942), XLIII (Fehr, Hans)
Kunst
Lit.: Fehr, H.,
Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.; Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff. 1953ff.;
Becker, E., Das Recht im „Parzival“, Diss. jur. Bonn 1956; Combridge, R., Das Recht
im Tristan Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die Rechts- und
Staatsauffassung Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches
und Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue und im Tristan
Gottfrieds von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler, E., Das Recht
in Heinrich Wittenwilers „Ring“, 1967; Langer, A., Zu den Quellen des
Rechtsdenkens bei Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische
Arbeitn, hg. v. Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991; Canisius-Loppnow,
P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad, 1992; Just, R., Recht
und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg, 1993;
Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Wambach, L., Die
Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte der deutschen Kunst, hg.
v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003; Meid, V., Metzler Literatur
Chronik, 3. A. 2006; Hölscher, T., Die griechische Kunst, 2007 (und 11 ähnliche
Bände zu anderen Kunstepochen)
Kunstfälscher ist der Fälscher eines Kunstwerks. Seit dem 15. Jh. und
insbesondere seit dem ausgehenden 18. Jh. wird er verstärkt bekämpft.
Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940,
Neudruck 1970
Kuppelei ist die seit dem Hochmittelalter in Deutschland bis 1973
allgemein, seitdem nur noch in wenigen Formen verfolgte Förderung sexueller
Handlungen zwischen anderen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Kur (F.) Wahl, -> Kurfürst
Kurator (zu lat. [M.] -> curator) ist seit dem 18. Jh. der
staatliche Aufsichtsbeamte über die Universität.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen
Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der
Universität Bonn, 1968
Kurbayern -> Bayern, Kurfürstentum
Kurbrandenburg -> Brandenburg, Kurfürstentum
Kurfürst ist (im Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation]) seit
dem 13. Jh. (-> Sachsenspiegel) der den -> König wählende Fürst. An sich
wird der König vom Volk gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen
(Herzöge, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die
Kurfürsten entwickelt haben, ist ungewiss (ottonische Tochterstämme?,
unterschiedliche Einzelursachen?). Jedenfalls nennt bereits der ->
Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbischöfe von Mainz, Köln (bis 1803) und Trier
(bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein (Stammespfalzgrafen von Lothringen), den
Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg sowie den König von Böhmen
als Königswähler. 1356 festigt die -> Goldene Bulle die Stellung der
Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand (Kurfürstenkollegium,
Kurfürstenrat, der als Führungselite um einen Anteil an der Herrschaft im
Heiligen Römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt schließlich auf 10 (Bayern
1648, Hannover 1692, 1803 Hessen-Kassel, Baden, Württemberg, Salzburg), doch
verringert sich ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester
Verfahrensweisen und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die
angehörigen Länder. 1806 endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung.
Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die
staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner,
M., Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das
Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser
Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck
1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E.,
Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die
deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G., Kanzlei
und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg und
Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger Kurfürstentag
von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Mathies, C.,
Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling, U.,
Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des
Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich,
1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998),
150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998; Gotthard,
A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002;
Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v. Wolf, A., 2002;
Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich, 2003; Erkens, F., Vom
historischen Deuten und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327
Kurfürstenkollegium -> Kurfürst
Kurfürstenrat -> Kurfürst
Kurfürstentum ist das Herrschaftsgebiet eines -> Kurfürsten.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im
Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier,
1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde
1692-1803, 2000
Kurhessen ist die 1803 zum -> Kurfürstentum erhobene
Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E., Neue
Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Mayer-Edenhauser,
T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in Kurhessen, 1942
Kuriatstimme ist die im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches
(deutscher Nation) mehreren kleinen Reichsständen nur gemeinsam zustehende
Stimme (Grafen und Herren, Prälaten). 1653 bestehen 4 weltliche Kuriatstimmen
(für 99 Reichsstände) und 2 geistliche Kuriatstimmen (für 41 Reichsstände).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148;
Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828
Kurie ist im römischen Recht eine Untergliederung der
Volksversammlung, im katholischen Kirchenrecht die zentrale, aus mehreren
Kardinalskongregationen bzw. Ämtern und Gerichtshöfen bestehende Verwaltungsbehörde
des Papstes und im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) die
körperschaftlich organisierte Vertretung der Reichsstände und Landstände.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17; Schreiber,
G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck 1965; Rusch,
B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936; Jordan, K., Die
Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert, F., Die
deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990
Kurköln -> Köln, Kurfürstentum
Kurland ist das Land eines Kurfürsten, an dem das Wahlrecht haftet.
Davon zu trennen ist K. als das ursprünglich von Kuren besiedelte Land am
Rigaischen Meerbusen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076
Kurmainz -> Mainz, Kurfürstentum
Kurmede ist eine mittelalterliche grundherrschaftliche
Abgabe.-> Besthaupt
Kurpfalz -> Pfalz, Kurfürstentum
Kursachsen -> Sachsen, Kurfürstentum
Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen 1572 in einem längeren
Anhörungsverfahren gesetzlich getroffenen Entscheidungen in 277 von den
juristischen Fakultäten von Wittenberg und Leipzig ermittelten Streitfragen
(Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht, Strafrecht). Sie werden von den
Zeitgenossen als Fortbildung des sächsischen Rechts empfunden. 1661 und 1746
folgen 91 bzw. 40 weitere Entscheidungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die Konstitutionen
Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857
Kurtrier -> Trier, Kurfürstentum
Kurverein ist ein vertragliches Bündnis von -> Kurfürsten.
Bedeutsam ist der K. von Rhens (1338). Der Inhalt dieses Bündnisses wird 1356
durch die -> Goldene Bulle gefestigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg,
1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930
Kurwürde -> Kurfürst
Kuss ist die Berührung mit den Lippen. Der K. kann als Gebärde
rechtliche Bedeutung haben.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Küste ist die Grenzlinie zwischen Land und Meer. Die vor der K.
liegenden Küstengewässer werden seit dem 17. Jh. in stetig erweitertem Umfang
vom Hoheitsträger auf dem Land beansprucht (3, 12 oder 200 Seemeilen).
Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Kuttner, Stephan
Lit.: Hetzenecker, A., Stephan Kuttner in Amerika 1904-1964, 2007
Kux ist seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer ->
Gewerkschaft des Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten Rechts
ist (unbewegliches Vermögen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand
(ursprünglich 4, zuletzt 128 Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für
Grundstückseigentümer, 2 für Gemeinde, 2 für Schule). Bei der seit dem
preußischen Allgemeinen Berggesetz vom 24. 6. 1865 entstehenden Gewerkschaft
neuen Rechts ist der K. Anteil an der Gewerkschaft als juristischer Person und
damit ein Recht (100 oder höchstens 10000 Anteile ). 1980 wird der K.
beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht
des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und Pfändung
von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das Bergrecht
Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921), 191;
Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln 1938;
Guder, A., Der Kux, 1959
L
Laband, Paul (Breslau 24. 5. 1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und
Berlin (Gneist, Stahl) und der Konversion (1857) 1864 außerordentlicher
Professor und 1866 ordentlicher Professor in Königsberg und 1872 in Straßburg.
Von der Rechtsgeschichte ausgehend wendet er sich dem Staatsrecht zu, für das
er bestimmte Begriffe (z. B. -> Gesetz im formellen Sinn, Gesetz im
materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze des geltenden Rechts zur
Eindämmung politischer Willkür verlangt.
Lit.: Köbler,
DRG 195, 199, 208; Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. A.
1911/4, Neudruck 1964; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145; Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und
die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A. 1961; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im
19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Labasnd, P., Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004
Labeo, Marcus Antistius (L. filius)
(1. Jh. v. Chr.-5/22 n. Chr.), Juristensohn
(des Pacuvius Antistius Labeo), wird nach durchlaufener Ämterlaufbahn als ein
führender Jurist des frühklassischen römischen Rechts Haupt der prokulianischen
Schule. Von seinem umfassenden Werk zeugen mehr als 500 überlieferte
Bruchstücke (u. a. Kommentare zum Edikt des Prätors).
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice, A.,
Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores des
Antistius Labeo, 1986
Labeo, Pacuvius Antistius (L.
pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v. Chr.) ist ein an
der Verschwörung des Brutus gegen Caesar teilnehmender römischer Jurist.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung römischer Juristen, 2. A. 1967, 32
Lachen
Lit.: Le Goff, J., Das Lachen im Mittelalter,
2004
lacina (lat.-afrk. [F.]) Wehrung
Laden (M.) ist das Brett, der Verschluss einer Öffnung oder der
Geschäftsraum. Im Spätmiitelalter verlagert sich der Verkauf vom allgemeinen
Markt zunehmend in den einzelnen L. Der Angestellte im L. hat eine beschränkte
Vollmacht. Die Zeit, in der ein Laden geschlossen sein muss, wird vereinzelt
seit dieser Zeit (Goslar 1281, Brieg 1318, Lüneburg 1350), allgemein erst im
20. Jh. (Deutschland 1956 Ladenschlussgesetz) genau festgelegt.
Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28. November
1956, 2004
Ladiner ist der Angehörige der in den Alpen und (vor allem) in den
Dolomiten ansässigen, vom Spätlateinischen abgeleiteten besonderen
Sprachgemeinschaft des Ladinischen.
Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner, 1998
Ladung ist die Aufforderung vor einer Behörde oder einem Gericht
zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erscheinen. Sie findet sich bereits im
XII-Tafelgesetz des altrömischen Rechts (lat. si in ius vocat, ito, wenn er zu
Gericht ruft, soll er gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen (lat.
[M.]) Pactus legis Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits für die
germanische Volksversammlung bestanden. Im Frühmittelalter wird die private L.
durch den Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L. des
Verfahrensleiters (lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichterscheinen
(Ladungsungehorsam, anders -> echte Not ) zieht den jeweiligen -> Bann
nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (-> Aller guten Dinge sind
drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln erzwungen
werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraussetzungen und
Förmlichkeiten werden streng festgelegt. -> Ediktalzitation
Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess
des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Beyerle, F., Das
Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa, M.,
Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer
Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des
Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T.,
Die Entstehung des Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen
Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968
Ladungsfrist ist die zwischen -> Ladung und Zeitpunkt des Erscheinens
vor Gericht liegende Frist.
Ladungsungehorsam ist die gewollte Nichtbeachtung der -> Ladung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Laesio (F.) enormis (lat.) ist die außergewöhnliche Verletzung (der
Vertragsgerechtigkeit). Sie geht vielleicht auf Diokletian (284-313) zurück und
ist philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr kann der Verkäufer einer Sache
den Vertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache
verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer
nicht den auf den gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag
nachzahlt. 1234 übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian
vertretene Lehre vom gerechten Preis und der l.e. Diese wird vom gemeinen Recht
fortgeführt, vom Liberalismus des 19. Jh.s aber aufgegeben.
Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 64,
127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio
enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani
und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der
laesio enormis, 1993
laesowerpire (lat.-afrk.) in den Schoß werfen
Lagerbuch -> Urbar
laghsaga (an. [F.]) Rechtsvortrag
Lagus (Hase), Conrad (um 1500-1546) ist ein frühneuzeitlicher, 1516
als Conradus Haß de Creutzburgk in Leipzig und 1519 in Wittenberg
immatrikulierter, um das rechtswissenschaftliche Studium verdienter
juristischer Privatlehrer und Humanist in Wittenberg (Traditio methodica
utriusque juris 1543, [De iure personarum, De modis acquirendi alienandi et
amittendi res, De pactis et obligationibus, De actionibus et exceptionibus, De
iudiciis, De privilegiis et iuris beneficiis] Compendium juris Saxonici posthum
1597).
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur
Geschichte der Rechtswissenschaft, 1876, 299
Lähmung -> Körperverletzung
Laibach in Slowenien wird 1919 Sitz einer Universität.
Laie (lat. [M.] laicus) ist der Nichtfachmann, im Kirchenrecht
der einfache Gläubige im Gegensatz zum -> Kleriker (Klerus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit, 1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich,
1980; Vauchez, A., Les laics au Moyen Age, 1987
Laieninvesitur (Investitur von Laien in kirchliche Ämter
durch den König) ->Investitur,
Investiturstreit
Laienrichter ist der nicht rechtswissenschaftlich gebildete Richter im
Gegensatz zum rechtswissenschaftlich gebildeten Berufsrichter. Ursprünglich ist
jeder Richter L. Seit dem 12. Jh. verdrängt aber ausgehend von der kirchlichen
Gerichtsbarkeit der Jurist den L. fast völlig. Im 19. Jh. verlangt der
Liberalismus nach englisch-französischem Vorbild die Rückkehr zum L. Im Schwurgericht,
Handelsgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungsgericht und Sozialgericht setzt
sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch.
Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit, 1974
Laienspiegel ist eine von dem Nördlinger Stadtschreiber und Höchstetter
Landvogt Ulrich -> Tengler 1509 für Laien vorgelegte Einführung in das
gelehrte Recht. Der L. behandelt in seinen drei Büchern die Stellung weltlicher
Herrschaftsträger (Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister,
Ratsherr), die Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie das Strafverfahren.
Als Quellen lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des -> Durantis
(1290), Johannes Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene
verbreitete Traktate, die Bibel, Aristoteles, der -> Schwabenspiegel, die
Goldene Bulle und andere Reichsgesetze, der -> Klagspiegel, der ->
Hexenhammer und die -> Constitutio Criminalis Bambergensis (1507)
nachweisen. Der L. ist fast im gesamten 16. Jh. durch zahlreiche Drucke weit
verbreitet.
Lit.: Köbler,
DRG 143; Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der
Teufelsprozess, hg. v. Schmitz, W., 1980
Laizismus (M.) ist die in Frankreich im 19. Jh. entwickelte
Bezeichnung für seit der Aufklärung erkennbare Bestrebungen, den Einfluss der
Kirche auf den Staat zurückzudrängen.
lance et licio (lat.) mit Schüssel und Schurzfell, -> Haussuchung
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48
Land ist ein als eine Einheit erscheinendes Gebiet der Erde,
insbesondere auch der Gliedstaat eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im
fränkisch-deutschen Reich begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht
unter Auswirkung des Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von
Worms 1122). Es entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren
Personalverbands (Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung
-> Österreichs gegenüber -> Bayern (1156) und die Aufteilung ->
Sachsens (1180). Innerhalb des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation)
bilden sich in der Folge sehr viele Länder. Am Rande spalten sich die ->
Schweiz und die -> Niederlande (spätestens 1648) ab. 1806 werden die
größeren Länder nach Beseitigung der kleineren Herrschaften selbständige
Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866 am österreichisch-preußischen
Gegensatz scheiternden -> Deutschen Bund. Die Mehrzahl der deutschen Länder
findet 1871 zum Deutschen Reich zusammen. Den in Österreich
zusammengeschlossenen Ländern (Bundesländern) wird 1918 von den anderen
europäischen Mächten der Beitritt verwehrt. Der 1938 erfolgte -> Anschluss
wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung der 1945 der sowjetischen
Besatzungszone zugeschlagenen Länder in der -> Deutschen Demokratischen
Republik endet am 3. 10. 1990.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110, 113,
138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches Lexikon
(1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1 1900; Brunner,
O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973; Theuerkauf, G., Land und
Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG GA 86
(1969), 1; Das Land Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag,
1985; Möckli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K.,
Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Weltin, M., Der Begriff des Landes bei
Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung,
ZRG GA 107 (1990), 337; Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke,
S. u. a., 2004
Landbrauch
Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch, 1913
Landbuch ist ein in verschiedener Hinsicht ein -> Land
betreffendes Buch (z. B. L. der Neumark um 1336, L. der Mark Brandenburg
1375/6).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark Brandenburg,
hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982, 357
Landesausbau ist im Mittelalter und der früheren Neuzeit der innere
Ausbau eines Landes durch verstärkte wirtschaftliche Nutzung (z. B. Rodung,
Entwässerung).
Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi, F.,
Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters,
1940, 11. A. 1987; Strukturen der Grundherrschaft, hg. v. Rösener, W., 1989,
411
Landesfürst ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der
Fürst eines Landes. Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten. Der L. hat
zusammen mit den Landständen die Landesherrschaft.
Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des
bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung
und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern – Österreich – Tirol, ZRG
GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987
Landesgericht ist das in einem oder für ein Land gebildete Gericht. Seit
dem Hochmittelalter geht im deutschen Reich die Gerichtsbarkeit allgemein
weitgehend vom König auf den Landesherrn über. Dieser bildet meist eine
mehrstufige landesfürstliche Gerichtsbarkeit aus. Oberste Gerichtshöfe
entstehen als Landesgerichte beispielsweise in Preußen (1483 Kammergericht), in
Österreich (1749 Oberste Justizstelle) oder Bayern (1625 Revisorium). Am 14. 6.
1849 werden in Österreich Landesgerichte eingerichtet.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 38
Lit.: Probleme und Methoden der
Landesgeschichte, hg. v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichtsschreibung
im Zeichen des Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von
Wissenschaft und Politik, hg. v. Werner, M., 2004
Landesgesetz ist das für ein Land vom zuständigen Organ geschaffene
Gesetz. Es steht im Gegensatz zum Reichsgesetz oder Bundesgesetz. Es gewinnt
seit der frühen Neuzeit an Bedeutung.
Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd.
1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958,
Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und Landesgesetzgebung in
der Markgrafschaft Baden, 1984
Landeshauptmann ist der Leiter der Verwaltung eines Landes. Er erscheint
als (lat. [M.]) capitaneus in der Steiermark, Kärnten und Krain an der Stelle
des königlichen Reichsstatthalters in der Mitte des 13. Jh.s. Er ist
gleichzeitig Haupt der Stände des Landes. In den habsburgischen Ländern erhält
sich das Amt des Landeshauptmannes. In der Gegenwart ist der L. Leiter der
Regierung eines Landes, der auch die mittelbare Bundesverwaltung ausführt.
Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der
Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain,
1864
Landesherr (lat. dominus [M.] terrae) ist seit der ersten Hälfte des
13. Jh.s der -> Herr eines besonderen -> Landes. Er ist Empfänger der
wichtigsten Regalien, höchster Richter im Land, Träger des Heerbannes und
Wahrer des Landfriedens, somit insgesamt Inhaber der sich ausbildenden
Landesherrschaft. Zu seinen Einnahmequellen zählt vor allem auch die ->
Steuer. Im Ringen mit den Großen im Land (-> Landständen) setzt er sich in
der Neuzeit meist durch. Am Ende des ersten Weltkrieges muss der L. dem
Grundsatz der Volkssouveränität weichen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148, 154;
Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901;
Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land
und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift
Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981;
Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür,
R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986
Landesherrschaft ist seit dem hohen Mittelalter die -> Herrschaft des
-> Landesherrn über ein -> Land. Ihre Grundlage ist im Einzelnen sehr
unterschiedlich (Grundherrschaft, Banngewalt, Gerichtsgewalt, Vogtei,
Schirmvertrag, königliches Amt). Sie muss im Ringen mit den Ständen gefestigt
werden. Sobald das Land, wie das für die Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen
Bulle und für Österreich 1358/1359 in einer Fälschung (lat. privilegium [N.]
maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung
von der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des
Landesherrn über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück
(Entstehung des modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales
Verwaltungsverständnis voraussetzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist
wichtigster Bestandteil der einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des
Gemeinwesens ausgerichteten Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.]
politiae). Die nun so bezeichnete Landeshoheit, in der sich die früher
vereinzelten Hoheitsrechte zur umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität)
verdichten, wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet
angesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149;
Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der
Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft,
1941, Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von
Schönburg, 1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen,
1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Landeshoheit ist die in der frühen Neuzeit durch Zusammenfassung von
Herrschaftsrechten und Verdichtung der -> Landesherrschaft entstehende
Hoheitsgewalt (Souveränität) des Landesherrn (Fürsten) in einem Land (Staat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J., Von
der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das habsburgische
Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr, H., Die
Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die Entstehung der
Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit
der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder,
1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der
Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975;
Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994
Landeskirche ist im evangelischen Kirchenrecht die Kirche eines Landes
oder Landesteils (z. B. Baden, Kurhessen-Waldeck, Hannover, Schleswig-Holstein,
Schaumburg-Lippe, Württemberg, Eutin, Lippe).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Hinschius, P., Die evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler,
A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den
deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988
Landesobrigkeit ist die im Übergang zwischen -> Landesherrschaft und
-> Landeshoheit befindliche landesherrliche Gewalt der frühen Neuzeit.
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesordnung ist die seit dem Spätmittelalter sichtbare, umfassendere,
ordnende Gesetzgebung des Landesherrn zur Klarstellung wichtiger Fragen (z. B.
Tirol 1526 Bauernlandesordnung, 1532, 1573).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung fürstlich
hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G., Die
ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2
Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen
Landesordnungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T., Landesordnungen
in Preußen, 1998
Landesparlament ist das -> Parlament eines -> Landes.
Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der Landesparlamente, 1988
Landesrecht ist das besondere -> Recht eines -> Landes im
Gegensatz zu einem übergeordneten Recht wie z. B. dem Bundesrecht. Es entsteht
anfangs im Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz zum Stadtrecht. Bis in
das 19. Jh. überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht (in Deutschland).
Durch die einheitliche staatliche Gesetzgebung des ausgehenden 19. Jh.s wird es
in Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen zurückgedrängt (sog.
Verlustliste der deutschen Rechtseinheit), bleibt aber z. B. im
Verwaltungsrecht bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender
Zuständigkeit das Reichsrecht oder das Bundesrecht das L. bricht.
Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das
schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht
der Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht,
2002
Landesregierung ist die -> Regierung eines -> Landes.
Landessteuer ist die seit dem 13. Jh. in einem -> Land erhobene ->
Steuer. Der Kreis der Steuerpflichtigen ist nicht überall gleich. Die L. bedarf
grundsätzlich der Bewilligung durch die Landesbehörde.
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 273;
Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975
Landesteilung ist die der Reichsteilung des fränkischen Frühmittelalters
entsprechende Teilung eines -> Landes unter mehrere Söhne. Sie birgt die
Gefahr der Machtzersplitterung in sich. Deswegen finden sich Teilungsverbote
bereits unter Friedrich I. Barbarossa und Rudolf von Habsburg (1283). Für die
-> Kurfürstentümer schließt die -> Goldene Bulle (1356) die Teilung aus.
Noch in der späteren Zeit werden Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567,
Österreich, Anhalt 1635, Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg
1701).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das Recht
der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen
Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179
Landesverfassung ist die besondere (formelle) -> Verfassung eines ->
Landes.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur Kenntnis
der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C.,
Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857
Landesverordnung ist die ein -> Land betreffende -> Verordnung im
Gegensatz vor allem zum -> Landesgesetz.
Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der churbaierischen Generalien
und Landesverordnungen, 1771
Landesverrat ist der Verrat des eigenen -> Landes durch einen
Menschen. Ihm geht bereits bei den Germanen der Verrat des Volkes voraus, bei
dem nach Tacitus der gefasste Verräter aufgehängt wird. Seit dem
Hochmittelalter wird das römischrechtliche (lat.) -> crimen (N.) maiestatis
(Majestätsverbrechen) aufgenommen. Strafe der Verräterei ist das Rädern oder
Vierteilen Nach der österreichischen (lat.) Constitutio (F.) Criminalis
Josephina (1786) ist L. das Verbrechen gegen den Staat bzw. Vaterland im
Gegensatz zu dem gegen den Herrscher gerichteten -> Hochverrat. In der Mitte
des 19. Jh.s ist L. die Bedrohung der äußeren Machtstellung des Staates.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht,
1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999
Landesverwaltung ist die -> Verwaltung (eines -> Landes) durch
Landesbehörden. Hierzu bildet der Landesherr seit dem Spätmittelalter eine
beamtete Verwaltungsorganisation aus. Als deren späte Folge ist auch in der
Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland die Verwaltung grundsätzlich
Angelegenheit des Landes.
Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.
Landesverweisung ist die Verweisung eines Straftäters aus dem Land. Ihr geht
die ältere Verbannung voraus. Ihr entspricht im Hochmittelalter die Verweisung
aus der Stadt, die beispielsweise in Augsburg des späten 14. Jh.s jährlich etwa
ein 1/2 % der Stadtbewohner betrifft. Seit dem 15. Jh. wird von L. gesprochen.
Sie führt zu Konflikten mit den benachbarten Ländern. Seit dem 18. Jh. wird sie
allgemein aufgegeben und auf Ausländer beschränkt.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die Stadtverweisung, Diss.
jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, Diss. jur.
Jena 1938
Landfolgepflicht ist die bereits im Frühmittelalter sichtbare
Verpflichtung, bei Gefährdung der Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu leisten. Mit
der Entstehung des ritterlichen Reiterheeres tritt die L. im Hochmittelalter an
Bedeutung zurück, ohne ganz zu verschwinden. In der Wehrpflicht des 18. Jh.s
wird sie in veränderter Form neu belebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H.,
Landfolge und Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914
Landfriede ist der von Rechtsbruch nicht gestörte Zustand (in einem
Land). Seit dem 10. Jh. ist in Südfrankreich und Spanien ([Le Puy um 975,]
Charroux 989, Narbonne um 990, Le Puy 994, Limoges 994, Poitiers 1000) das von
der Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitularien und
Bußbücher ausgehende Gebot des -> Gottesfriedens sichtbar. Seit dem
ausgehenden 11. Jh. erscheint der weltliche L. Er sieht peinliche -> Strafen
für Unrechtstaten vor. Seine Grundlage ist meist eine beschworene -> Einung,
in anderen Fällen auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer
Reichslandfriede von 1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde
(Selbsthilfe) vollständig verbietet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147;
Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II.
und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um
die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L.,
Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W.,
Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932; Wohlhaupter,
E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933; Meyer,
B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden Eidgenossenschaft
1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des Landfriedensschutzes, Zeitschrift für
württembergische Landesgeschichte 3 (1939), 1; Gernhuber, J., Die
Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952; Partsch, G., Ein unbekannter
Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 93; Hattenhauer, H., Die
Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Stein, G., Die
Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer Erzbischöfe, Diss. phil. Mainz
1960; Gerlich, A., Studien zur Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg,
1963; Angermeier, H., Königtum und Landfriede im Spätmittelalter, 1966; Mohrmann,
W., Der Landfriede im Ostseeraum, 1972; Quellen zur Geschichte der
fränkisch-bayerischen Landfriedensorganisation, bearb. v. Pfeiffer, G., 1975;
Leist, W., Landesherr und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle,
E., Der Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M.,
Königtum und Territorialgewalten, 1989; Rotthoff-Kraus, C., Die politische
Rolle der Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein, 1990; Wadle, E.,
Gottesfrieden und Landfriede, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.
a., 1996, 63; Wadle, E., Landfrieden, Strafe, Recht, 2001; Landfrieden, hg. v.
Buschmann, A. u. a., 2001; Graevenitz, C. v., Die Landfriedenspolitik Rudolfs
von Habsburg, 2003
Landfriedensbruch ist die Verletzung des Landfriedens. Die Folge ist eine
peinliche -> Strafe. Daneben ist auch die -> Acht von großer Bedeutung.
Mit dem 16. Jh. macht sich der Einfluss des römischen Rechts bemerkbar (Gail),
wonach der L. die zu gewalttätigem Zweck erfolgende Vereinigung einer Menge von
10 bis 15 Menschen voraussetzt. 1871 bestimmt das deutsche Reichsstrafgesetzbuch
den L. als eine Verbindung von Zusammenrottung und Gewaltanwendung. 1970 wird
die Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme an einer gewalttätigen öffentlichen
Zusammenrottung in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
4. A. 2002; Kerth, J., Der landsfried ist zerbrochen, 1997
Landfriedensgericht ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter das für die
Wahrung des -> Landfriedens vorgesehene -> Gericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation
der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75 (1958), 108
Landgemeinde ist die nichtstädtische Gemeinde. Sie entsteht im Hochmittelalter
und Spätmittelalter aus den unterschiedlichsten Ansatzpunkten (Nachbarschaft,
Hofgenossenschaft, Markgenossenschaft, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei,
Kirche usw.). Nach der staatlichen Verdichtung der frühen Neuzeit wird die Idee
der -> Selbstverwaltung der ländlichen Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und
in Preußen in der Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 und für die
sieben östlichen Provinzen von 1891 verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz
1831, Österreich Gemeindegesetz 1849, Bayern Gemeindeordnung 1869). Als
Gebietskörperschaft dient die L. seitdem als kleinste räumliche Einheit der
(staatlichen) Verwaltung.
Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, Sulle
origini dei comuni rurali nel medio evo, 1926f.; Quirin, K., Herrschaft und
Gemeinde, 1952; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde
nach rheinischen Quellen, 1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg.
v. Schwineköper, B., 1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und
Entwicklung der Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Schildt, B., Bauer -
Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat,
hg. v. Franz, N. u. a., 1999
Landgericht ist allgemein ein für ein -> Land zuständiges ->
Gericht. Es erscheint mit der Territorialisierung des Rechts im
Hochmittelalter. Wesentliche Kennzeichen könnten der Graf als Landrichter, die
Zuständigkeit für gewichtigere Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit,
Ungericht), die Anwendung des Landrechts und die regelmäßige Abhaltung an
(mehreren) festen Gerichtsplätzen (Dingstätten, Schrannen) sein. Das L. ist
meist nicht für den Adel zuständig und steht unter dem landesfürstlichen ->
Hofgericht. Von daher versteht sich seine Entwicklung zu einer mittleren
Instanz. 1877/1879 wird das L. (1893 im Deutschen Reich 172 Landgerichte mit
2341 Richtern) zu dem zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht stehenden
Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das Eingangsgericht nur für
gewichtigere Straffälle ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200, 261;
Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation
Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung der Landgerichte im
bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f. österreichische Geschichte
94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche Landgericht der vormaligen Grafschaft
Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die Grafschaft und das Landgericht Hirschberg,
ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H., Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben,
ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S., Die bayrische Gerichts- und
Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus
Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die althannoverschen Landgerichte, 1964;
Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1964; Peter, A., Das Landgericht
Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W.,
Geschichte des höchsten Landgerichts in Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia
Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg, 1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und
Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das Landgericht Hildesheim, 2003
Landgerichtsordnung ist die für das -> Landgericht verfasste Ordnung (z. B.
Oberösterreich 1514, Franken 1618).
Lit.: Bartmann,
J., Das Gerichtsverfahren vor und nach der münsterischen Landgerichtsordnung
von 1571, 1908; Merzbacher, F., Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica,
Würzburger Diözesangeschichtsbll. 32 (1970), 83
Landgraf ist seit der ersten Hälfte des 12. Jh.s ein wohl im Zuge
der allgemeinen Territorialisierung entstehender Titel eines reichslehnbaren
Amtes zur Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in einem Land).
Landgrafen finden sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135, Unterelsass 1138,
(Leuchtenberg 1143,) Heiligenberg 1169, Burgund-Buchegg 1226, Thurgau 1227,
Aargau 1232/4, Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235, Zürichgau 1245, Hessen
1265, Hegau 1275, Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen 1296, Buchsgau 1318,
Klettgau 1325, Sisgau 1354 und Leiningen 1444. Ihre Stellung endet spätestens
1806, in Hessen-Homburg 1866.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Landgrafschaften
des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der
Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren
deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische
Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die
Landgrafschaft im unteren Elsass, ZGO N.F. 78 (1969), 148
Landgrafschaft ->
Landgraf
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Mayer, T., Über Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen
Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K.,
Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter, 1981
Landgut ist im deutschen Privatrecht des 19. Jh.s das in eine
Landgüterrolle eingetragene Anerbengut, an welchem dem Anerben bei der
Erbteilung nur ein Übernahmerecht zusteht (Brandenburg, Schlesien,
Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel 1884/1887). Es wird 1933 durch das
Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947 (Neufassung 1970) aber wieder
hergestellt.
Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882;
Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische
Landgüterordnung, 1995
Landhofmeister ist eine im 15. Jh. erscheinende Fortbildung des ->
Hofmeisters.
Landkasse ist seit dem Spätmittelalter die besondere, neben der
landesherrlichen Finanzverwaltung stehende landständische Finanzverwaltung. Sie
wird auch Landkasten genannt. Sie wird vom Absolutismus beseitigt.
Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den deutschen
Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923
Landkreis ist der untere staatliche Verwaltungsbezirk mit
überörtlichen Selbstverwaltungsaufgaben. Der L. geht auf die Bildung von
kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum, Zauche) oder größeren Kreisen (z. B.
Altmark, Mittelmark, Neumark) in Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16.
Jh. erkennt der Landesherr Kreisversammlungen an. Aus den Kreisdirektorien und
den Kreiskommissaren entwickelt sich der -> Landrat. Zuständig sind die Kreise
vor allem für Wohlfahrtsmaßnahmen, militärische Angelegenheiten und
Verkehrsbelange. Zwischen 1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die
einzelnen Provinzen Preußens erlassen. 1872 werden echte Kommunalverbände mit
Selbstverwaltungsrecht geschaffen, deren wichtigste Organe Kreistag, Kreisausschuss
und Landrat sind. 1919 wird das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht
eingeführt. Etwa zur gleichen Zeit wird die Bezeichnung L. (für Kreis) üblich.
Die Angleichung der übrigen Länder an die Verhältnisse Preußens erfolgt
vereinzelt seit dem 19. Jh., in Baden mit der Landkreisordnung vom 24. 6. 1939,
in Bayern durch die dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches vom 28.
11. 1938. Eine geplante Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach der institutionellen
Sicherung der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die Länder der Bundesrepublik
Deutschland eigene, die Verbindung von Staatsverwaltung und Selbstverwaltung
fortführende Landkreisordnungen.
Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen Landkreise,
1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950;
Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte Südwestdeutschlands,
1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der
bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.; Vogteien, Ämter, Landkreise
in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Hundert Jahre
Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag, 1988; Der Landkreistag
Nordrhein-Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a., 1997
Landlauf von Steyr ist das frühestens am Ende des 14. Jh.s vielleicht von
einem unbekannten Gerichtsschreiber der steirischen Landschranne unter
Einbeziehung einiger Sätze des Schwabenspiegels in 252 Artikeln verfasste
Rechtsbuch, das sich vor allem mit dem Verfahren, mit den Landesdienstherren,
den Bürgern, den Strafen und den Juden befasst. In Kärnten wird hieraus im 16. Jh.
das Kärntner Rechtsbuch.
Lit.: Bischoff,
E., Steiermärkisches Landrecht des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und Herrschaft,
5. A. 1965, 207; Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren,
1963, 19
Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten -> Kulm und anderen Quellen um
die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen Rechtsaufzeichnungen.
Lit.: Litewski,
W., Landrecht des Herzogtums Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 52
Landleihe ist die zeitweise Überlassung von Land durch den
Berechtigten in größerem oder kleinerem Umfang. Hierfür gilt seit dem
Mittelalter teils unterschiedlich ausgestaltetes Leiherecht, teils Lehnrecht.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66
(1948), 1
Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen Bereich geltenden örtlichen
Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher gehören hauptsächlich ->
Weistümer, Hofrechte und Dorfrechte. Trotz der Rechtsvereinheitlichung der
frühen Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische ländliche Rechtsquellen, hg. v.
Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v. Blickle, P., 1977
(Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den pfalz-neuburgischen
Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom Jahre 1585, hg. v.
Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem kurtrierischen Amt Cochem,
bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche Rechtsquellen aus dem Kurmainzer
Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003
Landnahme ist die junge geschichtswissenschaftliche Bezeichnung für
das Eindringen germanischer Stämme in fremde Siedlungsgebiete in der
Völkerwanderungszeit (375-568).
Lit.: Meyer, H.,
Die fränkische Landnahme und das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der
Diskussion über die fränkische Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme
europäischer Landnahmen, hg. v. Müller-Wille, M. u. a., 1993f.
Landpacht -> Pacht
Landrat ist in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland
der Hauptverwaltungsbeamte der Gebietskörperschaft Kreis bzw. Landkreis und
Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde. Er entwickelt sich in der
Mark Brandenburg im 16. Jh. wohl aus dem vom Landesherrn auf Vorschlag der
Landstände ernannten Kreiskommissar. Jedenfalls erhalten am 27. 9. 1702 alle
märkischen Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh. wird das Amt auf Preußen
insgesamt ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse zugunsten des Kreistags
eingeschränkt, 1872 zugunsten des Kreisausschusses, dessen Vorsitzender der L.
ist. Die übrigen deutschen Länder gleichen sich dem an. Vielfach ist der L.
Volljurist.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche
Entwicklung des Landratsamts, 1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der
rechtlichen Stellung des preußischen Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939;
Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert, C., Paternalismus und Politik, 2003; Weil,
F., Entmachtung im Amt, 2004e ist vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für
die Bewohner eines -> Landes des Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation) geltende allgemeine -> Recht im Gegensatz vor allem zum Stadtrecht
oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte des 11. Jh.s lassen die lateinischen
Quellen deutliche territoriale Bezüge erkennen (z. B. [lat.] provinciae mos
[M.], ius [N.] terrae, regionis consuetudo [F.] ). Im Jahre 1200 stellt eine
Urkunde mhd. lantreht und (lat.) statuta [N.Pl.] civitatis (Statuten der
Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht nach römisch-kanonischem Vorbild
anfänglich lateinisch aufzeichnende -> Sachsenspiegel -> Eike von Repgows
(1221-1224) unterscheidet das (mnd.) landreht ausdrücklich vom Lehnsrecht, von
des mannes reht, von dem geistlichen Recht, vom Dorfrecht und wohl selbstverständlich
auch vom -> Stadtrecht. Hauptquelle des Landrechts ist das
gewohnheitsrechtlich fortgebildete -> Volksrecht, doch werden auch
gesetzliche oder vertragliche Regelungen einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt
seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte (Österreich 1237 usw.). Zur gleichen
Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass von L. möglich (z. B. Kulmer
Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Landrechte sind das etwa 1335 entstandene,
1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das schlesische Landrecht (1356), das
Würzburger Landrecht (1435) oder das dithmarsche L. (1447). In der frühen
Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des römischen Rechts verschiedentlich
reformiert (Bayern 1518, Kurköln 1538, Württemberg 1555, Solms 1571,
Siebenbürgen 1583, Herzogtum Preußen 1620). Hier sind zuerst Privatrecht,
Gerichtsverfassung, Zivilprozess und Strafrecht erfasst. Mit dem preußischen
Allgemeinen Landrecht als einer naturrechtlichen Kodifikation klingen die
Landrechte 1794 auch dem Namen nach aus.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1 1871; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen
Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1 (zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das
sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren
Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Halbbd. 2 Landrechte des 16.
Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5.
A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Dirks,
M., Das Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Das bayerische Landrecht von
1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen
von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen
Mittelalter, 1969; Friedrich Esaias Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen
Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Köbler, G., Land und Landrecht im
Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.; Floßmann, U., Landrecht als Verfassung, 1976;
Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1982ff.;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110 (1993), 482;
Löw, I., Die Eiderstedter Landrechte von 1426 bis 1591, 2003; Zimmer, K., Das
Burger Landrecht, 2003
Landrechtsbuch -> Landrecht
Landrechtsglosse -> Sachsenspiegel, Glosse
Landrechtsreformation -> Landrecht, Reformation
Landrichter ist der für ein -> Land zuständige -> Richter (1186
lat. iudex [M.] provinciae). Das ist zunächst ein königlicher Amtsträger,
danach der Landesherr, seit dem 13./14. Jh. der landesherrliche Richter im
-> Landgericht und seit 1877/1879 (umgangssprachlich) der Richter am
Landgericht.
Lit.: Döhring,
H., Geschichte der deutschen Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 104
Landsasse ist im Sachsenspiegel (1221/4) der untere Freie (ohne
Grundeigentum). In der frühen Neuzeit ist L. der über dem einfachen Freien
stehende, meist den Landständen angehörende Untertan.
Lit.: Hagemann,
A., Die Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landsässiger Adel ist in der frühen Neuzeit der ein Haus mit mindestens einer
Grundherrschaft besitzende, der Landesherrschaft unterworfene Adel. -> Landsasse
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Lieberich, H.,
Landherren und Landleute, 1964
Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sind im Spätmittelalter die
für den Landfrieden gefährlichen Menschen. Sie können von Amts wegen auch ohne
handhafte Tat festgenommen werden. Gegen sie kann ohne Weiteres öffentlich
Klage erhoben werden. Gegen sie kann ein summarisches Verfahren stattfinden.
Seit dem Spätmittelalter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis ihrer
Schädlichkeit bzw. Gefährlichkeit.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 207; Zallinger, O. v. , Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute,
1895; Knapp, H., Das Übersiebnen der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68
(1951), 234; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958
Landschaft ist allgemein eine als Einheit verstandene Gegend und im
besonderen ein in einer solchen Einheit seit dem Spätmittelalter gebildeter
Zusammenschluss bestimmter (ständischer) Personen und das von ihnen im 19. Jh.
geschaffene genossenschaftlich organisierte Grundstückskreditinstitut.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u.
a., Bd. 1ff. 1888ff; Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen
Landschaft, 1956; Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich
badischen Gebiete, 1970; Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973; Engelberg,
G., Ständerechte und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land, Landschaft,
Landtag, 1985; Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998; Deter, G., Die
landschaftsbezogene Rechtsgemeinschaft, ZRG GA 123 (2006), 358
Landschaftsrecht ist das Recht einer skandinavischen Landschaft (z. B. Västergötland
um 1220/1240). -> nordisches Recht, -> Schweden
Lit.: Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988
Landschenkung ist die unentgeltliche Übereignung mindestens eines
Grundstücks, im weiteren Sinn auch die Überlassung mindestens eines Grundstücks
zur Nutzung. In welchem Umfang in germanischer Zeit eine derartige L.
(Landgabe) besteht, lassen die Quellen nicht sicher erkennen, wenn sie auch
(lat.) servi (M.Pl.) in der Art römischer (lat.) coloni (M.Pl.) bezeugen. Im
Frühmittelalter geben die durch Einziehung der römischen Staatsgüter reich
gewordenen Könige Land an Adel und Kirche in teils lehnsrechtlicher, teils
anderer Form. Auch Adel und Freie begaben (beschenken) die Kirche in
erheblichem Umfang zu verschiedenem Recht.
Lit.: Brunner,
H., Die Landschenkungen der Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss.
Berlin 1885, Bd. 2 1173; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß,
D. v., Die Schenkungen der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80;
Hattenhauer, H., Die Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991
Landsgemeinde ist die förmliche Versammlung der schweizerischen
Gemeinwesen. Sie wird in ersten Anfängen 1231 in Uri, 1294 in Schwyz und 1309
in Unterwalden sichtbar. Sie ist oberste gesetzgebende, vollziehende und
gerichtliche Gewalt. Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der mit 14 oder 16
Jahren erwachsene Mann. Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden, Ihre Zahl
schrumpft bis 1997 auf vier (Appenzell-Innerrhoden, Appenzell-Außerrhoden,
Glarus, Obwalden).
Lit.: Ryffel,
H., Die schweizerischen Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die
Landsgemeinden der schweizerischen Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L.,
Die Landsgemeinde der Schweiz, 1976; Mockli, G., Die schweizerischen
Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Brändle, F., Demokratie und Charisma – Fünf Landsgemeindekonflikte,
2005
Landsiedelrecht ist eine seit dem 13. Jh. vor allem in Hessen
gebräuchliche, vielleicht aus dem römisch-italienischen Recht stammende Form
der nicht erblichen bäuerlichen Leihe, die seit dem 16. Jh. erblich wird.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Thieme, H., Zum hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207;
Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30
(1967/8), 1f., 28ff; Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967
Landshut ist die 1204 von Herzog Ludwig dem Kelheimer am Fuß des
Hofbergs in den Auenwäldern der Isar gegründete Stadt, die zeitweise Sitz eines
bayerischen Teilfürstentums ist und von 1800 bis 1826 die (1459/1472) in
Ingolstadt gegründete, 1826 nach München verlegte Universität beherbergt.
Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die
Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826), 2001;
Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste Landshuter
Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v. Böhm, L, 2003;
Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003
Landsknecht ist seit dem ausgehenden 15. Jh. der Söldner zu Fuß (aus
kaiserlichen Landen?), der in der Mitte des 17. Jh.s dem staatlich gebundenen
Söldner weicht.
Lit.: Franz, G.,
Ursprung und Brauchtum der Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das
Regiment der Landsknechte, (Diss. phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G.,
Maximilian I. und das Kriegswesen, Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die
Landsknechte, 1994; Rogg, M., Landsknechte und Reisläufer, 2002
Landstadt ist die unter der Herrschaft eines Landesherrn stehende
Stadt. Die L. gehört den Landständen an. In den meisten Landstädten nimmt der
Landesherr die Gesetzgebung ganz oder teilweise, die Verwaltung weitgehend und
die Gerichtsbarkeit in der Form der Einfügung in den Instanzenzug in Anspruch.
In der frühen Neuzeit wird die L. auf diese Weise mehr und mehr eine staatliche
Einrichtung. Im 19. Jh. wird demgegenüber die -> Selbstverwaltung wieder
belebt (Preußen 1808).
Lit.: Lorenz,
O., Über den Unterschied zwischen Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad.
d. Wiss. Wien 89 (1878), 17; Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den
älteren Rechten südhessischer Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981;
Landesherrliche Städte im Südwesten, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter,
K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996
Landstände sind seit dem Hochmittelalter (z. B. 1231) die Vertreter
gewisser Bevölkerungsgruppen, die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem
Landesherrn die Herrschaft über ein Land ausüben. Sie entwickeln sich aus den
Besseren und Größeren des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores terrae), die
in wichtigen Angelegenheiten (z. B. Kriegserklärung, Gebietsveräußerung, Steuerbewilligung)
mitwirken müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche Adlige (Ritter),
geistliche Adlige (Prälaten) und meist Städte sowie verschiedentlich auch
Bauern (z. B. Tirol). Sie beraten auf dem -> Landtag. In der frühen Neuzeit
verlieren sie fast überall (anders z. B. Württemberg) ihre Mitwirkungsrechte an
den Landesherrn, der den Adel mit der Überlassung der patrimonialen Herrschaft
über das Land, mit Offiziersstellen und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19.
Jh. setzen sich die L. teilweise in einer ersten Kammer der konstitutionellen
Monarchie fort (landständische Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst
noch verbliebenen Rechte gänzlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121, 149,
193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im
Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912;
Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause,
H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die
Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der
hessen-darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen
Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.; Bachmann,
S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., Die ständische
Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im Fürstbistum
Münster 1780-1806, 1964; Sapper,
N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert,
1965; Reden-Dohna, A. v., Landständische Verfassung und fürstliches
Regiment, 1974; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schubert, E., Die
Landstände des Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt, H., Landständische
Repräsentation im Vormärz, 1968; Lücke, J., Die landständische Verfassung im
Hochstift Hildesheim, 1968; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger
Ritterschaft, 1969; Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975;
Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die
landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder,
B., Landstände und Rechtsstaat, ZHF 5 (1978), 139; Quarthal, F., Landstände und
landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M.,
Fürst, Räte und Landstände, 1980; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982;
Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B.,
Vormünder des Volkes?, 1999; Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg.
v. Blickle, P., 2000
Landsturm ist in der frühen Neuzeit (Preußen 1813) das durch alle
nicht beim Heer oder der Landwehr stehenden männlichen Staatsbürger zwischen 15
und 60 Jahren gebildete Aufgebot zur Landesverteidigung.
Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt
vom 21. 4. 1813, Diss. phil. Breslau 1923
Landtafel ist seit dem Spätmittelalter ein Verzeichnis von
Urkundeninhalten über (landständische) Grundstücke. Im 13. Jh. findet sich eine
L. in Böhmen, 1348 in Mähren, am Ende des 14. Jh.s. in Jägerndorf, 1730 in der
Steiermark, 1746 in Kärnten, 1754 in Oberösterreich, 1758 in Niederösterreich
und 1769/1783 im Breisgau. Die L. ist vielleicht vom Grundbuchgedanken
beeinflusst. Eine übersichtliche Darlegung der rechtlichen Verhältnisse an
einem Grundstück sichert sie nicht. Für das Grundbuchwesen des 19. Jh.s ist sie
dennoch ein bedeutsamer Anknüpfungspunkt. Daneben kann L. auch eine
Landesordnung (Oberösterreich 1616, 1652) oder eine Bilddokumentation (Salzburg
1592, 1620, 1706, 1739) sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142; Baltl/Kocher; Demelius,
H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957), 261; Strätz, H., Die
oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F., Die Salzburger
Landtafeln, 1990
Landtag ist seit dem späten Hochmittelalter die Versammlung (der
Stände) eines Landes an einem bestimmten Tag, seit dem 19. Jh. die gewählte
Volksvertretung eines Landes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon, G., Der
rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen
Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115
(1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957,
1957; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die
Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts, FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P.,
Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979; Press, V., Landtag im alten Reich,
Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100; Schober, R., Geschichte des Tiroler Landtags,
1984; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag und
Ausschuss, 1986; Köck, P., Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der
bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die
brandenburgischen Provinziallandtage von 1841, 1843 und 1845, 2002
Landvogt ist seit dem späten 13. Jh. ein vom König zur Verwaltung
gefährdeten Reichsgutes eingesetzter Vogt (in Oberschwaben, Niederschwaben,
Oberelsass, Niederelsass, der Ortenau, der Wetterau, dem Speyergau, Nürnberg,
Rothenburg und der Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh. stellt auch Brandenburg
Landvögte ein, im 19. Jh. Württemberg (1810-1817).
Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904;
Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen
Reichslandvogteien, 1980
Landvogtei -> Landvogt
Landwehr ist seit dem Hochmittelalter eine Gesamtheit von Erdwällen
mit Gräben zur Verteidigung eines Landes oder kleineren Gebietes und auch die
zur Landesverteidigung verpflichtete Bevölkerung.
Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, in: Rund um Frankfurt,
hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P. u. a., 1990
Landwirtschaft ist die Nutzung von Grundstücken zur Erzeugung pflanzlicher
und tierischer Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung sind die Menschen
hauptsächlich in Ackerbau und Viehzucht tätig (-> Agrarverfassung). Im
Altertum zeigt sich mit der Entwicklung von Stadtstaaten eine beachtliche
wirtschaftliche Differenzierung. Sie findet sich auch in der ->
Grundherrschaft und in der Stadtwirtschaft. Am Ende der frühen Neuzeit wird die
L. (der -> Bauern) stark von der Industrie zurückgedrängt, während des 20.
Jh.s auch von den Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in der
Bundesrepublik Deutschland nur noch 1,5 Millionen Menschen in der L. tätig
sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals erheblich gesunken.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133, 174,
224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis, Diss.
phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Lütge,
F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937,
2. A. = Neudruck 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963; Cherubini,
G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft,
1976; Henning, F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985,
Bd. 2 1978; Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt,
H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und
bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W.,
Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992;
Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages,
hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998;
Noel, G., Le Conseil de l’Europe et l’agriculture, 1999; Howkins, A., The Death
of Rural England, 2003
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ist die zwangsweise eingerichtete Genossenschaft in der
verstaatlichten Landwirtschaft der -> Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Landwirtschaftsrecht ist das seit dem 19. Jh. allmählich als Einheit erkennbare
Recht der Landwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 205
Landzwang ist seit dem Spätmittelalter die von der Lebensführung
landschädlicher Leute ausgehende Gefährdung, der im Reichsstrafgesetzbuch von
1871 die §§ 240, 126 entsprechen.
Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216
Lanfrancus (Pavia 1005?-Canterbury 24./28. 5. 1089?), Adligensohn,
wird nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales Kenner des Rechtes,
1039 Lehrer in Avranches, 1042 Mönch und 1045 Prior in Bec sowie 1070
Erzbischof von Canterbury. Durch Urkundenfälschungen erreicht der gesuchte
Gelehrte und führende Theologe den Vorrang des Erzbistums Canterbury in
England.
Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et
Bérenger, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Lang, Karl Heinrich Ritter von (Balgheim 7. 7. 1764-Ansbach 26.
3. 1835), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf (Malblanc) 1789
Sekretär, 1795 Archivar und 1799 ansbachischer, dann bayerischer Rat, Archivar
und Kreisdirektor. Er verfasst eine Reihe rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B.
Historische Entwicklung der deutschen Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966).
Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang
und seine Memoiren, 1923
Langdell, Christopher Columbus (1826-1906), 1870-1895 Professor an
der Harvard University, lehrt das amerikanische Recht nach der sokratischen
Lehrmethode (im Recht), nach der an Hand ausgewählter Entscheidungen induktiv
Grundsätze ermittelt werden, die ihrerseits deduktiv der Lösung neuer Fälle
dienen.
Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law, 1977
Langobarde ist der Angehörige des germanischen Volk, das von
Norddeutschland nach Italien zieht (568) und große Teile Oberitaliens und
Mittelitaliens beherrscht. 774 unterliegen die Langobarden Karl dem Großen,
selbständig bleibt nur der Dukat Benevent. Mit dem 12. Jh. werden die
Langobarden aufgesogen. An sie erinnert noch die Lombardei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67; Pflugk-Hartung, J.
v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887), 66; Bruckner, W., Die
Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C., Overretssagfører, 1898, 1900; Morossi,
C., L’assemblea nazionale del regno Langobardo-Italico, Rivista di storia del
diritto Italiano 9 (1936), 3; Bognetti, G., L’Età longobarda, Bd. 1ff. 1966ff.;
Winterer, H., Die Stellung des unehelichen Kindes in der langobardischen
Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970), 32; Cavanna, A., Fara sala arimannia nella
storia di un vico longobardo, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Schneider,
R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Jarnut, J., Geschichte der
Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi, 1987; Langobardia, 1990;
Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia (568-774), 1999; Visigoti
e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001
Langobardisches Recht ist das Recht der Langobarden. Nach älteren Gewohnheiten
(gawarfide) wird am 22. 11. 643 das Edikt (lat. edictus [M.])
Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses
Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die
hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht
einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit erläuternden
Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.) -> Lombarda (F.)
genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de Tocco in Süditalien
kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den (lat.) Libri (M.Pl.)
feudorum zusammengefasst und später den Novellen (Justinians) angefügt.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des
longobardischen Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des
langobardischen Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum
lombardischen Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA
38 (1917), 300; Codice diplomatico Longodardo, hg. v. Schiaparelli, L. u. a.
1928ff. (2003 abgeschlossen); Schupp, A., Die Stellung der Frau im
langobardischen Recht, Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953; Die Gesetze der Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt,
B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P.,
Diritto langobardo, in: Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht,
1972; Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem in den langobardischen Gesetzen,
ZRG GA 93 (1976(, 319; Rivers, T., Symbola, manumissio et libertas
Langobardorum, ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La civiltà giuridica
longobarda, 1978; Origo gentis Langobardorum, hg. v. Bracciotti, A., 1998;
Giese, W., Untersuchungen zur Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzog-
und Fürstentümern, ZRG 119 (2002), 44; Meyer, C., Langobardisches Recht
nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387; Priester, K., Die Geschichte der
Langobarden, 2004
Languedoc (aus langue d’oc [Sprache des ja]) ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das
um 415 n. Chr. an die Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im
Hochmittelalter die Grafschaft Toulouse.
Lanze ist eine (Stichwaffe und) Wurfwaffe, die auch
rechtssymbolisch verwendet werden kann. Zu den Reichskleinodien des Heiligen
Römischen Reichs (deutscher Nation) zählt die heilige Lanze (von Burgund).
Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890;
Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und
Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955),
56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, in: Nationes, Bd. 3 1977
Lappe ist der
Angehörige eines nichtindogermanischen, in der Gegenwart über die Nordgebiete
Norwegens, Schwedesn, Finnlands und Westrussland verteilten Volkes.
Lit.: Solem, E., Lappiske
Rettsstudier, 1933
Larenz, Karl (Wesel 23. 4. 1903-München 24. 1. 1993) wird nach
dem Rechtsstudium Professor in Kiel (1933) und München (1960). Anfangs
idealistisch dem Nationalsozialismus zugetan, entwickelt sich Larenz zu einem
führenden Privatrechtslehrer der zweiten Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495;
Frassek, R., Von der „völkischen Lebensordnung“ zum Recht, 1996; Frassek, R.,
Karl Larenz, JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl
Larenz, 2001
Lasker, Eduard (Jarotschin 14.
10. 1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem
Rechtsstudium in Breslau und Berlin der Jurist und Publizist, der als
nationalliberaler Abgeordneter des deutschen Reichstages dem Reich die
Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht eröffnet.
Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249
Laski, Jan (1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in Polen,
veröffentlicht 1506 eine Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen.
Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan Laski, 1955
Lassalle, Ferdinand (Breslau 11. 4. 1825-Genf 31. 8. 1864),
Tuchhändlerssohn einer Familie aus Loslau, wird nach dem Studium von
Philosophie, Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin (1842-46)
theoretischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein).
Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 1953;
Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), in: Nova, F., Lassalle als
sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004
Lassite ist in der frühen Neuzeit ein freier, abgabenpflichtiger,
grundherrlicher Bauer mit erblichem Nutzungsrecht.
Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die
Mark Brandenburg, Bd. 5 1969, 156
Lassberg, Friedrich von (Lindau 13. 5. 1798-Sigmaringen 30. 6.
1838), Freiherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Jena
Verwaltungsbeamter. 1840 veröffentlicht er posthum den sog. ® Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus
der Burg der Rucken von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen
Drittel nach einer Züricher Handschrift.
Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr. v.,
1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm und
das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von
Lassberg, 1955
Lastenausgleich ist ein allgemeiner Ausgleich der Schäden oder Verluste,
die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegszeit und
Nachkriegszeit des zweiten Weltkrieges ergeben haben oder in der sowjetischen
Besatzungszone Deutschlands oder im sowjetischen Sektor in Berlin entstanden
sind (z. B. durch Kriegsschadenrente, Eingliederungsdarlehen oder
Hausratentschädigung, Gesetz vom 14. 8. 1952, Leistungen in Höhe von 126 Mrd.
DM bis 1998).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C.,
Praxis und Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der
Lastenausgleich, NJW 1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900),
2002
Lasterstein ist ein spätmittelalterliches Strafwerkzeug für
Ehrenstrafen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315
Late ist in Sachsen im Hochmittelalter wohl der Freigelassene.
Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97
Lateinisch ist die Sprache der aus Sabinern und Latinern
zusammengesetzten Römer. Das Lateinische wird vom westlichen Christentum übernommen.
Es ist die Schreibsprache bis ins Hochmittelalter und die Wissenschaftssprache
bis ins 19. Jh. Im 18. Jh. ersetzen deutsche Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche
Vorlesungsverzeichnisse ihre lateinischen Vorgänger. Am Ende des 20. Jh.s
wird fast durchwegs auf Latein als Studienvoraussetzung für Juristen
verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105; Köbler, LAW; Thesaurus
linguae latinae, Bd. 1ff (1998 bis perm...); Löfstedt, B., Studien über die
Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Hattenhauer, H., Zum
Übersetzungsproblem im hohen Mittelalter, ZRG GA 81 (1964), 341; Langosch, K.,
Die deutsche Literatur des lateinischen Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U.,
Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des 13. Jahrhunderts, 1975; Pick, E.,
Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, 1983; Vossen, L., Mutter
Latein und ihre Töchter, 13. A. 1992; Stotz, P., Handbuch zur lateinischen
Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Einleitung in die lateinische
Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Benke, N., Juristenlatein, 1997; Latein für
Jurastudenten, von einem römischen Bürger (Adomeit, K.), 1997; Einleitung in
die lateinische Philologie, hg. v. Graf, F., 1997; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 6. A. 1998; Riemer, P. u. a., Einführung in das Studium der
Latinistik, 1998; Kindermann, U., Einführung in die lateinische Literatur des
mittelalterlichen Europa, 1998; La transizione dal latino alle lingue romanze,
hg. v. Herman, J., 1998; Götz, H., Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches
Wörterbuch, 1999; Fuhrmann, M., Latein und Europa, 2001; Handbuch der
lateinischen Literatur der Antike, Bd. 1 hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische
Lehrer Europas, hg. v. Ax, W., 2005; Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A.
2005
Lateran ist der Sitz des Papstes in Rom seit der sog. -> konstantinischen
Schenkung (326-1308, 1586ff. Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929
gebildeten Vatikanstadt.
Lit.: Erler, A., Lupa, lex und
Reiterstandbild im mittelalterlichen Rom, 1972
Lateransynode ist ein im -> Lateran abgehaltenes Konzil (313, 487,
649, 769, 774, 823, 1049, 1059, 1060, 1079, 1102, 1105, 1110, 1112, 1116).
Ökumenische Konzile finden 1122-1123, 1139, 1179, 1215 und 1512-1517 statt.
Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran, 1913;
Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5.
A. 1972
Latifundium (N.)
Großgrundeigentum
Lit.: Köbler, DRG 16
Latiner -> lateinisch,
Römer
Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57
latro (lat. [M.]) Straßenräuber
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Grünewald, T., Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999
Latium ist das am tyrrhenischen Meer gelegene Siedlungsgebiet der
Latiner, das in der -> pippinischen Schenkung 754 an den -> Kirchenstaat
des Papstes gelangt.
Laudemium (lat. [N.]) ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine
unterschiedlich bezeichnete Abgabe bei Besitzwechsel eines Leihegutes.
Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben
der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969
Lauenburg ist eine 1182 von den Askaniern (-> Anhalt) erbaute Burg.
Das in Anlehnung hieran entstehende Herzogtum kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw.
1705 Hannover und 1815 bzw. 1864ff. an Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W.,
Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer Polizeiordnung
für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980; Hillmann, J.,
Territorialrechtliche Auseinandersetzungen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg,
1999; Meding, W. v., Stadt ohne Land am Fluss, 2007
Launegild ist im -> langobardischen Recht die (symbolische)
Lohngabe für eine Gabe (Schenkung).
Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M., Launegild
und Gairethinx, 1882; Val de Lièvre, Revision der Launegildstheorie, ZRG GA 4
(1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den langobardischen
Gesetzen, 1970, 94
Lausanne am Genfer See geht auf eine römische Siedlung zurück. Um
600 wird es Sitz eines Bischofs. 1334 erlangt es die Stellung einer
Reichsstadt. 1536 fällt es an Bern. 1537 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Grandjean, M., La ville de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie
économique à Lausanne, 1978 ; Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J.,
1986; Gratiae fructus. 100 Jahre deutscher Rechtsunterricht, hg. v.
Altherrenschaft, 1997
Lausitz
Lit.: Oberlausitzer Forschungen, hg. v. Reuther, M., 1961
Läuterung ist in Sachsen seit dem 15. Jh. die Erklärung einer nicht
deutlich genug vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers oder Beklagten). Seit
dem 16 Jh. entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen fristgebundenen und
schriftbedürftigen Rechtsmittel innerhalb der entscheidenden Instanz (neben der
Appellation). Sie wird erst 1877/1879 beseitigt.
Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Law French ist die normannisch geprägte altfranzösische
Juristensprache des -> englischen Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel
im englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Lebendig begraben ist eine im späten Mittelalter bezeugte, bis in das 17.
Jh. (selten) vollzogene Strafe. Ältere Vorläufer sind zweifelhaft.
Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig Begrabens, ZRG
GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Rehfeldt,
B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 62
Lebensalter -> Alter
Lebensfähigkeit ist die Fähigkeit nach der Geburt (selbständig) zu leben.
Sie wird im Mittelalter vielfach für die Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im
gelehrten Recht ist sie streitig, wird aber vom Code civil verlangt.
Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54
Lebensmittelrecht ist das die zum Leben des Menschen erforderlichen oder
geeigneten Nahrungsmittel betreffende Recht. Es wird in der römischen und
hochmittelalterlichen Stadt sichtbar, in der Amtsträger Aufsichtsbefugnisse
über den Markt haben. Zahlreiche Bestimmungen hierzu enthalten die
Landesordnungen bzw. Polizeiordnungen der frühen Neuzeit. Verstöße gegen das L.
werden mit Bußen und Strafen belegt.
Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte
Baden und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Köln im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch (Lbl.),
hg. v. Streinz, R. , 1994
Lebensversicherung ist die Versicherung des Lebens gegen die
Gefahr des Todes bei einem Versicherer. Sie ist eine Privatversicherung auf den
Todesfall oder auf das Erleben eines bestimmten Zeitpunkts. Sie entsteht nach
Vorläufern des 17. Jh.s im 18. Jh. in England (London 1706 John Hartley), in
Deutschland (gesetzliche Regelung bereits im Allgemeinen Landrecht Preußens von
1794) im 19. Jahrhundert (z. B. in Gotha 1829) vielleicht auch aus dem Grund,
dass der Wegfall des mit der Grundherrschaft verbundenen Schutzes ausgeglichen
werden sollte.
L.: Heiss, S., Die Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung,
2006
Lebus
Lit.: Ludat, H., Das Lebuser Stiftsregister von 1405, 1965
Le Conte (Contius), Antoine (1517-1586), Königsbeamtensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Bourges (Baron) 1557 Professor in Bourges, 1570 in
Orléans und 1574 in Bourges. Er veröffentlicht textkritisch römisches und
kirchliches Recht.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,1977,775
Ledigmann -> (lat.) homo (M.) ligius
Leeds erhält 1626 Stadtrecht. 1890 wird eine Universität
eingerichtet
Leeuwen, Simon van (Leiden 1626-1682) wird nach dem Rechtsstudium
in Leiden Anwalt, Sekretär und Gerichtsschreiber. Er verfasst eine
niederländische Darstellung des römisch-holländischen Rechts (lat. Paratitla
[N.Pl.] iuris novissimi, 1652, Het Rooms-Hollands-Recht, 1664) und eine
lateinische Zusammenfassung des geltenden römischen Rechts ([lat.]
Censura [F.] forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres
geringen wissenschaftlichen Wertes das niederländische Recht bedeutsam
beeinflussen.
Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v. Hewett, M., 1991
Legaldefinition ist die von einem Gesetz gegebene Inhaltsbestimmung eines
Rechtswortes (vielleicht ab der Lüneburger Reformation des Heinrich Husanus von
1577).
Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen,
1974
Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte Grundsatz, dass die
Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist,
verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Streitigkeiten einzuschreiten,
sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Straftat
vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860 (Sundelin, Die Staatsanwaltschaft, 1860,
57) im Gegensatz zum bislang geltenden -> Opportunitätsprinzip verlangt.
1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz, doch werden verschiedene Ausnahmen
zugelassen.
Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des Legalitätsprinzips,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitäts- und
Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411
Legal realism (Rechtsrealismus) ist im (anglo-)amerikanischen Recht die
seit etwa 1930 erkennbare tatsächliche Betrachtungsweise von Grundsätzen und
Regeln in der Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962).
Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal
Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle
Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994
Legat (M.) Gesandter
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Legat (N.) Vermächtnis
Legatum (lat. [N.]) ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen
mögliche -> Vermächtnis.
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38;
Köbler, LAW
Legatum (N.) per
damnationem (Damnationslegat) ist das wohl
spätere Vermächtnis schon des altrömischen Rechts, bei dem vielleicht der
(lat.) familiae emptor (M.) (treuhänderischer Vermögenskäufer) dem Bedachten
nur für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften
soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG
23
Legatum (N.) per
praeceptionem (lat.) ist schon im
altrömischen Recht das Vorwegnahmevermächtnis zugunsten eines Miterben.
Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23
Legatum (N.) per
vindicationem (lat.) ist schon im
altrömischen Recht das Vermächtnis, bei dem der Begünstigte (lat. [M.]
legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben soll, so dass er sie
von jedermann herausverlangen kann (Vindikation).
Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23
legatum (N.) sinendi modo (lat.) Zulassungsvermächtnis
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23
leges (lat. [F.Pl.]) sind die Gesetze. -> lex
Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG
1, 2
leges (F.Pl.)
barbarorum (lat.) Gesetze (Rechte) der
germanisch/germanistischen Völker
Lit.:
Leges –Gentes – Regna. Zur Rolle von germanischen Rechtsgewohnheiten und
lateinischer Schrifttradition bei der Ausbildung der frühmittelalterlichen
Rechtskultur, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006
Leges (F.Pl.) Edwardi
confessoris (lat.) ist ein vermutlich um
1130 lateinisch geschriebenes Buch vielleicht eines Geistlichen französischer
Herkunft, das angeblich die Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners
(1042-1066) im Jahre 1070 durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte
von der Rechtswirklichkeit abweichen.
Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi Confessoris,
1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958
Leges (F.Pl.) Henrici
Primi (lat.) ist ein lateinisches,
systematisches, jedoch nicht besonders überzeugend gelungenes Rechtsbuch des in
England unter König Heinrich I. (1100-1135) geltenden Rechts
(Gerichtsverfassung, Kirche, Strafe, Verfahren, Lehen, Grundstücke) vielleicht
eines französischen Geistlichen in Wessex (Winchester?) um 1115. Vermutlich
verfasst derselbe auch den sog. (lat. [M.])
-> Quadripartitus.
Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den Leges
Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal
Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze, 1974
leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum privatorum (lat.) -> lex Iulia
iudiciorum
Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b; Söllner § 9
Leges (F.Pl.)
Langobardorum (lat.) sind die Gesetze der
Langobarden, durch die seit 643 das -> langobardische Recht als Gesetz
festgelegt wird. -> Volksrecht
Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v. Bluhme,
F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches Recht in
Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977
Leges (F.Pl.) Romanae (lat.) sind die Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germanistischen
Völker für die in ihrem Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex
Romana Burgundionum).
Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953
Leges (F.Pl.)
Upstalsbomicae (lat.) ist der 1617 von
Siccama verwendete Name für die am 18. 9. 1323 von den Vertretern der
friesischen Landschaften auf dem Upstalsbom bei Aurich beschlossenen, wohl nur
kurzfristig wirksamen Rechtssätze (u. a. Bußen, Wergelder, Friedensgelder,
Strafen) auf der Grundlage von vielleicht bis in das 11. Jh. zurückreichenden
gemeinfriesischen Beschlüssen.
Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische
Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung, 1894,
361; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Leges Visigothorum -> Lex
Visigothorum
Legisactio (lat. [F.]) ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17
v. Chr., lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige Verfahrensform. Es
werden dabei (5) verschiedene Legisaktionen unterschieden, zu denen genau
vorgeschriebene Spruchformeln gehören. Nach dem Vorbringen des Verfolgers entscheidet
der Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das Begehren einen Schutz (lat.
[F.] -> actio) enthält.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I;
Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la
loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten
und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen
1980, Nr. 2
Legisactio (F.) per
condictionem (lat.) ist die etwas jüngere
Legisaktion durch Ansage des altrömischen Rechts, die beispielsweise für
Stipulation, Darlehen oder Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung
eröffnet ist und durch Ansagen eines neuen Termines zur Einsetzung einer
Entscheidungsperson innerhalb von 30 Tagen (Frist für eine freiwillige Erfüllung)
vor dem Prätor geschieht.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3; Söllner § 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per iudicis
arbitrive postulationem (lat.) ist die
Legisaktion durch Anfordern eines Richters oder Schlichters im altrömischen
Recht (z. B. bei [lat.] sponsio - stipulatio [Versprechen] oder Erbengemeinschaftsteilung).
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per manus
iniectionem (lat.) ist die Legisaktion
durch Handanlegen im altrömischen Recht. Sie dient der Vollstreckung in die
Person.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1;
Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) per pignoris
capionem (lat.) ist die Legisaktion durch
Pfandergreifung im altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in
Sachen in einigen Fällen zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige
Zugriff auf die Sache erforderlich.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) sacramento
in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist
die Legisaktion durch Eid entweder auf eine Person oder auf eine Sache im
altrömischen Recht. Sie erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach
Streitwert von über oder unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5
Schafe betragenden Summe durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als
Sühne für den nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem
er ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert.
Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b; Söllner §
9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988;
Zlinsky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106 (1989), 106
Legisaktion (römische Verfahrensform) -> legisactio
Legislation (F.) Gesetzgebung
Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966
Legislative ist die gesetzgebende Gewalt im gewaltengeteilten Staat.
Lit.: Köbler, DRG 190f.
legislator (lat. [M.])
Gesetzgeber
Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW
Legist (M.) Kenner des römischen Gesetzesrechts (seit dem
Hochmittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die Naturrechtslehre
der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die legistische Literatur und
die Methode des Rechtsunterrichts der Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969),
43; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Legistik -> Legist
Legitimation ist der Nachweis der Berechtigung eines Verhaltens oder
eines Zustandes, insbesondere die Verschaffung der Stellung eines ehelichen
Kindes für ein nichteheliches Kind. Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin
(306-337) und andere stellen durch nachfolgende Eheschließung Konkubinenkinder
ehelichen Kindern gleich. Das gleiche Ergebnis wird durch Eintritt in den
Zwangsstand der Gemeinderäte und in bestimmten Fällen durch öffentlichen
Gnadenakt (538) hergestellt. Dies wird seit dem 12. Jh. (Alexander III.
1159-1181) aus dem römischen Recht in das Kirchenrecht und danach in das
weltliche Recht (Nürnberg 1522) übernommen, in Deutschland 1998 beseitigt.
Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121; Koch,
K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge zur Geschichte
der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens matrimonium, ZRG
GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum von Justinian bis
zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des außerehelichen
Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des Herrschers im Denken
der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und Ursprung, hg. v.
Wunderli, P., 1991
Legitimität ist die seit Beginn des 19. Jh.s erfasste Rechtmäßigkeit
einer Herrschaft.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677;
Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die
Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und
Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004
Lehen, Lehn, ist ein leihweise von einem (adeligen oder freien)
Lehnsherrn (z. B. dem König) einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem
Herzog) unter Sicherung zur (lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor
allem Waffendienste) überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht (z. B. das
Herzogtum). Es entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus
personenrechtlicher Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der
Vasallität (von kelt. gwas Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt
(Kommendation) der Herr Schutz und Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und
(militärische) Dienste. Bei dem Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere
Gegenstände) zur Nutzung an andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der
Verschmelzung von Vasallität und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen
gegeben und erhalten Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu
begründende Lehnsverhältnis ist grundsätzlich höchstpersönlich, endet also mit
dem Tode jedes Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877
Leihezwang, 1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an
Wert verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später
jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom
Lehnsprinzip durchdrungen. Im 14. Jh. hat beispielsweise der Herzog von
Württemberg etwa 500 Lehensleute in einem deutlich schwankenden Bestand, von
denen etwa ein Drittel Bürger sind. Beseitigt wird das L. im 19. Jh. durch
Allodifikation (Herstellung von Eigentum) und das Ende des Heiligen Römischen
Reiches (1806, in Österreich bäuerliche Lehen 1822, ritterliche Lehen 1868).
Vom (adligen) L. trotz des Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die (bäuerliche)
-> Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148; Hagemann,
T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht, 1787; Brunner,
H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8 (1887), 1; Wasserschleben,
Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA 11 (1890), 151; Brünneck, W. v.,
Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1895ff.; Schmid, H.,
Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann, C., Das ligische Lehensverhältnis,
ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda extra curtem, 1929; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Staedtler, E., Zum
Sprachgebrauch der libri feudorum , ZRG GA 56 (1936), 361; Boutruche, R.,
Seigneurie et feodalité, 1959; Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen, 1960;
Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel,
H., Untersuchungen zum fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur
Entstehung des Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das
sankt gallische Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu’est-ce que la féodalité?, 2.
A. 1947, 3. A. 1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und
Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 6. A. 1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen
Lehnsherr und Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G.,
Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das
Recht der Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum
Wormser Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung, 1978; Rödel, V., Reichslehnswesen, Ministerialität,
Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in
Vernunftrecht und historischer Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R.,
Lordship and Military Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her
Pyrenean Neighbours, 1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S.,
Staufische Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann,
M., Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß,
K., Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002; Miller, M., Mit Brief
und Revers, Das Lehenswesen Württembergs, 2004; Esders, S., Friedrich II., die
Mark Brandenburg und das Erzbistum Magdeburg – Zur Kommerzialisierung von
Lehensbeziehungen, ZRG GA 123 (2006), 67
Lehnrecht ist die quellenmäßige Bezeichnung des Mittelalters für das
Lehnsrecht. Der Sachsenspiegel gliedert sich beispielsweise in Landrecht und
Lehnrecht.
Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104,
106, 112, 125, 163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung
des Jodokus Pflanzmann, 1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des
Mannesstammes mit Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des sog. Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter,
eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann, U., 1989;
Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2. A. 1999;
Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts,
1999
Lehnrechtsbuch -> Lehnsrechtsbuch
Lehnsbrief ist die über die Bestellung eines Lehens seit dem (11.
oder) 12. Jh. ausgestellte Urkunde.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen,
1969, 69, 115
Lehnsbuch ist ein -> Lehen verzeichnendes Buch. Es findet sich
anscheinend seit dem 9. Jh. Im Spätmittelalter wird es durch das Handlungen
verzeichnende Lehnsregister ersetzt.
Lit.: Lippert, W., Die deutschen
Lehnbücher, 1903, Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch
Friedrichs des Strengen 1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der
Pfalzgrafen bei Rhein vom Jahr 1401, 1981
Lehnsdienst ist die Dienstleistung des Lehnsmannes (Heerfahrt,
Hoffahrt, Ehrendienst).
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957,1972, 591
Lehnseid ist der vom Lehnsmann dem Lehnsherrn zu schwörende Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp,
B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83
Lehnserneuerung ist die Neubegründung des Lehnsverhältnisses nach dem Tod
eines Beteiligten mit dessen Nachfolger (bzw. einem neuen Beteiligten).
Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und
Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter, 1969
Lehnsfähigkeit ist die Fähigkeit, ein Lehnsverhältnis einzugehen. Die L.
setzt an sich Ritterlichkeit und Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In
der Rechtswirklichkeit sind aber vielfach Geistliche und Frauen sowie auch
Bürger und Bauern in eingeschränktem Umfang in das Lehnswesen einbezogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch des
Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger, 1894;
Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957
Lehnsgericht ist das im Mittelalter für Angelegenheiten des Lehnswesens
ausgebildete besondere Gericht, das sich aus Richter (meist der Lehnsherr) und
Urteilern zusammensetzt (u. a. Reichshofrat). Es endet im 19. Jh. (Bayern
1808).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche
Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die
Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39
Lehnsgesetz ist ein das Lehen betreffendes Gesetz, wie es sich im
Mittelalter etwa 1037, 1136, 1154, 1158 und 1338 sowie in der Neuzeit in der
Form von Lehnsedikten oder Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764, Baden 1807,
Bayern 1808).
Lit.: Lehmann, K., Consuetudines
feudorum, 1896, Neudruck 1921
Lehnsherr -> Lehen, Herr
Lehnsinvestitur -> Lehen, Investitur
Lehnsmann -> Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Lehnspflicht -> Lehen,
Lehnsrecht
Lehnsprozess ist der Rechtsstreit um Rechte und Pflichten aus dem ->
Lehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lehnspyramide ist der durch Lehen und teilweise Weitergabe
(Unterverlehnung) entstehende pyramidenförmige Aufbau der Lehnsgesellschaft des
Mittelalters und der frühen Neuzeit, die bereits bei Karl dem Großen auf etwa
2000 Vasallen und 30000 Aftervasallen berechnet wird. In der L. nimmt der König
die erste Stelle vor geistlichen Fürsten, weltlichen Fürsten, freien Herren und
Dienstmannen ein.
Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972
Lehnsrecht ist die Gesamtheit der das Lehen betreffenden Rechtssätze
und die Berechtigung an einem Lehen. Das L. entsteht durch die Vereinbarung
zahlloser Lehnsverhältnisse gewohnheitsrechtlich sowie durch die ->
Lehnsgesetze. Im Streitfall entscheidet das -> Lehnsgericht. Zeitweise
führend ist das langobardische oder italienische L., das über an italienischen
Universitäten ausgebildete Juristen auch in Gebiete nördlich der Alpen gebracht
wird. Neben allgemeinerem L. besteht jeweils auch ein besonderes L. eines
Lehnsherrn (z. B. Grafen von Katzenelnbogen). Durch Annahme des Titels Kaiser
von Österreich (1804) bzw. durch Auflösung des Reiches 1806 endet das L. des
Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation), im 19. Jh. auch das L. der
einzelnen deutschen Staaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112, 125;
Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch der
in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System des
Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck
1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972;
Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?,
6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969;
Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der
Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W., Landrecht des
Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K., Lehnrecht und
Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius, Mediaevistik 10
(1997); Ibhlher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen
Lehensrechts, 1999
Lehnsrechtsbuch, Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und Lehnsrecht betreffende
-> Rechtsbuch. Es tritt zuerst im langobardisch/lombardischen Bereich auf
(Obertus de Orto, Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich aber erst im
späteren Mittelalter auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L. das an
das Lehnsrecht des -> Sachsenspiegels angeschlossene Rechtsbuch ([lat.]
-> Auctor [M.] vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des
Sachsenspiegels selbst wird (1272-1292) lateinisch übersetzt, in
Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert (Mitte 14. Jh.s) und mit einem ->
Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel folgen -> Deutschenspiegel und ->
Schwabenspiegel und ein Teil der darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige
Lehnsrechtsbücher finden sich in Estland und Livland (waldemar-erichsches
Lehnrecht, 1315, ältestes livländisches Ritterrecht, 1355-77, mittleres
livländisches Ritterrecht, systematisches livländisches Ritterrecht).
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879;
Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990
Lehnsregister ->
Lehnsbuch
Lehnsretrakt ist die Ausübung eines Retraktrechtes eines Berechtigten
bei entgeltlicher Veräußerung eines -> Lehens. Der L. ist später in
verschiedenen Lehnsrechten möglich (z. B. 1609 im Reich).
Lit.: Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 6. A. 1983
Lehnsträger (lat. provasallus [M.])
ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers (Lehnsmannes) die Rechte und
Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B. Vormund). Der L. tritt schon im
Frühmittelalter auf (860).
Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der
Lehnsvormundschaft, in: Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193
Lehnsverhältnis -> Lehen
Lehnsvormundschaft -> Lehen, Vormundschaft
Lehnswesen -> Lehen
Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1; Transehe-Roseneck, A.
v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Studien zum
mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 6. A.
1983; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961
Lehre -> herrschende Lehre
Lehrfreiheit ist die Freiheit, die wissenschaftlich gewonnenen
Einsichten und Überzeugungen frei zu verbreiten. Die L. ist als Grundrecht
bereits in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung (1848) enthalten.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschulorganisation, Diss. jur.
Gießen 1973
Lehrling ist der eine praktische Berufsausbildung (Lehre) durchlaufende
junge Mensch. Der L. erscheint im 13. Jh. in Zunftordnungen der Städte. Seit
dem 14. 8. 1969 ist der L. durch den Auszubildenden ersetzt.
Lit.: Wissel, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938;
Quef, P., Histoire de l'apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und
Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985
Lehrvertrag ist der für die Ausbildung eines -> Lehrlings
geschlossene Vertrag. Er sieht lange Zeit ein besonderes Lehrgeld vor. Erst in
jüngerer Zeit erhält der Lehrling eine Vergütung. Der L. endet regelmäßig mit
Ablegung einer Gesellenprüfung.
Lit.: Ebel, W., Gewerbliches
Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934
Leibeigener ist der in -> Leibeigenschaft befindliche Mensch.
Lit.:
Ullmann, I., Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte
des 18. Jahrhunderts, 2007
Leibeigenschaft ist im neuzeitlichen deutschen Recht die meist durch
Überlassung von Grundstücksnutzung und damit geschaffener grundherrschaftlicher
Bindung erreichte persönliche Abhängigkeit eines Menschen von einem anderen.
Sachlich sind auch Sklaven und Kolonen im Altertum und Unfreie und Hörige im
Frühmittelalter leibeigen, doch gehen erst seit etwa 1350 die Grundherren dazu
über, zur Abwehr der Landflucht (->Stadtluft macht frei) Höfe nur noch an
Leihenehmer zu vergeben, die sich völlig unterwerfen und schwören, nicht
fortzuziehen, und dehnen diese Stellung vereinheitlichend auf alle abhängigen
Leihenehmer aus. Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu leibeigen fortgebildet. L.
beschränkt die Rechtsfähigkeit und insbesondere die Freizügigkeit. Zwischen
1783 (Baden) und 1820 (Mecklenburg) wird die L. in Deutschland gesetzlich
beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte der
Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft
und Hörigkeit, 1861; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA
8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern,, ZRG GA 9 (1888),
104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung
Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10
(1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG
GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der
Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würzburg,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C.,
Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft
über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung
unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft,
hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003
Leibesfrucht ist das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur
Vollendung der Geburt. Das römische Recht kennt für die L. (lat.[M.]
-> nasciturus) einen (lat.) -> curator (M.) ventris (vgl. § 1912 BGB).
Von Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die -> Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6; Wolf,
E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955
Leibesstrafe ist die am körperlichen Leib eines Menschen vollzogene
Strafe (z. B. Schlagen, Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit dem Altertum
bekannt. Im Frühmittelalter erscheint sie gegenüber dem ->
Kompositionensystem selten. Vom Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches
Gewicht. Am Ende des 18. Jh.s werden verstümmelnde Strafen nicht mehr
angewandt. Seit dem Anfang des 20. Jh.s wird auch die Prügelstrafe beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L.,
Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die
Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Leibfall -> Sterbefall
Leibgedinge -> Leibzucht
Leibniz, Gottfried Wilhelm (Leipzig 1. 7. 1646-Hannover 14. 11.
1716), Sohn eines Notars und Professors der Moral, wird nach dem Studium von
Recht, Mathematik und Philosophie in Leipzig Sekretär in Nürnberg, Rat in Mainz
und 1676 Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner Monadenlehre besteht
die von Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als bestmöglich
geschaffene Welt in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen
Monaden. Diese Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der Vernunft
erkannt werden kann. Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende Recht
(-> Naturrecht) ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom Gesetzgeber
nicht beliebig gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die Gerechtigkeit. L.
begründet die mathematische Logik, die Differentialrechnung und das binäre
Zahlensystem. Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender Gesetzgebung ([lat.]
Codex [M.] Leopoldinus, Corpus [N.]
iuris reconcinnatum). Sein Schüler ist Christian -> Wolff.
Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex iuris
gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA 7
(1886), 71; Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG
GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz’ Plan einer juristischen Studienreform
vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der Wissenschaften); Herrmann, K.,
Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini, G., Der Rechtsbegriff und die
Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K., Leibniz-Biographie, 1967; Schneider,
H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von
Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard, H., Logik und Semiotik in der
Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die Rolle des deutschen Rechts in
Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5 (1975), 56; Otte, G., Leibniz und
die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig, K., Die Wurzeln des aufgeklärten
Naturrechts bei Leibniz, in: Naturrecht - Spätaufklärung - Revolution, hg.v.
Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P., Leibnitz‘ universal jurisprudence, 1997;
Hirsch, E., Der berühmte Herr Leibnitz, 2000; Berkowitz, R., The Gift of
Science, 2005
Leibrente ist eine auf die Lebensdauer eines oder mehrerer Menschen
vereinbarte Rente. Die L. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie entsteht
hauptsächlich durch Kauf. Der seit dem 14. Jh. verbreitete Verkauf von
Leibrenten durch Verbandspersonen (Staat, Stadt, Kloster usw.) endet mit dem
Aufkommen der verzinslichen Anleihe.
Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
Leibzucht oder Leibgedinge ist ein Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in
dem eine Person sich zur Überlassung einer Nutzung auf Lebenszeit gegenüber
einem Menschen verpflichtet. Die L. begründet ein (dingliches) Nutzungsrecht an
einem nutzbaren Gegenstand (z. B. Hof, Haus, Lehen, Berechtigung). Im
Familienrecht dient die L. der Versorgung des überlebenden Ehegatten. In der
Neuzeit wird die L. bedeutungslos.
Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Brünneck,
W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären deutschen
Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts
in Österreich, 1973, 65, 83
Leiche
Lit.: Groß, D., Die Entwicklung der inneren und
äußeren Leichenschau, 2002
Leichenraub ist die Wegnahme einer Leiche aus einem Gewahrsam eines
Berechtigten. Der L. wird bereits im Altertum (-> Todesstrafe) und im
Frühmittelalter (-> Buße, Ausweisung) mit Rechtsfolgen bedroht. Das
spätrömische Recht sieht den L. als Religionsverbrechen an.
Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16
(1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
211
Leiden am alten Rhein erscheint im 11. Jh. 1266 erhält es
Stadtrecht. 1574/1575 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R.,
Bibliografie van hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998;
Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000
Leihe ist ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender Vertrag, in
dem sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet, dem anderen Teil (Entleiher)
den Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit unentgeltlich zu gestatten Im
römischen Recht entspricht dem vermutlich in den letzten vorchristlichen
Jahrhunderten der anerkannte Realvertrag (lat.) -> commodatum (N.), dem das
unverbindliche (lat.) -> precarium (N.) (Bittleihe) zur Seite steht. Im
Frühmittelalter begünstigen die Vergrößerung der Liegenschaften durch Landnahme
(Grundherrschaft) und das antike Vorbild die Ausbildung von beschränkten eigentumsähnlichen
Rechten an fremden Grundstücken (sachenrechtliches geteiltes Eigentum). Bei der
(lat.) -> precaria (F.) wird Land auf Zeit, auf Widerruf, auf Lebenszeit
eines oder mehrerer Menschen oder überhaupt erblich gegeben. Das Land kann vom
Geber stammen (lat. precaria [F.] data), vom Empfänger (lat. precaria [F.]
oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria [F.]
remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleiheverhältnissen eine
Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L.
behält dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L.
gerät er in Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein
zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonderform der L. ist das
-> Lehen. Als wirtschaftlich bedeutungslose unentgeltliche
Gebrauchsgestattung erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und
wird früh den Regeln des aufgenommenen römischen Rechts unterstellt, wobei die
Trennung von (lat.) commodatum und (lat.) precarium im 19 Jh. schwindet.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, §2; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560
Leihezwang ist der Zwang zur Verleihung bzw. Verlehnung eines
bäuerlichen oder ritterlichen Gutes nach Heimfall an den Grundherrn oder
Lehnsherrn. Es ist streitig, in welchem Umfang ein allgemeiner L. bestand. Für
das Lehen gilt in einzelnen Gebieten L. Im Reich ist es fraglich, ob sich im
Hochmittelalter zahlreiche einzelne Ansprüche auf Wiederausgabe eines Lehens
zu einem allgemeinen L. verdichteten. Tatsächlich gibt jedenfalls der König die
heimgefallenen Lehen regelmäßig wieder aus, wodurch er seine Stellung schwächt.
Der bäuerliche L. wird in Preußen durch Edikt vom 9. 10. 1807 erheblich
eingeschränkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H., Der
Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein
angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W.,
Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog.
Leihezwanges, ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang,
ZRG GA 105 (1988), 239
Leihhaus ist eine im Spätmittelalter in Italien entstandene
Einrichtung der Allgemeinheit, die unter Befreiung vom -> kanonischen Zinsverbot
kurzfristige Darlehen gegen ein Faustpfand gewährt (lat. mons [M.]
pietatis bzw. mons [M.] profanus). Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit (Augsburg 1591, Hannover 1598,
Nürnberg 1618 usw.). Im 18. Jh. übernimmt die Sparkasse einen Teilbereich des
Geschäftes. 1869 lässt die Gewerbeordnung das private L. zu, wenn auch 1879
eine Konzession vorgeschrieben wird.
Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassenwesen,
1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971
Leiningen
Lit.: Wild, G., Das Fürstentum Leiningen, 1954
Leinpfad (Treidelpfad) ist der für das Ziehen von Schiffen an
schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad. Das Recht am L. ist Teil des
Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen, das im Spätmittelalter auf die
Landesherren übergeht. Es steht auch nach Aufgabe des Schiffziehens seit dem
19. Jh. meist dem Staat zu.
Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2
1978, 1835
Leipzig an der Pleiße gehört seit der zweiten Hälfte des 12. Jh.s
zum hallisch-magdeburgischen Recht. Sein aus dem Stadtgericht entwickelter
Schöppenstuhl wird schon im Spätmittelalter bedeutsam (1574 landesherrliche,
1835 aufgelöste Spruchbehörde). 1409 wird es Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Distel, T., Gutachten der
Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885), 189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur
älteren Verfassungsgeschichte des Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887),
89, 10 (1889), 63; Kötzschke, R., Leipzig in der Geschichte der ostdeutschen
Kolonisation, Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs 11 (1917); Leipziger
Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Simm, H., Für Zwickau ergangene
Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1942 (masch.schr.); Karl-Marx-Universität
Leipzig, Bibliographie zur Universitätsgeschichte 1409-1959, hg. v. d. hist.
Komm. bei d. sächs. Ak. d. Wiss., 1961; Leipzigs Messen, hg. v. Bentele, G. u.
a., 1998; Steinführer, H., Die Leipziger Ratsbücher 1466-1500, 2003; Krause,
K., Alma Mater Lipsiensis, 2003; Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes
Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti, H. u. a., 2004; Sachsens Landesuniversität in
Monarchie, Republik und Diktatur, hg. v. Hehl, U. v., 2005; Müller, A.,
Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006
Leistung ist der Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L.
wird der Schuldner frei. Bei Leistungsstörungen (-> Unmöglichkeit, ->
Verzug, -> positive Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214;
Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913; Dilcher,
H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren und
Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Emmert,
J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten, 2001
Leistungsstörung (1936 Heinrich Stoll)-> Leistung, -> positive Forderungsverletzung, ->
Verzug, -> Unmöglichkeit
Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen,
1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990;
Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das
BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne,
Diss. jur. Mannheim 2000
Leistungsverwaltung ist die in der Erbringung von Leistungen bestehende
Verwaltung im Gegensatz zur Eingriffsverwaltung. Die L. tritt im 19. Jh. hervor
(Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Verkehr).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259; Forsthoff,
E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale Leistungsverwaltung und
Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die Stadt als
Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A., Kommunale
Leistungsverwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die Konzessionsverträge
der Stadt Lüdenscheid, 2005
Leitkauf ist der im Hochmittelalter sichtbare, unter Gelöbnistrunk
erfolgende Kauf, der die Beteiligten bis zur nachfolgenden Erfüllung bindet.
Lit.: Hübner
Lentze, Hans (Lauban 14. 3. 1909-Wien 24. 3. 1970), protestantischer
Bürgerssohn, wird nach dem Studium des Rechts in Göttingen, Bonn und Breslau
und der Theologie Prämonstratenser (1939), 1947 in Innsbruck habilitiert, 1952
außerordentlicher Professor in Innsbruck und 1954 Professor für
Rechtsgeschichte (1958 ordentlicher Professor) in Wien.
Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg.
v. Grass, N. u. a., 1969
Leoben
Lit.: Schillinger-Prassl, C., Die Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997
Leobschütz in Mähren an der Grenze zu Polen ist eine im
Mittelalter als Oberhof einer Stadtrechtsfamilie wirkende Stadt, in der
1420/1421 eine Prachthandschrift eines Leobschützer Rechtsbuchs mit
Privilegien, Bestätigungen, Leobschützer Willkürrecht und einem Meißener
Rechtsbuch in fünf Büchern in ostmitteldeutscher Sprache hergestellt wird.
Lit.: Das Leobschützer Rechtsbuch, bearb. v. Roth, G., hg. v. Irganng,
W., 2006
Leodis (lat.-afrk.), leudis, ist im fränkischen Frühmittelalter
der Freie bzw. sein Wergeld.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E., Leudes –
curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und
frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d.
Akad. d. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240
León ist ein 912 durch Abspaltung von Asturien entstehendes
Königreich, zu dem 914 Galicien und 924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230
wird Kastilien mit L. vereinigt.
Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under king
Alfonso VII (1126-1157), 1998
Les Tenures ist eine 1481 von Sir Thomas -> Littleton
veröffentlichte, 1628 von Edward -> Coke kommentierte Darstellung des
Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts des englischen Rechts.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Lettland ist das seit dem 9. Jh. (?) von baltischen Letten besiedelte
Gebiet an der unteren Düna, das im 13. Jh. unter deutschen Einfluss gerät. 1561
kommt es teils unmittelbar, teils lehnsrechtlich zu Polen, 1810 an Russland.
1864 entsteht ein von Bunge nach dem Vorbild des sächsischen Bürgerlichen
Gesetzbuches geschaffenes Gesetzbuch für die Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich
ein unabhängiges L., das 1934 ein Zivilgesetzbuch erlässt, wenig später (5. 8.
1940) von der Sowjetunion einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben
wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift
für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a.
Faksimileausgabe 2003; Schwabe, A., Grundriss der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands
Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein,
E. v., Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16.
September 1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu
den baltischen Staaten, hg.v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das
Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997;
Ludwig, K., Lettland, 2000
Lettre (F.) de cachet ist in Frankreich in der frühen Neuzeit der von einem
Staatssekretär gegengezeichnete königliche Brief, der vielfach einem politisch
unerwünschten Menschen befiehlt, sich in ein Staatsgefängnis oder in die
Verbannung zu begeben. -> Haftbefehl
Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische
Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887
Letzter Wille ist der im -> Testament geäußerte Wille, welche Rechtsfolge
am Vermögen des Erblassers eintreten soll.
Leu, Johann Jakob
(Zürich 1689-1768), Bürgerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759
Bürgermeister in Zürich. Das eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff.
1727) stellt das Schweizer Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines
helvetisches ... Lexikon (1747ff.) das damalige Gesamtwissen.
Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht
des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu,
1976
leudes -> leodis
Leumund ist der Ruf eines Menschen. Wer einen schlechten L. hat (z.
B. landschädliche Leute), ist im Mittelalter vom Reinigungseid ausgeschlossen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346
Leutkircher Heide ist ein Gebiet in Oberschwaben, für das ein
kaiserliches Landgericht für Freie von 1348 bis 1802 bezeugt ist.
Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht auf
der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf
Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche
Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148
Leviathan (hebr. [Sb.] gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung
für Drachen, Krokodil und Ägypten, die Thomas -> Hobbes 1651 als Buchtitel
einer Staatsdarstellung verwendet.
Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der
Staatslehre des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des
Leviathan, NJW 1988, 2849
Levy, Ernst (Berlin 23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Berlin
Amtsrichter und 1919 Professor in Frankfurt am Main, 1922 in Freiburg im
Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936 muss er emigrieren, kehrt aber von 1945
bis 1966 nach Europa zurück. Er erforscht das spätrömische Vulgarrecht
Westroms.
Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen Vulgarrechts,
1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law: The Law of Property, 1951; Levy, E.,
Weströmisches Vulgarrecht: Das Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte
Schriften, 1963; Kunkel, W., Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII;
Ernst Levy und Wolfgang Kunkel, Briefwechsel 1922-1968, hg. v. Mußgnung, D.,
2005
Lex (lat. [F.], Pl. leges) ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. [lat.]
lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz] usw.). Für die Zeit von etwa 510 v.
Chr. bis etwa 100 n. Chr. lassen sich rund 800 einzelne römische leges (Gesetze)
ermitteln. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. [N.])
ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in
erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des
Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. [N.])
ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unterliegende
Ordnung (Stammesrecht, Volksrecht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur
ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück.
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW; Balon,
J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978;
Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus
von Ferrières, 2001
Lex Aebutia ist das römische Gesetz der ersten Hälfte des 2. Jh.s v.
Chr., das vermutlich die (lat.) legis actio (F.) per condictionem durch die zum
Formularverfahren gehörige (lat.) condictio ersetzt.
Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9; Köbler, DRG 33
Lex Aelia Sentia ist das
römische Gesetz des Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an bestimmte
Voraussetzungen knüpft.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex aeterna (ewiges Recht) ist das von Augustin (354-430) auf Gott
zurückgeführte Recht, das der Mensch als Naturrecht (lat. lex [F.]
naturalis) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Alamannorum ist das zwischen 712 und 725 aufgezeichnete, in 50
Handschriften überlieferte Volksrecht der -> Alemannen. Die L. A. gliedert
sich in Kirchensachen, Herzogssachen und Volkssachen. Sie ist stark kirchlich
beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges Alamannorum,
hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F.,
Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of
Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien
im alemannischen Recht, in: Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v.
Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und
Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99
(1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher
Rechtstexte, ZTG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993
Lex Angliorum et Werinorum -> Lex Thuringorum
Lit.:
Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15 (1894), 174
Lex Apuleia ist das römische Gesetz, das dem mehr leistenden von
mehreren Bürgen einen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen gewährt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Aquilia de damno ist das 286 v. Chr. erlassene römische Gesetz
über den Schaden. Danach ist die rechtswidrige Tötung fremder Sklaven und
vierfüßiger Herdentiere seitens des Täters durch ihren höchsten Wert des
letzten Jahres, die sonstige Schädigung von Vermögensgütern durch Brennen,
Brechen, Reißen durch ihren höchsten Wert der letzten 30 Tage - bei Bestreiten
jeweils doppelt - auszugleichen. Die l. A. wird seit dem Spätmittelalter in
vereinfachter Form im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen
und bildet die Grundlage des Rechts der unerlaubten Handlungen (Delikte) bis
zur Gegenwart.
Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das allgemeine
Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia, 1954; Kaufmann,
H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Lübtow, U. v.,
Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das Schadenersatzrecht
der lex Aquilia, 5. A. 1995; Schebitz, B., Berechnung des Ersatzes nach der lex
Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das deliktische
Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
1994
Lex Arcadia ist das römische Gesetz des Jahres 397, das die
Ehrverletzung der Amtsträger mit verstärkter Straffolge bedroht.
Lit.: Köbler, DRG 56
Lex Atilia ist das römische Gesetz des Jahres 210 v. Chr., das die
Bestellung des Vormundes durch Magistrate ermöglicht.
Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler, DRG 36
Lex Atinia ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das
gestohlene Sachen von der Ersitzung ausschließt.
Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8
Lex Baiwariorum ist das vielleicht (nach Hermann Nehlsen vor 643 oder) um
743 aufgezeichnete, in mehr als 30 Handschriften überlieferte Volksrecht der
-> Bayern, das auffälligerweise enge Verwandschaft zum westgotischen (lat.)
Codex (M.) Euricianus (wörtliche Übernahmen in überzeugender Art und Weise) und
zur (lat.) lex (F.) Alamannorum (sachliche Übereinstimmungen möglicherweise auf
Grund einer gemeinsamen älteren Vorlage) aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D., Die
deutschen Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581; Krusch,
B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E. Frhr. v.,
1926, Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum – Lichtdruckwiedergabe der Ingolstädter
Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG
GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex Bajuvariorum zum späteren
bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle, F., Die beiden
süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M., Stammesrecht und
Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.); Krause, H., Die
liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph, H., Herrschaft
und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die Begründungen
der lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979;
Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex
Baiuvariorum, 2002
Lex Burgundionum (lex Gundobada) ist das im frühen 6. Jh. (von König
Sigismund am 29. 3. 517?) aufgezeichnete (, in 14 Handschriften überlieferte)
Volksrecht der -> Burgunder, dessen Grundlage ein von König Gundobad um 500
erlassener (lat.) liber (M.) constitutionum (Buch der Konstitutionen) bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges
Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892; Mitteis, L., Eine neue Handschrift der
Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407; Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle,
F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG
GA 59 (1939), 233; Rüegger, H., Einflüsse des römischen Rechts in der Lex
Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949; Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle, F., Zur Textgestalt und Textgeschichte
der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954), 23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu
den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und Frisionum, 1979
Lex Cincia de donis
et muneribus ist das römische Gesetz (lat.
plebiscitum [N.]) des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet,
Schenkungen über einen bestimmten Höchstwert hinaus anzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1
Lex commissoria ist im römischen Recht die Verfallsabrede beim Pfand, die Kaiser
Konstantin (306-337) verbietet, und die Nebenabrede beim Kauf für den Fall,
dass der Preis nicht rechtzeitig bezahlt wird.
Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932
Lex Cornelia de
sicariis et veneficis ist das unter Sulla
(138-78 v. Chr.) ergangene römische Gesetz gegen Gewaltverbrechen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex Cornelia
testamentaria nummaria ist das römische,
unter Sulla (138-78 v. Chr.) ergangene Gesetz gegen Fälschung von Testamenten
und Münzen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex Emminger ist die nach dem seinerzeitigen Reichsjustizminister Erich
Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des deutschen Verfahrensrechts
(zwei Verordnungen vom 4. 1. 1924 und 13. 2. 1924).
Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die
Lex Emminger vom 24. 1. 1924, 1988
Lex Falcidia ist das römische Gesetz des Jahres 40 v. Chr., das dem
Erben wenigstens ein Viertel der Erbschaft (lat. quarta [F.]
Falcidia) vor der Verfügung durch Vermächtnisse sichert.
Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner
§ 15; Köbler, DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995
lex familiae -> Hofrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lex Francorum
Chamavorum (ewa Chamavorum) ist das wohl
802 aufgezeichnete, in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Volksrecht des fränkischen
Teilstammes der Chamaven (im Hamaland bei Zutphen).
Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den
Leges Francorum, 1979
Lex Frisionum ist das wohl 802 (als Vorarbeit?) aufgezeichnete, nur
durch einen Druck Herolds (Basel 1557) überlieferte Volksrecht der ->
Friesen, das in 22 Titel und eine (lat.) Additio (F.) sapientium (eines Wlemar
und Saxmund) zerfällt und in mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und westfriesiches
Recht gegliedert gewesen zu sein scheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex Frisionum, hg.
v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne in der Lex
Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex Frisionum,
ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum, 1927
(besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira,
K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und
Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg.
und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982
Lex Fufia Caninia ist das römische Gesetz des Jahres 2 v. Chr., das die
Freilassung beschränkt.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Furia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen
Jahrhunderte, das in Italien die Haftung von Bürgen einengt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Gundobada -> Lex Burgundionum
Lex Hortensia ist das römische Gesetz des Jahres 287 v. Chr., das den
Entscheidungen der Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt.
Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8
Lexikon ist das meist alphabetisch oder systematisch geordnete
Wörterbuch. Es findet sich bereits im griechischen Altertum. Rechtskenntnisse
vermitteln etwa die rund 7000 Begriffe umfassenden 20 Bücher Etymologien des
Bischofs Isidor von Sevilla († 636), die ungedruckte (lat.) tabula (F.)
utriusque iuris des Johannes von Erfurt, der (lat.) Vocabularius (M.) iuris
utriusque des Jodocus (1452), (lat.) De copia verborum et rerum in iure civili
Oldendorps (1542) oder das 15bändige Rechtslexikon Julius Weiskes (1839ff.).
Lit.: Köbler, G., Lexikon, in: HRG Bd. 2 1978, 1979; Murmellius,
J., Pappa, 1513ff., Neudruck 2006Zedler, J., Großes vollständiges
Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E.,
Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958; Haberkern,
E./Wallach, J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg.
v. Hausmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13.
A. 2004; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au moyen âge, 1991; Köbler,
G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Bierbach, M., Grundzüge
humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum Romano-Teutonicum, hg. v.
Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg. v. Polley, R., 2000;
Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002; Lexikologie, hg. v. Cruse,
D. u. a., 2002; Wissenschaftliche Lexikographie im deutschsprachigen Raum, hg.
v. Städtler, T., 2003
Lex Iulia de
maritandis ordinibus (julisches Gesetz
über die zu verheiratenden Stände) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v.
Chr., das Ehegebote und Eheverbote schafft.
Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14; Köbler, DRG §6
Lex Iulia de dote
fundali (julisches Gesetz über die
Grundstücksmitgift) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das die
Veräußerung eines MitgiftGrundstücks durch den Ehemann ohne Zustimmung der Frau
verbietet.
Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37
Lex Iulia iudiciorum
privatorum (julisches Gesetz über die
privaten Gerichte) ist das römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die
einzelnen -> Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste zugunsten des
-> Formularverfahrens abschafft.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
III 2; Köbler, DRG 32
Lex Iulia iudiciorum
publicorum (julisches Gesetz über die
öffentlichen Gerichte) ist das römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.), das für die meisten Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit
das altrömische magistratisch-komitiale Verfahren weitgehend aufgibt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV
4; Köbler, DRG 34
Lex Laetoria ist das römische Gesetz von etwa 200 v. Chr., das den noch
nicht 25jährigen durch Klagen und Einreden gegen den schützt, der ihn
übervorteilt.
Lit.: Kaser § 14 II 3a
Lex Langobardorum ist das hauptsächlich durch die Königsgesetze der
Langobarden bekannte Volksrecht der -> Langobarden. -> Leges
Langobardorum
Lex legum ist die vielleicht im 9. oder 10. Jh. in Süditalien
entstandene kleine Zusammenstellung von Ausschnitten aus dem Edictum
Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex Visigothorum und dem langobardischen
Recht.
Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter
facta, ZRG GA 10 (1889), 230
Lex Licinia ist das römische Gesetz des Jahres 367 v. Chr., das
Plebejer als Konsuln zulässt.
Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18
Lex Licinnia ist das römische Gesetz, das den
Gemeinschaftsteilungsklageanspruch eröffnet.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler, DRG 25
Lex mercatoria
Lit.: Meyer, R., Bona fides und lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex
mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 148; Cordes, A., Auf der Suche nach der
Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168
Lex Miquel/Lasker ist das Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich
die Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechts
gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Lex naturalis (Naturrecht) ist das Naturrecht, durch das der Mensch das
auf Gott zurückgeführte ewige Recht (lat. lex [F.]
aeterna) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Lex Ogulnia ist das altrömische Gesetz, das den Plebejern die
Priesterämter eröffnet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI
2; Köbler, DRG 18
Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.) ist das römische Gesetz über eherechtliche
und erbrechtliche Fragen.
Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III 1; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Poetelia ist das römische Gesetz des Jahres 326, nach dem der
Gläubiger den Schuldner als Schuldknecht die Schuld abarbeiten lassen kann.
Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 20
Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt ein früheres auf.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4)
Lex publica ist im römischen Recht das (öffentliche) Gesetz (im
Gegensatz zur privaten Vereinbarung).
Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978
lex regia (königliches Gesetz)
Lex Rhodia de iactu (rhodisches Recht über den Seewurf) ist die im
hellenistischen Bereich schon im Altertum verbreitete Regelung, dass der
Schiffer, der in Seenot Waren eines Befrachters opfert, dem Befrachter zu einem
Ausgleich verpflichtet ist. -> Haverei
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von
der lex Rhodia de iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D.,
Nomos Rhodion nautikos, 1996
Lex Ribvaria ist das in Vorformen wohl im 7. Jh. (584-629?, 623-639)
und in den überlieferten Formen seit 763/764 aufgezeichnete Volksrecht des um
Köln im Gebiet Ribvaria (Ripuaria, Uferland) sitzenden Teils der Franken bzw.
des um Köln siedelnden fränkischen Teilstammes der Ribvarier (Ripuarier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B., Die
Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928), 264; Beyerle,
F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria, hg. v.
Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der Lex
Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges
Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988; Ullmann,
E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper, 1996, 1049
Lex Romana
Burgundionum ist die durch vier
Handschriften überlieferte, 47 Titel mit 176 Bestimmungen umfassende Zusammenstellung
von Stücken aus dem -> Codex Gregorianus, -> Codex Hermogenianus, ->
Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, Paulussentenzen und einem
nicht sicher zu ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird entweder König Gundobad (†
516) oder König Sigismund zugeordnet.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg. v.
Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958; Chevrier,
G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I, 2b, aa, 1969;
Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995
Lex Romana canonice
compta ist die in Norditalien um die Mitte
des 9. Jh.s entstandene Sammlung römischen Rechts (Institutionen, Codex
Justinians, Epitome Iuliani) zu kirchlichem Gebrauch mit 324 Kapiteln.
Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice compta, 1927
Lex Romana Curiensis (oder Lex Romana Raetica Curiensis oder früher auch Lex
Romana Utinensis) ist die in drei Handschriften überlieferte, wohl in Rätien im
8. Jh. (vor 765?) entstandene private Kurzfassung der -> Lex Romana
Visigothorum (-> Breviarium Alarici).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana
Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882;
Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v.,
Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter
der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis,
hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer-Marthaler, E., Römisches Recht in
Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in
der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169
Lex Romana
Visigothorum (Breviarium Alarici) ist die
um 506 durch den westgotischen König Alarich II. veranlasste Sammlung römischen
Rechts mit Auszügen aus dem Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen,
den Institutionen des Gaius, den Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und dem
Codex Hermogenianus, wobei den meisten Texten eine wohl im 5. Jh. entstandene,
vereinfachende Erklärung (lat. [F.]
interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer
Aufhebung durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh.
(für die römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit.
Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana
Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue
Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J.,
Le Bréviaire d'Alaric et le Epitome, in: Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa,
1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93
Lex Salica ist das vielleicht auf Grund antiker formaler Vorbilder
507-511 in 65 Titeln (lat. Pactus [M.]
legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des salischen Teilstammes der
-> Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung besteht aus Texten im
Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie
enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise verständlichen
Wörtern (-> malbergische Glossen). Sie wird bis etwa 800 mehrfach
überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8 überlieferte Fassungen
unterscheiden lassen. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf 751-68
datiert. Inhaltlich ist das -> Kompositionensystem sehr kasuistisch
behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig
angefügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 80; Zycha, A., Zur
Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H., Über den Titel 58,
ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des
Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S. Die
Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin von Ebengreuth, A.,
Der Denar der Lex Salica, 1910; Krammer, M., Die ursprüngliche Gestalt und
Bedeutung der Titel De filtorto und De vestigio minando, ZRG GA 36 (1915), 336;
Pétrau-Gay, J., La notion de „lex“ dans la coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die
leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Beyerle,
F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG GA 44 (1924), 216; Claußen,
C., Die Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten der Alemannen, Bayern
und Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349; Pétrau-Gay, J., La „Laghsaga“ salienne,
Revue historique de droit français et étranger 14 (1935), 54, 252; Lex Salica,
100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K., 1953; Schmidt-Wiegand, R., Die kritische
Ausgabe der Lex Salica – noch immer ein Problerm?, ZRG GA 76 (1959), 301; Pactus
legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische
Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84
(1967), 275; Gutenbrunner, S., Über salfränkisch atōmiu und altnordisch
tómr, Rechtssprache und Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex Salica, hg.
v. Eckhardt, K., 1969; Roll, H., Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, 1972;
Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges
Francorum, 1979; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991;
Simone, G., LS v. LF. La tradizione frammentaria in antico
alto tedesco della Les Salica, 1991
Lex Saxonum ist das in zwei Handschriften (und zwei Drucken Herolds
1557 bzw. Tilius’ 1573) überlieferte, vielleicht 802 aufgezeichnete, durch die
sog. (lat.) ->
Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (782/785) und das (lat.) -> Capitulare
(N.) Saxonicum ergänzte Volksrecht der von den
Franken besiegten -> Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C. Frhr.
v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex
Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung
der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum,
compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel,
1982, 117
Lex Scribonia ist das römische Gesetz der letzten vorchristlichen
Jahrhunderte, das zur Sicherung der Freiheit des Eigentümers die Ersitzung
einer -> Dienstbarkeit (Servitut) durch (lat. [F.])
usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt.
Lit.: Kaser § 28 II 1b
Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist das durch eine Corveyer
Handschrift (und einen Druck Herolds [1557]) überlieferte, wohl 802
aufgezeichnete Volksrecht der -> Thüringer (Angeln und Warnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum et
Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex
Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23
Lex Visigothorum ist das Volksrecht der -> Westgoten. Seine älteste
Fassung ist der (lat.) -> Codex (M.) Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336
erhalten). Die L. V. wird nach der Abwanderung der Westgoten von Gallien nach
Spanien unter den Königen Leovigild (568-586, nicht überliefert), Rekkesvind
(654, 2 Handschriften, 12 Bücher) und Ervig (681) überarbeitet und erweitert.
Die L.V. weist römischen und christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13.
Jh. benutzt. -> Fuero, Fuero Juzgo
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H., Ein
Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das
Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I.,
Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002
lex Voconia ist das römische Gesetz des Jahres 169 v. Chr., das die
Erbeinsetzung von Frauen wohl zum Schutz großer Vermögen (zeitweise)
beschränkt.
Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3
Leyes de Toro (Gesetze von Toro) sind die spanische Rechtsquelle des 16.
Jh.s (1565), die Zweifelsfragen bei der Auslegung des (span. [M.])
-> Fuero Real und der (span. [ F.Pl.])
-> Siete Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von 1888/1889
gilt. Die L. d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572) kommentiert.
Lit.: Peréz Martín, A./Scholz, J.,
Legislacíon y jurisprudencia en la España del antigua régimen, 1978
Leyser, Augustin (Wittenberg 18. 1. 1683-3. 5. 1752) wird nach
dem Rechtsstudium in Wittenberg und Halle (Stryk, Thomasius) 1707
außerordentlicher Professor in Wittenberg, 1712 ordentlicher Professor in
Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf Bände (lat.) Meditationes (F.Pl.)
ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den Pandekten), die mehr als 700 Studien
zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen wiedergeben, erweisen ihn als
Vertreter des -> usus modernus. In einem Kurs von 18 Monaten Dauer trägt er
täglich zweistündig das gesamte Recht vor.
Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und
Kadijurisprudenz, in: Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980, 295
Libell (N.) Büchlein, Schrift (z. B. Klaglibell)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155
Libellarvertrag (lat. contractus [M.]
libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter verbreiteter
Grundstücksleihvertrag freier Leute.
Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli, Università di Torino, Memorie dell'
instituto giuridico II/CVIII, 1962
Libellus (M.) conventionis (lat.) ist die Klageschrift des spätantiken
Zivilprozesses.
Lit.: Köbler, DRG 55
Libellus (M.) repudii (lat.) ist im spätantiken römischen Recht die unter
östlichem Einfluss entstandene förmliche Erklärung der Ehescheidung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58
Libellverfahren ist das im spätantiken römischen Recht seit der Mitte des
5. Jh.s mit der Einreichung eines Klaglibells (lat. libellus [M.]
conventionis) an den Richter beginnende -> Kognitionsverfahren.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
liber (lat. [M.]) Buch
liber (lat. [M.]) Freier
Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983
liberal (freiheitlich)
Liberalismus ist die im 18 Jh. ausgebildete Staats-, Wirtschafts- und
Gesellschaftslehre, die sich von der freien Entfaltung des Einzelnen die
bestmögliche Entwicklung der Gesellschaft erhofft. Grundlegend wird das Werk (engl.)
Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) des
schottischen Nationalökonomen Adam -> Smith. Politisch
strebt der L. Teilhabe des Einzelnen am Staat an, dem, getrennt von der
Gesellschaft, der Schutz des Einzelnen aufgegeben ist (Jeremy -> Bentham
1748-1832, John Stuart Mill, Herbert Spencer, Karl von -> Rotteck 1775-1840,
Karl Theodor -> Welcker). Die unbeschränkte Freiheit des L. führt aber zu
gesellschaftlichen Schwierigkeiten (soziale Frage), so dass am Ende des 19.
Jh.s der L. vom -> Sozialismus zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich
anscheinend besonders Napoleons idées libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die
um 1810 in Spanien die Bezeichnung der Angehörigen einer Gruppe als liberal
bzw. Liberale und danach in England die Umwandlung der Whig Party zur Liberal
Party bewirken.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216;
Benöhr, H., Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W.,
Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die
Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche
Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen,
1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus
im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H.,
Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei,
2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J.,
Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die
Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich
1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und
Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004), 313;
Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags 1871-1918,
2004
Liber augustalis -> Konstitutionen von Melfi
Liber cartularii ist eine wohl langobardische Formelsammlung von 25
Formularen vielleicht des frühen 11. Jh.s.
Lit.: Calasso, F., Medio evo del
diritto, Bd. 1 1954, 315
Liber constitutionum -> Lex Burgundionum
Liber (decretalium) extra (decretum vagantium) ist eine
fünfteilige, 185titelige Sammlung von Dekretalen Papst Gregors IX. durch ->
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) 1230/1234 (Gerichtsverfassung,
Prozess, Ämter, Ehe, Strafe), die Papst Gregor IX. im Sinne einer die
bisherigen (lat.) Quinque compilationes
(F.Pl.) antiquae (Fünf alten Sammlungen) ablösenden, klareren (lat.) Compilatio
(F.) nova (Neuen Sammlung) für verbindlich erklärt. Zitiert wird der L. e. z.
B. X 4. 19. 8.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
102, 108; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Liber (M.) iudiciorum (lat.) ist die unter König Rekkesvind geschaffene Fassung
der -> Lex Visigothorum.
Lit.: Cerda Ruiz, J., Liber iudiciorum, Nueva encicl. jurid. Seix 15 1974
liber (M.) memorialis (lat.) Gedenkbuch,
Buch der Denkwürdigkeiten
Lit.: Der Stralsunder Liber memorialis,
hg. v. Schroeder, H., Bd. 1 1964
Liber Papiensis ist ein wohl im 11. Jh. stufenweise in Pavia entstandenes,
rund 950 Bestimmungen (570 langobardisch, 360 aus Kapitularien)umfassendes
Rechtsbuch des -> langobardischen Rechts, das langobardische Gesetze,
Kaisergesetze und im langobardischen Gebiet geltende Kapitularien zeitlich
geordnet zusammenstellt und in einer Expositio (Kommentar, Pavia, 11. Jh.,
genannt werden Bagelardus, Bonfilius, Lanfrancus, Sigefredus, Ugo, Walcausa,
Wilihelmus, dTW, do di, Da di, E, Elc, M, Quiul, Vr) und einer Reihe
glossierter Handschriften überliefert ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diurni, G.,
L’Expositio ad Librum Papiensem, 1976; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen,
TRG 71 (2003), 387
Liber (M.) sextus (lat.) ist das sechste Buch (zu den 5 Büchern des -> Liber
extra) kirchlicher Dekretalen (Papst Bonifaz’ VIII.) von 1298. Der L. s. fasst
die nach Gregor IX. ergangenen Dekretalen systematisch in 5 Büchern zusammen.
Zitiert wird der L. s. z. B. VI 1. 6. 26. -> Corpus iuris canonici
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102
libertas (lat. [F.]) Freiheit
Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas
naturalis, 1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C.,
Freiheit und libertas, ZRG 104 (1987), 84
Libertas (F.) ecclesiae (lat.) ist die von der Kirche im 11. Jh. geforderte
Freiheit von der weltlichen Gewalt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach, G.,
Libertas, 1936; Szabo-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985
Libertät ist die verhältnismäßige Freiheit der Reichsstände des
Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) in der frühen Neuzeit (Wahlrecht,
Wahlkapitulation, Glaubensfreiheit).
Lit.: Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät
und habsburgisches Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999
libra (lat. [F.]) Waage (im römischen Recht eine wichtiges Instrument zur
Durchführung von Libralgeschäften wie z. B. -> Manzipation)
Lit.: Köbler, DRG 25
Libralgeschäft ist im römischen Recht das mit der Waage (lat. [F.]
libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgeltes bei der ->
Manzipation).
Lit.: Kaser § 7 I
Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind die im 11./12. Jh. entstandenen und im
12./13. Jh. in mehr als 150 Handschriften aufgezeichneten und zu den wichtigen
Rechtsquellen gerechneten -> Lehnsrechtsbücher des langobardischen Lehnsrechts
(Obertische Rezension Mailand vor 1158 7 Handschriften, Ardizonische Rezension
(benannt nach Jacobus de Ardizone) Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften,
Vulgata [Accursius’] Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf
Lehnsgesetzen Konrads II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und
Friedrichs II. Sie werden später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56
Titel gegliedert und seit der Mitte des 13. Jh.s in das sog. -> Volumen der
justinianischen Kompilation aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106; Kaiserliches
Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann, 1494,
Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht, 1896; Weimar, P., Die
Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale di Diritto Comp. 1
(1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische Schrift von etwa 790/1)
Lit.: Freeman, A., Theodulf of Orléans and the Libri
Carolini, Speculum 32 (1957), 663; Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini,
1966
Libri (M.Pl.)
terribiles (lat.) sind die das Strafrecht
behandelnden (schrecklichen) Bücher 47, 48 der -> Digesten.
Lit.: Köbler, DRG 56
libripens (lat. [M.])
Waagehalter beim Libralgeschäft
Lit.: Kaser § 7, 2
Libro do Leyes ist die von dem spanischen Juristen Alonso Díaz de
Montalvo (1405-1499) verfasste Sammlung kastilischen Rechtes des späten
Mittelalters (ordenamiento von 1484). -> Compilación de Leyes
Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas,
1991, 53
Licet iuris (lat.) ist das nur literarisch überlieferte Reichsgesetz
des Heiligen Römischen Reiches über die Königswahl vom 4. 8. 1338, nach dem
allein die deutsche Königswahl ohne jede päpstliche Mitwirkung den Anspruch auf
das Kaisertum begründet und deshalb der Gewählte alle Reichsrechte im Reich
ausüben darf (, obwohl der Kaisertitel erst durch die Kaiserkrönung legitimiert
wird).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109; Stengel, E.,
Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte, 6, 1 1930,
157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200
Lidlohn ist seit dem 14. Jh. der Entgeltanspruch für
Dienstleistungen der Dienstboten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn,
Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978)
Liebe
Lit.: La Croix,
A. de, Liebeskunst und Lebenslust, 2003
Liebermann, Felix (Berlin 20. 7. 1851-7. 10. 1925 [von Automobil
überfahren]), Textilfabrikantensohn, Bruder Max Liebermanns, wird nach dem
Studium der Geschichte in Göttingen (Waitz) Privatgelehrter (1896 titulierter
Professor). 1903ff. veröffentlicht er die nach anderen Editionen maßgebliche
Ausgabe der Gesetze der -> Angelsachsen.
Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix Liebermann, ZRG GA
46 (1926), XXIII
Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und Österreich gelegene
Fürstentum, das sich seit 1699/1712 aus den Herrschaften Vaduz und Schellenberg
entwickelt und 1806 souverän wird (bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes, 1984
160 Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern). 1808 erstellt Landvogt Joseph
Schuppler eine Erbfolgs- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung, 1809 den
Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch. Durch Patent vom 18. 2. 1812 übernimmt
L. das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne Erbrecht, 1846
auch dessen Erbrecht. Seit 1918 wendet sich L. von Österreich ab und der
Schweiz zu. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem Fürsten bedeutende Rechte
gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als demokratisch angesehene) Regierung
belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Falke, J., Geschichte
des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.; Raton. P.,
Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1827; Das Fürstentum Liechtenstein, hg. v. Müller, W., 1981; Liechtenstein,
hg. v. Press, V. u. a., 1987; Der ganzen Welt ein Lob und Spiegel, hg. v.
Oberhammer, E., 1990; Bradke, S., 75 Jahre Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein,
1998; Korfmacher, N., Der Landtag des Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine
Zivilrechtsordnung für Liechtenstein, hg. v. Berger, E., 1999; Götzenberger,
A., Steueroase Liechtenstein, 2000; Meili, A., Geschichte des Bankwesens in
Liechtenstein (1945-1980), 2000; Winkler, G., Die Verfassungsreform in
Liechtenstein, 2003; Zimmermann, G., Die Entwicklung der internationalen
Rechtshilfe, Diss. jur. Innsbruck 2003
Liegenschaft ist eine ältere Bezeichnung für -> Grundstück. Für das
Recht der L. ist von besonderer Bedeutung das -> Grundbuch.
Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T.,
Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die
altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der
Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1
Liegnitz an der Katzbach ist der 1149 bezeugte Ort, der bald Sitz
einer Linie der Herzöge von Schlesien wird und 1252 Stadtrecht erlangt. Am Ende
des 14. Jh.s (1399) verfasst Nikolaus -> Wurm das in Frage und Antwort von
Schüler und Lehrer gegliederte, in 30 Artikeln unvollendete Liegnitzer
Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist
Liegnitz Sitz einer Universität.
Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971;
Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58
Liga ist eine Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische L.
ist die am 10. 7. 1609 abgeschlossene Vereinigung katholischer Reichsstände.
Lit.: Hartung, F., Deutsche
Verfassungsgeschichte , 9. A. 1969, 15
ligius -> homo ligius
Ligurien ist die um Genua liegende norditalienische Landschaft, die
über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken zum deutschen Reich
gelangt. Seit dem frühen 11. Jh. wird -> Genua führend. 1815 kommt das
Herzogtum Genua zum Königreich -> Sardinien.
Lit.: Meyer, H., „Ligurisches“ Erbrecht, ZRG GA 50 (1930), 354; Airaldi,
G., Genova e la Liguria, 1986
Lille
Lit.: Monier, R., Le Livre Roisin de la fin du 13e siècle, 1932;
Monier, R., Les lois, enquêtes et jugements des pairs du Castel de Lille, 1937
Limburg
Lit.: Rechtsbronnen van het Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de
Limpens, K., 1977
Limes (lat. [M.])
Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen Brohl (bei Koblenz) und
Eining (bei Regensburg) ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt seit 260 n. Chr.)
Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher;
Baatz, A., Der römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003
Limnaeus (Wirn), Johannes (Jena 5. 1. 1592-Ansbach 13. 5. 1663),
Mathematikprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und
Altdorf 1623 Erzieher, Hofmeister und Rat. Er entwickelt ein System des
Staatsrechts (Iuris publici Imperii Romano-Germanici libri [M.Pl.]
IX, 1629ff.) auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. [M.])
status mixtus (gemischten [dualistischen] Staat).
Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die
Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968
Lindau
Lit.: Stolze, A., Der Sünfzen zu Lindau, 1956; Niederstätter, A.,
Kaiser Friedrich II. und Lindau, 1986
Linden, Johannes van der (Zuid-Scharwoude 1756-Amsterdam 1835)
wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und 1827 Richter. Bedeutsam
ist seine Übersicht über das römisch-holländische Recht (Rechtsgeleerd
practicaal en koopmans handboek, 1806).
Lit.: Roberts,
A., A South African Legal Bibliography, 1942, 190; Kop, P., Linden, in: Zestig
juristen, 1987, 196
Lindenbrog, Friedrich (Hamburg 28. 12. 1573-9. 9. 1648), Historikerssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Leiden gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht
1602 die -> Lex Salica mit Glossen und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum
antiquarum (mit 11 Volksrechten usw.).
Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten Lindenbrogiorum,
1723; Wieacker, F., Privatrechtgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 212
Linealfolge (Erbfolge nach Linien)
Linealgradualordnung (erbliche Ordnung nach Linien und Graden)
Lingen
Lit.: Cramer, W., Geschichte der Grafschaft Lingen, 1940; Lingen 975-1975,
hg. v. Ehbrecht, W. u. a., 1975
Linz
Lit.: Rausch, W., Handel an der Donau 1, 1969; Linz zwischen Demokratie
und Diktatur, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2006
Lippe ist ein deutsches Fürstentum (1900 1215 qkm, 138000
Einwohner) eines 1123 erstmals nachweislichen adligen Geschlechtes, das am 12.
11. 1918 Freistaat wird, der am 21. 1. 1947 in Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der Fall
Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe, 1937; Ebert,
B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, in: Mitt. aus der Lipp.
Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957; Benecke,
G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der Grafschaft
Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Bartels-Ishikawa,
A., Der Lippische Thronfolgestreit, 1995
Lipski, Andrzej (1572-1631) wird nach dem Rechtsstudium in
Straßburg und Heidelberg 1601 Sekretär des Königs von Polen, Assessor, 1617
Bischof, 1620 Großkanzler und 1630 Bischof von Krakau. Er veröffentlicht 1602
(lat.) Practicarum observationum ex iure civili et saxonico
centuria (F.) prima (Erstes
Hundert praktischer Beobachtungen aus dem römischen und sächsischen Recht)
(1619 centuria secunda).
Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis Observationes practicae, in: Czasopismo
Prawno-Historyczne 41 (1989), 69
lis (lat. [F.]) Streit, Rechtsstreit (Gen. litis)
Lissabon am Tejo geht auf vorrömische Spuren zurück (römisch
Felicitas Julia). 1147 erobert es König (1139) Alfons I. (von Portugal) von den
Mauren (715/6). 1179 erhält es ein Foralrecht (Stadtrecht). 1260 wird es
Residenz. Seine 1288 gegründete Universität wird 1308 nach Coimbra verlegt.
List, Friedrich (Reutlingen 6. 8. 1789-Kufstein 30. 11. 1846),
Professor der Nationalökonomie in Tübingen (1817-1820), nach Verurteilung wegen
Staatsverbrechens seit 1830 im Dienst der Vereinigten Staaten von Amerika,
fördert als führender Wegbereiter der historischen Schule der deutschen
Nationalökonomie den Deutschen -> Zollverein und den Eisenbahnbau (Das
nationale System der politischen Ökonomie, 1841).
Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956
Liszt, Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim 21. 6. 1919),
Generalstaatsanwaltssohn, Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird nach dem
Rechtsstudium (1869) in Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg , Promotion
(1874) und Habilitation (Graz 1876) Professor für -> Strafrecht in Gießen
(1879), Marburg (1882), Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von der
Aufklärung geprägten, kriminalsoziologischen Marburger Programm (Der Zweckgedanke
im Strafrecht, 1882) sieht er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt)
beeinflusst an und will nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf
den Täter wegen seines sozialschädlichen Verhaltens durch zweckmäßige
Behandlung einwirken, wobei er spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert
(Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten,
verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft
eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt werden). In
seinem Lehrbuch des Strafrechts (25. A. 1927) stellt er die
liberalrechtsstaatliche, praktische Strafrechtsdogmatik seiner Zeit ausführlich
dar. 1889 ist er Mitbegründer der -> Internationalen Kriminalistischen
Vereinigung.
Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von Liszt,
in: Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von Liszt
und das Gesetzlichkeitsprinzip, 1996; Herrmann, F., Franz von Liszt und sein
Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001, 2854
Litauen ist das von baltischen Litauern beiedelte Gebiet an der
oberen Memel und Düna, das 1316-1340 Ausgangspunkt eines größeren, 1386 mit
Polen vereinigten Reiches wird (Personalunion 1386-1387, 1447-1492, 1501-1506,
Nebenlinie 1387-1447, 1492-1501). Bei der Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795
an Russland. Im Februar 1918 erlangt es Unabhängigkeit. 1923 besetzen
Freischärler Litauens das seit 1919 unter alliierter Verwaltung stehende,
überwiegend deutsch besiedelte Memelgebiet und gliedert L. das Gebiet ein. 1940
wird es der Sowjetunion eingegliedert, die es am 6. 9. 1991 wieder freigibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche Zeitschrift
für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein Lettlands u. a.
Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei litauischen
Statute von 1519 – 1566 – 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte Litauens, 4. A.
1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt
der Mächte, 1997; Rowell, S., Lithuania Ascending, 1994; Mast, P, Ost- und
Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000; Holocaust in Litauen, hg. v.
Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die Verfassungskrise im Memelgebiet
1931/1932, 2005; Hoffmann, T., Der Landrechtsentwurf David Hilchens von 1599,
2007
Lite (M.) Freigelassener,
Höriger
Lit.: Kroeschell, DRG 1
litemonium (mlat. [N.]) Freigelassenenabgabe
Litis contestatio (lat. [F.]) (Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im
Verfahrensrecht. Sie begegnet im altrömischen Recht nach der Feststellung des
Verfahrensprogrammes durch den Magistrat. Mit der l. c. (Vertrag, str.)
unterwerfen sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters
(lat. [M.] iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte
Recht ausgeschlossen ist. Im klassischen römischen Recht werden die
Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist
schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der
Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung
verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die
Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im
römisch-kanonischen Verfahren des Spätmittelalters erfolgt nach Abschluss des
Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene
Gegenbehauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht
(Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht
wird die l. c. im Antworttermin durch Einlassung des Beklagten und den
Kalumnieneid durchgeführt. Im 19. Jh. übernimmt die amtliche Zustellung
(Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der überwiegend aufgegebenen l.
c.
Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der
kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck
1970; Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen
Zivilprozess, 1968
Litis denuntiatio (lat. [F.]) ist die Streitansage einer Partei im spätantiken
römischen Verfahrensrecht.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
Litiskreszenz ist das Anwachsen des Streitgegenstandes im römischen
Verfahrensrecht. Bereits im altrömischen Recht kann ein gleichbegüterter
Dritter für einen Ergriffenen als „Gewaltsager“ (lat. [M.]
vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch es zum Streit
zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich
die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann, verdoppelt. Die L.
findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.) actio (F.) iudicati
und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des römischen Rechtes
wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter nicht
übernommen.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III 1, 85 II 1; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20, 33, 49, 166
Littera (F.) Bononiensis (lat.) ist die (nicht völlig einheitliche) Bologneser
Fassung (Vulgatafassung) der justianischen Rechtstexte.
littera (F.) Pisana (lat.) ->
Florentina
Litteralkontrakt (M.) -> Litteralvertrag
Litteralvertrag ist im klassischen römischen Recht eine nur kurze Zeit
geübte Vertragsart, bei der die Verbindlichkeit (Obligation) durch einen
Schriftakt (lat. [F.] transscriptio) entsteht.
Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II;
Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 45, 62
Littleton, Sir Thomas (1402-23. 8. 1481) ist der englische Anwalt
und Richter (1455), der das erste umfassende, in Rechtsfranzösisch (Law French)
geschriebene, systematische Lehrbuch des englischen Rechts (einschließlich des
Lehnrechts) in drei Büchern verfasst (Of Tenures, 1481).
Lit.: Wambaugh, E., Littleton's Tenures, 1903; Levy-Ullmann, H., The
English Legal Tradition, 1935
Livland ist das von (ostseefinnischen) Liven bewohnte, zu Anfang
des 13. Jh.s vom Schwertbrüderorden (um 1202-1237) bzw. Deutschen Orden
unterworfene Gebiet am Rigaischen Meerbusen, mit dem sich der dritte Bischof
Livlands vom Reich belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof dem
Schwertbrüderorden ein Drittel des eroberten Gebietes ab, bleibt aber Lehnsherr
bis 1356. 1526 wird der livländische Ordensmeister Reichsfürst, 1561 scheidet
er aus dem Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aus. 1629 kommt das auf
seinen mittleren Teil verkleinerte Gebiet an Schweden, 1710/1721 an Russland.
1918/1820 wird L. zwischen Lettland und Estland geteilt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das liv- und
estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte
Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Transehe-Roseneck, A. v., Zur
Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die altlivländischen Bauerrechte,
hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der livländischen Geschichte 23
(1924-1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die Entstehung der
Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der livländischen Geschichte
23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage in der Politik der
livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das Reich, 1989; Herzog
Albrecht von Preußen und Livland (1557-1560). Regesten, bearb. v. Hartmann, S.,
2006
Livländischer Spiegel ist die von einem unbekannten Verfasser vermutlich im 14.
Jh. geschaffene, ursprünglich mittelniederdeutsche Bearbeitung des
Sachsenspiegels für Livland. Der l. S. sondert 95 Artikel des Landrechts des
-> Sachsenspiegels (1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und belässt nur 34
Artikel unverändert. Der l. S. folgt dem waldemar-erichschen Lehnrecht für
Estland und dem ältesten livländischen Ritterrecht nach und wird im wieck-öselschen
Lehnrecht als Buch 1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das mittlere
livländische Ritterrecht verdrängt. Dieses geht über das livländische, estländische
und kurländische Privatrecht von 1864 in das lettländische Zivilgesetzbuch von
1937 ein, das bis 1940 Geltung hat.
Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und
kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher,
1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA
50 (1930), 171
Livres de Jostice et de Plet sind
eine französische -> coutume aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits
römisches Recht aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, Li
Livres de Justice et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d’histoire du droit,
Bd. 3 1959, 1
Lizentiat ist der wissenschaftlich Gebildete, der die Prüfung der
(lat. [F.]) licentia bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. [M.])
-> baccalaureus und (lat. [M.]) -> doctor.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T., Die
Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das juristische
Studium in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85
Locatio (lat. [F.]) conductio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Miet- bzw. Pachtvertrag (l. c.
rei), der Dienstvertrag (l. c. operis) und der Werkvertrag (l. c. operarum).
Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. [N.])
-> bonae-fidei-iudicium ausgestattet. Im spätantiken römischen Recht wird
sie wegen des Kolonates bedeutungslos.
Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG 44f., 64, 215;
Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Locator (lat. [M.]) ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der
Ostsiedlung, der später vielfach Gutsherr wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das Unternehmertum,
1894; George, R., Die Großunternehmer in der ostdeutschen Kolonisation, Diss.
phil. Münster 1948
Loccenius, Johannes (1598-1677) wird nach dem Rechtsstudium in
Helmstedt und Rostock 1625 Professor in Uppsala. In seiner (lat.) Synopsis (F.)
iuris ad leges Sueticas accomodata (Zusammenschau des Rechts unter Bezug auf
die schwedischen Gesetze) (1648) stellt er das römische Recht in Beziehung auf
Schweden dar.
Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985
Locke, John (Wrington 29. 8. 1632-Oates 28. 10. 1704) wird nach
dem Studium von Philosophie und Medizin in Oxford Lehrer und Berater auf der
Grundlage der Vorstellungen -> Bacons. Nach vierjährigem Aufenthalt in
Frankreich und sechsjährigem Exil in den Niederlanden entwickelt er 1690 die
Erkenntnistheorie des Empirismus, die durch viele einzelne Erfahrungen zu allgemeinen
Zusammenhängen kommt. In seinen Two treatises on government (Zwei Abhandlungen
über die Regierung, 1690) fordert er die Beschränkung der Macht des (nicht von
Gott ableitbaren absoluten) Monarchen und daraus folgend die Teilung der Gewalt
im Staat zur Sicherung der persönlichen Freiheit und des Eigentums des Bürgers
in Legislative (Gesetzgebung) und Exekutive (Ausführung).
Lit.: Köbler, DRG 148, 190; Euchner, W., Naturrecht und
Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen über die Regierung, hg. v.
Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A. 1985; Specht, R., John
Locke, 2. A. 2007
Logik
Lit.: Hruschka, J., Das deontologische Sechseck bei Gottfried Achenwall,
1986 (SB Göttingen)
Lohn ist das (vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder
einen Erfolg). Der L. findet sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen.
In der Geldwirtschaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit
oder von der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im
Arbeitsverhältnis.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und
Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung,
1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, in: Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 161
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die Fortzahlung des Lohnes eines
Bediensteten trotz Krankheit in der Bundesrepublik Deutschland seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s (27. 7. 1969, Entgeltfortzahlungsgesetz 1994).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273
Lohnkämpfer ist der gegen Lohn handelnde, in Früh- und Hochmittelalter
auftretende Zweikämpfer (z. B. bei den Langobarden 731).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 296
Lohnsteuer ist die den -> Lohn des Arbeitnehmers erfassende ->
Steuer, deren erste Ansätze in Württemberg 1764 und in Preußen 1808 sichtbar
werden.
Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6
Loi de Beaumont ist das Privileg des Erzbischofs von Reims für das von ihm
zur Stadt erhobene Beaumont-en-Argonne, das allmählich auf mehr als 500 Orte
erstreckt wird.
Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du
droit Français, 2. A. 1951, §§ 118f.
Loisel, Antoine (Beauvais 1536-Paris
1617) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (Cujas), Cahors, Bourges, Paris,
Valence und Bourges Advokat. Um 1600
erarbeitet er die Institutes coustumières aus den verschiedenen französischen
-> coutumes, damit im Falle einer Lücke eines örtlichen Gewohnheitsrechts
auf den Rückgriff auf das römische Recht verzichtet werden kann.
Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel,
1876; Reulos, M., Étude sur l’esprit, les sources et la méthode des Institutes
coutumières d'Antoine Loisel, Diss. jur. Paris 1935
Lokator -> locator
Lombarda ist eine in ihren ältesten Handschriften aus dem
ausgehenden 11. Jh. überlieferte, in Norditalien (Pavia?) entstandene
systematisierte, in drei Bücher geteilte Fassung des Stoffes des -> Liber
Papiensis. Die L. wird bald kommentiert und um 1215 von -> Karolus de Tocco
umfangreich glossiert.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des Ariprand
und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadt-Kommune, 1967; Padao Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219,
Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387
Lombardei ist das Gebiet zwischen Alpen und Po mit dem Mittelpunkt
-> Mailand, das am Ende der Völkerwanderung (568) von -> Langobarden
besiedelt wird, im Hochmittelalter aber in Herrschaften verschiedener ->
Kommunen (Städte) zerfällt. 1714 gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien
und damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lattes, A., Il diritto consuetudinario
delle città lombarde, 1899; Jarnut, J., Bergamo, 1979; Mozzarelli, C., Sovrano,
società e amministrazione locale nella Lombardia Teresiana, 1982; Chiappa
Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990; Massetto, G., Saggi di storia
del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994 (Aufsätze)
Lombarde (im Hochmittelalter) italienischer Kaufmann und
Geldwechsler
Lit.: Piton, C., Les Lombards en France, 1892
Lombroso, Cesare (Verona 18. 11. 1836-Turin 19. 10. 1909),
Professor für Gerichtsmedizin in Pavia und Turin, sieht auf Grund
experimenteller Betrachtungen die Ursache von Verbrechen in erblichen
physio-psychischen Abweichungen des Täters von der Normalität.
Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso, 1975
London an der Themse erscheint 61 n. Chr. als römisches Lager
Londinium. Im 12. Jh. wird es Vorort Englands. 1829 erhält es eine Universität.
Lit.: Weinbaum, M.,
Verfassungsgeschichte Londons 1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter
Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933; London possessory assizes, a calendar, hg. v.
Chew, H., 1965; Baker, T., Medieval London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der
Nacht, 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare
Spekulanten, 2003; Tucker, P., Law courts and Lawyers in the City of London
1300-1550, 2007
Longi temporis
praescriptio (lat. [F.])
ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus provinzieller Praxis
heraus anerkannte Einrede langer Zeit, bei der ungestörter Besitz nach
rechtmäßigem Beginn (lat. iustum initium [N.])
während 10 bzw. 20 Jahren eine eigentumsähnliche Stellung verschafft. Im
spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von 40 bzw. 30 Jahren die ->
Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von 10 bzw. 20 Jahren mit
Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und Fiskalgut) im Gegensatz zur
(lat. [F.]) -> usucapio bei beweglichen Sachen.
Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III,
28 II, 31 III 4; Köbler, DRG 40, 61
López de Tovar, Gregorio (1496-1560) wird nach dem Studium von Recht und
Philosophie in Salamanca Bürgermeister, Verwalter, Anwalt, Richter und Rat.
1555 veröffentlicht er die -> Siete Partidas in einer klareren Fassung.
Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio López de Tovar, 1960
Lord (engl.) Herr, Baron
Lit.: Powell, J./Walles, K., The House of Lords, 1968
Lorsch
Lit.: Die Reichsabtei Lorsch, hg. v. Knöpp, F., 1973; Codex
Laureshamensis (Faksimileausgabe), 2002
Los ist ein Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch Zufall.
Es ist bereits dem Altertum (biblische Landteilung) und den Germanen bekannt
(Tacitus, Germania 10, 26). Selbst in der Gegenwart entscheidet bei
Stimmengleichheit vielfach das L. Im Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine
auf einen Spielvertrag gegründete Gewinnchance.
Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d. Akad.
d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989,1994
Lösegeld ist die für eine Befreiung eines Menschen aus
Gefangenschaft erforderliche Geldsumme. Das L. findet sich bereits in 3. Moses
25, 49 und ist auch dem römischen Recht bekannt. In der Neuzeit bilden sich
Kataloge für Lösegelder entsprechend dem militärischen Rang des Gefangenen aus.
Lit.: Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978
Lösungsrecht ist allgemein das Recht, sich von einer Rechtsfolge (durch
Geldleistung) zu lösen. Das L. der Juden ist das den Juden im Mittelalter
gewährte Recht, gestohlene Sachen, die sie erworben oder zu Pfand erlangt
haben, zu behalten, sofern sie nicht Ersatz des Kaufpreises oder der Schuldsumme
bekommen. -> Hehler
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W., Antikes
Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G. Kisch,
1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991
Lothar (III.) von Süpplingenburg (Anfang Juni 1075-Breitenwang 3./4. 12.
1137) ist der ohne männlichen Erben verstorbene deutsche König bzw. Kaiser
(1133) zwischen -> Saliern (1125) und -> Staufern (1137). Er hält sich
überwiegend im Norden auf und fördert die -> Ostsiedlung.
Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und
Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die
Mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich,
2000
Lotharingien -> Lothringen
lotharische Legende ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon) belegte Legende,
dass Kaiser -> Lothar (III.) von Süpplingenburg das römische Recht 1135 nach
der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz in Deutschland eingeführt habe. Sie wird
1643 durch Hermann -> Conring (1606-1681) in der Schrift (lat.) De origine
iuris Germanici (Vom Ursprung des deutschen Rechts) widerlegt.
Lit.: Köbler, DRG 142
Lothringen ist das an das 843 gebildete Mittelreich Kaiser Lothars I.
bzw. das hieraus durch weitere Teilung entstandene Königreich seines Sohnes
Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien) an Mosel und Niederrhein
(Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und Niederlothringen 959). Es
gelangt 1648 bzw. 1738/1766/1801 an Frankreich und 1870/1801-1919 nochmals vorübergehend
(Reichsland Elsass-Lothringen) an das Deutsche Reich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Fitte,
S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum deutschen
Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine, 1898; Opel,
H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum deutschen
Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare, R.,
Les plaids annaux à Lixheim au 18ème siècle, ZRG GA 80 (1963), 118; Hlawitschka,
E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium, 1973; Thomas,
H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen, Rhein. Vjbll.
38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen, 1979ff.; Nonn,
U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M., Austrasie,
Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien im 10.
Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R.,
Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997
Lotmar, Philipp (Frankfurt am Main 1850-Bern 1922),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Göttingen (Ihering)
und München (Brinz) Professor in Bern und begründet mit seinem Buch „Der
Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des deutschen Reichs“ (Bd. 1f. 1902ff.) die
Wissenschaft des Arbeitsrechts mit.
Lit.: Lotmar, P., Schriften zu
Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v. Rückert, J., 1992; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H., 1993, 331; Gasser, C.,
Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar (1850-1922, hg. v. Caroni,
P., 2003
Lotterie ist das in Form von bestimmten Verträgen betriebene Spiel.
Die L. ist bereits im römischen Altertum bekannt. Seit 1444 (Niederlande)
finden erneut Lotterien statt. Zeitweise werden sie bekämpft (19. Jh.).
Lit.: Endemann, F., Beitrage zur
Geschichte der Lotterie, 1889
Löwen (Leuven, Louvain) an der Dijle erscheint im 12. Jh. als
ummauerter Ort. 1425/1426 wird es Sitz einer am Ende des 18. Jh.s (1793) geschlossenen,
1834 neugegründeten (katholischen) Universität. 1970 kommt eine zweite
Universität hinzu.
Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980;
Roegers, J./Lamberts, E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar
universiteit, 1976
Löwenstein
Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der
Grafschaft Löwenstein, 1986
Lübeck an der Trave ist die in der zweiten Hälfte des 11. Jh.s
erstmals erwähnte Siedlung, die nach Verlegung und bedeutender Förderung durch
Heinrich den Löwen 1226 Reichsstadt wird. Lübecks Recht wird um 1225 lateinisch
und um 1240 mittelniederdeutsch aufgezeichnet (-> lübisches Recht). Am 1.
4. 1937 verliert L. durch Reichsgesetz seine Selbständigkeit innerhalb des
Deutschen Reiches zugunsten -> Preußens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof), 1839; Urkundenbuch
der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung einiger
bemerkenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner Artikel des
ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker
Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern,
1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische
Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978; Winterfeld,
L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der
Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25
(1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Rörig,
F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel, W.,
Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W.,
Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von
Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W.,
Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel,
W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in
Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd.
1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O.,
1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel
1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur.
Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder
Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im
19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt
in der Zeit von 1285-1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfassungsgeschichte
Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a.,
1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das
Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, in: Der Ostseeraum, hg. v.
Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19.
Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp
an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und
Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986; Lübeckische
Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M., Der Rat der
Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur
Reformation, 2003; Societates. Das verzeichnis der Handelsgesellschaften im
Lübecker Niederstadtbuch 1211-1361, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische
Justizverfassung in den Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815),
2007
Lübisches Recht (lat. ius [N.]
Lubicense, 1188) ist das von der Stadt -> Lübeck geschaffene und auf etwa
100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel, Stralsund, Elbing, Reval,
Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit geht sein Einfluss dadurch
zurück, dass die umliegenden Landesherren die -> Appellation nach Lübeck
verbieten. Das revidierte lübeckische Stadtrecht von 1586 gilt bis Ende 1899,
l. R. überhaupt in Reval bis 1945.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche Recht in
der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53,
27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W., Lübisches
Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im lübischen
Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis, 1980; Das
lateinische lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des 13.
Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der Revaler
Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998
Lublin
Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu deutschem
Recht 1317/1342, 1942; Gebhard, J., Lublin, 2006
Lucca ist eine auf etruskischen und römischen Siedlungen
aufbauende Stadt in der Toskana, die 1119 frei wird. 1314 gelangt L. an Pisa,
wird 1370 aber nochmals frei. 1805 gibt Napoleon L. an seine Schwester, 1815
fällt L. als Herzogtum an Maria Luise von Etrurien, deren Sohn es 1847 an ->
Toskana gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzmaier, H., Lucca
und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,168, 3,1,168; Lucca e l’Europa, hg. v.
Mazzei, R. u. a., 1990; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005
Lucerna (F.) iuris (lat.) (Leuchte des Rechts) ist eine Bezeichung für ->
Irnerius.
Lit.: Köbler, DRG 106
Ludewig, Johann Peter (Hohenhard 15. 8. 1668-Halle 7. 9. 1743)
wird nach dem Studium von Theologie, Philologie und Recht in Halle (Stryk)
Professor für Philosophie (1695), Historiograph (1704) und Professor der
Rechtswissenschaft (1705). Er bearbeitet in erster Linie die Geschichte der staatlichen
und staatsrechlichen Entwicklung (Reichshistorie) aus preußischer
Interessenlage (Entwurf der Reichshistorie, 1707).
Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de Ludewig,
1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1
1988, 302
Ludwig XIV. (Saint-Germain-en-Laye 5. 9. 1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich seit 1643 (Sonnenkönig),
steigert die sich auf spätmittelalterlich-italienische Ansätze (->
Machiavelli) stützende Lehre von der uneingeschränkten Herrschaft des
Herrschers zu einem fast religiösen Dogma (-> Absolutismus). Am Ende seiner
auch von Eroberungskriegen (1667-1697) gekennzeichneten Regierungszeit steht
Frankreich trotz merkantilistischer Politik vor dem Bankrott.
Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B.,
Ludwig XIV., 1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994
Ludwig der Bayer (Ende 1281?-Puch bei Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus
dem Geschlecht der -> Wittelsbacher ist deutscher König (1314) und Kaiser
(1328). Mit Hilfe des Kurvereins von -> Rhens und des Reichsgesetzes (lat.)
-> Licet iuris versucht er die Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen
gegenüber dem Papst.
Lit.: Köbler, DRG 101; Fischer, J., Das ältere Rechtsbuch Ludwig des
Bayern, 1908; Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller,
R., Ludwig der Bayer und die Kurie, 1914; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der
Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959), 173; Schwöbel, H., Der diplomatische
Kampf zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie, 1968; Benker, G.,
Ludwig der Bayer, 1980; Thomas, H., Ludwig der Bayer, 1993; Regesten Kaiser
Ludwigs des Bayern, hg. v. Acht, P., 1995ff.; Kaiser Ludwig der Bayer, hg. v.
Nehlsen, H./Hermann, G., 2002
Ludwig der Deutsche
Lit.: Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im
ostfränkischen Reich, 2002; Hartmann, W., Ludwig der Deutsche, 2002; Ludwig der
Deutsche und seine Zeit, hg. v. Hartmann, W., 2004
Ludwig der Fromme (Casseneuil 778-Ingelheim 20. 6. 840) ist der Nachfolger
Karls des Großen.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die
Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne’s
Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996;
Depreux, P., Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, 1997; Landau, P.,
Ludwig der Fromme als Gesetzgeber, FS Kleinheyer Gerd 2001, 371
Luft -> Stadtluft
Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht
(1919-1937), 2003
Luft macht frei. -> Stadtluft
Lit.:Deutsche
Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231
(Grimm)
Luftrecht ist das Recht des Luftverkehrs, das sich im 20. Jh.
entwickelt. -> Gefährdungshaftung
Lit.: Schwenk, W., Handbuch des
Luftverkehrsrechts, 1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer,
A., Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K.,
Die Entwicklung des Luftrechts, 2004
Lüge ist die bewusst
unwahre Aussage oder Behauptung (z. B. E sagt zu F, D habe einen Antrag
gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt hat). Die L. ist geschichtlich so
alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist rechtlich nicht bedeutsam, doch kann
die L. Teil eines Betruges oder eines anderen rechtlich erheblichen
Sachverhaltes bzw. Tatbestandes sein. -> Gegen den Lügner ...
Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v.
Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge,
1997; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge,
hg. v. Mayer, M., 2003
Lügenstrafe ist in der frühen Neuzeit eine Strafe für das Lügen oder
das Verweigern einer Aussage im Strafprozess. Die L. tritt im 18. Jh. an die
Stelle der -> Folter. Sie besteht meist in einer Prügelstrafe. Seit der
Mitte des 19. Jh.s wird die L. aufgegeben.
Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe’ nach
Abschaffung der Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974
Lund wird 1019 vom König von Dänemark gegründet. 1048 wird es
Sitz eines Bischofs, 1103 (bis 1516) Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es an
Schweden, erhält 1668 eine Universität und ist von 1716-18 Residenzstadt.
Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den historika skolan och Lund, hg. v.
Modéer, K., 1982
Lüneburg an der Ilmenau ist eine landesfürstliche und für das
zugehörige Herzogtum namengebende Stadt, deren Rechtsstellung zeitweise der
einer freien Reichsstadt ähnelt. 1577 wird das Stadtrecht reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim,
M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Haase, C., Das
Lüneburger Stadtrecht, Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die
Lüneburger Stadtrechtsreformation (1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Thurich, E., Die Geschichte des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt,
C., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983;
Mellinger, J., Atlas des Fürstentums Lüneburg um 1600, 2001
Lünig, Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig 14.
9. 1740) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hofmeister, Amtmann
und Stadtschreiber. Er veröffentlicht zahlreiche Quellen zu Staatsrecht und
Staatenkunde (u. a. Teutsches Reichsarchiv).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 235, 265,
309
Lupold von Bebenburg (um 1300-Bamberg 1363), Reichsministerialensohn (von
Bemberg bei Gerabronn), wird nach dem Studium des Kirchenrechts und der
Promotion in Bologna (Johannes Andreae) Offizial (Domherr) in Würzburg (1332) und
Mainz und Bischof von Bamberg (1353). Sein (lat.) Tractatus (M.) de iuribus
regni et imperii (1339, Abhandlung von den Rechten des Königtums und
Kaisertums) spricht dem deutschen Kaisertum Unabhängigkeit vom römischen
(päpstlich verliehenen) Kaisertum zu.
Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold
von Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v.
Miethke, J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg.
v. Miethke, J., 2005
Luschin von Ebengreuth, Arnold (26. 8. 1841-Graz 6. 12. 1932) wird nach dem
Rechtsstudium 1873 außerordentlicher Professor und 1881 ordentlicher Professor
der österreichischen und deutschen Reichs- und Rechtsgeschichte in Graz. 1896
veröffentlicht er eine österreichische Reichsgeschichte.
Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von
Ebengreuth, ZRG GA 53 (1933), XXIX
Lusitaner (Lusitanier) ist
der Angehörige eines ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der
Römer, in der zweiten Hälfte des 5. Jh.s der -> Westgoten und seit 712 der
-> Araber gekommenen Volkes im späteren -> Portugal.
Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde,
Bd. II 2 1976
Luther, Martin (Eisleben 10. 11. 1483-18. 2. 1546),
Bergmannssohn, wird nach kurzem Studium des Rechts in Erfurt Theologe und
Professor in Wittenberg (22. 10. 1517). Durch seine 95 Thesen (1517) wird er
zum (erfolglosen) Reformator der katholischen Religion und (erfolgreichen)
Stifter des Protestantismus. Er gründet die Erlösung des Menschen statt auf
zuletzt käufliche, gute Werke (Ablasskauf) auf die göttliche Gnade. Er rechnet
zum (lat.) ius (N.) divinum (göttlichen Recht) nur das Predigtamt, die Taufe,
das Abendmahl und die Sündenvergebung. Dem Vollzug dient das menschliche
Kirchenrecht (Amt, Dienst, Abgabe usw.). Sprachgeschichtlich ist seine das
Neuhochdeutsche wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in das Deutsche besonders
bedeutsam (neues Testament September 1522, Fertigstellung der gesamten
Übersetzung 1534).
Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg. v.
Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur
Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin
Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das
Recht, NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997; Leppin, V-. Martin
Luther, 2006
Lüttich am Zusammenfluss von Ourthe und Maas wird 720 Sitz des
Bischofs von Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hélin,
E., Les capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Liège, hg. v. Stiennon, J.,
1991; Quellen zum Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, bearb. v.
Kranz, H., 2000
Luxemburg ist das nach einer 963 erwähnten Burg an der Alzette
benannte Herzogtum (1354) des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), das
1806 selbständig wird (1815 Großherzogtum, 1830 Anschluss an die Revolution
Belgiens, 1839 durch den Vertrag von London mit seinen deutschsprachigen Teilen
als Großherzogtum wiederhergestellt, 1866 Ausscheiden aus dem Deutschen Bund,
1867 gescheiterter Verkaufsversuch an Frankreich, gänzliche Unabhängigkeit,
1890 Personalunion mit den Niederlanden beendet). Seit 1918 verstärkt sich als
Folge der Niederlagen des deutschen Reiches in den beiden Weltkriegen der
Einfluss Frankreichs.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95, 172;
Wampach, C., Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen
Territorien, 1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg, 1937; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396; Pauly, M., Luxemburg im späten
Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur
Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19. und 20.
Jahrhundert, 1993; Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998; Franz, N., Die
Stadtgemeinde Luxemburg, 2001; Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in
Luxemburg, 1934
Luxemburger ist der Angehörige deer von den Herzögen von Lothringen
abstammenden Familie, die 1308 das Königtum im deutschen Reich erlangt
(Heinrich VII., Karl IV.), 1443 ihr Stammland Luxemburg aber an -> Burgund
verkauft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A.,
Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960;
Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch,
J., Die Luxemburger, 2000
Luxusverbot ist das Verbot unangemessenen Aufwandes. Es findet sich
bereits im Altertum. Von der Mitte des 14. Jh.s treten Luxusverbote gehäuft in
Städten und Ländern auf. Mit dem ausgehenden 18. Jh. verlieren sie an
Bedeutung. -> Kleiderordnung
Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public, Bd.
1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des
Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus,
1996; König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R.,
Luxuskritik und Aufwandsbeschränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber,
K., Luxus im alten Rom, 2003; Weeber, K., Luxus im alten Rom, 2006
Luzern am Ausfluss der Reuß aus dem Vierwaldstättersee wird in der
Mitte des 8. Jh.s Sitz eines St. Leodegar geweihten Klosters. 1178 wird L.
Stadt und kommt 1291 vom Abt von Murbach an König Rudolf von Habsburg. Am 13.
11. 1332 verbündet sich L. mit Uri, Schwyz und Unterwalden. 1386 gewinnt es die
Unabhängigkeit und wird dann Teil der -> Schweiz. 2002 erhält es eine
Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P.,
Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A., Die
Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die
luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt
Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis
zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur
ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder,
W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der
luzernischen Territorialppolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941),
119; Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Luzern (1831-1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,433; Lötscher, P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich
1982; Vom Gänsekiel zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die
Rechtsquellen des Kantons Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998
Lynchen ist das rechtswidrige Bestrafen (Hinrichten) eines Menschen
ohne rechtmäßiges Verfahren, insbesondere durch eine aufgebrachte Volksmenge.
Ohne sichere geschichtliche Herleitung (C. Lynch 1736-1796?) erscheint das L.
vor allem in der Mitte des 19. Jh.s in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Lit.: Cutler, Lynch law, 1905;
Chadbourn, J., Lynching and the law, 1933
Lykurg ist der sagenhafte Begründer der Verfassung von Sparta (8.
Jh. v. Chr.).
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17
Lynker, Nikolaus Christoph Freiherr von (Marburg 1. 4. 1643-Wien
28. 5. 1726) wird nach dem Studium von Philosophie und Sprachen in Jena und
Gießen und dem Rechtsstudium 1670 außerordentlicher Professor in Gießen, 1677
ordentlicher Professor in Jena und 1707 Reichshofrat in Wien.
Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von Lynker,
2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G., Consilia,
1970, 64
M
Machiavelli, Niccolò (Florenz 3. 5. 1469-22. 6. 1527), Beamtensohn,
wird 1498 Sekretär und danach Kanzler. 1512 seines Amtes enthoben, verfasst er
die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er als Bedingung
erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu
erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und
sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986;
Kersting, W., Niccolò Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A.
u. a., 1993; Niccolò Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca,
hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D.,
Niccolò Machiavelli, 2000; Berger Waldenegg, G., Krieg und Expansion bei
Machiavelli, HZ 271 (2000), 1; Landon, W., Politics, Patriotism and Language,
2005
Macht -> Gewalt
Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der Staaten, 1986; Mann,
M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a., 2000
Machtergreifung ist die Übernahme der Herrschaftsgewalt (z. B. der
Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer, Die
nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die
Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in
Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die
„Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme
1933, 2002
Machtspruch ist der eigenmächtige Eingriff eines Fürsten in die
Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. Er ist grundsätzlich der Idee der
Gerechtigkeit verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird der M. allmählich
als unzulässig angesehen (Preußen 1784, 1791, Österreich 1797). Das 19. Jh.
schließt ihn aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche und
Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171
Machtübernahme -> Machtergreifung
Maciejowski, Waclaw Alexander (1792-1883) wird nach dem Rechtsstudium
in Breslau, Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn, Hugo) Professor des
römischen Rechts in Warschau (1819-1831). Seit 1832 veröffentlicht er eine
slawische Rechtsgeschichte (1835 deutsch).
Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W.,
Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo
rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82
Madrid wird als maurische Festung Majerita 939 erstmals erwähnt.
1083 wird es unter Alfons VI. von den Christen erobert. 1309 treten hier die
Cortes erstmals zusammen. 1561 wird es Hauptstadt -> Spaniens. 1836 erhält
es die 1508 in -> Alcala de Henares gegründete Universität.
Lit.: Gibert, R., El concejo de
Madrid, 1949; Montero Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991
Magdeburg an der Elbe, 805 erstmals bezeugt, löst sich im Mittelalter
nicht vollständig von seinem erzbischöflichen Stadtherrn, der 1188 das
Magdeburger Recht in einigen Bestimmungen ganz knapp aufzeichnen lässt. Das
darauf aufbauende Magdeburger Recht wird zwischen Niedersachsen und der Ukraine
sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon; Magdeburger
Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang, E., 1901; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des Magdeburger Rechts und der Statuten der Armenier in Lemberg, ZRG
GA 35 (1914), 1; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA
36 (1915), 526; Teige, J., Über die Anfänge des Magdeburger Stadtrechtes in
Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383; Becker, W., Magdeburger Recht in der Lausitz,
1931; Brackmann, A., Magdeburg, 1937; Markmann, W., Zur Geschichte des
Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P., Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940),
279; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz,
T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen
in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70; Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der
Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65
(1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch der magdeburgischen Urteile im
Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260; Klein-Bruckschwaiger, F., Die
Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in Kaspar Popplaus „Rechtem Weg“, ZRG
GA 66 (1948), 440; Najstarsze staropolskie tłumaczenie ortyli
Magdeburskich, według rękopisu Nr. 50 biblioteki
zakłnarodowegoIm. Ossolińskich (Älteste altpolnische Übersetzung der
Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50 der Bibliothek des staatlichen
Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung), Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude, D.,
Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F.,
Die Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls für Niedersachsen, ZRG GA 98
(1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.; Schrader, I., Stadt,
Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri
Cracoriensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius
supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Rogatschewski, A.,
Übersicht über das sowjetische Schrifttum der 1970er und 1980er Jahre zur
Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA 109 (1992), 390; Beumann, H.,
Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille, M., 1200 Jahre Magdeburg,
2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, in: Ebel, F., Unseren fruntlichen
grus zuvor, 2004, 423; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau,
2005; Magdeburger Namenlandschaft, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2005; Magdeburg,
hg. v. Puhle, M. u. a. 2005; Concordia magna. Der Magdeburger Stadtfrieden vom
21. Januar 1497, hg. v. Wittek, G., 2006
Magdeburger Fragen sind das durch Fragen gekennzeichnete, zwischen 1386 und
1402 entstandene spätmittelalterliche Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in
2 Handschriften, systematische Fassung in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung
in einer Handschrift überliefert). Die M. F. beruhen auf einem Krakauer
Urteilsbuch mit Magdeburger Rechtsbelehrungen (bis um 1380), das kurz vor 1400
ein wohl in Thorn wirkender Bearbeiter um Stücke einer Thorner Sammlung und des
alten Kulm ergänzt und dabei verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung
in zwei Büchern verändert vermutlich derselbe Bearbeiter in eine
systematisierte Fassung in drei Büchern (Ämter-Schenkungen-Erbe,
Schulden-Sachen, Verbrechen). Vor 1518 wird die unsystematische Fassung
vielleicht in Stettin alphabetisiert. Seit 1517 sind die M. F. vielfach Anhang
in Drucken des Sachsenspiegels. -> Neun Bücher des Magdeburger Rechts
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg. v.
Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873),
401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50
Magdeburger Recht -> Magdeburg
Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in 23 recht
unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869
Mage (M. bzw. F.) Verwandte(r)
Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS
magister (lat. [M.]) Meister, Lehrer
Magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht ein von den
Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen durch eine
-> Versteigerung veräußert.
Lit.: Kaser § 85 II 2b
Magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich seit der Mitte des 12. Jh.s
erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister. Seit 1214 (Straßburg) wird
der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er Vorsitzer eines kollegialen
Verwaltungsorganes und Repräsentant einer Gemeinde.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964;
Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H.,
Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220
magister (M.) curiae (lat.) -> Hofmeister
magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R.,
Römische Militärgeschichte, 1920, 180
magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän
Lit.: Kaser § 49 II 3
magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivorsteher
Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P., Byzanz, 1986
Magistrat ist das Amt oder der (eventuell kollegiale) Amtsinhaber. Im
römischen Recht sind Konsuln, Prätoren, Ädile, Zensoren die höchsten
Magistrate. Im 19. Jh. ist unter dem Einfluss einer in Frankreich gegen Ende
des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung der M. das von der
Stadtverordnetenversammlung als rein ausführendes Organ gewählte Kollegialorgan
einer -> Stadt.
Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197; Broughton, T.,
The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel, W./Wittmann, R., Die
Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissenschaften, 10, 3, 2, 2
Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine dualistische Form der
Gemeindeverfassung, in der eine Stadtverordnetenversammlung als gesetzgebendes
und allgemein ausführendes Organ einen -> Magistrat als rein ausführendes
Organ wählt (Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in Preußen und 1935 im
Reich wird die M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein,
Bremerhaven und Hessen erneuert. -> Selbstverwaltung
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970, 105
Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große Urkunde [der Freiheiten]) ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren
Vorläufern folgenden, lateinischen, noch in vier Ausfertigungen überlieferten
Urkunde des englischen Königs Johann Ohneland (Lackland) vom 15.–19. 6. 1215
für 25 Barone (und den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63
Titeln). Danach ist die Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen
gebunden. Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen besetzten
königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium [N.]
parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone dienende M. C. setzt sich
in England in der Petition of Rights (1628), der -> Habeas-corpus-Akte
(1679) und der -> Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich mittelbar auch auf
Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit dem frühen 19. Jh.
aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist, R.
v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965; Magna
Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984; Holt,
M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna Carta?,
2001
Magnus Eriksson (1306-1374) ist der schwedische (1319-1364) bzw.
norwegische König (1319-1355, 1371-1374), der um 1350 ein schwedisches
Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in mehr als 100 Handschriften
überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen Städte (Stadslag, älteste
überlieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734 gilt.
Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., 1962; Holmbäck, Å../Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966
Magnus Hakonarson
Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238–Bergen 9.
5. 1280) ist ein norwegischer König (1263-1280), der die Landschaftsrechte und
das Gefolgschaftsrecht (1273-1277, -> Hirdskra) erneuert sowie 1274/1275 das
erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für
Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.
Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im Landrecht
Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977; Merzbacher, F.,
Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA 99 (1982), 252
Mahalareda (F.) ist im burgundischen Volksrecht des frühen 6. Jh.s die
Aussteuer der Tochter.
Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen
Gesetze, PBB 59 (1935), 57
Mahlgemeinschaft
Lit.: Dörrer, A., Alte Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit
(313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266
Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut
Mahlzwang ist der mittelalterlich-frühneuzeitliche Zwang, in einer
bestimmten Mühle mahlen zu lassen.
Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen, 1904
Mahnung ist die einseitige, empfangsbedürftige Erklärung des
Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen, ausnahmsweise
zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen Recht kann der
Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem Verzug
entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung trotz
Leistungsaufforderung zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht
(1794) begründet erst die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der Erfüllung
ohnehin feststeht.
Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der
Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165
Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in der für eine bestimmte
Art von voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf Zahlung einer bestimmten
Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines Anspruchs ein rechtskräftiger
vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein derartiges Verfahren gegen
Abwesende kennt bereits der -> Sachsenspiegel (1221-1224) (Landrecht I 70 §
2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die Vertragswirklichkeit in Italien die
durch Vertragsstrafe gesicherte Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines
gerichtlichen Geständnisses in der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar
einen Zahlungsbefehl in eine Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die
Vollstreckung verfügt. Auch in einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch
eingetragene Forderungen lassen sich vereinfacht durchsetzen. Im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) unterwirft sich der Schuldner seit der
frühen Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten
reichskammergerichtlichen -> Mandatsprozess. 1877/1879 wird das M. durch
Übernahme der Grundsätze des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein
anwendbaren Verfahrensform für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung
vertretbarer Sachen oder Wertpapiere. Mit dem 1. 7. 1977 sind die Ausdrücke
Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeichnungen Mahnbescheid
und Vollstreckungsbescheid ersetzt. -> summarischer Prozess
Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der
summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891
Mähren ist das zwischen der böhmisch-mährischen Höhe, den
Ostsudeten, Westbeskiden, kleinen Karpaten und dem Jarvornikgebirge gelegene,
seit dem 6. Jh. von Slawen besiedelte Gebiet, das 1029 an -> Böhmen und nach
bedeutender deutscher Einwanderung 1526 mit diesem an -> Österreich fällt
und am 28. 10. 1918 Teil der -> Tschechoslowakei wird.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868;
Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener, W.,
Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,429; Seibert, F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A.,
Die Germanen und Slawen in Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung
und Abschub, 2. A. 1996; Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120
(2003), 150
Maiestas (lat. [F.] Größe) ist (erst) seit Jean -> Bodin (1576) der
Grundbegriff der Staatsgewalt (lat. summa potestas [F.]).
Die m. wird seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. ->
Leibniz) dem Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese
Vorstellung die Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung.
Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138
Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren Entwürfen Premysl Otokars II.
(1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo [M.] iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Boehmens)
beruhende, lateinisch verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte
Entwurf Karls IV. für ein Landrecht -> Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-1354),
der seit 1617 als M. C. benannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie,
Krongut, Beamte, Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstandes der
Stände gegen die damit angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die
M. C. 1355 als gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh.
gewohnheitsrechtlich in Kraft.
Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9 (1888), 64;
Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der Geschichte der
böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J., Die sog.
Maiestas Carolina, in: Studia Luxemburgensia, 1989, 79
Maigesetze sind die vier im Deutschen Reich im Mai 1873 im ->
Kulturkampf erlassenen Gesetze.
Lit.: Kroeschell, DRG 3c in Oberitalien wird im
5. Jh. v. Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und ist in der Spätantike
kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem Anfang des 11. Jh.s
überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit dem frühen 12. Jh.
gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber Statutorum). Im 14. Jh. gerät
es unter die Herrschaft der Visconti und Sforza (1395/1397 Herzogtum), 1714
gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches Lexikon;
Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli atti privati
milanesi e comaschi, Bd. 1 ff.; Visconti, A., Ricerche sul diritto pubblico
milanese, Annali della r. università di Macerata 3 (1928); Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2 ,2,122; Ambrosioni, A., Le
pergamene della canonica di San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H.,
Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v.
Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale
Entwicklung, 2001; Grillo, P., Milano, 2001
Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem Großen und Licinius den
Christen Freiheit des Gottesdienstes und Rückgabe der verstaatlichten Güter
gewährende Edikt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba
30. 3. 1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230
als Rabbi Moyses erwähnt) fasst als bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph
im ausgehenden 12. Jh. das gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer
hebräischer Sprache in der 14bändigen -> Mischne Tora (1180) zusammen (Führer
der Unschlüssigen um 1242/1244 lateinisch übersetzt).
Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979; Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C., Cartas y
testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999; Hasselhoff, G.,
Dicit Rabbi Moyses, 2004
Maine, Sir Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem Studium
1847 Professor für Civil law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in den Inns
of Court Londons Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden
Entwicklungsgeschichte des Rechts. Hierauf gründet sich sein 1861
veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheoretisches Buch (engl.) Ancient Law
(Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in
Oxford und 1877 in Cambridge.
Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks, R., Sir
Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997
Mainz am Einfluss des Main in den Rhein ist seit etwa 10 n. Chr.
Sitz des römischen Oberbefehlshabers für das obere Germanien und in der
Nachfolge des Bonifatius (746/747-754) Sitz eines Erzbischofs, für den bis 1223
550 Urkunden nachgewiesen sind. Von 1331/1424 bis 1462 ist die Stadt
tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadtherrn.
Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine
Universität, die nach Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816)
1946 wieder errichtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur
Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22
(1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum
Mainz, 1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und
Kurfürsten von Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung
von Kurmainz um das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und
die deutsche Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen
Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von
Mainz als Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung
der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer
Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das
Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und
Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J.,
Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer
Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität
Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des
Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die
Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der
Mainzer Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a.,
Bd. 1ff. 1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die
Gründung der Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer
Reichsstaatsrecht, 1977; Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977; Pick,
E., Die Professoren des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl, 1981,
509; Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick, E.,
1983; Schlössser, S., Der Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg und
Wittelsbach um das Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz,
das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer
Kurfürsten des Hauses Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v.
Hartmann, P., 2002; Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M.,
2002; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Grathoff, S.,
Mainzer Erzbischofsburgen, 2005
Mainzer Landrecht ist das Landrecht des Erzstifts Mainz vom 24. 7. 1755/1.
1. 1756, das auf dem Rheingauer Landbrauch beruht (1442 Recht und Ordnung eyns
Waltpoden zu Menz, 17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen Landbrauches durch
Nikolaus Itzstein). Es gliedert sich in 32 Titel und enthält hauptsächlich
Familienrecht und Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch 1804,
rechtsrheinisch 1900 (bzw. in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).
Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755; Hallein,
L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F., Das
eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg 1953
Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende, deutsch gehaltene Landfriede
Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die Selbsthilfe zurück und stärkt die
Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer
Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955;
Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R.
Gmür, 1983, 369
Mainzer Republik ist der durch Erklärung eines rheinisch-deutschen
Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet zwischen Bingen und Landau
entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als einzigem Souverän. Die M. R.
endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an -> Preußen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon 724;
Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993
maior (lat. [M.]) Größere
Maior dividat, minor
eligat (lat.). Der Ältere soll teilen, der
Jüngere darf wählen. Nur ein ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer bewusst
ungerecht und wählt dann auch noch selbst.-> Erbauseinandersetzung
Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981, 176;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 56. A. 1998 (Plutarch für das 8. Jh. v.
Chr.)
maior (M.) domus (lat.) -> Hausmeier
Lit.: Köbler, DRG 76
maiores (M.Pl.) et
meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und
Bessere des Landes, -> Landstände
Lit.:
Kroeschell, DRG 2
Maitland, Frederic William
(London 28. 5. 1850-Las Palmas/Kanarische
Inseln 20. 12. 1906), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Cambridge
und Lincoln’s Inn 1876 Anwalt, 1884 Dozent für englisches Recht in Cambridge
und 1888 Professor. Er verfasst (mit Frederick Pollock) die (engl.) History of English Law
before the Time of Edward I (Bd. 1f. 1895,
Geschichte des englischen Rechts vor Eduard I.), die nach einer Übersicht über
die äußere Rechtsgeschichte die inhaltlichen Einrichtungen und Lehren
darstellt. Dabei verbindet er Politik und Wirtschaft mit dem Recht und die
Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887 gründet M. die Selden Society.
Lit.: Bracton’s
Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd. 1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The
History of English Law, Bd. 1f. 2. A. 1895; Maitland, F., Domesday Book and
Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic William Maitland, 1910; Maitland, F.. ZRG GA 33 (1912), 521;
Maitland, F., Selected historical essays, hg.
v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!) William Maitland and the history
of English law, 1961; Bell, H., Maitland, 1965; The letters of Frederic William
Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton, G., Frederic William Maitland, 1985
Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat verschiedenen)
Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution Theodosius‘ I., in der
die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen Strafverfolgung ausgesondert
wird. 397 werden aber alle führenden Personen geschützt. Die Beleidigung des
Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der Bamberger Halsgerichtsordnung
(-> Constitutio Criminalis Bambergensis) von 1507 auf. In der Folge wird die
M. dem -> Hochverrat nachgeordnet. 1922 werden im Deutschen Reich Reichspräsident
und Regierungsmitglieder besonders geschützt, 1951 in der Bundesrepublik
Deutschland die höchsten Staatsorgane.
Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät und
verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung
im Strafrecht, 1970
Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine Freiheitsurkunde für Untertanen (z.
B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach dem 8. 11. 1620 aufgehoben).
Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des
Majestätsbriefes von 1609, 1858
Majestätsverbrechen -> crimen laesae maiestatis
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei und
Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis,
1970
Majorat ist die Einzelnachfolge des Ältesten beim ->
Familienfideikommiss.
Majorität (F.) -> Mehrheit
Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73
Makedonien ist ein südosteuropäisches Gebiet, dessen (in der Antike
stets nicht als richtige Griechen angesehenen) Bewohner unter den Königen Philipp
II. und Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.) -> Griechenland erobern, das
ab 148 v. Chr. aber römische Provinz wird. Über Ostrom gelangt M. 1317 an die
-> Osmanen. 1913 fällt M. an Serbien (1918 -> Jugoslawien) und
Griechenland. 1992 wird es selbständig.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte
Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di là
dell’Olimpo, 2002
Makler ist, wer gegen Entgelt eine Gelegenheit zum Abschluss eines
Vertrages nachweist oder einen Vertrag vermittelt. Der M. ist bereits dem
griechischen und römischen Altertum bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der
M. vielleicht zuerst in Italien (Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der
Makler als objektiver Dritter von beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im
mittleren Europa ist die Stellung des Maklers freier. In der Neuzeit finden
sich zahlreiche gesetzliche Regelungen. Der absolute Staat fördert
monopolisierende Tendenzen, die im 19. Jh. beseitigt werden.
Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR 28
(1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die
Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und
Maklerwesen bis 1900, 2004
mala fides (F.) (lat.) böser Glaube
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Malberg ist im fränkischen Frühmittelalter der Ort der (Gericht
haltenden) Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
80, 85
Malbergische Glossen sind nichtlateinische Einschübe in den ältesten Fassungen
des salfränkischen Rechtes (lat. Pactus [M.]
legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D). Sie haben ihren Namen davon, dass
sie meist durch (lat.) (in) mallobergo (-> Malberg) eingeleitet werden.
Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in den Text geraten.
Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des ältesten bekannten
fränkischen Sprachstandes.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H., Notes on
the Frankish Words in the Lex Salica, in: Lex Salica, hg. v. Hessels, J., 1880,
431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225; Baesecke,
G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1; Schmidt-Wiegand,
R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957), 220; Gutenbrunner,
S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis Salicae, hg. v.
Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis medii aevi 33
(1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als
Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Schmidt-Wiegand,
R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen, Rhein.Vjbll. 33
(1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG GA 89 (1972),
1
maleficium (lat. [N.]) Übeltat, Hexerei
Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die
Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des
Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975
Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat in Bordeaux, Anhänger der
französischen Revolution, Präsident der zivilgerichtlichen Abteilung des
Kassationsgerichtshofes, wird von Napoleon zum Sekretär-Redakteur der
Kommission zur Ausarbeitung eines -> Code civil berufen. In der
Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und kommentiert 1805 das
Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er auf die Seite der
Reaktion über.
Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville, 1929
Malik ibn Anas (708/16-796) -> Muwatta
Mallersdorf
Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf, 1979
Malleus maleficarum -> Hexenhammer
mallobergus (lat. [M.]) Malberg, Verhandlungsberg
mallus (lat. [M.]), mallum (lat. [N.])
Versammlung, Gerichtsversammlung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le
mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947,
435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Malmann
Lit.: Lamberg, P., Die Malmannen im sächsischen Freienrecht des
Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen 75 (1968), 126
Malscult (as. [F.]) Dingschuld, eine Abgabe
Lit.: Molitor, E., Die Stände der Freien, 1910, 10
Malta ist die zwischen Italien und Tunesien gelegene, 316
Quadratkilometer große Insel im Mittelmeer. Sie weist große Tempelbauten des 4.
Jt. v. Chr. auf und gelangt nacheinander an Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh.
v. Chr.), Römer (218 v. Chr.), Ostrom (395 n. Chr.), Vandalen, Ostgoten,
Muslime (870), Normannen (1091), den Johanniterorden (1530), Frankreich (1798)
und Großbritannien (1800/1802). 1964 wird es unabhängig, 1974 parlamentarische
Republik und zum 1. 5. 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Lit.: Betz, W., Malta, 1994; Staehle, E., Geschichte der
Johanniter und Malteser, Bd. 1ff. 2002
mamluk (arab.) weißer Sklave
Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996
Manchester beruht auf dem römischen Kastell Mancunium. 1229 erhält M.
Marktrecht, 1838 Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer Universität.
Mancipatio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines
Geschäft für die Überführung aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines
anderen. Dabei ergreift jemand eine handgreifbare Sache (lat. res [F.]
mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem
Waagehalter (lat. [M.] libripens) und lässt den tatsächlichen Betrag ihres Wertes
dem anderen in Erz (lat. aes [N.] Kupfer) in einer Waage (lat. [F.]
libra) zuwägen, wobei dieser das Metall unter schweigender Duldung der
Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches positives einverständliches
Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der bisherige Gewalthaber ist danach
Vormann (lat. [M.] -> auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m.
dadurch fortgebildet, dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch
sinnbildlich in der Form einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno)
zugewogen wird. Diese m. nummo uno dient dann der Erlangung der Gewalt über
handgreifbare Sachen und Personen in einer Vielzahl von Fällen (z. B.
Kreditkauf, Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung [lat. coemptio], Emanzipation usw.). Im spätantiken römischen Recht ist
die m. verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. [F.]) -> traditio ersetzt.
Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38
II 1a, 41 I 1; Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo,
S., Leges mancipii, 1998
mancipium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch
erlangte, der Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes
Hauskind und übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§ 8, 20;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au Moyen
Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984
Mandat als Lehnwort zu lat. mandatum (N.) erscheint im 14. Jh. Im
Prozessrecht bezeichnet es das Verhaltensgebot des Gerichtes an eine Partei
oder einen Dritten, aber auch den Auftrag einer Partei für einen Vertreter.
Daneben wird später auch vom M. eines Abgeordneten einer Volksvertretung und
vom M. als internationalem Auftrag des Völkerrechts gesprochen.
Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen
Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52
Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form des -> summarischen
Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten durch gerichtliches
Gebot (-> Mandat) ein bestimmtes Verhalten auferlegt wird. Vorkommen
gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und hohen Mittelalter,
allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang der höchsten
Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des
Spätmittelalters (1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei zwischen
bedingtem Mandat, bei dem sich der Empfänger auf alle rechtlichen Gegengründe
stützen darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur die
Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf,
unterschieden. Vom -> Reichskammergericht geht der hierdurch geprägte M. in
das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw.
1846 in Preußen eingeführte -> Mahnverfahren und die mandatsähnliche ->
einstweilige Verfügung (Hannover 1850, Baden 1851).
Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe, 7.
A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die
Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des
Reichskammergerichts, in: Commémoration du 500e anniversaire de la création du
Parlament, 1977, 343; Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen
Anordnung, Diss. jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991
Mandatsverfahren -> Mandatsprozess
Mandatum (lat. [N.]) ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche
Auftrag (Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann,
andererseits seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des
Staatsoberhauptes (lat. [M.] princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die
bald als gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen
Frühmittelalter entsprechend fort.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18;
Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961;
Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata
principum, 1991
Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030-nach 1103) wird nach Studien in
Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080 wird er Mönch in
Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089 wechselt er als Propst
nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von Trier und Wolfhelm von
Brauweiler wird der Gedanke der -> Volkssouveränität entnommen.
Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre von
der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold von
Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und
Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21
Mangel
Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994
Manifest (N.) Programm, Ankündigung, -> Kommunistisches Manifest
Mann ist der männliche Mensch. Im Laufe der
gesellschaftlichen Entwicklung der Menschen setzt er auf Grund seiner
durchschnittlichen körperlichen Überlegenheit einen verhältnismäßigen Vorrang
gegenüber der Frau durch. Seit der Aufklärung wird der dadurch geschaffene
Patriachat zurückgedrängt.
Lit.: Rabe, C., Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006
Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern insbesondere im Erbrecht.
Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen seines Verstoßes gegen den
Gleichheitsgrundsatz wird er im 20. Jh. beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im fränkischen
Frühmittelalter)
mannitio (lat. [F.]) Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Mannlehen ist ursprünglich jedes Lehen (im Gegensatz zu anderen
Leihen), in der frühen Neuzeit das allein männliche Nachkommen als Nachfolger
zulassende Lehen im Gegensatz zum Weiberlehen u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des Lehnrechts
der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279
Mannus (zu nhd. Mann) ist bei den Germanen der Sohn des Gottes
Tuisto und der Vater dreier Söhne, von denen sich die germanischen Hauptstämme
der Ingväonen (Friesen, Angeln, Sachsen), Istväonen (Weser-Rhein-Germanen) und
Herminonen (Elbgermanen) herleiten.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a., 3.
A. 1967, 52
manor (engl.) Herrenhof
mansio (lat. [F.]) Bleiben, Herberge
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
mansus (lat. [M.]) Hof, Hufe, Ackermaß
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW
Mantel als ein den Körper einhüllendes Kleidungsstück wird auch
als Rechtssymbol verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung, Umhüllung mit dem
Mantel bei Eheschließung zwecks Ehelicherklärung eines nichtehelichen Kindes,
Niederlegung des Mantels zwecks Haftungsbefreiung).
Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mantik
Lit.: Hille, J., Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum
frühen Mittelalter, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977
Manufaktur ist die bereits dem römischen Altertum bekannte zentrale
Produktionsstätte zur Herstellung von Waren (Textilien, Metallwaren, Keramik).
Sie wird im 17. und 18. Jh. zu der vom Staat begünstigten modernen Betriebsform
(-> Merkantilismus). Besonders bekannt ist die erste europäische staatliche
Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19. Jh. unterliegt die M. der Fabrik.
Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die
Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die
Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972;
Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des
18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld,
1990
Manumissio (lat. [F.]) ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum
(freigelassenen) Freien. Für sie entwickeln sich im römischen Recht
verschiedene Formen (m. in der Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch
Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die im Frühmittelalter teilweise fortgeführt
und teilweise ergänzt werden.
Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b;
Köbler, DRG 57
manus (lat. [F.]) Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II;
Söllner §§ 8, 20; Köbler, DRG 21f., 71
Manus iniectio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe
beispielsweise im altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (->
legis actio per manus iniectionem).
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I
1, 60 I 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20
Manzipation -> mancipatio
Marburg an der Lahn gründet sich auf eine Burg wohl schon des 10.
Jh.s und erhält 1527 die erste protestantische, am Beginn des 17. Jh.s
calvinistische Universität.
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg, hg.
v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger
Juristenfakultät, in: Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966; Braasch-Schwersmann,
U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die Philipps-Universität Marburg im
Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000
Marburger Programm ist das von Franz von -> Liszt (1851-1919) 1882
formulierte Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
204
marca (lat.-ahd. [F.])
Grenze, Grenzgebiet
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marcellus (2. Jh. n. Chr.) ist der dem Rat der Kaiser Antonius Pius
(138-161) und Marc Aurel (161-180) angehörige römische Jurist, von dem 31
zwischen 161 und 167 entstandene (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der
Digesten) zu unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie (lat.) notae (F.Pl.
Anmerkungen) zu den Digesten -> Julians bekannt sind, deren Benützung durch
-> Scaevola und -> Ulpian feststeht.
Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des
römischen Rechts, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli
Notae ad Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C.,
Der liber singularis responsorum des Ulpius Marcellus, 2001
Märchen ist die nicht sicher bezeugte und nicht sicher bezeugbare
Erzählung. Das M. kann Rechtsfragen behandeln. Sie lassen sich zeitlich nicht
zuverlässig einordnen.
Lit.: Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen,
1935; Anger, S., Das Recht in den Sagen, Legenden und Märchen
Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel 1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im
deutschen Märchen, Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich,
Lutz, Märchen und Wirklichkeit, 1956; Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f.
1995; Laeverenz, J., Märchen und Recht, 2001
Marchfutter ist eine mittelalterliche Abgabe.
Marculf ist der Verfasser einer frühmittelalterlichen, durch 5
Handschriften des 9. Jh.s überlieferten Sammlung von 40
Königsurkundenformularen und 52 Privaturkundenformularen, die vermutlich am
Ende des 7. Jh.s im westlichen Frankenreich im Auftrag eines nicht sicher
feststellbaren Bischofs Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist nachweislich
spätestens 743/747 in einer Königsurkunde und 731/732 in einer Privaturkunde
benutzt. Verschiedene jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen sie.
Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi
Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische
Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110
marescalcus (lat.-ahd. [M.]
Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.
Lit.: Köbler, DRG 83
marginal (am Rande befindlich) wie z. B. die Marginalglosse, d. h.
Randglosse
Maria Theresia (Wien 13. 5. 1717-29. 11. 1780) ist die Erbtochter des
Habsburgers Karl VI., der am Ende des spanischen Erbfolgekrieges die Erbfolge
in den habsburgischen Erblanden 1713 durch die -> Pragmatische Sanktion zu
sichern versucht. 1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von ->
Österreich), von dem sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an
Preußen) und Parma-Piacenza (an Karls III. von Spanien Bruder Philipp)
verliert. Nach der Wahl ihres Mannes Franz I. Stephan von Lothringen zum
deutschen Kaiser (1745) nimmt sie den Titel Kaiserin (Titularkaiserin) in
Anspruch. Gegen den ständischen Widerstand setzt sie von 1749 bis 1761 den
absolutistischen Staat mit landesfürstlicher Bürokratie und Zentralverwaltung
durch. Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie 1772 Galizien
und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel. Gesetzgeberisch
stellt die von ihr veranlasste (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis
Theresiana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen Fortschritt dar,
während ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches Gesetzbuch)
überhaupt bloßer Entwurf bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v., Geschichte
Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische Staatsform
von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia, 1965;
Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss.,
phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria Theresia, 1979; Ogris,
W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria Theresia, 2000
Maritagium (lat. [N.]) ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen.
Mark ist ursprünglich das zur Kennzeichnung eines Gegenstandes
verwendete Zeichen. Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und zur Münze.
Dementsprechend finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen und
Heinrich III. (1039) Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau (Ostmark), an
der Oder (965), in Karantanien (970), an der Eider oder in Böhmen, die meist
Markgrafen unterstellt sind. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um die
Siedlung gelegene (Grenz-)Land als Dorfmark, das von einer -> Markgenossenschaft
gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren tritt
seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das ältere
-> Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des Münzwesens im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Die von 1871/3 bis 1924 als
Währungseinheit des Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die
Reichsmark ersetzt, der am 20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform),
die 2002 von der europäischen Gemeinschaftswährung Euro (mit Cent) abgelöst
wird.
Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem,
1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsverfassung, 1902;
Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in
den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches
Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark
Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig
Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied
von der Deutschen Mark, 1998
Mark ist die seit 1202 für
eine Linie der Grafen von Berg namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die
Grafschaft an Brandenburg, 1946 das Gebiet zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Frisch, M., Die Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des
märkischen Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der
Grafen von der Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967
Markdorf
Lit.: Prahl, H., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Markdorf im
Linzgau, 1965
Marke ist das Zeichen und der damit gekennzeichnete Gegenstand.
In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen. Die M. findet sich bereits
im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der Zunahme der Schriftlichkeit
kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen Stadt entwickelt
sich die Handelsmarke des Kaufmannes zur Kennzeichnung seiner Ware. Die Zunft
setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße Herstellung der
markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr Missbrauch wird
bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie gewährleistete
Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M. privatrechtlich
geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich Gesetz über
Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende des 20. Jh.s
wird dieser Schutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht
(Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsreformgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach
erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer schutzfähigen Marke durch das
Patentamt auf jeweils 10 Jahre.
Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische
Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des
Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und
Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43
(1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das
Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954; Leitherer,
E., Die Entwicklung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954; Wadle, E.,
Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder, H., Neues
deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse, 1999;
Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847, 2002
Markebrief ist seit dem Hochmittelalter eine Ermächtigung zu einem
Arrest.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960
Markenrecht -> Marke, Recht
Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241;
Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847, 2002;
Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, in: NJW-Sonderheft 100
Jahre Markenverband, 2003
Markenschutz -> Marke
Märker -> Mark, Markgenossenschaft
Märkerding ist die Versammlung der Markgenossen oder Märker.
Markfrevel ist die rechtswidrige Nutzung einer -> Mark seit dem
Hochmittelalter.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Markgenossenschaft ist die Genossenschaft der an einer -> Mark (Gemeinland)
Nutzungsberechtigten seit dem Hochmittelalter (str.). Die M. entsteht auf Grund
der mit dem Landesausbau eintretenden Güterverknappung. Die
Nutzungsberechtigung an der Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B.
Hof). Der einzelne Markgenosse (Märker) kann frei oder unfrei sein. Wichtigstes
Organ der M. ist die Versammlung der Markgenossen (Märkerding). Ihr sitzt der
Märkermeister (oft ein Grundherr), Markmeister, Obermärker, Holzgraf oder
Waldgraf vor. Urteile fällen Markschöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh.
werden die meisten Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121; Thudichum,
F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsgeschichte und
Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte
der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G.,
Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911; Ehlert,
H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen, 1936; Wellmer,
M., Zur Entstehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938; Oechslin, M., Die
Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun Kastelrut, ZRG GA
71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der Markgenossenschaften, 1961; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson,
A., Markgenossenschaftslehre und Marxismus, Diss. jur. Zürichj 1967; Schneider,
W., Die Markgenossenschaften im frühmittelalterlichen Alamannien, 1997
Markgraf (lat. [M.] marchio)
ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung und die
Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt, vermutlich waren
sie von denen eines Grafen nicht wesentlich verschieden. Die Lage und die Größe
der zunächst regelmäßig in ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich,
Steiermark) begründeten aber wohl eine größere Selbständigkeit. Deswegen wird
der M. verschiedentlich Stammesherzog, der M. von Brandenburg sogar Kurfürst.
Seit dem späten 11. Jh. wird M. auch ein Titel (z. B. Baden, Hachberg,
Ansbach-Bayreuth).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109; Baltl/Kocher;
Hofmeister, A., Markgrafen und Markgrafschaften im italischen Königreiche, MIÖG
Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische Markgrafenschaft im 16.
Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der
Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im
Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973;
Müller, U., Die ständische Vertretung in den fränkischen Markgrafentümern, 1984
Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet eines -> Markgrafen.
Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines -> Markgrafen.
Marklosung ist das Recht eines Markgenossen oder einer
Markgenossenschaft, ein in der -> Mark gelegenes, an einen Fremden
veräußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises zu erwerben (und dadurch
die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht umzuwandeln).
Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1
1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 2 1962
Markmeister -> Markgenossenschaft
Markt ist die zu bestimmter Zeit und an bestimmtem Ort
abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des Verkaufes und Kaufes von Waren. Der M.
ist bereits dem römischen Recht bekannt (lat. [N.]
forum, Marktplatz, nundinae [F.Pl.]). In karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den
Franken Bedeutung. Der König erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für
kurze Zeit ein Marktregal. Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte
durch Privileg und erhält dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die
Landesherren an seine Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204,
Jüterbog 1174). Es entwickeln sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes.
Viele Marktorte werden bald zur -> Stadt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113; Rietschel,
S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai historique sur le
droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und Markt im späteren
Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg, 1916; La
foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde
und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen
Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E.,
Markt und Sondermarkt, 1987; Fenske, M., Marktkultur in der frühen Neuzeit,
2005
Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ein Unternehmen,
das den Handel mit einer bestimmten Warengattung maßgeblich gestalten kann. Aus
Wettbewerbsgründen bedarf es besonderer Kontrolle.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Marktfriede ist der von einem Herrn (z. B. König) während der Marktzeit
für Verkäufer und Käufer zugesicherte -> Friede.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktkauf ist der auf dem jedermann zugänglichen -> Markt
getätigte -> Kauf. Wegen der besonderen Gegebenheiten des Marktes darf sich
seit dem Mittelalter der Erwerber einer gestohlenen oder geraubten Sache
gegenüber dem Unrechtsvorwurf des Eigentümers dadurch reinigen, dass er
schwört, die Sache auf dem Markt gekauft zu haben. Vielfach muss er die Sache
auch nur gegen die Erstattung des ganzen oder halben Kaufpreises an den
Berechtigten herausgeben. Dieses Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des
römischrechtlichen Herausgabeanspruches (lat. -> rei vindicatio [F.])
an Bedeutung.
Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler, DRG
125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf in
den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E., Praedicere
und cavere beim Marktkauf, 1997
Marktkreuz ist das seit dem Hochmittelalter zum Zeichen des Marktes
aufgestellte Kreuz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktprivileg -> Markt
Marktrecht -> Markt
Marktregal -> Markt, Regal
Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die wirtschaftlich
relevanten Entscheidungen über Produktion, Investition, Distribution und
Konsum dezentralistisch sind und den individuellen Wirtschaftssubjekten
überlassen werden. In der älteren Zeit geht der M. die Hauswirtschaft voraus.
In den größeren Orten des Altertums ist die M. bereits bedeutsam. In der
Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des 20. Jh.s stellt der
M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer Form wieder
vor.
Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik Deutschland
- Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr, K., Als die
Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis, 2002
Markwald -> Mark
Marschall ist der Träger des im Frühmittelalter für das
Transportwesen zuständigen Hofamtes (lat. comes [M.]
stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere Feldmarschall Oberbefehlshaber
der landesherrlichen Streitkraft. Sein Amtszeichen ist ein Stab. ->
marescalcus
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Köbler,
WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der Kaiser als
Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Marsilius von Padua (Padua um 1290?-München 1342/1343), Sohn des Universitätsnotars
Bonmatteo dei Mainardini, wird nach dem Studium der freien Künste 1313
kurzzeitig Rektor der Universität Paris und danach höfischer Ratgeber. 1324
verfasst er den (lat.) -> Defensor (M.) pacis. Darin spricht er sich in der
Nachfolge des Aristoteles für einen mit weitreichender Gewalt ausgestatteten
Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen Gesetzgebung das Wohl seiner
Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch der Kirche übergeordnet, als
deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen nicht den Papst, sondern das ->
Konzil (Konziliarismus) ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die
Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova,
1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der
„Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von
Padua, 1992
Mars Thingsus (M.) germanischer Kriegsgott und vielleicht auch Dinggott
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Höfler,
O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71
Martens, Georg Friedrich von (Hamburg 22. 2. 1756-Frankfurt am
Main 21. 2. 1821) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (Pütter) 1783
Professor für Staatsrecht, -> Völkerrecht und -> Handelsrecht. 1808 wird
er Verwaltungsjurist im Königreich Westphalen, 1815 in Hannover. 1785 verfasst
er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien
eines praktischen europäischen Völkerrechts), deren Gliederung sich von
herkömmlichen Vorgaben zu befreien versucht. Seit 1797 sammelt er die
wichtigsten völkerrechtlichen Verträge. Gleichzeitig legt er einen Grundriss
des -> Handelsrechts vor, das sich damit von Handlungswissenschaft
einerseits und deutschem Privatrecht andererseits löst.
Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss. jur.
Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen
Handelsrechts, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1
1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft im
18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464
Martin von Tours (Sabaria 336?-Candes 8. 11. 397), nach dem Mars benannter
Sohn eines römischen Militärtribuns, gründet nach der frühen Taufe 361 das
erste gallische Kloster Ligugé und wird 371 Bischof von Tours. Er ist der erste
Heilige der römischen Kirche mit öffentlicher Verehrung, vor allem im
fränkischen Reich (Gedenktag am 11. 11.).
Lit.: Nigg,
W./Loose, H., Martin von Tours, 1977; Thull, M., Martin von Tours, 1985
Martini (zu Wasserberg), Karl Anton Freiherr von (Revo 15. 8. 1726-Wien
7. 8. 1800), Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger)
und Wien 1753 Professor in Wien für -> Naturrecht, Institutionen und
römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er (lat.) De lege naturali positiones (Lehrsätze
über Naturrecht). Seit 1771 wird er mit Vorarbeiten an einem
Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die akademische Lehre auf. Sein
1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuches in drei Teilen tritt 1797
nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten polnischen Teilung als ->
Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.
Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996
Martinus Gosia (Bologna um 1100-1158/1166) ist einer der vier Doktoren,
die 1158 auf dem Reichstag von -> Roncaglia auftreten. Er vertritt Gedanken
der Billigkeit (lat. [F.] aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu
Digesten, Codex und Institutionen.
Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum
veterum Codicis Iustiniani,1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
1 1997
Marx, Karl (Trier 5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn eines
zwischen 1819 und 1821 vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen
Rechtsanwalts, 1824 vom Judentum zum Protestantismus übergetreten, wird nach
dem Studium von Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin (Savigny, Gans)
Redakteur. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845 nach Brüssel und 1849 nach
London. Im Auftrag des Londoner Bundes der Kommunisten veröffentlicht er mit
Friedrich Engels 1848 das -> Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur
Kritik der politischen Ökonomie“ und 1867 „ Das Kapital“, mit denen er den ->
Marxismus begründet.
Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij, A., Fragen
des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und die
Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die
Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die
Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht,
1974; Magnis, F. v., Normative Voraussetzungen im Denken des jungen Marx, 1975;
Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu den
Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983;
Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und
Heinrich Marx, 1993
Marxismus ist die von Karl -> Marx begründete Gesellschaftslehre.
Der M. ist historischer Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte
daraufhin zu beurteilen, wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie
herbeigeführt werden, und in der Geschichte die Entwicklung von sozialen
Verhältnissen zu erkennen. Grundlegend für eine geschichtliche
Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie (u. a. mit welchen
Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt bewirken. Die
Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für einen geistigen
(ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung entfremden den
Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am jeweiligen Zustand der
Produktionsverhältnisse fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner
Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch
der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten
Gesetzen vollziehenden Geschichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des
Überbaus ist in der vom Sozialismus unter Führung der Kommunistischen Partei
angestrebten klassenlosen Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung
gibt, ebenso überflüssig wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die
Vorstellungen des M. zu verwirklichen (1917 Sowjetunion), erweisen sich bis zum
Ende des 20. Jh.s (1990) nicht als erfolgreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG
178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937; Paschukanis,
E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966; Adler, M., Die
Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus und
Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W.,
Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der
marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E.,
Marxismus und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der
Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug,
W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997
Märzverfassung ist in -> Österreich die vom Kaiser nach dem Sieg über
die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem Reichstag in Kremsier am 4. 3.
1849 aufoktroyierte Verfassung, die erstmals die nichtdeutschen Gebiete Ungarn
und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt in einem Scheinkonstitutionalismus
dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus bestehenden -> Reichstag
gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein Grundrechtskatalog. Die
gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung nicht in Kraft und wird
unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31. 12. 1851 (-> Silvesterpatent)
als unangemessen und unausführbar aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W.
Österreichische Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001
Mascov, Johann Jacob (Danzig 26. 11. 1689-Leipzig 21. 5. 1761),
früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach dem Studium der freien Künste und des
Rechts in Leipzig und Halle 1719 außerordentlicher Professor in Leipzig.
Daneben übt er zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729 veröffentlicht er die
häufig aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.) Principia (N.Pl.)
iuris publici imperii Romano-Germanici (Grundsätze des öffentlichen Rechts des
römisch-deutschen Reiches).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
307
Maß ist die Meßeinheit. Das M. findet sich bereits vielfach im
Altertum. Ausgangspunkt ist das natürliche, vom menschlichen Körper abgeleitete
M. (z. B. Fuß, Elle, Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird dieses mehr und
mehr vom künstlich-wissenschaftlichen, international vereinbarten M. (z. B.
Liter, Meter) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen klar festgelegt
und gegen Missbrauch geschützt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Mulsow,
H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und Gewicht,
1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986
Maßnahme der Sicherung und
Besserung ist die auf die strafrechtlichen
Reformvorschläge Franz von -> Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende
Maßnahme, statt zu strafen, zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten
Reich) durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht.
Danach kann der Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und
Pflegeanstalt, in einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der
Sicherungsverwahrung oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung
oder die Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung
vorangestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik, L.,
Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle, G.,
Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Elling-Ruhwinkel,
E., Sichern und Strafen, 20 05
Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für einen oder wenige
Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh. problematisch.
Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963
Materialismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, die das gesamte
Weltgeschehen vom Stofflichen (Materiellen), nicht vom Geistigen (Ideellen),
her zu erklären versucht. Eine bedeutsame Form des M. ist der historische M.
(-> Marxismus).
Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd. 1f.
1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E., Das
Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E., Stoischer
Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998
Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende Recht (z. B.
Privatrecht, Strafrecht) im Gegensatz zum formellen Recht (Verfahrensrecht).
Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von
materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965; Kollmann, Begriffs- und
Problemgeschichte, 1996
Mater semper certa est, pater quem nuptiae demonstrant (lat.). Die Mutter ist immer gewiss, Vater ist, wen die Ehe
ausweist.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5)
Matthaeus, Antonius II.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Matthaeus II. aus Herborn, der Kriminalist
des 17. Jahrhunderts, der Rechtslehrer Utrechts, 1929
Mathildische Güter sind die Güter der Markgräfin Mathilde von Tuszien-Canossa
(1046-24. 7. 1117, bezüglich der 139 echte Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und
115 verlorene Urkunden nachweisbar sind) in Reggio, Modena, Mantua, Bologna,
Parma, Ferrara, Brescia, Verona usw., die bedeutender sind als alle anderen
Güter einer hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter. Wohl 1080
gibt die Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im Frühjahr 1111
sichert sie Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen König und
Kirche in der Folge umstritten, gelangen die mathildischen Güter im 12./13. Jh.
unter die Herrschaft vieler Stadtkommunen.
Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895;
Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar
III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang
nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von
Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998
Matriarchat ist das vom Vorrecht der Frau bzw. der Mutter geprägte
Recht im Gegensatz zum Patriarchat. Eine Zeit des Matriarchates ist geschichtlich
nicht bezeugt. Sie wird aber von Johann Jakob -> Bachofen (1815-87)
angenommen (Über das Weiberrecht, 1856). -> Mutterrecht
Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980;
Göttner-Abendroth, Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff.
Matrikel ist das bereits dem römischen Altertum bekannte Verzeichnis
von Umständen, das die Kirche fortführt (-> Kirchenbuch). Im Hochmittelalter
wird an den Universitäten die Eintragung in eine M. Voraussetzung für die
Teilhabe an den Vorrechten der Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom
Stadtgericht). Seit dem Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von
Fürsten und Städten für die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen,
aus denen sich 1422 die -> Reichsmatrikel entwickelt.
Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens,
1910; Falckenheiner, W., Univeritätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen und
Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H., Geschichte
der Matrikel, 1959
Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in der Reichsmatrikel des
Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) festgelegte Beitrag des einzelnen
Reichsstandes zum Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich
bilden die Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die Reichsfinanzverfassung.
Insofern ist das Reich Kostgänger der Länder.
Lit.: Köbler, DRG 150, 196
Matrimonial Causes Act (1965) ist die das Eherecht betreffende Zusammenfassung
verstreuter gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Matrimonium (lat. [N.])
ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit rechtlichen Wirkungen
angesehene -> Ehe.
Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW
Matthaeus (II.), Antonius (Herborn 1601-Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn,
wird nach dem Studium des Rechts in Marburg und Groningen Professor in
Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In (lat.) De criminibus (1644, Von
Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände an Hand der Bücher 47, 48 der
Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische Recht. In einer systematischen
Einleitung legt er allgemeine Sätze über übergreifende (allgemeine) Fragen (z.
B. Schuld, Vorsatz usw.) dar.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn,
1929; Zestig Juristen, 1987, 166
Maunz, Theodor (Dachau 1. 9. 1901-Gräfelfing 10. 9. 1993) wird
nach dem Rechtsstudium in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg im
Breisgau und 1952 in München (1943-1945 Wehrdienst, 1948 Mitglied des
Herrenchiemseer Verfassungskonvents, 1957-1964 Kultusminister in Bayern).
Wechselnden politischen Bedingungen angepasst verfasst er nach 1949 ein
erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und begründet einen wichtigen Kommentar
zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M.,
Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393
Maure (Mohr) ist in
der Antike (lat. Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Mauretaniens), im
Mittelalter der von dort hauptsächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner
(Araber).
Lit.:
Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005
Maurer, Georg Ludwig Ritter von (Erpolzheim 2. 11. 1790-München
9. 5. 1872) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg Richter in der
Rheinpfalz, von 1826 bis 1832 Professor in München, von 1832 bis 1834 Mitglied
des Regentschaftsrates Königs Otto von Griechenland (aus dem Hause Wittelsbach)
und 1847 Verweser des bayerischen Justizministeriums und Außenministeriums. Er
veröffentlicht umfangreiche Darstellungen zur mittelalterlichen
Verfassungsgeschichte.
Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in
Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960
Maurer, Konrad von (Frankenthal 29. 4. 1823-München 16. 9. 1902),
Sohn des Rechtshistorikers Georg Ludwig von Maurer, wird nach dem Studium des
Rechts und der Geschichte in München, Leipzig und Berlin (Homeyer, Richthofen)
1847 außerordentlicher Professor, 1855 ordentlicher Professor in München. Er
veröffentlicht zahlreiche Abhandlungen zur nordischen Rechtsgeschichte.
Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V; Maurer,
K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1907ff.,
Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss. München,
1903
Maut ist im südostdeutschen Sprachgebiet der -> Zoll.
Mautern
Lit.: Demelius, H., Aus dem Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432
bis 1550), 1972 (SB Wien)
Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3. 1459-Wels 12. 1. 1519) ist der
letzte mittelalterliche König („letzter Ritter“) des Heiligen Römischen Reiches
(deutscher Nation) (1486/1493, 1508 erwählter römischer Kaiser). Er fasst seine
habsburgischen Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um -> Burgund
(1477) und bereitet (1515) den Erwerb -> Ungarn-Böhmens (1526) und ->
Spaniens vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in
Tirol und Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft ->
Reichskammergericht, -> Reichskreise und -> Gemeiner Pfennig.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E., Die
Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I. Weißkunig,
hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A. 1970; Ausstellung
Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969; Wiesflecker, H.,
Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H., Maximilian I., 1991;
Hollegger, M., Maximilian I., 2000
Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I. wohl nach burgundischem
Vorbild durchgeführte Verwaltungsreform. In ihrem Verlauf bestellt Maximilian
in -> Tirol 1490 ein Kollegium von 12 Statthaltern für Justiz und Verwaltung
für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491 schafft er für die Verwaltung der
Einkünfte eine besondere -> Raitkammer. Beides findet wenig später auch in
Niederösterreich Eingang.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die
Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die
Verwaltungsorganisationen Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M.,
Maximilian I. und die Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983
Mayer, Otto (Fürth 29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924),
Abgeordnetensohn, wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872
Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882 außerordentlicher Professor und 1887
ordentlicher Professor für französisches Zivilrecht, internationales
Privatrecht, allgemeine Staatslehre und Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903
Professor in Leipzig. In seinem unter Übertragung der juristischen Methode
(-> Gerber, -> Laband) aus dem Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch Deutsches
Verwaltungsrecht (1895/1896) bildet er ein nach rechtlichen Gesichtspunkten
systematisch gegliedertes -> Verwaltungsrecht (vor allem der Eingriffsverwaltung)
aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes). Im Mittelpunkt des durch
Rechtsvergleichung geschaffenen allgemeinen Teiles des Verwaltungsrechts steht
der (dem französischen Verwaltungsrecht nachgeformte) -> Verwaltungsakt.
Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in
Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die
Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des
liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto
Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers,
1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
Mazedonien -> Makedonien
Mecheln, Mechelen erscheint im 9. Jh. (Malinas 870) und gelangt
über das Hochstift Lüttich, Flandern (1357), Burgund (1369) an Habsburg (1477)
und von dort über die Niederlande an Belgien (1830). 1490 wird die erste
moderne Postverbindung von Innsbruck nach M. eingerichtet.
Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht, 1947; De
Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991
Mecklenburg ist ein nach der 995 erstmals erwähnten Burg Michelenburg
bei Wismar benanntes, dünn besiedeltes, 1701 in Mecklenburg-Schwerin und
Mecklenburg-Strelitz geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder zusammengefasstes Land,
das 1945 mit Vorpommern verbunden wird und herkömmliche Zustände
verhältnismäßig lang bewahrt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 176; Neue Sammlung Mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769;
Mecklenburger Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buchka, G. v., Landesprivatrecht der
Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R.,
Amt Schwerin, 1912; Krause, H., System der landständischen Verfassung
Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins,
1930; Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d.
Urkundenbuchkommission, Heft 1f. 1937f.; Hamann, M., Das staatliche Werden
Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen
Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H., Andreas Gottlieb von
Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf 1680-1720, 1962; Die
mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F., 1968; Hamann, M.,
Mecklenburgische Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen
Verwaltungsgeschichte 1815-1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der
südliche Ostseeraum, 1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen
Liberalismus, 1980; Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in
Mecklenburg, ZRG GA 98 (1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104
(1987), 190; 1000 Jahre Mecklenburg, 1995; Brunner, D., Der Schein der Souveränität, 2006
mediani (lat. [M.Pl.]) mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des
Frühmittelalters)
Mediatisierung ist die Mittelbarmachung reichsunmittelbarer Reichsglieder
(z. B. Reichsstädte, Reichsritter) insbesondere durch den ->
Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803 und Art. 24 der Rheinbundakte vom
12. 7. 1806 (nahezu 70 bisher souveräne Landesherrschaften). Die dabei
mittelbar gemachten ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des
19. Jh.s Vorrechte (z. B. -> Patrimonialgerichtsbarkeit, ->
Familienfideikommiss).
Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die
Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung,
FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978; Achtzehnhundertunddrei,
hg. v. Schmid, P. u. a., 2003; Gläser, S., Die Mediatisierung der Grafschaft
Wertheim, 2006
Mediävistik (F.) Mittelalterkunde
Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H., Zur
Einführung: Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im
21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003; Weichselbaumer, R., Mittelalter
virtuell – Medävistik im Internet, 2005
Medici ist die seit dem frühen 13. Jh. bezeugte, innerhalb dreier
Generationen aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen von Florenz (1531) und Großherzögen
von Toskana (1569) erhobene Geldwechslerfamilie in Florenz, die 1737 erlischt.
Lit.: Rubinstein, N., The Government of Florence under the
Medici, 1966; Clarke, P., The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The
Medici in Florence, 1992; Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993;
Reinhardt, V., Die Medici, 1998; Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici,
2003; I Medici in rete, hg. v. Cotta, I. u. a., 2003; Martines, L., Die
Verschwörung, 2004
Medium (N.) Mittel, insbesondere das Wissensverbreitungsmittel wie
Buch, Zeitung, Rundfunk, Fernsehen
Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1 1997;
Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis Zeitung,
hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der Mediengeschichte, 2000;
The Mediation of Symbols in Late Medieval and Early Modern Times, hg. v. Suntrup,
R., 2005
Medizin (Heilkunst) -> gerichtliche Medizin
Lit.: Schmidt, A., Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno
Schmidt, 1896; Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den
frühmittelalterlichen Leges, 1983; Die Geschichte des medizinischen
Denkens, hg. v. Grmek, M., 1996; Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000;
Pfeifer, K., Medizin der Goethezeit, 2000; Klee, E., Deutsche Medizin im
Dritten Reich, 2001; Künzl, E., Medizin in der Antike, 2002; Jankrift, K.,
Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, 2003; Steger, F., Asklepiosmedizin,
2004; Bergdolt, K., Das Gewissen der Medizin, 2004; Nutton, V., Ancient
Medicine, 2004; Antike Medizin, hg. v. Leven, K., 2005; Rzihacek-Bedö, A.,
Medizinische Wissenschaftspflege im Benediktinerlkoster Admont bis 1500, 2005
medum (Ackerland, Ackerabgabe [in der Erzdiözese Trier zwischen 900 und 1300])
Lit.: Kienast, R., medum-land, in: Antiquitates Germanicae,
1974, 57
Meer ist allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere Teil der
Erdoberfläche. Das M. ist grundsätzlich frei (lat. mare [N.]
liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.)
communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter
bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der Hand
der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des Landesherrn.
In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen (3 Seemeilen,
12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das -> Völkerrecht.
Lit.: [Grotius, H.,] Mare liberum,
1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere in der Staatenpraxis von
1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Meersburg
Lit.: Widemann, B., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Meersburg,
1958
Megelle (Buch der Weisheit) ist das von 1869 bis 1876 in 16 Bänden
herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte Zivilgesetzbuch des osmanischen
Reichs auf der Grundlage des islamischen Rechts (Saria). Die M. gilt in der
Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949,
im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr
wichtigster Redaktor ist der Richter und Justizminister Ahmad Gawdat Pasa
(1822-1895).
Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung, in:
Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170
Megenberg, Konrad von (1309-Regensburg 14. 4. 1374),
Ministerialensohn (Mäbenberg?), wird nach der Schule in Erfurt und dem Studium
der freien Künste in Paris Domherr in Regensburg. 1354 veröffentlicht er die
Karl IV. gewidmete Schrift (lat.) De translatione imperii Romani (Von der
Übertragung des römischen Reichs), in der er die Auffassung vertritt, dass der
Papst die Wahl des deutschen Königs billigen müsse.
Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von Megenberg,
1938
Mehrer des Reiches (Lüs. von lat. [M.]
Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des Heiligen Römischen
Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster 1957;
Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174
Mehrheit (Majorität) ist der größere von zwei (oder mehr) Teilen
einer Personengesamtheit. Der Grundsatz, dass eine M. von Stimmen einer von
mehreren unterschiedlichen Meinungen zum Sieg verhilft, ist bereits in den
Versammlungen in den Stadtstaaten Griechenlands und in Rom anerkannt. Die
christliche Kirche übernimmt die auch in den -> Digesten Justinians
vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst nicht, sondern
strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M. in der Form der
größeren Qualität vor (lat. sanior pars [F.]).
Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der
Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl
seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag
gilt dies nur von Fall zu Fall.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das
Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der
Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg,
J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher
Entscheidungen im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip,
Konsens und Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986
Mehrheitswahlrecht ist das Wahlrecht, bei dem die Mehrheit der Stimmen (eines
Wahlkreises) entscheidet und die für andere Bewerber abgegebenen Stimmen
personell nicht berücksichtigt werden (z. B. England).
Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip,
1973
Meier (zu lat. maior [M.]
der Größere) ist in der frühmittelalterlichen -> Grundherrschaft der
Verwalter des Grundherrn (lat. villicus [M.]).
Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit.
Daraufhin vergibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die
Grundherrschaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins (Meierrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die
Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991
Meiergericht ist das Gericht einer Grundherrschaft unter dem Vorsitz des
-> Meiers. Das M. begegnet seit dem Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es
vom Landesherrn zurückgedrängt und endet im 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile, hg.
v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und
Hofrecht, 1970
Meierhof -> Meier, Hof
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Meierordnung ist ein partikulares Gesetz des 18. Jh.s über das ->
Meierrecht (z. B. Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf Lüneburg 1799ff.,
Osnabrückische Eigentumsordnung 1722).
Meierrecht ist ein gewohnheitsrechtlich entstandenes bäuerliches
Besitzrecht in Nordwestdeutschland (Niedersachen, Westfalen). Es ist ein
(tatsächlich erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines fremden
Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht. -> Abmeiern
Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.; Pfeiffer,
W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in der
Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Illemann,
H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969
Meiji-Verfassung (1889) -> Japan
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Meineid ist das vorsätzliche falsche Schwören des Täters vor
Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle. Im
römischen Recht wird, von bestimmten Sonderfällen (z. B. lat. -> falsum [N.],
stellionatus [M.] oder -> crimen [N.]
laesae maiestatis) abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen
eine Strafe für M. kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem
falschen Schwören überwiegend eine -> Buße oder das -> Wergeld. Die
(lat.) Lex (F.) Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In
Kapitularien wird Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel (1221-1224).
Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor Gericht den
Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s werden
christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der
Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen
Falscheid ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902,
Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid,
Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D.
Medicus, 1999, 457
Meinung (Ansicht) -> herrschende Meinung
Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von der Aufklärung
des 18. Jh.s (-> Kant) gefordert und im 19. Jh. als -> Grundrecht
durchgesetzt.
Lit.: Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und
Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts
(in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995,
121; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4., A. 2004; Meinungsfreiheit,
hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986
Meißen
Lit.: Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der
Markgrafen von Meißen, 1956; Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960; Ludwig, T., Die
Urkunden der Bischöfe von Meißen, 2005
Meißener Rechtsbuch ist das zwischen 1357 und 1387 von einem unbekannten
Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger Rechts in der
Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und Vogtland), Sachsen,
Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffene, in 76
vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte Rechtsbuch
(eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der Literatur
auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder vermehrter
Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher, Kapitel und
Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht,
Stadtverfassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind -> Sachsenspiegel
Landrecht, Magdeburger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht und Zwickauer
Rechtsbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F., Das
Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des
Rechtsbuches nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44
(1924), 316; Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen
und Mähren, ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener
Rechtsbuches, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55
Meister (zu lat. [M.] magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im
besonderen der, welcher die Meisterprüfung in einem -> Handwerk bestanden
hat.
Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985
Mejora (F.) im Frühmittelalter ausgebildeter, zugunsten
der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbarer Vermögensteil
Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962
Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16. 2. 1497-Wittenberg 19.
4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in Wittenberg und entwickelt sich
zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er steht zwischen naturrechtlichen
Vorstellungen des Mittelalters und dem Vernunftrecht der frühen Neuzeit und
betont die relativ gute Verwirklichung natürlicher Rechtssätze im römischen
Recht. Bei M. ist die -> lotharische Legende belegt.
Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und
Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre,
1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex
und ordo, 2005
Melderecht ist die Gesamtheit der die Anmeldung eines Menschen an
einem Ort bei der staatlichen Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B.
Preußen 1842).
Melfi in Süditalien ist ein bevorzugter Ort der Staufer, in dem
1231 Kaiser Friedrich II. die -> Konstitutionen von M. verkündet.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie, 1975
melior (lat. [M.]) der Bessere
Meliorat (N.) aus den (lat.) meliores (M.Pl.) gebildete Bevölkerungsgruppe
Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen
Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141
Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738-1798) wird nach dem Rechtsstudium
in Coimbra (1757) Lehrer des Rechts (seit 1772 des vaterländischen Rechts [portug.]
direito pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechts (lat.
Historia [F.] iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen
bürgerlichen Rechts, 1788, Institutiones [F.Pl.]
iuris civilis lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des
portugiesischen öffentlichen und privaten Rechts, 1789, Institutiones iuris
criminalis lusitani, Einrichtungen des portugiesischen Strafrechts, 1789).
1805 werden seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen
portugiesischen Rechtsausbildung.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,713, 3,2,2466
Memmingen
Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967
Memoria
Lit.: Iwanami, A., Memoria et oblivio, 2004
Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow 12. 9. 1841-Rom 6. 2.
1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in Wien (1860) Advokat
und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher Professor für
Zivilprozessrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am ersten Entwurf
des deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (Das bürgerliche Recht und die
besitzlosen Volksklassen, 1889/90). Eine gewisse tatsächliche Wirkung des
bedeutenden Kathedersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über Franz ->
Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926) auf das österreichische Zivilprozessrecht.
Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger, 1974; Müller,
E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner, H., Anton
Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990, 11
Menhir (M.) Dolmen, vorgeschichtliche Steinsäule
Menocchio, Jacopo (1532-1607), Steuerpächterssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Pavia (Alciat) Professor in Pavia (1556), Mondovi (1561),
Padua (1566) und Pavia (1589). Er verfasst zahlreiche privatrechtliche
Traktate.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1
1977, 326
Menschenraub ist die Straftat, bei der sich der Täter eines Menschen
durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die römische (lat.) lex
(F.) Fabia de plagiariis (nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. [N.]
plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die
frühmittelalterlichen -> Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an
einem Freien vor. Der -> Sachsenspiegel (1221-1224) setzt den M. dem
Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für
bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263
Mensch ist das durch Verstand ausgezeichnete
Lebewesen. Der moderne M. ist wohl in Ostafrika möglicherweise vor 100000
Jahren entstanden und ist vielleicht vor 40000 Jahren nach Südafrika und Asien
sowie Europa gewandert, wo er anscheinend vor 12000 Jahren im fruchtbaren
Halbmond erste Hochkulturen entwickelt hat. Durch zahlreiche Entdeckungen und
Erfindungen hat er sich zum Herrscher über die Erde aufgeschwungen und für das
zwischenmenschliche Verhalten das Recht durchgesetzt.
Menschenrecht ist das dem Menschen als solches (gegenüber dem Staat)
zustehende angeborene, unveräußerliche, unantastbare Recht. Als Vorläufer
allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener -> Grundrechte sehen nach
dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im Mittelalter einzelne naturrechtliche
Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und Eigentum. 1776
werden fundamentale Rechte in die amerikanische, von George Mason (1725-1792)
entworfene -> Virginia Bill of Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden
in Frankreich (26. 8. 1789) allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit,
Weltbürgertum) proklamiert. Von den Vereinten Nationen wird (10. 12. 1948) eine
(noch) nicht verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der
Menschenrechte, von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine
nach Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene
Europäische Konvention der Menschenrechte beschlossen.
Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau, G./Murphy,
R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998; Zur Geschichte
der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die Menschenrechte,
hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M., Rechtsphilosophie und
rechtsgeschichtliche Etappen der Idee der Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983;
Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der
Menschenrechte, hg. v. Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische
Menschenrechtsschutz, JuS 1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug,
U. u. a., 1988; Hofmann, H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS
1988, 841; Birtsch, G. u. a.,
Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International
Human Rights, hg. v. Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996;
Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die
Menschenrechte in Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die
Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Müller, S., Gibt es
Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human rights and legal history, hg.
v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des Menschenrechts
bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In Deutschland
zwischen 1933–1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der
Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Ludescher, M., Menschenrechte
und indigene Völker, 2004; Meyer-Ladewig, J., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A: 2006
Menschenrechtler ist, wer sich für die Menschenrechte anderer uneigennützig
einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die Menschenrechte nur als Mittel oder
Vorwand für die Verfolgung eigennütziger Ziele verwendet. Beides ist seit
Anerkennung der Menschenrechte möglich.
Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale Wert- und
Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt. Die M. schließt unmenschliche
Behandlung eines Menschen aus. Sie wird seit dem 18. Jh. als Wert gefordert.
-> Menschenrecht
Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988;
Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei
Homer, 2000
Mentalität (F.) Geisteshaltung
Lit.: Mentalitäten im Mittelalter,
hg. v. Graus, F., 1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher,
P., 1993; Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261
(1995), 672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998
Mentalreservation (lat. reservatio [F.]
mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie
wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht
von dort in das weltliche Recht über.
Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und
Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119
mercatum (lat. [ N.]) Markt
Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW
merces (lat. [F.]) Entgelt
Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46
mercennarius (lat. [M.])
Lohnarbeiter
Lit.: Köbler,
DRG 57
Merkantilismus ist das wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in
dem der Staat zur Füllung der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik
treibt und dadurch die gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um
seinen Reichtum und seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen
Handelsbilanzüberschuss an. Zu diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit
hohen Einfuhrzöllen abgewehrt und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren
Herstellung der Staat teilweise Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung
stellt, möglichst durch Subventionen unterstützt. Führend ist Frankreich unter
dem Finanzminister (1661-1672) Colbert (1619-1683). Der M. wird am Ende des 18.
Jh.s vom -> Liberalismus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134; Mannert,
L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Bog,
I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft, Gesellschaft und
Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und Merkantilismus, hg. v. Press,
V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994; Gömmel,
R., Die Entwicklung der Wirtschaft im Zeitalter des Merkantilismus, 1998;
Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II, 1998; Merkantilismus und
Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000
Merkel, Paul Johannes (Nürnberg 01. 8. 1819-Halle 1861),
Bürgermeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München und Erlangen 1851
außerordentlicher Professor in Königsberg und 1852 ordentlicher Professor in
Halle. Er gibt einige Volksrechte heraus.
Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel, ZRG
3 (1864), 193
Merowinger ist der Angehörige eines von einem sagenhaften Vorfahren
Mera bzw. von einem Stammvater Merowech hergeleiteten, fränkischen Königsgeschlechts.
Merowechs Enkel Chlodwig eint seit 482 die -> Franken. Die Nachfahren teilen
vielfach auf. 751 wird der merowingische König vom -> Hausmeier mit
Einverständnis des Papstes entmachtet (-> Karolinger).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum
Francorum e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981;
Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren
abgesetzter Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und
Grundherrschaft im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk
Chilperichs I., ZRG GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als
Herrschaftsordnung, Diss. jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier,
G., Les Merovingiens, 1966; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972;
Eckhardt, K., Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8.
Jahrhunderts, hg. v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu
den Diplomata regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W.,
Süddeutschland in der Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das
Frankenreich, 1988, 4. A. 2001, 5. A. 2006; Kaiser, R., Das römische Erbe und
das Merowingerreich, 1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und
Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I.,
Merovingian Kingdoms, 1994; Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994;
Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Brühl,
C., Merowingische Königsurkunden, 1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f.
1998f.; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesellschaft, 1999; Fouracre, P.,
The Age of Charles Martel, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer,
T., 2001; Geary, P., Die Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins
Mittelalter, 2003
Mesopotamien (Zwischenflussland, Zweistromland) ist das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in
dem im 3. Jt. v. Chr. die Keilschrift erfunden wird. Seine wichtigsten
Herrschaften bestehen um Sumer (Sumerer), Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter),
Assur (Assyrer), Urartu und Babylon (Babylonier). Über die Perser und Alexander
den Großen gelangt das Gebiet an die Römer, verödet danach aber und wird erst
im 20. Jahrhundert wegen seines Ölreichtums wieder bedeutsam.
Lit.: Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen
Euphrat und Tigirs, 1997; Edzard, D., Geschichte Mesopotamiens, 2004; Korn, W.,
Mesopotamien, 2004
Messe ist der katholische Gottesdienst und davon ausgehend seit
dem Mittelalter (Paris, St. Denis 10. Jh.), vor allem seit dem 11./12. Jh., der
daran anschließende Markt. Im Spätmittelalter entwickelt sich hieraus ein
System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf, Frankfurt am Main, Leipzig).
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 98; Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés
et des foires, 1897; Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger
Messen und ihre Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue
Beiträge zur Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der
Messen und Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
5. A.1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann, M.,
Die Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998
Messina in Nordostsizilien ist die auf eine vorgriechische Siedlung
zurückgehende, nach 490 von Zankle nach den neusiedelnden Messiniern umbenannte
Stadt. Über Römer, Ostgoten, Oströmer und Sarazenen (843-1061) gelangt M. an
die Normannen. 1548 erhält es eine Universität. 1908 wird es durch Erdbeben zu
90% zerstört.
Lit.: Capitoli e privilegi di Messina,
hg. v. Giardina, C., 1937; Pispisa, E., Messina, 1980
Meta
Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des
langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262
Methode ist das planmäßige Verfahren zur Erreichung eines
bestimmten Zieles. Die M. der -> Rechtswissenschaft besteht im Auslegen von
Texten und Erklärungen und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten zu
Tatbeständen. Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender Maßstäbe der
mittelalterlichen Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in authentische
Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der Rechtsprechung und
doktrinale Interpretation der Rechtslehre, wobei der Wertbezug des geltenden
Rechts noch nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird das Gesetz zur
beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung zunehmend
wissenschaftlicher Vorgangsweisen, wobei im späteren 17. und im 18. Jh.
Naturrecht als auf die Funktion rechtspolitischer Postulate beschränktes Recht
und positives Recht als Ergebnis eines normsetzenden Willens voneiunander
geschieden werden. Die doktrinale Auslegung wird in deklaratorische, extensive
und restriktive Interpretation unterteilt. -> Thomasius und -> Buchner
unterscheiden zwischen grammatischer Interpretation und logischer
Interpretation, -> Savigny und -> Thibaut zwischen philologischer,
historischer, systematischer und teleologischer Auslegung, mit deren Hilfe das
Recht als autonome sittliche Ordnung begriffen werden soll. Die ->
Rechtsgeschichte will als geschichtliche Wissenschaft vergangene rechtliche
Umstände ermitteln, verstehen und erklären.
Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der
historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der
Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der
Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974;
Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing,
H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts,
Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker,
F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H.,
Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode
der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G.,
Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur
Methodenfrage der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert,
Methoden und Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272; Raisch,
P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren Methodik, hg.
v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v. Schröder, R., 1998;
Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus und Naturrecht, ZNR
21 (1999), 3;Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001; Kurt, R., Hermeneutik,
2004; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Heine, S., Die
Methodendiskussion nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2004
Methodenlehre -> Methode
Metternich, Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5. 1773-Wien 11. 6. 1859)
wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft und Geschichte
Gesandter 1797 der westfälischen Grafenbank und 1801 des Kaisers sowie 1809
österreichischer Außenminister. 1814 fördert er die Schonung Frankreichs im
Interesse des europäischen Gleichgewichts. Im -> Deutschen Bund unterdrückt
er die freiheitlichen und nationalen Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen.
Am 13. 3. 1848 muss er zurücktreten.
Lit.: Köbler,
DRG 170; Srbik, H. v., Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann
Europas, 1980; Seward, D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich
die Zeit anhalten wollte, 2003
Mettlach
Lit.: Raach, T., Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974
Metus (lat. [M.]) ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter
Furcht zustande gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch
gewährt das prätorische Recht eine (lat.) -> in integrum restitutio (F.),
mit der die eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine
Strafklage (lat. actio [F.] quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen
Schadensbetrag und eine Einrede (lat. exceptio [F.]
metus). Das nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in
eine Art Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.)
in integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.
Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49
Metz an der Mosel ist der auf keltisch-römischer Grundlage im 6.
Jh. Hauptort eines fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz) werdende Ort. 870
kommt es über Lotharingien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu Frankreich.
Im 13. Jh. entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Rechtsstadt aufgestiegene
Stadt mit Bannrollen eine Art -> Grundbuch.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann,
K., 1908; Le droit coutumier de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a.,
1951; Hocquard, G. u. a., Metz 1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz
und Trier, 1998; Reverchon, A., Metzer Denare, 2006
Meum esse (lat.) ist im altrömischen Recht die Gewalt eines Menschen
über Sachen. Das m. e. gestattet die Verfügung über die Sache. Es kann seinerseits
vor allem auf Erbfolge, Aneignung, Manzipation oder (lat.) -> in iure cessio
(F.) und -> Ersitzung (oder auch formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen
römischen Recht entsteht aus dem m. e. das -> Eigentum.
Lit.: Köbler,
DRG 24, 25, 40; Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2.
A. 1956
Meurer, Noe (Memmingen 1525/1528-Heidelberg 1583),
Stadtschreiberssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und Siena Advokat,
Rat und (1557-63) Reichskammergerichtsassessor. 1566 behandelt er in seinen
„Practica von der kaiserlichen Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster
den Prozess vor dem -> Reichskammergericht systematisch.
Lit.: Hausrath,
H., Zur Lebensgeschichte Dr. Noe Meurers, ZGO N.F. 21 (1906), 690
Meuterei ist die Vereinigung mehrerer Menschen zu Ungehorsam oder
Empörung gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der Todesstrafe bestraft.
Danach tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19 Jh. wird sie
tatbestandlich schärfer erfasst.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Mevius, David (Greifswald 6. 12. 1609-14. 8. 1670),
Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Greifswald 1634 Professor in
Greifswald, 1637 Syndikus in Stralsund und 1653 Vizepräsident des schwedischen
Obertribunals in Wismar. Einen Plan einer Zusammenfassung aller
naturrechtlichen Regeln führt er nicht aus. Sein Entwurf eines
mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642 kommentiert er das
lübische Recht (lat. Commentarius [M.]
in ius Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit
1653. In beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und
wissenschaftliche Systematik in ansprechender Weise.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der Entwurf
eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941), 208;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E., David
Mevius, in: Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173; Holthöfer, E.,
David Mevius, in: Integration durch Recht, hg. v. Jörn, N. u. a., 2004, 277
Miete ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der eine Teil
(Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den Gebrauch der
vermieteten -> Sache (Sachteil, Sachgesamtheit) während der Mietzeit zu
gewähren, und der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten Mietzins zu
bezahlen. Die M. ist im klassischen römischen Recht ein Konsensualkontrakt
(lat. locatio [F.] conductio rei). Sie findet sich danach unter Ablösung
älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in der bald
bis zu 40% der Wohnungen zur M. gegeben werden. Dem Mieter wird eine ->
Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache beendet die Miete
nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres Mietangebot den Mieter
nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh. dringt das römische Recht
vor. Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme zusammen mit der
Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914
verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter
(Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B. Mieterschutzverordnung vom 26. 7.
1917). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s verdichtet, wenn auch
Wohnraumbewirtschaftungsmaßnahmen nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9;
Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS; Brünneck, Zur
Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M., Das deutsche
Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete,
ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und
Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt
Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte des
Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann, H.,
Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972; Trenk-Hinterberger,
P., Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 35; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete, 1996;
Teigelack, L., Die Garantiehaltung des Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996;
Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts,
1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP
1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom
preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen
Sonnenschein, 2002
Mieterschutz -> Miete
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen, J.,
Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991;
Lutz, H., Der Mieterschutz der Nachkriegszeit, 1998
Mietkauf
Lit.: Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag. Geschichte und
Entwicklung des Mietkaufs vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart,
1991
Mietrecht -> Miete
Lit.: Ruth, R.,
Das Mietrecht der Wohn- und Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher
Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines
sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143
Mietverhältnis ist die -> Miete zwischen Vermieter und Mieter.
Lit.: Genius,
K., Der Bestandsschutz des Mietverhältnisses, 1972
Mietvertrag -> Miete
Milano -> Mailand
miles (lat. [M.]) Krieger, Ritter
Lit.: Köbler, LAW; Bumke,
J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976
Militär (N.) Heerwesen, -> Heer, Krieg
Lit.: Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 1; The Oxford Companion to Military History, hg. v.
Holmes, R., 2001; Frevert, U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek,
P./Peball, K., Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000;
Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch
in die Moderne 1860-1890, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2003
Militärgrenze (confin) ist im österreichischen Recht die mit
Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone zwischen
Österreich-Ungarn und den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In dem
umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird als
letztes selbständiges Grenzgebiet die kroatisch-slawonische M. aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher;
Amstatt, J., Die k.k. Militärgrenze 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Die
k. k. Militärgrenze, 1973;
Militärkonvention ist der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen
Staaten bzw. Ländern des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches
geschlossene Vertrag über Militärangelegenheiten, durch den die
Herrschaftsgewalt über Heereskontingente auf Preußen bzw. den Kaiser und damit
das Reich übergeht.
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1
1963, 992
Militärregierung ist die -> Regierung durch Streitkräfte.
Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter verstärkt organisierte
kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte.
Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur. Hamburg
1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973
Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch Vertrag zwischen
Kriegsherrn und Söldnerführern geschaffene, in der frühen Neuzeit durch
Kriegsartikel des Landesherrn festgelegte Strafrecht für Angehörige der
Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es liberalisiert, humanisiert und in besonderen
Militärstrafgesetzen konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg 1818, Sachsen
1838, Oldenburg 1841, Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg 1861, Sachsen
1867, Bayern 1869, Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der Bundesrepublik
Deutschland das Wehrstrafgesetz (1957).
Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2 1935;
Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe, ZGR GA 102
(1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988; Walmrath, L.,
Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz, NJW 1998,
2570; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der Einfluss von
Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des Militärstrafrechts,
2005
Militärstrafverfahren ist das in Militärstrafangelegenheiten angewandte, seit
dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Württemberg 1692, Preußen
1712, Österreich 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im 19. Jh. wird
teilweise das -> Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen 1845), teils das
mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die
Militärstrafgerichtsordnung des Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten
Reich erlassen etwa 2000 Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000
Todesurteile, von denen vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden.
Lit.: Fleck, E.,
Das Strafverfahren der preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H.
v., Der Militärprozess in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die
deutsche Militärjustiz, hg. v. Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt,
M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozilismus, 1987; Wüllner,
F., Die NS-Militärjustiz, 1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die
Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert, W., Zur Entstehung der
Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996), 1; Messerschmidt, M.,
Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005
Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als Leitungsorganen)
durchgeführte -> Verwaltung.
millenarius (lat. [M.]) Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und
Westgoten, in der Herkunft und Bedeutung streitig
Lit.: Rietschel,
S., Die germanische Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D.,
Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181
Miltenberg
Lit.:
Störmer, W., Miltenberg, 1979
Minden
Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v. Krieg, M.,
1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997
Minderheit ist eine im Verhältnis zu einer -> Mehrheit geringere
Zahl (von Menschen). Seit dem Mittelalter wird ansatzweise vereinzelt die Frage
des Schutzes der M. gesehen. Verrechtlicht wird dies nur ganz allmählich. Seit
dem 20. Jh. (vor allem nach dem Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger,
der Osmanen und der Russen) werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz
von Minderheiten verstärkt, ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das
Recht der M. darf von der Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden.
1998 treten die im Rahmen des Europarats ausgearbeiteten Rahmenübereinkommen
zum Schutz nationaler Minderheiten und der europäischen Charta der Regionbal-
und Minderheitensprachen in Kraft.
Lit.: Jellinek,
G., Das Recht der Minoritäten, 1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz
der nationalen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994; Nationale, ethnische Minderheiten und regionale
Identitäten, 1994; Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten, hg. v.
Hinderling, R./Eichinger, L., 1996; Nationale Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u.
a., 1999; Fink, C., Defending the Rights of Others, 2004; Minderheitenrechte in
Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2. A. 2006; Zur Entstehung des modernen
Minderheitenschutzes in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2006
Minderjährigkeit ist der Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur
Vollendung des für die -> Volljährigkeit erforderlichen (18., 19., 21., 24.
oder 25.) Lebensjahres. Dem Minderjährigen fehlt die unbeschränkte ->
Geschäftsfähigkeit. Soweit er nicht selbst wirksam handeln darf, handelt für
ihn der gesetzliche Vertreter. Die M. ersetzt im Laufe der Aufnahme des
römischen Rechts die -> Mündigkeit weitgehend.
Lit.: Kaser § 14
II 3, 64 II; Hübner; Kroeschell, DRG 1
Minderung ist die Herabsetzung eines an sich vereinbarten Kaufpreises
auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache. Sie stammt
aus dem klassischen römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen Ädile als
Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem Käufer bei
gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.) -> actio (F.)
redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die Rückgewährung des Kaufpreises in
Höhe der durch den Mangel begründeten Wertverringerung der Sache bei deren
Behalten im Übrigen (lat. -> actio [F.]
quanti minoris, Minderungsklaganspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit
aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung durch den
allgemeinen Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG
46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich nicht um Kleinigkeiten.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)
Minister ist der Leiter einer obersten Behörde einer Verwaltung. Er
entwickelt sich in der frühen Neuzeit aus dem älteren Diener eines Herrn.
Zuerst in England und Frankreich sind im 17. Jh. M. des Königs als Amtsträger
des Herrschers an herausgehobener Stelle verwaltend-ausführend tätig. Im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) wird M. im 18. Jh. für den das
oberste Regierungsgeschäft erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein
Tätigkeitsbereich ist das -> Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im
19. Jh. erlangt er demgegenüber Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegenzeichnung
Preußen 1808, Belgien 1831, Preußen 1850). 1930 begründet das
Reichsministergesetz für den M. im Deutschen Reich ein besonderes
öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis außerhalb der Beamtenschaft, das nach
Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953 wiederhergestellt wird.
Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257;
Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921;
Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder,
J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v.
Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister
(1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die
Bundesministerien 1949-1999, 2003
Ministeranklage ist die gegen einen -> Minister gerichtete Anklage auf
Amtsenthebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie entwickelt sich anscheinend in
England (seit dem 12. Jh.) aus einer ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen
eines Verbrechens. 1791 wird die M. in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in
Nassau. Das deutsche Grundgesetz kennt die M. im Gegensatz zu
Landesverfassungen nicht.
Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité des
ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte Verwaltungsbedienstete
Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die Ministerialbürokratie,
Der Staat 15 (1976), 367
Ministeriale (lat. ministerialis [M.])
ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu den Unfreien, steigt
aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf (Dienstmann). Ein
besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11. Jh., zuerst
erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh. entwickelt
sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035, Bamberg
1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Im Zusammenhang mit
seiner Italienpolitik stützt sich Kaiser Friedrich Barabarossa ab 1174/1178 verstärkt
auf die Reichsministerialen. Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen die
wichtigsten Ämter des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120; Fressel,
R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907; Fajkmajer, K., Die
Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums, 3. Folge 52
(1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf Grund sächsischer,
thüringischer und niederrheienischer Quellen, 1913; Ganshof, F., Étude sur les
ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen, K. Frhr. v., Zum
Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die Reichsministerialen,
Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die Ministerialität der
Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J.,
2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen, in: Die Salier und das
Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1998; Derschka,
H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz, 1999; Keupp, J., Dienst und
Verdienst, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und Rittertum im
Mittelalter, 2004
Ministerialität ist der Stand und die Gesamtheit der Ministerialen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, O., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Kluckhohn, P., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910; Müller, E., Die Ministerialität im
Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911; Winter, G., Die
Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität im
späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des Löwen,
1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der Markgrafen von
Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v. Gerlich, A., 1978; Jacobi,
F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS Schmidt-Wiegand, R., 1986, 263;
Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in
Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen zwischen Weser und Elbe, 2000
Ministerium ist die oberste Behörde der Verwaltung. Im 18. Jh. ist das
M. vielfach regional begrenzt. Im 19. Jh. ist darunter die für ein bestimmtes
Sachgebiet (z. B. Auswärtige Angelegenheiten, Justiz (z. B. Preußen 1738),
Finanz, Verteidigung, innere Angelegenheiten) zuständige, von einem Minister
geleitete, bürokratisch organisierte Behörde oder die Gesamtheit der Minister
bzw. Ministerien (z. B. Preußen 1808) oder das Amt des -> Ministers zu
verstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky, P.,
Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des Geheimen
Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z. f. d.
ges. Staatswiss. 116 (1960), 114
Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat als
Regierungskollegium.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle des
österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des Ministerrates
der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende Recht (der
DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989
Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines -> Ministers für seinen
Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend seit dem 12. Jh.) in England
und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen (-> Ministeranklage), seit
1814 in den deutschen Staaten. Danach gilt die M. als notwendiger Ausgleich der
Unverantwortlichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche Folgerungen selten
bleiben.
Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der Minister,
1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d. ges.
Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und
Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der
Ministerverantwortlichkeit in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der
Ministerverantwortlichkeit in Bayern, 1930; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P., Ministerverantwortlichkeit und
Ministeranklage, 1996
Minne und recht ist eine mittelalterliche, häufig im Schiedsverfahren
begegnende Paarformel unbekannter Herkunft für die gütliche oder
entscheidungsweise Erledigung einer Streitigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst in
der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur.
Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80
(1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416
Minoer ist der
Angehörige des in Kreta von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr.
herrschenden Volkes.
Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004
Minorat (N.) Jüngstenrecht
Minorit ist der Angehörige eines 1517 von den Franziskanern (Franz
von Assissi † 1226) abgetrennten Ordens. Die minoritischen Franziskaner erteilen
bereits im Hochmittelalter Rechtsunterricht an den Ordensschulen, von dem ->
Deutschenspiegel und -> Schwabenspiegel beeinflusst sein dürften.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962, 116
Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2. 1828-Frankfurt am Main 8. 9.
1901), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg und Göttingen und
der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen Strömungen 1854 Rechtsanwalt und
1857 Kommunalbeamter. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die
nationalliberale Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/Lasker 1873,
Reichsjustizgesetze 1877/1879). 1890 wird er Finanzminister Preußens.
Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel, 1928;
Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von
Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001
Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist die aus 63 Traktaten in 6
Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich erweiterte Wiederholung der
alten Gesetze) des jüdischen Lehrstoffes der ersten zwei nachchristlichen
Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen wird. Sie wird bis 500 n. Chr.
durch Glossen erklärt (Gemara).
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Mischne Tora ist eine klare hebräische Zusammenfassung des jüdischen
Rechts durch -> Moses -> Maimonides in Ägypten am Ende des 12. Jh.s.
Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu
ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985
miserabilis (lat.) beklagenswert (wie z. B. Waise, Witwe, Kranker,
Pilger, Armer)
misericordia (lat. [F.]) Barmherzigkeit
Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im
Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991
Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat
Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Missheirat ist die Ehe zwischen Angehörigen verschiedener Stände, wie
sie sich bis in das 19. Jh. (Preußen 1869) bzw. 20. Jh. (1919, Preußen 1920)
findet. Sie zieht teils rechtliche, teils nur gesellschaftliche Folgen nach
sich.
Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten,
1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926
Missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht die vom Papst oder Bischof
übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes Gottes bzw. im älteren Recht
die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnissen an Geistliche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen römischen Recht entwickelte
Einweisung der siegreichen Partei eines Rechtsstreits in die Güter des Gegners,
nach der es meist zum öffentlichen Aufgebot und zum Verkauf aller Güter
zugunsten aller Gläubiger an einen einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt.
Ihr entspricht vielleicht im Frühmittelalter eine gleichartige -> Fronung.
Seit dem Spätmittelalter wird die m. i. b. im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86
III, 87 I 10; Söllner § 8; Köbler, DRG 33
Missive (N.) Sendschreiben
Misstrauensvotum ist seit der Ablösung Sir Robert Walpoles 1742 bzw.
spätestens seit dem Sturz Melbournes in England 1841 das Aussprechen des
Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer in Form
einer Abstimmungsniederlage. Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt nur das
konstruktive M., das nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen Regierungsführers
Erfolg haben kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh
missus (M.) dominicus (lat.) -> Königsbote
Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi
dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, in: Histoire
comparée de l’administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der
karolingischen missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256,
Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der Arbeitnehmer an
Willensbildungsvorgängen (der Arbeitgeber) in der Wirtschaft. Im Bereich der
Montanindustrie bringt das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung der
Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaues
und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine paritätische
Mitbestimmung im Aufsichtsrat (5 Arbeitgebervertreter, 5 Arbeitnehmervertreter,
ein gemeinsam bestimmtes weiteres Mitglied). Das Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5.
1976 führt in der Bundesrepublik Deutschland für Unternehmen in der Rechtsform
einer juristischen Person mit mehr als 2000 Arbeitnehmern die paritätische
Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner einerseits und Arbeiter,
Angestellte und besondere leitende Angestellte andererseits ein.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg, H., Geschichte
der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die
Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v.
Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999
Miteigentum ist das Eigentum mehrerer Personen an einer Sache. Es ist
im altrömischen Recht zunächst wohl bei der Erbengemeinschaft in der Form
vorhanden, dass keine selbständigen Anteile an der Sache bestehen. Erst danach
entsteht das M. nach Bruchteilen. Es setzt sich durch. Im deutschen Recht ist
M. anfangs vermutlich in einer -> Gesamthand gebunden. Seit dem
Spätmittelalter wird die römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Die
Gesamthand wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort nur in
Sonderbereichen wieder belebt.
Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61; Oppikofer,
H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu VSWG,
1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Miterbe ist das Mitglied einer Erbengemeinschaft.
Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122
Mitgift (lat. dos [F.])
ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben
wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt.
Vielfach erfolgt die Leistung an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende
Einrichtung wie z. B. an ein Kloster). Im 20. Jh. wird die M. meist durch eine
Ausbildung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§ 5, 8,
9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker, F.,
Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in
Österreich, 1973
mithio (lat.-afrk.) Erwiderung, Antwort, Verantwortung
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 209
Mitsukuri, Rinsho (1846-1897) wird nach dem Studium des
Chinesischen, Holländischen und Englischen mit der Übersetzung der
französischen Gesetzbücher beauftragt. Hierbei bewältigt er die Aufgabe der
Bildung japanischer Rechtswörter für westliche Rechtseinrichtungen.
Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho,
in: Nihon no hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1
Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft mehrerer Menschen. Eine
gesetzliche Grundlage für die M. schafft 1870 der Entwurf eines
Strafgesetzbuchs für den Norddeeutschen Bund.
Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der
Mittäterschaft, 1981; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Mitteis, Heinrich (Prag 26. 11. 1889-München 23. 7. 1952),
Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Berlin (Brunner,
Gierke) und Leipzig (Binding, Otto Mayer, Sohm) 1920 Professor in Köln, 1924 in
Heidelberg, 1934 in München, 1935 in Wien, 1938 in Rostock, 1946 in Berlin,
1948 in München und 1952 in Zürich. In der mittelalterlichen
Verfassungsgeschichte verbindet er Politisches eindrucksvoll mit Juristischem.
Seine beiden rechtsgeschichtlichen Grundrisse sind in der zweiten Hälfte des
20. Jh.s führend.
Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953), IX; Mitteis,
H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis, H./Lieberich,
H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die Rechtsidee in der
Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit Schriftenverzeichnis); Brun, G.,
Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis
nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a., 1991
Mittelalter ist der zwischen Altertum und Neuzeit befindliche zeitliche
Abschnitt der (europäischen) Geschichte (476-1492 bzw. 500-1500).
Lit.: Haskins, C., Studies in Mediæval Culture, 1929; Nord
und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W.,
1990; Schuler, P., Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das
Mittelalter als Epoche, hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge
Medieval History, hg. v. McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H.,
Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H.,
Überall ist Mittelalter, 1996, 2. A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im
Mittelalter, 7. A. 2002; Mittelalter und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997;
Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 1997; Fuhrmann, H.,
Einladung ins Mittelalter, 5. A. 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999;
Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte,
M., 2001; Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für
mittelalterliche Geschichte, 2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u.
a., 2001; Schubert, E., Alltag im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das
Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P., Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift,
K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann, M., Mittelalterliche Geschichte studieren,
2004; Schlotheuber, E., Das Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach
dem Mittelalter, 2004; Kaufhold, M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004; Nagel,
A., Im Schatten des Dritten Reichs. Mittelaterforschung, 2005; Neiske, F.,
Europa im frühen Mittelalter, 2006; Goetz, H., Proseminar Geschichte
Mittelalter, 3. A. 2006
mittelbarer Besitz -> Besitz
Mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw. 1500 als der (zwischen
Althochdeutsch und Neuhochdeutsch) mittleren deutschen Sprachperiode im
südlichen (hochgelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. ->
Schwabenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M.,
Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F.,
Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911;
Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, erarb. v. Ohly, S. u. a.,
Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1 Million Belege, rund 10000 Stichwörter); Lexer,
M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck, 1992; Hennig,
B., Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige, H.,
Mittelhochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund, hg.
v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM); Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. v.
Gärtner, K. u. a., Bd. 1ff. 2005ff. Mittellateinisch ist die
zwischen dem 6. und 15. Jh. verwendete Form des Lateinischen.
Lit.: Köbler, LAW; Löfstedt, B., Studien über die Sprache
der langobardischen Gesetze, 1961; Glossarium till medeltidslatinet i Sverige,
Bd. 1ff. 1973ff.; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter, 5. A. 1988;
Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon Minus, 2. A. 2002; Köbler, G., Liber
exquisiti xenii, 1999; Compendium auctorum Latinorum medii aevi (500-1500) hg.
v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1 (bis Bartholomaeus de Forolivio) 2002ff.
Mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. und 16. Jh. als der mittleren
deutschen Sprachperiode (zwischen Altsächsisch und Altniederfränkisch
einerseits und Neuniederdeutsch bzw. Plattdeutsch andererseits) im nördlichen
(niedergelegenen) Deutschland gesprochene Sprache (z. B. -> Sachsenspiegel),
die im Schriftdeutschen in der frühen Neuzeit (z. B. in Goslar zwischen 1519
und 1619) allmählich von der hochdeutschen Sprache (z. B. Juristensprache)
verdrängt wird.
Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A., Mittelniederdeutsches
Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in
Goslar, 1934
Mittermaier, Carl Joseph Anton (München 5. 8. 1787-Heidelberg 28. 8.
1867) wird nach dem Rechtsstudium in Landshut, München und Heidelberg (Thibaut,
Heise) 1807 Sekretär -> Feuerbachs, 1811 ordentlicher Professor in Landshut,
1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der
Rechtsvergleichung erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht
ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt das
Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort, schult Binding und veröffentlicht zwischen
1809 und 1867 867 größere und kleinere Werke (bis 1988 zehn zusätzliche postume
Veröffentlichungen) Seine Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000
Dissertationen und Broschüren (270 Laufmeter).
Lit.: Köbler,
DRG 205; Stegemeier, L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss.
jur. Göttingen 1945/8; Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen
Karl Joseph Anton Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh,
S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton
Mittermaier, hg. v. Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton
Mittermaier (1787-1867), ZRG GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen
Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Malsack, B., Die Stellung der
Verteidigung, 1992; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier – Rudolf von
Gneist, hg. v. Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern der badischen
Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Mussgnug, D.,
2002; Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers, bearb. v. Nuzzo,
L., 2004; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v.
Mußgnug, D., 2004; Briefe deutscher Strafrechtler an Karl Kosef Anton
Mittermaier, hg. v. Jelowik, L., 2005; Riemer, L., Das Netzwerk der
„Gefängnisfreunde“, 2005; Schieffer, R., Das ganze Mittelalter von A-Z, DA 60
(2004), 571
Mitverschulden ist die Außerachtlassung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten
durch den Beschädigten, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur
Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Bei konkurrierendem Verschulden
entfällt im gemeinen Recht seit dem Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig
(-> Kulpakompensation), während es nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jeweiligen Verursachung ankommt.
Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende Verschulden,
1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969), 187
Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen)
Lit.:
Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform des Rechts der
Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der Weimarer Zeit, ZRG GA
107 (1990), 132
Modena wird auf römischer Grundlage Grafensitz und seit dem 12.
Jh. Stadtkommune, 1452 unter der Herrschaft der Este Herzogtum. Um 1180 lehrt
in M. -> Pillius, im 13. Jh. andere bekannte Juristen. 1682 erhält es eine
Universität. 1859 fällt es von Österreich-Este an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia
dell’università di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e
rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker,
R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Modestin (Modestinus), Herennius (1. H. 3. Jh.), Schüler des
Ulpianus, ist der letzte spätklassische römische Jurist. Ihm misst das
Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung zu. Zu seinen Werken zählen 10 Bücher
(lat. [F.Pl.]) Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. [F.Pl.])
Pandectae, Pandekten, 9 Bücher (lat. [F.Pl.])
Differentiae, Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie
verschiedene kleinere Abhandlungen.
Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und
soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259
modius (lat. [M.])
Scheffel
modus (lat. [M.]) Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie [lat.]
-> traditio).
Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die Lehre
vom titulus und modus acquirendi, 1873
Mohammed (Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah, Mekka um 569-Medina 8.
6. 632) ist der aus führender Familie (Haschimiden) stammende Stifter des ->
Islam (20. 9. 622 Hedschra von Mekka nach Medina), der seine
Offenbarungserlebnisse im ®
Koran niederschreibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina, 1956;
Lüling, G., Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in
Europa, hg. v. Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M.,
Muhammad, 2000; Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung
abendländischer Autoren vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002;
Paret, R., Mohammed und der Koran, 9. A. 2005
Mohl, Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11. 1875),
Konsistorialpräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und
Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824 außerordentlicher Professor für
Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen
Fakultät, 1847 Professor in Heidelberg. Seine von klarer Systematisierung,
Einbeziehung der Rechtswirklichkeit und rechtsstaatlichem Grundverständnis
geprägten Hauptwerke sind das Staatsrecht des Königreichs Württemberg (1829ff.)
und die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.),
in denen Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht trotz Trennung aufeinander
bezogen werden. 1846 verlangt er die Regierungsbildung durch die Mehrheit der
Volksvertretung.
Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl 1799-1875,
1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 2
1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518; Briefwechsel Karl
Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004
Moldawien (Moldau) ist ein schon mittelalterliches osteuropäisches
Fürstentum längs des Flusses Pruth, das 1359 von Ungarn unabhängig wird, 1504
die Osmanen (Türkei) als Schutzherren anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch
unter dem Einfluss Franz von Zeillers) und 1862 zusammen mit der Walachei ->
Rumänien bildet bzw. 1918 von Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942
umgesiedelt, 1945 geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der
Sowjetunion im ukrainischen Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen
Sowjetrepublik und dem größten Teil Bessarabiens 1945 gebildete Moldauische
Sozialistische Sowjetrepublik verselbständigt sich mit der Auflösung der
Sowjetunion 1991.
Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia Zeiller,
1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche
Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom
Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum
Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v.
Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C.,
The Moldovans, 2000
Molina, Luis de (1535-1600) wird nach kurzem Studium des Rechts
in Salamanca und dem Studium der Logik, Philosophie und Theologie Theologe und
Naturrechtler in Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid, Cuenca und Madrid. Sein
juristisches Hauptwerk (De iustitia et de iure, 1593ff., Von Gerechtigkeit und
Recht) stellt das (ortsverschiedene und zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche
Recht) und das (das [lat.] ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht
(römisches, kirchliches, katholisches Recht) dar.
Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des
Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982, 48
Molinaeus -> Du Moulin
Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701 Sitz einer
Universität.
Mommsen, Theodor (Garding 30. 11. 1817-Charlottenburg 1. 11. 1903,
Vater Pfarrer) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel (Falck, Kierulff) 1843
Lehrer, Auslandsaufenthalt in Frankreich und Italien, 1848 Journalist, 1848
außerordentlicher Professor des römischen Rechts in Leipzig (1850 wegen seiner
Beteiligung an der Maierhebung 1849 entlassen), 1852 Professor in Zürich, 1854
Breslau und 1861 Professor für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes
Werk ist seine römische Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902 Literaturnobelpreis).
In der Rechtswissenschaft hat er sich durch sein römisches Staatsrecht (Bd.
1ff. 1871, Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht (1899, Neudruck
1955, 1961) und seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen
(Codex Theodosianus usw.) herausragende Verdienste erworben.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Hartmann, L.,
Theodor Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956,
Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen,
Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich
Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen
1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und
römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM); Theodor Mommsen – Gelehrter,
Politiker und Literat, hg. v. Wiesehöfer, J., 2005; Theodor Mommsens langer
Schatten, hg. v. Nippel, W. u. a., 2005; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2007
mompar (mhd.) Vormund
Mömpelgard (Montbéliard) ist die westlich von Basel gelegene
reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation), die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers
mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983
Monarchie ist die Staatsform, bei der ein einzelner Mensch als Träger
der Staatsgewalt an der Spitze des Staates steht. Sie ist bereits bei
Aristoteles neben Aristokratie und Demokratie als eine Staatsform bezeugt. Seit
dem Hochmittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden. Seit 1688
entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt am Ende
des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/1835, Deutscher Bund
theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des ersten
Weltkrieges werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken
verwandelt.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein, K.,
Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses
Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976), 367; Aretin,
K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R., Le roi ne
meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft,
1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992; Wienfort, M.,
Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K., Monarch und
Parlament im 19. Jahrhundert, 1999
Monarchisches Prinzip ist das den Monarchen als alleinigen Träger der
Staatsgewalt betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des Deutschen
Bundes 1820 zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um 1800 (1804/1806)
als Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 21.
9. 1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als Organ der
juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip erstmals die
Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip
zurückgedrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann, E.,
Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P.,
Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die
Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss.
jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967,
115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale
Verfassungspositionen, JuS 2000, 943
Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16. Jh.)
Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der
Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967
Mönch ist der Angehörige einer religiösen Gemeinschaft. Das
Mönchtum innerhalb des Christentums erscheint schon im Altertum. Es verbreitet
sich rasch in Ägypten, Palästina und Syrien und dringt seit etwa 370 n. Chr.
auch im Westen ein. Der erste bedeutsame Orden sind die Benediktiner Benedikts
von Nursia.
Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von
Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Laske, W., Das
Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Prinz, F., Frühes
Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im
Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns, and
Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Frank, K., Geschichte des christlichen
Mönchtums, 5. A. 1993; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 3. A.
1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser, T., Mönche im
Konflikt, 2000
Mönchengladbach
Lit.: Brasse, E., Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff.
1914ff.
Mongole ist der Angehörige eines zunächst am oberen Amur
nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach Westen (Russland
1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.) ausgreifenden
Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina) zerfällt.
Lit.: Die Mongolen in Asien und Europa, hg. v. Conermann,
S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der Mongolen, 2004
Monopol ist die Marktform, bei der Angebot (Angebotsmonopol) oder
Nachfrage (Nachfragemonopol) in einer Person vereinigt sind. Das M. wird in
der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem, mit dem sich die Gesetzgebung des
Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) befasst. Der Liberalismus wendet
sich gegen das M.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J.,
Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die
Monopole, 1996
Montanunion ist die 1951/2 von Deutschland, Frankreich, Italien, den
Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete Europäische Gemeinschaft für
Kohle und Stahl, in der eine besondere Form der -> Mitbestimmung gilt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel and
the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Montenegro (Name seit dem 16. Jh. gebräuchlich) ist das unzugängliche
Gebirgsland östlich der mittleren Adria, das seit dem 13./14. Jh. als Einheit
erscheint, bis es 1528 an die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird es unter einem
Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein Staatsgesetz. 1852
wird es weltliches Fürstentum. 1878 wird M. unabhängig (Allgemeines Vermögensgesetzbuch
von Montenegro 1888), 1910 Königreich. 1918 schließt es sich Jugoslawien an,
bei dem es nach 1990 unter stärkererer Autonomie verbleibt.
Lit.: Istorija
Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C., The Code and the goats, ZNR 1998, 212
Montesquieu, Charles de Secondat Baron de
la Brède et de (La Brède 18. 1. 1689-Paris 10.
2. 1755) wird nach dem Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726
Parlamentspräsident. Seit 1721 kritisiert er in den anonymen persischen Briefen
(Lettres persanes) die politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs.
1748 entwickelt er in seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l’esprit des
lois (Vom Geist der Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen
gegen ein Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der
Dreiteilung der Staatsgewalt (-> Gewaltenteilung) in Ausführung
(Exekutive), Gesetzgebung (Legislative) und Rechtsprechung (Judikative). Das
an die Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz
soll der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden
werden, für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen
(Kodifikation). Weil Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes
sowie Lage und Klima des besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein
absolutes, überall in gleicher Weise geltendes -> Naturrecht ab.
Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; Shackleton, R.,
Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg. v. Forsthoff,
E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung im
Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990; Herdmann,
F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S., Montesquieu,
1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996; Desgraves, L.,
Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, in: Wandel von Recht
und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus
Strafrechtsliberalismus, 2002
Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr von (München 12. 5. 1759-14.
6. 1838), Generalssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg Hofrat in
München, 1799 Außenminister in Bayern. Er gestaltet eine moderne, einheitliche
und zentralisierte Verwaltung nach dem Vorbild Frankreichs in Bayern. In der
Konstitution von 1808 beseitigt er die ständischen Vorrechte.
Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971
Montpellier in Südfrankreich ist seit etwa 1170 Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen
(-> Placentinus), seit dem 13. Jh. Sitz einer Universität, später dreier
Universitäten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La
science du droit dans le midi, 1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy,
G., 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom Stein ins Leben gerufene
Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren) deutsche(n) Geschichtsquellen
Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der Monumenta
Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae Historica, 1969
Monzambano, Severinus de (Pseudonym
-> Pufendorfs 1667)
Moorleiche ist die im Moor aufgefundene Leiche. Sie kommt als
rechtsgeschichtliche Erkenntnisquelle in Betracht (-> Sittlichkeitsverbrechen).
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden infolge des Übergangs von der
händischen Torfgewinnung zum Einsatz von Maschinen Moorleichen kaum mehr
gefunden.
Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901), 354; Eckhardt,
K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A., Die
europäische Moorleichenfunde, 1965
Moosburg
Lit.: Hiereth, S., Mossburg 1950; Hiereth, S., Moosburg, 1986
mora (lat. [F.]) Verzug
Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4;
Köbler, DRG 44
Moral (F.) Gesamtheit der Sitten
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863; Rohls,
J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend, 1996
Morastein ist der südöstlich von Uppsala gelegene Ort (Steinring) der
Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden.
Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937;
Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976
Moratorium (N.) Zahlungsaufschub
Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom
Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald
1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937
Mord ist die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall qualifizierter
Tötung eines anderen Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich auch in
germanischer Zeit ist M. die beispielsweise durch Zudecken verheimlichte
Tötung. Seit dem Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in bestimmter Weise
besonders qualifizierte Tötung.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 76,
Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel-Rohwer, 1985; Thomas, S., Geschichte
des Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002; Reuber,
I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und Totschlag?
2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003
Mordbrand ist die heimlich verübte -> Brandstiftung, als deren
Strafe im Sachsenspiegel (1221-1224) das Rädern erscheint.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
More geometrico (lat.) auf geometrische Art (z. B. durch Pufendorf [1672]
erfolgende Rechtswissenschaft) -> mos geometricus
Lit.: Köbler, DRG 146
Mores (lat. [M.Pl.],
Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten) Sitten (der Väter [lat. maiorum]). Sie beeinflussen vor allem das altrömische Recht.
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M., Mores
maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52
Morganatisch ist eine von der -> Morgengabe abgeleitete Bezeichnung.
Die morganatische Ehe (Ehe zur linken Hand) ist eine zuerst im
spätmittelalterlich-oberitalienischen Recht (Mailand) bezeugte, bis 1875/1918
(für den Adel) zulässige Form der -> Ehe. Zwischen Mann und Frau tritt keine
Rechtsgemeinschaft ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche
Gewalt über sie hat, nur der Mutter zugerechnet.
Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten-
und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen
des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Morgengabe ist spätestens seit dem Frühmittelalter eine Gabe (meist)
des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht. Sie wird vom Mann verwaltet.
Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht schwindet zuerst in den Städten
des hohen Mittelalters.
Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 88,
123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland, Bd.
1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich,
1973, 45, 124
Morgensprache (F.) eine Zunftversammlung
mors (F.) civilis (lat.) -> bürgerlicher Tod
Lit.: Borgmann, B., Mors civilis
1969 ; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81
Mortgage ist im mittelalterlichen französischen Recht das zur
Fruchtziehung am Pfandgrundstück berechtigende Pfandrecht.
Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit
privé, 1905, 784
mortuarium (lat. [N.]) Sterbefallabgabe
Mortuus redhibetur (lat.). Der Tote wird zurückgewährt (gemeint ist der
zufällig untergegangene Sachgegenstand eines Austauschgeschäftes).
Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K. Larenz,
1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223,
Digesten 21, 1, 31 § 11)
Morus (More), Thomas Sir (London 7. 2. 1478-6. 7. 1535),
Juristensohn, wird nach dem Studium der alten Sprachen und des Rechts in London
1501 Rechtsanwalt, 1504 Parlamentarier im Unterhaus, 1510 undersheriff und 1529
als erster Laie Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von Rotterdam verfasst er,
beeinflusst von der Entdeckung Amerikas, 1516 eine zeitkritische Beschreibung
eines idealen Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er nach der Scheidung
Heinrichs VIII. von Katharina von Aragon und der daraufhin erfolgenden Trennung
Englands von der katholischen Kirche einen Eid auf den anglikanischen König
Heinrich VIII. verweigert, wird er 1535 wegen Hochverrats hingerichtet.
Lit.: Chambers,
R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus,
Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The Life of Thomas More, 1999
mos (lat. [M.]) Sitte -> mores (M. Pl.)
Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik, HZ
258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000
mosaisches Recht -> biblisches Recht, jüdisches Recht
Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ 260
(1995, 1
Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241 Siedlung im
Reichssteuerverzeichnis)
Lit.: Mosbacher Urkundenbuch, bearb. v. Krimm, K., 1986
Moser (von Filseck und Weilerberg), Johann Jakob (Stuttgart 18.
1. 1701-30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen
außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1721), dann freier Berater, 1726
Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen, 1734 Regierungsmitglied, 1736
Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder, 1739 Privatgelehrter, 1745
Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer, 1751 Landschaftskonsulent,
1759 verhaftet und nach 1764 wieder Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden
sammelt er hauptsächlich staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht,
Teil 1ff. 1737ff., Neues teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er
die Geschichte als objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht.
Das Völkerrecht gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.
Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen Staatsverfassung
des teutschen Reiches, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser, J., Lebensgeschichte
Johann Jacob Mosers, 1768; Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868;
Wächter, O., Johann Jacob Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869; Leschhorn,
A., Johann Jakob Moser und die Eidgenossenschaft, 1965; Rürup, R., Johann Jacob
Moser, 1965; Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, 1968; Johann
Mosers mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983; Stolleis, M.,
Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 258
Möser, Justus (Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794),
Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Göttingen
Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744), Syndikus (1756), Justitiar (1762) und
1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er wirkt in vielfältiger Weise als
aufgeklärter konservativer Schriftsteller. Sein Hauptwerk sind seine patriotischen
Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).
Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U., Justus
Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das Rechtsdenken
Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J., Sämtliche
Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss. jur. Köln
1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser, 1970; Schmidt,
P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975; Schmelzeisen, G., Justus
Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder, J., Justus Möser als
Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Welker, K.,
Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie 1730-1990, hg. v.
Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische Schriften, hg. v.
Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart, ZRG GA 121 (2004),
283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische Ausgabe der
Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004
Mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio) ist die zu Beginn des
16. Jh.s entstehende gallische (französische) Art der Rechtswissenschaft, welche
die römischen Quellen stärker humanistisch (sprachwissenschaftlich-geschichtlich)
betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere
Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind ->
Alciatus (1492-1550), -> Budaeus (1467-1540), -> Cuiacius (1522-1590),
-> Donellus (1527-1591), Dionysius -> Gothofredus (1549-1622) und Jacobus
Gothofredus (1587-1652) sowie nach Vertreibung der führenden französischen,
calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598) spätere niederländische
Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt dabei allmählich auch die
Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren Verbindung zu einem systematischen
Ganzen.
Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Mos (M.) geometricus (lat.) ist die geometrische oder mathematische Art der
Darstellung und Beweisführung in Wissenschaftsfächern der frühen Neuzeit (Simon
Grynaeus 1533). In der Rechtswissenschaft sprechen zuerst Budaeus 1557 und
Valentin Forster (1613) diese Frage ansatzweise an. Eine umfassende Darstellung
des Naturrechts -> more geometrico erfolgt aber erst durch -> Pufendorf
(1672). Dem folgen -> Leibniz und vor allem Christian -> Wolff in leicht
eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet der m. g. ziemlich unvermittelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist und
Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte, G., Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9
(1979), 179
Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus dem Mittelalter
überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter ist die
juristische Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des damit
verbundenen wissenschaftlichen Begründungssystems und Erkenntnissystems zu
verstehen. In ihrem Mittelpunkt stehen Worterklärungen, Herstellung logischer
und systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen, Zusammenstellungen von
Parallelstellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris
civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung von Widersprüchen und Sammlung
von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung. Der m. I. wird seit Beginn
des 16. Jh.s vom -> mos Gallicus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik und
Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108
Moskau an der Moskwa erscheint 1147 als Landsitz und 1156 als eine
mit einem Zaun befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen
(1237) wird sie 1263 Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz des Metropoliten von
Russland und wenig später Vorort des Großfürstentums Moskau. 1755 erhält sie
eine Universität.
Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981; Crummey, R., The
Formation of Muscovy, 1987
Motivirrtum ist der unbeachtliche -> Irrtum über den Beweggrund für
eine Willenserklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mozaraber ist der unter der Herrschaft der -> Araber auf der
iberischen Halbinsel lebende Christ.
Mpalés, Geórgios (1879-1957) wird nach dem Rechtsstudium in Athen
und Berlin 1925 Professor für Zivilrecht in Athen. Er beeinflusst das
griechische Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst die führende
Kommentierung.
Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960
Msida auf Malta erhält 1572 bzw. 1769 eine Universität.
Mucius Scaevola, Quintus (um 140-82 v. Chr.), Juristensohn, Konsul 95 v.
Chr., ist ein bedeutsamer Vertreter der vorklassischen römischen
Rechtswissenschaft. Sein Hauptwerk sind 18 Bücher (lat.) De iure civili (Vom
römischen Recht), in denen er das Recht der römischen Bürger systematisch
zusammenfasst. Auf ihn zurückgeführt werden die (lat.) -> cautio (F.)
Muciana, die eine unter der Bedingung, etwas Bestimmtes nicht zu tun,
ausgesetzte Zuwendung absichern soll, und die (lat.) -> praesumptio (F.)
Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils alles Vermögen einer Ehefrau
als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor allem -> Sabinus wieder
zurück.
Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die Wissenschaftslehre
im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597
Mühldorf
Lit.: Stahleder, H., Mühldorf, 1976
Mühle ist die Vorrichtung zum mechanischen Zerkleinern von
Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen (Getreidekörnern). Die technisch der
einfachen Handmühle überlegene Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum
bekannt und gelangt von dort nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die
ursprüngliche Freiheit der Errichtung einer M. von einem landesherrlichen
Mühlenregal überlagert. Dementsprechend entstehen in der frühen Neuzeit
besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615). Die M. genießt eigenen
Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem Spätmittelalter vielfach
als unehrlich.
Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne, C.,
Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das Gewerberecht,
1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA 48 (1928),
176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA 66 (1948),
477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA 79 (1962),
195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Kropač,
I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The Mills of
Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum Zweibrücken, 1998;
I mulini nell’Europa medievale, hg. v. Galetti, P. u. a., 2003; Droste, P.,
Wasserbau und Wassermühlen an der mittleren Rur, 2003; Langdon, J., Mills in
the Medieval Community, 2004
Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-30) in Mühlhausen im Eichsfeld von
einem unbekannten Verfasser in mitteldeutscher Sprache hergestellte, in 3
Handschriften überlieferte Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen
Rechtssätzen, das auch Landrecht einbezieht und unterschiedliche Sachgebiete
(Delikte, Verfahren, Gewere, Gericht, Schaden) erfasst. Es wird in Nordhausen
und teilweise in Eschwege (nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit 1311
Statuten aufgezeichnet und ist 1351 ein Satzungsbuch angelegt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A. 1936, Neudruck
1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser Reichsrechtsbuch,
Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und
Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen,
bearb. v. Weber, W., 2003; Thiele, M., Vae victis. Mühlhausen unter
sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953, 2004
Mülhausen im -> Elsass ist ein 803 erstmals erwähnter Ort, der
nach 1221 -> Reichsstadt wird. Seit 1515 ist es zugewandter Ort der
Eidgenossenschaft der -> Schweiz. 1798 schließt es sich Frankreich an.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de Mulhouse, 1977
Mulefe
Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291
Mulier taceat in
ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der
Kirche.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Apostel Paulus, † 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)
Müll ist der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem 19.
Jh. ein allgemeines Verwaltungsproblem wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers Christian Arnold im
Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen Erbverpächter auf Erlass der Mühlenpacht
wegen Schwächung des Zuflusses durch einen Oberlieger klagt und 1778 die Mühle
durch Versteigerung verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1. 1. 1780 greift König
Friedrich der Große von Preußen selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des
1779 tätigen Justizkollegiums verhaften, verurteilt sechs zu Festung und weist
den Müller und seine Frau wieder in die Mühle ein. Sein Nachfolger entschädigt
die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche Machtspruch wird
nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden. Im 19. Jh. setzt sich
die dadurch beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E.,
Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers
Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984
München an der Isar erhält 1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen
einen Markt, wird seit 1255 allmählich Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw.
Bayern und erlangt 1840 von Landshut die ursprünglich in Ingolstadt
eingerichtete Universität. Sein Recht wird 1340 von Ludwig dem Bayern
bestätigt. Am 29./30. 9. 1938 wird in München zwischen dem Deutschen Reich,
Großbritannien, Italien und Frankreich das Münchener Abkommen geschlossen, das
die deutschsprachigen Sudetengebiete der Tschechoslowakei (28643 qkm, 3,63
Mill. Menschen) dem Deutschen Reich zuteilt und dadurch die Kriegsgefahr in
Mitteleuropa für kurze Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine gesamtdeutsche
Ministerpräsidentenkonferenz in M. zu keiner Einigung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20. Jh.; Rehme,
P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Riedner, O.,
Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner Stadtrechts,
hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener Privatrecht im
Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte Münchens im
Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, Rolf-Peter, Die Rechtsstellung der
städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen von
München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der Münchner
Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969; Schattenhofer,
M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die Gutachten- und
Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut - München, Diss.
jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völkerbund und Münchener Abkommen, 1976;
München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und Herrschaft, 1989;
Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R., Geschichte Münchens,
2003
Mund ist der zum Essen, Trinken und Sprechen nötige menschliche
Körperteil, der in der Paarformel Mund und Hand für zusprechende Wörter steht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mündel ist der unter Vormundschaft stehende Mensch.
Lit.: Hübner
Mündelgut ist das Vermögen des -> Mündels. Es wird vom Vormund
verwaltet und meist auch genutzt. Nach einem mittelalterlichen Rechtssprichwort
soll M. (während der Verwaltung) weder wachsen noch schwinden. Über bewegliche
Sachen (Fahrnis) darf der Vormund frei verfügen, über unbewegliche Sachen
(Liegenschaften) nur mit Zustimmung des Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung
der Mündigkeit kann der Mündel ein von ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft
widerrufen. Seit dem Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der
Vormundschaftsbehörde verantwortlichen Vertreter des Mündels, der für und
gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln kann. Zum Ausgleich dafür wird die
behördliche Aufsicht verstärkt.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut, T.,
Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
mundiburdium -> mundoburdium
Mündigkeit ist der Zustand der Eigenverantwortlichkeit. Im
altrömischen Recht verschafft der Eintritt der (lat.) pubertas (F.) die volle Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit,
bis um 200 v. Chr. eine (lat.) lex (F.) Laetoria die mündigen, noch nicht
25jährigen gegen Übervorteilung zu schützen beginnt. Die M. wird dabei zunächst
bei Männern von Fall zu Fall beurteilt, von der Schule der Prokulianer aber mit
Vollendung des 14. Lebensjahres anerkannt, bei Frauen schon von Anfang an mit
Vollendung des 12. Lebensjahres angenommen. Dem entspricht wohl im Kern auch
das germanische Recht. Im Frühmittelalter werden als fester Zeitpunkt der M.
die Vollendung des 12. oder 10. oder auch 14. Lebensjahres genannt. Im Laufe
des Mittelalters rückt die Zahl auf 18, 20, 21, 24 oder bei Aufnahme des
römischen Rechts auf 25 Lebensjahre hinauf. Volle Eigenverantwortlichkeit
erlangen dabei nur die vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit
Abschichtung (bzw. Eheschließung) ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich die
Altersstufen des römischen Rechts durch. Zwischen sieben und 25 wird der Mensch
im Wesentlichen gleich behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der
Volljährigkeit gleichgesetzt und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders
Ehemündigkeit, Eidesmündigkeit).
Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler,
DRG 88, 120, 160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG
GA 16 (1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980
mundium (lat.-afrk.) -> munt
Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im
Gegensatz zu Schreiben und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das
gesamte Recht anfangs der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der
Schrift wird die M. aber zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der
Schriftkultur des Altertums im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben.
Im 13. Jh. steigt die Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird
demgegenüber der Versuch unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder
einen festen Platz zu sichern (z. B. Code de procédure civile 1806,
österreichisches Verfahren in Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in
summarischen Sachen 1845, Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868,
österreichisches Verfahren in Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert
1873, Reichszivilprozessordnung des Deutschen Reichs 1877/1879).
Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980
mundoburdium (lat.-afrk. [N.]) Schutzgewalt, Vormundschaft
municipium (lat. [N.]) Stadt
Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36;
Simshäuser, W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973;
Galsterer, H., Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976
Münnerstadt
Lit.: Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte,
1983
Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle der
Friesenmission des Bischofs Liudger und entwickelt sich von hier aus seit dem
Hochmittelalter zum größten geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das am
3. 10. 1571 eine Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet
werden. Das vor den Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur
vereinzelt aufgezeichnet. Es ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht
nur wenig beeinflusstes Recht. 1780 wird in M. eine Universität (bis 1818) eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Quellen
und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das
Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908; Meisterernst,
B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im Mittelalter, 1910; Hövel,
E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936; Friemann, H., Die
Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von Hessen, 1937; Hermann,
J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W., Zur Überlieferung der
Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J., Mimigernaford – Münster, 1960;
Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz, J., 1960; Theuerkauf, G., Land
und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Knemeyer, F., Das
Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die hochstift-münsterische
Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27; Koehler, B., Münster,
HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und Strafverfolgung, Westfäl. Z.
135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in Münster, 1987; Kirchhoff, K.,
Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, 1988; Klötzer, R., Die
Täuferherrschaft von Münster, 1992; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte
von Stadt und Stift Münster, 1988; Michaelis, K., Die Universität Münster
1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der münsterische Erbmännerstreit, 1998;
Steveling, L., Juristen in Münster, 1999; Das Bistum Münster, bearb. v. Kohl,
W., 1999f.; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld, B. u. a., 2000;
Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster in der frühen Neuzeit, 2004
Munt (ahd. [F.], zu lat. manus [F.],
Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen
(z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über
Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und
endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit
wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. [F.]
potestas) verdrängt.
Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88,
160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler, R.,
Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur
Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del
mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956),
323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958; Hlawitschka,
E., Eine oberitalienische Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975 in der
Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K., Haus und
Herrschaft, 1968
Muntat (F.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) vor
allem das Immunitätsgebiet (im engeren Sinn).
Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Muntbrief (M.) Schutzurkunde
Muntehe ist im Mittelalter die -> Ehe, bei der die Frau in die
-> munt des Mannes fällt. Den Gegensatz bildet die muntfreie Ehe.
Muntschatz (M.) Heiratsgut
Münze ist ein nach Zusammensetzung und Gewicht genau bestimmtes,
in Metall geprägtes Geldstück, wie es im 1. Jt. v. Chr. (Vorläufer mit einem
Punzenbild versehene Elektronklümpchen 15. Jh. v. Chr. Knossos und Zypern,
Münzen 7. Jh. v. Chr. Westkleinasien, 289 v. Chzr. Rom aes grave, As) erscheint.
Der Name leitet sich davon her, dass die Münzprägewerkstatt der Römer sich im
Tempel einer Sondergöttin der etruskischen (lat.) gens (F.) Moneta befindet. In
Rom wird das zuerst gewichtsmäßig gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in
feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben gebracht. Um 300 v. Chr. werden
dabei Münzen von 300 g (1 Pfund, lat. [F.]
libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der Silberdenar (lat. denarius [M.]
argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar die Goldmünze (lat. [M.]
aureus, Konstantin lat. [M.] solidus). Die Germanen kennen zunächst nur römische Münzen
als Kostbarkeiten. Um die oder nach der Mitte des 5. Jh.s entstehen auf
römische Prägungen des 4. Jh.s zurückgehende Brakteaten der Völkerwanderunszeit.
Das Frühmittelalter verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und
Pfund als Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer
Münzstätten bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62
Fundstätten frühkarolingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit jeweils
weiniger als 100 Denaren). Das Recht zur Münzprägung wird vom König als ->
Regal in Anspruch genommen, das er durch Privileg verleihen kann. Im
Hochmittelalter geht dieses Recht tatsächlich auf die Landesherren über. Im 19.
Jh. wird das dadurch weitgehend partikularisierte und auch durch Münzverträge
nur ansatzweise vereinheitlichte Münzwesen auf übereinstimmende Größen
umgestellt (Preußen 1821 Taler, Süddeutschland 1837 Gulden, Deutsches Reich
1871/3 -> Mark). Wegen der andauernden Geldentwertung im 20. Jh. tritt die
Münze als Währungseinheit gegenüber dem Papiergeld zurück. Beide verlieren
gegenüber der Forderung gegen Geldinstitute (elektronisches Geld) an Bedeutung.
Als europäische Währung erscheint zunächst der bzw. die ECU (European Currency
Unit) und 1995 rechnerisch bzw. seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
3, 16, 97, 113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße,
Gewichte, 1896, Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde
und Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte
der Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W.,
Die deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930),
47; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der
Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt,
1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta
regis, 1957; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955; Völckers,
H., Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen); Der Schatzfund
von Corcelles-près-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000 Münzen); Suhle,
A., Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H., Hauptlinien der
deutschen Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1878, 1972; Rittmann,
H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des
Mittelalters, 1976; Göbl, R., Antike Numismatik, 1978; Wadle, E., Münzwesen,
HRG, Bd. 3 1981, 770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische Münzgeschichte,
1983; Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung
des Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte, 1991; Grierson, P.,
Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique, 1992; Howgego,
C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde,
1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Derschka, H., Die münzrechtlichen Bestimmungen
des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91; Felder, E., Die Personennamen auf
den merowingischen Münzen der Bibliothèque nationale de France, 2003; Axboe,
M., Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit, 2004: Coinage and Identiy in
the Roman Provinces, hg. v. Howgego, C. u. a. 2005
Münzfälschung ist die unerlaubte Verwendung fremder Münzbilder und die
Prägung unterwertiger oder untergewichtiger Münzen. Die M. wird im ausgehenden
Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der Todesstrafe. Im Frühmittelalter
begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und Brandmarkung, seit dem 13. Jh.
Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist dennoch die M. ein Fall der
allgemeinen Fälschung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274
Münzregal -> Münze
Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münzprivilegien,
1967
Muratori, Lodovico Antonio (Vignola
21. 10. 1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem
Theologiestudium Bibliothekar in Mailand und 1700 in Modena. Mit zahlreichen
kritischen Ausgaben italienischer Geschichtsquellen begründet er die neuere
italienische Geschichtswissenschaft.
Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio
Muratori, 1955
Murner, Thomas (Oberehnheim 24. 12. 1475-Heidelberg um 1537)
durchzieht als Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515 hält er in Trier deutsche
Rechtsvorlesungen. 1518 veröffentlicht er lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque
iuris tituli (M.Pl.) et regulae (F.Pl.) (Beider Rechte Titel und Regeln). 1519
übersetzt er die Institutionen Justinians ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt
in Basel das juristische Lizentiat.
Lit.: Erler, A., Thomas Murner als Jurist, 1956
Muromcev, Sergej Andreevic (1850-1910) wird nach dem Rechtsstudium
u. a. in Göttingen (Ihering) 1875 Professor für römisches Recht in Moskau. Im
Einsatz für die Verfassungsbewegung erarbeitet er einen liberalen Entwurf. Er
sieht Recht als Verwirklichung gesellschaftlicher Interessen und macht die
Rechtswissenschaft in Russland zu einer das alltägliche Leben bestimmenden
Wissenschaft.
Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in Russland,
1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980
Murray, Sir William (1705-1793), Peerssohn aus Schottland, wird
nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in Lincoln’s Inn 1730 Anwalt,
1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister, 1756 Oberrichter (Lord Chief Justice)
(1776 Earl of Mansfield). In seiner richterlichen Tätigkeit stärkt er die
Stellung des Richters zu Lasten der Jury, fördert die Einbeziehung des
Handelsrechts in das -> common law und unterstützt die Rechtsfortbildung
durch Urteile.
Lit.: Fifoot,
C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E., Lord Mansfield, 1979; Oldham, J., The
Murray Manuscript, 1993
Murten
Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht von Murten, 1925
Museum
Lit.: Waidacher, F., Museologie knapp gefasst,
2004
Muspilli ist ein althochdeutsches Stabreimgedicht der 2. Hälfte des
9. Jh.s über das Weltende durch Feuer (jüngstes Gericht).
Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977; Köbler,
G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986
Musteil (Speisevorrat) ist im mittelalterlichen Recht ein
Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des Mannes teilweise behalten darf.
Lit.: Hübner § 95c
Muster
Lit.: Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., 3,3, 1986
Musterung ist die Untersuchung (auf Kriegstauglichkeit) seit dem
Spätmittelalter. Eine besondere Bedeutung erwirbt die M. im Seerecht
(Anmusterung, Abmusterung).
Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen
Heeresverwaltung, 1938
Mutschierung ist im Mittelalter (13. Jh.) die Teilung eines
Gesamteigentums durch Vertrag (auf Zeit) im Erbrecht und im Lehnsrecht.
Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f.
RegionalG. 14 (1987), 173
Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine Familienstruktur, in der das
Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M. wird als eine Kulturstufe von
Johann Jakob -> Bachofen behauptet, lässt sich aber nirgends tatsächlich
überzeugend nachweisen.
Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht, 1861; Dargun,
L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum ältesten
Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927),
198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht. Eine
Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980
Mutterschutz ist der Schutz der arbeitstätigen Mutter in der Zeit vor
und nach der Geburt. Der M. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s.
Lit.: Schmitz, E., Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss.
jur. Köln 1992; Hauser, K., Die Anfänge der Mutterschaftsversicherung, 2004
Mutterstadt ist im Mittelalter eine Stadt, deren Recht auf eine andere
Stadt übertragen wird und die deshalb für Auskünfte in Rechtsstreitigkeiten
wieder befragt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Mutung ist allgemein das Begehren, insbesondere im Mittelalter das
Begehren auf Erneuerung des Lehens, das Gesuch um Zulassung als Meister und im
Bergrecht der Antrag auf Verleihung des Bergwerkeigentums in einem bestimmten
Fall (bis 1980).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissel, R./Hahm, K., Des alten
Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981
Mutuum (lat. [N.])
ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft des (auf
Tausch gegebenen) -> Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht mit der
Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung zur
Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart werden.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler, DRG 27,
45, 63; Köbler, LAW
Muwatta ([M.] arab. geebneter Pfad) ist das älteste erhaltene, von
Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der Grundlage des -> Korans und des
Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene Rechtsbuch des -> Islam.
Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, in: Enzyklopädie des
Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262
Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8. 1514-Großalsleben 3. 5. 1588),
Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius)
1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im Breisgau, 1548 Assessor am
Reichskammergericht und 1556 Kanzler in Braunschweig-Wolfenbüttel (1576
Gründung der Universität Helmstedt). 1563 veröffentlicht er als erster
unsystematisch bei Gericht angelegte kurze Notizen zu Entscheidungen des
Reichskammergerichts (lat. Singularium observationum iudicii imperialis camerae
centuriae [F.Pl.] quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des
Reichskammergerichts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim Mynsinger,
1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein Juristenleben
im 16. Jahrhundert, in: Mélanges Sturm, F., 1999, 959
N
Nabburg
Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg, 1981
Nachbar ist der unmittelbar neben einem Menschen wohnende oder
begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt sich aus der
Nachbarschaft ein -> Nachbarrecht. Im Mittelalter haben Nachbarn
verschiedentlich ein -> Näherrecht (Nachbarlosung). Im Übrigen kommen
Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.
Lit.:Kroeschell, DRG 1; Kramer, K., Die
Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u. a.,
1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Hildebrandt,
F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert, 1985; In Europas
Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und bösen Nachbarn,
2002
Nachbarrecht ist die Gesamtheit der für die Eigentümer von benachbarten
Grundstücken im Verhältnis zueinander geltenden Rechtssätze. Sie betreffen
bereits im römischen Recht den Überhang von Zweigen, den Überfall von Früchten,
den Notweg, das Eindringen von Rauch, Wasser usw., die Ausbuchtung einer Mauer,
die Einsturzgefahr von Gebäuden, die Untersagung von Bauführung und die
Feststellung der Grenze. Im nachklassischen römischen Recht wird des öfteren
fälschlich von Legalservituten gesprochen. Teils auf einheimischer, teils auf
aus dem römischen Recht übernommener Grundlage findet das N. teils Eingang in
das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum
anderen Teil Landesrecht.
Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40; Hitz, J.,
Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek, R.,
Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen,
L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980;
Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende
und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte,
Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303
Nacherbe ist der in der Weise eingesetzte Erbe, dass dieser erst zu
einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall) Erbe wird, nachdem zunächst
ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Im römischen Recht schließt der
Rechtssatz (lat.) semel heres semper heres (einmal Erbe, immer Erbe) ein
Hintereinander mehrerer Testamentserben und damit Nacherben aus. Einen Ausweg
eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe zwar der erste Nachfolger des
Erblassers wird, diesem aber auferlegt werden kann, die Erbschaft ganz oder
teilweise als Fideikommiss einem weiteren Nachfolger herauszugeben. Im
Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die Einsetzung eines Nacherben
zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das aufgenommene römische Recht.
Lit.:Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner §
11; Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg,
Diss. jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613,
629; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur
Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120
(2003), 235
Nachlass ist das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls.
Im römischen Recht ist der N. eine Einheit, im mittelalterlichen Recht eine
Mehrheit von Sondervermögen (z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird
der N. zwischen Erbfall und davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische
Person angesehen (lat. hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).
Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der
handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg.
v. Schmutz-Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse,
internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung, 1994
Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende Aufnahme des römischen Rechts
durch vertiefte Befassung mit den römischen Rechtsquellen (Pandektistik).
Lit.: Köbler, DRG 205
Nachrichter ist eine Bezeichnung für den -> Henker.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Nachtwächter
Lit.: Sommer, P., Hört ihr Herrn und lasst euch sagen, 1968
Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein Testament ergänzende
formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im Allgemeinen
Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s eingeschränkt.
Nacktheit
Lit.: Duerr, H., Nacktheit und Scham, 1988
Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht bestimmter nahestehender
Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder Veräußerung. Berechtigt
können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das N. kann an die Zahlung
eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter wird das N.
zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18. Jh. wird es
verstärkt bekämpft und im 19. Jh. beseitigt.
Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke, O.,
Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und
Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, in: Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966,
535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in : Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52
Name ist die Bezeichnung einer einzelnen Person oder eines
einzelnen Gegenstandes (für Orte -> Ortsname) zum Zweck der Heraushebung aus
einer Gattung bzw. der Unterscheidung von anderen Personen und Gegenständen.
Die Vergabe von Namen steht vermutlich am Beginn der menschlichen
Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges Wort als Name genügt,
wird bereits im römischen Altertum der Mensch häufig durch mehrere
Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat. praenomen [N.], nomen
gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in Spätantike aber wieder Tendenz
zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren des spätantiken Gallen tragen
von 411 Personen 5 bzw. 8 germanische Namen. Im deutschen Mittelalter wird
zwecks erforderlich werdender Unterscheidung nach ersten Anfängen in Venedig
(9. Jh.), Norditalien und Südfrankreich (10. Jh.) für den Adel im 10. Jh. bzw.
seit dem 12. Jh. (z. B. Zürich 1150/1170, Frankfurt am Main Anfang 13. Jh., Esslingen
13. Jh., - in Wien seit 1288 kein Rufname mehr ohne Beiname -, Friesland 19.
Jh.) in etwa vom Süden und Westen nach Norden und Osten fortschreitend dem
Namen (Vornamen) allmählich allgemein ein Zuname (Familienname) beigefügt, was
andernorts erst viel später geschieht (Japan 1875, Bulgarien 1878, Türkei 1934).
Durch Verordnungen seit dem 17. Jh. wird bis zum Ende der frühen Neuzeit die
ursprüngliche Freiheit der Namensänderung beseitigt. Seit 14. 6. 1976 kann in
der Bundesrepublik Deutschland auch der Name der Frau Familienname sein, seit
1995 ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig. Im einzelnen ist ein
detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen grundsätzlich die Eltern
den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines Kindes. Häufigster der mehr
als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen der Gegenwart ist Müller (ca.
10%), häufigster Familienname der Welt der chinesische Name Lit: Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S. Vorname und Familienname,
Diss. jur. Gießen 1888; Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer Eigennamen,
1904; Volckmann, E., Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920; Brechenmacher, J.,
Etymologisches Wörterbuch der deutschen Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W.,
Wörterbuch der altgermanischen Personen- und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965;
Polenz, P. v., Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen
Deutschland, 1961; Berger, F./Etter, O., Die Familiennamen der Reichsstadt
Esslingen, 1961; Klippel, D., Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Thoma,
G., Namensänderungen in Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa, 1985; Internationales
Handbuch der Vornamen, 1986; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen,
1987; Hanks, P./Hodges, F., A Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W.,
Historisches deutsches Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler,
E. u. a., 1996; Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K.,
Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E.,
Name und Recht, ZRG GA 117 (2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A.
2003; Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2001; Wagner-Kern,
M., Staat und Namensänderung, 2002; Person und Name, hg. v. Geuenich, D. u. a.,
2002; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Dictionnaire historique de
l’anthroponymie romane, hg. v. Cano González, A., u. a., Bd. 1ff. 2003ff.;
Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen
Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Deutsches Namenslexikon, 2004; Lochner
von Hüttenbach, F., Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004; Name
und Gesellschaft im Frühmittelalter, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2006
Namur
Lit.: Roland, J., Le comté et la province de Namur, 1959
Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt. Es erhält 1265
Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768 wird es Sitz
einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs.
Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986
Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8. 1769-Longwood 5. 5. 1821),
niederadliger Juristensohn, wird nach Offiziersausbildung und militärischen
Erfolgen 1796 Oberbefehlshaber der Armee Frankreichs in Italien. 1799 wird er
unter Sturz der Direktorialregierung erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher
Kaiser der Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht
Frankreichs in fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die
europäische Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um. 1813 bei Leipzig und 1815
bei Waterloo wird er von Russland, Österreich und Preußen bzw. England und
Preußen geschlagen. Er stirbt in der Verbannung auf St. Helena.
Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon et
l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W.,
Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon
in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen
Napoleon 1806-1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am
Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in
Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a., 1995; Kern, B., Die französische
Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Kleßmann, E., Napoleon, 2000;
Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G., Napoleon, 2003; Pelzer, E., Napoleon
Bonaparte, 2003; Bonaparte, la Suisse et l’Europe, hg. v. Dufour, A., 2003;
Ullrich, V., Napoleon, 2004; Willms, J., Napoleon, 2005; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Beßlich, B., Der
deutsche Napoleon-Mythos, 2006; Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein
und Weser, hg. v. Veltzke, V., 2007
Nasciturus (lat. [M.]) ist die menschliche -> Leibesfrucht im
Mutterleib.
Lit.: Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910), 131; Koch,
E., Der nasciturus als Rechtsgut, in: Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a.,
1985, 87
Nasciturus pro iam nato habetur (lat.). Das erst noch geboren werdende (gezeugte) Kind wird als
schon geboren behandelt.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 50, 16, 231)
Nassau ist eine im 12. Jh. an der unteren Lahn erscheinende
Familie, die von 1292 bis 1298 den deutschen König stellt und 1815 das Königtum
in den Niederlanden erlangt. Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn enstehendes
Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit einer Verfassung versehenes Herzogtum
(1806) 1866 von Preußen annektiert und geht 1945 in Hessen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R., Nassau und die
Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum Wiener Kongress,
1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von 1814, 1953; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing, H., Die Mediatisierung der
ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum
Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau 1806-1866, Ausstellungskatalog
(Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische Biographie 1985, 2. A. 1992 (4946
Menschen); Nassau und Oranien, hg. v. Tamse, C., 1985; Gensicke, E.,
Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. A. 1987; Zimmermann, R., Die Bemühungen
um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum Nassau 1806-1866, 1988; Vater,
A., Hexenverfolgungen in nassauischen Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988;
175 Jahre nassauische Verfassung, red. Friedrich, B., 1989; Faber, R., Die
Bemühungen im Herzogtum Nassau um die Einführung von Mündlichkeit und
Öffentlichkeit im Zivilprozessverfahren 1806-1866, 1990; Jäger, W.,
Staatsbildung und Reformpolitik, 1993; Schüler, W., Die nassauische Verfassung
vom 1./2. September 1814, in: Hessen, 1997, 59; Nassauische Parlamentarier, hg.
v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der Herzogtums Nassau 1803-1814, bearb. v.
Ziegler, 2001
nasteid (ahd. [M.]) Eid der frühmittelalterlichen Alemannen auf den
Zopf
natio (lat. [F.]) Geburt, Geschlecht, Landsmannschaft, Volk
Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat,
1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T.,
Patria, 1991
Nation ist die durch die Einheit von Sprache und Kultur bzw. durch
die Gleichheit der politischen Entwicklung zusammengeschlossene Gesamtheit von
Menschen. Bedeutsam wird die Nation vor allem im 19. Jh.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Das
Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W.,
1968; Zeumer, K., Heiliges Römisches Reich deutscher Nation, 1910; Hugelmann,
G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die verspätete
Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974; Aspekte der
Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978; Landwehr, G.,
„Nation“ und „Deutsche Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1; Brinkmüller, E., Nation
Österreich, 1984; Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im
Mittelalter, hg. v. Ehlers, J., 1989; Region, Nation, Europa, hg. v. Lottes,
G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg. v. Klueting, H., 1992; Dann,
O., Nation und Nationalismus, 1993; Die deutsche Nation, hg. v. Dann, O., 1995;
Dann, O., Nation und Nationalismus, 3. A. 1996; Nationenbildung, hg. v.
Münkler, H., 1997; Pollmann, K., Nation und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus
Liebe zum Vaterland, 2000; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus,
Nationalstaat, 2000; Behrndt, K., Die Nationskonzeptionen, 2003; Müller, S., Die Nation als Waffe und
Vorstellung, 2003; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 2004; Wrede,
M., Der Kaiser, das Reich, die deutsche Nation HZ 280 (2005), 83; Helmchen, A.,
Die Entstehung der Nationen im Europa der frühen Neuzeit, 2005; Hroch, M., Das
Europa der Nationen, 2005
Nationalgesetzbuch ist das die Rechtsordnung einer -> Nation
vereinheitlichende -> Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s findet im deutschen
Sprachraum ein Streit um ein N. statt (-> Kodifikationsstreit). Das N. löst
sowohl das partikulare Recht wie auch das subsidiäre gemeine Recht ab.
Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die
Nationalgesetzbücher, in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974,
55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher,
in: Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79
Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s vom Gedankengut der
studentischen Landsmannschaften und der Romantik ausgehende Denken in ->
Nationen. Es führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im Kulturellen
beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen sich im ersten
Weltkrieg und im zweiten Weltkrieg.
Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino alla
prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und Nationalismus,
1993, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Echternkamp, J., Der Aufstieg des deutschen
Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998;
Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale
Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u.
a., 2000; Nationalismus und Nationalbewegung in Europa 1914-1945, hg. v.
Timmermann, H., 1999; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat,
2000; Gramley, H., Propheten des deutschen Nationalismus, 2001; Hirschhausen,
U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa, 2001; Wehler, H., Nationalismus,
2001; Kohfink, M., Für Freiheit und Vaterland, 2002; Müller, S., Die Nation als
Waffe und Vorstellung, 2003; Kunze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Breuer,
S., Nationalismus und Faschismus, 2005
Nationalitätenstaat (Vielvölkerstaat)
Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich, hg. v. Hugelmann,
K., 1934
Nationalkirche ist die das Nationale betonende christliche Kirche. In der
frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in Frankreich und in England in
unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966
nationalliberal (national und liberal)
Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft
Nationalrat ist eine Bezeichnung für eine Volksvertretung (z. B.
Österreich 1920).
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher
nationalsozial (national und sozial), 1896 als Bezeichnung einer von
Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf christlicher Grundlage und
monarchischem, nationalem Boden verwendet
Nationalsozialismus ist eine vielleicht schon in der fortschrittlichen Ordnung
der französischen Revolution von 1789 angelegte, im frühen 20. Jh. (in Böhmen
1903 und) in Deutschland auf der Grundlage von Nationalismus und Sozialismus
entstandene, unter Adolf -> Hitler von 1933 bis 1945 in -> Deutschland
die Macht ausübende politische Bewegung (1929 absolute Mehrheit in Coburg). Der
N. weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung auf. Er geht
lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige Weltanschauung sei, die
mit allen Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des Rechts, verwirklicht
werden müsse. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen des völkischen
Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein bedeutsames und
wirksames, durchaus an manchen Stellen auch ältere Reformvorstellungen
fortführendes und insofern
modernisierendes Kampfinstrument zur Durchsetzung der vom Führer ohne Kontrolle
aus seinem Charisma heraus geschaffenen Weltanschauung in der
gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus des ausgehenden 19. Jh.s
alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind die während seiner
Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich. Er braucht
lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbstverständlich mitgedachten Voraussetzungen,
dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und die Macht nicht rechtswidrig
anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen außerjuristischen Inhalte durch
sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann bei dieser Auslegung formal
völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät es, weil es „dem gesunden
Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer Anwendung. Bemerkenswert ist dabei,
dass insbesondere Fachvertreter des öffentlichen Rechts und der deutschen
Rechtsgeschichte an den Universitäten Schlüsselbegriffe der nationalsozialistischen
Weltanschauung übernehmen und geschichtlich zu belegen versuchen. Soweit auf
Grund des N. strafgerichtliche Verurteilungen aus politischen, militärischen,
rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen unter Verstoß gegen
Grundgedanken der Gerechtigkeit (Unrechtsurteile) ergangen sind, sind diese
durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege vom 25. 8. 1998 aufgehoben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228, 248; Jung,
R., Der nationale Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom Dritten Reich,
1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966; Brodersen, C.,
Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff. 1968ff.;
Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970;
Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des
Nationalsozialismus, 1975; Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für
Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrecher vor Gericht, hg. v.
Moritz-Noam, 1978; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Mosse, G.,
Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979; Hüttenberger P., Bibliographie zum
Nationalsozialismus, 1980; Wassermann, R., Justiz und Nationalsozialismus,
1983; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner,
H., 1983; Recht, Verwaltung und Justiz im Nationalsozialismus, hg. v. Hirsch,
M. u. a., 2. unv. A. 1997; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v.
Salje, P., 1985; Jasper, G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Rüping, H.,
Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus und Euthanasie, 1987; Gribbohm, G.,
Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis, NJW 1988, 2842; Rechtsgeschichte im
Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M./Simon, D., 1989; Rüthers, B., Die
unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005; M. d. R. Die Reichstagsabgeordneten
der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Schumacher,
M., 1991; Für Führer, Volk und Vaterland. Hamburger Justiz im
Nationalsozialismus, hg. v. d. Justizbehörde Hamburg, 1992; Stübig, R., Höxters
Weg in den Nationalsozialismus, 1992; Rechtsgeschichte im Nationalsozialiamus,
hg. v. Säcker, F., 1992; Nationalsozialismus und Modernisierung, hg. v. Prinz,
M. u. a., 2. A. 1994; Frassek, R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen
für das juristische Studium in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994),
564; Fischer, C., The Rise of the Nazis, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in
der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Rückert, J./Willoweit, D., 1995; Die
braune Elite, hg. v. Smelser, R. u. a., Bd. 1 4. A. 1999, Bd. 2 2. A. 1999;
Münchner rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H. u.
a., 1996; Hehl, U. v., Nationalsozialistische Herrschaft, 1996; Wilhelm, F.,
Die Polizei im NS-Staat, 1997; Friedländer, H., Der Weg zum NS-Genozid, 1997;
Ämter, Abkürzungen, Aktionen des NS-Staates, bearb. v. Boberach, H. u. a.,
1997; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz, 2. A. 1997; Rees, L., Die Nazis, 1997;
Nation und Nationalsozialismus in wissenschaftlichen Standardwerken
Österreich-Ungarns, hg. v. Kiss, E., 1997; Die westdeutschen Strafverfahren
wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen 1945-1997, hg. v. Rüter,
C./Mildt, D. de, 1998; Nationalsozialistische Vernichtungspolitik, hg. v.
Herbert, U., 1998; Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1ff
1998ff.; Eck, C., Die Wiedergutmachung zwischen 1945 und 1989, 1997; Wessel,
M., NS-Justizverbrechen und Nachkriegsrechtsprechung, 1998; Hammerschmidt, P.,
Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Reiter, R., 30 Jahre Justiz und NS-Verbrechen, 1998; Recht
und Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Meyer-Seitz, C., Die
Verfolgung von NS-Straftaten in der sowjetischen Besatzungszone, 1998;
Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, hg. v. Barwig, K. u. a., 1998; Deutsche
Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze, W. u. a. 1999; Burleigh, M.,
Die Zeit des Nationalsozialismus, 2000; Burleigh, M., Die Zeit des
Nationalsozialismus, 2000; Luntowski, G., Hitler und die Herren an der Ruhr,
2000; Ruck, M., Bibliographie zum Nationalsozialismus, 2000 (37077 Titel);
Hartl, B., Das nationalsozialistische Willensstrafrecht, 2000;
Wiggershaus-Müller, U., Nationalsozialismus und Geschichtswissenschaft, 2. A.
2000; Süß-Hoffmann, E., Das BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im
nationalsozialistischen Sinne, Diss. jur. Mannheim 2000; Buschmann, A.,
Nationalsozialistische Weltanschauung und Gesetzgebung 1933-1945, Bd. 2 2000; Schröder,
F., Die anwaltliche Tätigkeit während der nationalsozialistischen Herrschaft,
2001; Mink, A., Zwangsarbeiter, 2001; Müller, T., Recht und Volksgemeinschaft,
2001; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft – Berliner
Anwälte 1933-1945, 2001; Gailus, M., Protestantismus und Nationalsozialismus,
2001; Wietog, J., Volkszählungen unter dem Nationalsozialismus, 2001; Döring,
M., Parlamentarischer Arm der Bewegung, 2001; Greve, M., Der justitielle und
rechtspolitische Umgang mit den NS-Gewaltverbrechen in den sechziger Jahren,
2001; Rüthers, B., Geschönte Geschichten, 2001; Meusch, M., Von der Diktatur
zur Demokratie, 2001; Appel, S., Reisen im Nationalsozialismus, 2001; Freudiger,
K., Die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen, 2002; Gellately, R.,
Hingeschaut und weggesehen, 2002; Prollius, M. v., Das Wirtschaftssystem der
Nationalsozialisten 1933-1939, 2002; Shuk, A., Das nationalsozialistische Weltbild
in der Bildungsarbeit von Hitlerjugend und Bund deutscher Mädel, 2002; Essner,
C., Die Nürnberger Gesetze, 2002; Weinke, A., Die Verfolgung von NS-Tätern,
2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen Strafrecht, 2002; Wagner, P.,
Hitlers Kriminalisten, 2002; Vieregge, B., Die Gerichtsbarkeit einer Elite,
2002; Sachsen in der NS-Zeit, hg. v. Vollnhals, C., 2002; Moritz, D., Grüß Gott
und Heil Hitler!, 2002; Wildt, M., Generation des Unbedingten, 2002; Overy, R.,
Verhöre, 2002; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im
Nationalsozialismus, 2002; Majer, D., Nationalsozialismus im Lichte der
juristischen Teitgeschichte, 2002; Gelhaus, D./Hülter, J., Die Ausleseschulen
als Grundpfeiler des NS-Regimes, 2003; Süß, W., Der Volkskörper im Krieg, 2003;
Volkmann, H., Ökonomie und Expansion, 2003; Prollius, M., Das Wirtschaftssystem
der Nationalsozialisten 1933-1939, 2003; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung
des Nationalsozialismus, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Justiz und Nationalsozialismus, hg. v. Pauli, G., 2003; Die
NS-Strafjustiz und ihre Nachwirkungen, hg. v. Ostendorf, H., 2003; Schröder,
A., Vom Nationalismus zum Nationalsozialismus, 2003; Englert, T., Deutsche und
italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945, 2003; Schauer, R., Die
Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Tarnung – Leistung – Werbung,
hg. v. Greule, A. u. a., 2004; Grüttner, M., Biographisches Lexikon zur
nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, 2004; Karrieren der Gewalt, hg.
v. Mallmann, K. u. a., 2004; Brechtken, M., Die nationalsozialistische
Herrschaft 1933-1939, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im
Nationalsozialismus, 2004; Albert, M., Die Benediktinerabtei Maria Laach und
der Nationalsozialismus, 2004; Löffler, U., Instrumentalisierte Vergangenheit?,
2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004; Dreyer, M., Die
zivilgerichtliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, 2004;
Gruber, H., Nationalsozialisitsches Regime und katholische Kirche, 2004;
Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, hg. v. Lehmann, H. u. a., 2004;
Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg. v. Frewer, A. u. a.,
2004; Keim, W., Erziehung unter der Nazi-Diktatur, 2005; Wirtschaftskontrolle
und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v. Gosewinkel, D., 2004;
Wagner, A., Machtergreifung in Sachsen, 2004; Bleckmann, M., Barrieren gegen
den Unrechtsstaat?, 2004; Miquel, M. v., Ahnden oder amnestieren?, 2004; Wladika,
M., Hitlers Vätergeneration, 2005; Goschler, C., Schuld und Schulden, 2005;
Schlegel-Voß, L., Alter in der Volksgemeinschaft, 2005; Schwegel, A., Der
Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Scheuren-Brandes, C., Der Weg von
nationalsozialistischen Rechtslehren zur radbruchschen Formel, 2005; Diehl, M.,
Von der Marktwirtschaft zur nationalsozialistischen Kriegswirtschaft, 2005; Albrecht,
J., Die Avantgarde des Dritten Reiches, 2005; Stadtverwaltung im
Nationalsozialismus, hg. v. Mecking, S. u. a., 2005; Wirtschaftssteuerung durch
Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Gotto, B.,
Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Bollmus, R., Das Amt Rosenberg
und seine Gegner, 2006; Kahn, D., Die Steuerung der Wirtschaft durch Recht im
Nationalsozialismus, 2006; Buchheim, C., Unternehmen in Deutschland und
NS-Regime 1933-1945, HZ 282 (2006), 351; Gruber, H., Katholische Kirche und
Nationalsozialismus, 2006; Gotto, B., Nationalsozialistische Kommunalpolitik,
2006; Wachsmann, N., Gefangen unter Hitler. Justizterror und Strafvollzug im
NS-Staat, 2006
Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei (NSDAP) ist die am 5. 1.
1919 als Deutsche Arbeiterpartei gegründete Partei, die nach dem Eintritt des
berufslosen Gefreiten Adolf -> Hitler im September 1919 am 24. 2. 1920 in 25
Punkten ihr politisches Programm veröffentlicht. Im Juli 1921 wird Adolf Hitler
Vorsitzender. 1922 wird die Partei in einzelnen deutschen Ländern, am 23. 11.
1923 im ganzen deutschen Reich verboten, am 27. 2. 1925 aber wieder zugelassen.
Sie bestimmt, gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue,
das politische Geschehen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 10. 10. 1945
wird sie durch das Gesetz Nr. 2 des -> Alliierten Kontrollrats aufgelöst.
-> Nationalsozialismus
Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E., 1980;
Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die Parteigerichtsbarkeit
der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP, 2002; Reibel, C., Das
Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945, 2002
Nationalsozialistisches Recht ist das vom -> Nationalsozialismus geprägte bzw.
geschaffene bzw. angewandte Recht. Neu geschaffen wird dabei in erster Linie
das Verfassungsrecht, welches das parlamentarische System in eine ->
Diktatur verwandelt. Durch Verordnungen des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933
und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch
das -> Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933 überträgt der Reichstag seine
Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung. Das vorläufige Gesetz zur
Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich (31. 3. 1933) überlässt den
Landesregierungen Gesetzgebungszuständigkeit und setzt die Länderparlamente
entsprechend der Sitzverteilung des Reichstages zusammen. Das unmittelbar
anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich (7. 4. 1933)
stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder einen Reichsstatthalter, der
die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden verschiedene Parteien
verboten oder aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden die Landesparlamente
aufgehoben und die Landesregierungen der Reichsregierung unterstellt. Am 14.
2. 1934 wird der -> Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod des Reichspräsidenten
(12. 8. 1934) übernimmt Adolf -> Hitler dessen Amt. Daneben werden
Minderheiten, vor allem die -> Juden, entrechtet (Nürnberger Gesetze).
Rechtsstaatliche Verfahrensregeln werden eingeschränkt. Bedeutendere
Einzelgesetze sind im Übrigen selten und führen teilweise auch ältere Ansätze
weiter (Ehegesetz, Testamentsgesetz, Reichserbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung).
Der Versuch einer völligen Neugestaltung des bürgerlichen Rechts in einem ->
Volksgesetzbuch misslingt. Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, werden
sie durch „unbegrenzte Auslegung“ verändert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.; Schmitt, C.,
Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225; Kogon, E., Der
SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich, 1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung
des Nationalsozialismus, 1963; Echthölter, K., Das öffentliche Recht im
nationalsozialistischen Staat, 1970; Jäger, H., Verbrechen unter totalitärer
Herrschaft, 1967; Justiz und NS-Verbrechen, red. v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff.
1986; Bucheit, G., Richter in roter Robe, 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln
im nationalsozialistischen Recht, 1974; Anderbrügge, K., Völkisches
Rechtsdenken, 1978; Meinck, J., Weimarer Staatsrechtslehre und
Nationalsozialismus, 1978; Nationalsozialistisches Recht in historischer
Perspektive, hg. v. Hattenhauer, H., 1981; Das Sonderrecht für die Juden im
NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981; Stolleis, M., Nationalsozialistisches Recht,
HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland
1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984;
Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985; Popp, H., Die
nationalsozialistische Sicht, 1986; Majer, D., Die Grundlagen des
nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz
im nationalsozialistischen Recht, 1987; Werle, G., Zur Reform des Strafrechts
in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW
1988, 2825; Stolleis, M., Recht im Unrecht, 1994; Reiter, R.,
Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R., Stückwerk und Verdrängung, 1997;
Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht, 1998; Dörner, B., „Heimtücke“,
1998; Friedrich, J., Freispruch für die Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des
NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000; Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem
Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus (1997) CD-ROM, hg. v.
Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche
Versicherungswirtschaft, 2001
Nationalstaat ist der die Einheit der -> Nation und die Abgrenzung
gegenüber anderen Nationen besonders betonende Staat seit dem 19. Jh. (z. B.
Frankreich), verstärkt seit 1918.
Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum und
Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat, 1965;
Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985), 455; Angermeier,
H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA 107 (1990),
19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000
Nationalversammlung ist eine die -> Nation vertretende Versammlung von
Abgeordneten. In Frankreich ist N. das Parlament. Im Deutschen Bund bereitet
die deutsche N. die Verfassung vor. Auf Grund von Wahlen in den Einzelstaaten
wird sie am 18. 5. 1848 in der Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem
28. 4. 1849 infolge Scheiterns der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt
auch eine preußische N. Am 6. 2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N.
eröffnet, die den Entwurf einer Reichsverfassung am 31. 7. 1919 verabschiedet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256; Aktenstücke
und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter Nationalversammlung aus dem
Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner, R., 1924; Stenographischer
Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden
Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F., Bd. 1ff. 1948/9;
Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen Nationalversammlung von 1848,
Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die deutsche Nationalversammlung
1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Nationalversammlung im Jahre 1849, HZ
214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter Nationalversammlung, 1976; Laufs,
A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste
deutsche Nationalversammlung, 1980; Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG,
Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar Nationalversammlung und das Privatrecht,
Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und
Grenzen sozialpolitischen Handelns in der Frankfurter Nationalversammlung,
Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter Nationalversammlung 1948/49, hg.
v. Koch, R., 1989
Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz eines Schadens in
Natur.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217
Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19. Jh. gesetzlich genau
festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft.
Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit,
Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte
des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R.,
Staat und Staatsangehörigkeit, 1973
Naturalis obligatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die natürliche,
unvollkommene Verbindlichkeit (z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven oder
Hauskindes). Sie kann freiwillig erfüllt, ihre Erfüllung kann aber nicht
erzwungen werden. In der Neuzeit gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als
nicht erzwingbare Verbindlichkeiten.
Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt, P., Naturalis obligatio
and bare social duty, 2000
Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im spätantiken römischen Recht ist
der Inhalt des Leistungsurteils wegen der wirtschaftlichen Verschlechterung
grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz ist nur zu erbringen, wenn die an
sich geschuldete Leistung unmöglich oder ungenügend ist. Im Mittelalter sind
Leistungen weitgehend als N. zu bewirken. Seit dem Spätmittelalter wird das
römische Recht aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H.,
Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378
Naturalrestitution -> Naturalersatz, Naturalleistung
Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie findet sich dort, wo Geld
völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat (z. B. Germanen,
Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit unterlegen.
Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A., Naturalwirtschaft und
Geldwirtschaft, 1930
Natur der Sache ist das Wesen eines Gegenstandes. Unter (lat.) natura (F.)
rei verstehen die klassischen römischen Juristen eine Schranke rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d. S. in der 2. Hälfte des
18. Jh.s bei ->Pütter (1725-1807) und -> Runde (1741-1807) als
Rechtsquelle (des gesamten -> deutschen Privatrechts) verwendet. Mit dem
Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der Natur
der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der
Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der
Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger,
G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in
der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Natürliche Grenze ist die von der Natur durch Wasser, Sümpfe, Wälder,
Gebirge oder Wüsten gebildete -> Grenze eines Gebietes. Sie verliert im
Laufe der menschlichen Geschichte ihre Bedeutung gegenüber der künstlichen
Grenze.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Naturrecht ist die Gesamtheit der der Natur innewohnenden, zeitlos
gültigen, vernunftnotwendigen und vom Menschen nicht geschaffenen Rechtssätze.
Das N. ist bereits der griechischen Philosophie (griech. physei dikaion [N.])
als Gegensatz zum vom Menschen gesetzten Recht (griech. thesei dikaion [N.])
bekannt. Danach ist von Natur aus rechtens, was überall und schon unabhängig
von menschlicher Zustimmung gilt. Dieses N. wird von den Römern als von der
(lat.) naturalis ratio (F.) beherrschtes ius (N.) naturale übernommen (z. B.
Verbindung von Mann und Frau und Aufzucht von Kindern) und dem (lat.) ius (N.)
gentium zur Seite gestellt. Nach christlicher Ansicht stammt es (als [lat.] lex
[F.] aeterna, vom Menschen erkennbar in der [lat.] lex [F.] naturalis) von
Gott. Demgegenüber sehen die Glossatoren das römische Recht als gegeben an und
stellen die Frage nach einem übergeordneten Naturrecht nicht. In der frühen
Neuzeit betonen spanische Spätscholastiker (z. B. Francisco de Vitoria
1493-1546, Fernando Vasquez 1512-1569) und deutsche Reformierte (z. B. Johann
Oldendorp 1486-1567, Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere
Bedeutung des Naturrechts. Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht
geschulte Niederländer Hugo -> Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De
iure praedae (1606-8) und in (lat.) De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher
Kriegs- und Friedensrecht, 1624) die Naturrechtslehren aus der Moraltheologie
in die Rechtswissenschaft. Ihm folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf
(1632-1694, [lat.] De iure naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur-
und Völkerrecht, 1672), der in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der
juristischen Fakultät) den ersten Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt
besonders auf die Vernunft abstellt, bezeichnet man es auch als ->
Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des deutschen Vernunftrechts ist der im
Wesentlichen mit der Reformuniversität -> Halle verbundene Christian ->
Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.] iuris naturae et gentium, 1705,
Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der das Recht endgültig von Theologie
und Moral befreit. Sein Schüler Christian -> Wolff (1679-1754) schließlich
stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus pandectarum verwendete
gemeine Recht seiner Zeit ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt
auf ([lat.] Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749,
Naturrecht wissenschaftlich durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in
konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu
300 Obersätze voraussetzt, zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England
sowie im positivistisch-historisch bestimmten Kirchenrecht der frühen Neuzeit
fremd bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar
einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen in die
Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits
in der Dogmatik des geltenden Rechts auf. Nach 1945 werden kurzfristig
naturrechtliche Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen,
weil es mit bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit
herantritt und aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.
Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins
Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther,
1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202; Thieme,
H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A.
1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur.
Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des
Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des
Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale
Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der
Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und
Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius,
1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968;
Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969),
1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970; Röd,
W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard
Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur
Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der
Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976; Sprenger,
G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del derecho
natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G., Römisches Recht
und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit,
1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das positive Privatrecht im
18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts
für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg.
v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht als politische Theorie, in:
Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H. u. a. 1987, 267; Christian
Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989; Bühler, C., Die
Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe, N., Fundamental
Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht - Spätaufklärung -
Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss des Naturrechts auf
den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg. v. Klippel, D.,
1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F. u. a., 1997;
Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und Jurisprudenz,
1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998; Landau, P.,
Methoden des kanonischen Rechts in der frühen Neuzeit zwischen Humanismus und
Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die Naturrechtslehre an den
deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten, in: Reformabsolutismus
und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das Naturrecht vor dem
Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als utilitaristische
Pflichtenethik?, 1999; Die Hallesche Schule des Naturrechts, hg. v. Rüping, H.,
2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht,
2003; Otte, G., Die Naturrechtsrechtsprechung der Nachkriegszeit, 2004;
Naturrecht und Staat, hg. v. Klippel, D., 2006; Das Naturrecht und Europa, hg.
v. Guz, T., 2007
Naturrechtler ist der Vertreter des -> Naturrechts.
Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten
Jahrhunderts, 1982
Naturrechtskodifikation ist die auf -> Naturrecht gegründete -> Kodifikation
an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
französischer Code civil 1804, österreichisches Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch 1811/1812)
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967
Naturschutz ist der Schutz der Natur (natürlichen Landschaft) durch den
Staat. Der N. entsteht im 20. Jh. und wird in dessen zweiter Hälfte vom
allgemeineren Umweltschutz eingeschlossen.
Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M.,
Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der europäischen
Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999; Naturschutz und
Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Schmoll, F., Erinnerung an
die Natur, 2004; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v. Brüggemeier, G. u.
a., 2005
Lit.: Fried, J.,
Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Navarra ist das Gebiet zwischen Pyrenäen und Ebro, das
hauptsächlich von Basken besiedelt wird. 905 wird es Königreich, fällt aber
1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit 1234 unter den Einfluss
Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne, 1284/1291-1328 Frankreich,
1329-1425 Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird 1512 von Aragonien erobert
und zu Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt 1589 zu Frankreich.
Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512), ZRG
GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,251
Naziregime -> Nationalsozialismus
Neandertaler ist der nach Funden von 1856 in dem durch
industriellen Kalkabbau zerstörten Neandertal bei Mettmann, aus der
europäischen Variante (homo
Heidelbergensis) des Frühmenschen (homo erectus) hervorgegangene , Kleidung
und Schmuck kennende, aber vor etwa 30000 Jahren von dem in Afrika entstandenen
modernen Menschen verdrängte Hominide.
Lit.:
Schrenk, F./Müller, S., Die Neandertaler, 2005
Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v. Chr. von Cumae aus
eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt (griech. Neapolis)
gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw. 1139 an die Normannen
(-> Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich II. Sitz einer
Universität. Über Anjou (1266/8), Aragonien (1435), Piemont (1713), Österreich
(1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an Sardinien-Piemont und danach 1861
zu Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel, 1964;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233,
3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der
Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999
Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben (Sache)
Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des
Grundsatzes "ne bis in idem", Diss. jur. Zürich 1970
Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)
Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht über die Anträge der Parteien
hinausgehen.
Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Neglegentia (lat. [F.]) ist die Nachlässigkeit im spätantiken römischen
Schuldrecht.
Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg.
v. Schrage, E., 2001
Negotiorum gestio (lat. [F.]) oder
negotium gestum ist die bereits dem klassischen römischen Schuldrecht bekannte,
vielleicht aus der Verfahrensführung eines (lat. [M.]) procurator und der
Geschäftsführung eines (lat. [M.]) curator entstandene -> Geschäftsführung
ohne Auftrag, die als kontraktähnliches Verhältnis für den Geschäftsherrn einen
Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer
und umgekehrt möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch des
Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn begründet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18; Köbler, DRG
47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio, 1968;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer Kaufmannssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius, Gundling) und Leiden 1720
Professor, 1721 ordentlicher Professor für schwedisches und römisches Recht in
Lund und hält als erster schwedische Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die
erste, vom römischen Recht gelöste wissenschaftliche Darstellung des
Privatrechts Schwedens (Inledning til then swenska iurisprudentiam civilem).
Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch.
Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David Nehrman-Ehrenstrale,
Inledning .., 1979, 26
Neidingswerk ist im mittelalterlichen nordgermanischen Recht die
Missetat oder verächtliche Handlung. Voraussetzung und Folgen sind
unterschiedlich.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im
altschwedischen Recht, 1965
Nekrolog (M. bzw. N.)
Totenbuch
Lit.:
Das Necrolog des Klosters Michelsberg in Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004
Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in eigener Sache.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534)
Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Nemo plus iuris ad
alium transferre potest, quam ipse habet
(lat.). Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst
hat.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)
Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich als Kläger und Richter auftreten.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16,
15)
Neoabsolutismus ist der der Verfassungsbewegung des frühen 19. Jh.s. und
besonders des Jahres 1848 folgende Abschnitt des -> Absolutismus (in
Österreich besonders 1851 [Silvesterpatent] – 1860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861
[Februarpatent] bzw. 1867 [Dezemberverfassung]). Im N. werden die Geschworenengerichte,
der liberale Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und
Gemeinderecht wieder aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H., Der
österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1878
Nepotismus ist die Begünstigung von nahestehenden Menschen durch
Machthaber, besonders in der katholischen Kirche des 15. bis 17. Jh.s.
Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145; Die
Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001
Neratius (Saepinum 55/60-nach 133) wird nach langjähriger
Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser Trajan (98-117) in den kaiserlichen Rat
aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter der -> Prokulianer. Sein
Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) membranae, in denen Streitfragen oder
allgemeine Rechtssätze und Begriffserklärungen erörtert werden.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410;
Maifeld, J., Die aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991
Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist der
römische Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er ist -> Prokulianer. Von
ihm ist der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de usucapionibus überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
Nerva pater (-33 n. Chr.) ist der römische Jurist, dessen Enkel Kaiser
(96-98) wird. Er ist Haupt der -> Prokulianer. Die Titel seiner durch die
Digesten überlieferten Schriften sind nicht bekannt.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120
Nettelbladt, Daniel (Rostock 14. 1. 1719-Halle 4. 9. 1791),
Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (der Theologie und) des Rechts in Rostock,
Marburg (Wolff) und Halle 1746 Professor in Halle. 1749 veröffentlicht er eine
Übersicht über das Naturrecht ([lat.] Systema [N.] elementare universae
iurisprudentiae naturalis, Grundsystem der gesamten Naturrechtswissenschaft)
und das geltende Recht ([lat.] Systema elementare universae iurisprudentiae
positivae, Grundsystem der gesamten positiven Rechtswissenschaft), in denen er
die Rechte und Pflichten betreffenden Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft)
unter Bildung allgemeiner Teile vermitteln will. In seinen Werken geht das
-> Naturrecht in gewisser Weise in der Dogmatik des positiven Rechts auf.
Als Einzelheit erwähnenswert ist die Entwicklung des allgemeinen
prozessrechtswissenschaftlichen Begriffs der Prozesshandlung. Zu Nettelbladts
Schülern gehören von Carmer, Svarez und Klein, die das preußische Allgemeine
Landrecht (1794) maßgeblich prägen.
Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde
Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52
Neubruch (lat. [N.] novale) ist das neugerodete Land. Von ihm wird
seit dem 8. Jh. ein ->Zehnt gefordert.
Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3
Neuenburg (Neuchâtel) erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen
1101 als neue Burg, die 1032/1033 zum deutschen Reich gelangt. Am 12. 9. 1814
schließt sich N. als 21. Kanton der -> Schweiz an. 1838 erhält es eine
Universität.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die Behördenorganisation von
Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 2,2,455, 3,2,1879; Bachmann,
A., Die preußische Sukzession in Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die Könige von
Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998
Neuhegelianismus ist die Fortführung der Gedanken -> Hegels im späten 19.
und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neukantianismus ist die Fortführung der Gedanken Kants im späten 19. und
frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Neumarkt in der Oberpfalz
Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967
Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus der vierten
deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten Schöffenbrief
Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (1327/35)
hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?) des
14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht ist
in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich
Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an.
Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Kötzschke,
R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das älteste
Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das Halle-Neumarkter
Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von
1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61
Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät aufgezeichnete
Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein.
Lit.: Seestern-Pauly, F., Die Neumünsterschen
Kirchspielgebräuche und die Bordesholmischen Amtsgebräuche, 1824; Sievers, H.,
Die Neumünsterschen Kirchspielbräuche und die Bordesholmischen Amtsgebräuche,
Diss. jur. Kiel 1956
Neun Bücher des
Magdeburger Rechts sind das zwischen 1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn
als Stadtschreiber nachweisbaren Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung
der -> Magdeburger Fragen, dem alten -> Kulm, dem glossierten ->
Sachsenspiegel, dem Magdeburger Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und
dem -> Meißner Rechtsbuch zusammengestellte Rechtsbuch. Um 1408 werden die
Neun Bücher des Magdeburger Rechts unter Verwendung des Richtsteig Landrechts
und des Schwabenspiegels auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von
dem Notar Albert -> Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.
Lit.: Amira, K. v. /Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 51
Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den Teilungen -> Polens 1793/1795
erlangtes Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen); Bussenius,
C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806, 1960
Neuß
Lit.: Entner, G., Neuß, 1926
Neustadt an der Waldnaab
Lit.: Sturm, H., Neustadt an der Waldnaab, 1978
Neustadt an der Weinstraße
Lit.: Spieß, P., Die Stadtordnung Philipps des Aufrichtigen für
Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt. d. hist. Ver. d. Pfalz 66 (1968), 197; Der
Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße 1, hg. v. Erler, A., 1968; Spieß, P.,
Verfassungsentwicklung der Stadt Neustadt, 1970 (Diss.)
Neustrien (Westgebiet ?) ist ein Teil des fränkischen Reiches vom
späten 6. Jh. (um 600 ?) bis zum 8. Jh.
Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria,
Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im
Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989
Neutralität ist die Nichtbeteiligung eines Staates an einer kriegerischen
Auseinandersetzung. Sie findet sich seit dem ausgehenden Mittelalter, als
bewaffnete N. seit dem späten 18. Jh. 1856 begründet die Pariser
Seerechtsdeklaration das moderne Neutralitätsrecht. Die Schweiz behauptet seit
1815, Österreich seit 1955 N. (2001 Allianzfreiheit).
Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884; Verosta,
S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994;
Chevallez, G., Die Herausforderung der Neutralität, 1997; Setzen, F.,
Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997; Neff, S., The rights and duties of
neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der Neutralität, 2004
Neuwied
Lit.: Stupp, H., Die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt
Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959
Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende, durch zahlreiche
Neuerungen (z. B. Entdeckung Amerikas 1492, neues heliozentrisches Weltbild,
neues Verhältnis zu Gott, neue Beziehung zum Altertum usw.) gekennzeichnete
Abschnitt der menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius [Keller]
[1634-1707], Historia tripartita).
Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen
Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der
Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982;
Spezialforschung und „Gesamtgeschichte“, hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982; Handbook
of European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994;
Leimgruber, N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die
Neuzeit, 2003; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004ff.
Nevolin, Konstantin Alekseevic (1806-1855) wird nach dem
Rechtsstudium in Sankt Petersburg und Berlin (Savigny) Professor in Kiew und
seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des -> Svod Zakonov
mit. In seiner Geschichte der juristischen Zivilgesetze setzt er sich für die
Übernahme der Gedanken der -> historischen Rechtsschule in -> Russland
ein.
Lit.: Grothusen,
K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Wortman, R., The Development
of a Russian legal Consciousness, 1976
Nexti canthichio ist eine salfränkische Wendung des (lat.-afrk.) ->
thunginus des frühen 6. Jh.s (ich verstricke den Streitgegner [im Rahmen der
Vollstreckung]?).
Lit.: Pactus
legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 285
Nexum (lat. [N.] Verknüpfung) ist ein umstrittenes, vermutlich schon im
4. Jh. v. Chr. verbotenes Haftungsgeschäft des altrömischen Rechts, bei dem
durch Erz und Waage, also wohl zunächst gegen tatsächliches Entgelt (Darlehen),
jemand einem anderen eine Zugriffsmacht mit der Möglichkeit der Enthaftung
durch Rückzahlung einräumt.
Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b,
4c, 39 I 1; Söllner § 8; Köbler, DRG 27
Nichtanzeige geplanter
Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in
Deutschland seit dem 20. Jh. hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine
eigenständige Straftat.
Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige
geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten,
2002
Nichtberechtigter ist die Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht) zu
dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem
Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erworben werden (lat. -> nemo plus
iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche
Recht den -> gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.
Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in
romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363
Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung ausgeübte Lebensgemeinschaft
eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor allem von der Kirche als ->
Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich die n. L. seit etwa 1980
allmählich durch. Für sie gelten im Wesentlichen die allgemeinen Regeln, nicht
dagegen die besonderen Bestimmungen über die eheliche Lebensgemeinschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungsrecht
und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, 1995
Nichteheliches Kind ist in der Bundesrepublik Deutschland seit 19. 8. 1969 das
uneheliche Kind. Dieses ist auch mit seinem Erzeuger verwandt. Gegenüber dem
früheren Recht ist sein Unterhaltsanspruch erweitert und durch die
Regelunterhaltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert. Dennoch bestehen nach 1969 weiter
Unterschiede zum ehelichen Kind (Feststellung der Vaterschaft, Name, elterliche
Sorge, Unterhalt, Erbrecht). Am 12. 6. 1991 entscheidet das
Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam
das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird in Deutschland die Unterscheidung
zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen Kindern beseitigt (Spanien
1979/1981).
Lit.:
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung
des nichtehelichen Kindes, 1978; Schubert, W., Die Projekte der Weimarer
Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und
Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache,
1991, 214; Heinrich, T., Das preußische Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W.,
Nichteheliche Kinder und landwirtschaftliches Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1997; Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998;
Arends Olsen, L., La femme et l’enfant, 1999; Schmitz, U., Der
Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000; Die
Reform des Nichtehelichenrechts (1961-1969), hg. v. Schubert, W., 2003;
Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004
Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung eines Schuldners. Hier
kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die Verurteilung zum Sachwert
bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht wird seit dem
Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich das
Leistungsstörungsrecht für -> Verzug, -> Unmöglichkeit und sonstige
Pflichtverletzung (-> positive Forderungsverletzung). Die Einrede des
nichterfüllten Vertrags entwickelt sich dabei aus römischem Recht und
kirchlichem Recht im 15./16. Jh.
Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen
Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000; Roos, C., Die
Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des
nichterfüllten Vertrages, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen
Erfüllung, 2004
Nichtigkeit ist die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht
billigenswerten Mängeln leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht
bekannt, ohne dass dieses eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im
Prozess betrifft sie das Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen
römischen Recht fehlt noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit
von Verträgen, doch wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas
bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und
Gesamtnichtigkeit, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39;
Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006
Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende Beschwerde gegen eine
gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener Grundlage in Italien seit
dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer [lat.] sententia [F.] nulla)
allmählich entwickelt (lat. querela [F.] nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie
im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in unklarer Abgrenzung zur ->
Appellation aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine Nichtigkeit nur in den
gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens
geltend gemacht werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des
Nationalsozialismus kann ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt mit
der N. angegriffen werden. -> Nichtigkeitsklage
Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, A.,
Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976, 46
Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die Wiederaufnahme eines
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens angestrebt werden soll. Sie wird im
römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen
zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu Appellation und
Nichtigkeitsbeschwerde ist unscharf. Seit 1877/1879 kann eine N. nur in den
gesetzlich fest umrissenen Fällen der -> Wiederaufnahme des Verfahrens
erhoben werden. Eine besondere Ehenichtigkeitsklage ist in Deutschland seit 1.
7. 1998 nicht mehr vorgesehen. -> Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht,
1868, Neudruck 1969, 937
Nichtschuld ist das Fehlen einer Verbindlichkeit. Bereits das
klassische römische Recht gewährt bei Leistung auf eine N. einen
Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.] indebiti). Dieser wird seit dem
Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) aufgenommen
(Worms 1499). -> Bereicherung
Lit.: Köbler, DRG 47, 166
Nicolai, Pierre-Thomas
(Aubel 1763-1836), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat
in Limburg, danach Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich
und seit 1820 Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von -> Napoleon
(1811) eingeführte französische -> Code civil die Grundlage der Beratung für
das erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der -> Niederlande wird
und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das 1830
verselbständigte -> Belgien vom neuen niederländischen
Privatrechtsgesetzbuch erst gar nicht erfasst wird.
Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23
Niebuhr, Barthold Georg (Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2.
1. 1831), Geographensohn, wird nach dem Studium in Kiel, London und Edinburgh
Staatsbediensteter in Dänemark (1800) und Preußen. Sein Hauptwerk ist die
„Römische Geschichte“ (Bd. 1ff. 1811ff.). 1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys
in der Bibliothek des Domkapitels von Verona eine Handschrift der Institutionen
des -> Gaius (Palimpsest des 8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).
Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii
quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr,
1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979
Niederdeutsch ist das nicht von der (althochdeutschen) Lautverschiebung
erfasste, räumlich den niedrig liegenden Norden betreffende Deutsche
(altniederfränkisch, altsächsisch, mittelniederdeutsch [z. B. ->
Sachsenspiegel]), das in der Neuzeit schriftsprachlich dem Hochdeutschen
unterliegt und nur noch umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch).
Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche
Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004
Niederer Adel ist in neuzeitlich-abwertender Bezeichnung der nur
ritterbürtige, teils aus der Unfreiheit aufgestiegene -> Adel im Gegensatz
vor allem zum Landesherrschaft habenden Adel.
Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels,
1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel, V.,
Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979
Niedere Vogtei ist im deutschen Südwesten der frühen Neuzeit ein aus dem
Niedergericht hervorgegangenes Bündel grundherrschaftlicher und
gerichtsherrlicher Rechte (des Reichssteuern einsammelnden Grundherrn?).
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt,
1975, 78, 198
Niedergericht ist das für Klagen um -> Schuld und bewegliche ->
Sachen sowie für leichtere Straffälle zuständige -> Gericht im Gegensatz zum
-> Hochgericht und Blutgericht. N. ist etwa das Zentgericht, Gogericht,
Schulzengericht, Vogteigericht, Erbgericht, Dorfgericht, Hofmarkgericht oder
teilweise auch das Landgericht. Den Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung
einfacher Sachen aus dem Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh.
steht das N. allgemein dem Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die
Grundherren über (Patrimonialgericht). Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung
erfolgt zeitlich-räumlich nicht gleichmäßig.
Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche Niedergericht
auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das tägliche Gericht,
1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt im badischen
Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922, Neudruck 1958, 50;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche
Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter,
M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern,
2000
Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von durchreisenden Händlern die
Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu verlangen. Es ist beispielsweise
im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist durch stadtherrliches Privileg
erlangt. Es endet im Liberalismus des 18./19. Jh.s (Hannoversch-Münden 1823,
Köln 1831).
Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht,
1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, in: Scripta mercaturae,
Bd. 2 1970, 41
Niederlande sind der am Einfluss des Rheins in das Meer gelegene
nordwestmitteleuropäische Staat. Das betreffende, ursprünglich von Franken,
Friesen und wohl auch Sachsen besiedelte Gebiet (anfangs zwischen Somme und
Ems) gelangt nach dem Aussterben der für die N. 1473 in Mecheln einen obersten
Gerichtshof errichtenden Herzöge von Burgund (1477) an die -> Habsburger, die
es 1548 im Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N.
(frz. Pays d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben.
Seit 1565 wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus
bekehrten Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der
habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das
Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen
Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien
zum königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795
statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog.
Generalstaaten (Republik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit
1635 mit Frankreich verbündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster
Staat (Republik) anerkannt. In ihm wählen die Stände den Statthalter, dessen
Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt. Zugleich erwerben die N.
umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der Herrschaft Frankreichs
(1795) die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B.
friesischen, holländischen, seeländischen, geldrischen), subsidiär
gemeinrechtlich orientierten Rechts (1. 5. 1798 Staatsregelung für das
batavische Volk [Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung und
Kriminalprozessordnung, 1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs, ab
1806/1807 Arbeiten an einem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806
wandelt Napoleon die Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte
1806-1810). Zum 1. 2. 1809 wird nach dem Vorbild Frankreichs ein
Kriminalgesetzbuch für das Königreich Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch
Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches Gesetzbuch) für das Königreich Holland
in Kraft gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird Holland mit Frankreich vereinigt. 1811
wird das Recht Frankreichs im ehemaligen Holland eingeführt. Mit Napoleons
Niederlage lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März
1814 wird eine Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande)
verkündet. Zur gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die 1713/1714 von Spanien
an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich dem aus dem Fürstentum sich
bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt. 1830 lösen sich diese
teilweise frankophonen Gebiete im selbständig werdenden -> Belgien von den
Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem Vorbild des -> Code
civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert), ein Handelsgesetzbuch,
eine Zivilprozessordnung und eine Strafprozessordnung (1926 erneuert), 1881/1886
ein Strafgesetzbuch.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG;
Köbler, DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht van
oud-nederlandsche Rechtsbronnen, 1881; Gratama, M., Het onuitgegeven Landrecht
van Drenthe, 1883; Westerkamp, J., Das Bundesrecht der Republik der vereinigten
Niederlande, 1890; Turba, G., Über das rechtliche Verhältnis der Niederlande
zum deutschen Reich, 1903; Andreae, F., Über den Ursprung der niederländischen
Rechte, ZRG GA 30 (1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges,
1913; Gossen, J., De rechterlijke Organisatie van Zeeland, 1917; Müller, E.,
Eine niederländische Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 38 (1917), 305; Van
Apeldoorn, Geschiedenis van het nederlandische huwelijksrecht voor de invoering
van de fransche wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip van het
oud-vaderlandsch burgerlijk Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit Bewijsstukken, 1924,
1926), 6. A. 1950; Bijnkershoek, C. van, Observationes tumultuariae, hg. v.
Meijers, E. u. a., Bd. 1f. 1926ff.; Gosses, J., Welgeboren en Huislieden, 1926;
Schaap, H., Philips Wielant en diens Corte Instructie, 1927; Monté ver Loren,
J. de, De historische ontwikkeling van de begripen bezit en eigendom, 1929
(Diss. jur. Utrecht); Fischer, H., De geschiedenis van de reëlle executie bij
koop, 1934; Pitlo, R., De ontwikkeling der esecuteele, 1941; Dievoet, E. van,
Het burgerlijk recht, 1943; Huizinga, J., Herbst des Mittelalters, 1945; Overdiep,
G./Tjessinga, J. C., De Rechtsomgang van Franekeradeel 1406-1438, 1950; Aubin,
H./Menzel, E., Die niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung, 1951;
Feenstra, R., A quelle époque les Provinces-Unies sont-elles devenues
indépentes, TRG 20 (1952), 30, 182; Vries, K. de, Bijdrage tot de kennis van
het strafprocesrecht in de Nederlandse steden, (1956); Lademacher, H., Die
Stellung des Prinzen von Oranien als Statthalter in den Niederlanden von 1572
bis 1584, 1958; Schneppen, H., Niederländische Universitäten und deutsches
Geistesleben, 1960; Westerink, G., Doornspijk en Elburg, 1961; Andreae, F., De
Nederlandse staat, 1961; Costumen van’s-Gravenhage 1451-1609, hg. v. Hart, G. t’
u. a., 1963; Petri, F., Die Kultur der Niederlande, Handbuch der
Kulturgeschichte, Lieferungen 68-72, 80-84, 1964; Wedelind, W.-, Bijdrage tot
de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken, 1971; Bibliografie
Nederlandse rechtsgeschiedenis, hg. v. Nederlands centrum voor
rechtshistorische docomentatie, Bd. 1ff. 1971ff; Hardenberg, L., Der dreizehnte
Pfennig, ZRG GA 90 (1973), 185; Simons, C., Marine justitie, 1974; Gerbenzon,
P./Algra, N., Voortgangh des rechtes, 5. A. 1979; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,58,522,973, 2,2,744,1399, 3,1,1191, 3,2,2603,
3,3,3402,3732,3801,3901,3979,4099; Spruit, J., Niederländische rechtsgeschichtliche
Literatur aus den Jahren 1945-1975, ZRG GA 92 (1975), 371; Huusen, A., De
codificatie van het Nederlandse huwelijksrecht 1795-1838, 1975 (Eherecht); Consilium
Magnum 1473-1973, 1977; Vrugt, M. van den, De Crimenele Ordonnantiën van 1570,
1978; Herwaarden, J. van, Opgelegde Bedevaarten, 1978; Groenveld, S. u. a., De
Kogel door de Kerk?, 1979; Jappe, Alberts, W., Het middeleeuws keurboek van de
stad Doetinchem, 1979; Gall, H., Bronnen van de Nederlandse Codificatie,
Persoenen- en Familienrecht 1798-1820, 1981; De Ontwerpen lijfstraffelijk
wetboek 1801 en 1804, hg. v. Moorman van Kappen, O. u. a., 1982; Brokken, H.,
Het ontstaan van de hoekse en kabeljauwse twisten, 1982; Faber, S.,
Strafrechtspleging en criminaliteit te Amsterdam 1680-1811, 1983; Lademacher,
H., Geschichte der Niederlande, 1983; Prevenier, W./Blockmans, W., Die
burgundischen Niederlande, 1986; Schepper, H., de, Belgium Nostrum, 1987;
Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au
18e siècle, 1987; Schilling, J./Täubrich, R., Niederlande, 1988;
Moormann van Kappen, O., Ein Rückblick anlässlich der Hundertjahrfeier des
niederländischen Strafgesetzbuches, ZRG GA 105 (1988), 256; Godding, P., Le
droit privé, 1993; Lademacher, H., Die Niederlande, 1993; Holthöfer, E.,
Beiträge zur Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburga im 19.
und 20. Jahrhundert, 1993; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van
Kappen, O., Zur politischen und verfassungsrechtlichen Bedeutung der
batavischen Umwälzung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; North,
M., Geschichte der Niederlande, 1997; Mörke, O., Stadtholder oder Staetholder?,
1997; Arndt, J., Das Heilige Römische Reich und die Niederlande, 1998; Moorman
van Kappen, O., Zwei Jahrhunderte niederländische Kodifikationsgeschichte
(1797-1997), in: Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1997,
137; Honoris causa, hg. v. Coppens, E., 1999; Gallin, I., Rechtsetzung ist
Machtsetzung, 1999; De Monté ver Loren, J. Ph., Hoofdlijnen uit de ontwikkeling
der rechterlijke organisatie in de Noordelijke Nederlanden, 7. Druck 2000; Sap,
J., The Netherlands Constitution, 2000; Milton, G., Muskatnuss und Musketen,
2001; Koenigsberger, H., Monarchies, States generals and Parliaments, 2001; Weis,
M., Les pays-bas espagnols, 2003; Hogenstijn, C., Het algemeen welzijn van het
volk, 2004; North, M., Geschichte der Niederlande, 2. A. 2005; Cumulatieve
editie van het Burgerlijk Wetboek, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; Mörke, O.,
Wilhelm von Oranien (1533-1584). Fürst und Vater der Republik, 2005; Kok, G., In
dienst van het recht – uit de geschiedenis van het Gerichtshof ‘s-Gravenhage en
de daaraan vooraf gegane hoven (1428-heden),2005; Wassink, J., Van stad en
bitenie, 2005; Becker, H., De Etstoel van Drenthe, 2005; Bosch, A., De
ontwikkeling van het strafrecht in Nederland van 1795 tot heden, 4. A. 2005; Roes,
H., Het naaste bloed erfde het goed, 2006; Nederland in Franse schaduw, red. v.
Sirks, A. u. a., 2006
Niederösterreich ist ein unter (östlich) der Enns gelegenes Land ->
Österreichs. Es steht am Beginn der Geschichte von (ahd.) ostarrihhi (996).
Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N. Nach der Herausnahme Wiens
aus N. als eigenes Bundesland gibt sich N. eine eigene Hauptstadt in St.
Pölten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T., Bericht
des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21 (1900),
235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag, bearb. v.
Frieß, E. u. a., 1957; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft,
1964; Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969; Feigl, H., Der
niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder, W., Zur
Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, FS H. Demelius,
1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H., 1975; Wesener,
G., Das Verfahren vor der niederösterreichischen und innerösterreichischen
Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 27
(1979), 181; Die Auswirkungen der theresianisch-josephinischen Reformen auf die
Landwirtschaft, hg. v. Feigl, H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des
Parlamentarismus in Niederösterreich, 1985; Feigl, H., Recht und
Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Kohl, G., Die Anfänge der modernen
Gerichtsorganisation in Niederösterreich, 2000
Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in die See nahen
Verlauf samt dem umliegenden Gebiet)
Lit.: Becker, N., Das Land am unteren Niederrhein, 1992
Niedersachsen ist ein am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover
Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe gebildetes deutsches
Bundesland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die
Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft
Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v.
Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und
Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in
der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952; Schnath,
G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA 81
(1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A.
1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1
1988; Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und
Neubeginn, hg. v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert,
J. u. a., 2003; Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, hg. v. Wieden, B. bei der,
Bd. 1 2004
Niederschlesien -> Schlesien
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Niemand kann zwei Herren
dienen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. von
R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)
Nießbrauch (lat. [F.] ususfructus) ist die Belastung einer Sache in
der Weise, dass der, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist,
die Nutzung (z. B. Mietzinsen) der Sache zu ziehen. Der N. entwickelt sich in
Rom wohl seit dem 3. Jh. v. Chr. zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem
entspricht auch das deutsche Recht (-> Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter
wird das römische Recht aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt.
Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis
zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der
Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004
Niftelgerade -> Gerade
Nihil obstat (lat.). Es steht nichts
entgegen
Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386-Palermo 1445 [Panormitanus]) wird nach dem
Studium des Kirchenrechts in Bologna 1412 Professor in Bologna, danach in Parma
und Siena, 1434 Erzbischof von Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils
von Basel tätig (1432-1433, 1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die
(lat.) Commentaria (N.Pl.) in quinque decretalium libros (Kommentare in die
fünf Bücher Dekretalen). In dieser bedeutendsten Leistung der
Kirchenrechtswissenschaft des 15. Jh.s übernimmt er bereits in Bezug auf
allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus dem weltlichen Recht der
Kommentatoren (-> Bartolus).
Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de
Tudeschis, 1964
Nikolaus von Kues (Kues 1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn des Schiffers Johann
Cryftz (Henne Krebs), wird nach dem Studium der freien Künste in Heidelberg und
des Kirchenrechts in Padua Berater des Erzbischofs von Trier, 1448 Kardinal und
1450 Bischof von Brixen. Er ist in Abkehr von der -> Scholastik einer der
ersten Humanisten Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte ist seine (lat.)
Concordantia (F.) catholica (1433, Katholische Konkordanz) von großer
Bedeutung, in der er aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von
Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für das Reich vorschlägt.
Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von Cues
und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa opera,
hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v. Grass, N.,
1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen, E., Nikolaus
von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch, K., Nicolaus
Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001
Nimwegen (Nijmegen) am südlichen Waalufer erscheint auf der
Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n. Chr. als römisches Batavodurum, das um
104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus (Neumarkt) umbenannt wird. 1230 wird es
Reichsstadt. 1577 gelangt es an die Niederlande. 1923 erhält es (nach einem
frühneuzeitlichen Vorläufer) eine (katholische) Universität (2004
Radboud-Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen, R./Thissen, B.,
Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990
nobilis (lat.) adelig -> Adel
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und Gemeinfreie,
ZRG GA 19 (1898), 76; Stadtadel und Bürgertum, hg. v. Elze, R. u. a., 1991;
Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997
Noblesse de robe ist eine Bezeichnung für die in der frühen Neuzeit
einsetzende Gleichstellung der Inhaber hoher Ämter in Recht und Verwaltung mit
dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.) doctor (M.) iuris
stellt bereits -> Bartolus im 14. Jh. dem Adligen gleich.
Lit.: Bluche, F./ Durye, P.,
L’anoblissement par charges avant 1789, Bd. 1f. 1962
nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) -> landschädliche Leute
Lit.: Köbler, DRG 117
nominatio (lat. [F.]) Benennung (eines Bewerbers für ein Amt)
nomos (griech. [M.]) Gesetz
Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a., 1995
Nona (lat. [F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter kurzzeitig
bestehende Abgabe des Zehntels der Erträge neben dem -> Zehent.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum Einfluss
des Alten Testamentes, 2. A. 1970, 57
Nonne (F.) Ordensangehörige
Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921; Parisse,
M., Les nonnes, 1983; Medieval religions Women, 1984ff.
Noodt, Gerard (Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem
Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in
Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist
kleineren Schriften weisen ihn als antiquarischen Humanisten aus, der durch
seine kritisch-vernünftige Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.
Lit.: Bergh, G.
van den, The Life and Work of Gerard Noodt, 1988
Nordatlantische
Verteidigungsorganisation (North
Atlantic Treaty Organization, NATO)
Lit.: Masala, C., Den Blick nach Süden?, 2003
Norddeutscher Bund ist ein auf Vorschlag -> Preußens am 18. 8. 1866 an
Stelle des aufgelösten -> Deutschen Bundes tretender Bundesstaat (22)
norddeutscher Staaten (Preußen mit Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen
Teile des Großherzogtums Hessen, 17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine
Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1. 7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von
Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag,
1869 Bundesoberhandelsgericht in Leipzig). Nach dem mit süddeutscher
Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich treten Baden, Hessen-Darmstadt (15.
11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg (25. 11. 1870) durch Verträge
dem zum 1. 1. 1871 zum -> Deutschen Reich umgeformten Norddeutschen Bund
bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die Freizügigkeit (1.
11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3. 6. 1869), eine
Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870) und ein Bundes-
und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).
Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3; Kroeschell,
20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1867;
Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889; Wilhelm R., Das Verhältnis
der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund, 1978; Schubert, W., Der Ausbau
der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Pollmann,
Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985
Norddeutscher Reichsbund ist ein im August 1806 von Preußen geplanter, spätestens
am 9. 7. 1807 verhinderter Bund norddeutscher Staaten unter einem Direktorium
des Kaisertums Preußen und der Königtümer Sachsen und Hessen.
Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher Reichsbund,
in: Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50
Nordeuropa -> Skandinavien
Lit.: Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941
Nordhausen
Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen, 1939
Nordhorn
Lit.: Specht, H., Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941
Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen
(altnorwegisch-isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechts. Es ist
seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens ([ostnorwegisch]
Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frostathingsbok,
Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118, Gragas
1258/1271), Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um 1300,
Gutalagh 1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330,
Helsingelagh 1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210,
Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov
1241) überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten.
Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König -> Magnus
Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida (1271/1273),
die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus Erikssons (1347).
Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die Isländersagas.
Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische Königsspiegel (1260/1265)
erkennen. -> Dänemark, -> Finnland, -> Island, ->Norwegen, ->
Schweden
Lit.: Grenander, B., Ur
förhandlingsprincipens historia, 1879; Amira, K. v., Nordgermanisches
Obligationenrecht, Bd. 1f. 1882ff.; Brandt, F., Forelæsninger over den norske
Retshistorie, 1883; Lehmann, K., Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 7 (1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8
(1887), 165; Lehmann, K., Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K.,
Verzeichnis der von 1887 bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889),
246; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902;
Maurer, K., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Motzfeldt,
U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs- und Beuterecht,
1913; Østberg, K., Norsk Bonderet If., 1914ff.; Pappenheim, M., Rasengang und
Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922); Taranger, A.,
Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des alternden
Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt, W., Fluch,
Eid, Götter – altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C. Frhr. v.,
Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939 (SB
Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der
Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler,
A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt,
B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K.
v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Nordisk rättshistorisk litteratur
1956-1965, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1972; Forssell, H.,
Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt, H., Der Stabreim in altnordischen
Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische rechtshistorische Literatur, ZNR 1
(1979); Nordisk rättshistorisk litteratur 1966-1975, zusammengestellt v.
Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dübeck, J., De
nordiske lovböger, in: Rättshistoriska studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte und
theoretische Dimension, red. v. Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk
Rättskällelära, 1991; Grönberg, L., Nordisk rättshistorisk litteratur
1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993;
Björne, L., Patrioter och institutionalister, Den nordiska rättsvetenskapens
historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L., Brytningstiden, Den nordiska
rättsvetenskapens historia del II 1998 (1815-1870), Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska rättsvetenskapens
historia del III 1871-1910, 2002; Tamm, D., Justizforschung, germanisches Recht
und nordische Rechtsgeschichte, ZRG 120 (2003), 347; Ruthström, B., Land och
fæ, 2003; Sandström, M., Rättsvetenskapens Princip, 2004
Nördlingen
Lit.: Nördlinger Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933;
Kudorfer, D., Nördlingen, 1974
Nordrhein-Westfalen ist
ein vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946 gebildetes deutsches Land.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre Kreisordnung
in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine Verwaltungsgeschichte
Nordrhein-Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der Gemeindeverfassung, 1998
Nordsee
Lit.: Aubin, H., Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Norseeraum, ZRG
GA 72 (1955), 1
Noricum ist eine nach ihren zwischen 12 und 9 v. Chr. von den
Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker) und deren Reich
(um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.) in den Alpen. In
der Folge wird bis in das 15. Jh. Bayern auch als N. bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr, I.,
Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum, 1974
Norm ist eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen aufgenommene
Bezeichnung für Regel, Vorschrift oder Rechtssatz.
Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex
Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997;
Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und
Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001
Normaljahr ist ein für eine rechtliche Folge als normal zugrunde
gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den Bekenntniszustand im Westfälischen Frieden
von 1648).
Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten,
Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973
Normandie ist die östlich an den Kanal zwischen dem europäischen
Festland und England angrenzende, im 9. Jh. von den -> Normannen eroberte
Landschaft. Von hier aus wird 1066 der Herzog der N. König von -> England.
Über Heinrichs I. von England Tochter Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw.
Plantagenets (1144/1150), die auch Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England
(1154) beherrschen. 1204 erobert der König von Frankreich die N. zurück. Nach
ihrer Wiedergewinnung durch England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an
Frankreich zurück. 1199/1200 bzw. 1220 entsteht der Très ancien -> coutumier
de Normandie, zwischen 1254 und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa [F.] de legibus
Normannie).
Lit.: Le très ancien coutumier de
Normandie, hg. v. Tardif, E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia
laicali, hg. v. Tardif, E., 1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E.,
1910; Pissard, H., La clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions
et ensaignements, hg. v. Besnier, G. u. a., 1912 ; Atiremens et jugiés d’échiquiers,
hg. v. Génestal, R. u. a., 1921 ; Plaids de la sergenterie de Mortemer
1320-1321, hg. v. Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le très
ancien droit normand, 1926; Yver, J., L’interdiction de la guerre privée,
in : Travaux de la semainde d’histoire du droit Normand 1927, 1928 ;
Besnier, R., La représentation successorale, 1929 ; Index des termes
juridiques et économiques contenus dans le recueil des jugements de l’echiquier
de Normandie au 13e siècle v. Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal,
R., Études de droit privé normand, 1 La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L’offoce
héréditaire du Focarius regis Angliae, 1931; La Besnier, R., Coutume de
Normandie,, 1935; Besnier, R., Les donations entre époux, RHDFE 1936,
701 ; Histoire de la Normandie, 1970; Le Patourel, J., The Norman Empire,
1976; England and Normandy, hg. v. Bates, D. u. a., 1994; Musset, J., Le régime
des biens entreépoux, 1997 ; Neveux, F., La Normandie, 1998
Normanne (Nordmann) ist der in Nordfrankreich (Normandie) im 9./10.
Jh. sesshaft werdende -> Wikinger. Von dem 911 an der unteren Seine auf
überlassenen Land gegründeten Fürstentum (nach 987 Herzogtum) aus greifen die
bald christianisierten und romanisierten Normannen 1066 nach England aus. Die
seit 1016 in Unteritalien als Söldner verwendeten Normannen erhalten von Kaiser
Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa und erobern zwischen 1057 und 1085 die
Güter Byzanz‘ und langobardischer Fürsten sowie 1061-1091 von den Arabern
(Sarazenen) -> Sizilien. 1130 wird Roger II. König von Sizilien und
verbindet normannisch-romanische Gegebenheiten mit griechischen und arabischen.
Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der unterworfenen Bevölkerung auf.
Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915; Kehr,
P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die Päpste
(1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de Guillaume le
Conquérant, hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen in Sizilien,
2. A. 1973; Jäschke, K., Wilhelm der Eroberer, 1977; Jäschke, K., Die
Anglo-Normannen, 1981; Jahn, W., Untersuchungen zur normannischen Herrschaft in
Sizilien, 1989; Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily,
1993; Heller, K., Die Normannen in Osteuropa, 1993; Chibnall, M., The Debate on
the Norman Conquest, 1999; Eickels, K. van, Vom inszenierten Konsens zum
systematisierten Konflikt, 2002
Normativbestimmung ist eine durch eine -> Norm aufgestellte oder wie eine
Norm wirkende Bestimmung. Im 19. Jh. wird für juristische Personen das
Oktroisystem durch das System der Normativbestimmungen ersetzt, nach dem eine
juristische Person entstehen darf, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen
erfüllt sind.
Lit.: Köbler, DRG 207
Normenkontrolle ist die Überprüfung einer -> Norm durch ein Gericht auf
ihre Rechtmäßigkeit. Ihre ersten Ansätze finden sich vielleicht noch im
Heiligen römischen Reich (bzw. 1803 in den Vereinigten Staaten von Amerika in
der Entscheidung Marbury vs. Madison), jedenfalls im 19. Jh., während die N. in
Frankreich weitgehend fehlt. Im Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das
Obergericht Danzig ab 1923. Für die N. des bundesdeutschen Rechts ist
hauptsächlich das -> Bundesverfassungsgericht zuständig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung und
deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wllenreuther, H. u. a., 1987; Herrmann,
N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten Normenkontrolle im
modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das Ringen um die
verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck, F., Die
Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121
(2004), 415
Northeim
Lit.: Lange, K., Der Herrschaftsbereich der Grafen von Northeim
950-1144, 1969
Norwegen ist der im Westen der skandinavischen Halbinsel gelegene
Staat. Um 900 (872) überwindet hier König Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000
erfolgt die Christianisierung. 1274 schafft König Magnus Lagabœtir ein
Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie ein allgemeines Stadtrecht
(bjarkeyjar réttr). Von 1319 (Aussterben des Königshauses im Mannesstamm) bis
1355 (Magnus VII. Eriksson, 1343 Hakon VI.) und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson,
1397 Kalmarer Union von Norwegen, Dänemark und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist
N. (auch) mit Schweden verbunden. Von 1387 bis 1814 ist der König von Dänemark
König von N. Seit 1536 ist N. überhaupt Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der
König von Schweden nach der Loslösung Norwegens von Dänemark König von Norwegen.
1905 wird ein dänischer Prinz zum König des durch Volksabstimmung von Schweden verselbständigten
N. gewählt.
Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387) 1846ff.,
2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen
Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Aubert, L., Grund bøgernes Historie i Norge Danmark
og tildels Tyskland, 1892; Bugge, A., Studier over de norske byers selvstyre,
1899; Boden, Das altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff,
K., Volksgericht und Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464;
Rynning, L., Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens
Forfatningshistorie, 1929; Vogt, W., Zum altnorwegischen Königsfrieden, ZRG GA
52 (1932), 1; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v.
Meißner, R., 1935; Vogt, W., Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur,
1936; Meißner, R., Das norwegische Gefolgschaftsrecht, 1938; Hirðskrá, hg. v.
Meißner, R., 1938; Frost, J., Das norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen,
O., Norwegische Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des
norwegischen Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher
des Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom,
G., Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gurevič, A., (Die
freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer
Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517,
4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie,
1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir,
ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987; Lindemann,
R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F., Norsk
historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.; Björne,
L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn, R.,
Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter
der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003;
Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Iversen, T., Knechtschaft im
mittelalterlichen Norwegen, 2004
Not (Zwangslage) -> echte Not
Notar ist ein (vom Staat) zur Wahrnehmung bestimmter
Rechtspflegeaufgaben bestelltes unabhängiges Organ der Rechtspflege. Der N.
entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw.
Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittalters (10./11. Jh.) in
Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten
Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune,
1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in
Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 1000000 Urkunden
ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in
Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist zunächst kein ausschließlicher
Beruf. Der N. wird vor allem vom Kaiser (1186, 1191), Papst oder Hofpfalzgrafen
ernannt. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung. Seit 1701 versucht
Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet fern zu halten und
verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium in Preußen. 1771
verzichtet es auf ein kaiserliches Notariatsdiplom als Voraussetzung für die
Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten Advokaten, für die keine
Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später entwickeln sich Gebiete
des Nurnotariates (z. B. Bayern, Österreich) neben Gebieten des
Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariates
(Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten wahrnehmenden
Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das Anwaltsnotariat. 1934
erhalten die Notare in Preußen die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Seit
28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik Deutschland die Beurkundung allgemein den
Notaren vorbehalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270; Weißler,
A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Petrucci, A., Notarii,
1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Gerig, H., Los signos
notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley del notariado 4, 2, 2
(1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano,
1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Krause, H.,
Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation öffentlicher Notare in der
Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die ersten Notare im Berngebiet,
Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare Südwestdeutschlands,
1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R., Chartes, sceaux et chancelleries, 1990;
Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991; Frischen, H., Die 44. Novelle,
Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets van een geschiedenis van het
notarisambt, 1995; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d. rheinischen
Notarkammer, 1998; Schüler, H., Die Entstehungsgeschichte der
Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961; Wiedemann, A., Preußische
Justizreformen, 2003; Hoffmann, H., Notare, Kanzler und Bischöfe am ottonischen
Hof, DA 61 (2005), 435; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005
Notariat ist das Amt und der Amtsraum eines -> Notars sowie eine
Gesamtheit von Notaren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche
Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur Geschichte des
preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über die Anfänge des
Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde und Notariat in
Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die geschichtlichen
Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960),
3; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961, 2.
A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat in het octrooigebied
van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum
Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114 (1964), 1; Meyer, A., Die
Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske, W., Das österreichische
Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA 92 (1975), 132; Amelotti,
M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975; Schuler, P.,
Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976; Carlen, L., Notariatsrecht in
der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des mittelalterlichen Notariats,
ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des Zürcher Notariats, 1983;
Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur.
Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen, Diss. phil. Marburg 1989;
Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H., 1995; Neschwara,
C., Geschichte des österreichischen Notariats, 1996; Notar und
Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001; Neschwara,
C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000; Het notariaat in
de Lage Landen (± 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005; Osterburg, D., Das
Notariat in der DDR, 2004
Notariatsimbreviatur -> Notariat, Imbreviatur
Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom -> Notar ausgestellte ->
Urkunde. In Bologna erscheint die erste als -> instrumentum bezeichnete
Urkunde 1041. Um die Mitte des 11. Jh.s verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis
1150 überlieferter Zeugnisse die Unterschriften von Ausstellern und Zeugen,
als es dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft auf sich zu beziehen. Ab etwa
1114/1115 erscheint römische Rechtsterminologie in den Texten (u. a.
Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das instrumentum in der ersten
Hälfte des 12. Jh.s durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus
notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur, 2003
Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871) -> Notar, Notariat, Ordnung
Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995
notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar
Notarsignet ist das persönliche, anfangs frei gewählte, später
verliehene Zeichen eines Notars, das der öffentliche (kaiserliche bzw.
päpstliche) Notar neben seine Unterschrift setzt. Das erste bisher bekannte
deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von Lüttich). Nicht sicher geklärt
ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel, sondern das N. verwendet. Seit 1806
verschwindet das N. (in Bayern seit 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die Notariats-Signete,
1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel, Dt. Notarzs. 15
(1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971; Schuler, P.,
Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und
Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H., Notariatszeichen
in reußischen Archiven (1518-1757), 2004
Notbede -> Not, Bede
Notenbank ist die Papiergeldstücke (Banknoten, engl. banknote 17.
Jh.) ausstellende Bank.
Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen Notenbanken,
1992
Noterbe ist der Erbe, der wegen Enterbung nur den
Pflichtteilsanspruch erhält. Der N. entwickelt sich im römischen Recht, in dem
die formelle Nichterwähnung der (lat.) sui heredes (M.Pl.) das Testament
ungültig werden oder den Übergangenen am Erbe teilhaben lässt, bzw. die
materielle Nichtberücksichtigung die (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti
gewährt. Justinian verbindet beides 542 miteinander. Seit dem Spätmittelalter
wird das römische Recht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
aufgenommen. Der Kreis der Pflichtteilsberechtigten (Noterben) und der Umfang
des Pflichtteils (Noterbrechts) schwankt.
Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nötigung ist das Zwingen eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung
mit einem empfindlichen Übel zu einer nicht gewollten Handlung, Duldung oder
Unterlassung. Gegenüber verschiedenen Einzelfällen wird die N. als allgemeiner
Straftatbestand erst spät erfasst.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der
Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das
Recht – Der Streit um die Nachrüstung, 2005
Notitia (lat. [F.] Nachricht) ist im Frühmittelalter die objektiv
gefasste, nach Heinrich Brunner angeblich im Gegensatz zur dispositiven,
subjektiv gefassten (lat.) carta (F.) nur beweisbedeutsame Urkunde.
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur
rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde,
in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131
Notker (der Deutsche) von St. Gallen (um 950-Sankt Gallen 29. 6.
1022) ist der bedeutendste Schriftsteller des Althochdeutschen. In deutschlateinischer
Mischprosa übersetzt er verschiedene geistliche und weltliche Schriften aus dem
Lateinischen. Dabei erfasst er auch rhetorische Grundfiguren (z. B. in der
Gerichtsrede) und zeigt damit eine Vorstufe der Rechtswissenschaft in
Deutschland auf.
Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und seiner
Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die
Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der
Deutsche, 2000
Notorietät (F.) Offenkundigkeit
Notstand ist der Zustand gegenwärtiger Gefahr für rechtlich
geschützte Interessen, dessen Abwendung nur auf Kosten fremder Interessen
möglich ist. Schon im römischen Recht befreit der N. in Einzelfällen von
Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter. Danach befasst sich Art. 166 der CCC
(1532) mit dem Stehlen in Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N.
strafrechtlich schärfer erfasst. Privatrechtlich schließt schon das römische
Recht einzelne Handlungen von einer Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird
dies wissenschaftlich verallgemeinert und danach in den §§ 228, 904 in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird
1927 vom Reichsgericht Deutschlands für den medizinisch indizierten
Schwangerschaftsabbruch anerkannt. Staatsrechtlich wird in Deutschland der N.
in der Verfassung 1968 gesetzlich geregelt. Seit 1975 enthält das Strafgesetzbuch
Deutschlands (aus utilitaristischen Erwägungen) eine Vorschrift über den
rechtfertigenden Notstand.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H., Die
Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961,
653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck 1970; Würzburger,
J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K., Der
strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands, Diss.
jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das
Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung,
10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchungen zum
spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand, ZRG
RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von
Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M.,
Der rechtfertigende Notstand, 2002
Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der 1968 in
Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines Staatsnotstandes
geschaffenen einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik Deutschland (z. B.
Ernährungssicherstellungsgesetz, Schutzbaugesetz, Abhörgesetz).
Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968
Nottestament ist ein in besonderer Gefahrensituation in vereinfachter
Form zu errichtendes -> Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nottingham am Trent erscheint im 6. Jh. (Snotingaham). 1155 wird sein
Stadtrecht bestätigt. 1881/1948 erhält es eine Universität.
Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham, 1969
Notverordnung ist die -> Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie findet sich
bereits im ausgehenden 18. Jh. (England 1766, Baden 1818, Württemberg 1819),
danach sehr häufig beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungsgesetzes
vom 4. 8. 1914 in der Zeit des ersten Weltkrieges und auf Grund des Art. 48 II
der Weimarer Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60
Notverordnungen).
Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.;
Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und
Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, Das Notstandsrecht, Diss.
jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985;
Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004
Notweg ist die Verpflichtung eines Eigentümers eines Grundstücks,
die Benutzung seines Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren oder Durchreiten
durch den Eigentümer eines anderen Grundstücks, dem ohne Verschulden seines
Eigentümers die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem
öffentlichen Weg fehlt, gegen Entschädigung zu dulden. Der N. ist als
nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen Recht bekannt. Er
findet sich auch im Mittelalter und in der Neuzeit.
Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der Notweg,
1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K., Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192;
Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000
Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen
gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren.
Bereits im römischen Recht ist es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im
Frühmittelalter erscheint die N. ansatzweise, im Hochmittelalter und Spätmittelalter
häufiger (-> Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die
N. von der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt
(Preußen 1794).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87,
119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 34;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Koch,
B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469
Notzivilehe ist die bei Verweigerung der Eheschließung wegen eines
kirchenrechtlichen Ehehindernisses mögliche weltliche Eheschließung (z. B. in
Österreich 25. 5. 1868 Eherechtsgesetz).
Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
5. A., 2005; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A.,
1996
Notzucht ist eine ältere, in Deutschland 1973, in Österreich 1989
und in der Schweiz 1992 aufgegebene Bezeichnung für die Vergewaltigung einer
Frau (lat. oppressio [F.], violentia [F.]), die ihrerseits seit dem 16. Jh. das
noch ältere (ahd.) notnumft verdrängt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9 (1907),
7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150;
Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht –
Notzucht – Vergewaltigung, 2003
novale (lat. [N.]) Neubruch
novatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die ->
Novation, Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung.
Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der Novation
im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968
Novation (lat. [F.] -> novatio) ist bereits im klassischen
römischen Recht die Schulderneuerung, bei der infolge einer -> Stipulation
die alte Schuld (Obligation) mit allen Nebenrechten erlischt und durch eine
neue Schuld (Obligation) ersetzt wird (z. B. Auswechslung des Gläubigers oder
Schuldners, eine Sonderform ist die [lat.] stipulatio [F.] Aquiliana). Die N.
wird seit dem Hochmittelalter wieder belebt. Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird sie nicht mehr erwähnt.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43, 215;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 432, 449, 530
Novel disseisin ist im englischen Recht die von König Heinrich II. (1133-1189)
eingeführte Klage des widerrechtlich aus seinem Besitz Vertriebenen
(disseised).
Lit.: Sutherland, D., The Assize of Novel Disseisin, 1973;
Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Novelle (lat. [F.] novella [lex]) ist das ein Gesetz in
Einzelfragen ergänzende oder abändernde neue Gesetz. Insbesondere werden die
nach dem -> Codex des Jahres 534 von -> Justinian erlassenen (neuen),
durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert
z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG
54; Noailles, P., Les collections de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d.,
Manuale novellarum, 1964; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975;
Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6
(1977), 274; Novella Constitutio, hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen Reich und in Österreich-Ungarn
im November 1918.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der
Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918,
Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R.,
Staatstreue und Interessenvertretung, 1988
Nowgorod
Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v.
Angermann, N./Friedland, K., 2002
noxae datio (lat. [F.], auch noxae deditio) ist bereits im
altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z. B. Hauskind, Sklave, Tier),
durch die sich der Hausvater (außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich
bestehenden Haftung für einen auf deren Verhalten beruhenden Erfolg befreien
kann (Noxalhaftung). Sie wird in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven
eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V,
50 II 4a, Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H.,
Sklavenrecht, 1972
NS (Nationalsozialismus)
NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei)
Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N.,
Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002
nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum
Lit.: Köbler, DRG 124
nudum pactum (lat. [N.]) bloßer
Vertrag (ohne besondere Formen)
Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Nulla poena (F.) sine
lege, nullum crimen sine lege (lat.) ist
der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn nicht
zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe bedroht hat.
Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten Strafgesetzen zum
Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem klassischen römischen
Recht bekannt und wird in der Spätantike durch kaiserliche Gesetze mit gewissen
Einschränkungen sogar ausgesprochen. Dem folgen an sich auch das Mittelalter
und die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532), während das gemeine Recht
den Grundsatz bis zum ausgehenden 18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der
Aufklärung entsteht der Grundsatz in voller Gestalt des Rückwirkungsverbots,
des Analogieverbots und des Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika
bis 1787, Frankreich, Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines
Landrecht 1794, Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, -> Grundgesetz
1949), wobei die Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des
Staates in die Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998, (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16,
131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des
strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und Richter,
1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J. A.
Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient
die eigene Sache.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6.
A. 1998 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26
nullum crimen sine lege -> nulla poena sine lege
Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne Strafe.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Numerius Negidius (N.N.) ist der abstrakte Beklagte des römischen
Verfahrensrechts.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33
numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B. der Ausbildungsplätze oder
der zulässigen Sachenrechte)
Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte,
in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Numismatik (Münzkunde) -> Münze
Lit.: Morrisson, C., La numismatique, 1992;
Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R. u. a., 1995;
Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000; Geldgeschichte vs.
Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004
nummo uno (lat.) mit einer -> Münze
Lit.: Köbler, DRG 25
nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner
§ 8; Köbler, DRG 38
Nuntius (zu lat. [M.] nuntius, Bote) ist seit dem ausgehenden
Spätmittelalter der ständige Gesandte des Heiligen Stuhles bei einem anderen
Staat.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur
Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les
nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen
Gesandtschaftswesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A.
1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles, 1975
Nürnberg ist die um eine 1050 erstmals erwähnte, anscheinend
vorsalische Grundlagen aufweisende Reichsburg auf ursprünglich bayerischem
Siedlungsboden an der Pegnitz erwachsende Reichsstadt. In der -> Goldenen
Bulle von 1356 belohnt Kaiser Karl IV. die Treue der Stadt mit der
Verpflichtung jedes neugewählten Königs, seinen ersten Reichstag in N.
abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423) bis 1796 und von August 1938
bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der Reichskleinodien
(Reichserzschatzkästlein). 1479/1484 erneuert N. durch die römisches Recht
gemäßigt aufnehmende (Neue) -> Reformation sein Stadtrecht. Im Dritten Reich
hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab. 1935 werden in N. auf dem
Reichsparteitag vom nach Nürnberg einberufenen Reichstag die gegen die Juden
gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet (Reichsbürgergesetz vom 15.
9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.
9. 1935) (und am folgenden Tag im Reichsgesetzblatt verkündet. Vom 18. 10./14.
11. 1945-1. 10. 1946 finden in N. die Prozesse gegen (24 bzw.) 22
nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher statt ([12] Todesurteile für
Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst Kaltenbrunner,
Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher, Fritz Sauckel,
Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart, Martin Bormann]), denen bis 1949 12 weitere
Verfahren in N. gegen 182 Angeklagte folgen (24 Todesurteile).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das
Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger
Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über
Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der
Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930; Nordmann,
C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984; Ellinger, W.,
Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, in: Genealogica, Heraldica, Juridica,
1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die Entstehung der
Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des Nürnberger
Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen Privatrechts in
Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.; Schultheiß, W., Die
Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das Urteil von Nürnberg
1946, 1961; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v. Schultheiß, W., 1963; Kunstmann,
H., Zauberwahn und Hexenprozess in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte
Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v. Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die
Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg – historische Entwicklung einer deutschen
Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971; Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971; Wachauf,
Helmut, Nürnbergs Bürger als Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene
Juristen); Schmid, Hans-Dieter, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Hirschmann,
Gerhard, Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Die Nürnberger
Bürgerbücher 1 (1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz, K.,
Heischurteile, 1977; Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt
Nürnberg), Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67
(1980); Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg _
Kaiser und reich (Ausstellung), 1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung
des Verbrechens in Nürnberg im Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991),
117; Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R.,
Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405;
Rethmeier, A., „Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und
Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, Die Nürnberger
Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den
Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze,
2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A.,
Der Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v.
Konstantinou, E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger,
T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger
Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648; Kastner, K., Die Völker
klagen an, 2005
Nutzpfand oder Nutzungspfand (sog. ältere Satzung) ist im
Hochmittelalter das Pfand, bei dem der Gläubiger unmittelbaren Besitz an der verpfändeten
Sache (Grundstück) hat und die Nutzungen aus ihr ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire
du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936
Nutzung ist die Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie der
Vorteil, den der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.
Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Nutzungspfand -> Nutzpfand
Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu nutzen. Es findet sich bereits
im altrömischen Recht und begegnet bis zur Gegenwart in unterschiedlichen
Gestalten. Insbesondere bestehen in der Grundherrschaft unzählige
Nutzungsrechte an Grundstücken. -> Nießbrauch
Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26,
125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
O
Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der drittinstanzliche Gerichtshof
eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von Nichtappellationsprivilegien
nicht mehr zuständige Reichsgericht (-> Reichskammergericht). Es
entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
nichtprivilegierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen.
1877/1879 wird das O. allgemein (durch das -> Oberlandesgericht) beseitigt.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2, 3; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb,
H., Die Verfassung des Oberappellationsgerichts der vier freien Städte
Deutschlands zu Lübeck, Diss. jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um
die Appellation, 1976, 291; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non
appellando, 1980; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates und des
Reichskammergerichts, 1986; Gesamtinventar der Akten des
Oberappellationsgerichtes der vier Freien Städte Deutschlands, hg. v.
Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Polgar, K., Das
Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands (1820-1879), 2006
Oberbayerisches Landrecht ist das in mehr als 100 Handschriften des 14. und 15. Jh.s
überlieferte Landrecht für Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene
Fassung von etwa 1335 voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig
dem Bayern. Es ist in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedert. Im Mittelpunkt
stehen Privatrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind
nicht erkennbar. Römischrechtliche oder kirchenrechtliche Einflüsse sind nicht
bestimmend, vielmehr wird im Wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht wiedergegeben.
1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern und Niederbayern
ein gemeinsames Landrecht geschaffen.
Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des Bayern,
1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Schlosser,
H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern von 1346,
2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002; Schwab,
I., Die Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326
Obereigentum (lat. dominium [N.] directum) ist im gelehrten Recht vom
Hochmittelalter bis zum 19. Jh. die Rechtsstellung des Obereigentümers (z. B.
Lehnsherrn) eines im geteilten -> Eigentum stehenden Gegenstandes (z. B.
Lehen). Es wird in verkennender Ausdehnung einer römischen Quellenstelle über
einen Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es entspricht Bedürfnissen
der Rechtswirklichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines
allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.
Oberhaus -> House of Lords
Oberhof ist seit dem Spätmittelalter (ein Gericht als) eine
Auskunftsstelle für Gericht und Einzelmenschen. Oberhöfe finden sich sowohl in
Städten wie auch auf dem Land. Ihre Ausbildung beruht anfangs auf
Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden Übung der Erteilung von Auskünften
entwickelt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis. Allmählich dringt
Schriftlichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa Magdeburg,
Lübeck, Krakau, Iglau, Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am Main, Ingelheim, Neustadt
an der Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder Nürnberg. Mit dem
Vordringen des römischen Rechts und der Ausbildung des Instanzenzuges in der
erstarkenden landesherrlichen Verwaltung verschwindet der O. vom 16. bis in das
18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der Oberhof
Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur Geschichte
des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu Eltville,
ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Bastian, J.,
Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in Schlesien, 1938;
Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.;
Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am Main 1954; Gudian,
G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller, H., Oberhof und
neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und
Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die Freiburger
Oberhofurteile, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 390; Zwerenz, G., Der Rechtswortschatz der Urteile des Ingelheimer Oberhofes,
Diss. jur. Gießen 1988; Eckhardt, W., Das Stadtgericht als Oberhof, Zs. d. V. f. hess. Geschichte 110 (2005), 21
Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige preußische
Landesjustizkollegium und danach das 1877/1879 geschaffene, zwischen Reichsgericht
bzw. Bundesgerichtshof und Landgericht (bzw. oberstem Gerichtshof und
Landesgericht in Österreich seit 1852) stehende Gericht (1893 im Deutschen
Reich 28 Oberlandesgerichte mit 548 Richtern). -> Oberappellationsgericht
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht
Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg,
1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main,
1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle, 1986;
175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht und
Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das Oberlandesgericht
Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer, R., Das badische
Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek, I., Die
erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in
Staatsschutzstrafsachen, 2003
Obermärker ist der Leiter der -> Markgenossenschaft.
Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung seit der Erstnennung von
ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns gelegene (Bundesland) ->
Österreich(s).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher; Schmidt,
F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941; Hoffmann, A.,
Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A., Wirtschaftsgeschichte
des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob der Enns, 1958; Grüll,
G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme der Entstehung des
Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 7 (1960),
125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969; Sturmberger, H., Der Weg
zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen
Oberösterreichs, 1974; Sturmberger, H., Adam Graf Herberstorff, 1976; Feigl,
H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs im Spiegel der
Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die landständische Behördenorganisation in
Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka, H., Oberösterreich unter Kaiser Franz
Joseph, 1982; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, in:
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Lohner, J.
Das landeshauptmannschaftliche Gericht in Oberösterreich, 1988; Landtafel des
Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Bd. 1 hg. v. Strätz, W., 1990
Oberpfalz ist der um Neumarkt gelegene (obere) Teil der
Pfalz(grafschaft bei Rhein), die durch Erbteilung im Hause Wittelsbach
zeitweise vom übrigen -> Bayern abgeteilt wird. Für die O. wird 1657/1659
ein -> Landrecht geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das
kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch
der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die
Entstehung des Oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482
Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen Provinzialverwaltung
(zwischen 4 und 12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis (1933 bzw.) 1945 mit drei
unterschiedlichen Funktionen.
Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der Stellung
des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die preußischen
Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985
Oberrechnungskammer (1802) ist die sich seit 1713 entwickelnde Zentralbehörde
des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist selbständig und unabhängig. Sie wird
1869 zum -> Rechnungshof des Norddeutschen Bundes.
Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v.
Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90
Oberschlesien -> Schlesien
Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des Jahres 1501 zurückgehende,
am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete Höchstgericht (mit Präsidenten,
Vizepräsidenten, Senaten und Räten) Österreichs (oberste Revisionsinstanz in
Justizsachen und oberste Justizverwaltungsbehörde), das 1848 zum Obersten
Gerichtshof wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines Recht an. Mit ihr wird
die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten Instanz ausgesondert
Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die Oberste
Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G.,
Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation, 1979; Maasburg, F. v.,
Geschichte der obersten Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle
Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v.
Faistenberger, C., red. v. Niedermayr, M., 2003
Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von 1948 bis 1950 für die
britische Besatzungszone des Deutschen Reiches eingerichtete oberste
Gerichtshof.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste
Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158
Oberstes bayerisches
Landesgericht in München ist ein 1877/1879
aus dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitetes
Gericht, dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem
Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen
Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine Aufgaben werden zum 31. 12. 2004 den drei
Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg) übertragen.
Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, hg. v.
Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15
Oberstes Gericht ist das Höchstgericht der -> Deutschen Demokratischen
Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der DDR,
1989
Obertribunal (1772) ist das 1703 als Oberappellationsgericht preußischer
Landesteile geschaffene, im 19. Jh. zum höchsten Gericht Preußens aufsteigende
Gericht, das 1877/1879 weitgehend im Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen
Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals im Juni 1879, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 419
Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit
seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später teilweise auch
Verwaltungsgerichtshof genannt wird.
Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung
des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987; Festschrift
zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, hg. v.
Reich, S., 2002
Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der Obrigkeit bzw. Kirche
über den -> Vormund, wie sie sich seit der karolingischen Zeit entwickelt
und im Vormundschaftsgericht endet.
Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer, Spende (z. B. auch von Kindern in ein
Kloster)
Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung von
Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973
Obligatio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das
Schuldverhältnis. Es geht vermutlich auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen
(später sog. [lat.] delicta [N.Pl.]) zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig
bestehende Racherecht des Verletzten oder seiner Verwandtschaft wird im
Interesse der Allgemeinheit allmählich eingeschränkt und durch die Hingabe von
Vermögensgegenständen (Sühneleistung) einverständlich abgelöst. Sobald eine
Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten oder Gentilen üblich und im
Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild erstellten festen Kataloges
von Vergleichssätzen (fester Metallwert oder vielfacher Sachwert) verbindlich
wird, dient der Zugriff auf die Person des Verursachers nicht mehr der
unmittelbaren Vergeltung, sondern wohl der mittelbaren Erzwingung der Leistung.
Seine Zulässigkeit entfällt mit der Leistung, zu welcher der Verursacher aber
anfangs nicht verpflichtet ist. Später tritt die Befreiung von der Haftung
durch Leistung immer stärker in den Vordergrund, so dass allmählich eine
Verpflichtung zur Leistung entsteht, welche die ursprüngliche Haftung mehr und
mehr in den Hintergrund drängt. Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft
möglich, durch das jemand sich zur Haftung verpflichtet, wobei die Leistung
bald wichtiger wird als die Haftung. Im weiteren Verlauf werden zahlreiche
verschiedene Obligationen entwickelt (Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt,
Quasidelikt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Watson, A., The Law of Obligations,
1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The
Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999
Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die auf (lat.) ius (N.)
civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis ausgestaltete -> obligatio.
Lit.: Kaser § 33
II; Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1992
obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag
Lit.: Kaser § 38 I
obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit
aus Delikt
Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I
obligatio (F.) ex variis
causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit
aus verschiedenen Gründen
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62
Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die erst vom Prätor oder
Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 33
I
Obligation ist die aus der römischen (lat.) -> obligatio (F.)
entwickelte Verbindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im
Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen
Schuldverhältnissen verbunden.
Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J.,
Die Obligation, 1856; Roussier, J., Le fondement de l’obligation, Thèse Paris
1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393 ; Hartung, G.,
Die Naturrechtsdebatte, 1998, 2. A. 1999
Obligationenrecht ist das im 19. Jh. zunehmend als besonderes Rechtsgebiet
erkannte Schuldrecht. In der -> Schweiz ist das O. mit Einschluss der
Gesellschaften und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz vom 30. 11. 1911,
das den fünften Teil des Zivilgesetzbuches bildet, geregelt.
Lit.: Kaser §§
32ff.; Köbler, DRG 182, 184, 229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd.
1f. 1851ff.; Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H.
u. a., 1982; Das Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984;
Anhäuser, V., Das internationale Obligationenrecht in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, 1986; Handels- und obligationenrechtliche
Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht,
2. A. 2004
obligatio (F.) quasi ex
contractu (lat.) Verbindlichkeit aus
vertragsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62
obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus deliktsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38
I 2; Köbler DRG 62
Obligatio (F.) re, verbis,
litteris, consensu contracta (lat.) ist die
römische Bezeichnung für eine Verbindlichkeit aus Realvertrag, Verbalvertrag,
Litteralvertrag oder Konsensualvertrag, wobei das beurkundete Darlehen im
nachklassischen römischen Recht als (lat.) obligatio (F.) re et verbis
aufgefasst wird.
Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2
Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh. bestimmende Bezeichnung für
den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht die Untertänigkeit. Der O.
steht das Recht zu, durch Gebote die gute -> Polizei bzw. -> Ordnung zu
sichern.
Lit.: Naujoks,
E., Ordnungsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit,
D., Gesetzgebung und Recht, in: Zum römischen und neuzeitlichen
Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v.,
Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997
obsequium (lat. [N.]) Nachgiebigkeit, Gehorsam
Lit.: Kroeschell,
DRG 1
Observanz ist das örtlich oder persönlich (z. B. Orden) begrenzte
Gewohnheitsrecht.
Lit.: Petersen,
R., Die Observanz, Diss. jur. Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der
consuetudo, Hist. Jb. 89 (1969), 337
obstagium (lat. [N.]) -> Einlager
Occupatio (lat. [F.]) ist die schon dem altrömischen Recht bekannte
-> Aneignung einer von Anfang an oder durch Eigentumsaufgabe herrenlosen
Sache.
Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40
Ochsenfurt
Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt, 1972
Ockham, Wilhelm (von) (Occam/Surrey 1280/1285-München 9./10.
April 1347 [Sterbedatum ungewiss]) wird nach dem Studium der Theologie in
Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig dem Bayern. Neben vielen
Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.) Dialogus (M.) de
potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche und päpstliche
Gewalt) zugunsten des Kaisers.
Lit.: Köbler,
DRG 107; Heinen, E., Reich und Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn
1955; Kölmel, W., Wilhelm Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur Sozialphilosophie,
1969; Wilhelm von Ockham, Texte zur politischen Theorie, hg. v. Miethke, J.,
1995; Leppin, V., Wilhelm von Ockham, 2003
odal (an.) Erbgut, Gut, Heimat
Lit.: Behaghel,
O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss. München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W.,
Früher Adel, 1973, 116, 155; Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie,
1991, 49
Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12.
1265 oder 1264) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini)
wohl 1231 Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen, Quaestiones,
Gutachten und Monographien.
Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, in: Azzi e
memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di Costanza 1183,
1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Odowakar (um 433-493) ist ein germanischer (skirischer)
Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der Absetzung des Romulus Augustulus das
weströmische Reich beendet.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50,
67; Chastagnol, A., Le senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das
Ende des Kaisertums, 1967, 149
Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein in
deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch
wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes
Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln
(Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel, zum
Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche
Städte in Ungarn verliehen.
Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959; Kubinyi,
A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi, K.,
Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der Stadt
Ofen), hg. v. Blazovich, L-. u. a., 2001
Offene Handelsgesellschaft ist die Handelsgesellschaft mit unbeschränkter Haftung
aller Gesellschafter. Sie erscheint in der hochmittelalterlichen Stadt und
bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217; Rehme,
P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler
Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die
Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984
Offenes Haus ist das einem anderen zur (kriegerischen) Benutzung
offenstehende Haus. -> Öffnungsrecht
Lit.: Pfeiffer,
G., Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153
Öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der Staatsdienst.
Lit.: Hattenhauer,
H., Geschichte des Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken
totalitärer Herrschaft, 1988
Öffentlicher Glaube ist das Vertrauen der Allgemeinheit in ein öffentliches
Register (z. B. Grundbuch, Handelsregister). Anfangs gewähren diese Register
nur einen Beweisvorteil im Streit um Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh.
(Preußen 1783) ermöglichen sie allmählich den gutgläubigen Erwerb vom
Nichtberechtigten (um 1870).
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Bd.
II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz
und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbes, 1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobilienrecht, 1978
Öffentliches Recht sind alle Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder
Verpflichteter ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt (z. B. Staat,
Gemeinde) in seiner Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen Recht zählen
etwa Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und Strafrecht. Seinen
Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht und öffentliches
Recht im römischen Altertum, in dem nach einer -> Ulpian zugeschriebenen
Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen Gemeinwesens betrifft
(lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist zwar dem Mittelalter
bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung. Erst um das Jahr 1600
findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.] publicum) als besonderes
Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten bekannten Vertreter des
selbständigen Staatsrechts (Reichsstaatsrechts) sind (-> Bodin
[1530-1596],) -> Limnaeus (1592-1663) und -> Pufendorf (1632-1694). Seit
Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche dogmatische Trennung von
öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen Fürstentums) und privatem Recht
(Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich. Innerhalb des öffentlichen Rechts
entwickelt sich im 19. Jh. das -> Verwaltungsrecht (Otto -> Mayer).
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852;
Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Bussi,
E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A. 1970; Müllejans,
H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger, M., Öffentliches
Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche Recht im
nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre des
Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung, in:
Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus
publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und Intervention,
2001; Wahl, R., Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche Recht der
letzten fünf Jahrzehnte, 2006
Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs für einen nach Zahl
und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist insbesondere im
Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitionsverfahren seit dem
Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die Ö.
zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen
Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaaten ab 1848).
Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der
Allgemeinheit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im
deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um Gerichtsöffentlichkeit,
1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber, G., Strafgerichtliche
Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der französischen Aufklärung, 1979;
Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, 1983; Körber, E.,
Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel, J., Gerichtsöffentlichkeit,
in: Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998, 71; Das Öffentliche und
Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a., 1998; Zwischen Gotteshaus
und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v., Öffentlich und privat im
Mittelalter, 2004
Öffentlichkeitsgrundsatz -> Öffentlichkeit
Öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines Hoheitsträgers mit einem
Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen Rechts. Er wird im 20.
Jh. anerkannt.
Lit.: Köbler,
DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
officier (M.) civil (franz.) (1787/92) -> Standesbeamter
officium (lat.
[N.]) Amt, Pflicht
officium (N.) pietatis
(lat.) sittliche Pflicht
Lit.: Köbler, DRG 38
Offizial ist
im katholischen Kirchenrecht der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims,
Mainz), allgemein seit 1246 erscheinende, gelehrte Vorsitzende der
bischöflichen Gerichtsbehörde, der als ständiger ordentlicher berufsmäßiger
Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen 1316, Merseburg 1330, Naumburg-Zeitz
1340). Später ist O. ein einfacher Beamtentitel.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
115; Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial,
Diss. jur. Bonn 1972
Offizialat ist
im katholischen Kirchenrecht die bischöfliche Gerichtsbarkeit. -> Offizial
Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die
gelehrte Gerichtsbarkeit der Kirche, in: Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 476;
Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates,
1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil.
Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches
Gericht, 1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001
Offizialmaxime ist
im Prozessrecht der Grundsatz des Amtsprinzips. Die O. erscheint in den
hochmittelalterlichen Städten, in denen der Richter zur Unrechtsverfolgung
verpflichtet wird. Sie gilt im -> Inquisitionsprozess.
Lit.: Köbler, DRG 117, 156
Offizier ist
der Führer einer Anzahl von Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom
bekannt. Danach erscheint er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird
er vom Diener des Fürsten zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz
allmählich durch Bürger zurückgedrängt. Voraussetzung wird ein höherer
Bildungsstand (Abitur), eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer Prüfung.
Lit.: Sossidi, E., Die
staatsrechtliche Stellung der Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des
deutschen Offiziers, 1964; Demeter, K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A.
1965; Untersuchungen des Offizierskorps, 1962
Öffnung ist
eine frühneuzeitliche Bezeichnung für ein -> Weistum.
Öffnungsrecht ist
seit dem Hochmittelalter das Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes
die Öffnung und die Einräumung der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungsrechts
ist vor allem der Lehnsherr, später der Landesherr. -> offenes Haus
Lit.: Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss.
phil. Tübingen 1967
Ofner,
Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem Rechtsstudium in Prag und Wien
Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für eine soziale Fortentwicklung
des Rechts ein.
Lit.: Brauneder, W., Leseverein und
Rechtskultur, 1992
OGH -> Oberster Gerichtshof
Okkupation (F.) Besetzung
Lit.: Latour-Vogelsang,
Okkupation und Wiederaufbau, 1973
Ökonomie (F.) Wirtschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Marx,
K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859; Söllner, F., Die Geschichte des
ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie des Raumes, 1999; Schefold, B.,
Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004
Ökonomische Analyse
des Rechts ist eine von den Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh.
(1975ff.) übernommene Betrachtungsweise des Rechts, die über die Einbeziehung der
Wirklichkeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Grundlage der
Rechtsordnung zu verändern versucht.
Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen
Rationalität des Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic
Analysis of Law, 1977; Assmann, u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993;
Schäfer, H./Ott, C., Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A.
1995; Eidenmüller, H., Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998
Oktoberdiplom ist
das nach der Niederlage gegen die italienische Einigungsbewegung am 20. 10.
1860 gewährte neue Staatsgrundgesetz in -> Österreich, demzufolge die
Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrates ausgeübt werden
soll. Es will die Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen
Parlamentes umgehen und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in
Ungarn noch in Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am 26. 2. 1861 das
-> Februarpatent.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Oktroi ist die Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19.
Jh. wird O. eine Möglichkeit der Verfassungsgewährung (z. B. Bayern 1808/1818,
Nassau 1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen 1815/1816, Baden
1818, Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Meiningen 1829,
Preußen 1848, Österreich 4. 3. 1849).
Lit.: Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Oktroisystem ist das im frühneuzeitlichen Recht herrschende System der
Verleihung von Rechten durch staatliche Urkunde. Es wirkt sich insbesondere
auch auf die Entstehung juristischer Personen aus. Hier wird es im 19. Jh.
durch das System der Konzession und danach der Normativbestimmungen (1870)
ersetzt.
Lit.: Köbler,
DRG 161, 167, 217
oktroyierte Verfassung -> Oktroi, Verfassung
Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493?-Stockholm 19. 4. 1552) wird nach dem
Theologiestudium in Wittenberg (Melanchthon, Luther) Diakon in Strängnäs, 1524
Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche sowie 1531 (bis 1533)
Kanzler. Er verfasst (43) bedeutende Richterregeln (domarereglerna) (mit 21
Rechtssprichwörtern).
Lit.: Schmidt,
G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966
Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s eine nach der Burg O. an der
Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und 1918 Freistaat wird und 1946
in -> Niedersachsen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das
Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H.,
Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955
(masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur
Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts
von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen
Anwaltschaft, 1977; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, 1985; Geschichte des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u.
a., 3. A. 1988; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989
Oldenburger Bilderhandschrift -> Bilderhandschrift
Oldendorp, Johannes (Hamburg um 1488-Marburg 3. 6. 1567),
Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten
Rechtsstudium in Rostock und Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in
Frankfurt an der Oder, 1521 Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in
Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur
Ausbildung, in denen er früh naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam
ist auch sein Einsatz zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.
Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E., Große
Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und Staatsdenken des
Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966
Oléron ist die vor der französischen Westküste gelegene Insel,
nach der das in den privat aufgezeichneten, durch 30 Handschriften des 14. und
15. Jh.s bezeugten Rôles d’Oléron niedergelegte Seerecht benannt ist. Dieses
weistumsartige Seerecht stammt sowohl aus mittelmeerischen wie auch aus
nordwesteuropäischen Gewohnheiten. Nach Oléron hat es wohl den Namen, weil
dort das vielleicht kurz vor 1286 geschaffene Original der Aufzeichnung
aufbewahrt wurde. Das Seerecht gliedert sich in 24 Artikel und behandelt
Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft, Lotsen und Befrachter. Seit dem 14. Jh.
wirken sich die Rôles d’Oléron an vielen Orten aus ( -> Siete Partidas,
Vonnisse von Damme, hansische Ordinancie, Liber Horn in London, Amsterdamer
Ordonnantie, Seerecht von Visby, Gotlands Waterrecht, Frankreich 1681).
Lit.: Das
Seerecht von Oléron nach der Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H.,
1906; Perels, L., Das Seerecht von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K.,
Ursprung und Wurzeln der Rôles d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles
d’Oléron, 1985
Oligarchie (F.) Herrschaft weniger
Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000
Olmütz an der March westlich des sog. niederen Gesenkes in Mähren
erhält 1351 auf Befehl Kaiser Karls IV. von den Schöffen von Breslau das Recht
Magdeburgs mitgeteilt und wird 1352 als -> Oberhof für alle mährischen Orte
sächsisch-magdeburgischen Rechts bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers
Johann, ab 1430 Stadtbuch des Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30
Städte und 80 kleinere Orte wirkt sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705
aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird nach dem Vorbild Breslaus von dem
Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polansdorf) die Olmützer Gerichtsordnung
schriftlich niedergelegt, die Vogt und Schöffen kennt und vom gelehrten Prozess
nur geringfügig beeinflusst ist. 1569/1576 erhält O. eine Universität (bis
1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet -> Preußen angesichts der Überlegenheit Russlands
in der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die
Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung.
Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855;
Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als
Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25;
Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994),
148; Spáčilová, L./Spáčil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava
z Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004
Olympia
Lit.: Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in
der Antike, 2004; Sinn, U., Das antike Olympia, 2004; Swaddling, J., Die
olympischen Spiele in Athen, 2004
Ombudsmann ist der Mensch, der als Verfassungsorgan den Einzelnen
gegen staatlich-behördliche Rechtsverletzung schützen soll. Der O. erscheint
zuerst im Stadtrecht des Königs -> Magnus Hakonarson (1263-1280) für Bergen
als Bevollmächtigter des Königs. 1809 wird er in Schweden in die Verfassung
aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem
breitet sich die Einrichtung des Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen
(z. B. Volksanwalt, Wehrbeauftragter) weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950,
Deutschland 1957, Dänemark 1962, Großbritannien 1967, Österreich 1977,
Rumänien 1978).
Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes, 1972;
Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat, D.,
The Ombudsmann plan, 1973
Opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen Neuzeit als Strafen verhängte
öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau, Karrenziehen, Schiffsziehen,
Galeerenrudern, Straßenkehren).
Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275;
Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping, H., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen, teilweise später
aufgenommenen Recht die Untersagung fremder Bauführung durch einen
Beeinträchtigten.
Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell,
DRG 2
Opfer ist zunächst die Darbietung einer Sache, dann die Erduldung
eines Übels und schließlich der dadurch Beeinträchtigte. Während sich das
herkömmliche Strafrecht hauptsächlich mit dem Täter und seiner Bestrafung
beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s auch das O. an
Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz in Deutschland den
Staat zur Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens. Zunehmend wird auch ein
Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt.
Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als Opfer der
Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A. 1995
Oppidum (lat. [N.]) Siedlung, Stadt, im Mittelalter auch Dorf.
Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170 bekannten) oppida (N.Pl.) der
Kelten (der Zeitenwende) (z. B. Manching bei Ingolstadt).
Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die gallischen
oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer, W./Schubert, F., Die
Ausgrabungen in Manching, 1970
Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßigkeitsgrundsatz des staatlichen Handelns.
Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die Staatsanwaltschaft darf nach
Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des früheren 19. Jh.s (Preußen 3.
1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13. 5. 1856 u. a.) seit 1877/1879
(§ 152 StPO) nur in bestimmten Grenzen das O. anwenden (anders z. B.
Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).
Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des Legalitätsprinzips, Diss.
jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F., Legalitätsprinzip
und Opportunitätsprinzip heute, in: FS K. Peters 1974, 411
Opposition ist die Gesamtheit der einer Regierung gegenüberstehenden
politischen Kräfte. Die in der ersten Hälfte des 18. Jh.s in England
entwickelte O. ist wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen Demokratie seit
der Mitte des 19. Jh.s.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469;
Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P.,
Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und
Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im
Karolingerreich, 1979
Oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für ein an Vormünder
gerichtetes Verbot des römischen Kaisers Septimius Severus des Jahres 195 n.
Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke eines -> Mündels zu veräußern
oder zu verpfänden.
Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15
Ordal ist die dem vom Altfränkischen beeinflussten Altenglischen
entnommene wissenschaftliche Bezeichnung für das frühmittelalterliche ->
Gottesurteil seit dem 19. Jh.
Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten Wassers
vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; Žontar, J., Ein
Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975),
194
Orden ist die dem römischen Gesellschaftswesen nachgebildete
christliche Menschengemeinschaft und seit dem 17. Jh. das auszeichnende
Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich dabei entweder seit dem frühen 9. Jh.
(Synode von Aachen 816) oder seit dem 12. Jh. (-> Zisterzienser) sprechen.
Im 12. Jh. entstehen geistliche Ritterorden (1190 -> Deutscher Orden) und
weltliche Ritterorden (Kastilien 1158). Nach Gnadenpfennigen des 16. Jh.s
erscheinen militärische Verdienstorden in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das
Recht, O. zu verleihen und zu stiften ist Hoheitsrecht, das seit dem 19. Jh.
zunehmende gesetzliche Regelung erfährt. Der Orden pour le mérite für Wissenschaften
und Künste stammt von 1842.
Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und
Verdienstorden, 1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und
Kongregationen der katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon,
L., British orders and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und
Rittergesellschaften, Diss. phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem
Totenkopf, Bd 1f. 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 80;
Werlech, R., Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche
Orden, 1981; Orden pour le mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v.
Schwaiger, G., 2. A. 1994; Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1997; Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A.
1997; Nimmergut, J., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000; Die
Bettelorden im Aufbau, hg. v. Melville, G. u. a., 1999; Ballweg, J., Konziliare
oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der rote Adlerorden
(1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster, 2002; Orden und
Klöster, hg. v. Jürgensmeier, F. u. a., 2005; Gleba, G., Klöster und Orden im
Mittelalter, 2. A. 2006
Ordenaçoes Afonsinas ist die nach König Alfons V. von Portugal benannte, 1448
bzw. 1454 fertiggestellte Sammlung von Rechtsquellen (königliche Regierung und
Verwaltung 62 Titel, Kleriker, Lehen, Mauren und Juden 123 Titel,
Zivilverfahren 128 Titel, Privatrecht 112 Titel, Strafe 121 Titel).
Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque,
R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa,
2. A.
1996, 195
Ordenaçoes Filipinas ist die Sammlung des portugiesischen Rechts von 1603.
Ordenaçoes Manuelinas ist die Überarbeitung der -> Ordenaçoes Afonsinas unter
König Manuel I. von 1521.
Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 196
Ordensregel ist die die Verhältnisse in einem -> Orden bestimmende,
meist vom Ordensstifter stammende Regel. Sie beruht auf der Gesamtheit der
Erfahrungen des seit dem 4./5. Jh. entstehenden Mönchtums, die Augustinus und
Benedikt von Nursia bereits in Regeln fassen. Von ihnen weichen die
Ordensregeln des 12. Jh.s ab, weswegen das Laterankonzil des Jahres 1212 die
Zahl der zulässigen Ordensregeln auf die Regeln der heiligen Basilius,
Augustinus, Benedikt und Franziskus begrenzt.
Lit.: Holste, L., Codex regularum
monasticarum et canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen
Ordensregeln, 2. A. 1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Handbuch des katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476
Ordensschule ist vor allem seit dem Hochmittelalter die für einen bzw.
von einem -> Orden geführte -> Schule (z. B. der Franziskaner,
Dominikaner usw.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Orderpapier ist das Wertpapier, das zwar eine bestimmte, namentlich
bezeichnete Person als berechtigt benennt, aber den Aussteller auch
verpflichtet, an eine vom Benannten durch -> Indossament bestimmte Person zu
leisten. Orderpapiere finden sich schon seit dem Altertum, werden als besondere
Art der Wertpapiere aber erst im 19. Jh. zusammengefasst. Dazu zählen Wechsel,
Scheck, die Papiere der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363 HGB (1897/1900),
Namensaktie und Reichsbankanteilsschein. Die namengebende Orderklausel
erscheint im 12. Jh. und gelangt über Italien und Frankreich im 17. Jh. nach Deutschland.
Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG
GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd.
1 3. A.) 1891, 385ff., Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen
Orderpapiere, Diss. jur. Berlin 1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur
Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen
Funktion mittelalterlicher Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645
Ordinancie (unde insettinge) ist die Aufzeichnung der von den
niederländischen Hafenstädten im Seehandel angewandten Rechtssätze aus dem Ende
des 14. Jh.s. Ihr liegt die -> Vonnisse von Damme und damit mittelbar die
-> Rôles d’Oléron zugrunde.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. , 1997
Ordinarius (lat. [M.]) ist der ordentliche Universitätsprofessor.
Ursprünglich ist der o. anscheinend der Vorsitzende des Spruchkollegiums einer
Fakultät. Auch nach Abschaffung dieser Einrichtung (1877/1879) bleibt der Name
für den berufenen und zum ordentlichen Professor ernannten Gelehrten erhalten,
tritt aber in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s im Kampf vieler gegen die
Ordinarienuniveristät (1968, „Hinter den Talaren steckt der Muff von 1000
Jahren“) zurück und wird im Zuge der Demokratisierung der Universität als
amtliche Bezeichnung mehr und mehr aufgegeben.
Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny, F.
v., Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834, Neudruck
1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2 1896,
Neudruck 1958, 210
Ordinatio (F.) de
inquisitione consuetudinem facienda ist das
französische Gesetz von 1270, das königliches Verfahrensrecht auch im örtlichen
Gericht anwendbar macht und das mündliche Verfahren teilweise in ein
schriftliches Verfahren umwandelt.
Ordnung ist der geregelte Zustand. Von Vorstellungen des Altertums
und der Christenheit über regelmäßige Abläufe ausgehend besteht bereits im
Frühmittelalter eine O. etwa des Gottesdienstes oder auch der Krönung.
Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert, greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf
das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter wird die Herstellung der O. ganz
allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers, der durch ordnende Vorschriften
für den guten Zustand (-> Polizei) des Gemeinwesens sorgen soll. Von daher
wird die Polizei zur Wahrung von Sicherheit und O. bestimmt. Erst in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass
besondere Ordnungsbehörden entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung
und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche
Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971;
Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W., Deutschlands Ruhe,
Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des Reichshofrates 1550-1766, hg.
v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses,
1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg. v. Fögen, T., 1995; Köbler, G.,
Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a.,
1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche Ordnungsvorstellungen, Ius commune 24
(1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit die Ordnung fand und so die
Prozessordnung entstand, in: Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003; Meyer, C.,
Ordnung durch Ornden, (in) Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. v.
Schneidmüller, B. u.. a., 2006, 304
Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der Entpolizeilichung der
Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die Gesamtheit der die
öffentliche -> Ordnung betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Götz, V.,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971
ordo (lat. [M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge, Aufeinanderfolge,
Ordnung
Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für die
Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, in: Funktion
und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein unbekannter
Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen Normannenreich, DA 60
(2004), 54
Ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der Gemeinderat.
Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58
ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer)
Lit.: Köbler, DRG 32
ordo (M.) iudiciarius (lat.) -> ordo (M.) iudicii (lat.)
Ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte und nach ersten
Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des 11. Jh.s],
Imperator Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus conventionis
[Norditalien?, drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum varietate) seit dem
12. Jh. unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinende Gerichtsordnung bzw.
Prozessordnung (vgl. noch -> Zivilprozessordnung, -> Strafprozessordnung).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form,
1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski.
W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der
Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, in:
Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003
Ordo (M.) iudicii
terre Boemie ist die Privatarbeit der
Mitte des 14. Jh.s, die in der -> Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens
Verwendung findet.
Lit.: Werunsky,
E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98
Ordonnance (lat. [F.] ordinatio) ist das in Frankreich im 12. Jh.
erscheinende königliche oder fürstliche Gesetz. Als älteste o. wird das von
König Ludwig VII. von Frankreich allein aus königlicher Gewalt erlassene (lat.
[N.]) edictum angesehen, in dem 1144 die Verbannung getaufter, aber ins
Judentum zurückgefallener Juden angeordnet wird. Im 13. Jh. nimmt die Zahl der
ordonnances, die der König allein erlassen kann, mit der starken Vermehrung des
Königsgutes (Krondomäne) zu. In der Folge ergehen zahlreiche wichtige
ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände von der Mitwirkung in allen
ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche ordonnances haben besondere Bedeutung
etwa für Normandie, Anjou, Bretagne, Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern.
Lit.: Recueil général des anciennes
lois françaises, hg. v. Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir
législatif en France, 1891; Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.;
Olivier-Martin, F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht,
Gesetz, Ordnung, in: Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93
Ordonnance civile touchant
la réformation de la justice ist das
französische Gesetz von 1667 über die Gerichtsverfassung.
Ordonnance criminelle ist das französische Gesetz von 1670, das die ordonnance
de Villers-Cotterets zu Lasten des Angeklagten abändert.
Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des Jahres 1681, das in fünf
Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la
marine, 1996
Ordonnance de
Montils-les-Tours ist das französische
Gesetz von 1454, das die Sammlung, Aufzeichnung und Überprüfung der ->
coutumes anordnet.
Ordonnance de Orléans ist das französische Gesetz von 1439, das dem König ein
stehendes Heer zugesteht und den kleinen Baronen das Recht der Fehde entzieht.
Ordonnance de
Villers-Cotterets sur le fait de la justice
ist das französische Gesetz von 1539, welches das Verfahren beschleunigt,
weltliche Gerichtsbarkeit und kirchliche Gerichtsbarkeit trennt,
Zivilstandsregister vorsieht, den Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens
macht und Schriftlichkeit und Vertraulichkeit regelt.
Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von 1673 über Kaufleute,
Handelsgeschäfte und Handelsgerichte.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les donations ist das französische Gesetz von 1731 über Schenkungen.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les
testaments ist das französische Gesetz von
1735 über das Testamentsrecht.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances
civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance sur les
substitutions ist das französische Gesetz
von 1747/1748 über die Einsetzung eines Ersatzerben.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance von Paris (Réformation de moeurs dans le Languedoc et le Languedoil)
ist das französische Gesetz von 1254, das die baillis an die örtlichen Rechte
bindet und dem König die Möglichkeit der Änderung vorbehält.
Ordre public (frz.) ist die Gesamtheit der die öffentliche Ordnung
eines Gemeinwesens bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird im 19. Jh. aus dem
französischen Recht als Bezeichnung der älteren guten Ordnung übernommen. Im
internationalen Privatrecht ist ein den o. p. verletzender ausländischer
Rechtssatz nicht anwendbar.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960
Organ ist (in menschliche Gegebenheit auf juristische
Kunstfiguren übertragender Betrachtungsweise) der für eine als solche nicht
handlungsfähige juristische Person (wie ein menschliches Körperorgan) handelnde
Mensch (z. B. handelt der Verein nicht durch einen Vertreter, sondern durch ein
Organ).
Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1978, 519
Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
Lit.:
Leue, N., Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa,
1999
Organklage ist die -> Klage eines -> Organs zur Durchsetzung der
von ihm beanspruchten Rechte gegenüber der umfassenderen Gesamteinheit. Sie
entsteht erst in der jüngeren Vergangenheit.
Organschaft ist die Stellung und Tätigkeit als -> Organ.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I
Oriflamme (F.) ist die Kirchenfahne der Abtei St. Denis bzw.
Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis 15. Jh.
Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de
lis et oriflamme, 1991
originär (ursprünglich)
Orléans -> Kapetinger
Orléans an der Loire geht auf das Cenabum der keltischen Karnuten
zurück. Als Aurelianorum civitas wird es im 4. Jh. Sitz eines Bischofs. 1107
wird es Stadt. Um 1230 erscheint die Möglichkeit eines Rechtsunterrichts in O.
(Jacques de Revigny, Pierre de Belleperche). 1306/1312 erhält es eine bis 1792
bestehende Universität.
Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation
Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d’Orléans,
hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997
Ornat (M.) Festkleidung eines Amtsträgers z. B. Pallium, Soutane,
Talar
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.;
Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963
orphanus (lat. [M.]) Waise
Örsted, Anders Sandoe (Langeland 1778-Kopenhagen 1860),
Apothekerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Kopenhagen Richter, Beamter und
Politiker, der in Kenntnis deutscher Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner)
die Rechtswissenschaft in Dänemark in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog
over den danske og norske Lovkyndighed, 1818ff.).
Lit.: Dahl, F., L’œuvre juridique d’ A. S. Örsted, 1934; Dahl,
F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders Sandoe
Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978
Ort
Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957
Ortsname ist der -> Name einer Siedlung oder geographischen
Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste Überlieferung zurück
(, rund 4600 Namen für 295 Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie
können auch Rechtsverhältnisse widerspiegeln.
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3. A.
1913, Neudruck 1983; Frölich, K., Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G.,
Die bei den antiken Autoren überlieferten geographischen Namen, Diss. phil.
Heidelberg 1950; Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann,
E., Von Gaudingstatt und Hundo (Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E.,
Flurnamen zwischen Rhein und Saar, 1965; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg.
v. Schützeichel, R., 1988; Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993;
Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Glasner,
P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen des Landkreises
Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir, K./Ohainski, U./Udolph,
J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003; Siedlungsnamen im
oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001; Siedlungsnamen im oberfränkischen
Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005; Brandenburgisches Namenbuch, Bd. 1-12;
Index zur Reihe Hydronymia Germaniae, bearb. v. Eggers, E., 2005 (mit CD-ROM);
Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2006; Große
Flüsse auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, bearb. v. Borchers, U.,
2006
Osenbrüggen, Eduard (Uetersen 24. 12. 1809-Zürich 9. 6. 1879) wird
nach dem Studium der Philologie in Leipzig und Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe
der justinianischen Novellen durch Albert/Kriegel und 1843 Professor für
Strafrecht, Rechtsgeschichte und juristische Literatur in Dorpat, 1851 in
Zürich. 1860 veröffentlicht er im Anschluss an Wilda das alemannische
Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863 das Strafrecht der Langobarden.
Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen, KRV
22 (1880), 321
Oslo am Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König von
Norwegen angelegt. 1066/1093 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von
König Christian IV. von Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu
aufgebaut. 1811 erhält es eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt Norwegens.
Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie, Bd. 1
1991
Osmane ist der Angehörige der von Osman I. Ghasi (1258-1326)
begründeten ogusischen Dynastie, deren Sultane vom Beginn des 14. Jh.s bis 1922
ein von der Türkei (Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen (1453 Eroberung
Konstantinopels, 17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien), das seit 1683 an
Bedeutung verliert.
Lit.: Matuz, J.,
Das osmanische Reich, 3. A. 1994;, 4. A. 2004; Palmer, A., Verfall und
Untergang des osmanischen Reiches, 1994; Buchmann, B., Österreich und das
osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S., Geschichte des osmanischen Reichs, 2000;
Kreiser, K., Der osmanische Staat, 2000; Auf den Spuren der Osmanen in der
österreichischen Geschichte, hg. v. Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T.,
Heiliger Kampf oder Landesverteidigung?, 2004; Müller, R., Franken im Osten,
2005; Reinkowski, M., Die Dinge der Ordnung, 2005
Osnabrück an der Hase entwickelt sich aus einer vor 787 gegründeten
Kirche zum Mittelpunkt eines eigenen Bistums. 1630 bis 1633 und) 1974 erhält es
eine Universität.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums
Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht und Verfassung der Stadt Osnabrück,
Onsnabrücker Mitteilungen 65 (1952), 96; Renger, R., Landesherr und Landstände,
1968; Hirschfelder, H., Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die
Osnabrücker Hexenprozesse, Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den,
Beamtenschaft und Territorialstaat, 1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück,
1989; Mercatum et monetam, hg. v. Schlüter, W., 2002
Osse, Melchior von (Ossa 1506/7-Frauenfels 1557), aus niederem
Adel, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534 Professor und
Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig Hofrichter und 1549
bis 1554 Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den frühen Kameralisten. In
seinem „politischen Testament“ beschreibt er eindrucksvoll den Zustand der
Verwaltung zu seiner Zeit und setzt sich für die Bewahrung der überkommenen
Verhältnisse (u. a. [lat.] -> mos [M.] Italicus) ein.
Lit.: Langenn,
F. v., Dr. Melchior von Ossa, 1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v.
Hecker, O., 1922, Weber, P., Die Bedeutung der alten deutschen Kameralisten,
Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H., Politisches Ständetum und landschaftliche
Selbstverwaltung, 1970; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113
Ostarstoufa (ahd. [F.]) ist eine frühmittelalterliche (830-850), zu
Ostern fällige Abgabe.
Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister,
E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946;
Köbler, G., Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994
Ostblock ist die Gesamtheit der seit 1939 bzw. 1945 (bis 1990)
politisch an die Sowjetunion angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen
Staaten (Warschauer Vertragsorganisation 14. Mai 1955-31. Juli 1991 als
Gegenbündnis zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation).
Lit.: Hacker,
J., Der Ostblock, 1983; Umbach, F., Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall
des Warschauer Paktes 1955 bis 1991, 2005
Österreich ist der aus dem südöstlichen Teil des Herzogtums der ->
Bayern erwachsene, seit 1806 verselbständigte, von 1815 bis 1866 mit den
anderen deutschen Staaten im -> Deutschen Bund vereinte und 1919 von
nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom -> Anschluss an ->
Deutschland ferngehaltene Staat. Das Gebiet zwischen mittlerer Donau und Alpen
wird zunächst von Kelten, seit 29/15 v. Chr. von Römern (Noricum, Raetia), seit
etwa 500 von Germanen, dann von Slawen und seit dem 8. Jh. von den Bayern
beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der Donau eine eigene Mark. 976
wird die Mark an die -> Babenberger zu Lehen gegeben. In einer Urkunde
Kaiser Ottos III. vom 1. 11. 996 für das Hochstift Freising wird die seit dem
9. Jh. belegte Bezeichnung ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um
Neuhofen an der Ybbs verwendet. 1139 gibt König Konrad III. zwecks Schwächung
der mächtigen Welfen das Herzogtum Bayern mit Ö. an die Babenberger, doch entzieht
es 1156 der um Ausgleich bemühte Friedrich I. Barbarossa wieder und löst dabei im
-> privilegium minus Ö. aus Bayern heraus und erhebet es zum territorialen
Herzogtum der Babenberger, denen 1192 auch die -> Steiermark anfällt. 1246
sterben die Babenberger aus. Nach dem Sieg über Ottokar von Böhmen, der
zunächst die Nachfolge antritt, belehnt Rudolf von -> Habsburg 1282 seine
Söhne mit Ö., das im 13. Jh. zwei eigene Landrechte erhält, sowie Steiermark
und Krain. 1335 fällt Kärnten, 1363 Tirol, 1368 der Breisgau an das sich im (von
Rudolf IV.) gefälschten -> privilegium maius (1358/1359) selbst zum
Pfalzerzherzogtum erhebende Land des Heiligen Römischen Reiches. 1526 kommen
Böhmen und Ungarn, 1713 italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola,
kurzzeitig Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana) und danach
vor allem polnische und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien, Bukowina,
Westgalizien) sowie am Beginn des 19. Jh.s durch Säkularisierung das Erzstift Salzburg
zur Herrschaft der Habsburger hinzu. 1804 erhebt sich Ö. nach dem Vorbild
Frankreichs innerhalb des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zum
Kaiserreich. 1806 wird es mit dem Ende dieses Reiches selbständig. 1811 gibt es
sich zum 1. 1. 1812 das -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben
seit 1780 geplanter politischer Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph
von Sonnenfels’ Grundsätzen der Polizey, Handlung und Finanz) scheitert 1818
endgültig. 1815 wird Österreich weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797 restituiert.
Im Deutschen Bund (1815-1866) ist es Präsidialmacht. Von 1848 bis 1867 setzt
sich trotz des -> Neoabsolutismus (1851-1860/1861/1867) allmählich der
Verfassungsgedanke durch. Zu dieser Zeit (1851) beträgt die Zahl der Deutschen
innerhalb der Habsburgermonarchie 7870719 Menschen (21,6 Prozent [davon 3,41 %
israelitischer Konfgession] der Gesamtbevölkerung, 1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1859/1866
gehen Gebiete in Italien (Lombardei, Venetien) verloren. 1866 löst sich der
Deutsche Bund auf. 1867 erreicht Ungarn im sog. Ausgleich eine gewisse
Eigenständigkeit. Dem 1871 unter Führung Preußens geschaffenen (zweiten)
Deutschen Reich (Bismarcks) gehört Ö. nicht an (kleindeutsche Lösung). 1878
okkupiert Ö. Bosnien und die Herzegowina. 1895 verabschiedet es eine seit 1898
geltende Zivilprozessordnung mit Jurisdiktionsnorm. 1908 annektiert es Bosnien
und die Herzegowina. Nach der der Ermordung des österreichischen Thronfolgers
(durch Gavrilo Princip) in Sarajewo am 28. 6. 1914 folgenden Kriegserklärung an
Serbien verliert das auf diesen lokalen Krieg unter Inkaufnahme eines
Kontinentalkriegs hinarbeitende Ö. am Ende des ersten Weltkrieges die Gebiete
der -> Tschechoslowakei, -> Ungarns , -> Jugoslawiens und ->
Südtirols und wandelt sich am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht
am 12. November 1918 von der Monarchie zur Republik („Deutschösterreich“). Am
11. 3. 1938 schließt sich Ö. auf Druck des aus Ö. (Braunau) kommenden Adolf
-> Hitler dem Deutschen Reich an (Anschluss). Am 1. 5. 1945 kehrt es,
besetzt von den Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion,
Großbritannien, Frankreich), zur Selbständigkeit zurück. Die Besatzung endet
mit dem Abschluss eines zur -> Neutralität verpflichtenden Staatsvertrags
(15. 5. 1955). 1974 reformiert Ö. das Strafgesetzbuch (mit einheitlicher
Freiheitsstrafe), 1975 die Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied
des Europäischen Wirtschaftsraumes, zum 1. 1. 1995 Mitglied der ->
Europäischen Union. 1999 erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen
Partei Jörg Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Baltl/Kocher; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,969, 2,2,419,
3,2,1775,2699, 3,3,3042,3602,3716,3821,3866,4037,4172; Bidermann, H.,
Geschichte der österreichischen Gesamtstaatsidee, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck
1972; Dopsch, A., Entstehung und Charakter des österreichischen Landrechtes,
Archiv f. österreichische Geschichte 69 (1892); Schwind, E. v./Dopsch, A.,
Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-österreichischen
Erblande im Mittelalter, 1895; Beidtel, J., Geschichte der österreichischen
Staatsverwaltung, 1898; Huber, A., Österreichische Reichsgeschichte, 1895, 2.
A. 1901; Srbik, H. Ritter von, Die Beziehungen von Staat und Kirche in
Österreich während des Mittelalters, 1904; Dopsch, A., Steuerpflicht und
Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Die
landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Fischel,
A., Studien zur österreichischen Reichsgeschichte, 1906; Historischer Atlas der
österreichischen Alpenländer, hg. v. d. kais. Ak. d. Wiss. 1906ff. (mit Erläuterungen);
Stieber, M., Das österreichische Landrecht und die böhmischen Einwirkungen auf
die Reformen König Ottokars in Österreich, 1905; Pribram, Geschichte der
österreichischen Gewerbepolitik, 1907; Bernatzik, E., Die österreichischen
Verfassungsgesetze, 2. A. 1911; Adler, S., Das adelige Landrecht in Nieder- und
Oberösterreich, 1912; Luschin von Ebengreuth, A., Österreichische
Reichsgeschichte des Mittelalters, 2. A. 1914; Steinacker, H., Über die
Entstehung der beiden Fassungen des österreichischen Landrechts, Jahrbuch des
Vereins für Landeskunde von Niederösterreich 1916/1917, 230; Adler, Sigmund,
Die Unterrichtsverfassung Kaiser Leopolds II., 1917; Dopsch, A., Neue
Forschungen über das österreichische Landesrecht, Archiv für österreichische
Geschichte 106 (1918); Luschin von Ebengreuth, A., Grundriss der
österreichischen Reichsgeschichte, 2. A. 1918; Steinacker, H., Zur Frage des
österreichischen Landrechts, MIÖG 39 (1922); Stowasser, O., Zwei Studien zur
österreichischen Verfassungsgeschichte, ZRG GA 44 (1924), 114; Werunsky, E.,
Kritische Bemerkungen zur österreichischen Landrechtsfrage, Archiv für
österreichische Geschichte 110 (1924); Stowasser, O., Das Land und der Herzog
in Bayern und Österreich, 1925; Hoffmann, A., Die oberösterreichischen Städte
und Märkte, Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereins 84 (1932); Ganahl,
H., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts im 13.
Jahrhundert, MIÖG Erg.bd. 13, 1935, 231; Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof-
und Staatsarchivs, hg. v. Bittner, L., Bd. 1ff. 1935ff.; Lechner, K.,
Besiedlungs- und Herrschaftsgeschichte des Waldviertels, Das Waldviertel 7
(1937); Mitteis, H., Zur Geschichte der Rezeption in Österreich, ZRG GA 66
(1948), 524; Stolz, O., Grundriss der österreichischen Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte, (1951); Österreichische Rechts- und Staatswissenschaft
in Selbstdarstellungen, 1952; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in
Österreich und Preußen (1804-1918), 1955; Ebner, H., Von den Edlingern in
Innerösterreich, 1956; Hellbling, E., Österreichische Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte, 1956; Staat und Land, 1957; Burian, P., Die
Nationalitäten in Cisleithanien und das Wahlrecht der Märzrevolution 1848/49,
1962; Thienen-Adlerflycht, C., Graf Leo Thun im Vormärz, 1967; Ebert, K.,
Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, ZRG GA 85 (1968), 104; Winter, E.,
Frühliberalismus in der Donaumonarchie, 1968; Tremel, Wirtschafts- und
Sozialgeschichte Österreichs, 1969; Texte zur österreichischen
Verfassungsgeschichte, hg. v. Fischer, H. u. a., 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften,
hg. v. Gründler, J., 1970; Janák, J.,
Příčiny vzniku předlitavské sociální správy (Die
Entstehungsgründe der zisleithanischen sozialen Verwaltung), 1970; Die
Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Der Anteil der
Bundesländer an der Nationswerdung Österreichs, hg. v. Jambor, W., 1971; Fichtenau,
H., Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert,
1971; Flossmann, U., Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Koller, H., Das
„Königreich“ Österreich, 1972; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Slapnicka,
H., Österreichs Recht außerhalb Österreichs, 1973; Das Nationalitätenproblem in
Östrreich 1848-1918, hg. v. Lehmann, H. u. a., 1973; Ebert, K., Die Anfänge der
modernen Sozialpolitik in Österreich, 1975; Strakosch, H., Privatrechtskodifiaktion
und Staatsbildung in Österreich, 1976; Holl, B., Hofkammerpräsident Gunaker
Thomas Graf Starhemberg und die österreichische Finanzpolitik der Barockzeit,
1976; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte 1976, 2. A. 1980, 3.
A. 1983, 4. A. 1978, 5. A. 1989, 6. A. 1992, 8. A. 2001; Carlen, L.,
Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Forschungen zur
Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 1, hg. v. Rausch, W., 1978; Bibliographische
Einführung in die Rechtsgeschichte, hg. v. Gilissen, J., Teil D/4 Österreich,
bearb. v. Grass, N., 1979; Quarthal, F., Landstände und landständisches
Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Schmitz, G., Die Vorentwürfe Hans
Kelsens für die österreichische Bundesverfassung, 1981; Österreichische
Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh., hg. v. Otruba, G., 1981; Goldinger,
W./Binder, D., Geschichte der Republik Österreich 1918-1938, 1992; Österreichischer
Städteatlas, 1982ff.; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Heindl,
W., Österreich und die deutsche Frage, 1982; Die Rechtsquellen der Freistadt
Rust, hg. v. Berger, M., 1983; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
1983, 2. A. 1992, 3. A. 1996, 4. A. 2001, 5. A. 2001; Zöllner, E., Geschichte
Österreichs, 8. A. 1990; Bibliographie zur Geschichte der Städte Österreichs,
hg. v. Rausch, W., 1984; Österreich 1934-1984, hg. v. Desput, J., 1984; Walter,
R., Die Entstehung des Bundesverfassungsgesetzes 1920, 1984; Österreich im
Europa der Aufklärung, red. v. Plaschka, R. u. a. 1985; Megner, K., Beamte,
1985; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Buzás, J., Zur
Geschichte des österreichisch-ungarischen öffentlich-rechtlichen Verhältnisses,
ZRG GA 102 (1985), 269; Baltl, H., Dr. August Chabert und die österreichische
Rechtsgeschichte, ZRG GA 103 (1986), 276; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen
Zivilverfahrensrechts, 1987; Owerdieck, Reinhard, Parteien und Verfassungsfrage
in Österreich, 1987; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987; Lehner, O.,
Familie – Recht- Politik. Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts
im 19. und 20. Jahrhundert, 1987; Die bevormundete Nation. Österreich und die
Alliierten 1945-1949, hg. v. Bischof, G. u. a., 1988; Lewisch, P., Der Wandel
von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia
bis zum ABGB, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen
Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Bielefeldt, S., Die
deutsch-österreichische Rechtsvereinheitlichung, Diss. jur. Kiel 1989;
Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, bearb. v. Strätz, H., Bd. 1
1990; Österreichs Integration in Europa, hg. v. Hummer, W., 1990; Langer, A.,
Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990; Heindl, W.,
Gehorsame Rebellen, 1991; Die österreichische Rechtsgeschichte, 1991; Schröcksnadl,
T., Die Entstehung des österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur.
Münster 1992; Winkelbauer, T., Und sollen sich die Parteien gütlich miteinander
vertragen, ZRG GA 109 (1992), 129; Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der
ersten Republik - Die Gesetzgebung im Verfassungs- und Strafrecht von
1918-1933, 1992; Hoke, R., Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 1992,
2. A. 1996; Lehner, O., Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte,
1992; Quellensammlung zur österreichischen und deutschen rechtsgeschichte, hg.
v. Hoke, R. u. a., 1993; Hispania – Austria, hg. v. Kohler, A. u. a., 1993; Hanisch,
E., Österreichische Geschichte 1890-1990, 1994; Was heißt Österreich?, hg. v.
Plischka, R. u. a., 2. A. 1995; Österreichische Geschichte, hg. v. Wolfram, H.,
Bd. 1ff. 1994ff.; Wagner, W., Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs,
1995; 75 Jahre Bundesverfassung, red. v. Schefbeck, G., 1995; Hellbling, E.,
Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter,
1996; Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I, hg. v. Brauneder, W., 1996;
Bielefeldt, S., Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die
österreich-ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Mathé, G. u. a., 1996;
Steininger, R./Gehler, M., Österreich im 20. Jahrhundert, Geschichte der
österreichischen Bundesländer, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., Bd. 1f. 1997;
Stimmer, G., Eliten in Österreich, Bd. 1f. 1997; Handbuch des politischen
Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H., 3. A. 1997; Österreichisches Recht in
seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny, E., 1997; Texte zur österreichischen
Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I., 1997; Haider, B., Die Protokolle des
Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 1997; Kocher, G.,
Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Stourzh, G., Um Einheit und
Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K., Verfassungsgeschichte der Republik
Österreich, 1998; Neschwara, C., Die Entwicklung der Advokatur in
Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter
Maximilians I., 1999; Engel, R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz,
1999; Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u.
a., 1999; Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W.,
England als Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19.
Jahrhunderts, FS Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich
1918, 2000; Grenze und Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und
Fremdengesetzgebung in der österreichischen Monarchie 1750-1867, hg. v. Heindl,
W. u. a. 2000; Kolm, E., Die Ambitionen Österreich-Ungarns im Zeitalter des
Hochimperialismus, 2001; Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001; Felder, N., Die historische
Identität der österreichischen Bundesländer, 2002; Lackner, C., Hof und
Herrschaft, 2002; Gehler, M., Der lange Weg nach Europa, Bd. 1f. 2002; Österreichische
Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003;
Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003; Kronenbitter, G., Krieg im
Frieden, 2003; Meissel, Franz-Stefan/Olechowski, Thomas/Gnant, Christoph,
Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen, 2004;
Selles-Ferrando, X., Spanisches Österreich, 2004; Fritsche, M., Entziehungen, 2004; NS-Justiz in
Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004; Wagner, S., Der politische Kodex, 2004;
Wagner, W., Bildatlas der österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Vocelka, K.,
Geschichte Österreichs, 2005; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG
GA 122 (2005), 367; Kulenkampff, A., Österreich und das alte Reich, 2005;
Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monbarch und
Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310;
Wesener, G., Zum juridisch-politischen Studium an österreichischen Lyzeen und
Universitäten, FS Herbert Hausmaninger 2006, 305; Johnston, W., Österreichische
Kultur- und Geistesgeschichte, 4. A. 2006; Telesko, W., Geschichtsraum
Österreich, 2006; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006;
Fischer, R., Österreich im nahen Osten, 2006; Hartmann, G., Für Gott und
Vaterland, 2006; Niederstätter, A., Geschichte Österreichs, 2007
Österreichisches Landrecht ist das in einigen Handschriften des 15. Jh.s
überlieferte, in zwei Fassungen mit 70 bzw. 92 Artikel gegliederte Landrecht
des Herzogtums -> Österreich aus dem 13. Jh. (1237/1298?, um 1230/um 1298?,
1278/1298?). Erfasst werden Landrecht und Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht,
Vormundschaftsrecht, Gewererecht, Erbrecht, Strafrecht und Verfahrensrecht.
Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13. und
14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen
Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur
österreichischen Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110
(1924); Ganahl, K., Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts,
1935; Weltin, M., Das österreichische Landrecht, in: Recht und Schrift im
Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 381
Österreich-Ungarn -> Österreich, Ungarn
Osteuropa ist die Gesamtheit der im Osten gelegenen Staaten Europas
(z. B. Polen, Russland, Weißrussland, Ukraine, Bulgarien, Rumänien).
Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der
deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka Germanie Klaudia
Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H., Vorstufen und Entstehung
des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v., Wesrfalen und Nordosteuropa,
1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Boockmann,
H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W., Ostmitteleuropa, 2.
A. 1993; Geyer, D., Osteuropäische
Geschichte und das Ende der kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese erwacht, hg.
v. Olt, R., 1996; Neue Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v.
Luchterhandt, O., 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a., 1997; Der Osten Europas
im Prozess der Differenzierung, hg. v. Bundesinstitut für ostwissenchaftliche
und internationale Studien, 1997; Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten
Europas, 1998; Entwicklung des Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen
Fakultät der Universität Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg.
v. Roth, H., 1999; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000;
Minderheiten, Regionalbewusstsein und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v.
Löwe, H., 2000; Transformation und historisches Erbe in den Staaten des
europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u. a., 2000; Giaro, T., Westen im
Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis zum zweiten Weltkrieg,
Rechtsgeschichte 2 (2003); Lübke, C., Das östliche Europa, 2004; Schorkowitz,
D., Clio und Natio im östlichen Europa, HZ 279 (2004), 1; Der EU-Beitritt der
Länder Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a., 2004; Küpper, H., Einführung in
die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Mühle, E., Für Volk und deutschen Osten
– Der Historiker Hermann Aubin, 2005; Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien –
Rechtsbewusstsein, hg. v. Krawietz, W. u. a., 2005; Modernisierung durch Transfer
im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg. v. Giaro, T., 2006; Osteuropa in den
Revolutionen von 1848, hg. v. Lambrecht, L., 2006; Modernisierung durch
Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007
Ostfalen ist im Mittelalter (im Gegensatz zu Westfalen und Engern)
der östliche Teil des Siedlungsgebietes der Sachsen (im 11. Jh. die Gegend um
Hildesheim). Ihm entstammt der -> Sachsenspiegel.
Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912;
Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Ostfalen, hg.
v. Stellmacher, D., 2005
Ostfriesland
Lit.: His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen Ostfrieslands,
ZRG GA 57 (1937), 58; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und Anerbenrecht in
Ostfriesland, 1938; Engelberg, G., Ständerechte im Verfassungsstaat, 1979;
Wiemann, H., Materialien zur Geschichte der ostfriesischen Landschaft, 1982;
Kappelhoff, A., Die Münzen Ostfrieslands, 1982; Kappelhoff, B.,
Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft ?, 1982
Ostgalizien -> Galizien
Ostgötalagh ist ein Rechtsbuch des spätmittelalterlichen Rechts der
schwedischen Landschaft Östergötaland und angrenzender Gebiete (u. a. Öland).
Es ist in zwei vollständigen Handschriften (1350, um 1600), einem Druck und
verschiedenen Bruchstücken überliefert. Vielleicht wird es zwischen 1286 und
1303 aufgezeichnet. Es beginnt mit dem Christenrecht, dem Landfriedensrecht,
Eherecht, Erbrecht, Verkehrsrecht, Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die
Gesetzgebungstätigkeit des Königs ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet.
In der Mitte des 14. Jh.s wird das O. in -> Magnus Erikssons Landrecht
(1347) verwertet.
Lit.: Westman, K., De svenska rättskällornas historia, 1912; Strauch,
D., Das Ostgötenrecht, 1971
Ostgote ist der Angehörige eines Teiles des an der Völkerwanderung
beteiligten germanischen Volkes der -> Goten. Vermutlich überliefert das
(lat.) -> Edictum (N.) Theoderici (um 500) Recht der Ostgoten und Römer. Im
Kampf um Rom (551) werden die O. weitgehend aufgerieben.
Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die
Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici,
1967, in: Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der
civilitas im Ostgotenreich, 1995
Ostgötenrecht -> Ostgötalagh
Ostkolonisation -> Ostsiedlung
Ostmark ist zu verschiedenen Zeiten eine Bezeichnung für ein
Grenzgebiet der Deutschen im Osten.
Lit.: Baltl/Kocher;
Pfeifer, H., Die Ostmark, 1941
Ostpreußen ist das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus)
bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die
Ostsiedlung betreibenden -> Deutschen Orden gelangt es 1618 in Personalunion
an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der Kurfürsten
von -> Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs -> Preußen, indem der
Kurfürst sich selbst zum König in Preußen krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird
das Gebiet zur Abgrenzung von Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990 kommt
O. im Norden an die Sowjetunion, im Süden an Polen.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Merinlit, W., Die fridericianische Verwaltung in
Ostpreußen, 1956; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost-
und Westpreußen, bearb. v. Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz
Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v. d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R.,
Ostpreußens Schicksalsjahre 1944-1948, 2000; Kossert, A., Ostpreußen, 2005
Ostrakismus (M.) oder Scherbengericht ist die (vor allem) in Athen seit
dem 5. vorchristlichen Jh. (ca. 486 v. Chr.) nachweisbare Abstimmung der Bürger
durch Tonscherben über die zehnjährige Verbannung eines die politische Ordnung
gefährdenden Bürgers (durch einfache Mehrheit bei mindestens 6000 Beteiligten).
Lit.: Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u. a.,
2002
Ostrom ist die Bezeichung für die östliche Hälfte des römischen
Reiches (293/395) mit der Hauptstadt Konstantinopel (330) bzw. -> Byzanz.
1453 wird das stetig verkleinerte oströmische Reich von den Türken (->
Osmanen) erobert und als im osmanischen Reich aufgegangen betrachtet, wobei der
Sultan erst 1606 zur Anerkennung des westlichen Kaisertums und nur unter dem
Vorbehalt des Vorrangs Byzanzs bereit ist.
Lit.: Köbler,
DRG 50, 76, 95; Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von
565-1453, bearb. v. Dölger, F., Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem
Großen zum Frieden von Zsitva Torok, HZ 279 (2004), 289
Ostrowski, Teodor (1750-1802) wird nach dem Studium der Theologie in
Warschau Geschichts- und Naturrechtsdozent am dortigen Adelskolleg. Er
veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der polnischen
Nation, legt 1786 eine Übersetzung der strafrechtlichen Teile von -> Blackstones
Commentaries on the Law of England vor und beteiligt sich an den Vorbereitungen
zu einem Gesetzbuch -> Polens.
Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor Ostrowski, 1956
Ostsee ist das zwischen Deutschland,
Polen, Russland, den baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten
liegende, im Mittelalter vor allem von der Hanse beherrschte Meer.
Lit.: Mare
Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992; Geschichte und Perspektiven des Rechts
im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a., 2002
Ostsiedlung oder Ostkolonisation ist die hochmittelalterliche
Siedlungsbewegung der Deutschen zwischen Elbe und Weichsel. Sie beginnt im 12.
Jh. und führt etwa 400000 Menschen in die nach der Völkerwanderung von Slawen
besetzen Gebiete. Mit nach Osten genommen wird das deutsche (sächsische,
lübische, magdeburgische) Recht. Eine wirtschaftliche Folge der O. ist die
Entstehung der -> Gutsherrschaft.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 93; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im
Osten, ZRG GA 40 (1919), 275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der
ostdeutschen Kolonisation, 1937; Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen
Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und
Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die Weichsel, 1942; Conrad, H., Die
mittelalterliche Besiedlung des deutschen Ostens und das deutsche Recht,
(1955); Urkunden und Quellen zur deutschen Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v.
Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die Ostsiedlung des Mittelalters als Problem
der europäischen Geschichte, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die
deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und
Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung, Wirtschaft und Verfassung im
Mittelalter, 2003; Ludwig, C., Die nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung
in der Weimarer Republik, 2004; Die bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in
Nordostdeutschland, hg. v. Biermann, F. u. a., 2005
Ostverträge sind die seit 1970 von der sozialliberalen Regierung der
Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen Staaten abgeschlossenen, dem
Ausgleich dienenden Verträge (12. 8. 1970/23. 5. 1972 Moskauer Vertrag mit der
-> Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer Vertrag mit -> Polen, 21. 12.
1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der -> Deutschen Demokratischen
Republik, 1974 Vertrag mit der -> Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976
Rentenvereinbarung mit -> Polen).
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 246
Ottobeuren
Lit.: Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren 764-1460, bearb. v.
Hoffmann, H., 1991
Ottone ist der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen
kommenden deutschen Herrschergeschlechts (919-1024). Sein bedeutendster
Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973). Mit ihm verbindet
sich das ottonische (ottonisch-salische) -> Reichskirchensystem, nach dem
der König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die
Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung
weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit
Grafschaften) und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegenheiten
der Kirche eingreift.
Lit.: Köbler,
DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns
von Querfurt, 1956; Wolf, G., Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von
Schwaben, ZRG GA 80 (1963), 315; Santifaller, L., Zur Geschichte des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die
Thronfolge Ottos des Großen, ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae
regum, 1968; Otto der Große, hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die
Ottonen, 5. A. 2000; Fried, J., Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989; Hlawitschka,
E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993),
149; Görich, K., Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus, 1993; Althoff, G.,
Otto III., 1996; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v.
Althoff, G. u. a., 1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die
Ottonen, 2000, 2. A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le
royaume de Germanie, 1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u.
a., 2000; Keller, H., Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001;
Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H.,
Ottonische Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002
OVG -> Oberverwaltungsgericht
Oxford an der Themse, vielleicht im 8. Jh. begründet, 912 erstmals
erwähnt, ist seit dem 12. Jh. Sitz der ältesten englischen Universität (nach
1139). Von seinen in der Gegenwart etwa 45 Colleges ist das Merton College
(1264) am ältesten, das Christ Church College am größten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Leef, G., Paris und
Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; The History
of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.; Sager, P., Oxford and
Cambridge, 2003
P
Paarformel ist die zweigliedrige, zu einer Einheit verknüpfte
Sprachformel, die durch Stabreim, Endreim, Rhythmus und andere sprachliche
Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus und Hof, Gut und Blut, Mund und Halm).
Nach Jakob -> Grimm gehört die P. zu den ältesten Schichten der von Anfang
an poetisch gehaltenen Rechtssprache. Dies lässt sich bei genauerer
Untersuchung nicht erweisen. Vielmehr lassen sich viele Paarformeln erst spät,
nicht häufig und als nicht besonders bedeutsam nachweisen. Der Gesamtbestand
beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher Herkunft. In der
wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten.
Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift für
geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln, 1961;
Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972;
Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986
Pacht (zu lat. pactum [N.] Vereinbarung) ist der gegenseitige
Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil
(Pächter) den Gebrauch des gepachteten Gegenstandes und den Genuss der Früchte,
soweit sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag
anzusehen sind, während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich
verpflichtet, den vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als
Fall der (lat.) locatio (F.) conductio bekannt. Ihr entsprechen im
Frühmittelalter im Ergebnis die verschiedenen Formen der (bäuerlichen) ->
Leihe von Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie
Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme
des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen.
Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann
die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und
Jagdpacht.
Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582; Kroeschell,
DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete und Pacht,
ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS J. Bärmann,
Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des Landpachtrechts,
ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern,
2002
Pacta (N.Pl.) sunt
servanda (lat.) ist der im
mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte Rechtssatz, nach dem Verträge
grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht anfangs
davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt werden
kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einer bloßen Vereinbarung
entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die
hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den
Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen
nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen
Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der
kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten
auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei.
Lit.: Söllner §
9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6.
A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um
1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1 Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen
Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili,
1975, 100; Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980
pactio (lat. [F.]) Abrede, Vereinbarung
Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als pactio
und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117
Pactum (lat. [N.]) ist seit dem römischen Recht eine Bezeichnung
für die Vereinbarung, für die allgemeine Regeln erst später entwickelt werden.
-> pacta sunt servanda
Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner §§ 8,
9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G., Das
Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996;
Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede
Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38
pactum (N.) de non petendo
(lat.) (formloser) Erlass
Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§ 9, 18
pactum (N.) fiduciae (lat.)
Treuabrede, welche die Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäftes
einschränkt
Lit.: Kaser § 24 II 2, 31
Pactum (N.) legitimum ist die
jüngere Bezeichnung für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte
unentgeltliche Leistungsversprechen (Mitgift, Schenkung).
Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59
pactus (lat. [M.] Nebenform zu pactum) Vereinbarung
Pactus (M.) Alamannorum
(lat.) ist die bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen
Volksrechts (Vereinbarung der Alemannen) von etwa 600 n. Chr.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Köbler DRG 81; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4.
A. 1960
Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des
salfränkischen Rechts) ist die älteste, 65 Titel enthaltende Fassung der Lex
Salica (507/511?).
Lit.: Köbler,
DRG 80, 84; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960;
Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979
Pactus (M.) pro tenore pacis
(Vereinbarung über den Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica
angefügte merowingische Kapitular vermutlich der merowingischen Könige
Childebert I. und Chlothar I. betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen.
Lit.: Capitularia
regum Francorum, hg. v. Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro
tenore pacis, ZRG GA 27 (1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica
und des Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Paderborn an den Quellen der Pader ist wahrscheinlich seit 800 Sitz
eines Bischofs. Von 1614 bis 1819 ist es Sitz einer Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die
Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von
der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und
Bauernuntertänigkeit, 1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325
(Westfälisches Urkunenbuch 9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den
Bischöfen Rethar und Meinwerk (983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur
Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u.
a., Das Erzbistum Paderborn, 1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J.,
1997; Paderborn, hg. v. Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999; Brandt, H. u. a.,
Das Bistum Paderborn im Mittelalter, 2001
Padua westlich von Venedig, seit 1164 Stadtkommune, ist seit 1222
Sitz einer von Bologna abgespalteten Universität. 1405 fällt es an Venedig,
1797 mit diesem an -> Österreich und 1866 an -> Italien.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi
a Padova nel secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Paenitentia (F.) Reue
Lit.: Riechelmann, A., Paenitentia, 2005
Paenitentiale (N.) Cummeani ist die in Irland vielleicht in der ersten
Hälfte des 7. Jh.s von Cummean verfasste Sammlung von Bußsätzen.
Lit.: Kottje, R., Das älteste Zeugnis für das Paenitentiale Cummeani,
DA 61 (2005), 585
Paenitentiale (N.) Theodori (lat.)
ist die in verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem
in Kilikien geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben
wird.
Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen
Bußbücher, in: Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex
and the Penitentials, 1984
pagus (lat. [M.]) Gau
Pairsgericht (lat. iudicum [N.] parium) ist seit dem Mittelalter
(Frankreich 12. Jh.) das -> Ebenbürtigkeit voraussetzende Gericht der
Standesgenossen. -> Magna Charta libertatum
Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die Entstehung der
Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376
Paläographie (F.) Wissenschaft der älteren Handschriften
Lit.: Prou, M.,
Manuel de paléographie latine et française, 1890; Mazal, O., Lehrbuch der
Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die
Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549; Schneider, K.,
Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999
Palatinus ist der Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps
Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen.
-> Pfalz
Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl, C.,
Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.
Palatium
Lit.: Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
Palermo in Nordsizilien wird als Panormus von den Puniern
gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an die Sarazenen,
1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine Universität.
1861 kommt P. zu Italien. -> Panormitanus
Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und erneut beschriebenes
Pergament)
Lit.: Hoeflich, M., Law beyond Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261
Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der griechische Name der
-> Digesten.
Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80; Glück,
C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme, F., Die
Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des heutigen
Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B., Lehrbuch des
Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri Pandectarum,
Bd. 1 2005
Pandektensystem ist die systematische Gliederung des Privatrechtes in
grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht vom Institutionensystem (Personen,
Sachen, Klagansprüche) aus, fasst bestimmte allgemeine Begriffe mit dem
Personenrecht zu einem allgemeinen Teil zusammen und verselbständigt die
schlecht einzugliedernden Materien des Familienrechts und des Erbrechts. Es
wird auf Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (-> Pufendorf, Dabelow,
Nettelbladt) von Gustav -> Hugo (Institutionen des heutigen römischen
Rechts, 1789) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem Grundriss des Systems
des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt,
durch -> Savigny, der ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein
verbreitet und als erstem Gesetz im Privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton
Zürich von 1853ff. aufgenommen..
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42
(1921), 578
Pandektenwissenschaft -> Pandektistik
Pandektistik (Pandektenwissenschaft) ist die Wissenschaft vom römischen
Privatrecht im 19. Jh. Ihre Grundgedanken finden sich bei -> Savigny
(Privatautonomie [Kant], Grundsätze, System, Vorrang der Wissenschaft). Das
Hauptwerk stammt von Georg Friedrich -> Puchta (1798-1846), der darin eine
zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der
Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht
angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung
des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 186, 188, 205; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974;
Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff.
1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen
Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung,
Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W.,
Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die
politische Pandektistik, 1985
Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1. 1360) nachweisbare
Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation)
einem Laien das Recht verleiht, lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt
mit Unterhaltsleistungen versorgt zu werden.
Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der
Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973
Pankarte (lat. [F.] pancarta) ist nach spätantiken Ansätzen seit der
Mitte des 9. Jh.s die frühmittelalterliche Urkunde, mit der nach Verlust von
Urkunden allgemein der bisherige Besitzstand bestätigt wird.
Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im
fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89
Pannonien ist das zwischen Alpen, Donau und Save gelegene, 14-9 v.
Chr. von den Römern unterworfene Gebiet, das in der Völkerwanderung zunächst
von germanischen Stämmen, danach von Awaren bzw. -> Ungarn erobert wird.
Panormitanus (lat. [Adj.]) von Palermo, -> Nikolaus de Tudeschis
Papianus ist die ältere, auf einem Missverständnis der
Zusammengehörigkeit von Stücken von Handschriften beruhende Bezeichnung der
-> Lex Romana Burgundionum.
Papinianus, Aemilius (Afrika ? um 150-Rom 212), vielleicht Schüler
und Nachfolger (als lat. advocatus [M.] fisci) des Cervidius Scaevola, wird
unter dem mit ihm eng befreundeten Kaiser Septimius Severus (193-211) (lat.)
assessor (M.) der Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen Kanzlei (lat.
magister [M.] libellorum) und Gardepräfekt (mit Paulus und Ulpian als
Assessoren). Seine bedeutendsten Werke sind 27 Bücher (lat.) quaestionum
(Fragen) und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten), die durch Kürze,
Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausgezeichnet sind. 212 wird P. von
Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Brudermord lasse sich leichter
begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz von 426 soll bei
Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag geben. In den
Digesten stehen Auszüge aus Schriften des P. so, dass sie den Studierenden des
dritten Jahrganges treffen.
Lit.: Söllner §§
5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 224
Papirius ist ein im Übrigen unbekannter römischer Oberpriester (lat.
[M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.)
ius (N.) Papirianum (Recht des Papirius) veröffentlicht haben soll.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Papirius, Iustus, ist der römische Jurist der zweiten Hälfte des 2.
Jh.s n. Chr., der Entscheidungen, Antworten, Dienstanweisungen und
Festsetzungen (Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern gesammelt haben soll,
von denen 18 Bruchstücke in den Digesten aufgenommen werden.
Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K.
u. a., Bd. 4 1975, 493
Papst ist im katholischen Kirchenrecht der Träger der obersten
Gewalt der Kirche mit Sitz im Vatikan in Rom (Heiliger Stuhl). Der Titel P.
(lat. papa) ist seit der zweiten Hälfte des 4. Jh.s für den Bischof von Rom als
den Nachfolger des Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5. Jh. wird er ihm
allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.) -> Dictatus
(M.) papae, dass der Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe. Als oberster
Hirte der Kirche ist der P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5. Jh.s sieht
der P. sich als eine der beiden nebeneinander stehenden Gewalten. 751 verbindet
sich der karolingische König mit ihm. Infolge der ottonischen Reichskirchenpolitik
und kirchlicher Reformüberlegungen kommt es seit 1073/1075 zum ->
Investiturstreit und weiteren Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und P. Der
in deren Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von Frankreich verbringt den P.
von 1309 bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Luther die Spaltung der Kirche in
Katholiken und Protestanten aus, auf die der P. u. a. mit der ->
Gegenreformation reagiert. Der Abwendung von der Kirche infolge von Aufklärung
und Liberalismus stellt der P. 1869/1870 das Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die
Aufhebung des Kirchenstaates (am 20. 9. 1870) durch das Königreich
->Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten. Gewählt wird der P. im
sog. Konklave von den dazu berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch
nicht vollendet haben dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ.
Erforderlich ist grundsätzlich eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang).
Seit 1389 werden nur Kardinäle gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) ist
seit langem der erste Nichtitaliener.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129; Weyl,
R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und Kirchenrecht
unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter über die
deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. A. 1972; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.; Fritze,
W., Papst und Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des
Heiligen Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen und deutschen
Herrscher mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu Johannes Paul
II., 2. A. 1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter, 1981; Fichtinger,
C., Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Frenz, T., Papsturkunden,2. A. 2000;
Schimmelpfennig, B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Fischer-Wollpert,
R., Lexikon der Päpste, 2. A. 1988; Wucher, A., Von Petrus zu Paul,
1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997; Fuhrmann, H., Die Päpste,
1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen,
hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C., Genealogien zur Papstgeschichte, 1999;
Miethke, J., De potestate papae, 2000; Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei
und ihre Urkundenproduktion (1141-1159), 2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal
letters in the Early Middle Ages, 2001; Das Papsttum in der Welt des 12.
Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002; Hundert Jahre
Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H., Die Päpste,
2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen
Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon der Päpste,
2005; Reinhardt, V., Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia (1431-1503),
2005; Böhmer, J. F., Regesta imperii. Papstregesten, 2006; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
Papyrus ist der aus dem Mark eines Riedgrases (Papyrusstaude) in
Ägypten hergestellte beschreibbare Stoff. Die älteste erhaltene Papyrusrolle
stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 3. Jh. v. Chr. bis zum 7. Jh. n. Chr. werden
in Ägypten zahlreiche, seit dem späten 18. Jh. allmählich in Europa bekannt
werdende Papyrusurkunden hergestellt. Seit dem Frühmittelalter wird P. als
Beschreibstoff von Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr. von Papier verdrängt.
Aus dem Mittelalter sind nur wenig mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten.
Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen
Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2.
A. 1962; Rupprecht, A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Wolff, H., Vorlesungen über juristische
Papyrusurkunde, hg. v. Wolf, J., 1998
Paradies ist nach biblischer Ansicht der Lebensraum des
Menschen zwischen Schöpfung und Sündenfall, in dem das Recht noch keine
tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht bricht.
Lit.: Krauss, H., Das Paradies, 2004
Paragraph (§) ist (das Zeichen für) ein(en) Abschnitt hauptsächlich
eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig (aus c bzw. cc für
[lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?).
Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W.,
Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22 (1966),
2041; Harder, M., Der Paragraph, in: Tradition und Fortentwicklung im Recht,
hg. v. Slapnicar, K., 1991
Parangaria (lat.[F.]) ist eine mittelalterliche Abgabe.
Parapherna (lat.) sind im spätrömischen Recht Ausstattungsgegenstände.
Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58
Paraveredus (lat.[M.]) (Postnebenpferd) ist eine frühmittelalterliche
Leistungsverpflichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus -
Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55
Parentel ist die von einem Stammelternpaar und deren Abkömmlingen
gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. vom Erblasser, die zweite
von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern usw. Nach einem Teil der
Meinungen ist das Denken in Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht
allerdings die Uneinheitlichkeit der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber.
Systematisch entwickelt sind die Parentelen 1740 von -> Darjes (1717-1791).
In Ablehnung anderer erbrechtlicher Vorstellungen (Vierklassensystem
Justinians, Dreiliniensystem u. a.) bewirken Martini und Horten die Aufnahme
der P. in das österreichische -> Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812.
Auch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und das Schweizer
Zivilgesetzbuch entscheiden sich für die P. Dem entspricht im Ergebnis auch der
amerikanische Uniform Probate Code von 1969/1975.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J., Institutiones
jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens Urverfassung, 1798;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Mertens, H., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche Erbfolge, 1970, 41;
Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973),
149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Parentelensystem -> Parentel
Paris an der Seine, 54 v. Chr. als Lutetia erstmals erwähnt, ist
der Hauptort der keltischen Parisier, den die merowingischen Herrscher der
-> Franken übernehmen. Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987 als Könige
des westfränkischen Reichs wird der Grund für P. als Hauptstadt Frankreichs
gelegt. 1219 wird das wohl kurz zuvor aufgenommene Studium des Rechts in P. vom
Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das Parlament de Paris als Obergericht des
Königs sichtbar. Die coutumes von P. erlangen besondere Bedeutung. Mit dem
Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789 die französische Revolution.
Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de la
France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, Le parlement de Paris, 1901; Gallion,
W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire de la coutume
de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O., La coutume de
Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la région Parisienne,
1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Nève, P., Recent work on the superior
courts, The Irish Jurist, 23 1988, 129; Paris, Genèse d’un paysage, 1989;
Geschichte der Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kouamé, T., Le collège de
Dormans-Beauvais, 2005; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in Paris, 2004
Pariser Edikt ist das unter dem fränkischen König Chlothar II. in Paris
am 18. 10. 614 entstandene Kapitular mit 24 Kapiteln verschiedensten Inhaltes.
Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von 614, 1976
Pariser Übereinkunft ist die völkerrechtliche Übereinkunft zum Schutz des
gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.
Parität (F.) Gleichheit (der Konfessionen)
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963),
261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1973
Parlament ist das dem Besprechen von Angelegenheiten dienende Beratungsgremium,
insbesondere die zur Gesetzgebung berufene Volksvertretung. Das P. findet sich
in England in Anfängen seit 1100, in entwickelter Form seit 1295, in Italien
und Spanien seit der Mitte des 12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm
gehören gewisse -> Stände an. Es befasst sich mit Beilegung von
Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen und Erörterung sonstiger bedeutsamer
Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch Aufklärung und Revolution oder
Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch Indemnität, Immunität und
Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten Volkes (->
Volkssouveränität) zum Zweck der -> Gesetzgebung bzw. umfassenden
politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die Wahlrechtsreform in
England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung gegenüber dem P. wird
im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird auch die Frau über das
Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch -> Ermächtigungsgesetz kann das P.
ausgeschaltet werden.
Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de
Saint-Laurent-lès-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A.,
Medieval Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts,
1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974;
Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H.,
Bd. 1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der
Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum
Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A.,
Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte
der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the
Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch,
M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L’istituzione parlamentare
nel XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung
und parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in
der Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi
costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den
konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004
Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen der westlichen
Besatzungszonen des -> Deutschen Reiches gewähltes Beratungsgremium von 65
Abgeordneten (Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer, Ludwig Bergsträßer, Paul
Binder, Adolf Blomeyer, Heinrich von Brentano, Johannes Brockmann, Paul de
Chapeaurouge, Thomas Dehler, Georg Diederichs, Fritz Eberhard, Adolf Ehlers,
Hermann Fecht, Albert Finck, Andreas Gayk, Otto Heinrich Greve, Rudolf Heiland,
Wilhelm Heile, Hubert Hermans, Theodor Heuss, Anton Hilbert, Fritz Hoch,
Hermann Höpker Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf Katz, Theophil Kaufmann,
Gerhard Kroll, Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet, Robert Lehr, Lambert
Lensing, Fritz Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von Mangoldt, Karl Sigmund
Mayr, Walter Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig, Erich Ollenhauer, Hugo
Paul, Anton Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner, Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter,
Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph
Schönfelder, Josef Schrage, Carl Schröter,
Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm, Kaspar Seibold, Josef Seifried,
Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß, Adolf Süsterhenn, Friedrich
Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene Wessel, Ernst Wirmer,
Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann, Georg August Zinn,
beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter, Otto Suhr) das den
vom Herrenchiemseer Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der
Bundesrepublik Deutschland (-> Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem
Präsidium von Konrad Adenauer überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12
Stimmen annimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der
Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der
Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde
des Menschen ist unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des
parlamentarischen Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange,
E., Gestalter des Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948-1949.
Akten und Protokolle hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff.
Parlamentarisches System ist die politische Gestaltung, bei der die Regierung vom
Vertrauen des -> Parlaments abhängt. Das parlamentarische System zeigt sich
in England 1834/1835, in Deutschland theoretisch seit 1840 und praktisch am 28.
10. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English
Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen
Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A.
1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie,
HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G.,
Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976;
Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne
Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im
Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a.,
1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988;
Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge
des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997
Parlamentarismus -> parlamentarisches System
Lit.: Christern, H., Deutscher
Ständestaat und englischer Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus
und seine Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977; Obenaus,
H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann, K.,
Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus in
Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg 1819-1870,
1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Parlamentarismus
in Europa, hg. v. Recker, M . u. a., 2004
Parlament de Paris -> Parlament, Paris
Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of Paris,
1995
Parma am Nordfuß des Apennins kommt über Etrusker, Römer und
Langobarden an die Franken. Im 12. Jh. erlangt es gewisse Selbständigkeit,
fällt aber 1322 an den päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es Teil des von
Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das 1860
Sardinien-Piemont und 1861 damit -> Italien eingegliedert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia di
Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361
Parömie (F.) Sprichwort,
Regel
parricidium (lat. [N.]) arge Tötung
Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28, 34, 35
pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer Abstimmung), ->
Mehrheit
Parsberg
Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981
Partei ist im Verfassungsrecht die Vereinigung von Bürgern, die
dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf
die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes
im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der Verhältnisse
eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bietet. Im
Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen Rechtsschutz begehrt wird. Im
Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der Gläubiger und der Schuldner. Der
Begriff der P. ist ansatzweise bereits im Altertum vorhanden (lat. [F.]
factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht stehen sich Parteien von Anfang
an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als Übernahme aus dem Altfranzösischen
im Mittelhochdeutschen. In England sind um 1680 Tories und Whigs ne. parties,
in Deutschland 1784. Die politische P., der parteiähnliche Vorläufer (z. B.
Illuminaten) vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche
Leben (England Carlton Club 1832, Deutschland um 1848).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV; Kroeschell,
20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K.,
Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff.
1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche
Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer,
L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A.
1965; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971;
Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die
politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im
Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, in: Recht, Gericht,
Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche,
P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L.,
Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Fenske, H., Deutsche
Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996;
Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25.
A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen
Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die freikonservative
Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001;
Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933
Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens durch eine -> Partei.
Der Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht das Verfahren von Anfang
an. Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom Amtsbetrieb weitgehend
verdrängt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Parteieid ist der von der -> Partei zu leistende Eid. Er ist ein
problematisches Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch findet er sich sowohl im
römischen Recht wie auch im deutschen Recht. -> Reinigungseid
Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, La
testimonianza della parte, 1962; Münks, Vom Parteieid zur Parteivernehmung,
1991
Parteivernehmung ist
das seit 27. 10. 1933 zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im
deutschen Zivilprozess.
Partenreederei ist die -> Reederei, bei der das einzelne Schiff im
anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird im römischen Recht als
(lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter allgemein verbreitet.
Das -> Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt sie sehr ausführlich.
Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend als Innengesellschaft
betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder auftritt. Im Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren Gesellschaftsvermögen ein
Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach festen Quoten bemessen und
grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind. Diese Gesellschaft ist
regelmäßig Außengesellschaft.
Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei, 1973
Partikularismus
Lit.: Rörig, F., Ursachen und Auswirkungen des deutschen
Partikularismus, 1937
Partikularrecht ist das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im
Gegensatz zu einem allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im
fränkischen Reich die verschiedenen Volksrechte nebeneinander. Seit dem
Hochmittelalter werden sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte
und auch Dorfrechte abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den
gemeinen Rechten des Reiches die redlichen, ehrbaren und leidlichen Ordnungen,
Statuten und Gewohnheiten der (ungezählten) Fürstentümer, Herrschaften und
Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das
einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen,
das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen)
Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen
Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine
Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5
Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen
sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P.
im Bereich des bürgerlichen Rechts bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen
Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozessrecht und
Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort.
Lit.: Köbler,
DRG 137; Nahmer, W. v. d., Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff.
1831ff.; Bluhme, F., Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 3.
A. 1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck 1996; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 189;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K.,
Universales und partikulares Recht, in: Vom nationalen zum transnationalen Recht,
hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor
Gericht, 2002
Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige registerfähige Gesellschaft
für die gemeinsame Berufsausübung mehrerer freiberuflich tätiger Menschen (z.
B. Rechtsanwälte).
Lit.: Seibert, Die Partnerschaft, 1994
Partnership Act (1980) ist das das Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des
englischen Rechts.
Partsch, Joseph (Breslau 2. 9. 1882-Berlin 30. 3. 1925), Sohn
eines Geographen, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Genf, Breslau und
Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906 außerordentlicher Professor in Genf, 1910
Professor in Göttingen, 1911 in Freiburg im Breisgau, 1920 in Bonn und 1921
ordentlicher Professor in Berlin. Wissenschaftlich widmet er sich
unterschiedlichen Gegenständen der Rechtsgeschichte des Altertums.
Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA
45 (1925), V
pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe
Pass ist die zum Ausweis eines Menschen bei Einreise, Ausreise
und Aufenthalt im Ausland grundsätzlich erforderliche öffentliche Urkunde. Der
P. ist dem Altertum und dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746 König Ratchis
der Langobarden mit persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit dem
Hochmittelalter gewinnt er mit der Territorialisierung des Rechtes an
Bedeutung. Besonders gefördert wird der P. in Frankreich (1464 passeport für
Briefboten, später auch Soldaten), wo er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang
versehen wird. Seit 1815 ist auch im Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu
England der P. rechtstatsächlich nahezu unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg
herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt die europäische Einigungsbewegung
erneut auf Beseitigung der damit verursachten Einschränkungen hin (u. a.
Abkommen von Schengen). Der Inhaber eines Passes steht im Ausland unter diplomatischem
und konsularischem Schutz. Daneben ist Pass auch der Übergang über ein Gebirge.
Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur
Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche
Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A.
1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und
Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004
Passau
Lit.: Maidhof, A., Das Passauer Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das
Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit,
L., Passau. Das Hochstift, 1978; Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992; Passau
in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999; Knorring, M. v.,
Die Hochstiftspolitik des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm, 2006
Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937) ist einer der Begründer
der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine Rechtstheorie und Marxismus, 1924).
Er vertieft die Ansicht, dass das bürgerliche Recht mit der bürgerlichen
Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss er sich wegen der Notwendigkeit von
Gesetzen auch im Sowjetstaat hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling
beseitigt.
Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich, N.,
Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194
Pataria ist eine in Mailand, Cremona, Piacenza und Brescia im
dritten Viertel des 11. Jh.s bedeutsame religiös-soziale, die Entwicklung zur
Stadtgemeinde beschleunigende Reformbewegung.
Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955;
Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321;
Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, in: Die Frühgeschichte der europäischen
Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und
kommunale Entwicklung, 2001
Pate ist der den kindlichen Täufling der christlichen Kirche
vertretende, neben den Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren Anfängen
wird er seit dem 3. Jh. bedeutsam.
Lit.: Dick, E., Das Pateninstitut, Z. f. kath. Theologie 63
(1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B., Patenschaft und
Adoption, 1991
Patent ist allgemein der offene Brief und seit dem 19. Jh. das
einem Erfinder bzw. dem für ihn wirtschaftlich tätigen Verwerter (z. B. Verleger)
(durch eine solche Urkunde) vom Staat ausschließlich erteilte, zeitlich (auf 20
Jahre) begrenzte Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig zu nutzen. Die ersten
Ansätze hierzu erscheinen im Spätmittelalter (König Edward III. von England
[1327-1377] zugunsten des flämischen Webers Johann Kempe, Venedig 1469).
Seitdem erteilen Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen. In Venedig
begegnet bereits 1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen Zustandes das
erste Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit der Erfindung
voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte Nachahmung
gewährt. 1623/4 lässt das englische Statute of Monopolies zeitlich befristete
Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente zu. In Frankreich wird
nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom -> geistigen
Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in den deutschen
Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Damit wird das
Privilegienwesen endgültig abgelöst. 1903 tritt das Deutsche Reich der Pariser
Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird eine europäische Übereinkunft über die
Erteilung europäischer Patente erreicht, auf deren Grundlage in München 1977
ein europäisches Patentamt errichtet wird.
Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte
des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das
älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M., Erfindungsschutz
und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum
deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Beier, F.,
Gewerbefreiheit und Patentschutz, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das Bergrecht als Ursprung
des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977; Wadle, E., Gewerbliche
Schutzrechte und Unternehmensorganisation, in: Recht und Entwicklung der
Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft, 1998;
Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein Einfluss
auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R., 1999; Gehm,
M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003), 216; Meyer,
S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Seckelmann,
M., Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im deutschen
Reich 1871-1914, 2006
Pater (M.) familias ist im römischen Recht der Hausvater, der über das
eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes usw., die Frau und den
aufgenommenen gewaltfreien Hausfremden die im privaten Bereich bedeutsame
Hausgewalt (lat. potestas [F.]) hat.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60;
Söllner §§ 4, 5, 8, 12; Köbler, DRG 21
Paternalismus
Lit.: Gutmann, T., Paternalismus – eine Tradition deutschen
Rechtsdenkens?, ZRG GA 122 (2005), 150
Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer ungewiss. -> mater semper
certa est
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Patria potestas (lat. [F.]) ist die im altrömischen Recht nahezu
unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) -> pater (M.) familias über Kinder und
Frau (in manu). Sie schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird
sie in dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
allmählich aufgenommen und mit dem heimischen Recht verschmolzen. Das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in unterschiedlicher Ausgestaltung beiden
Eltern die elterliche Gewalt zu.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A., Die
Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern
und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“, FamRZ 27
(1980), 205
Patriarchat ist die von den Anfängen bis in das 20. Jh. erkennbare
Vorrangstellung von Vätern bzw. Männern im Familienrecht im Gegensatz zum ->
Matriarchat und der partnerschaftlichen Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist
P. ein kirchenrechtliches Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von
Antiochia, Alexandria, Jerusalem, Konstantinopel, Rom).
Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur
Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991;
Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991
Patricius (lat. [M.] Väterlicher) ist seit dem frühen 4. Jh. (Kaiser
Konstantin) ein römischer Ehrentitel, der bis zum 12. Jh. begegnet.
Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische
Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil,
W., Der konstantinische Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang-
und Ämterstruktur, 1985
Patrimonialgerichtsbarkeit ist die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde,
dem Gerichtsherrn unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber
Eingesessenen ermöglichende Gerichtsbarkeit des -> Grundherrn, die durch
Verleihung von Gerichtsrechten seitens der Landesherrn zustande kommt. Gegen
sie (1837 in Preußen 6597 Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen
Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimonialgerichten
tätige Juristen, 1849 Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer
(geringfügigen) Kostengünstigkeit der politische Liberalismus des 19. Jh.s.
Nach zahlreichen kleineren Veränderungen (Einführung obergerichtlicher
Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer Unkündbarkeit, Besoldung mit
festem Gehalt, Abschaffung der Kammerjustiz, Eingliederung in den Instanzenzug,
Zunahme der Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Preußen 2. 1. 1849
bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der Grafschaft Schönburg
in Sachsen).
Lit.: Wachsmuth,
C., Versuch einer systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung,
1808; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hofmann, H., Adelige
Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und
Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der
Patrimonialgerichtsbarkeit, 1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen
Gesellschaft, 2001; Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001
patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut
Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36; Köbler, LAW
Patriziat ist die Gesamtheit der Angehörigen der römischen und der
mittelalterlich-städtischen Oberschicht.
Lit.: Roth v.
Schreckenstein, K. Frhr. v., Das Patriziat in den deutschen Städten, 1856,
Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat und Geschlechterherrschaft in der
Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das Breslauer Patriziat, 1929; Klocke,
F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler Erbsälzer, 1965; Deutsches
Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968; Heers, J., La ville au Moyen
Age, 1990
Patrizier ist im altrömischen Recht der Angehörige einer durch
Vermögen und Ansehen gekennzeichneten Familie im Gegensatz zum Plebejer. Seit
dem 16. Jh. versteht man unter P. auch den Angehörigen der eine Oberschicht der
(mittelalterlichen) Stadt bildenden regierenden Familien. Diese Oberschicht
entsteht aus Ministerialen des Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch
aus aufsteigenden Handwerkern. Mit dem Ausgang des Mittelalters ist das ->
Patriziat weitgehend abgeschlossen. Es vermag sich seine Vorrechte bis in das
19. Jh. zu erhalten.
Lit.: Söllner §§
4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in
Nürnberg, 1956; Dreher, A., Das Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966;
Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches
Patriziat, hg. v. Rössler, H., 1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980; Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981
patrocinium (lat. [N.]) Schutzpflicht
Lit.:
Beck, M., Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau,
1933
Patron (lat. [M.] patronus) ist im römischen Recht der Schutzherr
eines Freigelassenen, dem gewisse Rechte auch nach der Freilassung zustehen, im
Kirchenrecht der die Kirche schützende Heilige.
Lit.: Kaser § 4
1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown, P., Die Heiligenverehrung, 1991
Patronat ist die Gesamtheit der Rechte und Pflichten des Schutzherrn
einer meist auf dessen Grund und Boden gebauten
mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf diese. Das P. entsteht im
12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an Kirchen in der kirchlichen
Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die Fürsorge für die Kirche
entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für das vom Bischof verliehene
geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der Kirchenbaulast bis in die
Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris canonici (1917) können neue
Patronate nicht mehr entstehen.
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Wahrmund, L., Das Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Gilgen, H.
zur, Das Patronatsrecht im Kanton Luzern, 1923; Stutz, U., Geschichte des
kirchlichen Benefizialwesens, 3. A. 1972; Landau, P., Jus patronatus, 1975; Church
and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A., Kirchenrecht,
5. A. 1983; Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26 1996,
106
Patrozinium ist im Kirchenrecht seit dem 4. Jh. das Schutzverhältnis
eines Heiligen (z. B. -> Martin) zu einer einzelnen, später meist nach ihm
benannten Kirche. Das P. lässt für quellenarme Zeiten Rückschlüsse auf die Zeit
oder auf andere Umstände der Entstehung einer Kirche zu.
Lit.: Deinhardt,
W., Patrozinienkunde, Hist. Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75
Paulskirche in Frankfurt am Main ist der Ort der deutschen
Nationalversammlung von 1848/9 (18. 5. 1848-28. 4. 1849). Hier wird eine
formelle -> Verfassung beschlossen, die nicht in die Rechtswirklichkeit
umgesetzt zu werden vermag.
Lit.: Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 171; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die
Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955), 359; Die Grundrechtsdiskussion in der
Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Wollstein, G., Das „Großdeutschland“
der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der Paulskirche,
1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Bert,
H./Weege, W., Biographisches Handbuch der Abgeordneten, 1996; Jansen, C., Einheit,
Macht und Freiheit, 1999
Paulskirchenverfasssung ist die von der in der Frankfurter Paulskirche tagenden
verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene Verfassung. Sie enthält
einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der Grundrechte (Reichsbürgerrecht,
Unverletzlichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit,
Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit,
Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentumsschutz, Wohnungsschutz,
Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen
Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser und einen Reichtstag mit Staatenhaus und
Volkshaus vor.
Lit.: Köbler,
DRG 194; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998
Paulus, Iulius (3. Jh. [† 222-235]), ein Schüler des Cervidius
Scaevola, erscheint zuerst als Advokat, dann (neben -> Ulpian) als Assessor
des Gardepräfekten -> Papinianus und als Leiter einer kaiserlichen Kanzlei
und Mitglied des kaiserlichen Rates. Seiner sammelnden, sichtenden und einheitlich
darstellenden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 Büchern zugeschrieben, von
denen Kommentare zum prätorischen Edikt, zu den drei Büchern Zivilrecht des
Sabinus, Responsen und Quaestionen die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen
die sog. -> Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des
Zitiergesetzes (426). Die -> Digesten bestehen zu 1/6 aus Auszügen aus
seinen Werken.
Lit.: Söllner §§
15, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien,
1987; Schmidt-Ott, J., Pauli Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik,
Systematik, Polemik, 2000
Paulus de Castro (1360/13622-1441) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia
(Baldus) und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und Padua. Von
ihm stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele Gutachten.
Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den Consilien Paul de
Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A., La giurisprudenza
consulente e Paolo di Castro, in: Rivista di storia del diritto italiano 61
(1988), 141
Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.]) sind eine im späten 3. Jh.
entstandene, dem Juristen -> Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus
seinen Werken hervorgehende einflussreiche Juristenschrift in fünf Büchern, von
der Bruchstücke vor allem in den -> Digesten Justinians und in der (lat.)
-> Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.
Lit.: Kaser § 2
II 5a; Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser, M./Schwarz,
F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956
Pauperismus ist die Bezeichnung für die im späteren 18. Jh. aus dem
Bevölkerungswachstum bei stagnierender Wirtschaft infolge kräftiger
Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende Verarmung breiter
Bevölkerungsschichten.
Lit.: Köbler,
DRG 135; Matz, K., Pauperismus und Bevölkerung, 1980
Pavia am Tessin wird nach Umbenennung aus Ticinum 572 von den
Langobarden erobert und allmählich zur Hauptstadt des langobardischen Reiches
gemacht. Vielleicht aus einer Schule der freien Künste (825) entwickelt sich
eine spärlich bezeugte Rechtsschule, in der (lat.) -> Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) -> Lombarda (Ende 11. Jh.) und (lat.) Expositio
(F.) ad librum papiensem (um 1100) entstehen, die aber die
rechtswissenschaftliche Tätigkeit in -> Bologna kaum beeinflusst. 1356
gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine Universität errichtet. 1393 werden 1470
überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.) regiminis potestatis Papiensis aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Storia della Università di
Pavia, 1925; Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P., Storia della università di
Pavia, 2. A. 1957; Zorzoli, M., Le tesi legali all’ università di Pavia, 1980; Storia
di Pavia, 1987ff.; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
pax (lat. [F.]) Friede, -> Gottesfriede, Landfriede
pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes
pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil als Schreibvorlage im 12.-14.
Jh.
Lit.: Destrez,
J., La pecia, 1935; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153
Peculium (lat. [N.], Kleintierherde) ist schon im altrömischen Recht
das vom Herrn eines Sklaven diesem zur tatsächlichen Bewirtschaftung
überlassene Sondergut.
Lit.: Kaser §§
11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II, 60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 21; Wesener, G., Peculia – bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut,
in: Iuris vincula Studi in onore di M. Talamanca, 2002, 393
pecunia (lat. [F.]) Geld
Lit.: Kaser § 32
II 2b; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983
peer (engl., zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)
peinlich (zu lat. [F.] poena, Strafe) die Strafe vor allem an Leben
und Leib betreffend
Lit.: Köbler,
DRG 115, 119; Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden
peinlichen Rechts, 1800; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von
Akkusationsprozess und peinlicher Frage, 1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und
peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273
Peinliche Gerichtsordnung
Karls V. -> Constitutio Criminalis
Carolina
Lit.: Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 138, 156, 158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen
Gerichtsordnung Kaiser Karls V., 1929; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288
Peira, Pira (griech. [F.], Erprobung, Unternehmen, Kenntnis) ist
ein zu Beginn des 11. Jh.s entstandenes, aus 75 unsystematischen Titeln
gebildetes praktisches Lehrbuch des byzantinischen Rechtes. Die P. beruht
teilweise auf Gutachten, Urteilen und Abhandlungen des Richters am
byzantinischen Hofgericht Eustathios Rhomaios, die sein Sekretär verarbeitet
(lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani, Praktisches aus den Akten des
Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (-> Harmenopulos) bekannt.
Lit.: Oikonomides,
N., The Peira of Eustathios Rhomaios, in: Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7
1986, 169; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Peloponnes ist die griechische Halbinsel südlich der Landenge von Korinth.
In griechischer Zeit sind Argos, Korinth und Sparta die wichtigsten Orte. 395
n. Chr. wird der P. Teil Ostroms, in der ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er
weitgehend an die Osmanen, gegen die 1821 ein Unabhängigkeitskrieg beginnt.
-> Griechenland
Pene -> lat. (F.) poena
Pension (F.) Ruhegehalt des Beamten, Unterkunft
Pepo (2. Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter
Vorläufer des Irnerius in Bologna.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage, -> Manzipation, mancipatio
Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8
perduellio (lat. [M.]), arger Krieg, ist im altrömischen Recht der mit einer
öffentlichen Strafe belegte Landesverrat bzw. Volksverrat.
Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8
Perestroika (russ.) Umbau (1985-1990 in der Sowjetunion)
Lit.: Kroeschell,
20. Jh.; Modrow, H., Die Perestroika, 1998
Pergament ist die abgeschabte Tierhaut als Beschreibstoff vor allem
im frühen und hohen Mittelalter (ältestes erhaltenes Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.).
Das P. verdrängt den Papyrus und unterliegt seinerseits dem Papier.
Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991
Periculum (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Gefahr der Tragung
eines Verlustes. Insbesondere trägt der Käufer die Gefahr des zufälligen Untergangs
der Kaufsache nach Vertragsabschluss, so dass er zahlen muss, auch wenn er
nichts erhält.
Lit.: Kaser §§
34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV 4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum
emptoris, 1998
Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der Käufer.
Lit.: Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8,
pr.)
Perneder, Andreas (Ried um 1499-München 1543) wird nach dem
Rechtsstudium in Ingolstadt Richter und Rat in München. Sein Versuch eines
großen praktischen Handbuches des geltenden Rechts ist nicht ganz vollendet.
Dazu gehören deutsche (F.Pl.) Institutiones (unter Berücksichtigung des
deutschen allgemeinen Rechts, des bayerischen Landrechts und der
Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg im Breisgau),
Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und schließlich (lat.)
Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis notariae des Rolandus
Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch unterliegen sie
letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur.
Lit.: Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die
Literatur zum gemeinen und partikularen Recht, in: Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 1 1977, 556; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977, 167
Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch von den Juristen des 1.
Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer Verbindlichkeit trotz Unterganges
der geschuldeten bestimmten Sache für den Zeitpunkt der (lat.) litis
contestatio (F.).
Lit.: Kaser § 37
I, II
Perser ist der Angehörige des persisch
sprechenden, aus den Indogermanen hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen
Volks.
Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom
und das Perserreich. 2001; Klinkott, H., Der Satrap, 2005
Person ist, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Seit
neben dem Menschen auch weitere Träger von Rechten und Pflichten anerkannt werden,
entwickelt sich P. zu einem Oberbegriff sowohl des Menschen als der natürlichen
P. wie auch der juristischen P. In diesem Sinn spricht Papst Innozenz IV. 1245
erstmals von einer (lat. [F.]) persona ficta (erdachten P.) der (lat. [F.])
-> universitas, die aber noch keine vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht
der allgemeine Begriff der P.
Lit.: Kaser § 13
I; Hübner; Köbler, DRG 121; Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems,
1962; Watson, A., The Law of Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der
juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v.
Füchtner, H., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person
und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung
der bürgerlichen Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die
Entdeckung der Person, 1993
Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines Menschen zur vorläufigen
Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das Vermögen. Der P. als ein Fall
des -> Arrestes entwickelt sich aus dem Handhaftverfahren. Er wird seit dem
Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart ist der P. statthaft, wenn der
Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung in vorhandenes Vermögen
gefährdet wird.
Lit.: Planitz,
H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses, 1922, 25
Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers,
deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt werden, geführte
gemeinschaftliche Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen Grundsätzen der
Grundbuchführung (-.> Realfolium) die Ausnahme.
Lit.: Hübner 235
Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im Gegensatz beispielsweise
zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz. Das P. gilt im römischen
Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen Römern und Fremden,
zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den Abkömmlingen
unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.) ius (N.)
gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im
Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der -> Volksrechte). Seit dem
12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der ->
Landrechte) abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des internationalen
Privatrechts fort.
Lit.: Kaser § 3
III 2a; Söllner §§ 18, 25; Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., Ètude sur le principe
de la personnalité des lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum
Personalitätsprinzip im antiken Recht, ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U.,
La fine della personalità della legge nel cremonese, Bollettino storico
cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann, S., The Principle of the Personality of
Law, University of Miami Law Review 21 (1966), 259; Köbler, G., Land und
Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2, 30; Guterman, S., The
Principle of the Personality of Law, 1990
Personalkredit ist das personal gesicherte Darlehen. Die Sicherung durch
einen -> Bürgen oder durch -> Einlager reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt
der P. seit dem 19. Jh.
Lit.: Les suretés personelles, Recueils de la société Jean Bodin 29ff. 1971ff.
personal property (N.) Fahrnis, bewegliche Sache
Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person zustehende persönliche
-> Dienstbarkeit im Gegensatz zum Realservitut (Grunddienstbarkeit).
Lit.: Kaser §§
28 I 1, 29 I
Personalunion ist die (zufällige, seit dem 18. Jh. als solche erkannte)
politische Verbindung zweier oder mehrerer monarchischer -> Staaten unter
einem Herrscher (z.B Spanien/Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519-1556,
Sachsen/Polen 1697-1763, Großbritannien/Hannover 1714-1837, Niederlande/Luxemburg
1815-1890, Preußen/Neuenburg 1707-1857). -> Staatslehre
Lit.: Jellinek,
G., Allgemeine Staatslehre, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H.,
Personalunion und Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs
Union mit Preußen, 1932
Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die Person des Schuldners. Sie ist
im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.) -> legisactio (F.) per manus
iniectionem möglich. Sie findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die
Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen Bund und in Österreich
beseitigt.
Lit.: Kaser §§
81 III 1, 85 II 2, 87 I 10; Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff
auf den Schuldner, 2004
Personenname ist der -> Name einer -> Person im Gegensatz z. B.
zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen (einnamig - mehrgliedrig) in den
frühesten Quellen. Sie können rechtlich bedeutsame Aufschlüsse bieten.
Lit.: Förstemann,
E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A.,
Mittelhochdeutsches Namenbuch, 1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch
der altgermanischen Personen- und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht
in Familiennamen, 1925; Leiß, L., Bayerische Familiennamen und
Rechtsgeschichte, 1934, Bach, A., Deutsche Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A.
1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger Namenbuch, 1959; Kaufmann, H.,
Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965; Geuenich, D., Die Personennamen
der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976; Meyerholz, H., Bodenständige Familien
in den Grafschaften Hoya und Diepholz, 1976; Reichert, H., Lexikon der
altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S., Prinzipien germanischer
Personennamengebung, in: Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997, 1;
Personennamen des Mittelalters, hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A.
2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500 Personennamen); Dictionnaire historique
de l’anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg. v. Cano González, A. u.
a., Bd. 1ff. 2003ff.
Personenrecht ist das die -> Person betreffende Recht im Gegensatz
etwa zum -> Sachenrecht (oder zum -> Schuldrecht). Auf der Grundlage der
griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht nach Quintus
Mucius Scaevola vor allem -> Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen (lat.) personae
(F.Pl.) und res (F.Pl.) sowie actiones (F.Pl.). Dem folgt man seit der Aufnahme
des römischen Rechts im Spätmittelalter zunehmend. Erst im -> Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 wird das P. aber einer der drei
Teile der Kodifikation.
Lit.: Mühlpfort,
W., Disputatio de iure personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des
Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E.,
Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999
Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im Kulturkampf die weltliche
Zuständigkeit für das Personenstandswesen durchsetzende Gesetz des Deutschen
Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert, W., Zur
Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97 (1908=, 43
Personenverband ist die zu einer Einheit tendierende Mehrheit von Menschen.
Sie findet sich seit dem Altertum und dem Frühmittelalter. Sie bildet eine
Vorform der -> juristischen Person.
Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266
Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht als (lat. [F.]) ->
iniuria erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 27
Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf Achtung
seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen Besonderheit.
Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen seit längerer
Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ 45,170 zu zwei
Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett) geschützt. 1954 anerkennt der
Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ 13,
334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus (1590),
die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke,
Windscheid) angesehen werden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271;
Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60),
503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht, K.,
Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965; Herrmann,
M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom persönlichen
Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und
Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte,
in: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert, F., Postmortaler Schutz
des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel, D./Lies-Benachib, G., Der
Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines
persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002; Kastl, K., Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, 2004
pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke
Perugia am oberen Tiber beruht auf dem etruskischen Perusia. 1549
kommt es an den Kirchenstaat, mit diesem 1870 an Italien (1861). Es ist Sitz
einer Universität.
Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia, 2. A.
1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I., Herrschaft
durch Verflechtung, 1997
Peterspfennig ist der aus England seit dem 8. Jh. dem Papst als dem
Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe, die im Hochmittelalter und im
Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Polen und Ungarn
entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige Spende der Bistümer.
Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A., 1972, 307; Maschke, E., Der
Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980
Peter von Andlau (Andlau ? um 1420-Basel 5. 3. 1480) wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg und Pavia 1444 Kaplan in Basel und 1460 Professor.
Mit dem 1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea monarchia (De
imperio Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das römische
Reich) verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende
Darstellung des deutschen Staatsrechts. Auf der Grundlage der Bibel, des
gelehrten Rechtes, der Schriften des Jordanus von Osnabrück, des Thomas von
Aquin, Felix Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle
schlägt er Aufnahme des römischen Rechts durch engen Anschluss der Fürsten an
den Kaiser und durch gelehrte Richter vor.
Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de Caesarea
monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter von
Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“, ZRG
GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955; Schubert,
H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und Reich, hg. v.
Müller, R., 1998
Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die Bittschrift an eine
amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein Recht des Parlamentes
gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben kommt schon seit 1689 in England
dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die Regierung, die
Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein
Mittel zur öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das die Reaktion
seit 1819 zu unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht
durchgesetzt.
Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und
Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht
in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur.
Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D.,
Das Petitionsrecht, 1992
petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum])
Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995
Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in Ravenna Heinrich IV.
1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit Hilfe des römischen
Rechts gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch Wahl erlangen müsse.
Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites,
Diss. phil. München 1934, 905
Petrus de Bellapertica (Pierre de
Belleperche) (Lucenay-les-Aix-Jan. 1308) wird
nach dem Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter des
Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler von Frankreich. Überliefert
sind von ihm Vorlesungen, Repetitionen und Distinktionen.
Lit.: Feenstra, R., L’Ecole de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36
Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San Miniato April 1249), Richterssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und 1224 Richter
Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der Konstitutionen von Melfi.
Wahrscheinlich wegen Amtsmissbrauchs wird er im März 1249 geblendet.
Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de
Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de
Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des
Petrus de Vinea, 2002
Petschaft (N.) Siegel
Pfahl ist der festere, längere Holzstock. Pfählen ist im
Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch Durchbohren mit einem
P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für Kindestötung).
Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des
Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige
Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938),
42
Pfahlbürger ist der außerhalb der Stadtmauer lebende, durch die Pfähle
einer Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger der mittelalterlichen Stadt
(1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers beansprucht, entsteht vielfach
Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der Landesherrschaft verschwinden die P.
wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger, Z.
f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger,
Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E., Pfahlbürger,
FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
5. A. 1980
Pfählen ist eine mittels Durchbohrens des menschlichen
Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom Mittelalter zur
Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constiutito Criminals Carolina von 1532) sichtbare
Art der Todesstrafe.
Lit.: Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen
Recht, ZRG GA 26 (1905), 258
Pfalz ist der Palast der Herrschers im Mittelalter. Die P. nimmt
ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf dem in Rom das Haus des Prinzeps
Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) steht. Seit dem Frühmittelalter beherrscht der
fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch Ziehen von P. zu P.
Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation des
palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schaller-Fischer, M., Pfalz und
Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen
Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.;
Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers,
C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002
Pfalz ist das aus dem Herrschaftsgebiet des fränkischen
Pfalzgrafen Lothringens nach der Belehnung Konrads von Staufen durch Kaiser
Friedrich I. (1155/1156) entstehende Land am mittleren Rhein. Nach dem Übergang
an die Wittelsbacher (1214) kommt 1329 die obere P. (Oberpfalz) zwischen
Regensburg und Fichtelgebirge zur P. hinzu. 1945 wird die linksrheinische P.
von Bayern getrennt und mit anderen Gebieten zu -> Rheinland-Pfalz
vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Häusser, L., Geschichte
der rheinischen Pfalz, 1845; Lossen, R., Staat und Kirche in der Pfalz, 1907; Zimmermann,
F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937;
Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T., Das kurpfälzische
Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The government of the Rhine
Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die
Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V., Calvinismus und Territorialstaat,
1970; Press, V., Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz,
Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117 (1977), 31; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Kern, B., Das Pfälzer
Landrecht und die Landesordnung von 1582, ZRG GA 100 (1983), 274; Lillig, K.,
Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat
und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte der Kurpfalz,
1988; Lenz, R., Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M., Das
Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994; Kurpfalz,
hg. v. Schweickert, A., 1997; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Kurpfalz, 2005
Pfalzgraf ist ein Titel im fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter
und in der Frühneuzeit. Zuerst wird ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor
von Tours genannt (577, 587), der vermutlich den Hof des Königs leitet, aber
bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König aufsteigt,
wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und vertritt vor
allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein (vom König
eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme, aus dem sich der P. bei
Rhein zum Landesherrn (der -> Pfalz) und Kurfürsten entwickelt, während die
Stellung und die Rechte der anderen Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend
verlorengehen. Im Reich bleibt lange der -> Hofpfalzgraf.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H. E.,
Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380; Litzel,
M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929), 233; Gerstner,
R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen Pfalzgrafschaft, 1942; Arndt,
J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung
der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der
Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des Pfalzgrafen, 1995
Pfalzgrafen bei Rhein -> Pfalzgraf, Pfalz
Pfand (lat. [N.] pignus) ist schon im römischen Recht die zur
Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im
engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an unbeweglichen Sachen)
ausgeschieden. Am P. besteht das -> Pfandrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74,
91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Reifenberg,
W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft Oppenheim, Gauodernheim, Ingelheim
1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Krämer,
G., Das besitzlose Pfandrecht, 2005
Pfandbrief ist eine festverzinsliche, unkündbare Schuldverschreibung eines
Kreditinstitutes (Pfandbriefanstalt), durch deren Ausgabe dieses sich Mittel
verschafft, die es unter hypothekarischer Sicherung als Darlehen ausgibt. Der
P. beruht auf einer Kabinettsorder König Friedrichs II. von Preußen (1769).
Erst seit der Mitte des 19. Jh.s haftet dabei der Grundstückseigentümer dem
Inhaber des Pfandbriefes nicht mehr. Aus Ausgleich hierfür wird in der Folge
nach französischem Vorbild dem Inhaber ein Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz)
des Kreditinstitutes gewährt.
Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe,
1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte
des Pfandbriefes, in: Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die
Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur.
Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Pfandlehen ist das seit dem 12. Jh. sichtbare, in der Zulässigkeit
umstrittene Lehen eines Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger eine Sache nicht
nur als Pfand, sondern zugleich als Lehen erhält.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung, 1978, 230
Pfandleihunternehmer ist der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig Darlehen gegen
Verpfändung beweglicher Gebrauchsgegenstände gibt. Im Mittelalter betreiben
die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen Pfandleihbanken
(Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh. gesetzlich
geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der
Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank).
Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private Pfandleihe,
1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur. Göttingen
1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929
Pfandrecht ist objektiv die Gesamtheit der für das -> Pfand
geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur Sicherung einer Forderung (z. B.
Rückzahlung eines Darlehens) bestimmte dingliche Recht an einem Gegenstand,
kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, sich aus dem belasteten Grundstand
(vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrömischen Recht ist (bei handgreifbaren
Sachen) die (lat. [F.]) -> mancipatio oder -> in iure cessio (F.) unter
der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere Leistung, bei nicht
handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung des Pfandes (lat.
[N.] pignus) durch später entbehrliche Sachhingabe nötig bzw. möglich. Im
klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim Schuldner, wird das P.
vom Bestand der Forderung abhängig und entstehen Pfandrechte kraft Rechtssatzes
und öffentlicher Einzelanordnung. Vermutlich gibt es auch bei den Germanen ein
P. zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur
Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache. Im
Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden.
Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanzpfand sein,
wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den
Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die
Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden
die nach der tatsächlichen Übertragung gezogenen Nutzungen nicht auf die
Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand ist meist Faustpfand, wobei die
Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch
(evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig
Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechts seit dem
Spätmittelalter entwertet das P., so dass für das Grundpfand besondere ->
Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen 1722) und das
Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und Eintragung bzw.
Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, das
Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose Pfandrechte immer
mehr die Oberhand gewinnen.
Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402, 469;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213; Meibom,
V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche Forschungen,
1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Kapras, J., Das
Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die gesetzlichen Pfandrechte,
Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die Entwicklung des
Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des Pfandrechts, FS H.
Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, Diss. jur.
Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der Pfandrechtstheorie im 19.
Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und
Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum, 1984; Mincke, W., Die
Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die Konvaleszenz von
Pfandrechten, 1987; Repgen, T., Das Vermieterpfandrecht im Kaiserreich, in: Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231
Pfandsatzung -> verpfänden, Pfandrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Pfandschaft ist im Hochmittelalter und Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit die Verpfändung von Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs
1171, seitens der Landesherren 1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis
1628 und seitens der Landesherren bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige
in mehr als 1000 Fällen Reichsgut (Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften,
Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer, Höfe usw.). Die P. gewährt dem Pfandnehmer
Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den Schuldner oder durch die
Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach zur Auslösung nicht in der
Lage.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als
verfasssungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L.,
Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987
Pfändung ist die in der Gegenwart grundsätzlich dem Staat
vorbehaltene Beschlagnahme eines Gegenstands zwecks Sicherung oder Befriedigung
eines Gläubigers wegen einer Geldforderung. Im altrömischen Recht ist die
außergerichtlich, aber förmlich vollzogene private Pfändung (lat. legis actio
[F.] per pignoris capionem) als Ausnahme neben der allgemeinen
Personalvollstreckung möglich. Im Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden
Gegenstände gepfändet und versteigert. Im Frühmittelalter ist die
außergerichtliche P. beweglicher Sachen in den Volksrechten erkennbar. Die P.
zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des Urteils wird aber bald von der
Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Die
Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur Folge. Im Hochmittelalter und
Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt die Vollstreckung durch Büttel
oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von beweglichen Sachen und
Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung durch einen
Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung sehr
unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des
gelehrten Rechts stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im
Deutschen Reich vereinheitlicht wird.
Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867;
Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur. Zürich 1876;
Bayer, W., Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss. jur. Berlin
1899; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M., Das
Pfändungsrecht der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987; Schildt,
B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, in: Recht und Rechtswissenschaft im
mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die
Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz
für Lohneinkommen, 2001; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf
einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351
Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem Hochmittelalter enthaltene
Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei Nichtleistung den Schuldner
ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht in der Neuzeit in der
Unterwerfung unter die sofortige -> Zwangsvollstreckung auf.
Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35 (1914), 41
Pfandverfall ist die Umwandlung des Pfandrechts des Pfandgläubigers in
das Vollrecht (Eigentum) bei Nichtauslösung im Zeitpunkt der Fälligkeit. Der P.
tritt allmählich hinter dem Pfandverkauf zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das
deutsche Pfandrecht, 1867, 248
Pfarrei -> Pfarrer, Pfarrgemeinde
Pfarrer ist der Leiter einer christlichen Gemeinde mit eigener
Kirche. Seit dem Konzil von Reims (630) soll eine Pfarre einen Pfarrer haben.
Der P. spendet anstelle des Bischofs das Taufsakrament, bringt die Eucharistie
dar und erteilt das Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum Herrn des von den
Gemeindeangehörigen zu leistenden Zehnten. In der Folge wird die Stellung des
Pfarrers rechtlich genauer festgelegt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935; Kurze, D.,
Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Arend,
S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003
Pfarrgemeinde ist die von einem -> Pfarrer zu betreuende christliche
Gemeinde. Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht im 5./6. Jh. die
Verpflichtung der P., an den höheren Festtagen den Gottesdienst des Pfarrers zu
besuchen. Die Zugehörigkeit zur P. wird durch den Wohnsitz bestimmt und in der
frühen Neuzeit genau festgelegt.
Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und Tirol
als Markgenossenschaften und Siedlungsverbände, ZRG GA 65 (1947), 234; Grass,
F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A.,
1995
Pfarrkirche ist die planmäßig mit einem -> Pfarrer zu besetzende
Kirche einer Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh. Für ihre Baulast sind
Kirchengut, Patron und Pfarrgemeinde zuständig.
Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993
Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeitsgebiet eines Pfarrers. Der
P. entsteht noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im Frühmittelalter
bilden sich zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh. verfeinert und
verfestigt sich die Einteilung.
Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen
Benefizialwesens, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfeffinger, Johann Friedrich (Straßburg 5. 5. 1667-Lüneburg 27. 8.
1730), Lehrer der Ritterakademie Lüneburg, gibt in der Bearbeitung von
Vitrarius, P., Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen des
öffentlichen Rechts) ein nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen,
Rechte) gegliedertes Handbuch des öffentlichen Rechtes des Heiligen Römischen
Reiches (deutscher Nation).
Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen
Ritterakademien, 1977
Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung eines Rechtes auf
Zollfreiheit (in Frankfurt am Main) seitens des Heiligen Römischen Reiches
(deutscher Nation).
Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum Frankfurter
Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und Pfeifergericht,
Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)
Pfennig (lat. [M.] denarius) ist seit dem Frühmittelalter eine
kleine Münze (264 Pfennige pro Pfund von 327 Gramm, E. 8. Jh. 240 Pfennige pro
Pfund von 367 Gramm, 11. Jh. 320 Pfennige pro Mark, 15. Jh. 1200-1400 Pfennige
pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige pro Mark), die 2002 dem (europäischen) Cent
weicht.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck
1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Pflanzenschutz
Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für Land-
und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen
Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999
Pflegekind ist das auf Grund einer Erlaubnis (des Jugendamtes) von einer
Pflegeperson in Familienpflege aufgenommene Kind. Die Rechtsverhältnisse der
bereits dem römischen Recht bekannten Pflegekinder sind erst in der jüngeren
Vergangenheit stärker verrechtlicht.
Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der Rechtsgeschichte,
1996
Pfleger (lat. [M.] curator) ist der Verwalter einer Angelegenheit.
Im Mittelalter werden beispielsweise der Vormund oder auch ein Amtsträger P.
genannt. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter wird
(lat.) -> curator (M.) durch P. wiedergegeben. Im Zusammenhang damit ist die
Pflegschaft im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein durch das
Vormundschaftsgericht zu begründendes Fürsorgeverhältnis eines Menschen
(Pflegers) für einen anderen (Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen
Angelegenheit.
Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975
Pflegeversicherung ist die in Deutschland durch Gesetz vom 22. 4. 1994 zum 1.
1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für den Pflegefall
Pfleghafter ist der Angehörige eines im Sachsenspiegel (1221/4)
besonders genannten, sonst nur selten (1214, 1219, 1250, Anfang 15. Jh.s)
bezeugten Standes von abgabepflichtigen Freien.
Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435; Molitor,
E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften, ZRG GA 35
(1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916; Molitor, E., Die
Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die Stände der Sachsen,
ZRG GA 76 (1959), 111
Pflegschaft -> Pfleger
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210
Pflicht ist die Anforderung eines bestimmten Verhaltens. Die P. ist
das Gegenstück zu einem (subjektiven) -> Recht und vielfach die Auswirkung
von (objektivem) Recht.
Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in der
Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der
Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973;
Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986;
Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungsproblem, 1988
Pflichtteil ist der unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger am
Nachlass eines Erbteils. Bereits im klassischen römischen Recht engt im 1. Jh.
v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti die
Freiheit des Erblassers ein. Kinder, Eltern und Geschwister eines frei
geborenen Erblassers können nämlich ein Testament anfechten, wenn es gegen die
sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm
nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken
römischen Recht muss nahen Angehörigen (seit Konstantin [306-337] Abkömmlinge,
Vorfahren und durch den Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des
gesetzlichen Erbteils zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen,
kann er das Testament angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das
ihm zustehende Viertel verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier
Kindern auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später
das Pflichtteilsrecht umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch
der P. des römischen Rechts aufgenommen. Das französische und spanische Recht
lassen nur eine beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht
gewährt bedürftigen Angehörigen einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem
Nachlass.
Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38;
Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur.
Leipzig 1912; Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die
gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die
Rechtswirkungen der lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G.,
Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät
Graz, 1979, 95; Coing, H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes,
Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984, 25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug, 2002
Pflugschar ist der zum Aufreißen der Erde bestimmte Teil des Pfluges.
Das Schreiten über (9) glühende Pflugscharen ist im Mittelalter eine Form des
-> Gottesurteils.
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956
Pfründe ist die einem kirchlichen Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung
aus den Erträgnissen eines Vermögens. Die Verdinglichung des
Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach Ansätzen im Altertum seit dem
Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird die P. zu einer eigenen
(Vorform der) -> juristischen Person (ausgestattetes Kirchenamt).
Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz, U.,
Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002
Pfund (lat. [F.] libra) ist im Mittelalter eine Gewichtseinheit, die
seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze (264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung
findet und in der Lira Italiens (bis 2002) und dem Pfund Großbritanniens
fortlebt.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988
Philipp von Leyden (Leiden 1326/7?-9. 6. 1382) wird nach dem Studium der
freien Künste, Theologie und (1339/4) des Rechts in Orléans 1351/1352
Kanzleimitarbeiter der Grafen von Holland und nach anderen Tätigkeiten 1371
Vikar des Bischofs von Utrecht. In seinem Hauptwerk ([85 „casus“ in] De cura
reipublicae, Von der Pflege des Staates) verwendet er das römische Staatsrecht
zugunsten der Grafen von Holland.
Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck 1952,
249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of Leyden,
1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of Leyden en
zijn bibliotheek, 1994
Phillipe de Beaumanoir -> Beaumanoir
Phillips, George (Königsberg 6. 1. 1804-Aigen bei Salzburg 6. 9.
1872), englisch-schottischer Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin
(Savigny) und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher Professor in Berlin,
1834 Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in Wien. Er
veröffentlicht eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein gemeines
deutsches Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845) und ein
siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.).
Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970, 160
Philosophie ist die gedankliche Beschäftigung des Menschen mit dem
Sein. Als rationale Bemühung um Orientierung durch Theorie wird sie zuerst im
griechischen Altertum (Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Heraklit,
Parmenides, Melissos, Zenon, Empedokles, Anaxagoras, Sokrates, Plato,
Aristoteles) sichtbar. Seit der Neuzeit verselbständigen sich aus der P.
besondere Fachwissenschaften. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der
Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht aufgebrauchten Bedeutung neu
verstehender und damit hermeneutisierender Philosophiegeschichte sehr stark an
und sinkt dementsprechend in Ethik und Naturrecht. Eine Unterart der P. ist die
-> Rechtsphilosophie.
Lit.: Maurach, G., Geschichte der römischen Philosophie, 2.
A. 1997; Philosophische Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge
History of Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998;
Schneider, U., Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine
kurze Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der
Philosophie, 2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens.
Heraklit – Parmenides – Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe griechische
Philosophie, hg. v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen
von Recht und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u.
a., 2001; Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A. 2001; Hirschberger,
J., Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken im Mittelalter,
2003; Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd. 1ff. 2003;
Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der Antike, 2005;
Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, 2005;
Philosophie, hg. v. Papineau, D., 2006
Phönizier ist der Angehörige eines zwischen 1500 v. Chr. und 300 v.
Chr. am östlichen Mittelmeerufer sichtbaren Volks. Vermutlich entwickeln die P.
die Buchstabenschrift. Handeltreibend erreichen sie wohl England und umschiffen
vielleicht Afrika. Als Punier erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie
von den Römern in den punischen Kriegen (Hannibal) besiegt und eingegliedert
werden.
Lit.: Markoe, G., Die Phönizier, 2003
Physiokrat -> Physiokratismus
Physiokratismus ist die wirtschaftspolitische Strömung des 18. Jh.s
(François Quesnay 1694-1774), die den Boden als eigentliche Quelle des
Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten Berufszweig erklärt, zur
Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am bewirtschafteten Land
befürwortet und sich später gegen die zunehmenden Eingriffe des Staates, die
eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der allgemeinen Versorgung und
dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtgesellschaft anstreben,
wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet, bewirkt er
kaum praktische Veränderungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG 133,
134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An
inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François
Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984),
205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994
Piacenza -> Parma
Lit.: Zumhagen, O., Religiöse
Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Piast ist der Angehörige einer sich auf einen Bauern Piast aus
Kruschwitz zurückführenden, geschichtlich am Ende des 10. Jh.s nachweisbaren
Familie, die unter Boleslaw I. Chrobry ihre Herrschaft von Kiew bis zur Mark
Meißen ausdehnt. Ihre polnische, seit 1320 königliche Linie wird 1370 von den
Jagiellonen beerbt. Die herzögliche Linie in Massowien erlischt 1526, die
schlesische 1625/1675.
Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow,
1895; Jasinski, K., Rodowod pierwszych Piastow, 1992
Picard, Edmond-Désiré (Brüssel 1836-1924), Juristensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Brüssel Advokat, 1884 Professor und Politiker. 1878
gründet er die 136 Bände umfassende Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges.
Beeinflusst ist er von Rudolf von -> Ihering.
Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré
Picard, 1945
Piccolomini, Enea Silvio
Lit. : Meusel, A., Enea Silvio
als Publizist, 1905; Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco
Patrizi, 1936; Kallen, G., Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939;
Kisch, G., Enea Silvio Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967
Piemont ist das Gebiet der westlichen
Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem
frühen 18. Jh. benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm
entwickelt sich 1859/1861 das Königreich Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le
costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146,
3,1,264; Nada Patrone, A., Il medioevo in Piemonte, 1986; Tabacco, G., Piemonte
medievale, 1985
pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten, Frömmigkeit
Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer Begriff,
Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958; Frömmigkeit im
Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002; Geschichte des Pietismus, hg. v.
Brecht, M. u. a., 2004
Pignus (lat. [N.]) ist schon im altrömischen Recht das ->
Pfand. Die Hingabe einer Sache zur Sicherung einer Schuld geschieht bei
handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.]) -> mancipatio oder (lat. [F.]) ->
in iure cessio unter der Bestimmung, dass die hingegebene Sache gegen eine
spätere Leistung zurückzuübertragen ist. Bei nicht handgreifbaren Sachen ist
vermutlich eine formlose Bestellung eines Pfandes (p.) durch später entbehrlich
werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt die Auslösung, so behält der
Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen römischen Recht ist p. ein
Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird unter der Abrede, dass der
Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach dem Verhalten der Gegenseite
verwerten oder zurückgeben soll.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18; Köbler, DRG
26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus Gordianum,
ZRG RA 114 (1997), 233
Pilius (da Medicina), Pillius (Medicina um 1150-nach 1207) ist um
1180 Rechtslehrer in (Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs
VI. Er verfasst zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber
[M.] feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen,
Distinktionen, Einzeluntersuchungen).
Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974;
Santini, G., Università e società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres libri
Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Pillersdorf (Pillersdorff), Franz Xaver von (1786-1862) ist 1848 Innenminister
->Österreichs. Nach ihm wird vielfach die erste, in seiner Amtszeit
erarbeitete österreichische Verfassung benannt.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193
Pillersdorfsche Verfassung (Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister
benannte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von -> Österreich für die
nichtungarischen Länder gewährte Verfassung. Sie kennt Gewaltenteilung,
Gegenzeichnung der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen
Minister, Reichstag bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer sowie einen
Grundrechtskatalog. Auf Forderungen von Demonstranten hin wird sie abgeändert
(Einkammersystem ohne Steuerzensus) bzw. nach der Erhebung vom 15. 9. 1848
zurückgezogen. Inhaltlich entspricht ihr der ihr zeitlich folgende, vom
österreichischen Reichstag in Kremsier erarbeitete, aber auf dem Grundsatz der
Volkssouveränität aufbauende -> Kremsierer Entwurf.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171,
193
Pillius -> Pilius
pincerna (lat. [M.]) Schenk
Lit.: Köbler, DRG 83
Pippin ist der Leitname der austrasischen Hausmeier des
merowingischen Königs bzw. der karolingischen Könige. Nach Pippin dem Jüngeren
(714/715-24. 9. 768) ist die pippinische Schenkung benannt.
Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger 1992,
50
Pippinische Schenkung ist die an die päpstliche Salbung (751?, 754)
anschließende „Gabe“ (Rückgabe) des fränkischen Königs Pippin des Jüngeren an
Papst Stephan II. im Jahre 754 (756). Sie umfasst das (von den Langobarden
entzogene) Gebiet von Luni, Parma, Reggio und Mantua bis Monselice, den
Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien, Benevent und Spoleto. Die Überlieferung
der Gabe ist teils lückenhaft, teils unklar. Die p. S. legt, auch wenn sie
nicht vollständig verwirklicht wird, den Grundstein für die Entstehung des
-> Kirchenstaates (Vatikan).
Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen der
Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung des
Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v.
Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J.,
Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter, 1984
Pirckheimer, Willibald (Eichstätt 5. 12. 1470-Nürnberg 22. 12. 1530)
wird nach dem Rechtsstudium in Padua und Pavia Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529
befürwortet er für die Ausgabe der -> Digesten durch Haloander einen Zuschuss
Nürnbergs.
Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris,
Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N.,
Willibald Pirckheimer, 1981
Pisa am unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern an die
Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie Kommune,
fällt aber 1406 an Florenz und 1860/1861 an Italien. Seine Universität wird um
1395 gegründet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa, 1992
Pisanelli, Giuseppe (1812-1879) wird nach dem Rechtsstudium in
Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel und später einer der führenden
Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die 1865 veröffentlichten italienischen
Gesetzbücher für Privatrecht und Zivilprozessrecht maßgeblich.
Lit.: Lettere inedite di Giuseppe
Pisanelli, hg. v. Confessore, O., 1979
Pithou (Pithoeus), Pierre (1539-1596) wird nach dem Rechtsstudium
in Bourges und Valence (Cujas) Anwalt in Paris, Berater und Privatgelehrter,
1573 Amtmann und 1582 Generalprokurator. Er bearbeitet und veröffentlicht
unterschiedliche Quellen (Edictum Theoderici, Leges Visigothorum, 1579, Codex
canonum vetus Ecclesiae Romanae, 1609).
Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre
Pithou, Bd. 1f. 1756
Placentinus (Piacenza 1130?-Montpellier 12. 11. 1192) wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna Lehrer des weltlichen Recht in Mantua, Montpellier
(1163-1184/1185, 1190/1191-1192), Bologna und Piacenza. Er verfasst Summen (z.
B. Summa codicis), Distinktionen, Disputationen, Glossen, Monographien und
Kommentierungen.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts, 2. A.
1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de, Placentinus,
1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Placitum (lat. [N.]) ist im Frühmittelalter der Beschluss und die
ihn fassende Versammlung (Ding).
Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I
placiti del Regnum Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Plädoyer (N.) Schlussvortrag im Strafprozess
plagium (lat. [N.]) Anmaßung des Herrenrechts
Lit.: Köbler, DRG 35
Planck, Gottlieb (Göttingen 24. 6. 1824-20. 5. 1910), Richterssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen und Berlin (Puchta) Richter (1859-1863
infolge der Auflösung des Obergerichts Dannenberg ohne Amt, 1879 Ruhestand) und
Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er von 1874 an den ersten
Teilentwurf des Familienrechts des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900).
Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor in Göttingen.
Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb Planck,
1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur Entstehungsgeschichte des
BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 299;
Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046
Planiol, Marcel (1853-1931) wird nach dem Rechtsstudium Professor
in Grenoble (1880), Rennes (1881) und Paris (1887). Seit 1894 veröffentlicht er
den (franz.) Traité élémentaire de droit civil (Grundriss des bürgerlichen
Rechts), durch den er den -> Code civil erfolgreich in die
gesamtfranzösische Entwicklung einbindet.
Lit.: Marcel Planiol, hg. v.
Berhélemy, H. u. a., 1931
Planitz, Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5. 1882-Wien 16. 1. 1954),
Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Tübingen und
Leipzig (Lamprecht) 1909 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1913
ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main, 1919 in Köln und
1941 in Wien. Seine Arbeiten betreffen vor allem das Vollstreckungsrecht, das
Sachenrecht und die Stadtgeschichte.
Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der Gegenwart in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126
Plantagenet ist die in der Mitte des 12. Jh.s nach dem Ginster (lat.
planta [F.] genista) als Helmzier (oder zum Sichtschutz bei der Jagd) benannte
Familie (-> Anjou), die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs
von England (1128) 1144 das Herzogtum der -> Normandie und 1154 in
Verfolgung eines durch Mathilde von England vermittelten Erbanspruchs das
Königtum in -> England erreicht und einschließlich der Nebenlinien Lancaster
und York bis 1485 herrscht (offizieller Beiname Plantaginet seit 1460 durch
Herzog Richard von York).
Lit.: Fowler,
K., The Age of Plantagenet and Valois, 1967; Lauffray, C./Lauffray, P., Die
Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt, hg. v. Aurell, M., 2000; Berg, D., Die
Anjou-Plantagenets, 2003
Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform (z. B. im
römischen Weltreich, in den neuzeitlichen Kolonien).
Lit.: Köbler, DRG 28
Planwirtschaft ist die vom (zentralstaatlichen) Plan bestimmte Wirtschaft
(z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, seit 1945 in der sowjetischen
Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die Entscheidungsfreiheit
von Unternehmern entfällt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249; Bundesrepublik
Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Lindner,
N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur Marktwirtschaft in
Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der Planwirtschaft, 2002
Plea rolls (engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre 1194 fast
lückenlos erhaltenen Prozessrollen des -> englischen Rechts.
Lit.: Select pleas in manorial and other
seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 4. A. 2002
Plebejer ist im altrömischen Recht der Angehörige des einfachen,
nichtpatrizischen Volkes. Die anfänglichen Unterschiede werden in der Republik
eingeebnet und verschwinden durch jüngere gesellschaftliche Gegensätze.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8
Plebiscitum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht die
Entscheidung der Versammlung der (lat. [F.]) plebs, die als Rechtsquelle
anerkannt ist (287 v. Chr. lex Hortensia). -> Plebiszit
Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15; Köbler,
DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Plebiszit ist in der Neuzeit der Volksentscheid bzw. die
Volksabstimmung. -> plebiscitum
plebs (lat. [F.]) Volk
Plenipotenz (F.) Gewaltenfülle (z. B. des Papstes)
Lit.: Wyduckel,
D., Princeps legibus solutus 1979, 88
plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle
-> Plenipotenz
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Pluralismus ist die Lehre vom Nebeneinander mehrerer Verschiedenheiten.
Mit der Lösung von einer einzigen Einheit ist der P. möglich. Weltanschaulich
gründet sich der P. des ausgehenden 20. Jh.s auf die Aufgabe der Unbedingtheit
der christlichen Tradition in der abendländischen Kultur.
Lit.: Köbler,
DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v. Gilissen, J., 1972; Bast, J.,
Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of Religious Pluralism in Early
Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000
Pluris petitio (lat. [F.]) ist die Zuvielforderung im römischen Recht, die
zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Verfahrensführung nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87
I, II; Köbler, DRG 62
Podestà (M.) Machtinhaber der hochmittelalterlichen Stadt Italiens
Poena (lat. [F.]) ist im altrömischen Recht die
Vermögensleistung, durch die bei einem Unrechtserfolg das Racherecht des
Verletzten oder seiner Verwandtschaft abgelöst werden kann. Dabei soll, wer
einem anderen (nur ?) ein Bein bricht, (nur) die feste und daher bei
Währungsverfall gefährdete Summe von 300 Pfund Kupfer (p.) entrichten, bei
einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem Unrecht 25 Pfund Kupfer. In der
Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens dienende Leistung (lat.) p., damnum,
satisfactio oder compositio. Dagegen bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.) den
Ausgleich eines Unrechtserfolges durch Pferde und Rinder bei den Germanen auch
als p. Seit dem Hochmittelalter ist p. die peinliche Strafe an Leben oder Leib.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I;
Köbler, DRG 26, 27, 65, 74, 119; Köbler, LAW
Poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund hochmittelalterlicher Ansätze
(Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der frühen Neuzeit die der (lat.)
-> Constitutio (F.) Criminalis Carolina von 1532 bekannte Ermessensstrafe
oder auch außerordentliche Strafe (lat. poena extraordinaria). Über die
gesetzlich geregelten Fälle hinaus findet sie Anwendung bei ungeregelten
strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom Galgen) und bei Sonderfällen
geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung wird die p. a. zurückgedrängt (z. B.
Josephinisches Gesetzbuch 1787).
Lit.: Schaffstein, F., Die europäische
Strafrechtswissenschaft, 1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison,
2000
Poena (F.) dupli (lat.) ist im römischen Recht die in bestimmten Fällen
eintretende Verdoppelung einer Schuld (z. B. Leugnen bei Klage aus unerlaubter
Handlung). Verschiedentlich greift späteres Recht hierauf zurück.
Lit.: Köbler, DRG 27
poena (F.)
extraordinaria (lat.) außerordentliche
Strafe -> poena arbitraria
Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3
poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich festgelegte) Strafe
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Poenitentiale -> Paenitentiale
Polen ist ein mitteleuropäischer, von Slawen gebildeter Staat
zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960 sichtbar werden. Im 12. und
13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur wenige Urkunden überliefert (1189 erstes
schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer verschiedener Linien der Piasten.
1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch, Gnesen) und Kleinpolen (Krakau,
Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien sich an Böhmen anschließt und
Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt. Im 14. Jh. erhält das
Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der Familie der ->
Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (-> Litauen). 1772, 1793 und 1795 wird
P. zwischen -> Russland, -> Preußen und -> Österreich aufgeteilt, im
19. Jh. (1807 Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten
durch Napoleon, das 1815 in veränderter Gestalt als Kongresspolen mit Russland
in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen Preußens, Republik Krakau)
aber teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit
ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen,
Posen, Westfalen und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet und
Ostgalizien. 1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion
geteilt, 1945 aber unter Verschiebung nach Westen (1990 Oder/Neiße) und
Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen Mitgliedstaat der
Europäischen Union.-> polnisches Recht
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246;
Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Lord, H., The Second Partition of
Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte,
1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wiślica in polnischer Fassung, 1925; Ptašnik,
J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder, H.,
Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386, 1937; Wojciechowski,
Z., L’état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das älteste polnische
Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Luciński, J.,
(Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E., Grundzüge der
Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,551,
3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745; Rhode, G., Geschichte Polens, 3.
A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of Poland
1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher Städte im
spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des deutschen und des
österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche in Polen, 4. A.
2000; Lityński, A., Der polnische
Reformgedanke in den Jahren des vierjährigen Reichstages (1788-1792),
ZRG GA 108 (1991), 389; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; Schmidt-Roesler,
A., Polen, 1996; Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik Polen, 1996; Schreiner,
P., Königin Richeza, Polen und das Rheinland, 1996; Lerski, G., Historical
Dictionary of Poland, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3 1997; Kempen, B., Die deutsch-polnische Grenze,
1997; Urban, T., Polen, 2. A. 2003; Bingen, D., Die Polenpolitik der Bonner
Republik, 1998; Krzeminski, A., Polen im 20. Jahrhundert, 1998; Hoensch,
Geschichte Polens, 3. A. 1999; Kuehn, H., Das Jahrzehnt der Solidarnosc, 1999; Donnert,
E., Die Adelsrepublik Polen, in: Republikbegriff und Republiken, 2000, 47;
Davies, N., Im Herzen Europas, 2000, 3. A. 2002; Adamska, A., From
memory to written record in the periphery of medieval latinitas - The case of
Poland in the eleventh and twelfth centuries, in: Charters and the Use of the
Written Word in Medieval Society, hg. v. Heidecker, K., 2000; Köbler, G.,
Rechtspolnisch, 2001; Glatz, W., Die
Entwicklung des polnischen Zivilrechts. Darstellung und Bewertung unter dem Aspekt
wirtschaftlichen Wandels, 2001; Wyczanski, A., Polen als Adelsrepublik, 2001;
Fried, J., Otto III. und Boleslaw Chrobry, 2. A. 2001; Deutsch-polnische
Beziehungen in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u. a., Bd. 1f. 2000;
Gehrke, R., Der polnische Westgedanke, 2001; Madajczyk, P., Niemcy polscy 1944-1989, 2001; Alexander, M., Kleine
Geschichte Polens, 2003; Die polnische Heimatarmee, hg. v. Chiari, B., 2003;
Das Reich und Polen, hg. v. Wünsch, T., 2003; Nitschke, B., Vertreibung und
Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Redecker,
N. v., Die polnischen Vertreibungsdekrete, 2. A. 2003; Landgrebe, A., Wenn es
Polen nicht gäbe, 2003; Redecker, N. v., Die polnischen Vertreibungsdekrete,
2004; Deutsches Sachenrecht in polnischer Gerichtspraxis, hg. v. Dajczak, W. u.
a., 2005; Polen und der Osten, hg. v. Chwalba, A., 2005; Gulczynski, A., Das
napoleonische Gesetzbuch (Code civil) und sein Einfluss auf die Stabilisierung
des Familiennamens in den polnischen Gebieten, ZNR 27 (2005), 49; Heyde, J.,
Geschichte Polens, 2006
polis ([F.] griech.) Stadt, Staat -> Polizei
Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u. a.,
1993; Beck, H., Polis und Koinon, 1997; The Polis, hg. v. Hansen, M., 1997;
Welvei, K., Die griechische Polis, 2. A. 1998; Leppin, H., Thukydides und die
Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u.
a.; Blok, J., Recht und Ritus der Polis, HZ 278 (2004), 1
Politbüro (politisches Büro) ist das oberste Führungsorgan
kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B. Sowjetunion seit 1917).
Politik ist das auf die Gestaltung des (öffentlichen) Lebens
gerichtete Verhalten. Zunächst vor allem Gesellschaftslehre (Platon,
Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P. seit der frühen Neuzeit (Machiavelli)
zur Machttechnik.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789; Groß,
L., Die Reichspolitik der Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937); Schmidt,
E., Die Justizpolitik Friedrichs des Großen, 1962; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der
DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J.,
Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Classen, C., Recht – Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik
Kaiser Josephs II., 1986; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland,
1989; Lexikon der Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Angermeier,
H., Politik, Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG GA 110
(1993), 249; Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v.
Miethke, J., 1992; Althoff, G., Spielregeln der Politik im Mittelalter, 1997; Henning,
O., Geschichte des politischen Denkens, 1998; Klassiker des politischen
Denkens, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1f. 2001; Bleek, W., Geschichte der
Politikwissenschaft in Deutschland, 2001; Berg-Schlosser, D./Stammen, T.,
Einführung in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003; Schultheiß-Heinz, S.,
Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Geschichte des politischen
Denkens, 2004; Ottmann, H., Geschichte des politischen Denkens, Bd. 2, Teilbd.
2 Das Mittelalter, 2004; Porträtgalerie der politischen Denker, hg. v.
Mayer-Tasch, P. u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen Politik, hg.
v. Jahn, B., 2004; Botsch, G., Politische Wissenschaft im zweiten Weltkrieg,
2005; Miethke, J., Mittelalterliche Politiktheorie, 2007
Politische Justiz ist allgemein die nach politischen Gesichtspunkten
handelnde, parteipolitsch abhängige -> Justiz, im engeren Sinn die den
Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende Justiz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Hannover,
H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische Strafjustiz
1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998;
Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000
Politische Klausel ist seit dem 19. Jh. die Klausel in Konkordat oder
Kirchenvertrag, die es dem Staat ermöglicht, staatspolitische Einwendungen
gegen einen von der Kirche für ein Führungsamt in Aussicht Genommenen zu
erheben.
Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den Konkordaten,
1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 737; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983, 105
Politische Partei ist die auf Teilhabe an der -> Politik ausgerichtete
-> Partei. Sie tritt in England seit 1832 deutlicher hervor (Carlton Club
1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865). Im -> Deutschen Bund
erscheinen örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits vor
1848, doch zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst in der Frankfurter
Paulskirchenversammlung von 1848 (Demokratische Linke, liberale Mitte,
Konservative).
Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der
politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen
Parteien, 1975
politischer Prozess ist der zu politischen Zwecken missbrauchte Prozess. Er
findet sich schon sehr früh an vielen Orten. Üblich wird die Benennung im 19.
Jh.
Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz
1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.;
Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980
Polizei, Policey, ist im klassischen Sinn die Gesamtheit der auf
Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung gerichteten Staatstätigkeit, im institutionellen Sinn die
Gesamtheit der durch die im Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte
ausgeführten Staatstätigkeiten. Um 1500 (1464) wird P. (Policey) als zu
(griech. [F.]) politeia gebildetes Fremdwort (aus Frankreich [14. Jh.,
Übersetzung Aristoteles’ durch Nicolas Oresme 1371], unmittelbare Übernahme in
ordonnances des Königs) über die burgundische Kanzlei (?) in die deutsche
Sprache eingeführt. Unter der guten Ordnung und P. ist dabei alle auf die
Wahrung und Förderung des geordneten Zustandes des Gemeinwesens gerichtete,
sich im Absolutismus erheblich verdichtende Staatstätigkeit zu verstehen.
Darunter können die verschiedensten Angelegenheiten vereinigt werden.
Allerdings engt sich bereits im 18. Jh. dieser Polizeibegriff wohl unter dem
Einfluss des Physiokratismus institutionell auf eine Behörde und deren
Mitglieder ein. Johann Stephan -> Pütter (1725-1807) beschränkt die
Zuständigkeit der P. auf die Abwehr von Gefahren. Dem folgt das preußische
Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 § 10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff
wird in Preußen aber schon 1808 wieder aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern
(1861), Baden (1863) und Württemberg (1871) rechtsstaatlich geprägte Polizeistrafgesetzbücher.
In Preußen spricht das Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. ->
Kreuzbergurteil der P. die Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege,
sofern nicht eine spezielle rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem
Polizeibeamtengesetz (1927), dem Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über
die Aufhebung veralteter Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am
31. 1. 1932 mit seinem Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen
modernen Baustein für deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P.
der Durchsetzung totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der
alliierten Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und
weitgehend neuen Ordnungsbehörden übertragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198, 203,
233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N., Traité
de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784, 358; Berg,
H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Mayer, H.,
Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen im
Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F., Polizeibegriffe,
Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die Anfänge der
Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V., Allgemeines Polizei-
und Ordnungsrecht, 1971; Schulze, R., Die Polizeigesetzgebung, 1978; Siemann,
W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Maier, H., Die ältere
deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 98; Schulze, R., Policey und
Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982; Kroeschell, K., Justizsachen und
Polizeisachen, FS H. Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff und
Staatszwecklehre, 1983; Der „Polizeiverein“ deutscher Staaten, hg. v. Siemann,
W., 1983; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die Anfänge
der politischen Polizei 1806-1866, 1985; Gessner, K., Geheime Feldpolizei,
1986; Harnischmacher, R./Semerak, A., Deutsche Polizeigeschichte, 1986; Naucke,
W., Vom Vordringen des Polizeigedankens im Recht, FS A. Erler, 1986, 177;
Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jh., FS A. Erler, 1986, 199; Leßmann, P., Die
preußische Schutzpolizei, 1989; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im
Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg 1990; Härter, K., Entwicklung und
Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die
Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Philipp, M., Das Regentenbuch des Mansfelder
Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996 (erste umfassende Lehre der guten policey); Policey
in Europa, hg. v. Stolleis, M., 1996; Die deutsche Polizei und ihre Geschichte,
hg. v. Nitschke, P., 1996; Durand, B., La notion de police en France, 1996; Wilhelm
F., Die Polizei im NS-Staat, 1997; Hachenberg, K., Die Entwicklung der Polizei
in Köln, 1997; Knöbl, W., Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozess,
1998; Banach, J., Heydrichs Elite, 3. A. 2002; Winter, M., Politikum Polizei,
1998; Kissling, P., „Gute Policey“ im Berchtesgadener Land, 1999; Jäger, J.,
Die informelle Vernetzung politischer Polizei nach 1848, ZRG GA 116 (1999),
266; Matsumoto, N., Polizeibegriff im Umbruch, 1999; Wilhelm, F., Die Polizei
im NS-Staat, 2. A. 1999; Stahlschmidt, J., Policey und Fürstenstaat, Diss. jur.
Bochum 1999; Jäger, J., Die informelle Vernetzung politischer Polizei, ZRG 116
(1999), 266; Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K.,
2000; Landwehr, A., Policey im Alltag, 2000; Wüst, W., Die „gute“ Policey im
Reichskreis, Bd. 1ff. 2001ff.; Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und
Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum
frühen 19. Jahrhundert, hg. v. Holenstein, André u. a., 2002; Wagner, P.,
Hitlers Kriminalisten, 2002; Gute Policey als Politik im 16. Jahrhundert, hg.
v. Blickle, P. u. a., 2003; Naas, S., Die Entstehung des preußischen
Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003; Lindenberger, T., Volkspolizei, 2003;
Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Iseli, A., Bonne
police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher Schild, 2003; Napoli, P.,
La naissance de la police moderne, 2003; Weinhauer, K., Schutzpolizei in der
Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004; Eibich, S., Polizei,
„Gemeinwohl“ und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in
Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Curilla,
W., Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum und in
Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz,
2005; Schwegel, A., Der Polzeibegriff im NS-Staat, 2005; Möller, C.,
Medizinalpolizei, 2005; Polizei, Recht und Geschichte, hg. v. Gebhardt, H,m
2006
Polizeigesetzgebung -> Polizei, Polizeiordnung
Polizeiordnung ist die in der frühen Neuzeit zur Wahrung der guten ->
Polizei erlassene -> Ordnung. Sie findet sich in Ansätzen bereits in der
spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg 1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für
gute -> Ordnung und -> Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend.
Einer ihrer wichtigsten Gegenstände sind die Luxusverbote.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139; Segall,
Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen zur neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und Instruction für die
Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke, G., 1971; Brauneder,
W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz, W.,
Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung und
Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium der
Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.;
Rigaudière, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die schlesischen
Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte
Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung
verpflichtet, 2000; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und
1577, 2002; Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von
Braunschweig-Lüneburg vom 6. Oktober 1618, 2003
Polizeirecht ist das die -> Polizei betreffende -> Recht.
Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des deutschen
Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18. Jahrhundert,
FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2. A. 1987;
Hartleif, W., Das Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990; Just, S.,
Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur. Würzburg
1990; Popp, R., Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur. Regensburg 1995;
Handbuch des Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A. 1996; Weber, M.,
Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Pauly, J.,
Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche Disziplin, 2000
Polizeistaat ist in jeweils verschiedenem Sinn der von der -> Polizei
geprägte Staat des aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat) wie der
totalitären Diktatur (Unrechtsstaat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition und
Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner,
U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005) 150
Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung erwachsende Wissenschaft
von der -> Polizei (bzw. Verwaltung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche
Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965;
Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die
ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)
Pollock, Sir Frederick (1845-1937) wird nach dem Studium in
Cambridge und der Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871 Anwalt. 1876
veröffentlicht er (engl.) Principles of Contract (Vertragsgrundsätze). Von 1883
bis 1903 ist er Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den Inns of
Court und in Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von -> Maitlands History
of English Law.
Lit.: Simpson,
A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984, 421
Polnisches Recht ist das in -> Polen geltende Recht. Es ist lange Zeit
ein niemals vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht (Landrecht), zu dem
nur wenige privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula [F.] processus 1523,
Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere partikulare
Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische Korrektur
1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist dabei die
Frage des Einflusses des -> deutschen Rechts. Jedenfalls in den Städten ist
er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht, Lübecker
Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus dem
heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale
Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.) ->
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen geteilt.
Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen ein grundlegendes Verfassungsgesetz, wird aber 1793
und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter aufgeteilt. 1807-15
gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht. Das 1818 geschaffene
Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt österreichischem Vorbild, das
gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847 wird das Strafgesetzbuch
erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln fort. 1928 wird durch ein
Strafprozessgesetzbuch, 1930 durch ein Zivilprozessgesetzbuch, 1932 durch ein
Strafgesetzbuch und 1933 durch ein Obligationengesetzbuch und ein
Handelsgesetzbuch das Recht vereinheitlicht und neu gestaltet. 1945/1946 wird
das Privatrecht vereinheitlicht und 1964 in einem Zivilgesetzbuch sowie einem
Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch neu gefasst.
Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der
Quellen des alten polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy
średniowiecznego prawa spadkowego (= Die Grundlagen des mittelalterlichen
Erbrechts), 1930; Wojciechowski, Z., Das Ritterrecht in Polen, 1930; Matuszewski,
J., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, 1959 (mitteldeutsch um 1300?);
(Urteile der Obergerichte großpolnischer Städte aus dem 15. und 16.
Jahrhundert), hg. v. Maisel, W., 1959; Bardach, J.,
Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964; Polish Law throughout the Ages,
hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982;
Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa polskiego, 1976; Sporn T., Die
Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit,
D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski (Polnische
Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der Franziskana auf das
erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100 (1983), 284; Kren, J.,
Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147; Schnur, R., Einflüsse
des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985; Ebel, F., Poloniae
historia iuris – Neuere Literatur zur polnischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 105
(1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der Adelserschleichung Überführter), 1991; Lityński,
A., Die Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am Strafgesetzbuch der
zweiten polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382; Najstarszy zwod prawa
polskiego, hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die polnische Verfassung vom 3.
Mai 1791, hg. v. Reinalter, H., 1997; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v. Mohnhaupt, H., 1997
Polygamie ist die Mehrehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum
schließt sie aus.
Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen Eherechts, 2.
A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934;
Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial- und
Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987
Polyptychon (N.) vielfältiges (Verzeichnis z. B. St. Germain-des-Prés
825/828)
Lit.:
Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg. v. Hägermann, D., 1993;
Elmshäuser, K./Hedwig, A,, Studien zum Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés,
1993
Pommerellen
Lit.: Kasiske, K., Das deutsche Siedelwerk des Mittelalters in
Pommerellen, 1938
Pommern ist das beiderseits der Mündung der Oder in die Ostsee
liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der Germanen im 6./7.
Jh. von -> Slawen besiedelt wird und in dem die Herrschaft der -> Greifen
1181 als Herzogtum des deutschen Reiches anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt
es an Brandenburg, 1945/1990 im östlichen Teil an Polen. Besonders bedeutsam
sind dementsprechend nacheinander lübisches, gemeines und preußisches Recht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v., Die
Leibeigenschaft in Pommern,, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke, L., Die pommerschen
Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1935, Dokumentation
der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Benl,
R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986; Buchholz, W.,
Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v. Lucht, D.,
1995; Pommern, hg. v. Buchholz, W., 1999; Schmidt, R., Das historische Pommern,
2006
Pomponius, Sextus (Mitte des 2. Jh.s n. Chr.) ist ein römischer,
über seine 300 Bücher hinaus kaum bekannter Jurist. Drei Kommentare betreffen
die Darstellung des römischen Rechts durch Mucius Scaevola (39 Bücher), durch
-> Sabinus (35 bzw. 36 Bücher) und das -> Edikt. In dem auszugsweise in
den -> Digesten überlieferten Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz
und klar die Geschichte der römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart,
die römischen Ämter und die römischen Juristen bis Julian dar.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203
Pönformel ist eine in Urkunden des Mittelalters enthaltene Klausel,
die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil (Pön [lat. poena], meist
Geldsumme) für den Fall des Zuwiderhandelns (eines Dritten) festlegt.
Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln, MIÖG
Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der mittelalterlichen
Urkunden, AUF 12 (1932), 252
Pontes de Miranda, Francisco C. (1893-1979) wird nach dem Rechtsstudium in
Recife in Brasilien Richter in Rio de Janeiro. In den 60 Bänden seines Tratado
de Direito Privado (1954ff.) stellt er fast das gesamte, in erheblichem Umfang
europäisch geprägte Recht Brasiliens dar.
Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica
do direito de Pontes de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988
pontifex (lat. [M.]) Brückenbauer, Priester
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R., Der
Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300
Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs (Mitra, Stab, Ring,
Brustkreuz, Dalmatik, Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie stehen seit dem 14.
Jh. im Wesentlichen fest. Ihr Gebrauch ist sorgfälig geregelt.
Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser, T., Der
Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius pontificalium, 1956
Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische Recht seit dem
Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B. Übersetzungen [->
Murner 1519, -> Perneder 1544, Gobler -> 1551], Formelbücher oder
Prozessschriften [-> Klagspiegel 1415, -> Laienspiegel 1495/1509]).
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur des
römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Trusen, W.,
Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9
populus (lat. [M.]) Volk
Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998
Pornographie ist die aufreizende Darstellung
geschlechtlicher Erscheinungen.
Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der
österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999
Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807) wird nach dem
Rechtsstudium Advokat in Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im Zuge der französischen
Revolution (1789) in hohe Ämter und wird 1804 in das Redaktionsgremium des
-> Code civil berufen. Er setzt sich an vielen Stellen erfolgreich für die
Lösungen des römischen Rechts ein.
Lit.: Portalis, J., De l’usage et de l’abus de l’esprit philosophique,
1820; Lavollée, R., Portalis, 1869; Schimséwitsch, L., Portalis, 1936; Plesser,
M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil, 1997
Portugal (benannt nach dem porto
[Hafen] von Cale) ist der südwesteuropäische Staat, dessen Gebiet nacheinander
von Lusitaniern, Römern (139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.] Hispania [F.]
ulterior abgesonderte Provinz [lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten (5. Jh.) und
Arabern (712) beherrscht wird. Nach der Rückeroberung des Nordens erreicht die
Grafschaft um Porto am Ende des 11. Jh.s (1095) weitgehende Unabhängigkeit von
Leon und -> Kastilien. 1139 nimmt Alfons I. nach einem Sieg über die Araber
(Mauren) den Königstitel an. Bis zur Mitte des 12. Jh.s wird die christliche Rückeroberung
(1147 Lissabon) weitgehend, bis 1249 gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom
14. zum 15. Jh. wird im königlichen Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechts
begonnen (Livro das Leis e Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações
Afonsinas [um 1454 bzw. 1446/1447], Ordenações Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521).
Seit dem 15. Jh. wird P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529
die Interessensphären mit -> Spanien aufteilen kann. Für kurze Zeit fällt P.
dann an Spanien (1580/15811-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenações Filipinas)
werden Gesetze erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razão aktualisiert.
Im 19. Jh. wird unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código
comercial/Handelsgesetzbuch 1833 bzw. 1888, Codigo civil/Bürgerliches
Gesetzbuch 1867, Código do processo civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do
processo comercia 1896, Código de fallências 1897). 1910 wird Portugal
Republik, steht aber lange Jahre unter diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der
(port.) Codigo do processo civil (Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945
gehen die Kolonien verloren. 1965 wird ein neuer Codigo civil mit einem
allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P.
Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union (1993).
Lit.: Merêa, M., O mais antigo morado
de Portugal? 1921; Cabral de Moncada, L., A reserva hereditária, 1916f.; Cabral
de Moncada, L., A „traditio“ e a transferência da propriedade imobiliária,
1921; Merêa, P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal,
Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft 40 (1923), 339; Mayer, E.,
Historia de las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd.
1f. 1925f.; Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriçåo, 1929; Merêa,
P., Novos estudos de história do direito, 1937; Merêa, P., Sôbre a palavra
angueira, Biblos 16, 2 (1940); Merêa, P., Sôbre as origens da terça, (um 1943);
Merêa, P./Girão, A., Territorios portugueses no século 11(, um 1950); Almeida
Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J.,
Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen
Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687,
3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito
subsidiário na história do direito português, Revista Portuguesa de História 14
(1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das
Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen,
A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de
Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M.
de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de
Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A.,
Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993;
Sänger, R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen
und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994; Auf
dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997;
Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2000; Bernecker, W./Pietschmann,
H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira Marques, A. de, Geschichte Portugals,
2001; Rechtsentwicklungen in Portugal, Brasilien und Mácau, hg. v. Jayme, E. u.
a., 2002; Cerqueira, A/Seelaender, L., Polizei, Ökonomie und Gesetzgebungslehre
– Ein Beitrag zur Analyse der portugiesischen Rechtswissenschaft am Ende des
18. Jahrhunderts, 2003; Diccionario crítico de
juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.
Posen an der mittleren Warthe erhält 1253 Magdeburger Stadtrecht
und kommt 1793 an Preußen. Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer
Universität. Zwischen 1389 und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich von
Peisern auf deutsch das in einer einzigen Handschrift überlieferte, in vier
Bücher (Verfassung und Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½
Kapiteln bzw. fünf Bücher geteilte Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht.
Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde
von Posen, ZRG GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im
Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904; Ereciński, T., Das
Gewerberecht der Stadt Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das
Rechtsbuch der Stadt Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger
Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., Sądownictwo miasta Poznania do końca XVI wieku
(Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts), 1961.
413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznańskie prawo
karne do końca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des 16.
Jahrhunderts), 1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315-318); Poznańska księga
prawa Magdeburskiego i Miśnieńskiego (Das Posener Buch des
Magdeburger und Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.; Wilkierze
Poznańskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53
positio (lat.[F.]) Tatsachenbehauptung, Artikel (im gelehrten
Prozess)
Lit.: Köbler, DRG 117, 155
Positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug fallende sonstige
Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie als besondere
Leistungsstörung anerkannt.
Lit.: Kaser §§
33 III IV 3, 37 I, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die
positiven Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die
historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der
positiven Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die
positive Vertragsverletzung, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 155
Positives Recht ist das vom Menschen geschaffene Recht im Gegensatz zum
-> Naturrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Positivismus ist die geistesgeschichtliche Strömung, welche die
übernatürliche Erklärung der Welt durch die Theologie für ebenso unzutreffend
hält wie die philosophische Erklärung mit Hilfe von abstrakten Ideen.
Entscheidend ist dieser von Auguste Comte (1798-1857, Discours sur l’esprit
positif, 1844) begründeten Sicht die wissenschaftliche Zusammenfassung der
tatsächlichen Erscheinungen (des durch Beobachtung Erfahrbaren, Gegebenen,
Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen, durch die der Gesellschaft ein
glückliches Leben gesichert werden soll. Dies wirkt sich im Recht durch die
Suche nach einem System rein juristischer, positiver und von der
gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster Begriffe aus, die
im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus abgelöst wird.
Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228, 254;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v.,
Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der
rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der
Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen
Positivismus, 1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, in: Recht und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss
des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus auf
die deutsche Rechtslehre im 19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste
Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie,
1999
Possessio (lat. [F.]) ist im römischen Recht der Besitz. Er nimmt
seinen Ausgang davon, dass jemand ein der Allgemeinheit gehöriges Stück Land zu
Gebrauch und Nutzen übernimmt. Seine Stellung wird durch -> Interdikte des
Magistrats gesichert.
Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M.,
Possession, possessio und das Schicksal des Common Law, 2003; Vandendriessche,
S., Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen römischen Recht der Besitz nach
zivilem Recht, der seinen Ausgang von der tatsächlichen Herrschaft über eine
Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren (Vindikation) auf Seiten des Gegners
vorausgesetzt wird.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler,
DRG 39
Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken römischen Recht der körperliche
Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer hat.
Lit.: Kaser § 19 VI
Possessio (F.) iuris (lat.) ist im späteren römischen Recht der Rechtsbesitz
dessen, der einen (lat. [M.]) -> ususfructus oder eine Prädialservitut
tatsächlich ausübt.
Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5
Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das dreitägige Haben einer
Sache.
Pößneck
Lit.: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff.
Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von
Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon
dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im
Spätmittelalter aber entwickelt sich die P. im modernen Sinn. Ihre erste feste
Route (1490) betrifft die Verbindung von Innsbruck nach Brüssel (Mecheln). Zu
deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für eine
allgemein zugängliche P. Seit dem Ende des 16. Jh.s beansprucht der Kaiser die
P. als -> Regal, ohne das ausschließlich durchsetzen zu können. Demzufolge
ist die P. im 19. Jh. nicht einheitlich. 1867 gelingt es Preußen, von dem Haus
Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das Postwesen in der
Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt. Am Ende des 20. Jh.s
wird die Post (und Telekommunikation) unter dem Einfluss der Vereinigten
Staaten von Amerika privatisiert.
Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte des
römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens und
die Taxis, 1909.; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W.,
Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg
1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987; Wyss,
A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen âge,
1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche
Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945,
1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001;
Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im Netz der Kommunikation,
2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945, bearb. v. Lotz, W., 2002; Behringer,
W., Im Zeichen des Merkur, 2003
Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende Geheimhaltungspflicht
der in der -> Post enthaltenen Nachrichten. Die Frage des Postgeheimnisses
wird vereinzelt schon früh gesehen. 1690 wird die Unverletzlichkeit auf allen
Postwegen im Reich garantiert. 1848 wird das P. in die Verfasssung einbezogen.
1919 wird dies durch die Weimarer Reichsverfassung wiederholt.
Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-, Telegraphen-
und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927; Schötz, H., Die
Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur. Erlangen 1933; Melzer,
W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971
Postglossator ist der dem -> Glossator zeitlich folgende
spätmittelalterliche Jurist. -> Konsiliator, Kommentator
Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.;
Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965;
Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren, ZHR 66
(1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit, 1928
Postliminium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Rückkehr in den
früheren Rechtszustand nach Ende der Kriegsgefangenschaft.
Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII
1b
Postregal -> Post
Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien,
1939
Postumus (lat. [M.]) (, posthumus) ist der nach dem Tod des Vaters
Geborene. Er wird, soweit dies seinem Vorteil dient, während der
Schwangerschaft als bereits geboren betrachtet (lat. -> nasciturus pro iam
nato habetur).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III
3, 69 II 3
Postwertzeichen ist das dem Nachweis der Entrichtung der Beförderungsgebühr
dienende Wertzeichen. Es erscheint in Ansätzen in Paris seit 1653, danach in
England 1840 sowie im Deutschen Bund in Bayern am 1. 11. 1849.
Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f.
bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der
Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur.
Erlangen 1958
potens (lat.) mächtig
potestas (lat. [F.]) Gewalt, Macht
Pothier, Robert-Joseph (Orléans 9. 1. 1699–2. 3. 1772)
Präsidialgerichtsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1720
Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer, 1746
Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans. Von
-> Domat beeinflusst fasst er als Vertreter der -> eleganten Jurisprudenz
des späten -> usus modernus pandectarum in den Pandectae Justineanae (1748)
die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten kurzen Werk
zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene Coutume
d´Orléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich veröffentlicht er
Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations 1761) und zum
Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des Code civil
(1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.
Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A., Les
origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971; Zimmermann,
R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG
GA 102 (1985), 168
Potsdam an der Havel wird 993 urkundlich erwähnt. Das Edikt von P.
vom 8. 11. 1685 gewährt französischen Hugenotten Aufnahme in Preußen. Das
Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst 3)
Alliierten über die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches.
Lit.: Übersicht über die Bestände des brandenburgischen
Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u. a., 1964ff.; Meissner,
B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P., Geschichte Potsdams,
2003
Pound, Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik und
Rechtswissenschaft in Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska,
danach Professor in Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago
(1909) und in Harvard (1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.) ->
sociological jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social
engineering (gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm
zufolge müssen Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns beachten.
Lit.: Sayre, P.,
The Life of Roscoe Pound, 1948; Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz,
1973, 93
Präambel (F.) Vorspruch
Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939; Papenheim,
A., Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur. Münster 1998
Practica nova imperialis Saconica rerum criminalium - > Carpzov
praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später F.]) Pfründe
Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des merowingischen Königs Chlothar II.
(584–629) von etwa 600 (616?, 617?, 586-600), das sich mit Verfahren, Erbe,
Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.
Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1
1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
praeda
Lit.: Redlich, Fritz, De praeda militari, 1956
praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianerpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16,
17; Köbler, DRG 55
praefectus (M.) urbi (lat.)
Stadtpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§
14, 17; Köbler, DRG 55
praeiudicium (lat. [N.]) Vorentscheidung, Vorbescheid
Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10
praes (lat. [M.]) Bürge
Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1
praescriptio (lat. [F.]) Vorschrift, Vorschreibung
Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II 12, 87
praeses (lat. [M.]) Vorsitzender
praestare (lat.) leisten
Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43
praesumptio, praesumtio (lat. [F.])
Vermutung
Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6;
Köbler, DRG 29
praesumptio (F.) Muciana (lat.) -> Vermutung des -> Mucius
Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29
Praetor (lat. [M.]) ist im altrömischen Recht der beim Sturz des
Königs 509 v. Chr. diesem folgende höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr.
die Zuständigkeit für die Streitverfahren errringt. 242 v. Chr. wird eine
zweite Prätorenstelle geschaffen, zu der später weitere Provinzpräturen
hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1. Jh. v. Chr. werden die Prätoren an die
Stadt Rom gebunden.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31, 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann, R.,
Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic, 2000
Praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen römischen Recht der seit 242 v.
Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten mit einem Fremden (lat. [M.]
peregrinus) zuständige -> praetor.
Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Praetor (M.) urbanus (lat.)
ist der seit der Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer
Bürger untereinander zuständige -> praetor.
Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15; Köbler,
DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Präfekt
Lit.: Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163
Präfektur ist der in Anlehnung an den römischen (lat. [M.])
praefectus geschaffene Zuständigkeitsbereich eines Amtsträgers, wobei in der
Spätantike das römische Reich in vier Präfekturen mit je einem Prätorianerpräfekten
geteilt ist.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung,
ZRG, GA 114 (1997), 352
Prag an der Moldau entsteht (als Burg) vermutlich im späten 9.
Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums, das Karl IV. 1344 zum Erzbistum erheben
lässt. Um 1235 ist die vorstädtische Zeit abgeschlossen. 1348 richtet er in P.
eine Universität ein (, aus der 1881/1882 je eine deutsche Universität und eine
böhmische Universität werden). 1918 wird die auch wegen der beiden Prager
Fensterstürze vom 30. 6. 1419 und 23. 5. 1618 bekannte Stadt, deren einzelne
Teile erst 1781 rechtlich zusammengefasst werden, Hauptstadt der ->
Tschechoslowakei bzw. 1993 der Tschechei.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100; Tomek,
W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck 1972; Zycha, A., Prag,
1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das Nürnberger Recht, ZRG GA 60
(1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J.,
1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F., Von Prag bis Rostock, FS
W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag, 1986; Mezník, J.,
Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die Vertreter des römischen
Rechts, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993; Fuchs, M., Die Prager
Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3, 167; Universitäten in
nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003
Prägestätte ist der Ort, an dem eine -> Münze hergestellt wird (z.
B. für die Deutsche Mark A Berlin, D München, E Muldenhütten, F Stuttgart, G
Karlsruhe, J Hamburg).
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist allgemein das
bedeutende kaiserliche Gesetz. In der pragmatischen Sanktion von Bourges (1438,
aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der Beschlüsse des
Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet Karl V. in
einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische
Erbe. Am 19. 4. 1713 erlässt Karl VI. ein Hausgesetz der Habsburger als p. S.
Dieses geht von der Unteilbarkeit und Untrennbarkeit der habsburgischen Länder
aus. Weiter bestimmt es die -> Primogenitur im männlichen und hilfsweise
weiblichen Stamm sowie den Vorrang der ehelichen Söhne und Töchter Karls VI.
vor den ehelichen Söhnen und Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den
Ständen der habsburgischen Länder, danach europäischen Staaten und 1732 dem
Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) zur Billigung
vorgelegt. Ihre Geltung endet 1918.
Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Sanctio
pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la Pragmatique
Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G., 1913; Michael,
W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI., 1929 (SB Wien); Schönbauer,
E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und Fortschritte 35 (1961), 179; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1979
Präjudiz ist das Vorurteil oder die Vorentscheidung. Insbesondere in
einem richterlichen Fallrecht (z. B. England) ist das P. außerordentlich
bedeutsam ([lat.] stare decisis, bei Entschiedenem bleiben). In der Rechtswirklichkeit
halten sich aber auch sonst Untergerichte regelmäßig an die vorliegenden
Entscheidungen von Obergerichten.
Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.; Cross,
R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of Law, 1968;
Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der
Präjudizien, 1979
Prälat ist im katholischen Kirchenrecht der hohe kirchliche
Amtsträger, der kraft seines Amtes Leitungsgewalt hat oder aus anderen Gründen
den Titel P. ehrenhalber führt (z. B. Erzbischof, Bischof, Abt). Der P. zählt
im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) teilweise zu Kurfürsten und
Reichsfürsten, in den Ländern zu den Landständen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des Reichstages
im 16. Jahrhundert, 1980, 106
Prälatenbank ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das
Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die
Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag.
Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968
Prälegat
Lit.: Wimmer, M., Das Prälegat, 2004
Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert von Xanten in Prémontré
bei Laon 1120 begründeten -> Ordens, der 1122 in Cappenberg seine erste
deutsche Niederlassung errichtet.
Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl, B.,
Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und die
Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978;
Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986; Penth, S.,
Prämonstratenser und Staufer, 2003
Pranger ist im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine
Einrichtung (z. B. Halseisen, Schandpfahl), mit deren Hilfe ein Mensch wegen
eines Verstoßes öffentlich zur Schau gestellt werden kann (Ehrenstrafe). Der P.
ist seit dem 13. Jh. unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Formen
bezeugt. Vielleicht stammt er aus dem kirchlichen Bereich. Verwendet wird er
bei Friedensbruch, (kleinem) Diebstahl, Betrug, Lästerung, Unzucht,
Beleidigung, falschem Maß und Gewicht usw.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt, F.,
Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß,
G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62
(1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýř,
1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946;
Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der
Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der
Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976),
340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für ein Amt vorzuschlagen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Präsidialsystem ist das politische System, in dem ein Präsident die
wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines Präsidialkabinetts
oder einer Präsidialregierung bedienen kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D., Agrardepression und
Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978
Prätor -> praetor
Prävention (F.) Zuvorkommen, Verhütung
Precaria (lat. [F.]) ist im Frühmittelalter die Leihe von
Grundstücken. Sie gewährt dem Leihenehmer ein Nutzungsrecht und dem Leihegeber
eine Gegenleistung (Abgabe, Dienst). Sie kann frei widerruflich, auf Zeit
vereinbart oder vererblich sein. Das Leihegut kann vom Leihenehmer stammen
(sog. precaria oblata), vom Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je einem
Teil von beiden (sog. precaria remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem (lat.
[N.]) -> precarium ist unsicher.
Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Haff,
K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33 (1912), 453;
Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948),
1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259
precaria (F.) data (lat.) gegebene -> precaria
precaria (F.) oblata (lat.) empfangene -> precaria
precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte -> precaria
precario ([lat.] durch Bittleihe) ->
Interdikt
Precarium (lat. [N.]) ist im römischen Recht die Bittleihe. Das p.
betrifft die Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache zu Gebrauch oder
Nutzung unter der Möglichkeit des jederzeitigen freien Widerrufs des Gebers.
Dritten gegenüber ist der Empfänger durch ein Interdikt geschützt. Das p. ist
grundsätzlich unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der (lat. [F.]) ->
precaria ist unsicher.
Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6; Köbler,
DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser, M., Zur
Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45
Preis ist der Gegenwert für die Erlangung einer Leistung,
insbesondere für den Verkauf einer Ware, der nach (bereits seit Plato)
umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein soll. -> iustum pretium
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916; Trusen,
W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Welti,
M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424; Gerhard, H./Engel, A.,
Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit, 2006
Preisbindung ist die Bindung der Verkäufer bestimmter Waren an
einheitliche Festpreise. Sie wird in verschiedenen Zeiten versucht (Spätantike,
Spätmittelalter, Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]). Das deutsche Gesetz
gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die vertikale
Preisbindung für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und landwirtschaftliche
Erzeugnis. 1973 wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der
Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486
Premis (Bremse) ist die von dem magdeburgischen Bürger Hermann von
Oesfeld um 1350 verfasste, handschriftlich seit 1408 belegte kurze Anweisung,
wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen veranlassen kann.
-> Cautela
Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Premysl -> Przemyslide
Presbyter (Älterer) ist in den Anfängen des Christentums der
Angehörige eines kollegialen Gemeindeleitungsorganes. Später setzt sich der
Bischof als Erstverantwortlicher durch, doch bilden Bischof und P. (->
Priester) gemeinsam ein Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine besondere
kirchenrechtliche Handlung. In der protestantischen Kirche ist P. ein von der
Gemeinde in den Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter.
Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A. 1963;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983
Pressburg (Bratislava), nördlich von Wien, wird nach der Neugründung
um die Jahrtausendwende von -> Bayern besiedelt. Nach der 1217 erfolgten
Verleihung des Stadtrechts wird es 1405 Freistadt Ungarns. Etwa zu dieser Zeit
entwickelt sich ein besonderes Grund- und Satzbuch in P. (1439). Zwischen 1467
und 1471 hat P. eine juristische Fakultät an der 1467 bis 1490 bestehenden,
danach wegen fehlender materieller Grundlagen verfallenden Universität. Von
1526 bis 1784 ist P. Hauptstadt des habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805
verliert Österreich im Frieden von P. für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt
P. an die Tschechoslowakei. 1919 wird P. Sitz einer Universität, 1993
Hauptstadt der Slowakei, mit der es 2004 in die Europäische Union gelangt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger
Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der
Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993
Presse ist seit dem Anfang des 16. Jh.s die Druckmaschine und dem
folgend seit der Mitte des 16. Jh.s die Gesamtheit der zur Verbreitung
geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse (1650 Leipziger Einkommende
Zeitungen sechsmal wöchentlich).
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899; Groth,
O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff der
Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche
Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der
Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H.
Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland,
1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M.,
Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche
Pressegeschichte, 2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel,
S. u. a., 2001; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001;
Unter Druck gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002
Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung von Meinungen,
Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druckerzeugnisse.
Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdruckes (in Mainz 1485 und)
allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es
der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) den
Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den Druck und die Verbreitung von Neuem
in Sachen des Glaubens zu verhindern. Demgegenüber beseitigt England 1695 die
-> Zensur (Licensing Act von 1662). Am 14. 9. 1770 verfügt König Christian
VII. von Dänemark (auch) für Schleswig und Holstein eine uneingeschränkte
Freiheit der Presse. 1774 ist das Wort in Deutschland erstmals belegt
(Preßfreiheit). 1776 verlangen die Virginia Bill of Rights und 1789 die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, einige deutsche
Landesverfassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Bayern 1818) und
1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Pressfreiheit). Seitdem wird
die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz eingeschränkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193; Krempel, O.
Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U., Pressefreiheit, 1965;
Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, 1968;
Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte von 1815, Der
Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als Menschenrecht, FS W.
Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und
Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P., Druckprivileg und
Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der Pressefreiheit, 1993;
Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Wilke, J.,
Die Entdeckung von Meinungs- und Pressefreiheit als Menschenrechte im
Deutschland des späten 18. Jahrhunderts (in) Naturrecht – Spätaufklärung –
Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995, 121; Westerkamp, D., Pressefreiheit
und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss. jur. Hagen 1999; Blumenauer, E.,
Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, 2000; Spiegel, S.,
Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Rumphorst, R., Journalisten und
Richter, 2001; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003
Presserecht ist die Gesamtheit der die -> Presse betreffenden
Rechtssätze. Damit beginnt das P. in der Kirche bereits seit 1485, im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit dem
18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den religiösen Schriften auf die
politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist das P. partikular
unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im Großen und Ganzen bei
einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Regelung bringt erst das
Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10.
4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche
Reich ein einheitliches Reichspressgesetz, das seit 1949 durch
Landespressegesetze ersetzt wird.
Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler, M./Ricker,
R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das Pressegeheimnis, 1998;
Olechowski, T., Die Entwicklung des Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004
pretium (lat. [N.]) Preis, -> iustum p.
Preuß, Hugo (Berlin 28. 10. 1860-9. 10. 1925), wohlhabender
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und Heidelberg
Privatgelehrter und Politiker, 1906 Professor an der Handelshochschule in
Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte des Reichskanzlers ausführende
Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei (Ebert) als Innenminister und
beauftragt ihn mit dem Entwurf einer -> Verfassung.
Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau und
H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930;
Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und
die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier
1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002; Preuß, H.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 2006ff.
Preußen ist zunächst das nach den baltischen Pruzzen (um 965 Brus)
bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmündung. Über den die
-> Ostsiedlung betreibenden -> Deutschen Orden gelangt P., dessen
Gewohnheitsrecht (lat. Jura Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch
aufzeichnet und das am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter Lehnshoheit
Polens) wird,, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620 erhält es auf Grund
eines Entwurfes des Königsberger Professors Levin Buchius’ ein
vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes Land der
Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem der
Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt. Im 18. Jh. wird P. vor allem unter
Friedrich dem Großen europäische Großmacht. 1794 kodifiziert (dieses vor allem
Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im -> Allgemeinen Landrecht. Im 19.
Jh. ringt es mit Österreich im -> Deutschen Bund um den Vorrang. 1867
schafft es den -> Norddeutschen Bund, dem 1871 das zweite -> Deutsche
Reich folgt. In ihm hat P. eine dominierende Stellung. 1920 wird es Freistaat.
Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates vom 25. 2. 1947 wird es wegen
seiner durch die beiden Weltkriege bezeugten Gefährlichkeit unter Aufteilung
seiner Gebiete auf zum Teil neue Länder als Staat aufgelöst.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 93, 131, 132, 140,
149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206, 211, 232, 245, 256; Voigt, J.,
Geschichte Preußens, 1827ff., Neudruck 1968; Codex diplomaticus Prussicus, Bd.
1ff., 1826ff.; Ranke, L. v., Zwölf Bücher preußischer Geschichte, 2. A.
1874ff.; Neues preußisches Urkundenbuch, 1882ff.; Bornhak, C., Preußische
Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Die preußischen
Landeskulturgesetze, hg. v. Nobiling, 1901; Tümpel, L., Die Entstehung des
brandenburgisch-preußischen Einheitsstaates, 1915; Hintze, O., Die Hohenzollern
und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Giese, F., Preußische Rechtsgeschichte,
1920; Koch, W., Hof- und Regierungsverfassung König Friedrichs I. von Preußen
(1697-1710), 1926; Schmidt, E., Rechtsentwicklung in Preußen, 2. A. 1929,
Neudruck 1961; Die Reorganisation des preußischen Staates unter Stein und
Hardenberg, Teil 1, hg. v. Winter, G., 1931; Kahlstorf, E., Rechtsgeschichte
der Marienburger Werder, Diss. jur. Würzburg 1935; Ruppel-Kuhfuß, E., Das
Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Mortensen,
H./Mortensen, G., Die Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens, Bd. 1f. 1937f.;
Weise, E., Die Staatsverträge des deutschen Ordens in Preußen im 15.
Jahrhundert, Bd. 1 1939; Kaminski, K., Verfassung und Verfassungskonflikt in
Preußen 1862-1866, 1938; Hintze, O., Regierung und Verwaltung, 1943, 2. A.
1967; Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in Österreich und Preußen
(1804-1918), 1955; Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und
Neuostpreußen, 1960; Urkunden und Akten zur Geschichte der preußischen
Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen 1793-1806, hg. v. Hubatsch, W.,
1961; Matuszewski, J., Jura Prutenorum, 1963; Koselleck, R., Preußen zwischen
Reform und Revolution, 1967; Schoeps, H., Preußen, 8. A. 1968; Historisch-gographischer
Atlas des preueßenlandes, hg. v. Mortensen, H. u. a., Lieferung 1ff. 1968ff.; Eimers,
E., Das Verhältnis von Preußen und Reich in den ersten Jahren der Weimarer
Republik, 1969; Der Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, hg. v.
Schlumbohm, J., 1970; Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Hubatsch, W.,
Friedrich der Große und die preußische Verwaltung, 1973; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Die Denkwürdigkeiten des
Burggrafen und Grafen Christoph zu Dohna (1665-1733), 1974; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Hubatsch, W.,
Die stein-hardenbergischen Reformen, 1977; Schulze, R., Die
Polizeigesetzgebung, 1978; Schubert, W., Preußens Pläne zur Vereinheitlichung
des Zivilrechts nach der Reichsgründung, ZRG GA 96 (1979), 243; Krimpenfort,
W., Der Grundbesitz der Landstädte des Herzogtums Preußen, 1979; Vetter, Klaus,
Kurmärkischer Adel und preußische Reformen, 1979; Schmidt, E., Beiträge zur
Geschichte des preußischen Rechtsstaates, hg. v. Merten, D. u. a., 1980; Stump,
U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875-1914, 1980; Thadden, R. v.,
Fragen an Preußen, 1981; Litewski, W., Landrecht des Herzogtums Preußen von
1620, Bd. 1ff. 1980ff.; Quellen zur preußischen Gesetzgebung des 19.
Jahrhunderts, hg. v. Schubert, W./Regge, J., Bd. 1ff. 1981ff.; Hubatsch, W.,
Grundlinien preußischer Geschichte, 1983; Grünert, E., Die preußische Bau- und
Finanzdirektion in Berlin, 1983; Paukert, H., Preußische Verwaltung und
katholische Hierarchie in den Rheinprovinzen zur Zeit der Restauration, 1983; Peter
von Dusburg, Chronik des Preußenlandes, übersetzt und erläutert v. Scholz, K.
u. a., 1984; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der
Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen
Agrarreformen, 1985; Die preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe,
K., 1985; Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Landwehr, G., Staatszweck
und Staatstätigkeit in Preußen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 249; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der
Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Salmonowicz, S., Preußen aus polnischer
Sicht, 1987; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Biographisches
Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb. v. Mann, B.,
1988; Anderson, M., Windthorst, 1988; Aschoff, H., Rechtsstaatlichkeit und
Emanzipation, 1988; Das nachfriderizianische Preußen 1786-1806, hg. v.
Hattenhauer, H. u. a., 1988; Willoweit, D. War das Königreich Preußen ein
Rechtsstaat?, in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer politischen
Gesellschaft, 1989; Paravicini, W., Die Preußenreisen des europäischen Adels,
1989; Real, W., Karl Friedrich von Savigny 1814-1875, 1990; Die
Mittwochs-Gesellschaft im Kaiserreich, hg. v. Besier, G., 1990; Sellert, W.,
Ludwig Windthorst als Jurist, 1991; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates
Preußen, 1992; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992;
Kühne, T., Handbuch der Wahlem, 1994; Jelowik, L., … verlange ich von seiner
Majestät dem König, ZRG GA 111 (1994), 422, Haunfelder, B., Biographisches Handbuch
für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, 1994 (1917 Abgeordnete); Beck,
C., The Origins of the Authoritarian Welfare State in Prussia, 1996; Maiwald,
K., Die Herstellung von Recht, 1997; Preußen und das Reichsgericht, hg. v. Schubert,
W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierne Wisch“, 1998; Schade, J., Die Anfrage
bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; Stribrny, W., Die Könige von
Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998; Schubert, W.,
Preußen im Vormärz, 1999; Die Protokolle des preußischen Staatsministeriums
1817-1934/1938, Bd. 1ff. 1999ff.; Ohlff, H., Preußens Könige, 1999; Preußens
Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2000; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2000;
Preußen, hg. v. Schoeps, J., 2000; Preisendörfer, B., Staatsbildung als
Königskunst, 2000; Bahl, P., Der Hof des großen Kurfürsten, 2000; Krockow, C.
Graf v., Preußen, 2001; Straub, E., Eine kleine Geschichte Preußens, 2001;
Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001; Vondenhoff, C., Hegemonie und
Gleichgewicht im Bundesstaat, 2001; Preußens Weg in die politische Moderne, hg.
v. Holtz, B. u. a., 2001; Preußische Stile, hg. v. Bahners, Patrick, 2001; Bringmann,
W., Preußen unter Friedrich Wilhelm II., 2001; Neugebauer, W., Geschichte
Preußens, 2002; Kunisch, J., Friedrich der Große und die preußische Königskrönung
von 1701, 2002; Die preußische Rangerhöhung und Königskrönung 1701, hg. v.
Barmeyer, H., 2002; Päsler, R., Deutschsprachige Sachliteratur im Preußenland
bis 1500, 2003; Dierk, W., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003;
Kittstein, L., Politik im Zeitalter der Revolution, 2003; Wiedemann, A.,
Preußische Justizreformen, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle
Verfassungswerk Preußens, 2003; Preußen in Ostmitteleuropa, hg. v. Weber,
Matthias, 2003; Neugebauer, W., Geschichte Preußens, 2004; Vom Kurfürstentum
zum Königreich der Landstriche, hg. v. Lottes, G., 2004; Kulturgeschichte
Preußens königlich polnischen Anteils, hg. v. Beckmann, S. u. a., 2005; Haas,
S., Die Kultur der Verwaltung, 2005; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte,
2005; Preußens Herrscher, hg. v. Kroll, F., 2006; Das Thema Preußen in
Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v.
Neugebauer, W., 2006; Schleyer, B., Friedrich Wilhelm Bornemann (1798-1864),
2006; Gärtner, F., Joachim Georg Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007;
Manten, G., Das Notbischofsrecht der preußischen Könige und die preußische
Landeskirche, 2007
Priester ist allgemein der mit der Vornahme kultischer Handlungen
besonders betraute Mensch. -> Presbyter
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R.,
Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen,
Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom
altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und
Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prêtres en Gaule mérovingienne, 2001;
Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003
Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht das Sakrament, in dem in
einer rituellen Handlung der Bischof einem Menschen den Heiligen Geist und die
Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen (amtliche Verkündigung des Wortes
Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende Leitung des Volk Gottes)
vermittelt. Die P. kann nur einem Mann gespendet werden, der dafür geeignet,
befähigt und vorgebildet ist, vorher die Diakonatsweihe erhalten hat und sich
zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Die P. unterscheidet den Amtsträger
wesentlich vom einfachen Gläubigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen
Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Primas (Oberbischof) ist der hervorragende Bischof (z. B. Karthago
4. Jh., Thessaloniki, Arles 5. Jh., Toledo, Pisa, Canterbury, York, St.
Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon, Narbonne, Bourges, Vienne, Lund, Gnesen,
Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln, Hamburg, Bremen, Magdeburg, Salzburg,
Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.), seit 1971 nur noch der Papst.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Primogenitur (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht) (Ansätze in Flandern,
Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311, Katzenelnbogen 1331, Bayern
1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau
1375, Baden 1380)
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982
Princeps (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der von
Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) angenommene Titel und im germanisch-deutschen
Bereich der Erste, Große oder Fürst.
Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83, 311;
Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels
„princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat
und Dominat, 1978
Princeps legibus solutus
est (lat.) ist die lateinische
Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In
Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In
Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus
solutus von Justinian übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245
wieder zurück. Dem folgen Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von
Frankreich, so dass -> Baldus den König im Königreich dem Kaiser
gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit ist die Bedeutung umstritten. Teils
hält man im Anschluss an Jean -> Bodin (1576) an der Formel fest, teils
schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem Einfluss von Jacques Cujas und
danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der Herrscher an die Gesetze gebunden
(Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen 1850).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Vespasian,
69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)
Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst
Prinzeps -> princeps, Prinzipat
Prinzgemahl
Lit.:
Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950
Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der seit
dem 15. Jh. erscheinende Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der
Einrichtung des immerwährenden (ständig tagenden) Reichstages in Regensburg
(1663).
Lit.: Moser, J., Deutsches
Staatsrecht, Bd. 44 1751, 145; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano
impero, Bd. 2 1959, 9
Prinzipat ist im römischen Recht die Herrschaft des princeps
(Augustus 27 v. Chr.-14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum Übergang zum
Dominat.
Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§
25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen
Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 264; Kornemann, Doppelprinzipat und
Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H.,
Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur,
hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995
Prinzregent ist der regierende -> Prinz.
Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat, Bd. 1f. 1983
Prior (M.) Stellvertreter, Abt
Prior tempore potior
iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das
bessere Recht.
Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt, mahlt
zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Prise
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main
1970
Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher, Fischereiaufseher
(1375-1907)
Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen Bevölkerung,
1960, 83
Pritzwalk
Lit.: Urkunden der Stadt Pritzwalk in Regesten (1256-1703), hg. v.
Neitmann, K., 2007
Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der Einzelne berechtigt ist, seine
Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung eigenverantwortlich zu
gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen Lebens. Sie wird mit
zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in der Aufklärung als
allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata) hervorgehoben und vom
Liberalismus betont.
Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J.,
Parteiautonomie, 1995
Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als Privatperson betreffende Recht, das
nach älteren Ansätzen bei Grotius und Pufendorf im 18. Jh. als eigenes
Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft vor allem Erbrecht und Familienrecht,
nach 1806 die Standesherren. Es endet in Deutschland mit dem Übergang zur
Republik (Art. 109 II WRV).
Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae
heroicae, Bd. 1ff. 1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins
Privatfürstenrecht, 1783; Rehm, H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B.,
Begriff und Wirklichkeit des Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der
Rechtsbegriff der Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995
Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im grundherrschaftlichen
Hofgericht, Märkerding, Niedergericht und Patrimonialgericht. Sie endet
spätestens 1877/1879.
Privatrecht ist die Gesamtheit aller Rechtssätze, bei denen
Berechtigter oder Verpflichteter nicht ausschließlich ein Träger hoheitlicher
Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher ist. Ein (lat.) -> ius (N.)
privatum (privates Recht) unterscheidet bereits das römische Recht. Zu einer
Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.) publicum (öffentlichen Rechts)
kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine grundsätzliche Trennung zwischen
öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und 19. Jh. Sachlich zählen zum P.
Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht, Erbrecht und Familienrecht sowie
Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht. Geprägt ist das P. besonders durch
die Aufnahme römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell, DRG
2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des
Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur
juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches
Privatrecht, 1960, Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 18. A. 2005; Luig,
K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1
(1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese
des Privatrechts als „allgemeinem Wirtschaftsrecht“, in: FG H. Coing, 1982,
349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding,
P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e
siècle, 1987; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 8.
A. 1996; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J. Gernhuber,
1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft, 1997; Auf
dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a., 1997;
Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und Private in
der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale Aufgabe des
Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Privatrechts auf
römischrechtlicher Grundlage, 2003
Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des -> Privatrechts. Sie wird als P.
der Neuzeit 1935 besonders eingerichtet. Sie ist Teil der umfassenden ->
Rechtsgeschichte.
Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte
Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G./Wesener,
G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet vo. Molitor, Erich
1949), 2. A. 1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A. 1985, 6. A. 1988,
7. A. 1993, 8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff.; Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985),
283; Ourliac, P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Floßmann, U.,
Österreichische Privatrechtsgeschichte, 5. A. 2005; Nörr, K., Zwischen den
Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch
zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A.
2002
Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts in einem System. Ein
solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen bekannt (z. B. ->
Gaius) und auch dem Mittelalter fremd. Erst die Naturrechtslehrer des 17. Jh.s
versuchen, (lat.) more geometrico (in geometrischer Art) ein P. zu entwickeln
(-> Grotius, -> Pufendorf, -> Wolff, -> Nettelbladt), auf dessen
Grundlage Kodifikationen geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene
geschlossene Systeme des Privatrechts (-> Savigny, -> Puchta, ->
Gerber).
Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen Zivilrechtssystem,
FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines
nationalen Privatrechtssystems, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches Privatrecht,
ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip der
germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491;
Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni Fiorentini 8
(1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der
Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P. v., Öffentlich
und privat im Mittelalter, 2004
Privatstrafe ist die privat verhängte Strafe. Sie kommt dem Verletzten
zugute oder wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der Verstaatlichung des
gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe abgelöst.
Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im
klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe
in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und
Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz
im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht von Kaiser, König oder
Papst ausgestellte Urkunde, im heutigen Verständnis die von einer nicht
hoheitlich tätigen Person ausgestellte Urkunde. Nach Brunner ist im
Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia die schlichte, objektiv gehaltene
Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die dispositive, subjektiv gehaltene
Konstitutivurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H., Carta
und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den
Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der
frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977
Privileg ist das einem oder mehreren Einzelnen von einem Zuständigen
im Gegensatz zur Allgemeinheit eingeräumte Vorrecht. Im altrömischen Recht ist
(lat. [N.]) privilegium das Sondergesetz für den einzelnen dadurch nicht
benachteiligten Menschen, später das Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschengruppen.
Im Mittelalter ist P. die begünstigende, als ausschließlich behauptete
Herrschaftsrechte gewissermaßen weiterreichende Herrschaftshandlung zugunsten
eines Einzelnen, die meist in einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900
Königsurkunden zur Immunität, 1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die
Gewährung eines Privilegs verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem
12. Jh. führt man die Befugnis zur Privilegierung auf die
Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der französischen Revolution (1789)
werden in Frankreich alle Privilegien beseitigt. Im Übrigen wird das P. im 19.
Jh. durch den -> Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung
verstärkt sich im 20. Jh. noch
Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101,
102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 39;
Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und Kodifikation, Ius
commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von Privilegien im frühen
Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U., Die kaiserlichen
privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte der neueren
vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185; Österreichische
Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B., Einige
Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B., Vom
Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischriftgut,
1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im
europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T.,
Privileg und Verwaltungsakt, 2004
privilegium (N.) de non
appellando (lat.) Privileg des
Ausschlusses der -> Appellation an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte
des 15. Jh.s im weitem Umfang erteilt)
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
privilegium (N.) de non
evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses
der Ansichziehung (Evokation) eines Rechtsstreites seitens des Königs (bis 1487
bedeutsam)
privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach römisch-gemeinem Recht
Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689
privilegium (N.) impressorium
(lat.)
Druckprivileg
Privilegium (N.) maius (lat.) sind die 1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von
-> Österreich hergestellten, fünf falschen Urkunden, in denen zwecks
Gleichstellung mit den Kurfürsten und Benachteiligung der Brüder vom Fälscher
Österreich bzw. seinem Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum
Pfalzerzherzog, Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht [des Sohnes und hilfsweise der
Tochter], Belehnung in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts,
Beschränkung der Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der
Hoffahrtspflicht). Das auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs
gelten wollende (gefälschte) p. m wird von Kaiser Karl IV. nicht anerkannt. Die
Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 1453),
Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Im 19. Jh. wird die plumpe Fälschung
entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111; Baltl/Kocher;
Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum Österreich, 1902; Lhotsky,
A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977;
Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3 1988, 201
Privilegium (N.) minus (lat.) ist das am 17. 9. 1156 von -> Friedrich I.
Barbarossa dem Babenberger Heinrich Jasomirgott erteilte, seit 1852 als p. m.
bezeichnete Privileg. Es beruht darauf, dass der nach dem Tod des aus Sachsen
kommenden Kaisers Lothar von Süpplingenburg 1138 als Enkel Kaiser Heinrichs
IV. zum König gewählte -> Staufer Konrad III. dem unterlegenen, mit einer
Tochter Lothars verheirateten Mitbewerber Heinrich dem Stolzen aus der Familie
der -> Welfen aus machtpolitischen Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der
Begründung entzieht, dass niemand gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein
könne, und es seinem Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der ->
Babenberger als dem Markgrafen der Markgrafschaft -> Österreich zuteilt,
Friedrich I. aber als Nachfolger Konrads III. den gegen den Entzug
aufbegehrenden, inzwischen mündig gewordenen welfischen Vetter -> Heinrich
den Löwen zufriedenstellen will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs
des Babenbergers Heinrich Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst
hieraus aber 1156 Österreich als selbständiges, territorial (nicht völlig klar)
gekennzeichnetes -> Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin
werden gemeinsam belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit
im männlichen und im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei
Kinderlosigkeit sollen der belehnte Herzog und seine Gattin das Recht (lat.
[N.] ius) haben, den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi).
Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen
Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf
Hoftage in Bayern und die Pflicht zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten
Ländern des Herzogtums beschränkt. Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen
werden feierlich vollzogen (Rückgabe von sieben Fahnen für Bayern und
Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich I., Hingabe dieser sieben
Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch
Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung Österreichs zum Herzogtum,
Überreichung zweier dies versinnbildlichender Fahnen durch Friedrich I. an
Heinrich Jasomirgott). Vom p. m. ist das Original nicht erhalten, da es
vermutlich 1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten privilegium maius durch
Herzog Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine Abschrift der Mitte des
13. Jh.s aus Klosterneuburg.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Tangl,
M., Die Echtheit des österreichischenj Privilegium minus, ZRG 25 (1904), 258; Schrader,
E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69 (1952), 371; Fichtenau,
H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1977,
Neudruck 2006
Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer gleichzeitigen Prunkausfertigung
erhaltene, die Rechte des Papstes einschließlich der karolingischen Schenkungen
und der Vereinbarungen über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I.
für Papst Johannes XII.
Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983;
Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134
probatio (lat. [F.]) Beweis
proceres (lat. [M.Pl.]) Vornehme, Große
Proculus (20/10 v. Chr.-50/70 n. Chr.) ist ein römischer Jurist, der
seit 33 n. Chr. Haupt der nach ihm benannten Rechtsschule ist, zu der ->
Labeo filius und -> Nerva pater zählen und der die Rechtsschule des ->
Sabinus gegenübersteht. Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae in
wohl 12 Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Juristen zitiert.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft
und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe, C.,
Proculi Epistulae, 1970
Procurator (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Prozessvertreter
oder Verwalter.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II
1, 49 II 4, 82 IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW
Prodigus (lat. [M.]) ist bereits im altrömischen Recht der vom
Magistrat durch Interdiktion entmündigte Verschwender, für den ein (lat. [M.])
curator (Pfleger) treuhänderisch handelt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG 22
Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1. 1990 geltende, durch eine
Richtlinie der -> Europäischen Gemeinschaft veranlasste ->
Gefährdungshaftung des Herstellers eines Produktes. Sie steht neben der von der
Rechtsprechung entwickelten Produzentenhaftung, ohne sie verdrängen zu können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H.,
Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz
und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211
Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s von der
Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild entwickelte
deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von seinen Erzeugnissen
verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für bestimmte
Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch die
Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die P.
durch eine Produkthaftung ergänzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271
Profess (lat. professio [F.] religiosa) ist die Ablegung des
Ordensgelübdes (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche
Wirkungen (z. B. Erwerbsunfähigkeit, Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit
dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht nicht mehr ein.
Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des
Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
professio (F.) iuris (lat.) Bekenntnis zu einem für den Bekennenden anwendbaren
Recht (vor allem zu einem -> Volksrecht im Frühmittelalter)
Lit.: Calasso, F., Medio evo del
diritto, 1954, 117f., 186, 259
Professor ist seit dem Hochmittelalter (13. Jh.) vor allem der
Universitätslehrer. Dabei ist in der Rechtswissenschaft im 15. Jh. noch der erste
Dekretalist der vornehmste Rechtslehrer, in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s
dagegen der Lehrer des weltlichen Codex. Die Versorgung erfolgt noch im 15. Jh.
überwiegend durch Benefizien (Pfründen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186; Schwarz, A.,
Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, in: Rechtsgeschichte
und Gegenwart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum Gottingensium
1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v. Mühl, 1981,
509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M.,
Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997;
Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S.,
Peregrinatio academica, 2002
Profos (zu lat. [M.] praepositus) Ankläger im Heer,
Vollstreckungsbediensteter
Pro herede gestio (lat [F.]) ist im klassischen römischen Recht das
Verhalten wie ein Erbe, durch das die Außenerben die Erbschaft annehmen.
Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38
Prokulianer -> Proculus
Prokura ist die seit der Neuzeit vom Inhaber eines Handelsgeschäfts
oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilte besondere Vertretungsmacht.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913
Prokurator (lat. [M.] procurator) ist der Vertreter einer Partei in einem
gerichtlichen Verfahren bezüglich der formgerechten Vornahme der
Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P. ist dem
römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht
wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland 1877/1879
aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am
Reichskammerericht, 2001; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006
Proletariat (N.) besitzlose Klasse
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984
promissio (lat. [F.]) Versprechen
Promotion (F.) Vorwärtsbewegung, Qualifikationsverfahren zum Erwerb
des Doktorgrads
Lit.: Münch, I. v., Promotion, 2002, 2. A. 2003, 3. A. 2006;
Examen, Titel, Promotionen, hg. v. Schwinges, R. 2007
Promptuarium (N.) iuris (lat.) ist das alphabetisch geordnete, 1408 bis 1422 von
Ulrich von Albeck verfasste Rechtslexikon, dessen Handschrift in Graz liegt.
Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des Reichskanzlers
und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158
Property Acts (1922-5) sind neun das Sachenrecht betreffende
Einzelgesetze des -> englischen Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
proprietas (lat. [F.]) Eigentum
Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler, G.,
Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Propst ist im frühmittelalterlichen Kloster der dem Abt folgende
Vorgesetzte, der teils vom -> Prior verdrängt wird, teils das Amt des ->
Archidiakons erlangt. In der evangelischen Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart
fort.
Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste, Propstei und
Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
proscriptio (lat. [F.]) Ächtung
Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution, 1905; Schuster,
B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in der römischen
Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die Reglementierung von
Prostitution, 1999; Stumpp, E., Prostitution in der römischen Antike, 2001;
Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft, 2005; Hemmie, D.,
Ungeordnete Unzucht, 2006
Protektorat ist seit dem 19. Jh. die Schutzherrschaft eines Staates
oder mehrerer Staaten über einen Staat bzw. dessen Gebiet (z. B. 1806
Rheinbund, 1815 Republik Krakau, 1881 Tunesien, 1912 Marokko, 1914 Ägypten).
Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288;
Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Protest ist allgemein die Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt
politischer Opposition reichen kann (Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P.
seit der frühen Neuzeit die öffentliche Beurkundung der Verweigerung der
Annahme oder Zahlung bei Vorlage bestimmter Wertpapiere.
Lit.: Kück, H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker, H.,
Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda, 1997
Protestant ist allgemein der Protestierende, insbesondere der gegen
die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen Beschluss der
katholischen Reichstagsmehrheit im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
(in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte religiöse Einstellung
Protestierende.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius, P., Das
Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959;
Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der
Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner,
S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006
Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht.
Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS K.
Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6,
25)
Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer Urkunde, im weiteren
Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig anerkannte
Niederschrift über eine Verhandlung.
Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3; Protocolle der
deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle der Commission
zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866,
1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.,
Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986
Protonotar (M.) oberster Schreiber
Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste Schreiber, der im Deutschen
Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei) erscheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912
Provence ist das die älteste römische Provinz in Gallien bildende
Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen. Die P. kommt 1032 an das
-> Deutsche Reich, 1481 an -> Frankreich. Sie ist dort ein Gebiet des
Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechts).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner,
R., Die Provence in merowingischer Zeit, 1933 ; Busquet, R., Histoire de
la Provence, 4. A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976
Provinz ist ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen
Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche
Kirche) seit dem römischen Altertum (227 v. Chr.). In Rom steht ein Statthalter
an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als 100 Provinzen. Im Frühmittelalter
entspricht die P. dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der Neuzeit teilen
verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis 1789, Preußen
1815).
Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische
Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der
Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die
preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA
73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg. v. Bechert,
T., 1998
Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.
Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis zum
Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999
Provinzialrecht ist das besondere Recht einer Provinz im Verhältnis zum
allgemeinen Recht.
Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen Rechte
der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.
Provinzialstand ist der eine -> Provinz betreffende -> Stand
(Landstand, z. B. in Preußen).
Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände in
Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der
Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G., Gesetzgebung
und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265
pro viribus
hereditatis (lat.) (für die Mittel der
Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Wert des
Nachlasses.
Lit.: Köbler, DRG 162
Provision ist im Kirchenrecht seit dem Mittelalter die Übertragung
eines freien Kirchenamtes durch die zuständige Stelle an einen geeigneten
Menschen.
Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere
Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
provocatio (lat. [F.]) Anrufung der Volksversammlung gegen ein
magistratisches Strafurteil
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Prozess ist ein rechtlich geordneter, von Lage zu Lage sich entwickelnder
Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen) Entscheidung über ein behauptetes
materielles Rechtsverhältnis. Das gerichtliche Verfahren entsteht vermutlich
aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen Streites wegen der mit der
-> Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen ganz allmählich. Bereits das
altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen nicht ganz eindeutigen
Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen Verfahren (Erkenntnisverfahren)
stattfindet und dass der verfolgende Zugriff (Vollstreckungsverfahren) nur in
bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend ist die wohl der Entlastung der
Höchstmagistrate und zugleich der Rechtssicherheit der Betroffenen dienende
Zweiteilung des Verfahrens in zwei Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw.
apud iudicem, vor dem Richter). In Fällen allgemeiner Bedeutung befindet
vielleicht anfangs der König, danach ein einzelner Magistrat, gegen deren
Entscheidung jeder männliche freie Bürger die Volksversammlung anrufen kann
(lat. [F.] -> provocatio). Später wird das Legisaktionenverfahren (->
legisactio) zum -> Formularverfahren und dieses zum -> Kognitionsverfahren.
Über Verfahren bei den Germanen berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das
Frühmittelalter überliefert eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die
das Nebeneinander von Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen
lassen. Seit dem 12. Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht
Prozessrechtsliteratur sichtbar. Seit dem Spätmittelalter wird der in Oberitalien
ausgebildete römisch-kanonische P. (-> Schriftlichkeit, tatsächlicher
Anwaltszwang, Artikulierung, -> Berufsrichter, -> Appellation,
Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess)
aufgenommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der in
Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893;
Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L.,
Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden
des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform,
1925; Kafka, F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des
früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg); Buchda,
G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Kaser, M.,
Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des Richters im
gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die „Vorrede“ im
sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90; Behrends, O.,
Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und Verfahren.
Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich, 1995; Werkmüller,
D., „Et ita est altercatio finita“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg.
v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v. Demandt, A., 1990;
Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v. Manthe, U. u. a., 3. A.
2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten, 1997; Ferrari Zumbini,
R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale, 1997; Prozessakten als
Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M., Prozess und Recht im alten
Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005
Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines Richters, Urteilers,
Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im -> Prozess. Sie findet
sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit.
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867, Neudruck
1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5
1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen
1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches,
Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G.
Schmelzeisen, 1980, 360
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen selbst oder durch einen
Prozessbevollmächtigten wirksam vorzunehmen oder entgegenzunehmen. Sie wird
erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der Postulationsfähigkeit getrennt.
Im älteren Recht ist sie entsprechend der Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt
und im Einzelnen örtlich und zeitlich verschieden gestaltet.
Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E.,
Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973
Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht die zu jeder ->
Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel. Sie besteht nach
ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio, intentio und
condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter
eine beschränkte Zahl von Formularen des -> writ.
Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33
Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr (mhd. vare), den ->
Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor Gericht zu verlieren. Ihre
Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur Umgehung bedient man sich des
-> Fürsprechers als eines Vertreters im Wort, dessen Vortrag die Partei
genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in Stadtrechten, die ihren Ausschluss als
Privilegierung erwähnen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H., Die
Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866
Prozesshandlung ist die prozessgestaltende Beteiligung der Partei und der
Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem -> Prozess (z. B. Klage). Als
allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel -> Nettelbladt (1719-1791)
erkannt.
Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen im
Strafprozess, 2002
Prozesskosten sind die bei einem -> Prozess entstehenden Kosten. Sie
trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unterliegende Partei. Seit dem
Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem Richter unmittelbar
anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass der Unterliegende die
Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen durchbrochen. Seit dem Ende
des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über die
Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck
1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und Prozesserfolg,
FS A. Erler, 1976, 509
Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das ältere -> Armenrecht
ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die nach ihren persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Führung eines Prozesses
nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Prozessmaxime ist der leitende Grundsatz des Verfahrensrechts (z. B.
Mündlichkeit/Schriftlichkeit, Öffentlichkeit/Heimlichkeit,
Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrundsatz, Untersuchungsgrundsatz,
Instruktionsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit, Konzentrationsmaxime).
Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im 19. Jh.
Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen
Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungsmaxime,
Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of
European Civil Procedure, 1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner
Prozessmaximen, 1975
Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des -> Prozesses auf der
Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schriftums. ->
Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung -> Gerichtsordnung
Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen, 1938
Prozesspartei ist die -> Partei im -> Prozess.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Köbler, G.,
Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Prozessrecht ist das für den -> Prozess geltende Recht. Es ist in der
älteren Zeit vielfach Gewohnheitsrecht, seit dem Spätmittelalter zunehmend
gesetztes Recht. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker getrennt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur Entwicklung
des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die französische
Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat,
Diss. jur. Gießen 1988
Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines Rechtsstreits durch
verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln. Sie ist bereits für
den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird auch im
mittelalterlichen gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh. zur
Abhilfe eingeführte -> Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig wie
preußische Beschleunigungsmaßnahmen von 1781 und 1793. Auch die deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die Frage nicht erfolgreich.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das
innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach
Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung
einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder des Beklagten im ->
Prozess. Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt der im Namen eines
anderen geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen den Vertretenen, so
dass die vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten Wirkungen besonders
auf den Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im Mittelalter wird zur
Vermeidung der -> Prozessgefahr ein -> Fürsprecher und allmählich auch
ein Vertreter in der Sache zugelassen (Königsgericht, Stadtrechte 13. Jh.,
Kammergerichtsordnung 1471). Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechts
zieht dabei der gelehrte Jurist als -> Advokat oder -> Prokurator die P.
mehr und mehr an sich.
Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1989,
Neudruck 1973
Prügelstrafe ist die mit einem Prügel vollzogene Leibesstrafe. Sie ist
anscheinend in älterer Zeit eine auf Unfreie und später auch niedrige Freie
beschränkte Maßnahme. Seit dem Hochmittelalter wird sie auch allgemeiner an
Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird die P. beseitigt (Nassau 1809, Baden 1831,
Braunschweig 1837, Darmstadt 1841, Preußen 1848, Österreich 1848 [bis 1852]
bzw. 1867, Bayern 1861, Mecklenburg 1871).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und
Lebensstrafen, 2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der
Prügelstrafe, ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und
Züchtigungsrecht, 1994
Przemyslide (Přemyslide) ist der Angehörige eines sich auf einen
Przemysl bzw. Přemysl (den Pflüger) zurückführenden, vor 890 sichtbaren
Geschlechts, das die Herrschaft in -> Böhmen erlangt, aber 1306 erlischt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die Přemysliden,
1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1
1966; Zemlicka, J., Přemysl Otakar I., 1990
Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere (zugunsten der Bischöfe)
fälschende Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s mit
rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des
Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg,
Russische Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von
Chalkedon in der Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris,
Bibliothèque Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen Fälschungen
(auf dem politischen Hintergrund des Streits um die Einheit des
Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe
maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 847
und 852 von mehreren Verfassern (unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an
der Somme?) hergestellt. Der Gesamtnachweis der Fälschung gelingt erst der neuzeitlichen
Wissenschaft.
Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der
pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter,
hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter
Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?,
hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002
Publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen römischen Recht der wohl
seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems indirekter Finanzverwaltung
tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung ersetzte Steuerpächter.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32;
Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997
Publikation (F.) Veröffentlichung (von Gesetzen)
Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur. Greifswald
1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen, Diss. jur.
Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation in Preußen,
1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn, T., Die
Geschichte der Gesetzespublikation, 2003
Publizistik (F.) Veröffentlichungskunde, Gesamtheit der
Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre
Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt,
R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1992
Publizität ist die Offenkundigkeit bzw. die mit einer jedermann
erkennbaren Eintragung in ein öffentliches Register verbundene Rechtswirkung.
Das Prinzip der P. findet sich in verschiedener Gestalt in fast allen Zeiten.
Seine Zurückdrängung in der frühen Neuzeit wird im 19. Jh. wieder beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 18 I 3a, 22 II 2b, 24
II 1, 32 II 4c, 76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel
diritto moderno, 1901; Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das
sog. Publizitätsprinzip,
1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Puchta, Georg Friedrich (Cadolzburg 31. 8. 1798-Berlin 8. 1.
1846), Justizamtmannssohn, wird nach der Schule in Nürnberg (Hegel) und dem
Rechtsstudium in Erlangen 1823 außerordentlicher Professor in Erlangen (, wo er
1827 eine Neuausrichtung seines Forschungsprogramms von der römischen
Rechtsgeschichte zur Praxis des zeitgenössischen römischen Rechts ankündigt),
1828 ordentlicher Professor in München, 1835 in Marburg, 1837 in Leipzig und
1842 als Nachfolger Savignys in Berlin. Nach dem in langen Gedankenketten
durchkonstruierten, philosophisch und politisch klar durchdachten, im
Wesentlichen auf Schelling gründenden und deshalb bald nicht mehr verstandenen
Gesamtkonzept Puchtas ist der von den -> Juristen geprägte -> Volksgeist
die Quelle des zugleich geschichtlichen und vernünftigen Rechts. Da das Recht
vernünftig ist, bildet es ein System. In Erkenntnis dieses Systems fördert die
Wissenschaft durch Deduktion neu entstehende Rechtssätze zutage (->
Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern stellt P. allerdings im
Wesentlichen nur das geltende Recht systematisch dar. Seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außerjuristisches ausschließende
Betrachtungsweise zunehmend abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838;
Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer
Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und
Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler,
Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz,
2004
puer (lat. [M.) Knabe, Knecht
Pufendorf, Friedrich Esajas von (Bückeburg 12. 9. 1707-Celle 25. 8.
1785), Oberappellationsgerichtsratssohn und Großneffe Samuel von Pufendorfs,
wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Böhmer, Thomasius, Wolff) Advokat in
Celle und 1739 Richter. Neben Anderem verfasst er (bis 1772?) einen Entwurf
eines Landrechtes von -> Hannover in 128 Titeln und 1570 Paragraphen.
Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines
hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970
Pufendorf, Samuel von (Dorfchemnitz bei Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26.
10. 1694), Pfarrerssohn, wird nach der Schule in Grimma und einem mehrseitigen
Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661 Professor des Naturrechts und
Völkerrechts der philosophischen Fakultät in Heidelberg, 1670 Professor in
Lund, dann Hofgeschichtsschreiber in Stockholm und 1688 in Berlin. 1667
veröffentlicht er unter dem Namen Severinus de Monzambano das kritische Werk
(lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand des deutschen Reichs), 1672 De
iure naturae et gentium libri octo (Vom Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher)
und in kürzerer Fassung 1673 De officio hominis et civis (Von der Pflicht des
Menschen und Bürgers). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht
ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten
müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166, 206; Severinus
de Monzambao (Samuel von Pufendorf), De statu imperii Germanici, hg. v.
Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Platz, J.,
Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306; Denzer, H.,,
Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972; Randelzhofer,
A., Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis, M., Geschichte
des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D., Pufendorf-Studien,
1992; Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v. Luig, K., 1994;
Behme, T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die Frühaufklärung,
hg. v. Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte Werke, hg. v.
Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und seine Wirkungen,
hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di Samuel Pufendorf,
1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Haas, J.,
Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de Monzambano, 2006
Pulltag (M.) Zinshühnertag
Lit.: Loch, A., Der Pulltag, ZRG GA 48 (1928), 448
Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein Unrecht geschieht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil Unrecht begangen wurde.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Pupillarsubstitution ist im klassischen römischen Recht die Bestimmung eines
Erben für einen als Ersatzerben eingesetzten Abkömmling durch den Erblasser.
Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11;
Köbler, DRG 38
Purgold, Johannes (um 1470-Eisenach nach 1534) ist von 1490 bis
1534 Stadtschreiber von -> Eisenach. 1503/1504 bearbeitet er das Eisenacher
Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften erhaltenen, in 12
Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er hat juristische
Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft nachweisbar ist.
Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v. Ortloff,
F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi,
P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
57f.
Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6. 1725-Göttingen 12. 8.
1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1738, Wolff),
Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und Marburg 1744 Rechtslehrer
in Marburg und 1746 Professor in -> Göttingen. Dort wird er der bedeutendste
Staatsrechtslehrer seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler,
gibt den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die
moderne Rechtsvergleichung vor und legt mit dem -> geistigen Eigentum den
Grund für ein fortschrittliches -> Urheberrecht.
Lit.: Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen Encyclopädie
und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici Germanici,
1770; Pütter, G., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, G., Historische
Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001; Mohl,
R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856, 425;
Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die
juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der
Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in
Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75
Q
Quadripartitus ist das um 1114 entstandene, in vier Teile gegliederte, in
zwei Teilen erhaltene anglolateinische Rechtsbuch, in dem ein Weltgeistlicher
kontinentaler Herkunft angelsächsische Gesetze in die lateinische Sprache
übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften sammelt. Teil 3 ist
vermutlich in den (lat.) -> Leges (F.Pl.) Henrici Primi erhalten.
Lit.:
Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson, H./Sayles, G., Law and Legislation,
1966
quadrupes (lat. [Adj., M., F.]) vierfüßig, Vierfüßler
Lit.: Köbler, DRG 27, 48
quadruplum (lat. [N.]) Vierfaches
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65
quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung
Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les questions
disputées, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quaestiones ac monita (lat.) ist der Name für eine vielleicht zwischen 967 und
1019 entstandene, in einer Handschrift des 11. Jh.s der Abtei Susa (Piemont)
gefundene Sammlung von kurzen Stücken des salfränkischen, langobardischen und
römischen Rechts.
Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67, 274
quaestor (lat. [M.]) Sucher, Frager, Ermittler (von Vermögenswerten)
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18
quanti interest (lat.) was es ihm wert ist
Lit.: Köbler, DRG 42
Quantifizierung
Lit.:
Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und Rechtstheorie, ZRG GA 116
(1999), 482
quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher
Lit.: Köbler, DRG 36
Quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen römischen Recht das falzidische
Viertel des Vermögens, das nach einer lex Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser
zugunsten der Erben von Belastungen durch Vermächtnisse unberührt lassen muss.
Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II
6; Söllner § 15; Köbler, DRG 39
Quartierlast ist die nach Anfängen in Spätantike und Frühmittelalter
seit dem 15. Jh. deutlicher erkennbare Belastung der Bevölkerung mit einer
Unterbringungslast zugunsten von Soldaten.
Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig 1908;
Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold,
F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961
Quasidelikt ist das dem Delikt nahestehende Schuldverhältnis des
spätantiken römischen Rechts (z. B. Schädigung durch Übernahme einer
überfordernden Aufgabe).
Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62;
Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, in: Iurisprudentia
universalis, 2002, 175
Quasikontrakt ist das dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis des
spätantiken römischen Rechts (z. B. Gemeinschaft).
Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II
1; Köbler, DRG 62
Quattuor doctores (lat. [M.Pl.) sind (die) vier (besonders bekannten) Lehrer
des römischen Rechts im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo, -> Jacobus, -> Martinus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G.,
Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quedlinburg
Lit.: Quedlinburgische Geschichte, Bd. 1f. 1922; Militzer,
K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980
Querela (F.) inofficiosi
testamenti (lat.) ist seit dem klassischen
römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testamentes, mit der Kinder
und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den
Zentumviri, später im Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die
sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm
nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.
Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2,
70 I; Köbler, DRG 38, 60
Quesnay, François (1694-1774) ist der bekannteste Vertreter des
-> Physiokratismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y.,
Quesnay et la physiocratie, 1896
Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit curia (lat.). Was die -> Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit der ->
Glossatoren) nicht anerkennt, anerkennt das Gericht nicht.
Lit.:
Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel Quicquid non agnoscit glossa, nec
agnoscit forum, 1880
Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint zuzustimmen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus 5, 13,
43)
Quittung ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte
schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer Schuld.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss. jur.
Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss. jur. Greifswald 1899
Quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt (frühe
Neuzeit).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 ; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
Quod omnes tangit debet ab omnibus approbari (lat.). Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen werden.
Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought, 1964,
163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Codex Justinianus 5, 59,
5 § 2 am Ende, 534)
Quot homines tot
sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so
viele Meinungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)
Quote (F.) Anteil
Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im
Schadensersatzrecht, 1977
R
Rabatt
Lit.: Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955),
Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer
kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig,
ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München
(1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des -> Nationalsozialismus
1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden
Rechtsgeschichte herkommend fördert er maßgeblich die Rechtsvergleichung
zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme.
Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f. 1936ff.;
Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst Rabel und
das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht,
2004; Utermark, T., Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bei Ernst Rabel,
2005
Rache ist die Vergeltung einer tatsächlichen oder vermeintlichen
Rechtsverletzung durch den Verletzten. Sie ist -> Selbsthilfe (-> Fehde).
Sie wird seit dem frühen Recht vom staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und
allmählich vollständig ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 26,
70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle, F.,
Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F., Rache,
Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD.
Dozentenbundes 1941, 280
Rachinburge (lat.-afrk. rachinburgius [M.])
ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf dem Malberg
gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil findet. Er wird
teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen 770 und 780
ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige -> Schöffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993
Radbruch, Gustav Lambert (Lübeck 21. 11. 1878-Heidelberg 23. 11.
1949), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig (Sohm,
Binding) und Berlin in Heidelberg (Lilienthal) außerordentlicher Professor,
danach ordentlicher Professor in Königsberg, 1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg
sowie nach Ende der im Mai 1933 angeordneten Entlassung aus dem öffentlichen
Dienst 1945 wieder in Heidelberg. 1921/2 und 1923 wirkt er als sozialdemokratischer
Reichsjustizminister, der sich für Sicherung und Resozialisierung als
Strafzwecke einsetzt. In seinen neukantianischen Grundzügen der Rechtsphilosophie
betont er zunächst unter Verneinung des Naturrechts Rechtssicherheit,
Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit, nach 1945 vor allem den Vorrang des
übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen Unrecht.
Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie, 8.
A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs Kieler
Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd. 20
Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Wiegand,
M., Unrichtiges Recht, 2004
Rädelsführer ist, wer eine führende Rolle in einer Gruppe von Menschen
einnimmt. Der R. wird in der Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders
hervorgehoben.
Rädern ist die jedenfalls bereits im Frühmittelalter bezeugte,
unter Verwendung eines Rades entweder durch Brechen des Rückgrates oder der
Körperglieder erfolgende -> Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 496;
Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F., di
sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper, P.,
1997
Radfahrer
Lit.: Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im
Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194
Radizierung (F.) Verdinglichung, Verknüpfung mit einem Recht an einer
Liegenschaft
Radolfzell am Bodensee wird 1100 Begünstigter eines von Kaiser
Heinrich IV. dem Abt von Reichenau für R. verliehenen Marktrechts. 1267 wird es
Stadt. Am 18. 12. 1506 erlässt König Maximilian für die im 14. Jh. an Habsburg
gelangte Stadt eine handschriftlich überlieferte, die malefitz-Recht benannte
Halsgerichtsordnung, die eine Indizienlehre für die Folter noch nicht kennt.
Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell, 1896; Ruoff,
F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte der Stadt
Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967
Raetia -> Rätien
Ragusa
Lit.: Bjelovučič, H., The Ragusan republic, 1970; Mitić,
I., Die Republik Ragusa, ZRG GA 101 (1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal
Dubrovnik, ZRG GA 103 (1986), 248
Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3.
1818-Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete ländliche
Selbsthilfekreditgenossenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur Vorgeschichte
der österreichischen Raiffeisenbewegung, 1993; Klein, W., Werk und Nachwirkung
des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997
Raimund von Peniaforte -> Raymundus de Penyafort
Raitkammer (Rechnungskammer, Finanzbehörde [König Maximilians in Tirol])
Raleigh, William (†1250)
wird 1214 Schreiber bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter
an King’s Bench, 1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er
gilt teilweise als bedeutendster Richter des mittelalterlichen -> England.
Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century justice,
1981
Randa, Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in Prag
dort 1862 außerordentlicher Professor, 1868 ordentlicher Professor und 1904
Minister. Er ist der wichtigste Vertreter der tschechischen Rechtswissenschaft
des 19. Jh.s.
Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie ceské
právní vedy, 1993, 113
Rang ist die bestimmte Stufe innerhalb einer Ordnung. Bedeutsam
ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechtes für die Reihenfolge der
Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichendem Vermögen
des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung. Hier gilt bereits im römischen
Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten vom Recht dafür
festgelegten Handlung), der allerdings durchbrochen werden kann. Im geltenden
deutschen Recht dient auch die -> Vormerkung der Sicherung des Ranges.
Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J., Die
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78 u.
ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Ranshofen am Inn ist Ort einer bayerischen Pfalz, in der 985/995 ein
Gesetz (lat. [F.] constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der
Flucht und den Handlungen Unfreier befasst.
Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929, 167
Rantzau bei Plön ist Sitz einer reichsunmittelbaren Grafschaft, in
deren Gut Ascheberg der Graf 1739 mit der Abschaffung der Leibeigenschaft
beginnt.
Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft Rantzau,
1840
Ranulf de -> Glanvill
rapina (lat. [F.])
Raub
Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961
raptus (lat. [M.]) Raub, Vergewaltigung
Rasen ist die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol
Verwendung finden. Im altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei
der Begründung der Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines
Unrechtserfolges.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über
altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672
Rasse ist die durch kennzeichnende gleiche Merkmale abgrenzbare
Art einer Gattung von Lebewesen. In Anlehnung an die Vererbungslehre Gregor
Mendels entwickelt Adolf -> Hitler die ideologische Vorstellung vom Vorzug
der arischen Rasse insbesondere gegenüber den Juden und „Nichtariern“. Die
Anwendbarkeit der Vorstellung der R. auf den Menschen ist in der Gegenwart
zweifelhaft geworden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, Grundsätzliches über das Verhältnis
von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart/Globke, H.,
Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Meyer, H.,
Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als
Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse,
Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a.,
1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist
Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116
(1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J.,
Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger
Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose
Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung a Kaiser-Wilhelm-Instituten, hg. v.
Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004
Rat ist der Vorschlag für ein Verhalten und von dort abgeleitet
eine Gruppe beratender Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem und
italienischem Vorbild (Pisa, Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11. Jh.)
seit dem Ende des 12. Jh.s ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes, den
Stadtherrn ablösendes oder ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen
Geschlechter (mit meist zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400
Ratsherren, sowie dem -> Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später
umgeben sich auch König und Landesherren mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat,
Staatsrat). Verstärkt werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen. In der
späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein Bundesrat, Reichsrat,
Nationalrat, Ministerrat, Rat der Volksbeauftragten, Parlamentarischer Rat,
Zentralrat oder Europarat.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113, 115,
149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch, C.
Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W., Die
Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der
Stadtverfassung, 1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The
origin of town councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J.,
The common council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1; Köthe,
J., Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen, 1939;
Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters, Diss.
phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in
Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich
und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die Verfassung und
Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten Räte, Zs. f.
bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät
Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte,
1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König Ruprechts, ZGO 116 (1968), 59; Becker,
W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire comparée de l’Administration, hg. v.
Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter, R., Der landesherrliche Hofrat, 1981;
Schulten, G., Entstehung und Entwicklung des Ratswesens, Diss. phil. Tübingen
1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung
im mittelalterlichen Braunschweig, 1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur,
R., 1986; Fischer, S., Der Geheime Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische
Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Reinle, C.,
Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), 1993; Koch, B., Räte auf deutschen
Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1999; Godding,
P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999;
Ratsprotkolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002;
Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003
Rat der
Volksbeauftragten ist das am 10. 11. 1918
gebildete vorläufige Regierungsorgan des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern,
das am 11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten des ersten Weltkrieges
einen Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die Macht an die
Nationalversammlung abgibt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S.,
Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000
Rätebewegung ist eine politische Bewegung des 20. Jh.s, welche die
Lenkung eines Gemeinwesens durch Räte (Arbeiterräte usw.) anstrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen
Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962;
Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat
der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias,
E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann,
1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975
Rat für gegenseitige
Wirtschaftshilfe -> Comecon
Rathaus ist das vom Rat der Stadt für seine Bedürfnisse seit dem
13. Jh. geschaffene Haus (z. B. Volterra, Siena, Florenz, Lübeck, Stralsund,
Brügge, Brüssel, Goslar, Paderborn, Rothenburg, Nürnberg, Schwäbisch Hall oder
Augsburg).
Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber, K.,
Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München,
1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche
Rathäuser in Deutschland, 2004
Rätien ist das Siedlungsgebiet der nichtindogermanischen Räter um
den oberen Inn, das 15 v. Chr. von den Römern erobert wird und im 5. Jh. an die
Alemannen übergeht. Im Frühmittelalter gilt dort die (lat.) -> Lex (F.)
Romana Curiensis.
Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische
Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348; Heuberger,
R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O., Das
churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O., Nochmals
zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts, ZRG G 76
(1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer Handschrift aus der
römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller, I., Glanz des
rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1 1985;
Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze); Erhart, P. u. a.,
Urkunednlanschaft Rätien, 2004
Ratingen
Lit., Redlich, O. u. a., Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen
zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte,
Ratingen, bearb. v. Redlich, O., 1928
Rationalismus ist die von René Descartes (1596-1650) begründete
Denkhaltung, die allein von der Vernunft und von allgemeinen logischen
Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv zur Wahrheit gelangen
will.
Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939;
Schmidt, G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische
Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996
Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12. Jh. vom -> Rat der
Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmählich erlangte
Zuständigkeit in Gerichtsangelegenheiten. Sie ist in den Einzelheiten örtlich
ziemlich verschieden gestaltet.
Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen
Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum
Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer
Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v.
Demelius, H., 1980
Ratsherr ist das einzelne Mitglied des -> Rates einer ->
Stadt.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980; Rabe,
H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die Ratsherren
der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970
Ratsurteil -> Ratsgerichtsbarkeit
Ratsverfassung -> Rat
Raub (lat. [F.] rapina)
ist die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen
Menschen oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib
und Leben in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter
gilt der R. als weniger verbrecherisch als der Diebstahl. Rechtsfolge ist meist
die Enthauptung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158;
Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G.,
Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG
GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner
in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K.,
Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und
Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003),
355
Raubehe ist die angeblich durch -> Raub einer -> Frau
begründbare -> Ehe.
Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883
Räuber -> Raub
Lit.:
Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700, 1988; Schurke oder Held?, hg.
v. Siebenmorgen, H., 1995
Raubritter ist der im Spätmittelalter nach Verlust seiner Bedeutung im
Heereswesen Raub als Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende Ritter (z. B.
Eppelein von Gailingen in Franken).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik des
spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469; Görner,
R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche
Selbstbehauptung, 1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997
Ravanis -> Jacobus de Ravanis
Ravenna im Mündungsdelta des Po ist im 5. Jh. Residenz des
weströmischen Kaisers und seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs des Großen).
Vielleicht besteht dort im 11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt R. an
Venedig, 1509 an den Kirchenstaat und 1870 an -> Italien (1861).
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechts im
Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna,
Bd. 1ff. 1969ff.; Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ravensberg
Lit.: Riepenhausen, H., Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes
bis 1770, 1938
Ravensburg an der Schussen wird vielleicht schon vor 1276 Reichsstadt.
Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen Ravensburger Handelsgesellschaft
der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat, die Leinwandhandel im Süden und Westen
Europas betreibt. Sie unterliegt am Beginn der Neuzeit der neueren
Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kaufleute.
Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen
Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der
Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche
Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487; Steiner,
H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur. München 1959; Dreher,
A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die rechtliche Struktur
süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die große Ravensburger
Handelsgesellschaft, 1985
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte) (Villafranca de Penades bei
Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275),
hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in
Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie, 1238 Generalmagister der
Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine (lat.) Summa (F.) de casibus
conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia, mit
der er die Entwicklung des Strafrechts beeinflusst, und 1230/1234 den die
nachgratianischen -> Dekretalen der Päpste sammelnden (lat.) -> Liber
(M.) extra.
Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of
Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner,
S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70
(1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972, 287
Raymund von Wiener
Neustadt (?) ist der unbekannte Verfasser
einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte und
nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, die das
römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im
dreigeteilten Schema von Personen, Sachen und Klagansprüchen populär darstellt.
Die Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die Mehrheit der in der
Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im polnisch-slowakischen Gebiet
erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge bestehen könnten.
Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R., Das
eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die Summa
legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926
real (sachlich, körperlich, tatsächlich)
Realfolium ist das für ein Grundstück unabhängig von der Person des
jeweiligen Eigentümers angelegte Blatt des -> Grundbuches.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
125
Realkontrakt -> Realvertrag
Reallast ist die dingliche Belastung eines Grundstücks mit aus dem
Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen (z. B. Verköstigung).
Sie ist zwar dem klassischen römischen und justinianischen Privatrecht
unbekannt, findet sich aber im gesamten römischen öffentlichen Recht und auch
im Frühmittelalter. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der
Darlehenshypothek. In der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als
hypothekarisch gesichertes Forderungsrecht angesehen, teils als
deutschrechtliche -> Dienstbarkeit. In Frankreich wird die mit feudalem
Herrschaftsrecht zusammenhängende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793
entschädigungslos aufgehoben. Im Gegensatz zum österreichischen Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1811/2) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) die R. als beschränktes dingliches Recht auf.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 33
(1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
real property (engl. [N.]) Liegenschaft, unbewegliche Sache
Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung
Realunion ist die verfassungsmäßig festgelegte Vereinigung zweier
selbständiger Staaten unter einheitlichem Staatsoberhaupt und mit
gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw. Organen (z. B. Norwegen-Island seit
1263, Österreich-Ungarn seit 1867, Norwegen-Schweden 1815, Dänemark-Island
1918).
Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den Staatenverbindungen,
1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen Staatenverbindung, 1909; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Realvertrag oder Realkontrakt ist im klassischen römischen Recht und
dem ihm folgenden Rechten der durch Hingabe einer Sache erst wirklich zustande
kommende -> Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand).
Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG
45, 74, 91, 126, 208
Rebus sic stantibus
omnis promissio intellegetur (lat.). Bei
jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass die Umstände gleichbleiben
werden.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Seneca, 4-65 n. Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4,
35, Thomas von Aquin, 1225?-1274, Summa theologica 2, 2, 110, 3, rat. 5)
receptum (lat. [N.]) Garantieerklärung (z. B. des Bankiers [r. argentarii],
des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)
Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III;
Köbler, DRG 47, 64
recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied
Rechnung ist der Vorgang und das Ergebnis des Erfassens und
Behandelns von Gegebenheiten durch Zahlen.
Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer
Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des
Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und
Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener
Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004
Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit und die
Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende staatliche
Organ seit dem 19. Jh.
Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v. Maschke, E.
u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in der
konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche
Rechnungsprüfung, in: Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer Rechnungsgestaltung. Sie beruht
auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rechnungslegung.
Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der
Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiowsky, M., Die Anfänge
territorialer Rechnungslegung, 1999
Recht (lat. ius [N.])
ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im
objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im
subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es
entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu
einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu
2100 v. Chr.), Codex -> Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi [1728-1686 v. Chr.]?, Lykurg, Solon, Drakon, -> Zwölftafelgesetz in Rom
451/450 v. Chr.). In Rom erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von
R. und Religion zuerst durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich
gebildeten Fachmann (-> Juristen). Verstanden wird diese Tätigkeit als
(lat.) ars (F.) boni et aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129
n. Chr.). Der oströmische Kaiser -> Justinian (527-565) fasst am Ende der
spätrömischen Zeit das römische R. in -> Institutionen, -> Codex und
-> Pandekten (sowie -> Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist
ungeschrieben und wohl weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott
wird es ebensowenig zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten
Sätzen (-> Weistümer) und neuen Beschlüssen (-> Konstitutionen) zeichnen
die von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und
der Kirche ihr R. in den sog. -> Volksrechten zwischen dem 5. und 9. Jh.
auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es vielfach alt
und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr personal, sondern
territorial bestimmt (-> Landrecht, -> Stadtrecht). Neben das partikulare
R. tritt das allgemeine (-> gemeine) R. (kirchliches R., wiederentdecktes
römisches R.). Seit dem Spätmittelalter wird dieses -> gelehrte R. fast
überall teilweise aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus
[M.] modernus, moderner Gebrauch) angepasst und geordnet. Seit dem 17. Jh. wird
es verstärkt auf seine Natürlichkeit bzw. Vernünftigkeit überprüft (->
Vernunftrecht, säkulares -> Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in
nationalen Gesetzbüchern festgelegt (Preußen 1794, Frankreich 1804ff.,
Österreich 1811/1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.).
Bis zur Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen
(Vereinte Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune usw.) ins
Unüberschaubare an (Deutschland 1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Vorrangige
Bedeutung erlangt dabei die -> Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29, 47,
51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im
Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die
mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht
im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland,
T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches Rechtsleben,
B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG GA 67 (1950),
373; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Rehfeldt, B., Die
Wurzeln des Rechtes, 1951; Odenheimer, J., Der christlich-kirchliche Anteil an
der Verdrängung der mittelalterlichen Rechtsstruktur und an der Entstehung der
Vorherrschasft des staatlich gesetzten Rechts im deutschen und französischen
Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen
Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld, W., Über die Heiligkeit des Rechts,
1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in
Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität des germanisch-mittelalterlichen
Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258 (Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische
Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der
Rechtsbegriff, Archiv f. Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das
Wesen des Rechts, 2. A. 1969; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Schmelzeisen, G., Objektives und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis
im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973), 101; Schubert, W., Französisches Recht in
Deutschland, 1977; NS-Recht in historischer Perspektive, 1981; Gmür, R.,
Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H.,
Rechtsgewalt und Rechtsbildung im ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983),
9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v.
Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft,
1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und
Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und
Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R., 1992; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts, 1993; Recht und
Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993; Rückert, J., Die Rechtswerte der
germanistischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 275; Kroeschell, K., Der
Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315; Jacoby, S.,
Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du droit, 1997;
Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd. 1, hg. v.
Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und Gericht im heiligen
römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik, 2002;
Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a., 2002; Rudolph, H.,
Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz, R., Vom Gottesrecht
zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in Deutschland (1789-1965),
2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005; Stier, A.,
„Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen
Weltverkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und sozialen Kontext
mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a., 2006
Recht am Bild ist im 20. Jh. ein -> Persönlichkeitsrecht eines
Menschen an den von ihm angefertigten Abbildungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Recht am eingerichteten
und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im
deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Recht und Dichtung
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr, H.,
Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG, Bd.
4 1985, 232
Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines Betroffenen. Die
bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum bekannte
Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies Entscheidungsverfahren
wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat. audiatur et altera pars, es
werde auch die andere Seite gehört) betont. Als eigenständiger Grundsatz tritt
das rechtliche Gehör erst im Gefolge der Aufklärung hervor.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs,
1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12 (1980),
594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen
Verfassungsgerichtshofs, 2006
Rechtlosigkeit ist das Fehlen der -> Rechtsfähigkeit. Die R. ist in
gewissem Umfang Begleiterscheinung der ständischen Verschiedenheit vom Altertum
bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789 egalité).
Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über Rechtlosigkeit,
Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die Rechtlosigkeit der Frau
im Rechtsstaat, 1979
Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare Erscheinung vergangenen Rechts
(Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E.,
Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer
Rheinhessens, 1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v.
Eckhardt, K., 1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im
Barockzeitalter, 2000
Rechtsanwalt ist der unabhängige fachmännische Berater und Vertreter in
allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich geschult. Er
erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen -> Advokat und ->
Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum -> Fürsprecher ist er
Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft 1879 entwickelt
sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch jüdischen
Profession (1933 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte in Berlin). Im 20. Jh.
nimmt die Zahl der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden der
Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990 15953,
2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314, 1990
59455, 2000 110367).
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann, Zur
Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445; Dübi,
A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H., Geschichte
der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre
Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte
1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von
1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly,
G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989;
Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen
Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre
Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Neschwara,
C., Die Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth,
C., Der Weg zu einem einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten
Deutschland, Diss. jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die
Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg.
v. Mayali, L. u. a., 2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der
mecklenburgischen Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und
nationalsozialistische Herrschaft – Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz,
P., Österreichs Rechtsanwälte, 2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an
der Saar 1800-1960, 2004; Brunn, H./Kirn, T., Rechtsnwälte – Linksanwälte
1971-1981, 2004
Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von einzelnen Sachverhalten zu
allgemeinen Tatbeständen, -> Subsumtion) ist die bewertende Anwendung der abstrakten
Rechtssätze auf konkrete Sachverhalte. Sie entsteht mit den Anfängen von
Rechtsvorstellungen. Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler
und fachlich Vorgebildete.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der
Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005
Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit den Gegenständen des
vergangenen Rechts (Örtlichkeiten, Geräten, Darstellungen, Handlungen [str.]).
Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist sie
wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von -> Amira.
Lit.:
Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899, Neudruck 1922,
1989, 1994; Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche
Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K., Mittelalterliche Bauwerke als
Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Amira, K.
v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Möller, T., Sühne- und
Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen 17/18 (1942), 89; Funk, W.,
Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947), 297; Frölich, K.,
Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im niederdeutschen Bereich, 1946;
Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K.,
Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des
Landes Steiermark, 1957; Hopf, H., Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970;
Forschungen zur Rechtsarchäologie und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff.
1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Maisel,
W., Archeologia prawna polski, 1982; Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A.
1989; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W.,
Rechtsarchäologie Europas, 1992; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts,
1992; Rechtsarchäologie und Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de, 1992; Carlen,
L., Sinnenfälliges Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte, Rituale, hg. v.
Schreiner, K. u. a., 2000
Rechtsbehelf
Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im
Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985
Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine Möglichkeit hängt ab
von dem Verständnis des -> Besitzes. Dort wo dieser nur die tatsächliche
Herrschaft über körperliche Gegenstände (Sachen [im körperlichen Sinn])
betrifft, ist R. systemwidrig.
Lit.:
Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W.
Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln
1983; Beermann, C., Besitzschutz bei beschränkten
dinglichen Rechten, 2000
Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt vorsätzliche falsche Anwendung
oder Nichtanwendung von Recht durch einen Richter, anderen Amtsträger oder
Schiedsrichter bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten
oder zum Nachteil einer Partei. Im römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. [N.])
falsum, das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter werden Rechtsweigerung
und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach nur ein
verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer Straftatbestand
des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert. Bis zur Mitte
des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung durch. Seit
2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung seiner
Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten,
nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs ihr Vorabentscheidungsersuchen
zurücknehmen und trotz einer eindeutigen Stellungnahme der Europäischen
Kommission überraschend gegen die Zwischenauskunft des Europäischen
Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des
deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im
öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des
Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der
fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung,
1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G.,
Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U.,
An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestandes, 2000
Rechtsbuch ist das das Recht betreffende Buch bzw. die (umfassende)
Aufzeichnung des geltenden Rechts (durch eine Privatperson) (rechtbuk [= mnd.
rechtbōk] Berliner Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im
Hochmittelalter und Spätmittelalter bedeutsam, in denen es die durch spärliche
Gesetzgebungstätigkeit gelassene Lücke füllt. Das R. ist nur
Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind die (lat.) Constituta (N.Pl.)
usus et legis bzw. Constitutum (N.) usus von Pisa (Mitte 12. Jh.), der Liber
feudorum, der -> Sachsenspiegel, -> Deutschenspiegel, ->
Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das Eisenacher R., das Freisinger R.,
das Görlitzer R., das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die
-> Coutumes, die -> Fueros, die -> Siete Partidas, der (lat.) Liber
legis Scaniae, -> Gragas, -> Ostgötalagh, -> Westgötalagh oder die
Werke des Ranulf de -> Glanvill und des Henry de -> Bracton. Teilweise
werden auch das (lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne
römischrechtliche Werke (Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H., Die
deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu
bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der
Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v.
Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U.,
Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996),
345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371
(Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck pragmatischer
Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435
Rechtsbuch nach
Distinktionen -> Meißener Rechtsbuch
Rechtsbuch von der
Gerichtsverfassung -> Weichbild
Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden Rechts in einem bestimmten
Gebiet. -> Kodifikationsstreit
Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz, H.,
Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die
Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart,
1975; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre
deutsche Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit – partikulare
und nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004
Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die
Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in
Wohnraummietvertragsrechtsfragen bei Abweichungswillen eines Landgerichts von
der Rechtsprechung der Obergerichte.
Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000
Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des Rechtes in alphabetisch
oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit dem Spätmittelalter
(-> Durantis, W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E. 13. Jh., -> Lagus,
K., Iuris utriusque methodica traditio [Methodische Behandlung beider Rechte],
1543, -> Gothofredus, J., Manuale iuris [Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H.,
Encyclopaedia universi iuris [Enzyklopädie des gesamten Rechts], 1642ff. u.
a.). Eine wissenschaftliche Grundlegung erfährt sie durch -> Leibniz (Nova
methodus discendae docendaeque iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und
Lehrens der Rechtswissenschaft, 1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke
von -> Nettelbladt (1749), -> Pütter (1757), Reitemeier (1785) und ->
Hugo (1792) auf. Seit dem 19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks
der Studierenden wieder zurück.
Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der Rechtswissenschaft,
1857; Buschmann, A., Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv f. KG. 51 (1969),
296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus Falck, 1970;
Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995; Mohnhaupt, H.,
Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer Hilfswissenschaften in den
Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85
Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis ermöglichende Quelle (z. B. ->
Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwendigerweise neues Recht zur Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82
Rechtsethnologie ist die vergleichende rechtliche Volkskunde, die aus dem
Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen allgemeine rechtliche
Entwicklungsregeln erschließen und nach Möglichkeit dadurch
rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken schließen will.
Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte
und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970,
Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981;
Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446
Rechtsetzung ist die bewusste Setzung von Recht durch ein
willensgetragenes Verhalten. Der wichtigste Fall der R. ist die Gesetzgebung.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1985
Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten (z. B.
Eigentum) und Pflichten (z. B. Steuerschuld) zu sein. Eine allgemeine gleiche
R. ist bis in das 19. Jh. nicht anerkannt. Vielmehr sprechen alle ständischen
Gesellschaften Rechte in unterschiedlicher Weise zu oder ab. Im Laufe des 19.
Jh.s setzt sich die Vorstellung der allgemeinen gleichen R. aller Menschen von
der Geburt bis zum Tod (hilfsweise bis zur Todeserklärung) aber durch. Daneben
wird auch die R. der juristischen Person allgemein anerkannt.
Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von
Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi,
G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht,
ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände
im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314
Rechtsfindung
Lit.: Kroeschell, K., Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972,
498; Schmelzeisen, G., Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73
Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten (-> Tatbestand bzw.
Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem Aufbau des Rechtssatzes
als einer bewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz wird festgelegt, unter welchen
Voraussetzungen (Tatbestand, Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll.
Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen des
Leistungsverzuges, 1913
Rechtsgang ist die ältere wissenschaftliche Bezeichnung für das an
einen Unrechtserfolg anschließende -> Verfahren im germanischen und
frühmittelalterlichen Recht.
Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen
Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ziekow, J.,
Recht und Rechtsgang, 1986
Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas als Recht gilt.
Rechtsgeltungsquellen sind bereits im altrömischen Recht -> Gesetz und ->
Gewohnheit(srecht). Im klassischen römischen Recht stehen Volksgesetze,
Plebiszite und Senatuskonsulte sowie die praktische Rechtspflege durch die
Prätoren nebeneinander, zu denen die -> Auslegung durch die Juristen
hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben eine unmittelbare
Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. [N.Pl.]
decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die
bald als gesetzesgleich (lat. [F.Pl.]
constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher Konstitutionen
als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an einzelne
Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das Gewohnheitsrecht
im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist. Seit dem
Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.
Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.
Rechtsgeographie
Lit.: Merk, W., Wege und Ziele der geschichtlichen Rechtsgeographie, FS
Traeger, 1926
Rechtsgeschäft ist ein auf dem Parteiwillen aufbauender Gesamttatbestand,
der einen mit einer Willenserklärung angestrebten Rechtserfolg herbeiführt. Das
R. entsteht mit der Ausbildung von Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als
rechtswissenschaftliche Grundfigur des Privatrechts wird es erst am Beginn des
19. Jh.s erfasst. Es gibt einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung,
Erbeinsetzung) und zweiseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Vertrag).
Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164, 208,
238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller, M., Die
Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die Abgrenzung des
Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der
Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73
Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n) rechtliche(n) Sollensordnung(en).
Ein rechtsgeschichtlicher Abriss findet sich bereits bei -> Pomponius (Mitte
2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe der Volksrechte liefern Nachrichten über
die Rechtsentwicklungen. Rechtsgeschichtliche Überblicke des Spätmittelalters
sind nicht erhalten. Die erste R. bietet -> Aymar du Rivail (Aymarus
Rivallius) 1515 (lat. Historia [F.]
iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann -> Conrings
(lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechts) den
Beginn der eigenen nationalen (deutschen) Rechtsgeschichte neben der römischen
Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte. Mit Johann Friedrich Reitemeier
(Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in Deutschland 1785) ist Gustav Hugo
der erste, der die Rechtsgeschichte (1790) in Epochen und jede Epoche in einer
Systematik aufteilt. In der Folge sind besonders -> Eichhorn (Deutsche
Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1808ff.) und -> Brunner (Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906, 1928, Neudruck 1958/61) für die deutsche,
von der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte grundsätzlich
getrennte Rechtsgeschichte hervorzuheben. 1935 werden in der Absicht einer im
Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und
die -> Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der allgemeinen
Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend wieder zurück.
Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische -> Zeitgeschichte aus
naheliegenden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als Folge dieser vielfältigen
Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als juristischen Lehrfach. Die
erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit zusammenfassende Darstellung
stammt von Gerhard Köbler (5. A. 1995, 6. A. 2005). Die erste europäische
Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer verfasst (1992, 2. A. 1994, 3. A.
1999, 4. A. 2004).
Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1, 3, 7,
30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn, ZRG 1
(1861); Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere Rechtsgeschichte, ZRG GA
27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der deutschen und der römischen
Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wiedererstehen des deutschen
Rechts, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of Historical
Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in das
Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und Bedeutung
der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons Dopsch und
die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A general view
of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of European Law,
1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992); Dulckeit, G.,
Philosophie der Rechtsgeschichte, (1950); Planitz, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971; Planitz, H./Buyken, T.,
Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur deutschen
Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der
Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche
Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, hg. v.
Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin,
1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum 1975,
2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des
deutschen Rechts, 1971, 4. A. 1996; Kroeschell, K., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1 12. unv. A. 2005, Bd. 2 9. A. 2006, Bd. 3 4. unv. A. 2005; Sjöholm, E.,
Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia
della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Ebel,
F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte und
quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G., Rechtsgeschichte
1977, Deutsche Rechtsgeschichte 6. A. 2005; Gilissen, J., Introduction
historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto moderno in Europa,
1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979; Senn, M.,
Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der
deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Robinson, O. u. a., An
Introduction to European Legal History, 1985; Köbler, G., Wege deutscher
Rechtsgeschichte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 182; Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M. u. a.,
1989; Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1989ff.; Köbler, G.,
Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, in: Geschichtliche
Rechtswissenschaft: Ars tradendo innovandoque aequitatem sectandi, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.; Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte,
hg. v. Schulze, R., 1991; Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg.
v. Mohnhaupt, H., 1991; Caenegem, R. van, Legal History, 1991; Hattenhauer,
Hans, Europäische Rechtsgegeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson/Fergus/Gordon,
European Legal History, 2. A. 1994; Hoke, R., Österreichische und deutsche
Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche Rechtsgeschichte in der
NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler, A., Das Bild der deutschen
Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen
Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 275; Senn, M.,
Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003; Norm und Tradition, hg. v.
Caroni, P. u. a., 1998; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A.
1999, 4. A. 2004; Bader, K./Dilcher, G., Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Lupoi, M., The Origins of the
European Legal Order, 2000; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Kunkel, W./Schermaier, M., Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001; Het nut van
rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000; Rechtsgeschichtswissenschaft
in Deutschland 1945-1952, hg. v. Schröder, H. u. a., 2001; Meder, S.
Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005; Hense, T., Konrad Beyerle, 2002; Der
praktische Nutzen der Rechtsgeschichte, hg. v. Eckert, J., 2003; Fasel, U.,
Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004; Dürselen, F., Franz Beyerle
(1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des Rechtshistorikers, 2005;
Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III. Textinterpretationen, 2005; Die
zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005; Köbler, G., Deutsche
Rechtshistoriker, 2006; Senn, M. u. a., Rechtsgeschichte, 2006
Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s ausgebildeten Ansicht
die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht gewordene Gewohnheit als
Vorstufe des -> Gewohnheitsrechts im Mittelalter.
Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992
Rechtsgut ist das durch Straftatbestände geschützte
rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs Ausrichtung des
Verbrechens auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820 und 1840 von
Birnbaum im Kern entwickelt (Gut als Verbrechensobjekt). Karl Binding weist
dem R. eine zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von Liszt macht es zum
Mittelpunkt seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre.
Lit.: Sina, P., Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs
„Rechtsgut“, 1962; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung in der
deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, 1973
Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache in einem
Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt, in dem mit
der Streiteinsetzung (lat. -> litis contestatio [F.])
der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen
und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44
Rechtshilfe ist die Hilfe, die von Gerichten und von Verwaltungsbehörden
gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit der Rechtspflege geleistet
werden kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Im Hochmittelalter und Spätmittelalter
erfolgt sie einigermaßen unförmlich auf Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten.
In der frühen Neuzeit wird sie innerhalb desselben Staates selbstverständlich.
Gesetzlich geregelt wird sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das
Deutsche Reich. Darüber hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den
Zivilprozess geschlossen. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird
der Zivilprozess überhaupt an einzelnen Stellen vereinheitlicht.
Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe, 1869
Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende Rechtslage (z. B. über
ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht berücksichtigt den R.
weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies wird im Hochmittelalter
von den Juristen fortgeführt, während die Moraltheologen auf die tatsächliche
Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch die neuzeitlichen Kodifikationen
halten insgesamt an der Schlechterstellung des Rechtsirrtums fest. Im deutschen
Strafrecht der Gegenwart wird die Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.
Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die
Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der
Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, in: Ius humanitatis, hg. v.
Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983
Rechtskraft ist formell die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung,
materiell die Maßgeblichkeit des Inhalts einer Entscheidung. Bereits das
römische Recht kennt mit der Mehrstufigkeit des Verfahrens die formelle R.
Wieweit das Mittelalter sich der Vorstellung der R. bewusst ist, ist
zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem
Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle R. setzt sich nur
allmählich in der Neuzeit durch. Im Dritten Reich wird die R. teilweise zu
Lasten Angeklagter eingeschränkt.
Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56; Gál, A.,
Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die Entwicklung der Rechtskraftlehre
seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443; Dickhuth-Harrach, H. v.,
Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Hanne, N., Rechtskraftdurchbrechungen
von Strafentscheidungen im Wechsel der politischen Systeme, 2005
Rechtsmangel ist die Nichterfüllung der Verpflichtung, einen Gegenstand
frei von Rechten Dritter zu verschaffen. Bereits im klassischen römischen Recht
muss der Verkäufer (bei -> Entwerung des Käufers) dafür einstehen, dass die
Sache nicht von Dritten auf Grund eines Rechtes herausverlangt werden kann und
deswegen gegebenenfalls den doppelten Kaufpreis (lat. [N.]
duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den Käufer gegen
Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen Rechtsmangel
Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise noch eine
Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer verpflichtet, das
Eigentum zu verschaffen.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der Rechtsmängelhaftung des
Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die Haftung des Verkäufers für
Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Rechtsmedizin
Lit.: Die unglaublichsten Fälle der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschildt,
M, 2005; Auf Messers Schneide, hg. v. Rothschild, M., 2006
Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung eines an sich bestehenden
Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig begegnet wird (u. a. Treu
und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre wird als Ergebnis
nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet.
Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20. Jh.;
Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, 1995
Rechtsmittel ist das rechtliche Mittel, mit dem eine Partei eine ihr
ungünstige Entscheidung vor Rechtskraft im Wege der Nachprüfung durch ein
höheres Gericht zu beseitigen sucht (z. B. -> Berufung, -> Revision,
Beschwerde, -> Appellation). Als erstes allgemeines R. entsteht unter Augustus
(63 v. Chr.-14 n. Chr.) die Appellation. Seit dem Spätmittelalter werden R. mit
dem gelehrten Prozess aufgenommen. Das gewöhnliche R. ist dabei die
Appellation, neben der Oberappellation, Revision, -> Supplikation und
Restitution stehen können. Die -> Nichtigkeit (Nullität) wird mit der
Nichtigkeitsklage geltend gemacht, doch werden Appellation und
Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit einander vielfach angenähert.
In der deutschen Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird das R., das den Rechtsstreit
in vollem Umfang zur Neuverhandlung bringt (-> Berufung), von dem R., das
nur auf die Verletzung des Rechts gestützt werden kann (-> Revision), unterschieden.
Gegen Beschlüsse wird die Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des
gemeinen Rechts sind als Wiederaufnahmeklage gestaltet.
Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im
Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Rechtsnorm ist der aus -> Tatbestand und Rechtsfolge
zusammengesetzte Rechtssatz. Die Bezeichnung erscheint im späteren 19. Jh.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970
Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte Gesamtheit der
Rechtsnormen (Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese Vorstellung
erscheint erst seit der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf ältere
Rechtsgemeinschaften zurückübertragen.
Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von Rechtsordnungen,
1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der Privatrechtsordnung, 1956;
Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H., Königtum und
Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und
nationale Rechte, 1971; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974; Die schweizerische Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der
Generalklauseln, 1989; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995
Rechtspflege -> Gericht, -> Prozess
Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich,
1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Wüllner, W.,
Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Luig, K., Zivilrecht
und Zivilrechtspflege, in: Panorama der fridericianischen Zeit, Bd. 1, hg. v.
Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der Zivilrechtspflege in
Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch
zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f. 1989ff.; Cesare
Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989
Rechtspfleger ist ein Beamter des gehobenen Dienstes in Deutschland, dem
zur Entlastung des Richters im frühen 20. Jh. bestimmte Aufgaben der
Rechtspflege übertragen werden (1957 Rechtspflegergesetz).
Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum Rechtspfleger,
1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994; Walden, K., Für
Führer, Volk und Vaterland, 1995
Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen und Grundwerten des
Rechts. Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich spätestens seit der
griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19. Jh. aus dem ->
Naturrecht. Strömungen im 19. Jh. sind vor allem -> Idealismus, ->
Materialismus und -> Positivismus, im 20. Jh. -> Neuhegelianismus und
-> Neukantianismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke, FG
Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche
Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from
Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der
Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71
(1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C.,
The philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie,
1964; Sforza, W., Rechtsphilosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie
des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie,
1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner,
H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer Werthorizont,
1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb Konrad
Pfeffel, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 536;
Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H., Grundzüge der
Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte der
abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der
rechtsphilosophischen und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius,
R., Das Wesen des Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A.
1997; Goller, P., Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca,
M., Eine europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997,
881; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998;
Texte zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Grunert, F.,
Normbegründung und politische Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die
Rechts- und Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur
Legitimationsfunktion der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002;
Integratives Verstehen, hg. v. Alexy, R., 2005
Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende positivistische Haltung. Sie
bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein juristischen, positiven und
von der gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit auch von der Geschichte
gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden. Der Gesetzespositivismus
gründet das Recht auf das den Volkswillen verkörpernde -> Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H., Reine
Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, in: Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivsmus und
Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990
Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter Rechtsfragen durch die dafür
zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die Frühzeit der Rechtsgeschichte
zurück. -> Gericht
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung der
gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische
Rechtsprecher, ZRG GA 66 (1948), 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der
höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, Der Einfluss der
Carolina auf die Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur
Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die
französische Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G.,
Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung
in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter
Quellen zur Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995;
Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997
Rechtsquelle ist der Ursprungsort von Rechtssätzen. ->
Rechtserkenntnisquelle, -> Rechtsgeltungsquelle
Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische
Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen
Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen
Rechtsquellen, 1909; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen, österreichischen
und Schweizer Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953,
Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Dießelhorst,
M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968; Wolter, U.,
Ius canonicum in iure civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre, Bd. 1f.
1977ff.; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W., Die
privatrechtlichen Rechtsquellen, in: Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 237: Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in
das Studium der Quellen des mittelalterlichen gelehrten Rechts, 1992
Rechtsreformation -> Reformation
Rechtssatz -> Rechtsnorm
Rechtsschein ist der äußerliche Anschein des Bestehens eines in
Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtes. Er kann Rechtswirkungen äußern (z. B.
unrichtiges Grundbuch). Ihn gibt es seit Entstehung des Rechts.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das offene zum
Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer, H., Vom
Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971
Rechtsschule ist eine Lehrstätte (in der Spätantike in Rom, Karthago,
Konstantinopel [zwei Rechtslehrer mit nur wenig Entgelt leistenden Hörern],
Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und Caesarea) oder Geistesrichtung innerhalb
der Jurisprudenz bzw. Rechtswissenschaft. -> freie Rechtsschule, ->
historische Rechtsschule, -> Prokulianer, -> Sabinianer, -> Ravenna,
-> Pavia, -> Verona, -> Bologna, -> Universität
Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.; Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische Rechtsschule zu Koblenz, FS F.
Wieacker, 1978, 195
Rechtsschutz ist der durch die -> Rechtsordnung gewährleistete Schutz
von Rechtsgütern. -> Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht
Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz
in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing, H., 1962; Vossius, O., Zu
den dogmengeschichtlichen Grundlagen der Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1986; Engbers, E., Small claims
und effektiver Rechtsschutz, 2003
Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem Verhalten eintretenden
Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis zur Einzelfallgerechtigkeit.
Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung. Im Dritten Reich wird unter
dem Schlagwort der R. der Rechtsstaat ausgehöhlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer, A.,
Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935
Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen Wirklichkeit des Rechts. Sie
entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s (-> Marx,
-> Ihering, -> freie Rechtsschule). Nach Unterbrechung durch den Nationalsozialismus
gewinnt die R. unter amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
an Boden.
Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der
Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und
Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M.,
Rechtssoziologie, 5. A. 20033
Rechtsspiegel -> Rechtsbuch
Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der Recht zum Ausdruck
gebracht wird. Die R. ist in der Gegenwart die Fachsprache des wissenschaftlich
gebildeten -> Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen vor allem den
Wortschatz, daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam für die
deutsche R. ist das Verhältnis von lateinischer Überlieferung und
volkssprachiger Rechtswirklichkeit.
Lit.: Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.;
Günther, L., Recht und Sprache, 1898; Beiträge zum Wörterbuch der deutschen
Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachliches, ZRG GA 32
(1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912, Neudruck
1961; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachgeographie, 1926 (SB Heidelberg); Saueracker,
K., Wortschatz der peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W.,
Werdegang und Wandlungen der deutschen Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil
der Rechtssprache, 1949; Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des
frühen Mittelalters, 1961; Sonderegger, S., Die ältesten Schichten einer
germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965, 419; Bergh, J. van den, Themis
en de Muzen, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica
als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin,
H., Untersuchungen zur neuhochdeutschen Gesetzessprache, 1971; Matzinger-Pfister,
R., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der
germanische Rechtswortschatz, 1973; Elsener, F., Deutsche Rechtssprache und
Rezeption, in: Tradition und Fortschritt im Recht, FS Tübinger
Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche Sprachgeschichte und
Rechtsgeschichte, in: Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W. u. a., 1984, 56;
Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache,
1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G.,
Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache
in den süddeutschen Stadtrechtsreformationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch,
1991; Heller, M., Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992;
Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004; Köbler, G., Etymologisches
Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche Fachsprache des Rechts, in:
Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen
Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999;
Garovi, A., Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999; Seifert, J.,
Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.–20. Jahrhundert),
2004
Rechtssprecher -> Gesetzessprecher
Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen Tatbestand erfassende Sprichwort
(z. B. -> Aller guten Dinge sind drei). Seine Volkstümlichkeit ist vielfach
zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter, deren Zahl die neueste
Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht vor dem
Hochmittelalter sicher belegen. Ihre tatsächliche Bedeutung scheint eher
gering.
Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprichwörter,
2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin, B.,
Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht
in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Gudian, G., Zur Situation der
Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln und
Rechtssprichwörter, 6. A. 1998; Janz, B., Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel,
1989; Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R.,
1996 (Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v. Lerch, K., 2004
Rechtsstaat ist der bewusst auf die Verwirklichung von Recht
ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel wird am Ende des 18. Jh.s in Ablösung
des absolutistischen Wohlfahrtsstaats von den Vertretern der liberalen
Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden -> Verfassung und ->
Gesetzgebung durch eine Volksvertretung angesehen. Nach 1848 verengt sich dies
auf den formalen Rechtsschutz im Zivilprozess (1877/1879) und in Verwaltungsangelegenheiten
(1863ff.). Das Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei
Ermessensbegriffe weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst
werden. Der Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten
Errungenschaften. Nach 1945 wird der R. verstärkt ausgebaut.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr, O.,
Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte,
1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in
Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht
des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand,
1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist,
Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs,
A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das Königreich
Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, in: Staat, Kirche, Wissenschaft in einer
pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik
im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat, hg. v. Brand,
J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F.,
1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995;
Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C.,
Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten
Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367
Rechtsstudium -> Rechtswissenschaft, Studium, Universität
Rechtssubjekt ist der Träger von Rechten und Pflichten. Sachlich gibt es
Rechtssubjekte mit der Entstehung von Recht. Als solche erfasst werden sie aber
erst im 19. Jh.
Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206
Rechtssumme ist die zusammenfassende Darstellung eines Titels oder
mehrerer Titel des (lat.) -> corpus (N.) iuris civilis oder auch anderer
gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden sich vor allem in Oberitalien im 12.
bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene Summe] des Hostiensis, Summa de casibus
poenitentiae [Summe über Bußfälle], Summa legum brevis levis et utilis [Kurze,
leichte und nützliche Rechtssumme], Summa Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in
80 Handschriften überlieferte deutsche Darstellung des Kirchenrechts für Laien]).
Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in
Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, in:
Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F.,
1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67,
172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H.,
Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982
(Wörterbuch 2006)
Rechtssymbol ist eine Handlung oder ein Gegenstand, die bzw. der ein
Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis versinnbildlicht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen
Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913; Puetzfeld,
C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines Besens, ZRG GA
62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960; Lurker, M.,
Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der Freiheitsbaum,
1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler, G., Bilder aus
der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und Symbole des
Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze, R., 2004
Rechtssystem ist eine Gesamtheit von Rechtseinrichtungen in
einleuchtender Ordnung. Ein R. ist den Römern noch fremd. Es findet sich erst
bei -> Leibniz (1646-1716) und Christian -> Wolff (1679-1754). Neu
gefasst wird es von -> Savigny (1779-1861) und -> Puchta (1798-1846). Der
Gegenwart ist es zweifelhaft, ob es ein geschlossenes R. geben kann. ->
System
Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen Rechts,
Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des Rechtssystems,
Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H., Geschichte und
Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur juristischen
Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff,
1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen
Privatrechtssystems, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a.,
Bd. 1 1974, 217; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen
Jurisprudenz“, 1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche Prinzip“ der
germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491;
Björne, L., Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des
nationalistischen Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in
die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin,
E., 1998
Rechtstag -> endlicher Rechtstag
Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen Fragen des
Rechtes, insbesondere mit seiner logischen Struktur. Die R. als Gegensatz zur
Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen des
Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber
bewusst von Naturrecht und Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere
Zeiten zurückübertragen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht, Diss.
jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Gernhuber,
J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N., Marxistische
Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie, 1974; Rückert, J.,
August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim, O., Hegels
Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen Rechtstheorie, hg.
v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404; Scherner, K., Arme
und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR 1988, 129;
Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19. Jahrhundert, 1997;
Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997; Funke, A., Allgemeine
Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004
Rechtsunterricht -> Juristenausbildung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk. Landesforschung 27
(1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune 2 (1969), 43;
Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die Tübinger
Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische Vorlesungen,
1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der
Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987
Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung verschiedener
Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleichzeitig geltender
Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben. Besondere
Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z. B. ->
Feuerbach, -> Gans, -> Bachofen, -> Mittermaier, -> Rabel).
Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f.
1971f.; Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius
commune 7 (1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung,
1984; Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994;
Stolleis, M., Nationalität und Internationalität, 1998
Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich Gebotenen, insbesondere
eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige Person. Sie findet sich an
unterschiedlichen Stellen (z. B. sind nach -> Lex Salica 57
urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflichtig, wird das ->
Reichskammergericht 1495 für Fälle von R. zuständig oder kann im Deutschen Bund
bei Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die
-> Bundesversammlung angerufen werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber eine Rechtsweggarantie.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200;
Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A.,
Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche
Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435
Rechtsweisung -> Weistum
Rechtswidrigkeit ist der Widerspruch zur Rechtsordnung. Die R. erscheint
zusammen mit dem Recht. Sie ist besondere Voraussetzung für verschiedene
Rechtsfolgen (z. B. Strafe, Schadensersatz).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff, K.,
Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand, 1985
Rechtswissenschaft ist die die rechtliche Sollensordnung betreffende Wissenschaft.
R. entsteht als Jurisprudenz im klassischen römischen Recht, verliert sich
danach aber mit dem Zurücktreten der Juristen in Rom (3. Jh. n. Chr.)
weitgehend. Seit dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna (neu) begründet
(-> Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene
Wissenschaft über ganz Europa aus (-> Kommentatoren, -> usus modernus,
-> Naturrecht, -> historische Rechtsschule, -> Pandektistik). In der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der rechtswissenschaftlichen
Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt es rund 750000 Studierende
der R. in Europa.
Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG
2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Jerusalem,
F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage der
europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der
Rechtswissenschaft, 1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft,
1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechtswissenschaft,
1968; Coing, H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswissenschaft,
1968; Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969;
Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S., Grundzüge
der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970), 529;
Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun
Jahrhunderten, 4. A. 1996; Tarello, G., Storia della cultura giuridica moderna,
Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung der
Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis in
der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der
„praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19.
Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100
(1983), 75; Herberger, M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches
Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg.
v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter,
hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und
französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546;
Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft
in der Bonner Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995; La science juridique française et la science juridique allemande de 1870
à 1918, hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Erkenntnisgewinne,
Erkenntnisverluste, hg. v. Acham, K. u. a., 1998; Eine deutsch-französische
Rechtswissenschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106;
Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft, hg. v. Acham, K. u. a., 2007
Rechtswohltat -> beneficium
Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985
Rechtswort -> Rechtssprache
Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd. 1ff.
1914ff.: Freudenthal, K., Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949; Hyldgaard-Jensen,
K., Rechtswortgeographische Studien 1, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Studien zur
historischen Rechtswortgeographie, 1978; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch,
Historical Lexicography of the German Language 2, hg. v. Goebel, U. u. a.,
1991, 675; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Köbler, G.,
Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004
Rechtszug ist der jeweils einem bestimmten Gericht zugeordnete
Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreites. Voraussetzung für einen R. ist eine
mehrstufige Gerichtsbarkeit. Sie entsteht in Rom seit Augustus (63 v. Chr.-14
n. Chr.) und danach wohl neu im Hochmittelalter. Die deutsche ordentliche
Gerichtsbarkeit kennt seit 1877/1879 den meist dreistufigen Rechtszug, dem in
der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch die Überprüfung einer Entscheidung durch
das Bundesverfassungsgericht und europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in
einem weiteren Sinn ist R. auch die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer
anderen Stelle (z.B -> Oberhof).
Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86;
Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im
Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Weitzel, J., Der Kampf
um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976),
100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 4. A. 2002
recognitio (lat. [F.]) Beglaubigung
Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977
Records sind die bis 1731 in lateinischer Sprache geführten
Protokolle der Gerichte des -> englischen Rechts (im Gegensatz zu den in
Lawfrench gehaltenen reports [der jungen Anwälte] der year books).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law
Tradition, 2000
Reconquista (F.) Wiedergewinnung Spaniens durch die Christen gegen die
Araber (8.-15. Jh.)
Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L.,
Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993
Rectitudines (F.Pl.)
singularum personarum (lat.) sind der im
-> Quadripartitus enthaltene lateinische Traktat des frühen englischen
Rechts (Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020 ?) über die Pflichten der
Hintersassen nach Hofrecht.
Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen,
1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest, 1962
rector (lat. [M.]) Leiter, Richter
recuperator (lat. [M.]) Wiederbeschaffer
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das
Rekuperatorenverfahren, 1963
recursus (lat. [M.]) Rücklauf, Rekurs
Recursus (M.) ab abusu (lat.) ist in Frankreich seit dem Spätmittelalter die
Beschwerde bei den staatlichen Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen
Gewalt.
Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18
Recursus (M.) ad comitia (lat.) ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von Urteilen des Reichskammergerichts
und des Reichshofrates vor dem Reichstag. Der r. a. c. bleibt meist ohne
Auswirkung.
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973, 398
Rede ist die Darlegung einer Gedankenfolge
gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst der
beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der
griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit
1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit
1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen
R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in
den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linskrheinischen
Gebieten.
Lit.: Politische Reden 1 (1792-1867), 2 (1869-1914), hg. v. Wende, P.,
1990
Redefreiheit -> Parlament, Meinungsfreiheit
reditus, redditus (lat. [M.]) Rückkehr, Einkunft, Abgabe
Redintegranda (zurückgewährend) ist das Anfangswort eines auf die
pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s zurückgehenden canons -> Gratians
(um 1140), nach dem ein vertriebener Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn
eine Einrede hat, so lange er nicht wieder in sein Amt eingesetzt wird, und
jedes Urteil, das vor dieser Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später
entwickelt sich über die (lat.) actio (F.) spolii hieraus die Besitzschutzklage.
Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen, 1874
Redjeva (Ratgeber) ist im hochmittelalterlichen Recht Frieslands
ein Berater von Richter und -> asega, der in der Mitte und im Osten bald den
asega ersetzt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840,
Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Gerbenzon,
P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981; Köbler, G.,
Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch,
1983
Reederei ist die Verbindung mehrerer Schiffseigner. Sie findet sich
der Sache nach bereits im Altertum. Eine umfassende gesetzliche Regelung
bringen das preußische -> Allgemeine Landrecht von 1794, das ->
Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und das -> Handelsgesetzbuch
von 1897/1900.
Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v.
Adam, P., 1980; Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995
Referendar (lat. [M.] referendarius)
ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche
Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im
Mittelalter (z. B. in Italien im 7.Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14. Jh.).
Seit 1748 ist in -> Preußen der angehende Jurist nach zwei von insgesamt
drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische
Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung
zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der
Juristenausbildung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P.,
Kaiserreskript, 1977
Referendum (N.) Volksabstimmung
Reform (F.) Wiederherstellung einer (früheren) Form
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen zwischen
Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971; Bradler-Rottmann, E.,
Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H., Die Reichsreform, 1984;
Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche
und Reich zur Zeit der Konzilien von Konstanz (1414-1418) und Basel
(1431-1449), hg. v. Hlaváček, I. u. a., 1996
Reformatio in peius iudici appellato non licet (lat.). Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil nicht zu Lasten des
Anfechtenden abändern. Im Dritten Reich wird das Verbot der r. i. p.
eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln,
6. A. 1998 (Ulpian, um 170-223, Digesten 49, 1, 1, pr.)
Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) ist die vermutlich am Ende des Jahres 1439 in Basel
in kurzer Zeit entstandene, in 16 Handschriften überlieferte Reformschrift
eines unbekannten Verfassers. Sie fordert von den Geistlichen eine Beschränkung
auf geistliche Aufgaben und von den weltlichen Herren Aufhebung der Unfreiheit,
der Freizügigkeitsbeschränkung sowie Schutz vor Wucher und überhöhten Abgaben.
Sie ist Ausdruck eines Verlangens nach Veränderung noch vor dem eigentlichen
Beginn der Neuzeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der
Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954
masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser
Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO
126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117
Reformation ist die Zurückbildung eines gegenwärtigen (schlechten)
Zustandes (bzw. Form) in einen ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw.
Form) bzw. die Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche ist R. die von
Martin -> Luther am 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die Schlosskirche
von Wittenberg in Gang gesetzte Erneuerungsbewegung, welche die Erlösung des
sündigen Menschen statt auf (käufliche) gute Werke (-> Ablass) auf die Gnade
Gottes zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf eines Religionskrieges
1555 im -> Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Im Recht ist R. die
unterschiedlich weit reichende Veränderung des einheimischen Rechts durch
Aufnahme römisch-kanonistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte und
Landrechte (z. B. -> Nürnberg 1479/84, -> Tübingen 1497, -> Worms
1499, -> Frankfurt 1509, -> Bayern 1518, -> Freiburg 1520, Brandenburg
1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571, Kursachsen 1572)
während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das Schuldrecht,
Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das
Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130, 138;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation,
Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578,
1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das
Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J.,
Die Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der Reformation
und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die Geschichte
der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich (Katalog),
hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984;
Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Blickle, P.,
Gemeindereformation, 1985; Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland,
hg. v. Schilling, H., 1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen
Stadtrechtsreformationen, 1990; Blickle, P., Die Reformation im Reich, 3. A.
2000; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995; Lutz, H., Reformation und
Gegenreformation, 4. A. 1997; Keune, H., Die Durchsetzung der Reformation in
den Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation zwischen
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Burkhardt, J., Das
Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei Reformationen, 2003; Ganzer,
K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16. Jahrhunderts, 2003; Berman,
H., Law and Revolution II, 2003; Mörke, O., Die Reformation, 2005
Regal ist das vom König beanspruchte Recht (lat. [ius]
regale), das seit 1122 so bezeichnet wird. In Roncaglia erfolgt 1158 eine
unvollständige Aufzählung der Regalien. Einzelne der Regale (Regalien) sind etwa
Salzregal, Bergregal, Judenregal, Zollregal, Marktregal, Münzregal,
Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal, Geleitsregal, Stromregal, Wasserregal,
Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal, aber auch Gesetzgebung, Priviligienerteilung,
Kriegserklärung, Universitätsgründung oder Verleihung des Doktorgrades. Seit
dem 12. Jh. gehen die Regale (Regalien) vom König auf die Landesherren über und
es entstehen nur noch vereinzelt neue Regale (z. B. Postregal). In der Hand des
Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt (Hoheitsrecht)
bzw. privatrechtlich-fiskalisches Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124, 150,
167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl, A.,
Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion der
Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um
Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA
77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen
Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum
Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittealater, ZRG GA 84
(1967), 128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2
1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Regen
Lit.: Burkhardt, M., Regen, Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht
Weißenstein, 1975
Regensburg an der Donau wird nach römischen Anfängen (80 n. Chr.) im
Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im Hochmittelalter
Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der immerwährende ->
Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche Recht
der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger
Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914,
Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler,
A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F.,
Ratsverfassung und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins
für Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um
Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J.,
1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg 1453-1738,
bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu
Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der
Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bierther, K., Der Regensburger
Reichstag von 1640/1641, 1971; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche
Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der
Runtinger zu Regensburg, 1976; Schmid, D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A.,
Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg, 1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer
und die Reichsstadt Regensburg, 1997; Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v.
Schmid, P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg
(1480-1538), 2005
Regent ist der Herrscher oder Fürst oder der Mensch, der für einen
anderen im Falle einer Verhinderung die Regierungsgewalt ausübt.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel,
P., Die Regentin, 2004
Regesten sind meist chronologisch unter Angabe von
Ausstellungsdatum, Ausstellungsort, Aussteller, Adressat, Inhalt und
Fundstelle geordnete Urkundenverzeichnisse (z. B. der Kaiser und Könige des
deutschen Reichs [Bd. 1 Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern
751-918, Bd. 2 Sächsisches Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4
Ältere Staufer 1125-1197, Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp,
Otto IV., Friedrich II. Heinrich usw., Bd. 14 Ausgewählte Regesten des
Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]).
Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii, Bd.
1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f.
4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta
imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d.
Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000;
REGESTA IMPERII online – RI OPAC online http://www.regesta-imperii.org
Regierung ist das kollegiale Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung
zusteht bzw. eine mittlere Landesbehörde. Von R. wird seit dem ausgehenden
Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen Monarchie gewinnt die R.
als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich allmählich eine gewisse
Eigenständigkeit gegenüber dem Herrscher, im parlamentarischen System ist sie
vom Vertrauen des Parlamentes abhängig und wird deshalb von der Mehrheitspartei
oder einer Mehrheitskoalition gestellt. (Politische) Akte der Regierung sind (nach
nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich verwaltungsgerichtlicher
Überprüfung entzogen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der
Regierungsantritt, 1899; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer,
F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in
Deutschland, 1970; Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des
römisch-deutschen Königs (1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft,
Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W.,
Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975;
Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v.
Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984;
Lodemann, C., Die Geschichte des französischen acte de gouvernement, 2005
Regiment (N.) Leitung, Heeresteil
Regino von Prüm (Altrip um 840 ?-Trier 892), aus fränkischem Adel (?),
wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung des Prümer Urbars) und nach Vertreibung 899
Abt von St. Martin in Trier. Um 906 verfasst er das in zwei Bücher geteilte
kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De synodalibus causis et disciplinis
ecclesiasticis (Über Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit 96 Fragen an
den Pfarrer und 89 Fragen an die Gemeindeglieder. Es wird von -> Burchard
von Worms verwertet.
Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v.
Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1
1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48
(1962), 1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die
Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die
Überlieferungsgeschichte der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G.,
Ansegis und Regino, ZRG KA 74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm,
hg. v. Hartmann, W., 2004
Register (N.) Verzeichnis (z. B. römischer Behörden im Altertum, der
Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. oder allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)
Lit.: Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien, 1984
regnum (lat. [N.]) Reich, Königreich
Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium – das Reich in
der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum – zum
politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und Volkwerdung,
hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000)
Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970
Regredienterbe (M.) weichender Erbe
Regress ist der Rückgriff eines zunächst zu einer Leistung
Verpflichteten auf einen weiteren, vielfach nur im Innenverhältnis zur
Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er findet sich bereits im römischen
Recht. Von der dortigen Verpflichtung des Gläubigers, dem leistenden Bürgen
seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten, ausgehend entwickelt sich für
viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein allgemeiner Forderungsübergang
kraft Gesetzes.
Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und
Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963
regula (lat. [F.]) Richtschnur, Regel (z. B.
regula iuris)
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53
Regula (F.) aurea (lat.) (goldene
[Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige Vorstellung, dass man
so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln würden bzw. alles
unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere unterlassen würden.
Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle, A.,
Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip, FS
F. v. Hippel, 1967, 491
Regula (F.) Benedicti (lat.) ist die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von
Benedikt von Nursia (um 480-557) für den von ihm geleiteten ältesten
abendländischen Mönchsorden (-> Benediktiner) als (lat. [F.])
lex geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung,
Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen
sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schriftum und die nach 500 (Rom 1.
Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des
Meisters).
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die Regula
Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula Benedicti,
1992
Regulae (F.Pl.) Ulpiani sind der vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s
aus Schriften des Gaius, Ulpian und Modestin hergestellte römische Rechtstext,
von dem ein Auszug in einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten
ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler, DRG 52
Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden Lebensordnung (Regel)
unterstellende -> Kanoniker.
Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den
Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379
Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in -> Preußen erlassene Edikt die
Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse betreffend, das nach dem
1798 im linksrheinischen Gebiet verwirklichten Vorbild Frankreichs dem
einzelnen Bauern Eigentum an Grund und Boden verschafft. -> Bauernbefreiung
Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Reich ist das Herrschaftsgebiet eines Herrschers. Dabei steht im
Altertum das (lat.) imperium (N.) Romanum (römische Reich) im Vordergrund. Von
den dessen weströmischen Teil auflösenden Reichen einzelner germanisch/germanistischer
Völker gewinnt das fränkische Reich die größte Bedeutung. Unter dem Karolinger
Karl dem Großen wird es an Weihnachten 800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung
(843/887) bleibt die Kaiserwürde im ostfränkischen Reichsteil, der sich zum
deutschen R. entwickelt. Hier treten bald König/Kaiser und -> Reichsstände
einander gegenüber. An deren Gegensatz zerbricht das R. am 6. 8. 1806 als
Heiliges Römisches R. (deutscher Nation). Das von Bismarck 1871 geschaffene
zweite Deutsche R., das Adolf Hitler 1933 zum -> Dritten R. umwandelt, ist
demgegenüber ein eher kurzlebiger Nationalstaat. Nach 1945 ist der Begriff R.
für die Gegenwart durch Bund ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109, 112,
133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1984, 423; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910; Krammer,
M., Der Reichsgedanke des staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine, H., Das Werden
des deutschen Reichs, 2. A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes
„Reich“, Diss. phil. Frankfurt 1959; Wolfram, H., Splendor imperii, 1963; Herkenrath,
R., Regnum und imperium, 1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die Reichsgewalt und
Niederdeutschland in nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H., Reich und
Einzelstaaten während der Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König,
Reich und Territorium, 1971; Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in der
deutschen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972), 118; Duchhardt,
H., Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E., König und Reich,
1979; Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel der Herrschaftspraxis
Ottos des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls
V., hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A.
1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Aretin,
K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der Reichstitel bis 1806, Archiv
für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press,
V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische Herrschaft und ständische
Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v.
Kunisch, J., 1997; Recht und Reich im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll,
C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax
et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003;
Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004
Reichenau ist die Insel im unteren Bodensee, auf der um 724 eine
rasch bedeutend werdende Bendediktinerabtei gegründet wird, aus der eine
Formelsammlung des späten 8. Jh.s überliefert ist.
Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle, K.,
1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977; Schmidt,
R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den Anfängen, ZGO 144
(1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft, 1998;
Verblicher Glanz, hg. v. Kreutzer, T., 2007
Reichsabschied (lat. recessus [M.]
imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse
des Reichstages am Ende der Tagung. Der R. enthält die jeweils vom Reichstag
geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der Verlesung in einer Schlusssitzung
Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des Reichsabschiedes ist den
Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von 1654.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und
vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff.
1747, Neudruck 1967; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs,
A., Der jüngste Reichsabschied von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg.
v. Moraw, P., 1994
Reichsabt ist der Abt einer reichsunmittelbaren Abtei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000
Reichsacht ist die im Hochmittelalter und Spätmittelalter für das
gesamte -> Reich verhängte -> Acht. Die hofgerichtliche und
kammergerichtliche R. können nur gegen den ausgesprochen werden, der trotz
dreimaliger Ladung vor den König oder das königliche Gericht ausbleibt. Löst
sich der Geächtete nicht aus der R., kann gegen ihn die Reichsaberacht verhängt
werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die Reichsacht,
1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter, 1984
Reichsadel ist der mit dem -> Reich besonders verbundene ->
Adel. Dies ist insbesondere der reichsunmittelbare Adel. Im weiteren Sinn zählt
hierzu auch der durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene Briefadel.
Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht, 1929
Reichsadler ist der als Symbol des -> Reiches verwendete ->
Adler.
Reichsamt ist die im zweiten Deutschen Reich seit 1870/1 zur Abwehr
der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen Reichsministeriums
(Reichskanzleramtes) gebildete selbständige Reichsbehörde (1870/1 auswärtiges
Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/80 Reichspostamt, 1877
Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt). Der Leiter eines
Reichsamtes wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich. Die Zahl der
Reichsämter erhöht sich später noch.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196
Reichsapfel ist die als Symbol des Reiches verwendete Kugel, die auf der
Grundlage antiker Vorbilder im Mittelalter (Heinrich II., Heinrich IV. [1106],
Heinrich VI. [1191]) erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht noch
aus dem 12. Jh.
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958
Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer freiwilliger
Arbeitsdienste der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf -> Hitler
1935 zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit eingerichtete Arbeitsdienst mit
einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Reichsarchiv ist das 1919 in Potsdam gegründete zentrale Archiv des
Deutschen Reiches. Ältere Versuche der Einrichtung eines Reichsarchivs bleiben
erfolglos. Nachfolger ist in der Bundesrepublik Deutschland das Bundesarchiv.
Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff. 1713ff.;
Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.
Reichsbank ist die am 1. 1. 1876 errichtete Zentralnotenbank des
zweiten Deutschen Reiches zur Regelung des Geldumlaufes, Erleichterung der
Zahlungsausgleichungen und Nutzbarmachung des verfügbaren Kapitals, die
tatsächlich 1945 und formal am 2. 8. 1961 aufgelöst wird.
Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H., Die
Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.
Reichsbistum ist das im fränkisch-deutschen Reich bestehende Bistum bzw.
das reichsunmittelbare Bistum.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die
Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964
Reichsbürgergesetz ist das im Dritten Reich am 15. 9. 1935 geschaffene Gesetz,
das als Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten Blutes
ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H.,
Reichsbürgergesetz, 1936
Reichsdeputation ist der vom Reichstag des Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation) seit dem 16. Jh. gebildete Ausschuss. Die R. kann ordentliche R. oder
außerordentliche R. sein.
Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 74, 253
Reichsdeputationshauptschluss
ist der Beschluss (Hauptschluss) der
letzten außerordentlichen mit Mainz, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern,
Hessen-Kassel, Württemberg und dem Hoch- und Deutschmeister besetzten ->
Reichsdeputation des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) vom 25. 2.
1803 (24. 3. 1803 Reichsgutachten des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung des
Kaisers [mit einigen Ausnahmen]). Der R. beendet auf Grund eines von ->
Frankreich und -> Russland vorgelegten Entwurfes rechtsrheinisch für drei
Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürstentümer [19 Reichsbistümer], 44
Reichsabteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die Selbständigkeit und
teilt ihr Gebiet (rund 10000 Quadratkilometer geistliches Gebiet mit 3,161
Millionen Einwohnern) zur bereits auf dem Rastatter Kongress (1797-1799)
beschlossenen Entschädigung für linksrheinische Verluste an Frankreich [Friede
von Lunéville 1801] anderen Reichsständen (Baden, Bayern, Preußen, Württemberg)
zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches (deutscher Nation) endet auch
der formell rechtmäßig zustande gekommene, inhaltlich mangels Zustimmung der
Betroffenen rechtswidrige, tatsächlich aber auf Grund der normativen Kraft des
Faktischen rechtswirksame R., doch wirken die durch ihn geschaffenen
Veränderungen fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Gaspari, A., Der
Deputations-Receß, 1803, hg. v. Becker, H., 2003Wende, P., Die geistlichen
Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Schroeder,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der
Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003; Knecht, I., Der
Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, 2007
Reichsdienstmann ist der im Dienst des -> Reiches stehende Dienstmann
oder Ministeriale. Seit der karolingischen Zeit steigt er aus der Unfreiheit in
den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird er erstmals als (lat.) ministerialis
(M.) regni ausdrücklich genannt.
Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität im
späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität,
1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut
und Königsherrschaft, 1969
Reichsdorf ist das reichsunmittelbare Dorf. Aus dem umfänglichen
Reichsgut lassen sich später noch etwas mehr als 100 Reichsdörfer (120
Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie sind frei von grundherrlichen Lasten
und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis zum Jahre 1803 geraten sie außer
Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den freien Leuten auf der Leutkircher
Heide unter eine Landesherrschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110; Hugo,
Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446; Weber,
F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld, 1913;
Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und Sulzbach,
Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984
Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des Eigentümers eines Erbhofs
zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende deutsche Reichsgesetz vom 1.
10. 1933.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F.,
Agrarpolitik im „Dritten Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des
Erbrechts zwischen 1933 und 1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus
konkretem Ordnungsdenken, ZNR 14 (1992), 55
Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts
und des Reichshofrats sowie die Sicherung des Landfriedens im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation). Die Ordnung der R. ist in verschiedenen
Reichsabschieden des 16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die rechtstatsächliche
Bedeutung der R. ist gering.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Ernst, V.,
Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f. LG. N.F. 10
(1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971
Reichsfahne ist die vor allem als Kriegsfahne als Symbol des Reiches
verwendete -> Fahne. Ihre anfängliche Farbe ist streitig (rot?, gold?, gold
und silbern?, gold und rot?, weiß und rot?). Im 12. Jh. wird der -> Adler in
sie aufgenommen. 1848 werden Schwarz-Rot-Gold, 1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919
Schwarz-Rot-Gold als Farben festgelegt. Das Hakenkreuz des Dritten Reiches
bleibt kurzes Zwischenspiel.
Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935; Schramm,
P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643
Reichsfarben -> Reichsfahne
Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955
Reichsfinanzen sind die Einkünfte des -> Reiches. Sie bestehen im
Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der Königshöfe, aus jährlichen Gaben
und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen und Münzabgaben. Durch die
Vergabung des Königsgutes werden sie geringer. Im zweiten Deutschen Reich
stehen dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis zur Höhe von 130 Millionen
Mark, die Posteinkünfte und Beiträge der Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu.
Seit 1881 werden zur Verbesserung der bedrängten Finanzlage besondere
Reichssteuern festgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und
Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1;
Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989
Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918 geschaffene, in
München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht in
Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der Bundesfinanzhof.
Reichsfiskal -> Fiskal
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Reichsforst -> Forst
Reichsfürst ist der sich im 12./13. Jh. aus dem Reichsadel aussondernde
reichsunmittelbare Fürst (um 1190 92 geistliche und 22 weltliche
Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich) oder
geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als einfacher R.
ist der -> Kurfürst. Im Hochmittelalter beträgt die Zahl der Reichsfürsten
etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel geistliche Reichsfürsten sind. Es gibt
weder landrechtlich noch lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die Reichsfürsten
von anderen hochadligen Geschlechtern abhebende Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148, 153;
Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff., Neudruck
1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller, R., Die
Neuordung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E., Land- und
lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948), 294; Engelbert,
Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948
(masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und Reichsgedanke, 1956; Schubert,
E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand
1500-1806, Bll. f. dt. LG 122 (1986) 137ff.; Vom Reichsfürstenstande, hg. v.
Heinemeyer, W., 1987; Arnold, B., Princes and Territories, 1991; Willoweit, D.,
Fürst und Fürstentum in den Quellen der Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999);
Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v.
Kaiser, M. u. a., 2003
Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471, 1486) von den ->
Reichsfürsten, reichsständischen Grafen und Herren und den nicht gefürsteten
Prälaten gebildete Rat innerhalb des Reichstages. Er besteht aus einer
geistlichen, vom Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten Bank und
einer weltlichen, vom Herzog von Bayern angeführten Bank. Nach der Reformation
verbleibt eine katholische Mehrheit der Stimmen. 1792 weist der R. 94 (35
geistliche und 59 weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche)
Kuriatstimmen auf, 1803 127 Virilstimmen und 4 Kuriatstimmen.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat,
1882; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsgebiet ist das Gebiet des -> Reiches.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P., Politische
Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen in der
Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993
Reichsgericht ist allgemein das für das -> Reich zuständige Gericht.
Dies ist für das fränkisch-deutsche Reich das Gericht des Königs, seit 1495 das
-> Reichskammergericht und danach neben ihm der -> Reichshofrat. Für das
zweite Deutsche Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R. mit fünf (1893 6) Zivilsenaten
und drei (1893 4) Strafsenaten in Leipzig eröffnet (1893 81 Richter), das dem
Reichsoberhandelsgericht bzw. dem Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist
hauptsächlich Revisionsgericht. Ihm organisatorisch eingegliedert und personell
mit ihm verknüpft sind Staatsgerichtshof und Reichsarbeitsgericht. Am 19. 4.
1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des
Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. 10. 1945 wird es
geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen umfasst 172 Bände mit
mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. -> Bundesgerichtshof.
Von 1869 bis 1918 besteht auch in Österreich ein R. als Verfassungsgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215, 218,
231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis, hg.
v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich,
1959; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69
(1961), 331; Kaul, F., Geschichte des Reichsgerichts, 1971; Hafke, H.,
Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D.,
Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des
Berliner Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 419; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 1991 (1945 rund
300000 Bände); Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in
Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.;Wiegendrucke der Bibliothek des
Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Nachschlagewerk des Reichsgerichts.
Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1994ff.; Das
Reichsgericht, hg. v. stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Grimm, D., Das
Reichsgericht in Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K., Die Hüter des Rechts,
1997; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches Landrecht, hg. v.
Schubert, W. u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate des Reichsgerichts,
Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999;
Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim
Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in
Zivilsachen, 2001; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche
Stabilisierung, 2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des
Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005; RGZ – Entscheidungen
des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD. 2004; Neschwara, C.,
Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monbarch und Parlament –
Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006), 310; 125 Jahre
Reichsgericht, hg. v. Kern, B. u. a., 2996
Reichsgesetz ist das vom -> Reich geschaffene bzw. für das Reich
geltende -> Gesetz. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist das
R., von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Constitutio Criminalis Carolina,
Reichskammergerichtsordnung, Reichspolizeiordnung), nicht sehr bedeutsam.
Dagegen wird im zweiten Deutschen Reich durch R. das deutsche Reichsrecht auf
fast allen Gebieten vereinheitlicht (-> Strafgesetzbuch, ->
Strafprozessordnung, -> Zivilprozessordnung, -> Bürgerliches Gesetzbuch).
Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den
Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die
Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel,
W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20. Jahrhundert,
in: Särtryk ur Rättshistorika studier (Serien II) Bd. 7 1982, 206
Reichsgesetzgebung -> Reichsgesetz
Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum -> Reich in
unmittelbarer Beziehung stehende -> Graf.
Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium im
16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989;
Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991; Krieger,
K., König, Reich und Reichsreform, 1992
Reichsgut ist im Mittelalter das dem -> Reich zustehende Gut
(Eigen, Lehen usw.). Die Abgrenzung vom Hausgut ist kaum sicher durchzuführen.
Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er muss sich
allein auf sein Hausgut stützen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150; Niese,
H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R., Das Reichsgut
im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des Reichsguts in
Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am
Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz, W.,
Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85
(1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E.,
Königtum und Königsherrschaft, 1993
Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die -> Gefährdungshaftung für
Personenschäden beim Betrieb einer Eisenbahn anordnende Gesetz des zweiten
Deutschen Reichs von 1871.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert, W.,
Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238
Reichsheer -> Heer
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v.,
Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat
in der deutschen Geschichte, 2. A. 1943
Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach amerikanischem Vorbild zur
Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene deutsche Reichsgesetz, das
dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte vorbehält.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52
Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine Hilfswissenschaft des deutschen
Staatsrechts, die vor allem in Gießen, Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und
Göttingen gepflegt wird (-> Thomasius, -> Ludewig, -> Gundling, ->
Pütter).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v.
Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988ericht -> Hofgericht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin, O.,
Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur
Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker,
L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178; Wohlgemuth,
Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973; Battenberg, F.,
Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1451, 1974;
Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, bearb. v.
Battenberg, F. u. a., 1987
Reichshofkanzlei ist die 1558/9 für den Schriftverkehr des Reiches eingerichtete
Kanzlei in Wien, die neben der Reichskanzlei und der Kanzlei des
Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die Kanzleigeschäfte des Reichshofrats
wahr.
Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen
Reichshofkanzlei, 1933
Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher Hofrat ist der
nach mittelalterlichen Vorläufern 1497/1498 begründete Hofrat (für Rechtssachen
aus Reich und Erbländern und Gnadensachen) des Königreichs bzw. Kaisers des
Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) in Wien (1559 Reichshofrat). Er
wird zunächst zur obersten Regierung und Justizbehörde bestimmt. Er entwickelt
sich aber allmählich zu einem mit dem -> Reichskammergericht
konkurrierenden Gericht des ihn alllein besetzenden und finanzierenden Kaisers
(im 18. Jh. ganz überwiegend Reichshöchstgericht). Es ist mit dem
Hofratspräsidenten als Vertreter des Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt.
Es ist zuständig für kaiserliche Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen
und Kriminalklagen gegen Reichsunmittelbare. Allmählich gewinnt der R. im
Verhältnis zum Reichskammergericht das größere Gewicht (vielleicht 100000
Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000 Akten aus der Prozesstätigkeit).
Geordnet ist sein wenig strenges Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B.
1527, 1537, 1541, ordo consilii um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von 1559 bis
1806 sind 445 Reichshofräte tätig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200;
Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische
Zentralverwaltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v.,
Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem
Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze
und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates
1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates
und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob Ludolf
Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht,
hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen
Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der
gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen
der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die
Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb, E./Westphal, S.,
Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291
Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s vom -> Reichshofrat
ausgebildete besondere -> Prozess. Er ist nicht durch ausführliche
Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich stets auch als
politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichskammergerichtsprozess nur
soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des Prozesses
stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur geringe
Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein Beweisinterlokut fehlt. Endurteile
sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage und (lat.)
-> recursus (M.) ad comitia zugelassen.
Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942; Sellert,
W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen
des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.
Reichsinsignien sind die (weltlichen) symbolischen Zeichen des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation). -> Insignien, Reichskleinodien
Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H.,
Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsitalien ist der von 774 bis 1806 zum fränkisch-deutschen ->
Reich gehörige Teil -> Italiens. Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter
am deutlichsten. Eine genaue Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um
1530 Mailand, Savoyen-Piemont, Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua,
Montferrat, Florenz, Siena, Genua, Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht
anscheinend zu keiner Zeit.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Pugliese, S., Le prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I
placiti del „Regnum Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der
lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis,
1968; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H.,
Adelsherrschaft und städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R.,
Das regnum Italiae, 1982
Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich seit 1877 für das Recht
zuständige -> Reichsamt.
Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum
Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des
Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995
Reichsjustizgesetze sind die zum Anfang des Jahres 1877 veröffentlichten, am 1.
10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffenden Gesetze des
zweiten Deutschen Reichs (Gerichtsverfassungsgesetz, Zivilprozessordnung,
Strafprozessordnung, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung und Gerichtskostengesetz).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes,
Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781
Reichskammergericht ist das als Gericht der Reichsstände im Zuge der Reform des
Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation) 1495 aus dem königlichen
Kammergericht entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der
Reichskammergerichtsordnung von 1495 sowie späteren
Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) geregelt. Es ist mit einem
Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16, 1556 32, später bis zu 41, grundsätzlich
je zur Hälfte adligen und gelehrten Beisitzern (Assessoren, Urteilern), die
anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt sind, zu schwach und meist
nicht vollständig besetzt. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in Speyer und
1693 in Wetzlar untergebracht. Zuständig ist es teils in erster, teils in
letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung, Landfriedensbruch, bürgerliche
Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die angesichts der sich häufenden
Nichtappellationsprivilegien immer selteneren noch zulässigen Appellationen
(auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen wird es bei durchschnittlich etwa
250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600 700, um 1700 200) örtlich vor allem
am Rhein, ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger
Unterschicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis
1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000,
bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte
Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten
und Statuten sowie theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den
gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des -> usus modernus
pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und ->
Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im ausgehenden
18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten Urkunden erklären,
der Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte Unfreiheiten bezeugenden
alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) geht es 1806 unter. Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive
verteilt. Erhalten sind in der Gegenwart noch 69000 Prozessakten und
Entscheidungen (einschließlich von Zwischenurteilen) in den noch erhaltenen
Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen 1684 und 1806) bzw.
76203 Reichskammergerichtsakten in 46 Archiven (1847-1852 71617 Prozessakten
nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig Staaten -
Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Baden, Bayern, Braunschweig, Bremen,
Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt, Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen,
Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg, Kurhessen, Liechtenstein,
Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz,
Nassau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12 Staatsarchive aufgeteilt],
Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen, Sachsen-Altenburg,
Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar, Schaumburg-Lippe,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Württemberg, Belgien)
(am 31. 3. 2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen,
virtuelle Vereinugn möglich und sinnvoll).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147, 153,
200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Poetsch,
J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die Entstehung des
Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926),
231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer Bestand,
bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der Akten des
ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v.
Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des
Reichskammergerichts, ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess
des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung
des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein
niederdeutscher Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom
Reichskammergericht, 1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als
Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den
Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die
Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der
Kampf um die Appellation, 1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im
Rechtsleben des 16. Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die
kurmainzischen Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz,
P., Die politische Einflussnahme auf die Entstehung der
Reichskammergerichtsordnung 1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in
Oldenburg), bearb. v. Eckhardt, A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am
Reichskammergericht, 1984; Eberling, H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten
1551-1806, 1985; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum
Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44; Ranieri, F., Recht und Gesellschaft
im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen, P., Der Einfluss des Reichshofrates
und des Reichskammergerichts, 1986; Ebeling, H., Findbuch zum Bestand
Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900 (des Staatsarchivs Osnabrück), 1986;
Stein-Stegemann, H., Findbuch der Reichskammergerichtsakten im Archiv der
Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts in
Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals,
1989; Das Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp,
B., 1990; Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichtsakten
im hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in
Laubach, bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des
Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des
Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a.,
Bd. 1ff. 1993ff.; Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff.
1994ff.; Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden
durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I.,
1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle
aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v. Diestelkamp,
B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten, bearb. v.
Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichskammergerichts im
Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115
(1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998; Sailer,
R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R. Freiin v.,
Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und Reichskammergericht,
hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der Akten des
Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren am
Reichskammergericht in Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000), 550; Inventar der
Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter Bestand, bearb. v.
Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der frühen Neuzeit im
Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die Wohnungen der
Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht
am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v.
Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und Schriftsteller,
2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter Teil 2, 2003;
Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung der
Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten
Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B.,
2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v.
Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004; In
eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester der
Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im alten
Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der
reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A.,
Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006,
493
Reichskammergerichtsprozess ist der -> Prozess vor dem Reichskammergericht. Er wird
bereits in der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1495 erstmals und
lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichtsordnungen (z. B.
1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten
römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich.
Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und das Prinzip
der Artikulation. Nach Litiskontestation (-> litis contestatio) und Ablegung
des -> Kalumnieneides kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag
des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach
der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände vorbringen. Da
hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht
bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt.
Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724; Smend, R.,
Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die Zivilprozessreform
des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965; Hinz, M., Der
Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966; Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a.,
2005
Reichskanzlei ist die -> Kanzlei des -> Reiches bzw. Hofes. Ihr
steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem 11. Jh. als Reichserzkanzler
der -> Erzbischof von -> Mainz vor. Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R.
ihren festen Sitz in Wien. Im zweiten Deutschen Reich ist (seit 1879) die R.
die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter, E.,
Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933, Walter, A., Die deutsche
Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich
V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren 1167 bis
1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis 1180,
1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert (1125-1190),
1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v. Repgen, K.,
Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1181
bis 1190, 1985; Wahl -und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanzlerarchivs
1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei
zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als
Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002
Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei bzw. im zweiten Deutschen
Reich der Leiter der Reichsregierung (z. B. Otto von Bismarck).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes,
ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310;
Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz,
das Reicherzkanzleramt und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G.,
Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003
Reichskirche ist die -> Kirche im fränkisch-deutschen Reich. Dies
betrifft in der älteren Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar zugeordneten
Erzbistümer, Bistümer, Klöster, Stifter und Kirchen, später nur das reichsunmittelbare
Kirchenwesen. 1803 wird die bestehende R. säkularisiert und mediatisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten,
1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H.,
Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und
Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968,
141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der
Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott,
B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002
Reichskirchensystem ist im 10. und 11. Jh. die Heranziehung der Kirche zur
Reichsverwaltung. Seit Kaiser Otto I. werden geistliche Würdenträger mit
weltlichen Aufgaben (z. B. Grafschaften) betraut. Dieses R. findet im ->
Investiturstreit sein Ende, doch lebt es in der veränderten Form der
geistlichen Reichsfürsten fort.
Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H., Reformpäpste
als Reichsbischöfe, FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G., Évêques et
pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997
Reichskleinodien sind der das Heilige Römische Reich (deutscher Nation)
sichtbar darstellende, bei den Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete
Reichsschatz (einziger nahezu unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu
den R. zählen die -> Krone (Reichskrone), das Reichskreuz, das
Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der -> Reichsapfel, das Zepter, das
Reichsschwert (Mauritiusschwert), der Krönungsmantel (Krönungsornat) und einige
weitere Kleinode (und Reliquien) (sowie der Säbel Karls des Großen, die
Stephansburse und das Reichsevangeliar als sog. Aachener Kleinodien). Sie
begleiten anfangs den König auf seinen Zügen. In salischer Zeit sind sie meist
im Dom in Speyer, danach in der Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der
habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag bzw. der Karlsfeste (Karlsstein), 1421
in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in Nürnberg, seit 1800 über Regensburg
(1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946 nochmals in Nürnberg). ->
Insignien, Reichsinsignien
Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode, 1920;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N.,
Reichskleinodienstudien, 1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989;
Schroeder, K., Die Nürnberger Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232;
Kubin, E., Die Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d.
Gesellschaft für staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die
Rechtsstreitigkeiten um den Reichsschatz, 2001
Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933 unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in
Kraft getretene -> Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und der
katholischen Kirche.
Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J., Die
Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des
Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309
Reichskreis ist der 1500 bzw. 1512 im Zuge der Reichsreform geschaffene
Kreis im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Es werden insgesamt 6
bzw. 10 Reichskreise gebildet (österreichischer, burgundischer, kurrheinischer,
fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer,
niederrheinisch-westfälischer, obersächsischer, niedersächsischer R.), in welche
die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden. Nur im Südwesten
(Schwaben, Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine gewisse
Bedeutung für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution und
Truppenkontingentierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I.,
1896; Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die
kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681; Brusatti,
A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian
Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der
österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches,
1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen
Revolutionskriege 1792-1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis,
1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die
Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der
niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische
Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale
Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen
Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer,
W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst,
W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002
Reichskrieg ist der auf Grund einer Reichskriegserklärung des Kaisers
und der Reichsstände zwischen 1648 und 1806 gegen einen fremden Staat geführte
-> Krieg.
Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reichs, 1912
Reichskriegsgericht ist das nach der Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit durch
Gesetz vom 17. 8. 1920, der Auflösung des zum 1. 10. 1900 eingerichteten
Reichsmilitärgerichts und der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit zum
1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26. 6. 1936 geschaffene oberste Gericht der
Wehrmacht Deutschlands, das sich vor allem im Krieg zum Instrument militärischer
Kommandogewalt und politischer Macht entwickelte.
Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004
Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938,
in welcher der deutsche Reichsinnenminister Goebbels während eines
Kameradschaftsabends der nationalsozialistischen Parteiführer im alten
Münchener Rathaussaal durch mündliche Weisung die Beschädigung von jüdischen Einrichtungen
wegen der Tötung eines deutschen Legationssekretärs durch einen 17jährigen
Juden in Paris einleitet. Im Verlauf der R. werden etwa 200 Synagogen zerstört,
7500 jüdische Geschäfte demoliert und 91 Juden getötet. Eine Verordnung vom 12.
11. 1938 verpflichtet die jüdischen Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung
und zu einer Sühneleistung von 1 Milliarde Reichsmark.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann, L.,
Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H.,
Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988;
Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997
Reichskrone -> Krone
Reichsland Elsass-Lothringen -> Elsass, Lothringen
Reichslandfriede -> Landfriede
Reichslandvogtei ist die von König Rudolf von Habsburg (1273-91)
eingerichtete Verwaltungseinheit für Reichsgut (z. B. in Schwaben, Elsass,
Speyergau, Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im Spätmittelalter in den
Ländern auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H., Die
Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogteien im
Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg, Wiss. Beilage zum
Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg, 1906; Schreibmüller,
H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die Landvogtei in der
Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Reichslehen ist das vom König des deutschen Reichs verliehene ->
Lehen. Durch die Annahme des Titels Kaiser von Österreich durch Franz II. wird
der Reichslehensverband 1804 bzw. durch das Ende des Heiligen Römischen Reichs
(deutscher Nation) 1806 aufgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft
und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation)
geführte -> Matrikel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur
Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910
Reichsmerkantilismus -> Merkantilismus
Reichsministeriale -> Reichsdienstmann
Lit.:
Segner, U., Die Anfänge der Reichministerialität, 1938; Bosl, K., Die
Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.
Reichsmünze -> Münze
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Reichsnotariatsordnung -> Notar
Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2.
9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung auf die süddeutschen Staaten
vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig geschaffenen ->
Bundesoberhandelsgericht hervorgegangene oberste Gericht in Handelssachen des
zweiten Deutschen Reichs in Leipzig. Es geht am 1. 10. 1879 im ->
Reichsgericht auf.
Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und
spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001
Reichspfand -> Pfand
Reichspolizeiordnung ist die für das Heilige Römische Reich (deutscher Nation)
geschaffene -> Polizeiordnung (z. B. 1530, 1548, 1577).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L.,
Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten Deutschen Reichs von
1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R. als Nachfolger des
Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem 12. 8. 1934
übernimmt -> Hitler seine Aufgaben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als Reichspräsident,
hg. v. Kolb, E., 1997
Reichspublizistik ist das das deutsche Reich bzw. das Heilige Römische Reich
(deutscher Nation) betreffende politisch-juristische Schrifttum (z. B. des
-> Manegold von Lautenbach, -> Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von
Lucca, Bonizo von Sutri, -> Petrus de Vinea, -> Jordan von Osnabrück,
-> Alexander von Roes, -> Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, ->
Marsilius von Padua, -> Wilhelm von Ockham, -> Lupold von Bebenburg,
Konrad von -> Megenberg, Nikolaus von -> Kues oder -> Peter von Andlau
im Mittelalter bzw. -> Goldast, -> Freher, Hermann Vultejus, Gottfried
Antonius, -> Arumaeus, -> Limnaeus, -> Reinkingk, -> Althusius,
-> Conring, -> Pufendorf, -> Lünig, -> Thomasius, -> Ludewig,
-> Gundling, -> Mascov, Schmauß, -> Pütter, -> Wolff oder ->
Moser) in der frühen Neuzeit.
Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechts,
Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., 1894,
Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites, Diss. phil.
München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960; Schömbs, E., Das
Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto pubblico des Sacro
romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Neumaier,
K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics in the Middle Ages, 1975;
Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel, D., Princeps legibus
solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters, W., Späte
Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993
Reichsrat ist ein Staatsorgan des 19. Jh.s (Österreich ->
Oktoberdiplom vom 20. 10. 1860, -> Februarpatent vom 26. 2. 1861, ->
Dezemberverfassung vom 21. 12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und
Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des 20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8.
1919). Hier kann der R., in dem jedes Land mindestens eine und -> Preußen
als vorherrschendes Land höchstens zwei Fünftel aller Stimmen hat, gegen
Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom Reichstag überstimmt werden kann.
Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) ist R. das -> Reichsregiment von 1500 bzw. 1521.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232;
Baltl/Kocher; Samanek, Kronrat und Reichsherrschaft im 13. und 14. Jahrhundert,
1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974
Reichsrecht ist das ein -> Reich betreffende Recht. Es steht meist
im Gegensatz zu einem Recht eines örtlich kleineren Gebietes (z. B.
Landesrecht), zum Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht
(z. B. Völkerrecht). Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.
Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher; Mitteis, L.,
Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner/Neubert, Das neue
deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur Krise des Reichsrechts im
16. Jahrhundert, in: Säkulare Aspekte der Reformationszeit, hg. v. Angermeier,
H., 1983, 49; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht,
2002
Reichsrechtsbuch -> Mühlhausen
Reichsreform ist (seit 1850) die Gesamtheit der Reformbestrebungen im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) zwischen 1410 und 1555. Als
Ergebnisse der R. sind -> Reichskammergericht und -> Reichskreise
hervorzuheben. -> Reformatio Sigismundi
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E., Die
Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und
Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und
Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und
Reichsreform 1438-1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410-1555, 1984;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001
Reichsregierung ist die Regierung eines Reichs, insbesondere die aus Reichskanzler
und Staatssekretären bzw. Ministern bestehende Regierung des zweiten Deutschen
Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
196, 230; Baltl/Kocher
Reichsregiment oder -> Reichsrat ist im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) 1500 und 1521 ein dem Kaiser zur Seite gestelltes, im
Ergebnis aber gescheitertes Reichsorgan der Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger
Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten Nürnberger
Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds Caspar von
Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite Reichsregiment, 1996
Reichsregister
Lit.: Das Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Koller, H.,
1955
Reichsritter ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der dem
Reich unmittelbar verbundene Ritter. Er erscheint seit dem frühen 15. Jh.
(1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten Ritterkreisen
(Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die
Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000 Einwohnern) in den
Territorien hinnehmen. Im Reichstag ist der R. nicht vertreten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals
freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche
Reichsritterschaft, 1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons
Hegau-Allgäu-Bodensee, 1955; Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im
Mitgliederstand der fränkischen Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft
(FS Karl Bosl) 1969, 225; Inventar des Archivs der niederrheinischen
Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn, G., 1971; Danner, W., Die
Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau, 1971; Hellstern, D., Der
Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim, H. v., Des Heiligen
römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken Ort Steigerwald,
1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren freien
Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft,
1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs, C., Vom
Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische
Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier
khein annder Haupt …, 2005
Reichsschluss (lat. conclusum [N.]
imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den Ergebnissen der Beratung
der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des Heiligen Römischen Reichs
(deutscher Nation), der dem -> Reichsabschied vorausgeht.
Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit
des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970
Reichssiegel ist das vom Herrscher oder anderen Organen für das ->
Reich verwendete Siegel.
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969; Posse,
O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.; Battenberg,
F., Das Hofgerichtssiegel, 1979
Reichsstaatsrecht -> Reichspublizistik, Staatsrecht
Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht, hg.
v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984
Reichsstadt ist im Heiligen Römischen -> Reich (deutscher Nation)
die dem Reich bzw. Kaiser unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn
unterstehende -> Stadt. Sie entsteht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die
R. kann dauerhaft die Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an
sich bringen. Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg,
Nürnberg, Speyer, Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die
zusammen den dritten -> Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische
Städtebank, rheinische Städtebank). In der frühen Neuzeit geht die Zahl
zugunsten der Territorialstaaten zurück. 1803 werden die meisten (45) noch
verbleibenden Reichsstädte mediatisiert. Die letzten Überreste bilden 1803
Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg, Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis
1806), und Nürnberg (bis 1806), in der Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und
Hamburg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage
der Frei- und Reichsstädte, 1902; Müller, K., Die oberschwäbischen
Reichsstädte, 1912; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der
Reichsstadt Nürnberg, 1928; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962; Laufs,
A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Landwehr, G., Die
Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967; Batori, J., Die
Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die oberschwäbischen Reichsstädte im
Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier, W., Stadt und Reichsfreiheit, 1972,
Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und westfälischer Friedenskongress,
1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche in der Wetterau, 1982; Schroeder,
K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Redies, R., Reichsstädte im
deutschen Südwesten, 2004; Krischer, A., Reichsstädte in der
Fürstengesellschaft, 2006
Reichsstand ist im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) das auf dem
Reichstag vertretene Kollegium (Kurfürsten [1356],
[Reichs-]Fürsten, Reichsstädte [1471]).
Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 -> Kurfürsten, 33
geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4
Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (-> Reichsfürsten) und 2
Städtebänke (51 Mitglieder) (-> Reichsstädte).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150; Moser,
J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R., Der
Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd. 1 1967;
Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände und
Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die
Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und
Klosterherrschaft, 1982; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1984;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät,
hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1999; Ackermann, J., Verschuldung,
Reichsdebitverwaltung, Mediatisierung, 2004
Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4. 1933 der über die
Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der die Landesregierung
ernennt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232; Baltl/Kocher
Reichssteuer ist die dem -> Reich zustehende -> Steuer. Im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ist der Versuch, allgemeine
Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im zweiten Deutschen Reich gelingt er
seit 1881 (Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer, 1906 Erbschaftsteuer u. a.,
1913 außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916 Vorläufer der Umsatzsteuer, 1917
Beförderungsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer, K.,
Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und
Reichsreformbestrebungen, 1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654,
Diss. Bonn 1892/3; Gerlot, W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen
Reichs, 1913; Bussi, E., Il diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2
1959; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage
und Reichssteuern, ZHF 2 (1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und
Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1
Reichsstift ist das besondere -> Stift des Reichs.
Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu
Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St.
Bartholomäus in Frankfurt, 1975
Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen
Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom französischen Code pénal
beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte Strafgesetzbuch des
Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell,
20. Jh.; Köbler, DRG 181
Reichsstraße ist die mit dem Reich besonders verbundene, dem
überörtlichen Verkehr dienende -> Straße. Aus ihr entwickelt sich (in der
Bundesrepublik Deutschland 1949) die Bundesstraße.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und
Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der
alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958
Reichssynode ist eine die Geistlichkeit des -> Reichs erfassende
-> Synode.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Reichstag ist das die Gesamtheit des Volkes repräsentierende, bei der
Gesetzgebung mitwirkende Kollegialorgan des Reichs. Der R. des Heiligen
Römischen Reichs (deutscher Nation) entwickelt sich aus der Einladung des
Königs zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reichs an seinen Hof (Hoftag).
Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln.
Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh. gehen Kurfürsten
und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kommen später
Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende
Entwicklung zu einem aus drei -> Reichsständen gebildeten R. abgeschlossen
und die Teilhabe an der Leitung des Reichs bis zu dessen Ende gesichert. Als
bekannte Reichstage werden dabei im Übrigen hervorgehoben die Reichstage von
(Aachen [802/3],) Augsburg (1529), Frankfurt am Main (1442), Freiburg im
Breisgau (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496), (Mainz [1085],)
Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 Gesandtenkongress als
immerwährender R.), (Roncaglia [1158],) Speyer (1526) und Worms (1231, 1495,
1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19. Jh. ist demgegenüber der R. in der
Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung von 1849 ein aus Staatenhaus und
Volkshaus zusammengesetztes Organ, das aber nicht verwirklicht wird. Im
Norddeutschen Bund (1867) und im zweiten Deutschen Reich (1871) ist R. die
hinter Kaiser und Bundesrat an dritter Stelle stehende, durch
Mehrheitswahlrecht bestimmte Volksvertretung, die an der Gesetzgebung
entscheidend mitwirkt. Am 28. 10. 1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen des
Reichstages abhängig. 1933 überträgt das Ermächtigungsgesetz das
Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf die Reichsregierung. Am 27. 2. 1933
steckt der niederländische Kommunist van der Lubbe das Gebäude des deutschen
Reichstags in Brand. In Österreich erscheint ein aus Senat und
Abgeordnetenkammer bestehender R. in der Aprilverfassung des Innenministers
-> Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860 Reichsrat).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230; Baltl/Kocher; Deutsche
Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des Reichstages, 1871ff.; Rauch,
K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert, 1905; Reincke, H., Der alte
Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann, R., Zur Geschichte des
deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell, A., Die soziologische
Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933; Stoltenberg, G., Der
deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und 16. Jahrhunderts,
1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages 1530, hg. v.
Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im ostfränkischen Reich
840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der Reichstag von 1871 bis
1933, 1962; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag zu Regensburg, 1963; Schwarz,
M., Mitglieder des Reichstages, 1965; Schubert, F., Die deutschen Reichstage,
1966; Becker, H., Der Speyerer Reichstag von 1570, 1969; Das
Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars Felix Hornung vom Augsburger Reichstag
1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971; Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I.,
Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R., Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil.
Wien 1974; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf
um die Freistellung auf den Reichstagen, 1975; Brandt, D., Die politischen
Parteien, 1975; Rauh, M., Die Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus,
H., Reichstag und Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich,
1979; Moraw, P., Versuch über die Entstehung des Reichstages, in: Politische
Ordnung und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Der
Reichstag, 1981; Neuhaus, H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16.
Jahrhundert, 1982; Regierung, Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G.,
1983; Moraw, P., Hoftag und Reichstag, in: Parlamentsrecht und
Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870,
bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466 Parlamentarier); Schindling, A., Die
Anfänge des immerwährenden Reichstags, 1991; Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden
Reichstags, 1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf
dem Weg zum Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806,
1992; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der
Reichstag, 1995; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger,
C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand,
2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische
Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J., 2004;
Annas, G., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Cullen, M., Der Reichstag,
2005
Reichstagsakten sind die in der Arbeit des -> Reichstages des Heiligen
Römischen Reiches (deutscher Nation) entstandenen, seit 1857 zur
Veröffentlichung vorbereiteten Akten (zwischen 1376 und 1662).
Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff.
1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff.
1972ff.; Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck
1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966
Reichstagsbrand ist der wohl von (dem niederländischen Kommunisten van der
Lubbe als) einem Einzelnen verursachte Brand des Gebäudes des Deutschen
Reichstages in Berlin am 27. 2. 1933, als dessen Folge von -> Hitler
zahlreiche Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand,
Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351
Reichsteilung ist die Aufteilung eines -> Reiches. Im August 843
teilen die Söhne Lothar, Ludwig und Karl des fränkischen Kaisers Ludwig des
Frommen in Verdun das Reich, woraus sich ungeplant die Entwicklung zu ->
Deutschland und -> Frankreich ergibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat und
Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v. Mayer,
T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Vertrages
von Verdun, DA 12 (1956), 313
Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht durch einen anderen (Landesherrn)
vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder Personen zum Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation). Sie entsteht ansatzweise im Hochmittelalter (13. Jh.). 1471
sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die der Verteidigung gegen die Türken
dienende Reichssteuer durch den jeweiligen Landesherrn von seinen Untertanen
einzuheben ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die R. im Einzelfall
festzulegen. R. haben -> Kurfürsten, -> Reichsfürsten, Reichsgrafen,
-> Reichsstädte, -> Reichsritter und -> Reichsdörfer. Persönliche R.
kommt Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren und Domkapiteln während
der Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer Familien zu. Die R. endet
1806.
Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen
Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in
den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der
500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002
Reichsurteil -> Reichsweistum
Reichsverfassung ist die Grundordnung eines -> Reichs bzw. die formelle
Verfassung eines Reichs seit dem 19. Jh. (z. B. 27. 3. 1849,
16. 4. 1871). -> Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation), Deutsches
Reich, Österreich, Kaiser, Reichstag
Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen Reichs,
1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der Reichsverfassung,
1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung, hg. v.
Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte der Reichsverfassung, 1914;
Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929; Stengel, E., Die Quaternionen
der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957), 256; Dürig, G./Rudolf, W.,
Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. A. 1979; Das Staatsrecht des
Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Becker,
W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der Städtetag in der
Reichsverfassung, 1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985;
Grimm, D., Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988; Kröger, K.,
Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte, 1988; Buschmann, A.,
Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen Reiches, FS H.
Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Immel, J.,
Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002
Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der -> Sozialversicherung im
zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945 stellt das R. seine Tätigkeit
ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das Bundessozialgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und Staatsgewalt, hg.
v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen Bestehen des
Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des 100jährigen Bestehens
der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen Sozialrechtsverband,
1984
Reichsversicherungsordnung ist das die Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deutschen
Reichs vom 15. 6. 1883 (Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Unfallversicherung)
und 22. 6. 1889 (Altersversicherung und Invalidenversicherung)
zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird am Ende des 20. Jh.s
abschnittsweise vom -> Sozialgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother, K., Die
Reichsversicherungsordnung 1911, 1994
Reichsverwaltung
Lit.: Spangenberg, H., Die Entstehung des Reichskammergerichts
und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926), 231
Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem Drängen durch Erlass vom 3.
4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und Ämter (Oberwaltungsgericht
Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Österreichs], Reichsdienststrafhof u. a.)
geschaffene oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich.
Seine Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 wird es
aufgelöst. Funktionell folgt ihm das -> Bundesverwaltungsgericht.
Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht,
Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches
Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur. Tübingen
1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991
Reichsverweser ist ein Verwalter eines -> Reichs (z. B. Dänemark
1023/4, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für das geplante Deutsche Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623
Reichsvikar ist ein Verwalter eines -> Reiches. Im Hochmittelalter
wird der R. zu einer festen Einrichtung für die Zeit zwischen dem Tod eines
Königs und der Wahl des neuen Königs des deutschen Reiches. (z. B. 1276/81
Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch der Herzog von Sachsen).
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das
Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat
in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus
controversia, 2004
Reichsvogt ist der vom -> Reich im Hochmittelalter zur Verwaltung
von Reichsgut bestellte -> Vogt (z. B. in Aachen, Wetzlar oder Goslar).
Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss. phil.
Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D.,
Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976
Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des Heiligen Römischen Reichs
(deutscher Nation), deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz, Basel,
Chur).
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967
Reichswald ist der seit dem Mittelalter dem -> Reich zustehende
Wald (z. B. Dreieich, Büdingen, Aachen, Kleve, Unterelsass, Kaiserslautern,
Nürnberg).
Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft
Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H.,
Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978
Reichswappen ist das Wappen eines -> Reiches. Im 12. Jh. erscheint
der -> Adler im Wappen des Kaisers. Am Ende des 13. Jh.s zeigt das vom
Wappen des Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im goldenen
Schild. Seit 1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die
Bundesversammlung den schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche
Reich den einköpfigen schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.
Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil.
Göttingen, 2. A. 1976
Reichswehr ist die Bezeichnung des durch den Versailler
Friedensvertrag auf 100000 Mann beschränkten Heeres des zweiten Deutschen Reiches
(Gesetz v. 23. 3. 1921) bis zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht am 16.
3. 1935.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang, T.,
Die Reichswehr und die Politik, 1959
Reichsweistum ist die von den Reichsfürsten im Mittelalter urteilsartig
gegebene Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die Abgrenzung zum Urteil wie zum
Gesetz ist zweifelhaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae curiae
regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, in: Recht und Schrift
im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Reichswirtschaftsgericht ist eine 1919 aus dem 1915 geschaffenen
Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in ein Gericht
umgewandelte Behörde. 1941 geht das R. im -> Reichsverwaltungsgericht auf.
Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940;
Klinger, H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, in: Staatsbürger und
Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103
Reichszivilprozessordnung -> Zivilprozessordnung
Reims an der Vesle, aus dem römischen Durocortorum der Remer
hervorgegangen, ist seit 290 Bistum, seit dem 8. Jh. Erzbistum. R. beansprucht
die Stellung als Krönungsort des französischen Königs. Seit dem Hochmittelalter
tritt es als Machtmittelpunkt hinter -> Paris zurück. Seit 1969 ist R. Sitz
einer Universität.
Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des französischen
Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar, archevêque de
Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois, 1979; Kaiser, R.,
Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981
Reimvorrede ist eine gereimte Vorrede (z. B. des Sachsenspiegels).
Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor, A.,
Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984
Reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen Grundlage der
neukantianischen Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans -> Kelsen
(1881-1973) entwickelte Rechtslehre. In ihr stellt die Rechtsordnung einen
Erzeugungszusammenhang von Rechtsnormen dar, der sich letztlich auf eine
hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese hypothetische Grundnorm hat
rechtserzeugenden Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des
Rechtserzeugungsvorgangs nur rechtsanwendenden Charakter.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960;
Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen
Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und
Demokratie bei Hans Kelsen, 1984
Reinhart Fuchs ist die nach 1192 von einem elsässischen Dichter
geschaffene, das Verfahren des ausgehenden 12. Jh.s volkssprachig darstellende
Dichtung.
Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984
Reinigungseid ist der Eid des Beschuldigten, mit dem er seine Unschuld
erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet mit dem 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der Reinigungseid
bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E., Einführung in
die Geschichte der Strafrechtspflege, 3. A. 1965
Reinkingk (Reinking), Dietrich (Theodor) (Windau in Kurland 10. 3.
1590-Glückstadt 15. 12. 1664), Gutsherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Köln, Marburg (Vultejus) und Gießen (Antonius) 1617 außerordentlicher Professor
in Gießen, 1618 Hofrat, 1625 Vizekanzler und 1632 Kanzler (zuerst in Schwerin,
1636 in Bremen, 1648 in Schleswig und Holstein). Sein 1619 erschienenes
kaiserfreundliches Hauptwerk (lat. Tractatus [M.]
de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über weltliche und kirchliche
Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird damit seit 1648 der
Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.
Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977,
2. A. 1987, 3. A. 1995
reipersekutorisch (sachverfolgend)
Lit.: Köbler, DRG 19
reipus (lat.-afrk. [M.]) Reifgeld, Verlobungsgebühr, vor 819
Reise
Lit.: Drabek, A., Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen
Herrscher im Spätmittelalter, 1964; Hans Dernschwam’s Tegebuch einer Reise nach
Konstantinopel und Kleinasien (1553/55), 1923, hg. v. Babinger, F. 1923,
Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986; Paravicini, W., Die Preußenreisen des
europäischen Adels, 1989; Unravelling Civilisation – European Travel and Travel
Writing, hg. v. Schulze-Forberg, H., 2005
Rei vindicatio (lat. [F.]) ist die Herausgabeklage des Eigentümers des klassischen
römischen Rechtes, bei der der nichtbesitzende Eigentümer dem besitzenden
Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht. Aus ihr entwickelt sich im
Hochmittelalter auch die zeitweise bedeutsame Unterscheidung von -> Obereigentum
und Untereigentum. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr
§ 985.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b, 81
II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307
Rekkesvind (Reccesvinth) ist der für die Fortbildung der (lat.) ->
Lex (F.) Visigothorum bedeutsame westgotische König (653-672).
Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia de
España Visigoda, 1989
Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim fränkischen König
Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Weitzel, J.,
Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981
Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins
Rektor ist der Leiter, insbesondere der Leiter einer Universität.
Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen, 1992
Rekuperator -> (lat.) recuperator (M.)
Relation (lat. [F.]
relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten Prozessrecht kommend in der
Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R. besteht im
Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der unstreitigen Tatsachen, der
Prozessgeschichte einschließlich der Beweise und einem Entscheidungsvorschlag.
Für die Besetzung von Stellen am Reichskammergericht wird 1570, für die
Besetzung einer Oberratsstelle in Württemberg die Erstellung einer Proberelation
vorgesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum Referieren
bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die Entwicklung der
zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979; Flasch,
K., Das philosophische Denken, 1986
relativ (verhältnismäßig) z. B. Mehrheit, Naturrecht, Unwirksamkeit
Religion ist das Ergriffenwerden vom Göttlichen. Indogermanen, Römer
und Germanen kennen in ihrer R. eine Vielzahl von an Naturerscheinungen
angelehnten, durch menschenähnliche Züge gekennzeichneten Göttern, die an
unterschiedlichen Orten verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr. breitet sich im
römischen Weltreich die von Jesus Christus auf jüdischer Grundlage gestiftete
christliche, auf einen einzigen, Gerechtigkeit verwirklichenden Gott ausgerichtete
R. aus, die zur Staatsreligion wird und seit dem 3./4. Jh. auch auf die
Germanen übergreift. Zwischen der Taufe Chlodwigs und der Salbung Pippins des
Jüngeren erlangt die christliche R. im Frankenreich eine beherrschende
Stellung. Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das hergebrachte Recht.
Seit dem Hochmittelalter wird abstrakt auch in weltlicher Sicht das (angeblich
gute, alte) -> Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der Reformation Martin
-> Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an der
selbstverständlichen Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet
sich allgemein gegen unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der
Einfluss der R. auf das Recht zurückgedrängt (-> Kulturkampf) und die
Trennung von Kirche und Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt
die Vorstellung einer multikulturellen Gesellschaft vor.
Lit.: Groenbech, W., Kultur und Religion der Germanen, 9.
A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die Religionen der
Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S., Recht, Religion
und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A.
2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse am Reichskammergericht, 1996;
Kippenberg, H., Die Entdeckung der Religionssgeschichte, 1997; Religion in
Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz, H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.;
Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff.;
Küng, H., Die Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg.
v. Batsch, C. u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a.,
Bd. 1ff. 1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa, 2000; Feil,
E., Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker
Menschheitsreligion, 2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in
den germanischen Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C.,
Religionsgeschichte Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der
Menschheit, 2002; Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002;
Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg,
H./Stuckrad, K. v., Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste, J.,
Zwischen Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten Europa, hg.
v. Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003; Heinig, H.,
Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; Angenendt, A.,
Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr der
Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der
Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen
und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion
und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004;
Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004; Antes, P., Grundriss
der Religionsgeschichte, 2006; Religiöse Prägung und politische Ordnung in der
Neuzeit, hg. v. Löffler, B./Ruppert, K., 2006
Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und ihrer Ausübung. Die R.
entwickelt sich seit der -> Reformation Martin -> Luthers. 1526, 1552
bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648 wird sie auf das
reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im sog. Wöllnerschen
Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818 Bayern, 1818 Baden,
1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen. Allerdings bleibt bis 1918
die R. ein Recht des Einzelnen gegenüber dem andersgläubigen Staat. Die
Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet dann allgemeine R. (Bekenntnisfreiheit,
Kultusfreiheit, religiöse Vereinigungsfreiheit).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit,
1971; Lutz, H., Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit, 1977;
Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997; Religionsfreiheit und
Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007
Religionsfriede ist der zur Beendigung eines Religionskrieges vereinbarte
Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555).
Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Rabe,
H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976; Wolgast,
E., Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, HZ 282
(200&9, 59
Religionskrieg ist der wegen der -> Religion geführte -> Krieg (z.
B. 1419-36 Hussitenkriege, 1547 Schmalkaldischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg
1618-48).
Lit.: Köbler, DRG 95, 130; Religionskriege im alten Reich und
in Alteuropa, hg. v. Brendle, F. u. a., 2006
Religionsmündigkeit ist die -> Mündigkeit in Religionsangelegenheiten. Nach
dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind
mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen
Zeiten gegen die jeweilige -> Religion gerichtete, mit einer Strafe
verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 1;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941
Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in Religionsangelegenheiten.
Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die Eltern unstreitig.
Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen den Willen ihrer
Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der Reformation und der
Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in glaubensverschiedenen
Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene Vereinbarung, hilfsweise die
Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803, dagegen das Geschlecht des
Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794). Nach Landesrecht entstehen bis
1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine
1939 auch auf Österreich erstreckte einheitliche Regelung getroffen, wonach
beide Eltern die r. K. gemeinsam bestimmen, nach Vollendung des 12.
Lebensjahres das Kind nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als
bisher erzogen werden kann und nach Vollendung des 14. Lebensjahres das Kind
über seine Religion selbst bestimmen kann.
Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder, 1888;
Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss. jur.
Zürich 1920; Pfordten, v. d., Religiöse Kindererziehung, 1922; Kammerloher-Lis,
S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung, 1999
Reliquie ist in der christlichen -> Religion ein Überrest eines
herausgehobenen Menschen (z. B. eines Heiligen). Die Verehrung einer R. wird
vermutlich seit dem 4. Jh. in der westlichen christlichen Kirche aus älteren
Ansätzen (z. B. Heroenverehrung in Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im
Mittelalter große Bedeutung. In der Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei
Windel Christi, Grabtuch Christi u. a.), weil sie zu oft von heuchlerischen
Geschäftemachern zu Lasten der Schwachen missbraucht wird.
Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum, 1909ff.;
Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die Reliquiare des
christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien, 1994; Mayr,
M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v. Mayr, M.,
2001
Remissorium (N.) ist das knappe, alphabetisch geordnete Nachschlagwerk
(Inhaltsverzeichnis) des 15. Jh.s hauptsächlich zum sächsischen Recht (z. B.
das in 19 Handschriften von 1452 bis 1472 überlieferte R. des Dietrich von
Bocksdorf, das R. des Tammo von Bocksdorf, das R. des Kaspar Popplau, das R. Zu
fromen und bequemikeit, das R. Summa totius Brodii oder das R. zum Meißener
Rechtsbuch).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 78
Renaissance (Wiedergeburt) ist die kulturelle Wiederanknüpfung an das
Vorbild des Altertums zu Beginn der Neuzeit. Die R. nimmt ihren Ausgang von
Italien. Von einer karolingischen R. wird für die Zeit Karls des Großen
gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die Zeit der Staufer.
Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; Burckhardt, J., Die Kultur der
Renaissance in Italien, hg. v. Günther, H., 1989; Andersen, E., The Renaissance
of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die Renaissance der
Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969, 1981; Burke, P.,
Die Renaissance in Italien, 1984; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico
medievale, 1992; Maclean, I., Interpretation and meaning in the renaissance,
1992; Hale, J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v.
Kuester, E., 1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996;
Burke, B., Die europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance und ihre Antike,
hg. v. Rudolph, E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a.,
2000; Reinhardt, V., Die Renaissance in Italien, 2002; Das Zeitalter der
Renaissance, hg. v. Carbonell, C. u. a., 2003; The Renaissance, hg. v. Martin,
J., 2003; Burke, P., Die europäische Renaissance, 2005
Rendsburg
Lit.: Kaack, H., Die Ratsverfassung und –verwaltung der Stadt
Rendsburg, 1976
Renner, Karl (Unter Tannowitz in Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31.
12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und
austromarxistischer Politiker, von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der
Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler) und
von 1931 bis 1933 Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er
befürwortet 1938 den -> Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als
Staatskanzler einer provisorischen Regierung die Wiederherstellung der Republik
Österreich, deren Präsident er wird.
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe
aus Saint Germain, 1991
renovatio (lat. [F.]) Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum],
Erneuerung des Römischen Reichs im Mittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und
Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990
Rente ist das auf Vermögen, Versicherungsanspruch oder
Versorgungsanspruch beruhende Einkommen. Die privatrechtliche R. entsteht im
Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Rentenschuldner regelmäßige
Leistungen an den Rentengläubiger zu erbringen sind. Diese Vereinbarung wird
vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer Geldsumme (Kapital) geschlossen und
ersetzt das verbotene verzinsliche -> Darlehen. Sie kann als Reallast so mit
einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger Eigentümer als
jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der Erbleihe
entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer angelegten,
nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflichtung und der zum jeweiligen
Fälligkeitszeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelverpflichtung zu
unterscheiden. Die Einzelverpflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung
lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser privatrechtlichen R. ist die
-> Leibrente. Die -> Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z. B.
Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit dem
Vordringen des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die
privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die sozialversicherungsrechtliche
R. entsteht seit 1881 (Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung) als
öffentlichrechtlicher Anspruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen den
Sozialversicherungsträger im Sozialversicherungsfall (Krankheit, Unfall,
Invalidität, Alter).
Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125, 135; Mann,
Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das zweite
Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von
1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961;
Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg. v. Fisch, S. u. a., 2000
Rentenbank ist das im 19. Jh. geschaffene landwirtschaftliche
Kreditinstitut, das den von grundherrschaftlichen -> Hintersassen zu
Eigentümern gewordenen Bauern die Tilgung ihrer Entschädigungsverpflichtung
durch langfristige verzinsliche Darlehen ermöglicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
174
Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter von Naturalleistungen auf
Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in welcher der Nebenhof vom
Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld verpachtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 96
Rentenkauf ist das der Begründung der privatrechtlichen -> Rente
durch Hingabe einer Geldsumme („Kauf“) dienende, seit dem Hochmittelalter
sichtbare Rechtsgeschäft. R. ist daneben auch der kaufweise erfolgende Erwerb
einer bereits bestehenden Rente.
Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Gobbers,
J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883), 130; Winiarz,
A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der Rentenkauf in
Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim Rentenkauf, ZRG GA
57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im mittelalterlichen Köln, Diss.
jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und
Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und Funktion der Hamburger
Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt,
1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975; Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und
Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229
Rentenschuld ist die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig
wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu
zahlen ist.
Lit.: Köbler, DRG 213; Hensel, R., Jurisprudenz und
Nationalökonomie, 2006
Rentenwirtschaft -> Rentengrundherrschaft
Renuntiation ist der Verzicht auf eine rechtliche Möglichkeit. Vom 13.
Jh. bis zum 17. Jh. erscheinen in Urkunden zahlreiche Renuntiationsklauseln, in
denen auf -> Einreden des römischen Rechtes (z. B. Arglisteinrede,
Nichtzahlungseinrede) verzichtet wird. Ihre weite Verbreitung könnte dadurch
ermöglicht sein, dass der Verzicht auf Rechte als solcher bereits unabhängig
vom römischen Recht bekannt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts- und
Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211
Reparation (F.) Kriegsschadensersatzleistung
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Liesem, K., Die Reparationsverpflichtungen der Bundesrepublik
Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung der
Zwangsarbeiterentschädigung, 2005
repetundae (lat. [F.Pl.])
bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes
Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34
replicatio (lat. [F.]) Gegenrede
Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11
Replik (zu lat. [F.] replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine
prozesshindernde Einrede des Beklagten im Zivilverfahren vor dem ->
Reichskammergericht (Kameralprozess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen
die Begründetheit der Klage.
Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981, 162
Report (M bzw. N.) nichtamtliche Aufzeichung von
Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in Westminster durch
junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536
Lit.: Year
Books (Edwards II. 1307-1327) , Bd. 1ff. 1903ff.
Repräsentation ist die Verkörperung einer Gesamtheit durch Vertreter. Auf
kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh. als die R. der Herrschaft Gottes
in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips wird R. durch Papst
und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates durch den Monarchen
aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des Heiligen Römischen
Reichs (deutscher Nation) erst spät als R. des Volkes angesehen. In England
unterscheidet bereits John Locke zwischen R. durch den König und R. durch die
beiden Kammern des Parlamentes. In Frankreich tritt die R. der Nationalversammlung
1789 an die Stelle und 1791 neben die R. durch den König. In den Staaten des
Deutschen Bundes ist die Frage der R. streitig.
Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im
Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und
Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions,
1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998; 4. unv. A. 2003; Bosl, K.,
Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und
Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische
Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das Repräsentativsystem,
1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M.,
Zeremonialswissenschaft im Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe,
hg. v. Oexle, G., u. a., 1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen
Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A.
2000
Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der Herrschaftsunterworfenen an allen
wichtigen Entscheidungen durch eine aus Repräsentanten gebildete
Vertretungskörperschaft ermöglichende politische System. Vom R. wird in den
Vereinigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden 18. Jh., in den Staaten
des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen. Das R. wird
zumeist durch ein -> Parlament verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte der
Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Kimme, J.,
Das Repräsentativsystem, 1988
Repressalie ist die Beantwortung einer Rechtsverletzung mit einer
gleichwertigen, angemessenen, auf die Wiederherstellung eines
völkerrechtsgemäßen Zustandes gerichteten Maßnahme. Die R. findet sich bereits
im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmittelalter juristisch erfasst
(Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh. schränkt die R. in
zweiseitigen Abkommen und in der Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 ein.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners
für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150; Hohl, F.,
Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn 1954
masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Republik (lat. res [F.] publica)
ist im römischen Recht die Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem
Nutzen. Bereits das Altertum kennt aber auch R. als einen die Staatsform
kennzeichnenden, der Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero).
Dieser wird im Hochmittelalter aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von ->
Machiavelli (1469-1527) dem Fürstentum gegenübergestellt. Mit dieser Staatsform
verknüpft -> Montesquieu wiederum Gemeinsinn, Vaterlandsliebe und
Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R. folgen nach dem
gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und Österreich 1918.
Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt als weniger
bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch eine
Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch keineswegs
Rechtsstaatlichkeit (-> Deutsche Demokratische Republik).
Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 549;
Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919; Christ, K.,
Krise und Untergang der römischen Republik, 1979; Bleicken, J., Die Verfassung
der römischen Republik, 7. A. 1995; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche
Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer
Republik, 1984; The Invention of the Modern Republic, hg. v. Fontana, B., 1994;
Bleicken, J., Geschichte der römischen Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff
und Republiken seit dem 18. Jahrhundert, hg. v. Reinalter, H., 2000;
Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer Republik, 2004
Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer -> Republik gegen
antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von Richtern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische
Richterbund (1912-1933), 1982
repudium (lat. [N.]) Verstoßung (der Ehefrau)
Lit.: Kaser § 58 VII 2a
Res (lat. [F.])
ist im römischen Recht die körperliche Sache bzw. das Rechtsobjekt
(einschließlich der Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen)
bzw. das gesamte Vermögen (z. B. Erbschaft). Eigentum gibt es nur an
körperlichen Sachen und Sklaven. Der enge römische Begriff der r. ist in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30,
39; Köbler, LAW
Res (F.) communis
omnium (lat.) ist im römischen Recht die
allen gemeinsame Sache (z. B. Luft, Regenwasser, Meer).
Lit.: Kaser § 18 I 2b
Res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache im Gegensatz zum unkörperlichen
Gegenstand (lat. res incorporalis bei Gaius)
Lit.: Kaser § 19 I 1
Res (F.Pl.)
cottidianae (lat.) ist eine von ->
Gaius (um 160 n. Chr.) geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius
entstandene römischrechtliche Schrift, aus der Bruchstücke in den Digesten
überliefert sind.
Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
Rescriptum (lat. [N.]) ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des
Prinzeps auf eine Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt.
Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31
Res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der Götter stehende Sache des
römischen Rechts (z. B. Tempel, Grabstätte, Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw. -> Mentalreservation
Lit.: Kaser § 8 III
Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem Kaiser des Heiligen
Römischen Reichs (deutscher Nation) vorbehaltene Recht.
Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen
Reservatrechte, 1958
Reservatum (N.)
ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche
Vorbehalt, dass bei einem Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der
frühen Neuzeit der Grundsatz (lat.) -> cuius regio, eius religio nicht gilt.
Lit.: Köbler, DRG 130
Res (F.) extra
commercium (lat.) ist im römischen Recht
die nichtprivatrechtsfähige Sache (z. B. res divini iuris, res communis omnium,
res publica).
Lit.: Kaser § 18
I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G., The sale of the res extra commercium, ZRG
RA 112 (1995), 330
Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt
Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992; Südwestdeutsche
Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press, V., 1992; Höfe
und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Paravicini, W., 2003
res (F.) iudicata (lat.) entschiedener Rechtsstreit
Lit.: Kaser § 84 II 1
Reskript (zu lat. [N.] rescriptum) ist das eine Rechtsansicht zu
einer Rechtsanfrage enthaltende Schreiben des römischen Kaisers. Es wird im 5.
Jh. vom Papst übernommen und bis in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen
Recht wird das R. dagegen später nur ganz vereinzelt verwendet (z. B.
Reskriptprozess vor dem Reichshofrat).
Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15;
Gaudemet, J., La formation du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181
Res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen Recht die in der
Spätantike aufgegebene handhabbare Sache (italisches Grundstück, Sklave, Rind,
Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut). Nur für die r. m. ist die (lat. [F.])
-> mancipatio möglich.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II
2b; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60
Res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht jede Sache, die nicht
-> res mancipi ist. Sie wird durch (lat. [F.])
-> traditio (Übergabe) erworben.
Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler, DRG 24,
39, 60
Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines gegen Straftatbestände
als Gesellschaftsregeln verstoßenden Straftäters in die Gesellschaft. Die R.
als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen Ansätzen in England und in
den Niederlanden (-> Zuchthaus) von Franz von -> Liszt im Marburger
Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter aufgegriffen. Seitdem gewinnt
sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke vollständig verdrängen zu
können.
Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping, H., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Respondierjurist ist im römischen Recht der vom Prinzeps durch das Recht,
auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche Antwort (lat. [N.]
responsum) zu geben, hervorgehobene Jurist.
Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken römischen Recht das Staatsland,
an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis begründet werden kann.
Lit.: Kaser § 30 I 2
Res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die Gesamtheit der Römer und
die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B. Straße, Fluss,
Wasserleitung). -> Republik
Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c
Res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die in gewisser Weise
nichtprivatrechtsfähige Grabstätte.
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) sacra (lat.) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige
geweihte Sache (z. B. Tempel). Nach katholischem Kirchenrecht darf die r. s.
nicht zu weltlichem Gebrauch verwendet werden.
Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274
Res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die unter göttlichem Schutz
stehende weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Ressort (N.) Arbeitsgebiet, Zuständigkeitsbereich
Lit.:
Hausherr, H., Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953
Restauration (F.) Wiederherstellung eines früheren Zustandes (z. B. des
klassischen römischen Rechts durch Justinian, älterer politischer Zustände in
England 1660-1688, Frankreich 1815 oder im Deutschen Bund 1815-1848)
Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4
1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff. 2. A.
1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration, 1955;
Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und Frühliberalismus,
hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg.
v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt,
H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001
restituere (lat.) einen Zustand herstellen oder wiederherstellen
Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV,
50 II 6; Köbler, DRG 42
Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen römischen Recht die vom Prätor
in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung des früheren Zustandes (z. B.
nach einem Betrug, bei Zwang). Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420
Restitution
Lit.: Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen
Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 196)9
Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands II. vom 6. 3. 1629, der
die Rückerstattung bestimmter an Protestanten gelangter Güter anordnet, 1648
aber zugunsten des Besitzstandes vom 1. 1. 1624 (-> Normaljahr) aufgegeben
werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr als 500 Klöster, Stifte und
Kirchengüter).
Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss. jur.
Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997
retentio (lat. [F.]) Zurückbehaltung
Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59
Retraktrecht -> Näherrecht
Reugeld ist die vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung die
Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein kann.
Lit.: Hübner
Reunion ist die Wiederangliederung eines verlorenen Gebietes (z. B.
Frankreichs 1679-1686).
Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss. phil.
Mainz 1961
Reuß ist die nach Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, † 1292/1294)
benannte Grafschaft im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) und ein
Mitglied des Deutschen Bundes. R. geht am 1. 5. 1920 in -> Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die
Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952
Reutlingen
Lit.: Jäger, W., Die freie Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G.,
Die freie Reichsstadt Reutlingen, Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die
Anfänge der Stadt Reutlingen, 1961
Reval ist Sitz eines 1219 vom König von Dänemark gegründeten
Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des Heiligen Römischen Reichs
(deutscher Nation) gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226
rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn
„Dänenburg“) Hauptstadt der Republik -> Estland. Das lübische Recht gilt bis
zur Annexion durch die Sowjetunion (1944).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des Revaler
Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus Revaler
Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v. Ebel, W.,
1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f. 1966ff.; Ebel,
W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a., Deutsch und
Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973; Reval und die
baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E., Reval, 1991
Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage
Revigny -> Jacobus de Ravanis
Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wiedergeltendmachung
Revision ist ein -> Rechtsmittel zur Nachprüfung eines Urteils in
rechtlicher Hinsicht. Die R. ist vermutlich der römischrechtlichen (lat.)
supplicatio (F.) ad imperatorem (Bittschrift an den Kaiser) nachgebildet. Für
die R. ist am Reichskammergericht die Visitationskommission zuständig, die ihre
Aufgabe (etwa 2000 Revisionen) aber nicht ausführt. Gleichwohl wird die R. in
den Ländern aufgenommen und durch die Reichsjustizgesetze von 1877/1879
einheitlich eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn, H.,
Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher,
G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K.,
Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der
Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
„Erbmännerstreit“, 1998
Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio) (Rückrufsrecht) -> Näherrecht
Lit.: Köbler, DRG 57
Revolution ist die plötzliche grundlegende Umgestaltung eines
bestehenden gesellschaftlichen Zustandes. Über einen von Nikolaus Kopernikus
geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum revolutio (Umwälzung)
1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet. Eindrucksvollstes (und
als erste R. allgemein anerkanntes) Beispiel der R. ist die R. in Frankreich
(1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche Revolutionen in
Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Russland (1917) und
Deutschland (1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der
österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die
europäischen Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche
Revolutionsbegriff, 2. A. 1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder,
T., 1973; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979;
Deutschland zwischen Revolution und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a.,
1981; Deutschland und die französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982;
Berman, H., Law and Revolution, 1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1988; Schulin, E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud,
J., Alltagsleben während der französischen Revolution, 1989; Revolution und
konservatives Beharren. Das alte Reich und die französische Revolution hg. v.
Aretin, K. Frhr. v., 1990; Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991;
Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Revolution und Gegenrevolution 1789-1830, hg. v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K.,
Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und
Öffentlichkeit, 1995; Hein, D., Die Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution
in Deutschland, hg. v. Dipper, C. u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 – Die
ungewollte Revolution, 1998; Achtzehnhundertachtundvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig,
hg. v. badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution
von 1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999;
Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die
Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v.
Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P.,
2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu
sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850,
2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M.,
Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der
Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004; Deutschland – ein Land ohne
revolutionäre Traditionen?, hg. v. Bavaj, R. u. a., 2005
rex (lat. [M.]) König
Lit.: Lapis, B., Rex utilis, 1986
Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein Unrecht tun.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Reykjavik auf Island wird 877 von Wikingern angelegt und wird
Hauptstadt -> Islands. 1911 erhält es eine Universität.
Reyscher, August Ludwig (Unterrixingen in Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt
1. 4. 1880), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen 1829
Privatdozent, 1831 außerordentlicher Professor und 1837 ordentlicher
Professor. 1851 muss er seine Universitätstätigkeit aus politischen Gründen
aufgeben und wird Anwalt. In seinen zahlreichen vielseitigen Werken bemüht er
sich als liberaler Pragmatiker um Fortschritte in zeitgenössischen Grundfragen.
Lit.: Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und
Rechtstheorie, 1974
Rezeption ist die Aufnahme des antiken römischen Rechts im
mittelalterlich-neuzeitlichen Europa. Die R. beginnt mit der Wiederentdeckung
der Digesten in Italien im späten 11. Jh. Sie vollzieht sich über den
Rechtsunterricht an den neu entstehenden Universitäten (Bologna, Padua,
Perugia, Paris, Oxford, Cambridge, Salamanca u. a.) und über die fachmännisch
besetzte kirchliche Gerichtsbarkeit. Die Gründe für den Erfolg der R. sind
streitig. Daran, dass das einheimische Recht neu entstehende Rechtsfragen nicht
hätte beantworten können, kann es, wie die Aussparung mancher Gebiete
(Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen haben. Am ehesten wird man
annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse der vernunftmäßig
einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in jahrhundertelanger Feinarbeit
wissenschaftlich durchdrungenen Konfliktlösungen sich gegenüber der
unübersichtlichen und verwirrenden Vielfalt der aus verschiedensten Quellen
stammenden einheimischen Sätze der ungelehrten Laienurteiler als überlegen
erweist. Den Ausgangspunkt der R. bilden die -> Glossatoren und ->
Kommentatoren in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen Römischen Reich
(deutscher Nation) durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495. In
Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in ->
Reformationen (Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Freiburg 1520)
und in der zunächst populären, dann wissenschaftlichen Literatur (-> usus
modernus pandectarum). Noch nach den römischrechtlich beeinflussten ->
Kodifikationen des Vernunftrechts erfolgt über -> historische Rechtsschule
und -> Begriffsjurisprudenz sowie Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer
Schub von R. Im Übrigen ist die R. des römischen Rechts in Europa nur ein
besonders eindrucksvoller Fall von Rechtsrezeption überhaupt.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff.; Merkel,
J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in
Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen der Rezeption des
römischen Rechts in Deutschland, 1905; Coing, H., Die Rezeption des römischen
Rechts in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im
Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H., Zur Geschichte der
Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H., Kaiserrecht und
Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts im Urteil der
deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechts in
Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966;
Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V 6,
1964; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G.,
Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Fried, P., Die
Entstehung des Juristenstandes, 1974; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili,
1975; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Wiegand, W., Studien
zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977; Nève, P., Recht en
Continuiteit, 1977; Beyerle, F., Rezeption, Rezeptionsreife und Überwindung,
ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom 18. 11. 1942); Bender, P., Die Rezeption des
römischen Rechts, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Stelzer, W., Gelehrtes
Recht in Österreich, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA
100 (1983), 75; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss,
G., Law, Resistance and the State, 1986; Wesener, G., Einflüsse und Geltung,
1989; Elsener, F., Studien zur Rezeption, hg. v. Ebel, F. u. a., 1989
(Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption bologneser Rechtswissenschaft in
Deutschland im 12. Jahrhundert, in: Viator 21 (1990), 103; Bellomo, M.,
L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The Reception of Continental Ideas in
the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl, T., Die Rezeption des
kontinental-europäischen Privatrechts in Lateinamerika, 1999; Der neue Pauly.
Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions- und
Wissenschaftsgeschichte, in Verbindung, hg. v. Landfester, M., Band 13ff.
1999ff.; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die
Übertragung von Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des
englischen Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus
actionis, Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen
Rechts in Russland, 2004
Rezess (lat. [M.]) Rückschritt, Vergleich
Rheinbund ist (nach einem älteren
Bündnis zwischen 15. 8. 1658 und 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck
-> Napoleons von zunächst 16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (u. a.
Bayern, Württemberg, Baden, Mainz, Hessen-Darmstadt, Berg, Kleve, Nassau)
geschlossene Bund (Staatenbund?), der sich zur französischen Heerfolge und zur
widerrechtlichen Trennung vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die Mitglieder aus dem Reich aus. Der
später noch erweiterte R. (Würzburg, Sachsen, Westphalen) löst sich im Oktober
1813 auf. Voraus geht ihm im Übrigen ein R. vom 15. 8. 1658 (Mainz, Trier,
Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich), der am 15. 8. 1668
aufgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber, G.,
Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des
Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905; Schnur,
R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung
des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und
revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991;
Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen
Aufklärung und Frühliberalismus, 1994
Rheinfelden
Lit.: Schib, K., Geschichte der Stadt Rheinfelden, 1961
Rheingau
Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Richter,
P., Der Rheingau, 513
Rheinischer Bund ist der im Juli 1254 von Städten und Landesherren am
mittleren Rhein abgeschlossene, später von Basel bis Bremen und Aachen bis
Regensburg reichende nach Frieden strebende Bund, der nach der Doppelwahl zum
deutschen König im Januar 1257 endet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der rheinische Bund
von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986
Rheinischer Städtebund von 1381 ist ein am 20. 3. 1381 von Städten am Rhein
geschlossener, 1388/1389 dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener Bund.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer Prozesse
nach dem Städtekrieg von 1388, 1981
Rheinisches Recht ist das links des Rheins im 19. Jh. eingeführte
französische Recht, das durch die Gesetzbücher des Deutschen Reiches
(1871-1900) abgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar, Das
rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen
Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichtsverfassung
1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das rheinische
Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum, 1969; Faber,
K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der rheinischen
Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft und
revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in Deutschland
zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128; Schubert,
W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny und die
rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Becker, H.,
Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und europäische
Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die französische
Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das rheinische
Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, Markus, Der Übergang vom
rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des
Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische
Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003;
Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v.
Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof,
2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005;
Haferkamp, H. u. a., Neue Wege zur Rechtsgeschichte, ZRG GA 123 (2006), 372
Rheinland
Lit.: Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1922; Aubin,
H./Frings, T./Müller, J., Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den
Rheinlanden, 1926; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram,
J. u. a. 1969 (FS OLG Köln); Rheinischer Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff.
(Programm umfasst 172 Städte in Nordrhein-Westfalen und 15 Städte in
Rheinland-Pfalz, z. B. Dinslaken, Geldern, Heimbach, Ratingen, Wesseling);
Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, hg. v. Nikolay-Panter, M . u. a.
1994 (Aufsätze)
Rheinland-Pfalz ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen Bayerns und Preußens
geformte Land, das Bundesland der 1949 entstehenden Bundesrepublik Deutschland
wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E.,
Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft
Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v.
Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes Rheinland-Pfalz,
Bd. 1f. 1992f.; Kißener, M., Kleine Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, 2006
Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815 an Preußen gelangten
Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem Großherzogtum
Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946 in
Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher Atlas
der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd. 2
1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die
Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz,
Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919;
Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk,
H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der
Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997
Rheinschifffahrt -> Binnenschiffahrt
Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804, 24. 3. 1815, 13. 3. 1831,
17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene Gericht für Streitigkeiten in
Rheinschifffahrtsangelegenheiten. Für dieses gilt ein besonderes Gesetz von
1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz,
St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des Oberlandesgerichts in Köln und
Karlsruhe.
Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des
Oberlandesgerichts Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O.,
Gerichtsverfassungsgesetz, 2. A. 1994; Scherner, K., Die Rheinakten von 1831
und 1868, Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58
Rhenen
Lit.: Iterson, W. van, De stad Rhenen, 1960
Rhens (bei Koblenz), früher Rhense -> Kurverein
Rhetorik ist die im Altertum entwickelte Redekunst (z. B. Marcus
Fabius Quintilianus 35-100 n. Chr.). Sie befasst sich besonders mit der Rede
vor Gericht. Vermutlich von dort aus beginnt seit dem 11. Jh. die
Wiederbeschäftigung mit dem -> römischen Recht.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106; Quintilianus,
Marcus Fabius, Ausbildung des Redners, hg. v. Rahn, H., 3. A. 2006; Wesel, U.,
Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei
Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche Rhetorik, 1982;
Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Köbler,
G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987; Classen, C., Recht,
Rhetorik. Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991; Historisches Wörterbuch
der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.; Fuhrmann, M., Die antike
Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v. Fried, J., 1997; A
Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997
Rhodos -> lex Rhodia
Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003
Richert, Johan Gabriel (1784-1864) wird nach dem Rechtsstudium in
-> Lund Richter. In verschiedenen Gesetzgebungskommissionen setzt er sich
für liberales Recht ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von Söhnen und
Töchtern im Erbrecht, 1863 ein modernes Kriminalgesetzbuch.
Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel
Richert, 1905; Den historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53
Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend mögliches
Entscheidungsverfahren des Richters ohne Zuziehung von Urteilern, für das aber
kein feststehender Gesichtspunkt erkennbar ist.
Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 403
Richter ist das zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten berufene
Organ der Rechtspflege. Im zweigeteilten römischen Verfahren ist dies der vom
Magistrat ermittelte, ehrenamtlich tätige (lat. [M.])
-> iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche Amtsträger. Bei den
Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die -> Volksversammlung und
damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt diese
Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. [M.])
-> thunginus bzw. später der -> Graf. Ihm obliegt grundsätzlich nicht das
den Rachinburgen oder -> Schöffen überlassene Urteilen. Im Hochmittelalter
wird in der Kirche der gelehrte -> Jurist Einzelrichter und bewirkt die
Unzuständigkeit des Richters die Nichtigkeit seines Urteils. Von hier aus
verdrängt der R. in der frühen Neuzeit den Schöffen aus der Urteilstätigkeit.
Der Liberalismus des 19. Jh.s führt den ehrenamtlichen Laienrichter wieder
teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der R. allgemein ->
Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit) erlangt.
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228, 234, 235,
262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege, 1900; Lenel,
P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440; Plathner,
G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich,
1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums Chur, 1964; Flume,
W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des Richters im gelehrten
Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee der Strafprozessordnung
und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G., Richten, Richter und
Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer,
1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus zum
Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der preußischen
Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A., Der Richter
in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N., Richterleitbilder in der
Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und Sachverständige, ZRG GA 97
(1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters,
1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Schulz, B., Der republikanische
Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters
im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986;
Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106 (1989), 46; Ormond, T.,
Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und amerikanische
Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le jugement, hg. v.
Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Immisch,
L., Der sozialistische Richter, 1997; Gritschneder, O., Furchtbare Richter,
1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998; Höner,
M., Die Diskussion um das richterliche Prüfungsrecht und das monarchische
Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die freie richterliche Überzeugungsbildung,
2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und
Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie, 2003;
Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003; Strodthoff, B., Die richterliche
Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M., Materialisierung,
Flexibilisierung, Richterfreieheit, 2005; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien in der preußischen und deutschen Zivilprozessgesetzgebung, 2006
Richterablehnung ist die Zurückweisung eines Richters wegen Befangenheit.
Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren bekannt. Sie wird im Mittelalter
im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt auch das einheimische Recht
Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1
1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht,
1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77
Richterbrief ist im Dritten Reich das der Lenkung der Tätigkeit des
Richters dienende parteipolitisch beeinflusste Rundschreiben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Richterbriefe,
hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss. jur. Heidelberg
1981
Richterrecht ist das von dem im gewaltengeteilten Staat für die
Rechtsprechung zuständigen -> Richter geschaffene Recht. Seine Zulässigkeit
ist streitig. Insbesondere die -> freie Rechtsschule befürwortet allgemein
R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort durch, wo der Gesetzgeber nicht
entscheidungsfähig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879,
Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als methodisches
Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des Richterspruchs, JuS
1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht,
1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhandlungsrecht,
1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen
Rechtsgemeinschaft, hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003
Richterstuhl ist der Sitz des Richters.
Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richthofen, Karl Otto Johannes Theresius (Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3.
1888) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny, Eichhorn) und
Göttingen (Jacob Grimm) außerordentlicher Professor in Berlin. 1840
veröffentlicht er die friesischen Rechtsquellen und ein altfriesisches
Wörterbuch, 1863 die (lat.) -> Lex (F.) Frisionum.
Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9 (1888),
247
Richtlinie ist der Grundsatz oder die Anweisung für ein bestimmtes
Verhalten. Insbesondere kann in der -> Europäischen Union der Rat oder die
Kommission eine verbindliche R. für den staatlichen Gesetzgeber erlassen.
Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg. v.
Walk, J., 1981
Richtschwert ist das Schwert als Vollzugsgerät der -> Todesstrafe.
Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf
Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtstätte ist der Ort des Vollzuges der Todesstrafe (z. B.
Galgenbühl).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtsteig Landrechts ist das vom märkischen Hofrichter Johann von Buch (1285/1290-nach
1356) verfasste Werk über das Gerichtsverfahren nach dem -> Sachsenspiegel.
Der R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und 1333/1334 entstanden. Er folgt
gelehrtem Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten). Er ist durch 75 Handschriften
in fünf vor allem regionalsprachlich verschiedenen Formen überliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107; Homeyer, C.,
Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64
Richtsteig Lehnrechts ist das vermutlich in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s
vielleicht von Gerke von Kerkow verfasste Werk über das Verfahren des
sächsischen Lehnrechts in anfangs wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften
überliefert ist.
Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil, Bd. 1
1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 65
Riegger, Joseph Anton Stephan von (Innsbruck 1742-Prag 1795),
Rechtsprofessorensohn, wird 1764 Privatdozent in Wien und 1765 Professor in
Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag. In Freiburg im Breisgau hält er als erster
deutsche Vorlesungen.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797
Riegger, Paul Joseph (Freiburg im Breisgau 1705-Wien 1775) wird
nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau 1733 Professor in Innsbruck und
1753 in Wien. Er tritt für den Vorrang des Staates gegenüber der Kirche ein.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden Ritter
von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973
Riga an der Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute
gegründet und kommt 1582 an Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Russland. 1285
nimmt die Stadt hamburgisches und später auch lübisches Recht auf. Das daraus
entwickelte rigische Recht wird an viele umliegende Städte weitergegeben. Von
1918 bis 1940 und seit 1991 ist R. Hauptstadt von -> Lettland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Die
Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck 1976;
Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann,
M., Livland und das Reich, 1989; Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004; Riga
und der Ostseeraum, hg. v. Misns, I. u. a., 2005
Ring ist ein kreisförmiges Gebilde, das als Symbol für ein Recht
oder Rechtsverhältnis verwendet wird (z. B. Ehering).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899,
Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der Heirat, 1931
(SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933), 1; Labhart,
V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe, 1994
Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz einer
Universität.
Lit.: Feige, R., Das akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit
der Universität Rinteln, 1956
Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem Rechtsstudium in
Aix-en-Provence Rechtslehrer in Aix-en-Provence (1906) und Paris (1918). Er
führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil -> Planiols fort und
erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei geht er von der
Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus.
Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie
et les travaux de Georges Ripert, 1960
Ripuarier (Ribvarier) ist der (Bewohner eines um Köln liegenden
Gebiets oder) der Angehörige eines um Köln fassbaren Teilstammes der Franken,
dessen Recht vielleicht schon im 7. Jh., jedenfalls 763/4 und in einer etwas
jüngeren Fassung in der (lat.) -> Lex (F.) Ribvaria aufgezeichnet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U., Pagus
und comitatus, 1983
Ritter (lat. [M.] eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches
Verhalten gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische
Altertum kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. [M.Pl.])
equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht
der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare,
spätestens um 1250 durch Ritterbürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit
zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der
Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet
bald den niederen Adel, der zu einem der -> Landstände wird. Allerdings erweisen
sich die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an
Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird
der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch -> Raubritter.
Seit dem 15. Jh. schließen sich die -> Reichsritter besonders zusammen,
verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag,
Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919); Wretschko, A., Zur Erteilung
der Ritterwürde durch den Kaiser im 16. Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374; Sandberger,
D., Studien über das Rittertum in England, 1937; Schulze, W., Die Gleve, 1940; Obenaus,
H., Recht und Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t Jörgenschild in
Schwaben, 1961; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reuter, H.,
Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2. A. 1974; Das Rittertum, hg. v. Borst, A.,
1976; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 2. A. 1976; Das ritterliche Turnier
im Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Bardelle, B., Die
altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987; Keen, M.,
Das Rittertum, 1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I
milites cittadini, 1992; Paravicini, W., Die ritterlich-höfische Kultur, 1994;
Erkens, F., Militia und Ritterschaft, HZ 258 (1994), 623; Böninger, L., Die
Ritterwürde in Mittelitalien, 1995; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997;
Fleckenstein, J., Rittertum und ritterliche Welt, 2002; Hechberger, W., Adel,
Ministerialität und Rittertum im Mittelalter, 2004; Rittertum und höfische
Kultur der Stauferzeit, hg. v. Laudage, J., 2006; Ehlers, J., Die Ritter, 2006
Ritterbund ist der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss von ->
Rittern zu gemeinsamem Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die Rittergesellschaften
mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und Verfassung der Gesellschaft
mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v. Rössler, H., 1965; Ranft,
A., Adelsgesellschaften, 1994
Rittergut ist das einem Ritter (Adeligen) übertragene Landgut, mit
dessen Besitz die Landstandschaft verbunden ist (in Brandenburg im 19. Jh. 1610
Rittergüter [mit mehr als 100 Hektar], jeder fünfte Rittergutseigentümer
Millionär). Es ist meist Lehen. Der Inhaber ist von Steuern befreit. Das R. ist
oft Mittelpunkt einer -> Grundherrschaft oder Gutsherrschaft, der Inhaber
meist Träger von Polizeigewalt und Patrimonialgerichtsbarkeit.
Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den
Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937; Hüllemann,
H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939; Reinicke, W.,
Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004; Flügel, A., Bürgerliche Rittergüter, 2000;
Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz, 2003; Halama, A., Rittergüter
in Mecklenburg-Schwerin, 2006
Ritterorden ist der von -> Rittern seit dem 12. Jh. gebildete ->
Orden (z. B. Templerorden 1118/1119, -> Deutscher Orden 1190/11988,
Johanniterorden, Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202).
Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967;
Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas,
hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Geschichte und Recht geistlicher
Ritterorden besonders in der Schweiz, hg. v. Carlen, L., 1990; Ritterorden und
Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a.,
1991; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des
Herrn, 2003; Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters,
hg. v. Czaja, R. u. a., 2003
Ritterschaft ist die Gesamtheit von -> Rittern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die
Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982;
Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur.
Münster 1987
Ritterspiegel ist das in einer Handschrift überlieferte, wohl zwischen
1410 und 1420 von Johannes -> Rothe verfasste Gedicht in mittelthüringischer
Sprache über die Stellung und Aufgaben des Ritters.
Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v. Neumann,
H., 1936
Rivail -> Aymar du Rivail
Rivallius -> Aymar du Rivail
Robe ist die Amtstracht des Richters, Staatsanwaltes oder
Rechtsanwaltes. Sie geht auf den langen schwarzen Mantel zurück, den seit der
frühen Neuzeit die Gelehrten als doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in
Frankreich tragen dann auch die -> Richter als Justizbeamte einen solchen
Talar als eine besondere Standeskleidung. 1790 wird das zwischenzeitlich
prunkvoll gestaltete Gewand durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem
französischen Recht dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die
Reichsjustizreform von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle
Richter ausgedehnt (Österreich 1897, 1962).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957; Hargreaves-Mawdsley,
W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W., Historisches über
Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Robot (F.) Frondienst
Lit.:
Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952
Rodung ist die Urbarmachung von bewaldetem Land. Sie kann im
Mittelalter zu Freiheit oder rechtlicher Besserstellung führen (z. B. in der
-> Ostsiedlung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze, H.,
Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529
Roes -> Alexander von
Roesler, Hermann (1834-1894) wird nach dem Studium von Recht und
Wirtschaft in Erlangen und München 1861 Professor für Staatswissenschaft in
Rostock. 1878 wird er juristischer Berater -> Japans. Er gestaltet das
Handelsgesetzbuch (1890) und die Verfassung (1889) maßgeblich mit. 1893 kehrt
er nach Europa zurück.
Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen japanischen
Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975
Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug Karls des Großen aus
Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist die Hauptgestalt des
wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen Rolandsliedes.
Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, die sich seit dem
Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als Symbol der
Kaiserrechte ? oder des Rechts allgemein ?) finden (z. B. in Bremen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die Rolandsbilder
Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905; Jostes, F., Roland
in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von Ragusa, ZRG GA 30
(1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute
(Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche Rolande, 1934; Goerlitz,
T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, 1934; Gathen, A., Rolande
als Rechtssymbole, 1960; Mitić, I., Die Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82
(1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg,
M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling,
D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel-Everling.de)
Rolandus von Bologna
Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters Rolandus von
Bologna, 2004
Rôles d’Oléron -> Oléron
Rom ist die nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus
gegründete Hauptstadt des 509 v. Chr. (?) vom Königreich zur Republik und 27 v.
Chr. von der Republik zum Prinzipat gewordenen römischen Weltreiches (um 500 v.
Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um 0 1000000, um 300 n. Chr. 500000,
1790 große Privathäuser domus, 46602 große Mietshäuser, insulae). In ihr hat
der Papst seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den fränkischen König Pippin
als Gabe. Während des Mittelalters krönt er dort den deutschen König zum
Kaiser. Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder einen Senat ein.1870
fällt R. an Italien, 1871 wird es dessen Hauptstadt.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold,
H., De spegel van het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio,
2. A.
1957; Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Dahlheim,
W., Stadt und Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A., 1993; Roma,
hg. v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4. A. 1994;
Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H., Römische
Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Christ,
K., Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom in der
Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen Kaiser,
hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997; Die späte
römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische
Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der römischen
Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die
Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der
römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998;
Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege
Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W.,
Rome in the East, 2000; Roma nell’alto medioevo, 2001; König, I., Kleine
römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen
römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U.,
Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie,
2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2.
A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e
Occidente, 2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K., Römische
Geschichte, 8. A. 2004; Bringmann, K., Krise und Ende der römischen Republik,
2003; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De viris
illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch zum
Corpus inscritionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K.,
Nachtleben im alten Rom, 2004; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer Republik,
2004; Bauer, F., Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter, 2004; The Cambridge
Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak, P.,
Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque
Romanus, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur Weltmacht, 2005; Beck, H.,
Karriere und Hierarchie, 2005; Rüpke, J., Fasti sacerdotum, 2005 (mit etwa 4000
Biographien); Eich, P., Zur Metamorphose des politischen Systems in der
römischen Kaiserzeit, 2005; Kunst, C., Leben und Wohnen in der römischen Stadt,
2006; Langer, V., Declamatio Romanorum, 2007; Kolb, F., Das antike Rom, 2007
Roma ist eine Eigenbezeichnung für die früher meist als ->
Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist die Angelegenheit beendet.
Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922, 1;
Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Augustus, 354-430, Sermones
131, 10)
Romanist ist seit dem 19. Jh. der Vertreter des römischen Rechts
oder der vom Lateinischen abgeleiteten Sprachenfamilie im Gegensatz zum ->
Germanisten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen
Sprachen, 2001
Romantik ist die geistige, sich von der Vernunft als allein
bestimmendem Umstand abkehrende, das Gefühl, den Traum und das Irrationale
betonende Bewegung in Europa zwischen 1790 und 1830. Sie beeinflusst die ->
historische Rechtsschule (Savigny, Grimm). Sowohl Märchen wie Liedgut und Recht
werden auf das eigene Volk bezogen (-> Volksgeist).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G., Die
Romantik, 1982
Römer ist der Bewohner -> Roms bzw. der Angehörige der das
römische Weltreich tragenden Bevölkerung.
Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T.,
Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die
Ursprünge des römischen Volkes – Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M.,
2004
Römermonat ist die Bezeichnung für die 1541 auf 128000 Gulden
berechneten Kosten der monatlichen Unterhaltung und Besoldung des Heeres im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), die mit Hilfe der ->
Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände verteilt werden.
Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten Deutschen
Reiches, 1912, 15
Römerstadt ist die im römischen Reich zur -> Stadt entwickelte
Siedlung. Sie bildet auch nach Ende des weströmischen Reiches im
Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B. Nyon, Augst,
Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten,
Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind im Einzelnen aber sehr
unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980
Römerstraße ist die von den Römern im Altertum angelegte, meist sehr
gerade und gepflasterte Straße.
Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen
Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975
Römischer König ist ein zeitweise vom deutschen König im Heiligen
Römischen Reich verwendeter Titel.
Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Romanorum rex“,
1981
Römisches Recht ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen
Rechtssätze. Die wichtigsten römischen Rechtsquellen sind die ->
Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr., daneben z. B. 231 Gesetze zwischen 367 und
134 v. Chr.), die Werke der römischen -> Rechtswissenschaft (3. Jh. v.-3. Jh.
n. Chr.) und die Gesetzgebung (Codex, Institutionen, Digesten bzw. Pandekten,
Novellen) des oströmischen Kaisers -> Justinian (527-565). Sachlich ist das
Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische, im spätantiken römischen
Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Karthago, Konstantinopel, Beirut, Athen
(bis 529), Alexandria und Caeserea (bis 533) gelehrte Recht wird auch nach dem
Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt sowie seit dem
ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und in vielen Gebieten Europas in
umfangreichen Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als ->
gemeines Recht (lat. ius [N.] commune) bis zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit
und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.
Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner §§
1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.;
Savigny, F., System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal
Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV,
1878; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im
früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Halban, A. v., Das römische Recht in den
germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law in
Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache, 1912,
Neudruck 1961; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur, 1938; Heumann,
G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechts, 10. A. 1958;
Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechts, 1953; Schubart-Fikentscher, G.,
Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Feine, H., Vom
Fortleben des römischen Rechts in der Kirche, ZRG KA 73 (1956), 1; Kaser, M.,
Römisches Privatrecht, 1960, Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 18.
A. 2005; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962; Coing,
H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V 6, 1964;
Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 4. A. 1966; Kaser, M., Der
römische Anteil am deutschen bürgerlichen Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Sturm, F., Das römische
Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968; König, H., Pothier und das römische
Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Wesener, G., Römisches Recht und
Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechts, 1979;
Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Lamberg, P., Die
Popularisierung des römischen Rechts durch Oswald von Wolkenstein, ZRG GA 100
(1983), 213; Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985; Das römische
Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Wesener, G., Einflüsse und
Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in der
Neuzeit, 1989; Zulueta, F., de/Stein, P., The Teaching of Roman Law, 1990;
Kunkel, W., Römische Rechtsgeschichte, 12. A. 1990; Bretone, M., Geschichte des
römischen Rechts, 2. A. 1998; Liebs, D., Römisches Recht, 6. A. 2004;
Hausmaninger, Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1993; Hausmaninger,
Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der
frühen römischen Republik, 1994; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb,
W., Römisches Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997;
Honsell, H., Römisches Recht, 5. A. 2001; Mayer-Maly, T., Römisches Recht, 2.
A. 1999; Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess,
öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken
1998; Stein, P., Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte
des römischen Rechts, 2. A. 2003; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische
Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 14. A. 2005; Fögen, M., Römische
Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen
Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th
Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten
nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P., Reformbestrebungen Aurelians in
Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends, O., Institut und Prinzip, 2004
(Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit Romain et l’Europe, 2. A. hg. v.
Dunand, J. u. a. 2004; Meyer, E., Legitimacy and Law in the Roman World, 2004; Kirov,
J., Die soziale Logik des Rechts, 2005; Hecht, B., Störungen der Rechtslage in
den Relationen des Symmachus, 2006; Rainer, M., Römisches Staatsrecht –
Republik und Kaiserzeit, 2006; Pichonnaz, P. u. a., Lexique de droit romain,
2006
Römisches Recht in
Deutschland ist das seit dem Mittelalter
in Deutschland in einem Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufgenommene
-> römische Recht. Es wird damit ein Teil des -> deutschen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische Recht
in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland,
1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, in: Ius Romanum medii aevi V,
6, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G.,
Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996
römisches Vulgarrecht -> Vulgarrecht
Römische Verträge sind die am 25. 3./27. 7. 1957 in Rom zwischen
Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden
abgeschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft.
Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Römisch-kanonisches Verfahren ist
das in Oberitalien im Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des
römischen Verfahrensrechtes entwickelte, in Deutschland seit dem
Spätmittelalter aufgenommene gelehrte Verfahren (-> Prozess).
Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck
1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Romulus Augustulus (* um 459) ist der am 4. 9. 476 von -> Odowakar
abgesetzte letzte weströmische Kaiser.
Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D., Periclitans res
publica, 1999
Roncaglia bei Piacenza ist seit dem 11. Jh. mehrfach der Ort von
deutschen Hoftagen, auf denen auch Recht geschaffen wird (z. B. 1136, 1154,
1158). Zu den sog. ronkalischen Gesetzen zählen das Privileg der Scholaren auf
Freiheit und Sicherheit („Habita“, 1154 ?) und die von Juristen verfasste
Darlegung der Regalien („Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise in die
-> (lat.) Libri (M.Pl.) feudorum aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106; Erler,
A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127; Colorni,
V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un manoscritto
parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio Giuffrè 1966,(
deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen Gesetze von
Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich Barbarossas, DA
34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994
Rosenheim
Lit.: Diepolder, G. u. a., Rosenheim, 1978
Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in Dänemark,
Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen. Seine Arbeiten
sind von Hans -> Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik ablehnende
Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab.
Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992, 243
Rostock an der
Warnow wird nach einer wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, der
1218 lübisches Recht erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands
errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, P., Die Rostocker
Stadtverfassung. Diss. phil. Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtverhältnisse
der Stadt Rostock im Mittelalter, 1930; Römer, H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil. Rostock 1932; Leps, C.,
Das Zunftwesen der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter 58 (1933), 122,
59 (1934), 177; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff, H., Beiträge
zur Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock im 19. Jahrhundert, 1955; Haalck, J., Die Rostocker
Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959); Das älteste
Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität
Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung
der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische
Auseinandersetzungen in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S.,
Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O.,
1995; Becker, S., Die Spruchtätigkeit der juristischen Fakultät Rostock, 2003;
Roloff, G., Die Spruchaktentätigkeit der juristischen Fakultät der Universität
Rostock und Bützow, 2003
Rota (F.) ist der Name der in einem Saal mit radförmigem
Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden Richter (lat. [M.Pl.]
auditores), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom bestehen
bleibt. Für das Verfahren bei (einem Richter) der R. entwickeln sich eigene
Rechtssätze, die für viele andere Gerichte vorbildlich werden. Im Jahre 1908
richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für
Eheprozesse ein.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen
der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res iudicata, 1973; Nörr, K., Ein
Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung, Ius commune 5 (1975), 192
Rotes Kreuz ist die von dem Schweizer Henri Dunant als Folge seiner
Eindrücke von der Schlacht bei Solferino (24. 6. 1859) aufgebaute
internationale humanitäre Hilfsorganisation mit nationalen Gesellschaften vom
Roten Kreuz und internationalen Dach- und Hauptorganisationen (Liga der
Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales Komitee vom Roten Kreuz).
Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862; Zorn, P.,
Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer Rotkreuzabkommen vom
12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J. Henri Dunant, 4. A.
1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992
Roth, Paul (Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892) wird nach
dem Rechtsstudium in München 1850 außerordentlicher Professor in Marburg, 1853
ordentlicher Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in München. Seine
rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg -> Waitz stark beeinflusst.
1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten Band eines
noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts, 1871ff. trotz
allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei Bände Bayerisches
Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts. Roths Bedeutung
für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) ist nicht sicher
festzustellen.
Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen in
Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276
Rothe, Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach 1434),
aus begüterter Familie, wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in ->
Eisenach. Er verfasst zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift
überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a.
-> Ritterspiegel).
Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950; Wolf,
H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W. u.
a., 1991, 69
Rothenburg
Lit.: Woltering, H., Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966,
1972
Rott
Lit.: Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der mittelalterlichen
Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Haff, K., Rott- und Zollordnung des
Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428, ZRG GA 31 (1910), 424
Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker von (Freiburg im Breisgau 18. 7.
1775-26. 11. 1840), Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Freiburg 1798 Professor für Weltgeschichte, 1818 für Vernunftrecht und
Staatswissenschaft. Neben wenig erfolgreichen Lehrbüchern für Staatsrecht und
Vernunftrecht verfasst er nach politisch begründetem Verlust seiner Professur
(1832-1840) zusammen mit Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale Staatslexikon
(mit Stichwörtern wie „Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).
Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon von
Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964
Rotterdam an der neuen Maas wird nach 1240 auf einem Schutzdamm der
Rotte errichtet. 1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine Universität wird 1912/73
eingerichtet.
Rottweil am oberen Neckar, in dessen Gebiet eine Römerstadt liegt,
wird 771 als Königshof genannt und entwickelt sich im 14. Jh. zur Reichsstadt
mit ansehnlichem Gebiet. Seit dem 13. Jh. ist ein bis 1784 bestehendes
kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht der
Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch von
1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu Rottweil
(um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler Hofgericht im
Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A., Die Verfassung
und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R., Das Patriziat der
Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die Herzöge von Schwaben,
ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des Rottweiler Hofgerichts,
1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von Kreudenstein, 1989; Weber,
E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen, 1992; Mentgen, G., Das
kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396
rotulus (lat. [M.]) Rädchen, Rolle -> Andernach
Rotwelsch (N.) „unverständlicher“ Wortschatz der Bettler, Gauner und
Diebe seit dem 14. Jh. (z. B. Moos statt Geld)
Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch des
Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988; Schüßler,
M., Die Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in Deutschland
von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001),
387; Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003
Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6.
1712-Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmacherssohn,
wird nach schwieriger Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat
social (1762) entwickelt er die aufklärende Lehre vom ->
Gesellschaftsvertrag, nach der alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag
aller beteiligten Einzelnen beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu,
das den mit seiner Führung Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit
seines Amtes entheben kann (-> französische Revolution).
Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O., Rousseaus
Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J. v.,
Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques Rousseau, 2001 ;
Kersting, W., Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002; Hentig, H.,
v., Rousseau, 2004; Kuster, F., Rousseau, 2005
Rubrum (N.) (Rotes) ist der früher mit roter Tinte geschriebene
Kopf eines Urteils, wie er sich im gelehrten Prozessrecht entwickelt.
Rückfall ist das erneute Begehen einer vorsätzlichen Straftat nach
zwischenzeitlicher Verurteilung. Der R. wird nach älteren, einfacheren Ansätzen
im französischen -> Code pénal von 1810 als allgemeiner Strafschärfungsgrund
behandelt. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden die Voraussetzungen für
die Bejahung eines Rückfalles in Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rückfallvorschrift
ganz aufgehoben. Im deutschen Privatrecht ist der R. das Zurückfallen von
Gütern bei fehlenden Abkömmlingen an die sie ursprünglich erbringende Seite.
Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872; Effertz,
J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine
Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo
delinquendi, 1993
Rückgriff -> Regreß
Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a
Rückkauf ist der Kauf des verkauften Gutes durch den Verkäufer. Er
findet sich auch im Umkreis des Näherrechtes.
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII;
Kroeschell, DRG 1
Rücktritt ist die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme
einer Handlung durch ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem ->
Rechtsgeschäft ist im Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage
auf Grund einer Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B.
Wandlungsrecht im Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom ->
Versuch zurücktreten, wobei beides im Strafgesetzbuch Preußens von 1851 noch in
einer Vorschrift verbunden war, 1871 für das Deutsche Reich aber in zwei
Vorschriften aufgespaltet wurde.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H., Rechtsfolgen
des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen Nichterfüllung,
1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450; Müller, M.,
Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995; Hellwege, P.,
Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004
Rückversicherung
Lit.: Mossner, B., Die Entwicklung der Rückversicherung bis zur
Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften, 1959
Rückwirkung ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die vorangehende
Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie (schon durch
Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser Theodosius I., II. und Valentinian III.
und aus allgemeinen Überlegungen der Aufklärung) zu Lasten eines Handelnden aus
rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267; Schöckel, G.,
Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, 1968; Schiemann, G.,
Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W., Analogie- und
Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J., Rückwirkende
Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 199g im Privatrecht, 20058;
Daemgen, M., Rück- oder Fortwirkun
Rudolf IV. (1. 11. 1339–Mailand 27. 7. 1365), (der) Stifter (der
Domkirche zu Sankt Stephan in Wien) und Gründer der Universität Wien,
habsburgischer Herzog von Österreich, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der
Privilegierung der Kurfürsten in der Goldenen Bulle (1356) von einem
unbekannten Fälscher das (lat.) sog. -> privilegium (N.) maius herstellen,
verstirbt aber zu früh, um seine großen Pläne verwirklichen zu können.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf IV.
von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996
Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5. 1218-Speyer 15. 7. 1291) ist
der erste habsburgische deutsche König (22. 7. 1273). Er versucht den im ->
Interregnum eingetretenen Verlust des -> Reichsgutes rückgängig zu machen
und Friedensgebote durchzusetzen. 1282 belehnt er seine Söhne mit ->
Österreich.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O., Rudolf von
Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König
werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u. a.,
1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von Habsburg,
2003
Ruf
Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003
Rufinus (- vor 1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna
Kirchenrechtslehrer, dann Bischof von Assisi und zwischen 1180 und 1186
Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.) Summa (F.) decretorum
(Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der späteren Dekretistik.
Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa decretorum“,
1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138; Rufinus von
Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997
Rüge ist die Behauptung einer Rechtsverletzung. Vermutlich gibt
es bereits im Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich)
in bestimmter Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene
davon vielleicht beeinflusste Einrichtungen (z. B. -> Sendgericht, ->
Feme). Ungewiss ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem
Hochmittelalter allmählich verdrängenden -> Inquisitionsprozess.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und
Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Vogt,
A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234; Landwehr, G.,
Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge und Einung,
1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994
Rügen
Lit.: Scheil, U., Zur Genealogie der einheimischen Fürsten von Rügen,
1962; Büttner, B., Die Pfarreien der Insel Rügen, 2006
Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen geltende, von dem
studierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um 1490-Stralsund 25. 4. 1556)
in mittelniederdeutscher Sprache aufgezeichnete Gewohnheitsrecht. Es ist in
mehreren Fassungen in rund 20 Handschriften überliefert. Ausführlich behandelt
es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält nur wenige
römisch-rechtliche Merkmale.
Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen
Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G.,
1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb.
11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985
Ruhrgebiet ist das an der Ruhr gelegene, nach 1918 von Frankreich begehrte
deutsche Industriegebiet, zu dessen Kontrolle 1951 die -> Montanunion
geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
246
Rumänien oberhalb der unteren Donau ist zunächst von Dakern
besiedelt, deren Gebiet im Altertum romanisiert wird. Nach dem Durchzug von
Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren erscheint im 13. Jh. das Volk der Rumänen.
Die Fürstentümer -> Moldau und Walachei sind den -> Osmanen (Türken) bis
in das 18. Jh. tributpflichtig. Am 24. 1. 1862 ruft der moldawische Oberst Cuza
die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und Walachei als R. aus. Nach seiner
Abdankung 1866 tritt Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen die Nachfolge an. Russland
annektiert den östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth und Dnjestr (Bessarabien).
1919/1920 erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen und Banat bzw.
Bessarabien. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina an die
Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R. Volksrepublik.
Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der Bevormundung durch
die -> Sowjetunion getötet. Moldau löst sich 1990/1991 von der Sowjetunion ab.
Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen
im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge der Geschichte
Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91; Georgescu,
V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck, K., Rumänien,
1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die Rumänen und
Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten schwindet,
1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S., Die
ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die Gleichschaltung
der deutschen Volksgruppe, 2003; Binder-Iijima, E., Die Institutionalisierung
der rumänischen Monarchie, 2003; Balta, S., Rumänien und die Großmächte in der
Ära Antonescu (1940-1944), 2005; Böhm, J., Hitlers Vasallen der deutschen
Volksgruppein Rumänien, 2006; Verseck, K., Rumänien, 3. A. 2007
Rumelien ist das europäische Gebiet der Herrschaft der -> Osmanen
(Türken) seit 1352/1354, das um 1850 Thrakien und -> Makedonien umfasst.
Lit.: Inalcik,
H., The Ottoman Empire, 1973, 104
Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen 28.
2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechts in
Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er
Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als
Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst
entnommene Rechtsgrundsätze.
Lit.: Köbler, DRG 205; Marx, H., Die juristische Methode
der Rechtsfindung aus der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß,
W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung
und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen deutschen Privatrecht, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249
Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von
Nachrichten durch ursprünglich aus elektrischen Funken entwickelte
elektromagnetische Wellen. Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit
1895 von G. Marconi in Großbritannien zur Nachrichtenübermittlung genutzt. Am
22. 12. 1920 überträgt die Hauptfunkstelle Königswusterhausen ein Konzert.
Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte, 1999,
2. A. 2004; Cebulla, F., Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924-1945, 2004
Rune ist das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach
norditalienischem Vorbild entwickelte, im Hochmittelalter den lateinischen
Buchstaben unterliegende Schriftzeichen (anfangs 24 Zeichen, seit dem
Frühmittelalter 16 Zeichen)(rund 2300 Inschriften des 10. und 11. Jh.s
bekannt).
Lit.: Köbler, DRG 66; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983;
Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age
Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren
Runenalphabets, 2001
Ruoda
Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923
Ruprecht von Freising (um 1270-nach 1328) ist der als Fürsprecher in
und um Freising erkennbare, ungelehrte, den -> Schwabenspiegel verwendende
Verfasser des -> Freisinger Rechtsbuchs von 1328.
Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts
von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H., 1941, XV
Rus -> Russland
Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft nach umstrittene
Bezeichnung Rus für (germanistische) Stämme zurück, die vermutlich unter dem
skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem Gebiet im 9. Jh. ein
Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend slawisierte, unter Wladimir dem
Heiligen (977-1015) christianisierte Reich zerfällt um 1125. 1236 dringen von
Osten Mongolen vor, die unter Führung des sich im späten 15. Jh. Zar nennenden
Fürsten von -> Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das
einheimische, von oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht
(Strafrecht, Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrensrecht) wird als Russkaja Prawda
(russische Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet
(erhalten in Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt das
kirchlich-byzantinische Recht (slaw. -> Kormcaja). In der frühen Neuzeit
wird R. ein autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654)
ausgreifender Einheitsstaat (1547 Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der
Aufklärung nähert (Katharina die Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt.
Deutsche Siedler (Russlanddeutsche) werden geholt. Das weltliche Recht wird
1645 auf der Grundlage der Russkaja Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex
Aleksy Michailovic in 25 Kapiteln und 963 Artikeln zusammengefasst
(Privatrecht, Zivilprozessrecht, Strafrecht, Handelsrecht, Verwaltungsrecht,
Kirchenrecht). Kodifikationsversuche scheitern. 1755 erhält Moskau eine
Universität. Im 19. Jh. ist R. europäische Großmacht, die als Führerin des
Panslawismus handelt. Bemühungen, das Recht nach dem Vorbild des -> Code
civil Frankreichs zu kodifizieren, scheitern nach dem erfolglosen Angriff
Napoleons auf R. 1813. Eine neue, anfangs chronologisch, später aber unter
Aussonderung überholter Sätze lose systematisch geordnete,
rechtswissenschaftlich rückständige, im Wesentlichen nur das bestehende
ständische Recht zusammenfassende Sammlung der Gesetze (Svod Zakonov
Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000 Artikeln entsteht 1833.
Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird durch die Rechtsprechung
ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Die
Leibeigenschaft wird 1861 durch Bauernbefreiung beseitigt. Die Gewaltentrennung
wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich orientierte
Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den Städten
angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung mit dem
römischen Recht an den Universitäten. Entwürfe einer seit 1882 an einem
Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft
gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution der Zar gestürzt (Abdankung am
2. 3. 1917) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt. Im Oktober 1917 gewinnen
die Sozialisten (Bolschewisten) unter Uljanow (Lenin 1870-1924) die Oberhand. Russland
wird in die Räterepublik der -> Sowjetunion verwandelt. 1918 werden
revolutionäre Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht und
Arbeitsrecht geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935
wird unter Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili aus Georgien,
1878-1953, 1922 Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion
eine sozialistische (marxistische) Rechtsordnung begründet. 1960 wird ein
neues Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivilgesetzbuch (458 Artikel)
und Zivilprozessordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der
Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein
Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow
eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen
Sowjetrepubliken (Sowjetunion) in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)
überführt, deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist.
Zum 1. 1. 1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuches in
Kraft. 1996 wird in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des gesamten russischen
Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911; Langhans-Ratzeburg, M., Die
Wolgadeutschen, 1929; Stupperich, R., Die Anfänge der Bauernbefreiung in
Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Grothusen, K.,
Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,996, 3,2,228;
Wortmann, R., The Development of a Russian legal Consciousness, 1976; Peterson,
C., Peter the Great’s Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H.,
The Growth of the Law in Medieval Russia, 1980; Handbuch der Geschichte Russlands,
hg. v. Hellmann, M., Bd. 1 1981; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983;
Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; David, R./Grasmann, G., Einführung
in die großen Systeme, 2. A. 1988; Kwiatkowska, I., De legibus poenas
sancientibus anno 1649 a Russis conscriptis, 1984; Steenberg, S., Die Russlanddeutschen,
1989; Stökl, G., Russische Geschichte, 5. A. 1990; Silnizki, M., Geschichte des
gelehrten Rechts in Russland, 1997; Baberowski, J., Das Justizwesen im späten
Zarenreich 1864-1914, ZNR 1991, 56; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums,
1992; Kappeler, A., Russland, 2. A. 1993; Götz, R./Halbach, U., Politisches
Lexikon Russland, 1994; Zernack, K., Polen und Russland, 1994; The Cambridge
Enciclopedia of Russia, hg. v. Brown, A. u. a., 1994; Martin, J., Medieval
Russia, 1995; 7. Internationale Konferenz zur Geschichte des Kiever und des
Moskauer Reiches, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten
Zarenreich, 1996; Baberowski, J., Autokratie und Justiz, 1996; Mildner, K.,
Lokale Politik und Verwaltung in Russland, 1996; Hösch, E., Geschichte Russlands,
1996; Franklin, S./Shepard, J., The Emergence of Rus, 1996; Russian legal
theory, hg. v. Butler, W., 1996; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und
frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lotman,
J., Russlands Adel, 1997; Russen und Russland, hg. v. Koenen, G./Kopelew, L.,
1997; Silnizki, M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997;
Kappeler, A., Geschichte Russlands, 1997; Altrichter, H., Russland, 1997;
Torke, H., Einführung in die Geschichte Russlands, 1997; Deutsche Geschichte im
Osten Europas, Russland, hg. v. Stricker, G., 1997; Russia, hg. v. Freeze, G.,
1997; Donnert, E., Russland 860-1917, 1998; Vogelsberger, H., Die letzten
Zaren, 1998; Lotman, J., Russlands Adel, 1997; Pritsak, O., The Origins of the
Old Rus, 1998; Gorbatschow, M., Über mein Land, 2000; Luks, L., Geschichte
Russlands und der Sowjetunion, 2000; Köbler, G., Rechtsrussisch, 2001;
Kappeler, A., Russland als Vielvölkerreich, 2001; Russlands lange
Vorgeschichte, hg. v. Schramm, G., 2001; Geschichte des russischen Reiches und
der Sowjetunion, hg. v. Bohn, T. u. a., 2002; Löwe, H., Stalin, 2002; Handbuch
der Geschichte Russlands, hg. v. Plaggenborg, S., Bd. 4 und 5 2002; Schmidt,
C., Russische Geschichte 1547-1917, 2003; Schreyer, H., Das zentrale staatliche
Archivwesen, 2003; Haumann, H., Geschichte Russlands, 2003; Goehrke, C.,
Russischer Alltag, Bd. 1ff. 2003ff.; Avenarius, M., Rezeption des römischen
Rechts in Russland, 2004; Kolbinger, F., Im Schleppseil Europas?, 2004; Gestwaq,
K., Der Blick auf Land und Leute, HZ 279 (2004), 63; Hildermeier, M., Russische
Revolution, 2004; Baranowski, G., Die Russkaja Pravda, 2005; Koenen, G., Der
Russland-Komplex, 2005; The Siberian Saga, hg. v. Stolberg, E., 2005; Linke,
H., Geschichte Russlands, 2006; Schulz, E., Das Verbraucherschutzrecht in
Russland, 2006; Litzinger, H., Juristen und die Bauernfrage, 2007
Russkaja Prawda (F.) russische Wahrheit -> Russland
Rutscherzins ist im Mittelalter der bei nicht rechtzeitiger Leistung
erhöhte (rutschende) Grundzins in der -> Grundherrschaft.
Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876, 80f.;
Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272
S
SA (Sturmabteilung im Nationalsozialismus)
Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus und
Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003
Saar ist das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort ->
Saarbrücken, das 1918 und 1945 von Frankreich begehrt wird, aber am 13. 1. 1935
(Volksabstimmung vom 13. 1. 1935 mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent für
eine Heimkehr) und am 1. 1. 1957 (23. 20. 1955 Ablehnung des
internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7 Prozent) zu Deutschland
zurückkehrt (Saarland).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die Saar
zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die
nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E.,
Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v.
Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996
Saarbrücken an der Saar erscheint nach älteren unterbrochenen
Siedlungsspuren 999 als vielleicht schon um 850 bestehende Burg. 1321 erhält
der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter Frankreich (1945-1957) eine Universität
gegründet.
Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft
Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992;
Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999
Saarland ist das am 1. 1. 1957 aus dem von Frankreich
zurückgegebenen Saargebiet gebildete Bundesland der Bundesrepublik Deutschland.
Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu Preußen und vordem zu Nassau (1381).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die
Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall:
das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997; Hahn, M., Das Saarland im doppelten
Strukturwandel 1956-1970, 2003
Sabinianer ist der Angehörige der nach -> Sabinus benannten Schule
der römischen Rechtswissenschaft.
Sabinus, Masurius (1. Jh. n. Chr.), von einfacher Herkunft, wird
22 n. Chr. Haupt der Rechtsschule der -> Sabinianer oder Cassianer und mit
50 Jahren Ritter. Sein Hauptwerk sind (lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis
(Drei Bücher römisches Recht) in der aus Nachfolgewerken erschlossenen
Reihenfolge Erbe, Personen, Verkehrsgeschäfte, unerlaubte Handlung,
ungerechtfertigte Bereicherung.
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24;
Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen
Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles
Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187
sacebaro -> sakebaro
sacer (lat.) geweiht, verflucht
Lit.: Köbler, DRG 27
sacerdotium (lat. [N.]) Priestertum, Kirche
Lit.: Von cacerdotium und regnum,
hg. v. Erkens, F. u. a., 2002
Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen oder Zerstören einer
einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum Rechtsfolgen nach sich
ziehen kann. -> lex Aquilia
Lit.:Kaser § 51 II;
Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27; König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht,
Diss. jur. 1945 (ungedruckt); Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der
actio legis Aquiliae, 1958
Sache (lat. [F.] res) ist der körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn
jeder Gegenstand (alles, was nicht Person bzw. Mensch ist). Im Anschluss an das
römische Recht vertritt das heutige deutsche Recht einen engen Sachbegriff.
Unterschieden werden bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum
und beschränkte dingliche Rechte an Sachen.
Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90, 123, 140,
162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993; Zimmermann, M.,
Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001
Sachenrecht ist die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze. Ein
S. (lat. res [F.Pl.]) sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische
Jurist -> Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit
wieder aufgegriffen (str.), wenngleich die Sache unterschiedlich weit gefasst
wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts steht das -> Eigentum als absolutes
Herrschaftsrecht.
Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht der
Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961
masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 8. A. 1996;
Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W.,
Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen
Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der
SBZ/DDR, 2001; Füller, J., Eigenständiges Sachenrecht?, 2006
Sachgesamtheit
Lit.: Daubermann, E., Die Sachgesamtheit als
Gegenstand des klasischen römischen Rechts, 1993
Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B. eines Pfandes)
unabhängig von einer Person.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3
Sachmangel ist die Abweichung einer Sache von der von den Parteien
vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits der römische Marktädil gewährt dem
Käufer einer mangelhaften Sache -> Wandlung und -> Minderung. Demgegenüber
geht das mittelalterliche Recht außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere von
dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den
Viehkauf (bis 2002) bei.
Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der
Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L.
Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985;
Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche
Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem
Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der Sachmangelhaftung,
in: Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307
Sachse ist der Angehörige eines um 150 n. Chr. bei Ptolemäus in
Alexandrien erstmals erwähnten, nach seiner Bewaffnung benannten germanischen
Volkes, dessen Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein und Elbe im
Frühmittelalter von den -> Franken (Karl d. Große) erobert wird. Im
Hochmittelalter ist das Gebiet Herzogtum und später Kurfürstentum (1485 Land zwischen
den Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde 1485 an Ernestiner,
1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone des
Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe
(Dresden) bleibt das Land Sachsen (1918 Freistaat) bis zur Gegenwart erhalten.
Das sächsische Recht ist in der (lat. [F.])
-> Lex Saxonum und im -> Sachsenspiegel aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG
67, 76, 131, 155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v.,
Staatsrecht und Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.;
Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857;
Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck
1973; Schröder, R., Der sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel,
A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E.,
die Stellung der Grafen von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920; Heck,
P., Die Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A.,
Historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, 1927; Lintzel,
M., Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck, P., Blut
und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur
altsächsischen Standesgliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und
Angelsachsen, Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949); Freytag,
H., Die Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die Stände der
Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen
919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses, ZRG GA 79
(1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers, W.,
1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die Brunonen, 2000; Springer,
M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2004
Sachsen -> Sachse
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen1863.pdf;
Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke, R., Ländliche Siedlung und
Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge und Probleme einer sächsischen
Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965), 223; Richter, G., Die
ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das kursächsische Appellationsgericht
1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967), 329; Haas, G., Verfassung und
Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und Stadtilm, Diss. jur. Jena
1967; Blaschke, K., Bevölkerungsgeschichte von Sachsen, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654, 3,3,2900,3699 Klein, T., Sachsen,
1982; Wissenschafts-
und Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok,
K., 1987; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi Senesi 107
(1995), 369; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das
Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung, 1997; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen
in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Beck, L., Herrschaft und Territorium
der Herzöge von Sachsen-Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamenbuch von
Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v.
Schmidt-Recla, A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen
Untergerichte in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118
(2001), 222; Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der
Gothaer Fürstenstaat, 2002; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R.
u. a., 2003; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006;
Krüger, N., Landesherr und Landstände in Kursachsen, 2007; Die Herrscher
Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2007
Sachsen-Anhalt ist das am 5. 7. 1945 aus der Provinz Sachsen ->
Preußens und aus -> Anhalt gebildete Land der sowjetischen Besatzungszone,
das nach seiner Auflösung (1952/1957) in der -> Deutschen Demokratischen
Republik zum 3. 10. 1990 wieder entsteht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll, B.,
Sachsen-Anhalt, 1995
Sachsenrecht oder gemeines Sachsenrecht ist das in der frühen Neuzeit
auf der Grundlage des -> Sachsenspiegels (1221/4) und der Spruchtätigkeit
der Gerichte in -> Sachsen angewendete Recht, das erst durch das sächsische
Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H., Die
Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G.,
Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des römischen Rechts in
Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des kirchlichen Rechts durch
-> Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, an unbekanntem Ort (nach Landau
möglicherweise Kloster Altzelle) vielleicht zwischen 1221 und 1224 von ->
Eike von Repgow geschaffene Rechtsbuch (-> Landrecht im Gegensatz zu
Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser bezeichnet sein Werk als (mnd.)
spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel
ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. -> speculum [N.] z. B. speculum
ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die
einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten
zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung
zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Sie ist in Latein gehalten
und mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] -> Auctor [M.] vetus de
beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald danach verfertigte
völlig neuartige mittelniederdeutsche Übersetzung, die bis 1270 mehrfach
erweitert wird. Der S. erfasst das aus verschiedensten Wurzeln erwachsende
Recht (Gewohnheitsrecht, Landfriedensgesetze) Ostfalens, bezieht aber auch
allgemeinere, selbst biblische und gelehrte Quellen ein. Er ist vermutlich
anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel gegliedert.
Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und Paragraph.
Vom Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich in drei Bücher
(Landrecht) geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen
Handschriften (341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte) in einem von Holland
bis Polen reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften (Dresdener,
Heidelberger, Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhandschrift), Übersetzungen
(in das Lateinische und Mittelhochdeutsche usw.), Bearbeitungen (Glossen u. a.
des Johann von -> Buch 1325, Nikolaus -> Wurm, Brandt von Tzerstede,
Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage zahlreiche weitere
Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Landrecht 1356, Berliner
Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts E. 14. Jh.,
sächsisches Weichbild, -> Deutschenspiegel und -> Schwabenspiegel usw.)
verfasst. -> Sachsenrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123, 124,
143; Schuster, H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882), 136;
Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Schröder,
R., Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De Saksenspiegel in
Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G., Erörterungen über die
Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125; Schröder, R., Zu der
praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 226; Friese, V., Das
Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970; Gundlach, W., Karl der
Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im
ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen Handschriften
des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck, P., Der Sachsenspiegel
und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel,
1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den Sachsenspiegel, 1907; Salomon,
F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor,
E., Die Stände der Freien in Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P.,
Die Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die
Verdeutschung des Sachsenspiegels, ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der
rechtshistorische Gehalt der Sachsenspiegelvorreden, ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch,
G., Zwei Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924), 307; Voltelini, H. v.,
Der Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924; Sinauer, E., Eine Lüneburger
Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408; Das Landrecht des Sachsenspiegels
nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v. Borchling, C., 1925; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien Heft 2 Die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und der
sächsischen Weltchronik 1931 (Abh. Göttingen), Heft 3 Die Textentwicklung des
Sachsenspiegels von 1220 bis 1270, 1933 (Abh. Göttingen); Sachsenspiegel Land-
und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K. 1933; Sachsenspiegel Landrecht, hg. v.
Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v., Ein Beitrag zur Quellenkunde des
Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938), 548; Kallen, G., Friedrich
Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des Sachsenspiegels, ZRG GA 58
(1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die zweite bekannte Handschrift
des holländischen Sachsenspiegels, ZRG GA 59 (1939), 253; Kisch, G.,
Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese, H., Die rechtliche
Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen Estlands und
Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum Sachsenspiegel
II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow, Sachsenspiegel
Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der Gedankengang des
Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg und
Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum
Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und
Familienrecht im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel, Landrecht,
hg. v. Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und Anwendung des
Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann, J., Ein
elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291; Eike von
Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Theuerkauf, G.,
Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und
Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift
des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Herkommer,
H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik, 1972; Kisch, G.,
Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W., Über das
„ungezweite Gut“ in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H., Erfolgshaftung
nach dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski, Z., (Lateinische
Texte des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975; Krause, H., Der
Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93 (1976), 21;
Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, in: Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A., Über das
allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel,
hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der Nähe von Goslar,
ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht,
in: Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991,
232; Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der
Sachsenspiegel als Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die
Wolfenbütteler Bilderhandschrift. hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der
Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995;
Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v. Koolman, 2. A. 1995; Aus dem
Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der Sassen Speyghel, Bd. 1f.,
hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der Sachsenspiegel aus Oppeln und
Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996; Kroeschell, K., Von der Gewohnheit
zum Recht, in: Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998, 68;
Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das neu aufgefundene Fragment
80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999; Der
Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P., 2002; Der Dresdner Sachsenspiegel,
2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H. 2002;
Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235
und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003) 61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein
Brief aus uralten Zeiten, DA 59 (2003), 548; Kümper, H., Sachsenspiegel – Eine
Bibliographie, 2004Landau, P., Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73
Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit dem 14. Jh. zum ->
Sachsenspiegel erarbeitete -> Glosse (Johann von Buch um 1325, Nikolaus
Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff, Stendaler Glosse). Dabei
lassen sich beispielsweise die 40 (bzw. 31 noch benutzbaren) Textzeugen der
Glosse zum Lehnrecht (eines unbekannten Verfassers) in vier Testklassen
(kürzere Glosse, längere Glosse, Wurmsche Glosse, gemischte deutsch-lateinische
Glosse) gliedern.
Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der Einfluss
der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der Landrechtsglosse
des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer Glossenhandschrift,
ZRG GA 39 (1918), 365; Steffenhagen, E., Die Landrechtsglosse des
Sachsenspiegels, hg. v. Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925; Schilling,
K., Das objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer, E., Studien
zur Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die
Glosse zum Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht.
Buch’sche Glosse, hg. v. Kaufmann, F., 2002; Kaufmann, F., Die Glossen zum
Ss.-Lehrnrecht, ZRG GA 123 (2006), 284
Sächsischer Prozess ist die in -> Sachsen in der frühen Neuzeit geltende
Form des -> Prozesses, die einige Besonderheiten bewahrt und
weiterentwickelt. Der sächsische Prozess gründet sich auf das 1356 vom
Kurfürstentum -> Sachsen erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non
appellando (Nichtevokationsprivileg), sächsische Hofgerichtsordnungen von
1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die kursächsischen Konstitutionen von 1572 und
die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der
Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine
Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) ist einfache
Klagebeantwortung. Das selbständige Beweisverfahren endet mit einem
selbständig angreifbaren Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur eine
Tatsacheninstanz.
Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico, 1657;
Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852; Buchda,
G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Sächsisches Bürgerliches
Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863
verkündete und am 1. 3. 1865 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das
Königreich -> Sachsen. Es umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch
das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im
Wesentlichen abgelöst.
Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E.,
Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des
königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das
Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553
sächsisches Recht -> Sachsenrecht
Lit.:
Studien zur Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und
Polen, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige Prosachronik. Als Verfasser
scheidet wohl Eike von Repgow aus. Auch die Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?,
1260, Magdeburg vor 1276) ist umstritten.
Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG GA 53
(1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der Sächsischen
Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die
sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000
Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen. Dementsprechend ist der S.
als solcher zumindest so alt wie das Recht. Als rechtlicher Grundbegriff
begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh.
Lit.: Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995
Sachverständiger ist der Mensch, der auf einem Gebiet besonderes Wissen hat,
das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur Verfügung stellen kann. Der
Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt. In der frühen Neuzeit gewinnt
er wieder an Gewicht. In der Regel erwirbt der Sachverständige sein Wissen aus
einer ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202; Bernet,
M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich, 1967; Jessnitzer,
K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D., Richter und
Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte des
Sachverständigenbeweises im Strafprozess, 1984
Sachwalter
Lit.: Winterberg, H., Der Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295
Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe durch Ertränken in einem
zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen Altertum findet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
sacramentum (lat. [N.]) Eid
Sacra Rota (F.) Romana (lat.) -> Rota
Lit.: Kroeschell, DRG 2
sacrum imperium (lat. [N.]) heiliges Reich
Sage ist die mündliche Überlieferung eines möglichen
vergangenen, nicht sicher bezeugten, in manchen Fällen aber vielleicht tatsächlich
so oder so ähnlich abgelaufenen Geschehens.
Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA 92
(1975), 201; http://www.sagen.at
Saint Bertin
Lit.: Coopland, G., The abbey of Saint-Bertin, 1914
Saint Denis
Lit.: Sonzogni, D., Le chartrier de l‘abbaye de Saint-Denis en France,
Pecia 2 (2003), 9 (bis 987 267 Stücke)
Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird nach der
rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechtspraktischen
Ausbildung an Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.)
Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues between
a Doctor of Divinity and a Student of the Common Law, 1530/1, Zwiegespräch
zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechts). Darin behandelt
er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen Rechtes und
ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden
gemeinsamen Grundgedanken.
Lit.: Simpson,
A., Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; Coquillette, D., The
Civilian Writers of Doctors’ Common, 1988
Saint Germain en Laye westlich von Paris ist der Ort des
Friedensvertrages zwischen den Alliierten des ersten Weltkrieges und Österreich
vom 10. 9. 1919, in dem -> Österreich auf den -> Anschluss an das ->
Deutsche Reich verzichten muss und (Gebiete an) Ungarn, die Tschechoslowakei,
Polen und Jugoslawien verliert.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F., Von
Schönbrunn bis St. Germain, 1964
Saint-Simon, Claude Henri de (1760-1825) ist ein bedeutsamer Vertreter
des frühen Sozialismus in Frankreich.
Lit.: Köbler, DRG 179
Saínz de Andino, Pedro (1786-1863) wird nach dem Studium von Theologie und
Recht in Sevilla Anwalt, Politiker und Staatsanwalt. Er verfasst das erste
spanische Handelsgesetzbuch (Código de comercio 1829, nach französischem
Vorbild).
Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la
codificación mercantil, 1950, 27
Saio ist im frühmittelalterlichen gotischen Recht der
Beauftragte eines Herrn.
Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960; Morosi,
R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch,
1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
saisina (lat.-afrk. [F.])
Ergreifung
Lit.:
Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das Recht, 1954
Sakebaro (lat.-afrk.) ist der königliche Amtsträger des fränkischen
Frühmittelalters im Streitwesen („Streitmann“ als Helfer des Grafen).
Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983
Sakralrecht ist im römischen Recht das von der Priesterschaft und vom
Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I
2; Söllner § 5, 6
Sakrament (lat. [N.] sacramentum) ist im antiken Rom das an einem
heiligen Ort zu hinterlegende Pfandgeld, im Christentum das in Christus
gründende heilige Zeichen. Im Hochmittelalter werden sieben Sakramente
angenommen (Taufe, Firmung, Buße, Krankensalbung, Eheschließung, Priesterweihe
und Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische Kirche nur Taufe und
Abendmahl.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Sakrileg (N.) Tempelschändung
Lit.: Glatthaar, M., Bonifatius und das Sakrileg, 2004
Säkularisierung oder Säkularisation (8. Mai 1646 secularisieren) ist die
bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung kirchlicher
Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut (z. B. im
-> Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, rund 10000
Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend).
Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in Württemberg, 1902,
Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R. Freiin v., 1970; Hömig,
K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller, M., Säkularisation und
Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und modernes Recht, hg. v.
Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der
Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation und Mediatisierung,
1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v. Crusius, I., 1996;
Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts,
ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997; Säkularisation der
Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in Fürstenhand, hg. v.
Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a., 2003; Alte Klöster –
neue Herren. Die Säkularisation im Südwesten, hg. v. Himmelein, V., 2003; Die
Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003; Bayern ohne Klöster?, hg. v.
Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 2003; Annen, M., Säkularisierung
im 19. Jahrhundert, 2004; Die Säkularisation im Prozess der Säkularisierung
Europas, hg. v. Blickle, P., 2005
sala (ahd. [F.]) Gabe, Übergabe
Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS
Salamanca am Tormes ist seit 1134 (Erwähnung eines Scholasters) bzw.
1218/9 Sitz einer Universität. Im 16./17. Jh. wird auf spätscholastischer
Grundlage in der Schule von S. die Erkenntnis des -> Naturrechts besonders
gefördert.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H., Der Beitrag der
Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den Grundrechten, 1987;
Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de Salamanca, 1990
Salbuch ist im Mittelalter das Güter betreffende Buch ( Güterverzeichnis,
Urbar).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und
Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4
(1958), 183
Salbung ist die Einreibung eines Menschen mit Salböl im Zuge einer
symbolischen Handlung. Die S. stammt aus dem Orient. (751? bzw.) 754 salbt
Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin und seine Söhne Karl und
Karlmann.
Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten Testament,
1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f. Diplom. 23
(1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100; Enright,
M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual, 1986;
Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003
Sale of Goods Act (1893) ist das
das Warenkaufsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechts.
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Salerno in Kampanien wird 197 v. Chr. als römische Kolonie
gegründet. Über Oströmer und Langobarden kommt es 1077 an die Normannen. Im 11.
Jh. (995-1087) entsteht dort als möglicherweise erste Universität des
europäischen Mittelalters eine berühmte Schule der Medizin. Nach deren
Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität gegründet.
Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989
Salfranke ist der dem salischen Teilstamm angehörende -> Franke.
-> Pactus legis Salicae
Lit.: Köbler, DRG 80
Salgut (N.) Herrengut
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862;
Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R., Sali, 1968
Salier ist der Angehörige des von 1024 bis 1125 im Deutschen Reich
herrschenden fränkischen Geschlechts (Konrad II., Heinrich III., Heinrich IV.,
Heinrich V.).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die
Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Werle,
H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof, E., Die Salier, 1987, 2.
A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000; Weinfurter, S., Herrschaft und Reich der
Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, S., Bd. 1ff. 1992,
2. A. 1992; Benzo von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg. v.
Seyffert, H., 1996; Struve. T., Die Salier und das römische
Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001; Körntgen, L., Ottonen und Salier,
2002; Weinfurter, S., Das Jahrhundert der Salier, 2004; Althoff, G., Heinrich
IV., 2006; Laudage, J., Die Salier, 2006; Struve, T., Salierzeit im Wandel,
2006
Salische Erbfolge ist die Bevorrechtigung des ältesten Sohnes in der
Erbfolge nach fränkischem Recht.
Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge, Diss.
phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen, J., L’Empire du
roi, 1993
Salland (N.) Herrenland
Salmann ist der -> Treuhänder im mittelalterlichen Recht
(ältester chronikalischer Beleg vielleicht 1123/1124).
Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900; Kober,
A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste chronikalische
Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K., Salmannschaft,
Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
salvatorische Klausel ist eine befreiende Klausel (z. B. in der ->
Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die ausdrücklich die hergebrachten
Bräuche partikularer Art unberührt lassen will).
Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288
Salz
Lit.: Volk, O., Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher
Zisterzienserklöster, 1984
Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und 798 Erzbistum. 1328
erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. 1622 wird S. Sitz einer bis 1810/1818
bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/1733 werden 10500 Protestanten
vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert und gelangt 1805 bzw. 1816 an ->
Österreich.
Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v.
Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten
Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur
Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der
salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler,
1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979;
Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das
Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger,, F., Die
Salzburger Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich,
1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte
Salzburgs, 1998; Ortner, F., Salzburgs Bischöfe, 2005; Die Säkularisation
Salzburgs 1803, hg. v. Ammerer, G. u. a., 2005
Salzregal -> Regal
Salzwedel
Lit.: Stephan, J., Die Vogtei Salzwedel, 2006
Same ist der Angehörige eines
nordskandinavischen, nichtindogermanischen Volkes (Lappen in Norwegen und
Schweden).
Lit.: Firsching,
A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in Schweden und ihre Rechtsstellung im
Lichte der Indigenous Peoples weltweit, 2002
Sanhuri, as- (Alexandria 1895-1971) paßt nach dem Rechtsstudium in
Kairo und in Frankreich das islamische Recht von -> Saria und -> Megelle
im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen Erfordernissen an.
Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987; Ende,
W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989
Sankt Blasien
Lit.: Urkundenbuch des Klosters S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb.
v. Braun, J., 2003
Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst aus einer um 612
errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im Frühmittelalter ist es einer der
bedeutendsten Bildungsorte des deutschen Reichs, dem zwischen 760 und 950 etwa
500 Konventuale angehören, von denen ein Viertel als Urkundenschreiber
nachgewiesen ist. 1411/1412 bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der
Eidgenossenschaft der -> Schweiz zu.
Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus
sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg.
v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons
Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der
Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, Werner,
Rechtsgeschichte des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A.,
Urkundenbuch zur st. gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.; Ganahl,
K., Studien zur Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt Gallen, 1931;
Moser-Nef, C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, Bd. 1ff. 1931ff.;
Ehrenzeller, W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef,
C., Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, (1934); Sprandel, R., Das
Kloster Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie und leibeigene Sankt Galler
Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St.
Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Müller,
W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Schauri, F., Karl Beda
Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt gallischen Bestrebungen zur Kodifikation
des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad Meyer (1780-1813) und die sankt
gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979; Chartularium Sangallense, hg. v.
Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982´3ff.; Kommentar zu Ausstellungsdaten, Actum-
und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden, hg. v. Borgolte, M. u. a.,
1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in früheren Zeiten, 1991; Die Kultur der
Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992; Robinson, P., Die Fürstabtei
St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995; Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich,
W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P.,
1998; Ratpert, St. Galler Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002; Schaab,
R., Mönch in Sankt Gallen, 2003
Sankt Goar
Lit.: Zwischen Rhein und Mosel, hg. v. Heyen, F., 1966
Sankt Pölten
Lit.: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959
Sankt Trudpert
Lit.: Beiträge zur Geschichte von Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T.,
1937
San Marino ist die vielleicht auf eine Siedlung des dalmatinischen
Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13. Jh. Eigenständigkeit
gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten Domagnano, Villa,
Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000 Einwohner). Die
erste überlieferte Fassung des Rechts San Marinos stammt wohl aus dem
ausgehenden 13. Jh.
Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v.
Iwaneijko, E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof,
M., Die Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997
Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine des Apostels Jakobus
gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs, 1120 eines Erzbischofs
und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutendsten Wallfahrtsorte
Europas.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Santiago, 1993
sapiens (lat.) wissend, weise
Sarazene (M.) -> Araber
Sardinien ist die nach den bereits am Ende des 13. Jh.s v. Chr. in
ägyptischen Quellen bezeugten Sarden benannte Insel im Mittelmeer, die über
Karthager, Römer, Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der Mitte des 11. Jh.s an
Pisa gelangt. Nach dem Untergang der -> Staufer wird 1297 Aragonien vom
Papst mit S. belehnt. 1713/1714 fällt S. über Spanien erbweise an ->
Österreich, das es 1718/1720 im Tausch gegen Sizilien an Savoyen bzw. Piemont
gibt. Das Königreich Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle des am 17. 3. 1861
ausgerufenen Königreichs -> Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le leggi
spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F.,
La Sardegna, 1990
Saria (Scharia, Weg zur Tränke) ist das auf dem -> Koran
beruhende, im 7. bis 10. Jh. entstandene islamische Recht. Die S. wird als
gottgewollte Ordnung verstanden. Im 19. Jh. wird die S. verschiedentlich durch
europäisches Recht zurückgedrängt. Seit der Mitte des 20. Jh.s erfolgt in
einzelnen Ländern eine Rückbesinnung auf sie. -> Islam
Sassari (1188 Tathari) in Sardinien wird 1236 freie Kommune. 1441
wird es Sitz des Erzbischofs von Torres. 1450 erhält es eine Universität.
Lit.: Castellaccio, Sassari medioevale, 1992
satisfactio (lat. [F.]) Genugtuung
Satzung ist die gemeinsame Festsetzung, im Hochmittelalter vor
allem das objektive gesetzte Recht und das vereinbarte -> Pfand, in der
Neuzeit das von einer mit Autonomie begabten juristischen Person des öffentlichen
oder privaten Rechts geschaffene Recht oder -> Statut. Im Rahmen des
Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein Besitzpfand und Nutzungspfand, die sog.
jüngere S. ein besitzloses Pfand.
Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125; Meyer,
H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Schulze, R., Geschichte
der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157;
Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 10
(1983), 385
Säumnis ist das Nichterscheinen oder Nichtverhandeln einer Partei
trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem zur notwendigen Verhandlung bestimmten
Termin. Dies zieht schon früh nachteilige Folgen für den Säumigen nach sich.
Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966
Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am Main 21. 2. 1779-Berlin
25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem Adel, 1791/1792
verwaist, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (1795, Weiss) und Göttingen
1800 Dozent in Marburg, 1803 außerordentlicher Professor, 1808 nach einer
längeren Bildungsreise ordentlicher Professor in Landshut und 1810 an der neuen
Universität -> Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch „Das Recht des
Besitzes“ (1803) macht ihn wegen seiner beispielhaften Methodik allgemein
bekannt. S. vereinigt dabei -> Immanuel Kants (1724-1804) Vorstellung, dass
als einziges angeborenes Recht des Menschen seine Freiheit bestehe, mit Gustav
-> Hugos (1764-1844) Forderung nach begrifflich-systematischer Durchdringung
des positiven Rechtsstoffes und ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang
mit den Quellen konstruktiv-systematisch den Besitzwillen als allgemeines
logisches konstituierendes Element. Zunehmend versteht er grundsätzlich das
Recht als an seine geschichtlichen Voraussetzungen (z. B. Deutschlands an das
Fehlen eines tonangebenden Mittelpunkts) gebunden und wendet sich gegen die
Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt willkürlich selbst hervorbringe. Außerdem
will er schon im Wintersemester 1802/1803 in der Methodenlehre die
Interpretation voraussetzungslos beschreiben, indem er sie auf ihre Geschichte
(historisch) und ihre Anschlüsse an die Gesellschaft (systematisch) beschränkt
und damit den Wandel von der ständischen Gesellschaft zur funktionsorientierten
Gesellschaft auch im Recht widerspiegelt. Damit wird er zum Begründer der
-> historischen Rechtsschule, der im sog. -> Kodifikationsstreit des
Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch vorbereiteten Schrift „Vom Beruf
unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein
deutsches Nationalgesetzbuch ablehnt. Auf christlicher Grundlage wendet er sich
gegen die jüdische Emanzipation. Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte
des römischen Rechtes im Mittelalter (1815ff.) und das System des heutigen
römischen Rechtes (1840ff.). In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht
(Preußens) unterzieht er dieses einem oft kritischen Vergleich mit dem
römischen Recht. In verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. -> Einigung,
-> internationales Privatrecht, -> Urheberrecht) wirkt er wegweisend.
Wenig sichtbaren Erfolg beschert ihm sein viele Grundlagen schaffendes Wirken
als Gesetzrevisionsminister in Preußen (1842-1848).
Lit.: Söllner §§
16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208, 212, 214; Steig,
R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung,
ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine Recht und der
preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut und Savigny, hg.
v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG GA 36 (1915),
478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37 (1916), 511; Gutzwiller,
M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts,
1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd. 1f., 1927ff.; Felgenträger,
W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Wellek, R., Ein
unbekannter Artikel Savignys über die deutschen Universitäten, ZRG GA 51
(1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und Geschichte des römischen
Rechts im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schaffstein, F.,
Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72 (1955), 154, Wieacker,
F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955), 232; Thieme, H., Savigny
und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R., Savigny und die
Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht, Gesetz und Staat
bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde
der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation,
ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A.
2002; Schubert, W., Savigny und die rheinisch-französische Gerichtsverfassung,
ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W., Savigny und die Lehre von der juristischen
Person, FS F. Wieacker, 1978, 340; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune
8 (1979), 36; Vorträge zum 200. Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing,
H., 1980; Hall, W. van, Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99
(1982), 284; Hammen, H., Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die
allgemeinen dogmatischen Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus,
Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Schröder, H.,
Friedrich Karl von Savigny. Geschichte und Rechtsdenken beim Übergang vom
Feudalismus zum Kapitalismus in Deutschland, 1984; Behrends, O., Geschichte,
Politik und Jurisprudenz in F. C. v. Savignys System, in: Römisches Recht in
der europäischen Tradition, 1985, 257; Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft
Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199; Ebel,
F., Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im
Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum
Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die
Begründung der geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Savignyana. Bd. 1
Pandektenvorlesung 1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische
Methodologie 1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3
Landrechtsvorlesung 1824, hg. v. Wollschläger, C., 1994ff.; Rückert, J.,
Savignys Konzeption von Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Nörr, D.,
Savignys philosophische Lehrjahre, 1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des
Rechts bei Friedrich Carl von Savigny, Rechtstheorie 1995, 365; Zimmermann, R.,
Savignys Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v.,
Friedrich Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F.
v., Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Schäfer,
F., Savigny und das Landrecht in Kollegnachschriften, ZRG GA 118 (2001), 367; Henne,
T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte Antijudaismus Savigny, ZRG 120
(2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003; Moriya,
K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Savignys Vorbereitung einer
zweiten Auflage des System des heutigen römischen Rechts, hg. v. Murakami, J.
u. a., 2003; Jochum, H., Das Erbe Friedrich Carl von Savignys, NJW 2004, 568;
Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004
Savoyen in den Westalpen entwickelt sich aus einigen Grafschaften
des 10. Jh.s. Seit dem 12. Jh. bzw. 1419 ist es mit Piemont verbunden, seit
1720 mit -> Sardinien. Vom Königreich Sardinien-Piemont nimmt die staatliche
Einigung -> Italiens (1860, 17. 3. 1861 Königreich) ihren Anfang. S. selbst
fällt 1860 an Frankreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die
Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die
Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et
seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de
Savoie et le pays de Vaud, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989
scabinus (lat.-afrk. [M.]) Schöffe
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
86; Köbler, LAW
Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.) wird nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem
(lat.) Tractatus (M.) de commerciis et cambio (Abhandlung von Handel und
Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte im Hinblick auf das -> kanonische
Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit wird er einer der Begründer des
besonderen -> Handelsrechts.
Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des Handelsrechts, in:
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977
Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.)
ist 175 (lat.) praefectus (M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste Berater Kaiser Marc Aurels
(161-180) und wohl Lehrer des -> Paulus. Seine wichtigsten Schriften sind 40
(lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der Digesten) und 6 libri responsorum
(Bücher der Antworten) mit Rechtsgutachten und Einzelentscheidungen.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der
römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f.
Scammonia
Lit.: Goldmann, E., Scammonia, ZRG GA 51 (1931), 510
scandalum (lat. [N.])
Ärgernis
Schaden -> Schadensersatz
Schadensersatz ist der Ersatz einer unfreiwilligen Einbuße an rechtlich
geschützten Gütern auf Grund eines bestimmten Ereignisses durch einen anderen.
Erforderlich ist jeweils ein Rechtssatz, der S. gebietet. Der S. ist dem
römischen Recht bekannt. Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition
(-> Kompositionensystem) sich allmählich in das peinliche -> Strafrecht
und das private Schadensersatzrecht teilt. Im 19. Jh. wird für einen S. ein
Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich die kein Verschulden erfordernde
-> Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen 1838). Im 20. Jh. geht die
allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung immaterieller Schäden. Neuseeland
ersetzt 1972 die Schadenshaftung durch eine staatliche Unfallversicherung
(Accident Compensation Scheme).
Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die
Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die
Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der
Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953
masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann,
E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption der
„actio iniuriarum aestimatoria“, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod
interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die
Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das
Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in §
249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Mohnhaupt,
Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Descamps, O., Les origines de la responsabilité pour faute personnelle
dans le code civil de 1804, 2005; Vergau, H., Der Ersatz immateriellen Schadens,
2006
Schadensklage ist im Spätmittelalter die auf Geldzahlung wegen
behaupteten Unrechts lautende Klage (in Ingelheim meist auf 100, 200, 400, 500
oder 1000 Gulden).
Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das spätmittelalterliche
deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93
Schaffhausen am Rhein ist der Handelsplatz, der 1049 an das dort
entstandene Benediktinerkloster Allerheiligen gelangt. 1190/1218 wird die
hieraus entwickelte Stadt Reichsstadt. 1454 schließt sich S. der Eidgenossenschaft
der -> Schweiz als zugewandter Ort an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort
bei. Im 19. Jh. kommt das privatrechtliche Gesetzbuch -> Zürichs zur
Anwendung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G.,
Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922; Pestalozzi-Kutter,
T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu, G., Schaffhausen
unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R., Geschichte der
Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der Grundbesitz des
Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die Schaffhauser
Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt Schaffhausen
1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385,
bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt und Landschaft
Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457;
Schultheiss, M., Institutionen und Ämterorganisation der Stadt Schaffhausen
1400-1500. 2006
Schafott ist die Bühne, auf der in der frühen Neuzeit der ->
Scharfrichter meist auf dem Marktplatz die Todesstrafe der Enthauptung vollzieht.
Im 19. Jh. verschwindet das S.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Schildt,
E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Schandgerät ist das zur Ausführung einer Schandstrafe verwendete Gerät
(z. B. Halseisen, Pranger, Schandkragen, Schandkrone).
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901,
Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64
(1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald
Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Schandstrafe ist die in einer vorübergehenden Ehrenminderung bestehende
Strafe (z. B. Tragen eines Strickes, eines Hundes, eines Rades, eines Steines,
Halseisen, Eselreiten) des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909,
Neudruck 1970
Schankrecht ist das ausschließliche Recht zum Ausschank von Wein oder
Bier an einem Ort. Das S. wird meist von einem Herrn verliehen.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Schard, Simon (Neuhaldensleben 1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach
dem Rechtsstudium in Leipzig und Basel Beisitzer am -> Reichskammergericht.
1566 veröffentlicht er in (lat.) De jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung
usw.) spätmittelalterliche Schriften zum Staat. Posthum erscheint 1582 sein
Lexicon iuridicum (Rechtslexikon).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978
Scharia -> Saria
Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und 19. Jh. der das
Todesurteil Vollziehende.
Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann, H.,
Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann, H.
Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder,
1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer
Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999; Pechaček, P., Scharfrichter und
Wasenmeister, 2003
Schatz ist die bewegliche Sache, die so lange verborgen gelegen
hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist. Die Behandlung des
Schatzfundes im römischen Recht ist streitig (nach Hadrian zur Hälfte an den
Finder und den Grundeigentümer). Im Mittelalter hat der König das Schatzregal.
Beide Lösungen werden im folgenden vielfach miteinander verflochten.
Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel,
MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910),
193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35,
ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt,
A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft,
2004
Schatzwurf ist die durch Ausderhandschlagen einer Münze als
Abgabensymbol im frühen Mittelalter erfolgende -> Freilassung.
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 1
1931, 240
Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauenburg)
Lit.: Wahl, F., Verfassung und Verwaltung Schaumburg-Lippes, 1938;
Möller, H., Studien zur Rechtsgeschichte der „schauenburgischen Lande“ in Holstein,
1939; Feige, R., Die Statuten des Fleckens und der Stadt Sachsenhagen, Schaumburger
Heimat, Bd. 1 1939, 103; Engel, F., Die schaumburg-lippischen Archive, 1955
Scheck ist die der Erleichterung des Zahlungsverkehrs dienende
bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh. wird das englische
Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte Anweisung) aufgenommen.
Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich 1933erlassen.
Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des
Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117
Scheidebrief (lat. libellus [M.] repudii) ist im spätantiken römischen Recht nach
hellenistischem Vorbild die Form der Ehescheidungserklärung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c
Scheidung -> Ehescheidung
Schein -> Rechtsschein
Scheingeschäft ist die einverständliche Abgabe einer empfangsbedürftigen
-> Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im spätantiken römischen Recht
unwirksam. Diese Lösung wird seit dem Spätmittelalter aufgenommen.
Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft,
FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Die Scheinehe, 2005
Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens zur Erreichung
außerprozessualer Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die Übertragung
einer Sache durch (lat. [F.]) -> in iure cessio. Im Frühmittelalter kann durch S.
eine unscheltbare -> Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt
werden.
Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse,
Diss. jur. Göttingen 1968
Schelling
Lit.: Jäger, G., Schellings politische Anschauungen, 1939; Hollerbach,
A., Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus,
1999
Schengener Abkommen ist das am 14. 6. 1985 zwischen den Regierungen
Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs getroffene
Abkommen zum schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, dem
sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien, Spanien, Portugal,
Griechenland, Österreich).
Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen, 1996
Schenk ist am fränkisch-deutschen Hof und später auch an
landesherrlichen Höfen der für die Getränke zuständige Amtsträger. Im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) ist der König von Böhmen Erzschenk.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112; Buchner,
M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG
34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)
Schenkung ist die Hingabe eines Gegenstands auf Dauer an einen
anderen. Im klassischen römischen Recht ist die (lat. [F.])
donatio zunächst nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche
Zuwendung, im spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges
Handgeschäft, teils ein Zuwendungsgrund, teils ein Konsensualvertrag. Die S.
unter Ehegatten ist verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht
nur die gelohnte S. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln seit dem
Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum Schutz
des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische Einordnung
der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die tatsächliche Bedeutung der S. ist gering.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47, 59 I,
79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die
donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der
Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die
Landschenkungen der fränkischen Könige, 1991; Sticherling, P., Schenkungen in
fraudem testamenti, 2005
Scherbengericht -> Ostrakismus
Scheren (N.) -> Haarscheren
Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener
Schiedsgericht ist die außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit stehende
Entscheidungsstelle. Bereits das römische R. kennt das S. Im Mittelalter
erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem Einfluss das S. im 13.
Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der streitenden Teile, sich
dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus. Das Verfahren ist
formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück, wird aber im 19. Jh.
(Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird der Spruch des Schiedsgerichts dem
Urteil gleichgestellt.
Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in
Schwaben, Diss. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche
Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das
öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche
Schiedsgericht, 1960; Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen
1251 bis 1300, bearb. v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das Schiedsgerichtswesen
nach bayerischen Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler, K., Das private
Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K., Internationale
Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom mittelalterlichen
Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v. Brieskorn, N. u. a., 1994,
193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von
Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter, Gesetzgeber und
Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter, 2001; Kamp, H.,
Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001; Meyerhuber, S., Die
privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien Reichsstadt Weißenburg, 2004
Schiedsmann
Lit.: Koch, A., Die historische Entwicklung des
Schiedsmannswesens in Preußen von 1808 bis 1900, 2003
Schifffahrt -> Seerecht
Lit.: Straub, K., Die
Oberrheinschifffahrt im Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912; Spieker,
H., Die Schiffsgewalt des Handelsschiffskapitäns im Mittelalter, 1949; Heinsius,
P., Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die ehemaligen
Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958; Olechnowitz, K.,
Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die Geschichte der
Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das Schiffssachenrecht
der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109 (1992), 209; Häfen,
Schiffe, Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002
Schikaneeid -> Kalumnieneid
Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild als Zeichen der
Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen.
Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914), 436; Schneider,
R., Königswahl und Königserhebung, 1972
Schilling ist seit dem Frühmittelalter eine anfangs nicht ausgeprägte
Rechnungseinheit für Geld. Seit dem 13. Jh. wird der S. auch ausgeprägt. Die
Geldeinheit wird noch in der Gegenwart verwendet (Großbritannien bis 1971,
Österreich seit 1925).
Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der
Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der
merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische
Geldwörter, 1991
Schilter, Johann (29. 8. 1632-14. 5. 1705) wird nach dem Studium
von Philosophie und Recht in Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter in Sachsen,
1681 Berater und 1699 ordentlicher Professor in Straßburg. In seinen (lat.)
Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum (1672, Übungen zu den 50 Büchern
der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche Grundsätze mit geschichtlichen
Betrachtungen des einheimischen Rechts. In seinem (lat.) Thesaurus (M.)
antiquitatum Teutonicarum (1727/8, Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch
ein wertvolles Glossar.
Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884,
Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967, 208
Schinder (M.) Abdecker, Henkersknecht, Scharfrichter
Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928,
Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994
Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen im Taunus 1778?-Mainz
1803), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20
Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde beschuldigter Bande.
Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens,
1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre Geschichte
des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die
Schinderhannes-Bande, bearb. v. Fleck, U., elektronisches Buch auf CD-ROM, 2004
Schirm (M.) Schutz
Schisma (N.) Kirchenspaltung (z. B. 1378-1417)
Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das sogenannte
morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de
schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg.
v. Bruns, P. u. a., 2005
Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene
Kampf zweier Heere.
Lit.: Erben, W.,
Die Schlacht bei Mühldorf 28. September 1322, 1923; Förster, S./Pöhlmann,
M./Walter, D., Schlachten der Weltgeschichte, 2001
Schlesien an der mittleren und oberen Oder trägt seinen Namen nach
den germanisch-vandalischen Silingen, denen Slawen folgen. Es untersteht im 10.
Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das piastische Teilfürstentum S., das
mehrfach teilt. Zahlreiche deutsche Siedler ziehen zu. 1327/1329 unterstellen
sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356 entsteht das Landrecht des
Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an -> Habsburg. 1742/4
gewinnt -> Preußen große Teile von S. 1910 sind 23% der Bevölkerung
polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich verbleibende Rest an die
Tschechoslowakei, 1919 bzw. 1945/1990 der zu Preußen gelangte Teil unter
Vertreibung der Deutschen an -> Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die
Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte der Grundherrschaft
in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff., Pfitzner, J., Geschichte der Bergstadt Zuckmantel, 1924; Bretschneider,
P., Das Gründungsbuch des Klosters Heinrichau, 1927; Gottschalk, J., Beiträge
zur Rechts-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche
Texte aus Schlesien, hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische
und das fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische
Recht, ZRG GA 57 (1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische
Weichbildverfassung der Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D.,
Das schlesische Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die
Oberhöfe in Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt
Oberschlesien, 1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in
Schlesien, 1938; Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und
Geschichte Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis
1526, Bd. 1 bearb. v. Scholz-Babisch, M. u. a., 1940; Klein, Franz, Eine
bauernrechtliche Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947),
361; Loesch, H. v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und
Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel, J., Jura ducalia, die mittelalterlichen
Grundlagen der Domanialverfassung in Schlesien, 1964; Loesch, H. v.,
Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961; Grawert-May, G. v., Das
staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971; Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die
Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u. a., 1973; Petry, L., Dem Osten
zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Sommer, F., Die
Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen
Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990; Schlesien, hg. v. Conrads,
N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in Schlesien, 2000; Bartosz,
J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J., Schlesien und die Schlesier, 2.
A. 2000; Schlesier des 14. bis 20. Jahrhunderts, hg. v. Herzig, A., 2004
Schlesisches Landrecht -> Breslauer Landrecht
Schleswig -> Schleswig-Holstein
Lit.:
Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem
Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277
Schleswig-Holstein ist das aus Schleswig und Holstein zusammengesetzte Land
der Bundesrepublik Deutschland. Davon erscheint Holstein um 800 als nördlicher
Teil des Stammesgebietes der -> Sachsen. Schleswig ist seit 1232 Herzogtum.
1326 erzwingt der Graf von Holstein den Ausschluss einheitlicher Herrschaft
über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt er Schleswig als Lehen Dänemarks.
Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks und Holstein als Lehen des
Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh. gehören die Herzogtümer
Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber verwaltungsmäßig selbständig.
Daraufhin beginnt Dänemark Schleswig von Holstein zu trennen. Am 30. 10. 1864
muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Deren
gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das Ende des -> Deutschen Bundes
aus. Österreich muss sich mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins in Preußen
einverstanden erklären. Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer Volksabstimmung
an Dänemark.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff.
1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff,
K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413;
Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der
Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287; Hedemann-Heespen,
P. v., Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit, 1926; Andresen,
L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und Staatsverwaltung,
Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für schleswig-holsteinische
Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere von Schleswig-Holstein
und die Abfassung des Spade-Landesrechts, ZRG GA 55 (1935), 263; Carstens, W.,
Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift der Gesellschaft für
schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66; Wohlhaupter, E., Rechtsquellen
Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter, E., Das Recht Schleswig-Holsteins
und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 70/71
(1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler
Blätter 1943, 67; Hauser, O., Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in
Preußen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906;
Lange, U., Die politischen Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände,
1980; Herzog Adolfs Urteilbuch 1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J.,
Das schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985;
Opitz, E., Schleswig-Holstein, 1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein,
1988; Rheinheimer, M., Dorfwillkür und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA
113 (1996), 377; Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die
Anfänge des Landes Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die
Landvolkbewegung in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001; Bohn, R., Geschichte
Schleswig-Holsteins, 2006
Schlettwein, Johann August (Großobringen bei Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg
24. 4. 1802) wird nach dem Studium von Theologie, Rechtswissenschaft und
Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763 Hofrat in Baden und Anhänger des
Physiokratismus sowie 1777 Professor der ökonomischen Fakultät in Gießen.
Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909; Johann
August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981
Schlichtung
Lit.: Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989;
Brauchischt, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990
Schloss
Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im Birstal, 1923
Schlözer, August Ludwig (Grafschaft Hohenlohe 1735-Göttingen 1809)
wird nach dem Studium der Theologie in Wittenberg und der Sprachen, Geschichte
und Staatswissenschaften in Göttingen aufgeklärter Professor in Göttingen.
Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und Staatsverfassungslehre,
1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich, B., August Ludwig von
Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972
Schlüssel ist das zum Öffnen eines Schlosses bestimmte Gerät, das als
Rechtssymbol verwendet werden kann.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993
Schlüsselgewalt ist die durch den Schlüssel verkörperte Handlungsgewalt. In
der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus Christus zum Heil der Menschen
seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus 16,19 Petrus bzw. seinem
Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die Frau, jetzt jeder
Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur angemessenen
Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den anderen
Ehegatten zu besorgen.
Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K., Die
Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die dingliche
Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994
Schlyter, Carl Johann (1795-1888) wird nach dem Rechtsstudium in
Lund 1816 Dozent und 1838 Professor. Er ist Schwedens erster, von der
historischen Rechtsschule geprägter Rechtshistoriker. In 13 Bänden
veröffentlicht er die älteren schwedischen Rechtsquellen.
Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar,
1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die
Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998
Schmauß, Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3. 1690-Göttingen 8. 4.
1757) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Halle (Thomasius, Gundling)
Hofrat in Baden-Durlach und 1734 Professor für öffentliches Recht in Göttingen,
Halle, Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt das -> Naturrecht von der
kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der Geschichte. Sein (lat.)
Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des öffentlichen Rechts) dient der
praktischen Verbesserung der juristischen Ausbildung.
Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen
Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann
Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843
Schmerzensgeld ist die Entschädigung in Geld für einen immateriellen
Schaden. Seit dem 17. Jh. wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation)
unter Fortführung einheimischer Vorstellungen auch der bei Körperverletzung
entstehende Schmerz durch einen Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) beschränkt den Geldersatz bei
Nichtvermögensschäden auf besonders benannte Tatbestände. In der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s wird von der Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen
Vorschrift unter Berufung auf das deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht
erfassten Rechtsgüterverletzungen gewährt.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider, E./Biebrach,
J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des Schmerzensgeldanspruchs
bis zum BGB, 2004
Schmitt, Carl (Plettenberg 11. 7. 1888-7. 4. 1985) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin, München und Straßburg Professor für Staatsrecht in
Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928 Handelshochschule), Köln (1933)
und Berlin. Im Prozess Preußen gegen das Reich im Juli 1932 ist ihm in
Verbindung mit Kurt von Schleicher die Wiederherstellung geordneter
Verhältnisse das Ziel. 1933 wird er Mitglied der -> Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der Deutschen Juristenzeitung.
Unter Ablehnung des liberalen Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung
gekennzeichneten Weimarer Republik rechtfertigt er die nationalsozialistische
Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates
als Alternative zum Untergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945
verliert er sein Lehramt, bleibt aber trotz erheblicher Widerstände (z. B. Ernst
Friesenhahn) über Schüler im Gespräch.
Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt, C.,
Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für
Carl Schmitt, hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983;
Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 3. A. 1995; Rüthers, B., Carl Schmitt
im Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der
Fall Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl
Schmitt, NJW 1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt,
Diss. jur. Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche
Katholizismus, 1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998;
Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl
Schmitts Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?,
NJW 1999, 2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999;
Gross, R., Carl Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg,
hg. v. Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001; Blasius,
D., Carl Schmitt, 2001; Benoist, A. de, Carl Schmitt. Bibliographie, 2003; Müller,
J., A Dangerous Mind, 2003; Thiele, U., Advokative Volkssouveränität, 2003; Meier,
H., Die Lehre Carl Schmitts, 2. A. 2004; Schmitt, Carl – Die Militärzeit
1915-1919, hg. v. Hüsmert, E. u. a., 2005; Kortüm, H., Wissenschaft im
Doppelpaß? Carl Schmitt; Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282
(2006), 584
Schmuggel
Lit.: Jarren, V., Schmuggel und Schmuggelbekämpfung in den
preußischen Westprovinzen 1818-1854, 1992
Schöffe ist in der Gegenwart der ehrenamtliche Richter. Der S.
erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen Reich (Italien 774), als Karl der
Große je sieben geschworene Schöffen (lat.-afrk. [M.Pl.]
scabini) anstelle der älteren -> Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von
Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch
(meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den
meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom
Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den
Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen
Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen
Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im -> Schwurgericht bzw.
-> Schöffengericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116, 117,
118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248; Mayer,
E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44
(1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die Gerichtsbeisitzer,
FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981; Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H., Zur Krise
spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P., Schwurgerichte und
Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in: The Trial Jury, hg. v.
Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen und das
Kirchenrecht, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987,
64
Schöffenbarfreier ist nach dem -> Sachsenspiegel (1221-1224) Eike von
Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete Freie. Die Zahl der Quellenbelege
ist gering. Die Abgrenzung von Ministerialen einerseits und Edelfreien oder
Vollfreien andererseits ist nicht überzeugend zu bewältigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die
Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und
die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechtswirklichkeit,
in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349
Schöffenbuch ist das von Schöffen seit dem Spätmittelalter z. B. über
Urteile geführte Buch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch der
Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin 101
(1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren
1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das
Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark
Brandenburg, 1964
Schöffengericht ist das mit -> Schöffen besetzte Gericht, insbesondere
das im 19. Jh. mit Schöffen neben Berufsrichtern besetzte Gericht.
Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung des
Schöffengerichts, ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland,
1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit,
in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau,
P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, in:
The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241
Schöffenrecht -> Magdeburger Schöffenrecht
Schöffenspruch ist das von Schöffen gefällte Urteil.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek, J.,
Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., Schöffenspruchsammlungen, ZRG GA
39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919; Granzin,
M., Schöffenspruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54 (1934),
244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v. Goerlitz, T.,
1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15.
Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal, A.
u. a., 2004
Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist die Bezeichnung für das
Schöffengericht im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), das teilweise
als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863
wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena
1882.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung der
gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu Jena,
Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl zu
Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G., Schöffenstuhlsiegel,
ZRG GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen
Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416
Schola
Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA
32 (1911), 316; Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482
Scholastik ist die seit dem Frühmittelalter in kirchlichen Schulen (z.
B. Laon, Paris) entwickelte Art, die bisher nur weitergegebenen christlichen
Glaubensinhalte mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken (Denkform). Die
scholastische (dialektische) Methode der Wissensbehandlung ist gekennzeichnet
durch klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung und Unterscheidung
von Begriffen, logisch geformte Beweise und Erörterungen der Gründe und
Gegengründe (z. B. Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste, Gratian, Anselm
von Laon, Hugo von Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry von Chartres,
Peter Abaelard, Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus, Johannes von Salisbury,
Vaccarius, Petr von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden die Arbeiten des
italienischen Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274). Überwunden wird die S.
durch -> Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt sich auch auf die
mittelalterliche Rechtswissenschaft aus.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz, H.,
Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der
scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die
Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die
Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was
ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of
Europe, 1995ff.; Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001
Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. Sinaitische Erklärungen) ist der Name des im Sinaikloster
überlieferten, von der antiquarisch-klassizistischen Richtung der oströmischen
spätantiken Rechtswissenschaft vermutlich in Beryt geschaffenen Kommentars zu
Ulpian, libri ad Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen
in anderen Texten.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362
Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von ihm zu
bewirtschaftendes Grundstück
Schonen im Süden Schwedens, aber bis 1658 zu Dänemark gehörig,
überliefert in zahlreichen Handschriften ein zwischen 1202 und 1216
abgefasstes, in seiner ältesten Handschrift in 241 Kapitel geteiltes ->
Rechtsbuch (Schonisches Landrecht, Skanske Lov, Skanelagen) eines unbekannten
Verfassers in altdänischer Sprache. Eine lateinische Summe hierzu in 150
Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.) legis Scaniae (Rechtsbuch Schonens)
des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von 1202 bis 1216. Neben dem
Schonischen Landrecht steht ein schonisches Kirchenrecht (von 1171?). Ein
schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54 Kapiteln stammt vielleicht aus der
ersten Hälfte des 13. Jh.s.
Lit.: Andersson, I., Skanes Historia,
1947ff.; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88,
94; Anders Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska
rättskällornas historia, 1978
Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler Deutscher
Gesetze 1902-1944, 1997
Schorndorf
Lit.: Palm, G., Geschichte der Amtsstadt Schorndorf, 1959
Schoß (1) ist der von Unterbauch und Oberschenkel gebildete Teil
des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet werden kann (z. B. in
oder auf den S. setzen, werfen oder fallen).
Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Schoß (2) ist der mittelalterliche Name für eine Abgabe oder
Steuer.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963, 60
Schottland ist der nördliche Teil der britischen Hauptinsel mit
einigen vorgelagerten Inseln. S. ist im Frühmittelalter (um 850) ein eigenes
Königreich, dessen Sitz am Ende des 11. Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die
Lehnshoheit des Königs von -> England anerkennen muss. 1328 wird die
Unabhängigkeit zurückgewonnen. 1603 wird der aus dem Hause -> Stuart
stammende König auch König von -> England. Beide Königreiche werden in ->
Personalunion, seit 1707 in -> Realunion miteinander verbunden. Nach einer
Volksabstimmung (1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes Parlament in
Edinburgh mit Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau, Justiz, Verkehr,
Landwirtschaft und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung für Außenpolitik,
Verteidigung, soziale Sicherheit und makroökonomische Fragen). Das schottische
Recht ist stärker römischrechtlich beeinflusst.
Lit.: Stair, J., The institutions of the law of Scotland,
1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of Scotland, SDHI 23
(1957), 149; Willock, J., The origins and development of the jury in Scotland,
1966; The acts and constitutions of the realm of Scotland, hg. v. Luig, K.,
1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres leges et constitutiones, hg. v. Luig,
K., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989, 2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische
rechtshistorische Literatur der Jahre 1958-1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas,
J., The Scottish political system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A. 1985;
Walker, D., The Scottish Jurists, 1985; Gouldesbrough, P., Formulary of Old
Scots Legal Documents, 1985; Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR 1987;
Walker, D., A Legal History of Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E.,
General principles of Scots law, 6. A. 1995; Whyte, I., Scotland before the
Industrial Revolution, 1995; The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v. Carey
Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D., Scotland and Europe, 2001
Schra (F.) Haut (als Beschreibstoff für eine Rechtsquelle)
Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911
Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand
Schreiber ist der Hersteller der geschriebenen Fassung eines Textes.
Im Altertum sind S. vielfach gelehrte Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S.
zumindest seit dem 8. Jh. grundsätzlich Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen
insbesondere die Städte eigene S. ein (in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293
namentlich bekannt). Mit der allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit
der frühen Neuzeit wird der S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht
sind insbesondere die Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem
Spätmittelalter die Gerichtsschreiber bedeutsam.
Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis und
Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber,
Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Breiter,
E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und
Stadtschreiber, 1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler,
1968; Thiele, F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal,
O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger
Stadtschreiber, 1998
Schreinsbuch -> Schreinskarte
Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im Heiligenschrein
verwaltete Urkunde über ein Grundstücksgeschäft. Sie erscheint seit etwa 1130
in Köln (Laurenz I), wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine befinden. Sie soll im
Streitfall den Beweis erleichtern. Im Laufe der Zeit (1220-1240) werden die
Schreinskarten in Schreinsbücher überführt. Seit dem 15. Jh. bildet die
Eintragung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des zugehörigen Rechtsgeschäfts.
-> Grundbuch
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner
Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.;
Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318;
Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad,
H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935; Schönrath,
P., Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz,
H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, Jb. d.
Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1
Schrift ist die Gesamtheit sichtbarer Linien (und Punkte) zur dauerhaften
Wiedergabe menschlicher Sprache. Ihre ersten bildlichen Vorstufen entwickeln
sich um 5000 v. Chr. Der Übergang vom gesprochenen zum geschriebenen Wort (der
noch vokallosen Schrift der Phönizier) erfolgt bei Griechen und Römern schon
früh, während die Germanen über Anfänge kaum je hinausgelangen. Bereits die
Zwölftafelgesetze Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich (in Großbuchstaben
und ohne Worttrennung) veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift
selbstverständlich. Dieser Stand wird nach frühmittelalterlichen, neben den
Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben verwendenden und Sätze und Wörter
voneinander trennenden Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch)
verschriftlicht wird (-> Volksrechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise in
Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. wieder
erreicht. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich zu einem abwertenden
Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen und schreiben. Seit
dem 15. Jh. erfolgt die Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem
19. Jh. das durch Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von
Maschinen und seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s mit Hilfe der Elektronik.
Verschiedentlich bedarf ein rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S.
Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79, 98,
108; Hajnal, I., L’enseignment de l’écriture, 1954; Recht und Schrift im
Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie, 2. A. 1986;
Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte der Schrift, 2.
A. 1991; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Fees, I., Eine Stadt
lernt schreiben, 2002; Haarmann, H., Geschichte der Schrift, 2002; Ludwig, O.,
Geschichte des Schreibens, Bd. 1 2005; Stein, P., Schriftkultur, 2006
Schriftform ist die durch -> Schrift zu wahrende -> Form
menschlichen Verhaltens.
Schriftlichkeit ist das in -> Schrift Gehaltensein. Die S. als
Verfahrensgrundsatz setzt sich im gelehrten Zivilprozess des Spätmittelalters
durch (lat. -> quod non est in actis non est in mundo, was nicht in den
Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S.
im Verfahren zumindest der Idee nach zurück. Tatsächlich steigt aus
Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die Bedeutung der S. noch.
Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip,
Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Pragmatische Schriftlichkeit im
Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit im frühen
Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993
Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster Instanz dem Hofgericht oder
einer anderen Zentralbehörde zugeordnete -> Landsasse.
Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare Unterstellung eines
Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche Behörde vom
Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Schrobenhausen
Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977
Schröder, Richard (Treptow a. d.
Tollense 19. 6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater
Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium in Göttingen und Berlin, Selbstmord),
wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke)
und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher Professor in Bonn und 1872
ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in Straßburg, 1885 in Göttingen und
1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte des ehelichen Güterrechts
(1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte
(1884ff.).
Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917), VII;
Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl Heinrich
Schroeder, 2005
Schulchan ‘Arukh -> Karo
Schuld ist einerseits die Bewertung eines Verhaltens als
vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu einem Verhalten
(Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort unbeachtet
gelassen, wo das Eintreten eines Erfolges bereits eine Folge nach sich zieht.
Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Verschuldens
auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische
Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und
Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter -> Vorsatz,
bedingter Vorsatz, grobe -> Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit)
unterschieden. Bei den Verpflichtungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins
Unübersehbare zu. Streitig ist das Verhältnis von S. und -> Haftung.
Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213, 240,
263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre des
Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910,
Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966),
150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S.,
Kanonistische Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der
Verschuldungsfreiheit in der Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das
Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld
und Haftung, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6
1982, 21; Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die
zweifelhafte Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach
dem westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und
Geschichte, 2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldanerkenntnis ist der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der eine
Teil anerkennt, dem anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu
schulden. Im prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein
S.
Schuldfähigkeit
Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter Schuld. Die S. entsteht
aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei fruchtloser
Vermögensvollstreckung der Verurteilte in private S. oder später in
öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in
Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und
Frankreichs (1867) die S. beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, Max, Schuldhaft und
Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der
Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der
Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm,
2004
Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld eine Klageart seit dem
Hochmittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Schuldknechtschaft ist die Überführung des nichtleistenden Schuldners in die
Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des Schuldners steht im Mittelpunkt
des klassischen römischen Zivilprozesses. Die S. ist auch dem germanischen und
mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird sie von der -> Schuldhaft
abgelöst. Im Deutschen Reich wird die Personalexekution durch Gesetz vom 16.
April 1871 abgeschafft und durch die Realexekution ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner § 8;
Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck
1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldnerverzug -> Verzug
Schuldrecht ist das Recht der Schuldverhältnisse. Es wird als eigenes
Rechtsgebiet erst in der Neuzeit erkannt. Sachlich wird es hier stark vom
römischen Recht geprägt. Seit dem 18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als
allgemeines Schuldrecht ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an
Bedeutung stetig zu, weshalb das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S.
auch vor dem Sachenrecht einordnet.
Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das
Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Charmatz, H., Zur Geschichte und
Konstruktion der Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das
Schuldrecht in den Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert.
Diss. jur. München 1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert,
W., Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur
Entscheidung des Schuldrechts, in: Berner Festgabe zum Schweizerischen
Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183
(1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188
(1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen
Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of
obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts,
1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996
Schuldschein
Lit.: Wackernagel, J., Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel,
Beiheft 2 der VSWG 1924, 1
Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt), in dem
der Schuldner zwecks Vollstreckung für den Gläubiger in Haft genommen wird. In
Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in die Hand
des Gläubigers in den kursächsischen Konstitutionen (1572) durch die
öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im
Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871.
Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldübernahme ist die vertragsweise Übernahme einer bestehenden Schuld
durch einen neuen Schuldner (neben oder anstatt des bisherigen Schuldners). Im
römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozessvertretung
möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S.
zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner
befreienden S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläubigers.
Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127, 214;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die
kumulative Schuldübernahme, 2004
Schuldverhältnis ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende
Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. (in der
Entwurskommission des Bürgerlichen Gesetzbuchs des deutschen Reiches vielleicht
durch Hermann Karl Freiherr von Leonhardi [1809-1875]) erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der
Schuldverhältnisse, Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste
Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v.
Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W.,
Schuldverhältnis, Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a. 1997
Schuldverschreibung (Schuldverschreibungsgesetz vom 4. 12. 1899)
Lit.: Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz,
1996
Schuldversprechen ist das eine -> Schuld begründende einseitige
Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27
Schuldvertrag ist der eine -> Schuld begründende Vertrag (z. B.
Kaufvertrag).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Schule ist die außerhalb der Familie durch spezialisierte Dritte
(Lehrer) betriebene allgemeine Einrichtung zur Förderung der geistig-sozialen
Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern. Die S. ist bereits dem
Altertum bekannt (griech. schole Muße, Ort der Muße, Lehranstalt). Im
Frühmittelalter wird sie zunächst nur von der Kirche und nur für wenige
eingerichtet. Seit dem Hochmittelalter nimmt das Interesse an ihr in den
Städten zu, so dass dort städtische und auch deutsche Schulen entstehen. Seit
der Mitte des 16. Jh.s wird eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Im 17. Jh.
wird als Folge der Aufklärung der staatliche Schulzwang verordnet (Österreich
1774 6jährige Schulpflicht). Am Ende des 18. Jh.s wird für den
Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung (Abitur) vorgeschrieben. Das 19. Jh.
beschäftigt sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt
bereits aus sozialen Gründen die Einheitsschule. Im 20. Jh. verstärkt sich die
Erhöhung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der Hauptschule
zugunsten des vereinfachten Gymnasiums).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151, 180; Sammlung
der Verordnungen und Bekanntmachungen usw., 1835, Neudruck hg. v. Ritsch, K.,
1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910, Neudruck hg.
v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im Wiederaufbau, Schulgesetz
in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfassungsgesetz, 1985; Schulen und
Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht,
Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v.
Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989; Revolution
des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das Elementarschulwesen
in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche Schulgeschichte, 1993;
Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A. 1994; Kantwill, W.,
Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995; Busch-Geertsema, B.,
Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im Mittelalter, hg. v.
Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und der Schule in der
Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C., Deutsches Bildungswesen
seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K.,
2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck 2000; Schmidt, D.,
Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen Schule aus dem Geist der
Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen Schulwesen, 2001,
Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister, 2001; Damesme, N.,
Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794-1814), 2003; Hauer, W.,
Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Kintzinger, M., Wissen
wird Macht, 2003; Treml, A., Pädagogische Ideengeschichte, 2003; Schraut,
S./Pieri, G., Katholische Schulbildung in der frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck,
L., Das höhere Schulwesen in Nordrhein-Westfalen, 2004; Konrad, F., Geschichte
der Schule, 2007
Schultheiß ist der als Schuldheischer im 7. Jh. im langobardischen
Gebiet Italiens entstehende Amtsträger. Er übernimmt örtlich Aufgaben des
Grafen. Als Amtsträger erscheint er für den König oder andere Herren häufig in
Städten, aber auch in ländlichen Gebieten. Er sitzt niederen Gerichten vor und
ist Ortsvorsteher (Schulze).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder, R.,
Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886), 1; Eckert,
C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der Stadtschultheiß
von Bochm, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der Schultheiß, 1908; Merz,
W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat Bodmer von Baden, 1920; Lappe,
J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Krug, H.,
Untersuchungen zum Amt des „centenarius“-Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88
(1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der Schultheißprivilegien, ZRG
GA 93 (1971), 154
Schulze -> Schultheiß
Schumanplan ist der vor allem von Jean Monnet ausgearbeitete, 1950
verkündete Plan zu Bildung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
des französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29. 6. 1886-Scy-Chazelles
4. 9. 1963). -> Montanunion
Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J.,
Robert Schuman und die Einigung Europas, 2000
schupfen (stoßen) (als Ehrenstrafe)
Schupfer, Francesco (Chioggia/Venedig 1833-Rom 8. 9. 1925) wird
nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und Göttingen Professor für
italienische Rechtsgeschichte in Innsbruck, nach 1866 in Padua, 1878 in Rom.
Seine Hauptwerke sind (ital.) Manuale di storia del diritto italiano (1892,
Handbuch der italienischen Rechtsgeschichte) und Il diritto privato dei popoli
germanici (Bd. 1ff. 1907ff., Das Privatrecht der germanischen Völker).
Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47 (1927),
896
Schupose (F.), Schuppose, kleineres, vielleicht durch Aufteilung
entstandenes, landwirtschaftlich genutztes Gut im Süden (Alemannien) im
Mittelalter (seit A. 12. Jh.)
Lit.: Münger, P., Über die Schupose, 1967
Schuschnigg, Kurt (Edler von) (Riva del Garda 14. 12. 1897-Mutters 18.
11. 1977) wird über die christlichsoziale Partei ab 30. 7. 1934 Bundeskanzler
-> Österreichs. Auf Druck Adolf -> Hitlers bestellt er am 12. 2. 1938 den
nationalsozialistischen Sympathisanten Seyss-Inquart zum Sicherheitsminister.
Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum Rücktritt. Der neue Bundeskanzler
Seyss-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem -> Anschluss Österreichs an das
Deutsche Reich stimmen 99,73 % der Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich
hauptsächlich als Opfer.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223
Schüttung (F.) eigenmächtige Pfändung (fremder Tiere auf eigenem
Grund)
Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912, 342
Schutz ist die Fürsorge gegenüber möglichen Gefährdungen (z. B.
Staatsschutz, Besitzschutz, Mieterschutz, Kündigungsschutz, Verbraucherschutz,
Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz, Mutterschutz, Jugendschutz, Naturschutz,
Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandschutz). S. oder S. und Schirm wird in
verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber Schwächeren geboten (z. B.
Lehen, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit, Unfreiheit, Versicherung). In
der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des Schutzes teilweise die -> Polizei
bzw. die staatliche Hoheitsgewalt.
Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen Schutzes,
MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45 (1959),
1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der Schutz des
Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für Laienfürsten,
1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982
Schutzbrief ist die einen -> Schutz betreffende besondere ->
Urkunde.
Schutzgebiet ist die Bezeichnung für deutsche -> Kolonien (z. B.
Deutsch-Südwest-Afrika, Kamerun, Togo, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea,
Karolinen, Marianen, Palauinseln, Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).
Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien, 1985
Schutzhaft ist die Haft zum Schutz (angeblich) des Verhafteten im
Dritten Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
236
Schutzjude ist der (gegen Abgaben) unter den -> Schutz gestellte
-> Jude im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). Auf der Grundlage
älterer Schutzmaßnahmen wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre 1347/1349
der Jude in den Kurfürstentümern durch die -> Goldene Bulle (1356) in den
besonderen Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der Liberalismus zugunsten
der vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden.
Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866, Neudruck
1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981
Schutzpolizei -> Polizei
Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer
Sicherheit, 2003
Schutzstaffel (SS) ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung hoher
Angehöriger der -> Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (1929
Himmler unterstellt, 1934 Hitler, 1939 etwa 240000, als Streitmacht Waffen-SS
fast eine Million Mitglieder).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim, H.,
Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a. , 2000
Schwabe ist der Angehörige des nach den elbgermanischen Sueben
benannten Volkes, dessen Name im 9. Jh. am oberen Rhein und oberer Donau neben
dem der Alemannen erscheint. Örtlich bleibt Schwaben infolge des Verschwindens
eines um 900 entstehenden, 1198 mit der Königswürde verbundenen Herzogtums
Schwaben (mit Schwerpunkten im Bodenseeraum und im Hegau, später in Zürich,
Breisach, Esslingen, Straßburg, Ulm und Rottweil) im späten 13. Jh. (Rudolf †
1290, Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne einheitliche
Herrschaftsgewalt.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f.
1914ff.; Bader, K. u. a., Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des
schwäbischen Stammes, 1944; Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck
1978; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische
Herrschaft, Z. f. württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis
1268, hg. v. Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2000; Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus,
A., 2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im
Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren,
hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003
Schwaben -> Schwabe
Lit.: Nova
Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f. 1921ff.; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965;
Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der Herrschafts- und
Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H., Das Land zwischen
Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965; Handbuch der
bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer, H., Der Herzog
von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb. v. Fried, P. u.
a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2003; Das Reich in
der Region während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, hg. v. Kießling,
R. u. a., 2005
Schwabenspiegel ist das durch mehr als 400 bekannte, über ganz
Süddeutschland (einschließlich Österreichs und der Schweiz) verbreitete
Handschriften überliefertes Rechtsbuch (-> Kaiserrecht). Es setzt die noch
unvollständige Bearbeitung des in Landrecht und Lehnrecht geteilten ->
Sachsenspiegels durch den -> Deutschenspiegel in unmittelbarem Anschluss
hieran fort und wird bereits 1276 vom Augsburger Stadtrecht benutzt. Es verwertet
neben dem Deutschenspiegel fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche
Landfrieden, die Institutionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht
Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so
unterschiedliche Fassungen überliefert, dass die Herstellung einer Urfassung
(Urschwabenspiegel) Schwierigkeiten bereitet. Eine durchgehend illustrierte
Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher
(Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von
-> Goldast (1609).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120; Lassberg,
F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H., Rockingers
Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233; Lindner, G.,
Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885), 86; 141; Knapp,
H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J. Kohler, 1919, 25; Stutz,
U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Handschrift, ZRG GA 44 (1924), 315; Voltelini,
H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe des Schwabenspiegels, Anzeiger
der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924, Nr. 12; Eckhardt, K., Die
handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des Schwabenspiegels, ZRG GA 45
(1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische Handschriften des Schwabenspiegels,
ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H.
v., Ottokars österreichische Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50
(1930), 385; Klebel, E., Studien zu den Fassungen und Handschriften des
Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129; Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des
Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen); Thieme, H., Eine unbekannte
Schwabenspiegelhandschrift, ZRG GA 54 (1934), 241; Lentze, H., Die Kurzform
des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes,
ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss.
jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu den Quellen des Schwabenspiegels, FS K.
Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel, Kurzform, mitteldeutsch-niederdeutsche
Handschriften, hg. v. Große, R., 1964; Große, R., Die
mitteldeutsch-niederdeutschen Handschriften des Schwabenspiegels in seiner
Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift des Schwaben- und Augsburger
Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Schwabenspiegel, Form M, 1972;
Schwabenspiegel, Normalform 1972; Schwabenspiegel, Kurzform III, Fassung Kt,
hg. v. Eckhardt, K., 1972 (Tambacher Handschrift von 1295); Schwabenspiegel
Kurzform, hg. v. Eckhardt, K., 2. A. 1974; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt,
K., 1975; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka,
H., Der Schwabenspiegel und die kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118
(2001), 100; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002
Schwäbischer Bund ist der am 14. 2. 1488 von Fürsten, Adel und Städten
Schwabens auf Veranlassung des Kaisers als erneuertem Herzog von Schwaben
abgeschlossene, bis 1534 währende Bund.
Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck 1968; Knapp,
H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520; Hesslinger, H.,
Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der schwäbische Kreis,
1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000
Schwäbischer Städtebund
Lit.: Blezinger, H., Der schwäbische Städtebund in den Jahren
1438-1445, 1954
Schwäbisch Gmünd
Lit.: Payer, Peter, Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur.
Tübingen 1957; Herrmann, K. u. a., Schwäbisch Gmünd, 2006
Schwäbisch Hall
Lit.: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb.
v. Wunder, G. u. a., 1956; Kreil, D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im
15./16. Jahrhundert, (1967); Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und
Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert,
1971
Schwalenberg
Lit.: Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen
von Schwalenberg, 1963
Schwangerschaft ist der von der Befruchtung bis zur Geburt eines Kindes
reichende Zeitabschnitt im Leben einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht
teilweise bei der Leibesfrucht (lat. [M.]
nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht,
aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom
Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit).
Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den das
Mutterschutzgesetz erweitert.
Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau,
1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der nasciturus
als Rechtsgut, in: Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985, 87;
Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C.,
Schwangerschaftsabbruch, 2004
Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte
Burg an der Schwarza in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die
im 16. Jh. in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt teilen. Die
1697 bzw. 1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion
vereinigt. Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Schwarzenberg, Johann Frhr. zu (Schwarzenberg/Mittelfranken 26. 12. 1463-Nürnberg
21. 10. 1528) wird nach einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit
im Gefolge König Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg
(1493 Wallfahrt ins Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm
verschwägerten Bischofs von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird
er Mitglied des Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von
Brandenburg. Auf ihn geht über die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis
Bambergensis (1507) die (lat.) -> Constitutio (F.) Criminalis Carolina
(1532) zurück. Er ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534
Teutscher Cicero).
Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann Freiherr
zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363; Hellner,
J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5 (1965), 48;
Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, in: Strafrecht, Strafprozess und
Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29
Schweden ist der zwischen Norwegen und Finnland gelegene nordeuropäische,
zum 1. 1. 1995 der Europäischen Union beigetretene Staat. Sein Gebiet ist
vermutlich schon im 2. oder 1. Jt. v. Chr. von -> Germanen (u. a. um 100 n.
Chr. [lat. M.Pl.]
Suiones) besiedelt. Im Frühmittelalter dehnen
dabei die oberschwedisch-upländischen Svear ihre Herrschaft auch auf die Götar
aus. Im Hochmittelalter kommt demgegenüber Götaland größere Bedeutung zu. Im
Zuge der Christianisierung wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh. festigt sich S.
Zwischen 1150 und 1323 wird das von Schweden aus christinaisierte Finnland
einbezogen. Um 1350 erstreckt sich das Königreich S. von Kalmar bis Lappland
und von der Mündung des Götaälv bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden
Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet (Westgötenrecht bzw.
Westgötalagh seit 1220- 2. H. 13. Jh., Ostgötenrecht bzw. Ostgötalagh um 1286
bzw. um 1300, Smalandslagen vor 1296, Södermannalagen bzw. Södermannalagh um
1279-1285 bzw. 1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw.
Västmannalagan bzw. Westmannalagh 1298-1347 bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw.
Helsingelagh 1315-1332 bzw. 1329/1350). Zu den Landschaftsrechten treten
Satzungen auf den Hoftagen und kirchliche Konzilsbeschlüsse hinzu. Von den
Stadtrechten ist das sog. Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am bekanntesten. 1347
veranlasst König Magnus Eriksson ein allgemeines, in den einzelnen Landschaften
allmählich aufgenommenes Landrecht (Landslag), 1357 (1353-1360) ein bis 1734
gültiges Stadtrecht (Stadslag). Dabei steht der aus den Hoftagen entwickelte
Reichsrat neben ihm. 1389 erkennt S. die Herrschaft Königin Margarethes von
-> Dänemark an. 1442 wird das Landrecht erneuert. 1448 verselbständigt sich
S. wieder (König Karl VIII.). 1477 wird eine (von 1530 bis 1593 geschlossene)
Universität in -> Uppsala eingerichtet (1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668 Lund).
1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet und S.
wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich der in 4
Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern) gegliederte dauernde Reichstag neben
König und Reichsrat. Am Ende des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den
-> Absolutismus durch, doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12.
1734 nimmt der Reichstag das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch
zum 1. 9. 1736 an. 1772 entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte
und hebt den Reichsrat auf. 1789 wird ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809
wird der König abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der
Reichsrat neu geschaffen. Finnland gelangt an Russland. 1810 wird der
französische Marschall Bernadotte zum Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen
von Dänemark an S. 1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhängigem
Wahlrecht, seit 1921 allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905
verselbständigt sich Norwegen. Zum 1. 1. 1995 tritt S. der -> Europäischen
Union bei. 2000 werden Staat und Kirche getrennt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
130; Samling af Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd.
1ff. 1827ff. (13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches
Obligationenrecht, 1882; Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des
älteren schwedischen Rechts, ZRG GA 36 (1915), 137; Bergman, C., Översikt av
svensk rättsutveckling, 1918; Bergman, C., Testamentet i 1600-talets
rättsbildning, 1918; Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe,
1919 (SB Heidelberg); Mayer, E., Die letzten Spuren eines Uradels in
Südschweden und Dänemark, ZRG GA 41 (1920), 373; Kock, E., Om Hemfjöld (förtida
arv) i svensk rätt, 1926; Holmbäck, Å., Frågan om äganderätten till
häradsallmänningarna, Svenska Skogsvårdsföreningens tidskrift 1930; Hemmer, R.,
Studier rörande straffutmätingen i medeltida svensk rätt, 1928; Holmbäck, Å,./Wessen,
E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff. 1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der
schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933; Svenska Landskapslagar, tolkade och
förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck, Å./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.; Schwedische
Rechte, Älteres Westgötalag, Uplandslag, übers.. v. Schwerin, C. Frhr. v.,
1935; Wennström, T., Tjuvnad ock fornæmi, 1936; Herlitz, N., Grundzüge der
schwedischen Verfassungsgeschichte, 1939; Wennström, T., Brott och böter, 1940;
Löning, G., Zur Zufallshaftung im schwedischen Vertragsrecht, ZRG GA 62 (1942),
179; Olivecrona, K., Döma til konung, 1942; Almquist, J., Svensk juridisk
litteraturhistoria, 1946; Löning, G., Die Haftung des Entleihers in der neueren
schwedischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt, M./Hubatsch,
W., Deutschland und Skandinavien, 1950; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952, Wührer,
K., Zum altschwedischen Eherecht, ZRG GA 74 (1957), 231; Carlsson, L., Das
Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 349; Wührer, K., Die
schwedischen Landschaftsrechte und Tacitus’ Germania, ZRG GA 76 (1959), 1; Hafström,
G., Land och lag, 1959, 2. A. 1965 (Darstellung des schwedischen
mittelalterlichen Rechts); Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960; Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Thomson, A., Barnkvävningen,
1960; Hemmer, R., Die Missetat im altschwedischen Recht, 1965; Rehfeldt, B.,
Rezeption in Schweden, ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Carlsson, L., Jag
giver dig min dotter, 1965; Anners, E., Humanitet och Rationalism, 1965; Schmidt,
G., Die Richterregeln des Olavus Petri, 1966; Olivecrona, K., Rättsordningen,
1966; Thomson, A., Otidigt sängelag, 1966; Thomson, A., Hävdande under
äktenskapslöfte, 1966 (SB Lund); Roberts, M., The early Vasas (1523-1619, 1968;
Wessén, E., Svensk medeltid - 1 Landskapslagar, 2 Birgitta-Texter, 1968; Scovazzi,
M., Der römische pontifex und die eriksgata der schwedischen Könige, ZRG GA 88
(1971), 198; Das Ostgötenrecht, hg. v. Strauch, D., 1971; Thomson, A., I stocken,
1972; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter 2, 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,995, 2,2,531,1027, 4,4,235; Modéer, K., Die
Gerichtsbarkeit der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, ZRG GA
91 (1974), 190; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im
deutschen Reichsterritorium, 1975; Barudio, G., Absolutismus – Zerstörung der
libertären Verfassung, 1976; Inger, G., Das Geständnis in der schwedischen
Prozessrechtsgeschichte, Bd. 1 1976; Inger, G., Institutet „insättande på
bekännelse“ i svensk processrättshistoria, 1976; Sjöholm, E., Gesetze als
Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens, 1976; Hafström, G., Den
svenska familjerättens historia, 1978; Buchholz, W., Staat und
Ständegesellschaft in Schweden zur Zeit des Überganges vom Absolutismus zum
Ständeparlamentarismus 1718-1720, 1979; Nicht nur Strindberg, hg. v. Müssener,
H., 1979; Ekbom, C., Attungstal och mantal, 1981; Patzelt, E./Patzelt, H.,
Schiffe machen Geschichte, 1981; Nygren, R., Subordination och enskild
integritet, 1981; Den svenska historien, 1983f.; Seth, I., Överheten och
svärdet, 1984; Ankarloo. B., Trolldomsprocesserna i Sverige, 1984; Winberg, C.,
Grenverket. Studier rörande jord, 1985; Das schwedische Reichsgesetzbuch (Sveriges
Rikes Lag) von 1734, hg. v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische
Rechtssysteme, 1987; Claëson, S., Häradshövdingeämbetet i senmedeltidens och
Gustav Vasas Sverige, 1987; Sundell, J., Tysk påverkan på svensk
civilrättsdoktrin 1870-1914, 1987; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im
mittelalterlichen Schweden, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G.,
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Rätten, 1989; Anners, E., Frålagtolkning till lagstiftning, 1989; Sandström,
M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1989; Anners, Erik, Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och
godtrosförvärven, 1989; Sjöholm, E., Sweden’s Medieval Laws, Scandinavian Journal of History
15 (1990); Högsta Domstolen i Sverige under 200 ar, Bd. 1, 2 hg. v. Nygren, R.
bzw. Modéer, K., 1990; Sundberg, J., Fr(an) Eddan t(ill) Ekelöf (Von der Edda
zu Ekelöf), 1990; Sundin, J., För Gud, Staten och Folket, 1992; Frohnert, P.,
Kronans skatter och bondens bröd, 1993; Thunander, R., Hovrätt i funktion,
1993; Inger, G., Erkännandet i Svensk processrättshistoria 2 (1614-1948), 1994;
Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Sundell,
J., Mittermaier, Maurer und Amira – drei deutsche Rechtswissenschaftler und
ihre schwedischen Kontakte, ZRG GA 114 (1997), 415; Strauch, D., Schwedisches
Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.
u. a., 1997; Sundell, J., Mittermaier, Maurer und Amira, ZRG GA 114 (1997),
415; Findeisen, J., Schweden, 1997; Alexius, K., Politisk yttrandefrihet, 1997;
Kumlien, M., Uppfostran och straff, 1997; Sundell, J., Karl Schlyter (21.
Dezember 1879-21. Dezember 1959), 1998; Nilsén, P., Att stoppa munnen till pa
bespottare – den akademiska undervisningen i svensk statsrätt under
frihetstiden, 2001; Rättslig integration och pluralism, red. v. Önnerfors, E.
u. a., 2001; Rättshistoria i forändring, red. v. Modéer, K., 2002; Kohler, M.,
Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2003; Dänemark, Norwegen
und Schweden im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v.
Asche, M. u. a., 2003; Nesemann, U., Die schwedische Familiengesetzgebung, 2003;
Ullgren, P., Lantadel, 2004; Lyles, M., A Call für Scientific Purity – Axel
Hägerström’s Critique of Legal Science, 2006; Lundmark, L., Samernas
skatteland, 2006
Schweidnitz
Lit.: Rechtsdenkmäler der Stadt Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a.,
1939; Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz,
bearb. v. Goerlitz, T. u. a., 1940
Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808-Oslo 1870), früh verwaister
Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/Ostfriesland, Rechtsstudium
in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840 Professor in
Oslo und Rechtspolitiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum norwegischen
Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des norwegischen
Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch des römischen
Rechts.
Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards politiske
tenkning, 1986
Schweinfurt
Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972
Schweiz ist der zwischen Deutschland, Österreich, Liechtenstein,
Italien und Frankreich liegende, überwiegend deutschsprachige Staat. Die S.
nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der deutsche König zur Sicherung des
Gotthardpasses 1231 den Leuten von -> Uri im ehemaligen Herzogtum -> Schwaben
die ewige Reichsunmittelbarkeit verspricht und sich wenige Tage nach dem Tod
Rudolfs von Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich
berechtigten Leuten von -> Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem
ewigen Bündnis gegen die das Privileg missachtenden Grafen von -> Habsburg
verbinden. Am 15. 11. 1315 besiegen diese danach als -> Eidgenossen
auftretenden Verbündeten die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns
angreifenden) habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen
sich weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern
1353, Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und Solothurn 1481).
Frühestens am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen gesamteidgenössische
Gespräche (1482 Tagsatzung). Nach der tatsächlichen Lösung vom Reich (1499)
folgen Basel und Schaffhausen zwangsweise 1501. 1648 wird die rechtliche
Trennung vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) herbeigeführt. 1798
entsteht unter dem Einfluss der französischen Revolution die helvetische
Republik, 1815 ein lockerer Staatenbund mit dauernder Neutralität, aus dem die
Verfassung vom 12. 9. 1848 einen Bundesstaat macht. Ihm gehören (heute) 26
Kantone bzw. Halbkantone in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere
Zeit durch die großangelegte Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen
erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht ist nach einem
Personenstands- und Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes
Buch des Zivilgesetzbuches) und Zivilgesetzbuch (1907/1912) für das
Privatrecht vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch
geschaffen. Zum 1. 1. 2000 wird die Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht,
Sozialziele, Recht des Kindes). Das noch partikulare Zivilprozessrecht soll
derzeit in einer einheitlichen Kodifikation zusammengefasst werden. Zum 1. 1.
2007 ist das Bundesgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz in Kraft
getrewten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242,
244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd.
1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen
Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der
Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des
Obersimmentales, 1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse à l’époque
Mérovingienne, 1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica,
1910; Meyer, K., Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das
Statutarrecht des Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die
Anfänge Zofingens, 1913; Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann,
M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.; Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in
der eidgenössischen Verfassung vor 1798, Politisches Jahrbuch der
schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917); Benz, A., Der Landammann, 1918; Simon,
R., Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H.,
Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische
Kampf um die religiöse Einheit der Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E.,
Geschichte des neueren schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Heusler,
A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Stutz, U., Die
Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der
Schweiz, Bd. 1f. 1921; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v.
Turler, H. u. a., Bd. 1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz,
1923; Winkler, J., Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v.,
Die Badener Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von
Kyburg im Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer
Bundesbriefs von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930),
413; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das „eidgenössische recht“
1798-1848, 1930; Schaefer, P., Das Sottocenere im Mittelalter, 1932; Staehelin,
H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931; Nabholz, H. u. a., Geschichte der
Schweiz, Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932, Gallati, F., Die
Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III.
1619-1657, 1932; Gisi, M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen
Kirche in der Schweiz, 1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, Bd. 1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger,
G., Jakob Dubs als schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W.,
Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im
Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des
Talgerichts von Engelberg, 1935, Legras, H., Grundriss der schweizerischen
Rechtsgeschichte, 1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff.
1935ff.; Liver, P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser,
A., Landständische Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische
Geschichte 17 (1937) 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937); Fehr,
H., Sozial- und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen, ZRG GA
58 (1938), 506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der Eidgenossen,
1940; Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der schweizerischen
Eidgenossenschaft, bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die
Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg.
v. Winkler, E., 1941, Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L.,
1942; Stockmann, H., Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und
Appenzell, 1942; Staub, E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H.,
Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus
in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v.
Usteri, E., 1955; Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in
eidgenössischen Angelegenheiten, 1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im
politischen Kräftespiel, 1961; Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein
1861-1960, 1961; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
1961; Sonderegger, SD., Die schweizerdeutsche Mundartforschung 1800 bis 1959,
1962; Lei, H., Der thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962; Brand,
E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit – Von der Gründung des Bundesstaates bis zur
Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni. P., Le
origini del dualismo comunale svizzero, 1964; Stettler, B., Studien zur
Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen
Zivilrechtswissenschaft, FS K. Bader 1965, 321; Guldener, M., Über die Herkunft
des schweizerischen Zivilprozessrechts, 1966; Weymuth, H., Erscheinungsformen
und Bedeutung der extramuralen Rechtsbereiche nordschweizerischer Städte, 1967;
Tschudi, A., Chronicon Helveticum 1ff., bearb. v. Stadler, P. u. a., 1968ff.; Carlen,
Louis, Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968; Wernli, F., Die Talgenossenschaften
der Innerschweiz, 1968; Renner, F., Der Verfassungsbegriff im staatsrechtlichen
Denken der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert, 1968; Schweizerisches
Privatrecht, Bd. 1 hg. v. Gutzwiller, M., 1969 (Elsener, F., Geschichtliche
Grundlegung, 1-237 S.); Liver, P., Abhandlungen zur schweizerischen und
bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970; Meyer, B., Die Bildung der
Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Fulda, J., Zur Entstehung der
Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der Schweizer Geschichte, Bd. 1f.
1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61,523,972,
2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,4189; Im Hof, U.,
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A. u. a., Wohlen, 1975; Die Murtenschlacht, 1976; Carlen, L., Österreichische
Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977; Bickel, A., Die Herren von
Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, 1978,
Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Kohler, P. u. a.,
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1982; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches Strafgesetzbuch, Schweiz. Z.
f. Strafrecht 99 (1982); Schnyder, B., Siebzig Jahre schweizerisches
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1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H., Geschichte des
schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz,
3. A. 1988; Drack, W. u. a., Die Römer in der Schweiz, 1988; Schwander, M.,
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A., Das Recht der Landschaft Emmental, 1991, Kraus, D./Pahud de Mortanges, R.,
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Die Berücksichtigung der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB,
1992; Dubler, A./Häusler, F., Aus der Geschichte des Grenzraums
Emmental-Entlebuch, 1992, Kölz, A., Neuere schweizerische
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schweizerischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Kölz, A., 1992; Baum, W., Reichs-
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d’histoire suisse (1831-1832), 2000; Handels- und obligationenrechtliche
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des Nationalsozialismus, hg. v. unabhängige Expertenkommission, 2001; Hofer,
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Bloesch, P., 2003; Die Erfindung der Demokratie in der Schweiz, hg. v.
schweizerischen Bundesarchiv, 2004; La Suisse occidentale et l’empire, hg. v.
Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt Thun, bearb. v. Dubler, A., 2004; Jucker,
M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004; Maissen, T., Verweigerte Erinnerung,
2005; Gees, T., Die Schweiz im Europäisierungsprozess, 2006; Ein Bruderkrieg
macht Geschichte, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006; Piller, O., Die soziale Schweiz,
2006; Zbinden, M., Der Assoziationsversuch der Schweiz mit der EWG 1961-1963, 2006;
Geschichte der Sozialversicherungen. L’histoire des assurances sociales, hg. v.
Schweizerisches Bundesarchiv, 2006; Maissen, T., Die Geburt der Republic, 2007
Schwerin -> Mecklenburg
Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von Schwerin.
Diss. phil. Rostock 1928
Schwert ist seit dem Altertum eine Stichwaffe und Hiebwaffe, die auch
im Recht tatsächlich (Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei -> Investitur,
-> Zweischwerterlehre, -> Schwertmage) verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988
Schwertbrüderorden ist der 1202 in Livland gestiftete kleine Ritterorden, der 1237
mit dem -> Deutschen Orden verschmolzen wird.
Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875;
Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur
Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)
Schwertleite (F.) ein Mannbarkeitsritus, Ritterschlag
Lit.:
Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische
Waffenkunde 8 (1919)
Schwertmage ist der durch das -> Schwert versinnbildlichte männliche
Verwandte (Mage) im deutschen Mittelalter.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88;
Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1
Schwur
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde, Zeitschrift
für schweizerisches Recht 39 (1920); Fritze, W., Die fränkische Schwurfreundschaft
der Merowingerzeit, ZRG GA 71 (1954), 74
Schwurgericht ist die mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden
und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972 Geschworenen) besetzte Strafkammer bei
bestimmten Strafsachen (z. B. Mord), im älteren und ausländischen Recht das
mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12 Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die
Geschworenen über die Frage der Schuld und der oder die Richter über die Frage
der Strafe entscheiden. Das S. wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter
dem Einfluss Frankreichs, im übrigen Deutschland meist nach 1848 eingeführt. 1877/1879
wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im Deutschen Reich 140
Schwurgerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen Gründen
durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche Justizreform,
lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1. 10. 1950
nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine unmittelbare Kontinuität des deutschen
Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen Schöffengericht
besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der fränkischen Zeit her, die
der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das spätantiken Vorläufern
folgende fränkische Untersuchungsverfahren über Grundbesitzverhältnisse über
die Normandie nach England gelangt, wo es König Heinrich II. (1154-1189) für
Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach soll der Sheriff jeweils 12
Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166 wird dies auf Verfahren wegen
Unrechtstaten übertragen.
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872,
Neudruck 1967; Schwinge, E., Der Kampf um die Schwurgerichte, 1926, Neudruck,
1970; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Plucknett,
T., Concise History of the Common Law, 2. A. 1956; Böttges, W., Die
Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege, Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W.,
Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205; Reimann, M., Der Hochverratsprozess
gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste Schwurgerichtsfall in Baden,
1985; Landau, P., Schwurgerichte und Schöffengerichte, in: The Trial Jury, hg.
v. Schioppa, A., 1987, 241; Canegem, R. van, The Birth of the English Common
Law, 2. A. 1988; Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Koch, A.,
Die Rückkehr der „Volksgerichte“, ZRG GA 122 (2005), 242; Pense, T., Das
spanische Schwurgericht, 2006
Schwyz, um 730 Ort einer Kirche, ist der für die -> Schweiz
namengebende Urkanton.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die
schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des
Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914; Sidler,
R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Riggenbach,
A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die Entstehung der
Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 3. A. 1988; Wiget,
J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991; Fassbind, J., Schwyer Geschichte, hg.
v. Detting, A., 2004; Adler, B., Die Entstehung der direkten Demokratie, 2006
Scire leges non est
verba eorum tenere sed vim ac potestatem
(lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre
Macht und ihr Vermögen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17)
scultetus (lat.-afrk. [M.]) -> Schultheiß
Seabra, António Luís Visconde de (1798-1895), Richterssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Coimbra Richter, Rechtslehrer und liberaler
Rechtspolitiker. Er entwirft den 1867 in Kraft gesetzten Código civil
portuguez.
Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde de
Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973
Seckel, Emil (Neuenheim bei Heidelberg 10. 1. 1864-Todtmoos 26.
4. 1924), Schwiegersohn Hinschius’, wird 1898 Professor in Berlin.
Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E.,
Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216
Seckendorff, Veit Ludwig von (Herzogenaurach 20. 12. 1626-Halle/Saale
18. 12. 1692), aus fränkischem Adel, wird nach dem Studium von Philosophie,
Geschichte und Recht in Straßburg Rat und Kanzler in Sachsen-Gotha und 1665 in
Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der christlich idealisierende Teutsche
Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an den Fürsten, teilweise an dessen
Amtsträger wendet.
Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in
Veit Ludwig von Seckendorffs „Teutschem Fürstenstaat“, ZRG 87 (1970), 190; Staatsdenker
im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995
securitas (lat. [F.]) ist die Quittung im spätantiken römischen Recht.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62
SED ist die am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung von
Sozialdemokratischer Partei Deutschlands und Kommunistischer Partei
Deutschlands zwecks Ausschaltung der Sozialdemokratie hervorgehende
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen besetzten Zone
des Deutschen Reiches, die in der Deutschen Demokratischen Republik die Politik
entscheidend bestimmt und sich nach deren Scheitern am Ende der Deutschen
Demokratischen Republik (1989) in Partei des demokratischen Sozialismus (PDS)
umbenennt.
Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente zur
Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das Ende
der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a., 1997;
Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v. Wilke,
M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998;
Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die
Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED-Diktatur und Gesellschaft,
2002; Giese, D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik und
Organisation der SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und
heißer Frieden, 2003; Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best,
H./Mestrup, H., 2003
Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz einer Universität.
Seedarlehen -> fenus (N.) nauticum (lat.)
Lit.: Schuster, S.,
Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Seelbuch (N.) Totenbuch
Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters, 1971
Seelgerät ist im mittelalterlichen Recht die zum Seelenheil (lat.
salus [N.] animae) gestiftete Sache. Die Schaffung geschieht anfangs
durch Gabe, seit dem Hochmittelalter auch durch -> Testament.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E.,
Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und
Seelgerät im griechischen Recht, 1926
Seelteil -> Freiteil
Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des
germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu „Augustin und der Seelteil“
S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377
Seerecht ist das die See betreffende Recht. Es ist ein Teil des
Völkerrechts, soweit die See nicht zum Hoheitsgebiet eines einzelnen Staates
zählt. Bedeutsam ist insbesondere das Seehandelsrecht als Sonderprivatrecht der
Seeschiffahrt. Dieses erscheint bereits im (lat.) -> Codex Hammurapi
(1728-1686 v. Chr.). Weit verbreitet ist im Altertum das nach der Insel Rhodos
benannte griechische Seehandelsrecht (lat. lex [F.]
Rhodia [de iactu]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das
15. Jh. fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von
Amalfi (lat. Tabula
[F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12. Jh.), Venedig
(1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in Barcelona um
1350 (1348) ist das -> Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh. den
Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die ->
Rôles d’ -> Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren flämische
Übersetzung -> Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet zusammen mit
der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam entstandenen
-> Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste Sammlung
Waterrecht. Von den deutschen Seehandelsstädten wirken vor allem Hamburg und
Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh. werden in
den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark (1561),
Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame Regelungen
erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche Literatur
anschließt (-> Stracca, -> Grotius, -> Vinnius).-> Preußen schafft
1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen Inhalt in
das -> Allgemeine Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs ->
Ordonnance de la marine (1681) erhält der -> Code de commerce (1807)
aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864),
Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und Italien
vollständig oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheitlichen ihr
S. im -> Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) bzw. im
Handelsgesetzbuch (1897/1900).
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957, 335; Rolin, H., L’abordage,
1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v. Telting, A., 1907; Sammlung
älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft 1ff. 1907ff.; Seerechtliche
Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915; Perels, L. El libro del consulado
de mar, Revista juridica de Cataluña 23 (1917); Perels, L., Orden judicial del
consulado de mar de Barcelona, Revista juridica de Cataluña 25 (1919); Pappenheim,
M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrages, ZRG GA 51 (1931), 175; Zeno, R.,
Documenti per la storia del diritto marittimo, 1936; Wüstendörfer,
Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische Seehandelsrecht im 18.
Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die hanseatischen
Seerechte, in: 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för rättshistorik forskning,
1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985; Landwehr,
G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985;
Landwehr, G., Das preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113;
Landwehr, G., Die Bedeutung des lübischen Seerechts, in: Schiffe und Seefahrt,
hg. v. Bei der Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des
Seerechts, in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr,
G., Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992;
Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Decken, J. v. d., Das
Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der
Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts,
hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003;
O’Sullivan, C., Die Ahndung von
Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Schweitzer, J., Schiffer und Schiffsmann in
den Rôles d’Oléron, 2006
Seesen
Lit.: Tausend Jahre Seesen, hg. v. d. Stadt Seesen, 1974
Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen und Sachen gegen die beim
Seetransport bestehenden besonderen Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und
ist in Venedig bereits im 15. Jh. von großer tatsächlicher Bedeutung.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Hammacher, W., Die Grundzüge
des allgemeinen Kiesselbach, A., Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche
Entwickelung der Seeversicherung in Hamburg, 1901; Seeversicherungsrechts,
Diss. jur. Bonn 1983; Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung,
1986
Sefarde (M.) Jude im mittelalterlichen Spanien
seisin (F.) Gewere
Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt
Selbständiger ist, wer nicht in einer (beruflichen) Abhängigkeit steht.
In der arbeitsteiligen Wirtschaft wird die Zahl der Selbständigen (Unternehmer)
immer geringer. Möglicherweise erzwingt die durch hohe Lohnkosten und
Rationalisierungsdruck bewirkte Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr
Selbständigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 225, 252
Selbstbestimmung ist die ausschließliche Entscheidung des Betroffenen über
sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo übermäßige Fremdbestimmung
aufgeklärtes Freiheitsstreben erwachen lässt. Das ist seit dem 18. Jh.
allgemein und seit dem 19. Jh. im überindividuellen Bereich der Fall.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Elsner, B., Die
Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das Konzept des
Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004
Selbsthilfe ist die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruches durch
eigenes Handeln. Die S. ist vor der Entwicklung des staatlichen
Durchsetzungsmonopoles selbverständlich (-> Fehde). Schon im römischen
Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem Frühmittelalter wird die S.
zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie zwar noch
für grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen und gewährt
ihr nur geringe Möglichkeiten.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964; Adler-Rudel, S., Jüdische
Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287
Selbstmord (Selbsttötung) ist die gewaltsame Beendung des eigenen
Lebens. Der S. wird von der christlichen Kirche vom 6. Jh. bis in das 20. Jh.
als Todsünde dadurch bekämpft, dass (noch 1917) die Beerdigung des
Selbstmörders in christlichen Formen ausgeschlossen wird. Zeitweise sprechen
sich auch weltliche Juristen und territoriale Bestimmungen für eine
Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf, Thomasius, Wolff), doch werden
nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance weltliche Rechtsfolgen des
Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in Preußen 1751 und in Frankreich
1790 von oben her aufgegeben, weil der Selbstmörder als krank angesehen wird.
Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen Orten zu einzelnen Zeiten tatsächlich
strafbar.
Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder, 1907;
Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, in: Il diritto ecclesiastico, 63
(1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium
der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44
(1953), 58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der
Selbstmord im römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in
the Roman Empire, 1986; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1998;
Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in the Middle Ages, 1998ff.;
Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal History 21 (1999), 57; Lind,
V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999; Mischler, G., Von der Freiheit, das
Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J., Selbstmord, 2001; Baumann, U., Vom Recht auf
den eigenen Tod, 2001; Bähr, A., Der Richter im Ich, 2002; Schreiner, J., Jenseits
vom Glück. Suizid, Melancholie und Hypochondrie in deutschsprachigen Texten des
späten 18. Jahrhunderts, 2003
Selbstverwaltung ist die eigenverantwortliche Wahrnehmung überlassener oder
zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche Träger
öffentlicher Verwaltung. S. ist selbstverständlich. Sie wird zu einer
politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende absolute
Flächenstaat alle Entcheidungen zentralisiert. In Abwehr dieser bürokratisch-planstaatlichen
Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die
kommunale S. durch. Dem folgen eine berufsständische und seit 1883 eine
sozialversicherungsrechtliche S. nach.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist, R.
v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche
Selbstverwaltung, 1941; Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950,
2. A. 1969; Graf, W., Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden im 18.
Jahrhundert, 1967; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale
Selbstverwaltung im Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die
„Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn von Stein, 1979; Hendler, R.
Selbstverwaltung als Ordnungsprinzip, 430; Rössler, L., Die Entwicklung der
kommunalen Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Weiß, J., Die Integration
der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte
der Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v.
Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung,
Diss. jur. Bonn 1999
Selden, John (Selvington/Sussex 16. 12. 1584-Whitefriars 30. 11.
1654), Bauernsohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in
Clifford’s Inn (1603) bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechtspraktiker
(barrister), Rechtspolitiker und Rechtswissenschaftler. Bereits 1606 verfasst
er eine Darstellung der angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht über
die englische Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit
(lat.) De Diis Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet
sich in der Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?)
antwortet er auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem
(lat.) Mare (N.) clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische
Kriegsschiffe die holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten
Gewässern von Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England
von Frederic Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der
englischen Rechtsgeschichte gegründet.
Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg, 1943
masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E., John
Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988
Seldschuke ist der Angehörige einer von Seldschuk (um 1000)
gegründeten, von 1040 bis 1157 bedeutsamen Herrscherfamilie der -> Türken.
Semel heres semper
heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4
Senat ist im altrömischen Recht die neben König bzw. Konsuln
stehende Versammlung der Alten (lat. [M.Pl.]
senes) oder Väter (lat. [M.Pl.] patres) der patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S.
gehören allmählich alle ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an.
Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen ist, erlangt
praktische Gesetzeskraft (lat. [N.]
senatusconsultum). Seit dem Prinzipat verkümmert der S. zum Stadtrat Roms (bzw.
Konstantinopels). In der frühen Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des
Spruchkörpers eines Obergerichts, eines politischen Kollegialorganes (z. B.
zweite Kammer, in Bayern aufgehoben) oder eines Leitungsgremiums einer
Hochschule.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §
6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel,
1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus,
hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998;
Senatores populi Romani, hg. v. Eck, W. u. a., 2005
Senatusconsultum (lat. [N.]) ist der Senatsbeschluss, der im altrömischen Recht
praktisch Gesetzeskraft erlangt.
Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4,
6, 14, 15; Köbler, DRG 18, 31
Senatusconsultum Claudianum (54 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem
die Römerin versklavt wird, die gegen den Willen des Herrn mit einem Sklaven
geschlechtlich verkehrt.
Lit.: Kaser § 15 II 3
Senatusconsultum Iuventianum (129 n.Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, wonach ein
gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszugeben hat, worum er bereichert
ist.
Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG
37
Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist ein nach einem Haussohn
Macedo benannter römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen an Haussöhne
verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter Haussohn seinen
Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom Vater geerbtem Geld zu tilgen.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das Verbot
der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239
Senatusconsultum Neronianum (54-68 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, nach dem
ein Legat, das in dem vom Erblasser gewählten Typus unwirksam ist, in einer der
anderen Arten von Vermächtnis aufrechterhalten wird, wenn sein Inhalt dies
zulässt.
Lit.: Kaser § 76 II 4a
Senatusconsultum Orfitianum (178 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den
Kindern ein Erbrecht nach dem Tod der Mutter vor den Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, welcher
der Mutter, die das (lat.) -> ius (N.) liberorum (Recht der Kinder) hat, ein
Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. [M.Pl.])
sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den
vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der den
fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt, dass die dem Erben und
gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und gegen den Nachfolger
unmittelbar als (lat.) -> actiones (F.Pl.) utiles erteilt werden.
Lit.: Kaser § 78 II 2
Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist der römische Senatsbeschluss, der Frauen
verbietet, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten (z. B. Bürgschaften)
einzugehen.
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44; Medicus,
D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O., Senatus
consultum Velleianum – die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG GA 105
(1988), 270
Senckenberg, Heinrich Christian (Frankfurt am Main 1704-Wien 30. 6.
1768), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen, Halle, Leipzig, Gießen
und Göttingen 1736 ordentlicher Professor in Göttingen, 1738 in Gießen und 1751
Reichshofrat. Zu seinen rechtsgeschichtlichen Arbeiten zählen wichtige
Quellensammlungen (z. B. Neue und vollständige Sammlung der Reichsabschiede,
1747ff.).
Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978
Send (M.) -> Sendgericht
Sendeve (1297) (Sendvermögen) ist eine spätmittelalterliche
nördliche -> Handelsgesellschaft, bei der Gut, das der Geber einem anderen
Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil oder sonstige Gegenleistung (mit)gibt,
allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers reist. Das Sendevegeschäft steht der
-> Kommission nahe.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Universalgeschichte
des Handelsrecht, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83
Sendgericht (zu lat. [M.] synodus) ist das im Frühmittelalter aus dem
Bischof als Richter und aus Sendschöffen als Urteilern gebildete kirchliche
Gericht für die Rüge und Verhandlung aller unrechten Taten, die nach
christlicher Ansicht Sünde sind. Das S. geht seit dem 11. Jh. vom Bischof auf
die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh. wird es allmählich durch den kirchlichen
Einzelrichter eingeschränkt, im 17. Jh. endgültig beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger, A.,
Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte der
Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der
mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des
römischen Rechts in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75 (1989)
23; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien und die
Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht, Missat
und Feme im Werk des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA 118
(2001), 185
Seneschall (lat.-afrk. senescalcus) ist im fränkischen Reich der für
die Verpflegung zuständige Truchsess (Altknecht). In Frankreich besteht das Amt
am Königshof bis 1191.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die Reichshofämter,
MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
senex (lat. [M.]) Alter, senes (M.Pl.) Senat
senior (lat. [M.]) Älterer, Herr
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G., Die
Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173
sententia (lat. [F.]) Satz, Urteil
Lit.: Kaser § 84 II
Sententiae (F.) Pauli (lat.) (Urteile des Paulus) sind ein Auszug aus echten
Schriften des -> Paulus vom Ende des 3. Jh.s.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung zwischen Nachlass des
Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen römischen Recht zwecks
Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden kann. ->
Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG
37
Sequester (lat. [M.]) ist im römischen Recht der Verwahrer einer im
Rechtsstreit befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die
siegreiche Partei Herausgabe verlangen.
Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3
Serbien ist das von Morava und Vardar entwässerte
südwesteuropäische Gebiet, in das seit dem 5./6. oder 7. Jh. -> Slawen
einwandern. Um 1180 wird es von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter
päpstlicher Krönung Stefans des Erstgekrönten Königreich, in dem Stephan Dušan
1349 ein wichtiges Gesetz schafft. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389)
wird es von den Osmanen (Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen
Reiches. 1838 wird S. autonom, 1878 unabhängig. 1918 wird es Teil ->
Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten ablösen. Sein Recht ist
demnach nacheinander römisch, slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich
geprägt.
Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck
1970; Dolenc, M., Dušanov zakonik (Das Gesetzbuch Dušans), 1925; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M.,
Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001;
Tomić, Y., La Serbie du prince, 2003
Sergeevic, Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird nach dem Rechtsstudium
1871 Professor in Moskau und 1872 in St. Petersburg. Mit Aufgaben und Methoden
der Staatswissenschaften begründet er 1871 ausgehend von der historischen
Schule und vom deutschen Positivismus das russische Staatsrecht. Von 1883 an
legt er rechtsvergleichend geprägte Forschungen zur Geschichte des russischen
Rechts und russische Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule Russlands,
1961
servitium (lat. [N.]) Dienst, Leistung
Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro
communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C.,
Servitium regis, 1997
Servitus (lat. [F.]) ist schon im altrömischen Recht die -> Dienstbarkeit
(lat. [N.] iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.]
aquaeductus [Wasserleitung]). Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das
Gebäude. Ein Personalservitut ist der -> Nießbrauch. Als s. iuris Germanici
(deutschrechtliche Dienstbarkeit) versteht die frühe Neuzeit die ein Tun
beinhaltende Dienstbarkeit.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG 26,
41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998
Servitut -> servitus, -> Dienstbarkeit
Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956
Servius Sulpicius Rufus (um 106-43 v. Chr.) ist der römische, 51 v.
Chr. das Konsulat bekleidender Jurist. Ihm werden 180 (lat. [M.Pl.])
libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum
prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene
klassisch-institutionelle Richtung der römischen Jurisprudenz.
Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son école,
1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A.
1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602
Servus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der -> Sklave. Er ist aus dem
(römischen) Recht ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt,
Kriegsgefangenschaft und Veräußerung ins Ausland. Der s. untersteht der
Hausgewalt seines Herrn und wird wie eine Sache behandelt. Sein Herr kann ihm
aber ein Sondergut (lat. [N.] -> peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht
rechtlich, wohl aber tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch
Freilassung. In den lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der ->
Unfreie.
Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21, 35;
Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst, A.,
1985
sessio (lat. [F.]) Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung
Setzung -> Rechtssetzung, Gesetz
Seuche ist die eine größere Zahl von Menschen erfassende
übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im Frühmittelalter
einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen umfassende
Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.
Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des
Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky,
E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des
deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln
der Menschheit, 1997
Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches Hispalis 45 v. Chr. von
Caesar zur (lat. [F.]) colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen,
Sweben und Westgoten kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von
Kastilien und Leon erobert. 1502 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de
Sevilla, 1988
Sexualdelikt -> Sittlichkeitsverbrechen
Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände
der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und
sexuelle Gewalt, 2004
Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit
Lit.:
Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984; Brundage, J., Law, Sex and Christian
Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit und ländliche Gesellschaft, 1991;
Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach,
H., Sexualität im Mittelalter, 1997; Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte
der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und
administrative Kontrolle der Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999;
Schnell, R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002
Seyler Raphael
Lit.: Roth, W., Raphael Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218
Sheffield wird im -> Domesday Book (1086) erstmals erwähnt. 1297
erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität eingerichtet.
Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869
sheriff (M.) (um 1000) königlicher Verwalter, Graf
Lit.: Morris,
W., The Medieval English sheriff, 1927; Gorski, R., The Fourteenth-Century
Sheriff, 2003
Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim 1499-Tübingen 1552),
Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in Ingolstadt Lehrer in
München und 1521 in Freiburg im Breisgau sowie 1524 ordentlicher Professor des
Rechts in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist unbekannten teilweise
auch juristischen Texten (z. B. 1528 -> Lex Romana Visigothorum, 1530 ->
Lex Alamannorum, -> Lex Baiuvariorum und -> Lex Francorum). Nach einer
fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535 Professor in Tübingen, wo er das
italienische gelehrte Recht in praktischer Anwendung weitergibt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus, 1952;
Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das
Studium der Rechte, 1974
Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die S. ist in der frühen Neuzeit
Aufgabe der -> Polizei. 1882 beschränkt das sog. -> Kreuzbergurteil des
preußischen Oberverwaltungsgerichts die Polizei auf den Schutz von Sicherheit
und Ordnung. Im Nationalsozialismus wird die S. teilweise missbraucht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit als Grundlage
der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W., Deutschlands Ruhe,
Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung und soziale
Sicherheit, 1988
Sicherheitsleistung (lat. [F.] cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines
bestimmten Verhaltens zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang
mit privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest,
Schuldhaft). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie die frühe
Neuzeit.
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische
Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung,
Diss. jur. Kiel 1999
Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des Erwerbers vorgenommene
Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache an diesen. Sie ist bereits
dem altrömischen Recht als (lat. [F.])
fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes
zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung der
Befriedigung der Kreditbedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht
ausgeschlossen. Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem
Faustpfand weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so
dass dieser die Sache trotz S. nutzen kann.
Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W.,
Die Entwiclung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra
legem?, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler, M., Die Anerkennung der
Sicherungsübereignung im 19. Jahrhundert und ihr Einfluss auf aktuelle
Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002
Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer, Ostgoten und Petschenegen
an die -> Ungarn. Im 12. Jh. ruft der ungarische König deutsche Siedler
(-> Sachsen) ins Land, die mit umfassenden Freiheiten ausgestattet werden. Seit
1481 gilt die 1453 in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas
Altenberger in Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels,
Magdeburger und Iglauer Rechts als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen
Gemeinschaft aus S. Seit 1526 ist der Fürst von S. zwischen Habsburg und den
Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis 1867 gültiges Landrecht. 1691
kommt S. an -> Habsburg. 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1. 1919
schließt es sich -> Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend
beseitigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Müller, G., Die
ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Müller,
G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahre 1848, 1914,
Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in Siebenbürgen, 1922; Müller,
G., Die sächsische Nationsuniversität in Siebenbürgen, 1928;
Müller, G., Die
Gräven des Siebenbürgener Sachsenlandes, Archiv des Vereins für siebenbürgische
Landeskunde 6 (1931); Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre 1224 eine
Fälschung? 1935; Müller, G., Stühle und Distrikte als Unterteilungen der
siebenbürgisch-deutschen Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das
Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973; Quellen
zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner, E.,
1976; Philippi, M., Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das
frühmittelalterliche Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v.
Constantinescu, R., 1988; Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch,
K., Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M.,
Habsburg und Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte
Siebenbürgens, 2. A. 2003; Mitu, S., Die ethnische Identität der Siebenbürger
Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth, H.,
Hermannstadt, 2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006
Siebenhardenbeliebung ist eine von 1426 stammende nordfriesische Rechtsquelle,
die 1572 durch das von Herzog Johann erlassene Nordstrander Landrecht die
formelle Geltung verloren hat.
Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926; Carstens,
W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung,
Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368; Hartz,
O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von 1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens,
W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA 62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 141
Siedlung
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952;
Fischer, H., Die Siedlungsverlegung, 1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs- und
Agrargeschichte Mitteldeutschlands, 1956
Siegel ist ein eine Person verkörperndes, durch Abdruck in einem
weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung eines Schriftstückes. Das
S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits im 8. Jh. v. Chr. wird es
als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird in der ->
Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden, die
Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im zweiten
Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde anderer
Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird auch bei Privaturkunden das S. (siegelfähiger
Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum nachweisbare
Siegelring.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse, O., Die
Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die
Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach 1323-1373,
bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel, ZRG GA
63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz, T.,
Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P., Frühe
Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der bayerischen
Bischofssigel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999; Stieldorf,
A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum facultatis juridicae, 2005;
Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005
Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4. 1830-Wien 4. 6. 1899),
Generalstabsarztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Bonn und
Gießen sowie der Promotion (1852) und Habilitation (1853) in Gießen 1858
Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer Weistümer und
erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund. Monographien
behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG GA
20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978
Siegerland
Lit.: Petri, F. u. a., Das Siegerland, 1955
Sielrecht (Schleusenrecht)
Lit.: Michaelis, F., De iure cataractarum, 1696; Logemann, C., Die
geschichtliche Entwicklung des bsonderen Sielrechts in Oldenburg, 1959
Siete Partidas (Sieben Teile) ist der 1256-1265 in Spanien entstandene
Rechtstext. Die S. P. werden unter König Alfons X. von Kastilien-Leon
erarbeitet und nach mehrfachen Veränderungen (1265, 1290-1295, um 1300) 1348
unter König Alfons XI. als (span.) Libro (M.) del fuero de las leyes mit
subsidiärer Geltung in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile
(Rechtsquellen und Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und
Kriegsrecht, Gerichtsverfassung bzw. Verfahrensrecht und Königsrecht,
Familienrecht und Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und
Strafverfahrensrecht). Quellen sind das (lat.) -> ius (N.) commune, die
Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus, das Decretum Gratians,
der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und des Raymundus de
Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der kastilische Fuero
juzgo, die -> Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal de las leyes,
Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte orientalischer
Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.
Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen Akademie
der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The
Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986; Scheppach, M., Las Siete Partidas,
1991
Signet -> Notarsignet
Signoria (F.) autokratische Herrschaftsform in Italien im
Spätmittelalter
Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari,
1983
Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)
Silleiner Rechtsbuch ist das auf magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsenspiegel,
sächsisches Weichbildrecht u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia
(Lukove/Kreis Altsohl) in einem deutschsprachigen Teil geschaffene, 1473 im
landrechtlichen Teil in das sich durchsetzende (Alttschechische bzw.)
Altslovakische übersetzte, bedeutendste Rechtsbuch der Slowakei (für die einst
zu Ungarn gehörige Stadt Sillein).
Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem Jahre
1378, 1933 (z. T. tschechisch); Piirainen, I., Das Stadtrechtsbuch von Sillein,
1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das Silleiner Rechtsbuch, 2003
Silvesterpatent ist die Urkunde vom 31. 12. 1851, mit welcher der Kaiser
von -> Österreich die von ihm am 4. 3. 1849 gewährte -> Verfassung als
unangemessen und unausführbar aufhebt und damit Österreich zum ->
Neoabsolutismus führt.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher
Simonie ist nach Apostelgeschichte 8,18 der von Simon Magus
abgeleitete Handel mit geistlichen Sachen. Die S. breitet sich in der Kirche
seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie von der
kirchlichen Reformbewegung entschieden bekämpft. -> Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX. und
die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter, ZKG 64
(1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Lynch, H., Simoniacal
Entry, 1976
Simson, Eduard (Königsberg/Preußen 10. 10. 1810-1899),
Kaufmannssohn, 1823 evangelisch, wird nach dem Rechtsstudium in Königsberg
1828 mit (lat.) venia (F.) legendi (Lehrbefugnis) promoviert, 1833 zum
außerordentlichen Professor und 1836 zum ordentlichen Professor ernannt. Seit
1834 wirkt er auch als Richter (zunächst am Tribunalsgericht in Königsberg),
seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker (Präsident der Nationalversammlung,
Präsident des Erfurter Unionsreichstags, Präsident des Zollparlaments,
Präsident des Reichstages). 1879 wird er als bisheriger Präsident des
Appellationsgerichts in Frankfurt an der Oder (bis 1891) Präsident des ->
Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft beeinträchtigt sein berufliches und
politisches Wirken nicht erkennbar. Seine Einordnung in eine wissenschaftliche
Strömung ist mangels Publikationstätigkeit schwierig.
Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900; Meinhardt,
G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987,
419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993,
101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001
Simultaneum (N.) Gleichzeitigkeit (der katholischen und protestantischen
Konfession)
Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995
Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge
Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singularsuccession,
1856
Sinti ist eine Bezeichnung für die früher als -> Zigeuner
benannten Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und Roma in
der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003
Sinzheimer, Hugo Daniel (Worms 12. 4. 1875-Overveen/Holland 16. 9.
1945), Kleiderfabrikantensohn, wird nach dem Rechtsstudium in München, Freiburg
im Breisgau, Berlin und Marburg 1903 Rechtsanwalt. 1916 tritt er der
sozialdemokratischen Partei bei. 1920 wird er Honorarprofessor in Frankfurt am
Main. 1921 verfasst er Grundzüge des Arbeitsrechts. 1937 wird er ausgebürgert.
Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker
der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953; Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung,
1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993,
615; Kubo, K., Hugo Sinzheimer, 1995; Brühwiler, J. Philipp Lotmar und Hugo
Sinzheimer, (in) Forschungsband Philipp Lotmar, hg. v. Caroni, P., 2003, 117; Blanke,
S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie?, 2005
Sippe ist im älteren deutschen Recht der um einen Stammvater
gruppierte Familienverband. Die rechtliche Stellung der S. im Frühmittelalter
ist streitig. Es ist fraglich, ob der S. jemals besondere öffentlich-rechtliche
Aufgaben zukommen.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71, 72; Brunner,
H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882), 1; Surtees
Phillpotts, Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koeerdt und Linnhoff,
1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67 (1950),
34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme, ZRG GA 70
(1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960),
1 (Antrittsvorlesung); Wiebrock, L., Die Sippe bei den Germanen, Diss. jur.
Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures, 1983; Weidemann, M.,
Geschichte der Sippenhaftung, 2002
Sippenhaft ist die Anwendung von Maßnahmen gegenüber Angehörigen oder
sonstigen Nahepersonen eines Bekämpften oder Verfolgten. Die im
Nationalsozialismus geforderte und verwendete S. ist im Rechtsstaat
unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der
Sippenhaftung, 2002; Maihold, H., Die Sippenhaft, Mediaevistik 18 (2005)
Sitte ist der in der Gesellschaft geübte Brauch. Zwischen S. und
Recht bestehen stets Wechselwirkungen. Insbesondere kann S. zu Recht werden.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2; Hübner;
Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen
wirtschaftlichen Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., „Schläge“ als Strafe, 1970;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863
Sitten (Diözese)
Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens gegen die guten Sitten
(lat. boni mores [M.Pl.]). Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der
Vorfahren verstoßende Geschäfte von den Juristen und den Kaisern unterdrückt.
Dies wird verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b; Hübner;
Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973; Wanner,
J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die Sittenwidrigkeit
von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur Sittenwidrigkeit von
Testamenten, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 451;
Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen
Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001
Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist die Straftat gegen die sexuelle
Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte
Sittlichkeitsverbrechen mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter
wendet sich vor allem die Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch,
Inzest, Vergewaltigung, Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der
S. durch liberale Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität,
anders Kinderpornographie).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6.
A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971;
Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T.,
Sittlichkeitsverbrechen, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999;
Kraus, K., Sittlichkeit und Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die
Behandlung der Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004
Sizilien ist die Insel am Fuß Italiens. S. wird zuerst von Griechen
beeinflusst, dann aber 228/227 von den Römern erobert. In der
Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen und Byzanz um die Vorherrschaft. Seit 827
dringen Araber ein, seit 1061 Normannen. 1130 wird S. Teil eines besonderen von
Gegenpapst Anaklet II. gechützten, 1139 -> Neapel einnehmenden
unteritalienischen Königreichs der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat
Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186 an das -> deutsche Reich
(Friedrich II.), 1266/1268 aber durch den Papst an -> Anjou und nach der
sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von Neapel über eine staufische
Erbtochter an Aragon (Spanien). 1713/1714 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735
Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das
neue Königreich -> Italien.
Lit.: Köbler,
Historisches Lexikon; Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio,
R., Introduzione allo studio del diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck
1971; Giuffrida, V., La genesi delle consuetudine giuridiche delle città di
Sicilia, 1901; Niese, H., Die Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum
Siciliae, 1910; Hofmann, M., Die Stellung des Königs von Sizilien nach den
Assisen von Ariano (1140), 1915; Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in
Sizilien, 1925; Sthamer, E., Original und Register in der sizilischen
Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer, E., Studien über die sizilischen
Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der sizilische Großhof unter Kaiser
Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul principio di legalità
nell’amministrazione del regno di Sicilia, 1964; Caravale, M., Il regno
normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A history of Sicily,
1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969; Malinowska-Kwiatkowska, I.,
Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii 1140-1231 (Das Privatrecht in
der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien 1140-1231), 1973; Die
Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein Königreich Sizilien,
hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K.,
Sizilien, 7. A. 1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218; Tancredi et Willelmi III. regum diplomata,
hg. v. Zielinski, H., 1982; Constantiae imperatricis et reginae Siciliae
diplomata (1195-1198), hg. v. Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73
Deperdita); Rogerii II. regis (1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C.,
1987 (100 Urkunden, 91 Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988;
Takayama, H., The Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken,
G., Das sizilische Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken,
G., Ius imperii ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995;
Backman, R., The Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im
Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998;
Mirto, C., Il regno dell’isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000; Kunz,
H., Sicilia, 2006
Skandinavien ist die zusammenfassende Bezeichnung für die -> Norwegen
und -> Schweden bildende Halbinsel, zu der im weiteren Sinn auch ->
Dänemark und -> Finnland gezählt werden.
Lit.: Tunberg, S., Studier rörande Skandinaviens äldsta
politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung,
1941; Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical archive,
1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J.,
Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v., Europa
und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im
Mittelalter, 2001
Skanske Lov -> nordisches Recht, Schonen
Sklave ist der einem Menschen (oder auch einem Personenverband z.
B. Stadt) vollständig gehörende andere Mensch. S. wird man hauptsächlich durch
Unterwerfung und Geburt. Der römische S. ist -> servus. Es ist streitig, ob
der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit als S. bezeichnet werden darf,
doch könnten aus dem frühmittelalterlichen Europa als wichtigstes Ausfuhrgut
Menschen in den islamischen Herrschaftsbereich verbracht worden sein(,
jedenfalls soll es zwischen 1530 und 1780 mehr als eine Million europäischer
Sklaven in Nordafrika gegeben haben). Sehr ähnliche Verhältnisse wie im
Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien (z. B. Amerika, wohin
schätzungsweise 40000 Sklavenschiffstransporte mit möglicherweise 12 Millionen
Sklaven aus Afrika erfolgen) auf. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen
die Sklaverei. Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie
Preußen betreten, frei.
Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9, 10,
12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51, 57,
78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur
Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler,
A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der
Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de
Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600),
1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to
Feudalism, 1991; Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993; Grieser,
H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Haenger,
P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste, 1997; Klees, H.,
Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der römischen Rechtsquellen
zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1 1999; Klein, H., The Atlantic
Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson, D. u. a., The
Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des
transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler,
J., Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei
in der Antike, 2001; Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u.
a., neu bearb. v. Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of
the Early Middle Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im
Alterum, 2003; Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die
Geschichte der Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004;
Hochschild, A., Bury the chains, 2005; Hall, G., Slavery and African
Ethnicities in the Americas, 2005; Esclavage antique et discriminations
socio-culturelles, hg. v. Anastasiadis, C. u. a., 2005; Knoch, S.,
Sklavenfürsorge im römischen Reich, 2006
Skonto
Lit.: Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928
Skythe ist der Angehörige eines iranischen, im Altertum nach
Westen vordringenden Steppenvolkes.
Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980; Parzinger, H.,
Die Skythen, 2004
Slawe (1. H. 6. Jh.) ist der Angehörige eines slawischen Volkes
(z. B. Russe, Pole, Tscheche, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur indogermanischen
Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln
von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden
überwiegend von -> Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert. Sie bilden
verschiedene Reiche (-> Polen, -> Russland usw.). Ein Panslawismus wird
im 19. Jh. sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von ->
Österreich (-> Tschechoslowakei, -> Jugoslawien). Ein gemeinslawisches
Recht ist nicht bekannt. Erst im 20. Jh. entwickelt sich unter dem Druck der
Sowjetunion eine gewisse Einheitlichkeit sozialistischen Rechts.
Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell,
DRG 1; Helmolds Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl,
H., Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12.
Jahrhunderts, 1964; Zernack, K., Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den
Ost- und Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969; Ludat,
H., An Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die Nordwestslawen und
das fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter,
1982; Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J.,
1986; Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums,
1992; Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven,
1996; Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998;
Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B.,
Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002
Slawonien ist ein Teilgebiet -> Kroatiens.
Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995
Slowakei ist der mitteleuropäische, zwischen Tschechei, Polen,
Ukraine, Ungarn und Österreich gelegene Staat. Seit dem 10. Jh. gehört das
Gebiet der S. zu Ungarn, das die Bewohner seit 1867 ungarisiert. Am 28. 10.
1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei, von der sie sich 1993 trennt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische Bildung
in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska, 1986;
Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte 2001;
Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003
Slowenien ist der mitteleuropäische, von Österreich, Ungarn, Kroatien
und Italien begrenzte Staat. Das Gebiet Sloweniens löst sich 1918 aus der
Herrschaft -> Österreichs und geht danach in Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991
spaltet es sich von dort ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme aus
der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als
Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens,
1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und seine Deutschen,
2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien 1941-1946, 2003;
Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien (1941-1946), 2004
Smend, Rudolf (Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975),
Theologieprofessorensohn, wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und
Geschichte in Göttingen 1909 Professor in Greifswald, Tübingen (1911), Bonn
(1915), Berlin (1922) und Göttingen (1935). 1911 veröffentlicht er eine bedeutsame
Untersuchung über das -> Reichskammergericht. Sein Hauptwerk über
Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die Idee der
Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge.
Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen, A.,
Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die
„geisteswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer
Republik, 1987
Smith, Adam (Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von
Griechisch, Logik, Metaphysik, Theologie, Mathematik und Philosophie in Glasgow
und Oxford 1751 Professor für Logik und 1752 für Moralphilosophie in Glasgow.
Nach einer Bildungsreise durch Frankreich (1764-1766) veröffentlicht er 1776
(engl.) Inquiry into the Nature and the Causes of Wealth of Nations
(Untersuchung über die Art und die Gründe des Reichtums der Völker), in der er
die Freiheit des Einzelnen als den Grund des Wohlstandes aller ermittelt. Damit
begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den -> Liberalismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Brühlmaier, D., Die Rechts- und
Staatslehre von Adam Smith, 1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The
Life of Adam Smith, 1995; Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie,
1997; Ross, I., Adam Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und
Ursachen des Reichtums, hg. v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam
Smith, 2001
Societas (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Gesellschaft. Die
privatrechtliche s. ist im klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft
nachgebildeter Konsensualkontrakt der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit
wird s. auch für die menschliche Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische
Recht der s. wird aufgenommen, im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber
durch den Gedanken der -> Gesamthand abgeändert.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner
§ 9; Köbler, DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K.,
Die societas leonina, 2003; Meissel, F., Societas, 2004
Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der europäischen Entwicklung der
Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse berücksichtigende, im 20. Jh. in
den Vereinigten Staaten entwickelte Form der Rechtswissenschaft.
Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal
realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967
socius (lat. [M.]) Genosse, Gesellschafter
Södermannalagh ist das Recht der schwedischen Landschaft im Südosten ->
Schwedens am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?).
Lit.: Hafström, G., Den svenska
rättskällornas historia, 1978
Sodomie
Lit.: Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Hehenberger, S.,
Unkeusch wider die Natur, 2005
Soest in Westfalen entwickelt sich im frühen 12. Jh. zur Stadt,
die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet und verbreitet.
Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der
Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der
Soester Gerichtsverfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die
neue Soester Schrae, ZRG GA 70 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester
Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde,
1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965; Knickenberg,
H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus, W., 1969f.; Toeversichtsbriefe
für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die Miniaturen des Soester
Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel, W., Rechtsgeschichtliches
aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester Stadtrecht, 1998; Die
Stadt Soest, 2000
Sofia an der Witoscha erscheint im 8./7. Jh. als Siedlung der
Thraker. Als Sordica wird es unter den Römern Provinzhauptstadt. 1382 wird es
von den Osmanen (Türken) erobert. Im 1877/1878 von der Türkei gelösten
Bulgarien erhält es 1888 eine Universität.
Lit.: Serdika-Sredez-Sofia, 1976
Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10. 1841-Leipzig 16. 5. 1917), Rechtsanwaltssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und Heidelberg 1870 außerordentlicher
Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau,
Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884 veröffentlicht er Institutionen des
römischen Rechts, 1888 einen Grundriss der Kirchengeschichte und 1892 ein
Kirchenrecht, wobei er die Ansicht vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem
Wesen von Recht in Widerspruch stehe.
Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und
Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017; Festgabe
für Rudolph Sohm, 1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX; Stutz,
U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die
Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph
Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik, Diss.
jur. Münster 1969
Soldat ist der besoldete Krieger bzw. der, welcher auf Grund einer
Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für den Soldaten kann
besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein eigenes
Soldatentestament.
Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und
Reisläufer – Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche
Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004
Söldner ist der gegen Sold (zu lat. [M.] solidus) kämpfende
Krieger. Er tritt außer im Altertum insbesondere im spätmittelalterlichen
Italien sowie im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor.
Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum
Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann,
R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992;
Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004; Trundle, M.,
Greek Mercenaries, 2004
solicitor (M.) außergerichtlich tätiger Anwalt in England
solidus ist eine römische, im Frühmittelalter als Rechnungseinheit
fortgeführte Münze.
Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW;
Grierson, P., Coins of Medieval Europe, 1991
Sollizitieren (das Gericht [Reichskammergericht, Reichshofrat] um
Tätigwerden bitten, erinnern)
Lit.: Fuchs, B.Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002
Solms ist seit dem Hochmittelalter (1129) die von Hohensolms
ausgehende Grafschaft im Bereich der mittleren Lahn in Hessen, die 1806 in
Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter Stadtsyndikus Johann ->
Fichard auf der Grundlage eines Entwurfes des Sekretärs Gerhard Terhell und
unter Verwendung zahlreicher Quellen (Mainz 1534, Württemberg 1555, Trier
1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520, Worms 1499) das sog. Solmser
Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist eine stark romanisierende
Reformation in schlichter Sprache und mit klarem Aufbau.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571;
Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857),
292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30
(1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser
Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes
Hessen, 2. A. 1980
Solon (Athen um 640-560) ist ein bedeutender griechischer
Gesetzgeber und Staatsmann.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Biscardi, Diritto greco
antico, 1982; Ruschenbusch, Solons nomoi, 1983; Triantaphyllopoulos, Das
Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die solonische Gesetzgebung, in:
Philosophie des Rechts, 1992, 103; Tsigarida, I., Solon – Begründer der
Demokratie?, 2006
Solothurn (Salodurum) ist die Siedlung an der mittleren Aare, die
über Kelten, Römer und Burgund 1218 Reichsstadt wird. 1353 wird S. zugewandter
Ort der Eidgenossenschaft der -> Schweiz, 1481 Mitglied.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K.,
Solothurnische Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B.,
Die solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929; Walliser,
P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische
Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantns Bern, hg. v.
Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A.,
Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser,
P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung
im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813), 1991
solsadire (lat.-afrk.) die Sonne untergehen lassen, Frist bis
Sonnenuntergang setzen
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867
Solutio (lat. [F.]) ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr
geht im altrömischen Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der s. per aes et
libram (Lösung durch Erz und Waage) voraus.
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b,
52 II, 53 I; Köbler, DRG 27, 43, 62
Somatén (M.) Landwehr
Lit.: March, J., El Somatén, 1923
Somme rural ist das wohl kurz vor 1396 von Jehan -> Boutillier
(Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasste -> Rechtsbuch, dessen Aufbau
sich grundsätzlich an den Verfahrensgang anlehnt. Es legt hauptsächlich die
coutumes (Gewohnheiten) von Tournai, Tournaisis und Vermandois zugrunde,
bezieht aber auch die coutumes von Normandie, Picardie, Artois, Flandern,
Cambrésis, Champagne und Paris mit ein. Vor allem im Sachenrecht und im
Schuldrecht wird römisches Recht verwertet. Hinzu kommt auch kirchliches Recht.
Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem Umfang die eigene Erfahrung des
Verfassers ein.
Lit.: Dievoet, G. van, Jehan
Boutillier en de Somme rural, 1951
Sondererbfolge ist die -> Erbfolge eines von mehreren Erben in einen
einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im Mittelalter, in
Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in Gesellschaftsanteile im 20. Jh.
Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen, dem Gleichheitssatz folgenden
Gesamtrechtsnachfolge.
Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269
Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige besondere Gericht (z. B.
im Dritten Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler, B.,
Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten
Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und „politischer
Katholizismus“ im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des
Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und
Todesstrafe, 1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser,
F., Das Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische
Sondergerichtsbarkeit in Sachsen, 2003
Sonnenfels (Perlin), Joseph v. (1732/1733 Mikulov bzw. Nikolausburg-25.
4. 1817), am 18. 9. 1735 getaufter Jude, wird nach dem Studium der Philosophie
und des Rechts in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt bzw.
Kanzleiangestellter, 1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für politische
Wissenschaft in Wien. 1765 veröffentlicht er Grundsätze der Polizey, Handlung
und Finanz. Er wendet sich aufgeklärt gegen die Folter (1771) und die
Todesstrafe.
Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von Sonnenfels,
1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von Sonnenfels, hg. v.
Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der Polizey, hg. v. Ogris,
W., 2003
Sonnenfrist setzen -> solsadire
Sonntag ist der auf Grund jüdischer Überlieferungen vom Christentum
geheiligte siebente Wochentag, der durch staatliches Recht grundsätzlich
arbeitsfrei ist.
Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998; Schiepek,
H., Der Sonntag, 2003; Grube, A., Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die
Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 2003
Souveränität ist die im Absolutismus der frühen Neuzeit entwickelte
höchste und unbeschränkte Staatsgewalt (-> Bodin 1566). Heute bedeutet S.
eines Staates dessen Freiheit und Unabhängigkeit nach außen und innen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149; Kelsen, H.,
Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel und
Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität, 1951,
m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954; Streifthau,
K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung und Begriff
der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966; Volkssouveränität
und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch, H., Staat und
Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur Staatssoveränität, 1970; Quint,
W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2. A. 1986; Quaritsch, H.,
Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the Law, 1993; Stolleis, M.,
Die Idee des souveränen Staates, in: Entstehung und Wandel
verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität und
Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht und
Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt,
2004
sowjet (russ.) Rat
Sowjetische Besatzungszone ist die Besatzungszone der Sowjetunion im Deutschen Reich
seit 1945 (mit rund 4 Millionen Flüchtlichen und Vertriebenen). -> Deutsche
Demokratische Republik
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung des
Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die Gründung
der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J.
v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild, I., Von der
Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland, 1997;
Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische Speziallager in
Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998; Sowjetisierung und
Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999; Foitzik, J.,
Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ, 2000;
Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949, 2000;
Mollnau, Marcus, Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk,
I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die
Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des
Scweigens, 2002
Sowjetunion ist der in der Oktoberrevolution 1917 aus -> Russland
entstandene Staat. Er wird von der Kommunistischen Partei totalitär geführt.
Die Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer der Zwangskollektivierung),
das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums sozialistisch gestaltet
(Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9. 1918, Arbeitsrecht 22.
10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere Deklaration über die
Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches Handeln im Rahmen des
sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird das Zivilgesetzbuch Russlands
vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der beweglichen Sachen). Infolge der
Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen Gefallene) wird die S. Weltmacht.
Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum Zivilrecht und
Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970 zum Arbeitsrecht.
Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur Liberalisierung
(Glasnost, Perestroika). 1991 geht die S. in der losen Gemeinschaft
unabhängiger Staaten auf. Russland verselbständigt sich als Folge der
Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Rauch,
G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija gosudarstva i
prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil 1, verfasst v.
einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967; Peter, V.,
Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der Sowjetunion in den
deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung der sowjetischen
Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983; Geilke, G.,
Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A.
1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M.,
Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit, A., Imperial Overstretch, 1998;
Heinzig, H., Die Sowjetunion und das kommunistische China, 1998; Hildermeier,
M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Foitzik, J., Sowjetische
Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte Russlands und der Sowjetunion,
2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der Sowjetunion 1917-1991, 3. A. 2001;
Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000; Wolkogonow, D., Die sieben Führer,
2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche Archivwesen, 2003; Applebaum, A.,
Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Sowjetische
Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003; Terrorjustiz und Terrororgane
in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a., 2004; Oldenburg, M., Ideologie
und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und die deutsche Frage 1941-1948, hg.
v. Laufer, J. u.a., Bd. 1ff. 2004
Sozialbindung ist die Einschränkung eines Rechts (z. B. des Eigentums)
aus sozialen Gründen im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft und
Sozialbindung, 2004
Sozialdemokratische Partei
Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen
-> Sozialismus hervorgehende deutsche -> Partei. Ihr gehen der Allgemeine
Deutsche Arbeiterverein Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische
Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur
Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten
verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys
(1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den
Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland
regierungsfähig (1969 bis 1982).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L.,
Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger,
H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration oder
Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v.
Vormbaum, T., 1977; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und
sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach,
P., Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler
und für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier,
1995; Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die Entstehung
des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997; Welskopp, T.,
Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H., Sozialdemokratie – Frau –
Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der europäische Einigungsprozess,
2003
Soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung erwachsende
Gegenüberstellung von vielen besitzlosen Proletariern (Arbeitern, vierter
Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre Lösung sieht der
liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an, weshalb
Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossenschaft,
Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich
Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (-> Sozialversicherung) veranlasst.
Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage,
Sozialversicherung und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG
GA 98 (1981), 94; Ritter, G., Sozialpolitik im deutschen Kaiserreich, HZ 282
(2006), 97
Soziale Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die
sozialen Ausgleich der durch übermäßige Ausnutzung von Freiheit entstandenen
gesellschaftlichen Probleme versucht (z. B. Wohngeld für sozial schwache
Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am 24. 6. 1948 vom alliierten
Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über Leitsätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft, 1997;
Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999
Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884 Schiedsgericht für
Streitigkeiten aus der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht für
Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungsinterner Rechtsschutz durch
Versicherungsamt, Oberversicherungsamt und Reichsversicherungsamt) in der
Bundesrepublik Deutschland das für die Entscheidung über sozialrechtliche
Streitigkeiten zuständige Gericht (Sozialgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953).
Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J.,
Sozialgerichtsgesetz, 5. A. 1993
Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft bzw. der
gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der
Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig.
Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und
soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Dopsch, A., Die
ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der Sozialgeschichte,
1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 1966; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff.; Müller, M., Säkularisation und
Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte der deutschen Städte und ihres
Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und
Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Alföldy, G., Römische
Sozialgeschichte, 3. A. 1984; Boelcke, W., Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
1987; Wehler, H., Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff., z. T. 3.
A. 1996ff.; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen
Sozialpolitik 1867 bis 1914; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg.
v. Krause, J. u. a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der
Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur
neueren deutschen Sozialgeschichte, 1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg.
v. Miethke, J. u. a., 1994; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters,
1996; Ritter, G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682;
Hering, S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der
Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die
Institution der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische
Sozialgeschichte, hg. v. Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte
Erlanger Professoren, 2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und
asozial, hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005; Kaelble, H., Sozialgeschichte
Europas 1945 bis zur Gegenwart, 2007
Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik Deutschland das die ->
Reichsversicherungsordnung seit (1969 bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in
einzelnen Büchern in Kraft tretende Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II
Grundsicherung für Arbeitsuchende 2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV
Sozialversicherung Gemeinsame Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche
Krankenversicherung 1989, SGB VI Gesetzliche Rentenversicherung 1992, SGB VII Gesetzliche
Unfallversicherung 1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX
Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2001, SGB X
Verwaltungsverfahren 1980, SGB XI Soziale Pflegeversicherung 1995, XII
Sozialhilfe 2005).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre
Sozialgesetzbuch, 1995
Sozialgesetzgebung ist die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s
einsetzende Gesetzgebung in sozilaen Angelegenheiten.
Lit.: Borgmeyer, W., Das wilhelminische
Kaiserreich – ein Ausbeuterstaat?, 1994
Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland die durch Gesetz vom
30. 6. 1961 geregelte allgemeine Unterstützung sozial Schwacher. Durch das
Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze öffentlicher Fürsorge im
Wesentlichen übernommen. 2005 geht das Bundessozialhilfegesetz in den Büchern
II und XII des Sozialgesetzbuchs auf.
Lit.: Köbler, DRG 261; Föcking, F., Fürsorge im
Wirtschaftsboom, 2007
Sozialisierung
Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte in
ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920
Sozialismus ist die im 19. Jh. ausgebildete Gesellschaftslehre, die
sich statt am individuellen Wohl des Einzelnen am Gesamtwohl der Allgemeinheit
ausrichtet. Angestrebt wird der S. vor allem von sozialistischen oder
sozialdemokratischen Parteien. Der nach 1917 in der -> Sowjetunion bzw. nach
1945 in anderen sozialistischen Staaten verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche
Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse nur in bescheidenem Umfang.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des
deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955; Markovits,
I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das
sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D.,
Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Kühne,
D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V., Kritik der
marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989; Klassiker des
Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das Recht im frühen
Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus, hg. v. Bender, G.
u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der sozialen Ideen in
Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v. Kühl, U., 2001;
Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa, 2004; Zur
Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen, hg. v. Boyer, C., 2007
Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die sozialistischen Parteien
verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, das 1890 wegen Erfolglosigkeit nicht
weiter verlängert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177; Schümer, G.,
Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil. Göttingen 1930;
Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des Sozialistengesetzes,
1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des Sozialistengesetzes,
JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des Sozialistengesetzes, 1990; Frerich,
J., Handbuch der Geschichte der Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T. 2. A.
1996; Weißmann, K., Der nationale Sozialismus, 1998; Einhundertfünfundzwanzig
(125) Jahre Sozialistengesetz, hg. v. Beutin, H. u. a., 2004
Sozialistische Einheitspartei
Deutschlands -> SED
sozialistisches Recht -> Sozialismus
Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches
Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialisitische Rechtsanwendung, 1998
Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle Zusammenarbeit von
Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vor allem im 20. Jh. (auf Kosten der
Allgemeinheit).
Lit.:
Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg. v. Stourzh, G. u. a., 1986
Sozialrecht ist das Recht des Ausgleichs individueller Güterdifferenzen
durch Leistungen eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es entsteht nach
vereinzelten älteren Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen 1845
Gewerbeordnung mit der Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung
Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh.
Es ist im weiten Umfang Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche
Vertreter sind Heinrich Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo,
Walter Kaskel, Alfred Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und
Friedrich Kleeis und frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau,
Leipzig und Frankfurt am Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G.,
L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v.
Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht,
1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982;
Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte,
hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996,
102; Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die
Anfänge 1918-1933, 2002
Sozialstaat ist der auf Ausgleich sozialer Ungerechtigkeit
verpflichtete Staat. Er entsteht seit dem ersten Weltkrieg.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252;
Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968;
Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft,
FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in
Preußen, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249;
Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989; Koslowski, S., Die Geburt des Sozialstaats,
1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003
Sozialversicherung ist die im Grundsatz auf dem Prinzip von Leistung und
Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche Botschaft vom 17. 11. 1881 im
Deutschen Reich eingeleitete Einrichtung, die auf die gemeinsame Deckung eines
möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine
organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6.
7. 1884, vgl. dazu ein Arbeitgeberhaftungsgesetz in Großbritannien von 1880),
Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit (Gesetz über Arbeitslosenvermittlung
und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911 Reichsversicherungsordnung,
Angestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichsknappschaft) sowie Pflege (1995).
1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche
Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen. 1975 werden
Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen
Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und
die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Vereinigung
das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer übertragen. Träger der
S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft,
Krankenkasse). Die unsolide Finanzierung der S. bedroht bei ungünstiger
Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183, 260,
261; Vogel, Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, Die Geschichte der
Sozialversicherung, 2. A. 1973; Fröhlich, S., Die soziale Sicherung bei
Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen und die Entstehung der
deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß, W., Die
Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und
Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die
Sozialversicherung, 1980; Benöhr, H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung,
ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und
sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein
Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G.,
Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und
aktueller Situation der Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983; Hofmeister,
H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und Sozialrecht
22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen Versicherung, 1999; Ausschuss
für die Reform der Sozialversicherung/für Sozialversicherung (1934-1944).
Versorgungswerk und Gesundheitswerk des deutschen Volkes (1940-1942), hg. und
mit einer Einleitung versehen v. Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge
der gesetzlichen Rentenversicherung, 2001; Von der Barmherzigkeit zur
Sozialversicherung, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2002; Metzler, G., Der deutsche
Sozialstaat, 2003
Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997;
Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie,
1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt,
H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die
Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004
Spangericht
Lit.: Schmid, N., Die appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss.
jur. Zürich 1961
Spanien ist der im Südwesten Europas gelegene, zum 1. 1. 1986 den
Europäischen Gemeinschaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit wird es
von Afrika her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern
(Karthagern) und Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der
Völkerwanderung erobern die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die
Goten, deren Zahl sich auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft,
die (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum, für die Romanen die (lat.) -> Lex
(F.) Romana Visigothorum (um 506 n. Chr.). Im Streit um die Nachfolge im
Königtum wendet sich ein Streitteil an die nordafrikanischen Mauren (->
Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den Sieg erringen und seit 714 ein
Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat von Cordoba) bilden. Wenig später
beginnt von dem niemals von Mauren eroberten Nordwesten, in den sich Teile des
westgotischen Adels flüchten, von Asturien, Navarra und Katalonien aus die
christliche Rückeroberung (span. -> reconquista), die 1492 mit der Gewinnung
Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in sog. -> Fueros
aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König Johann II. in Medina
desl Campo promulgierten Orenamiento real beginnen königliche Versuche der
Rechtsvereinheitlichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames Rechtsbuch
sind die -> Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien und Aragon
(Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der Neuen Welt
(1492) erwirbt S. Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt
gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von
Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein
spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als -> Karl V. 1519
König (bzw. Kaiser) des Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation), doch wird
innerhalb Habsburgs schon 1521/1522/1526 wieder in zwei Linien geteilt. 1561
wird Madrid Hauptstadt. Wenig später (1588 Sieg Englands über die spanische
Flotte) tritt S. hinter England und Frankreich zurück. Beim Aussterben der
spanischen Linie des habsburgischen Hauses 1701 gelangt S. an die ->
Bourbonen. Von ihnen versucht Philipp V. den Aufbau eines einheitlichen Staates
nach dem Vorbild Frankreichs unter (teilweise gelungener) Aufhebung der
regionalen Rechte und Einteilung des Landes in Provinzen (Navarra und das
Baskenland behalten ihre Sonderrechte). Die Verfassung von Cadiz von 1812 und
die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken diese Entwicklung noch. Von 1873 bis
1875 wird S. erstmals Republik, von 1931 bis 1936/1939 zum zweitenmal. Das
spanische Recht wird im 19. Jh. nach französischem Vorbild in Gesetzbüchern
geregelt (Codigo de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/9,
primäre Geltung nur bezüglich allgemeiner Bestimmungen und Eherecht, im Übrigen
subsidiäre Gliederung gegenüber den partikularen Rechten bzw. Foralrechten
Aragóns, der Balearen, Vizcayas, Katalaniens, Galiziens, Navarras, Álavas und
der Estremadura [fuero de Baylío]).
Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen señorial, 1905; Hinojosa,
E. de, Das germanische Element im spanischen Recht, ZRG GA 31 (1910), 282; Hinojosa,
E. de, El elemento germánico en el derecho español, 1915; Mayer, E., Studien
zur spanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 40 (1919), 236; Ajuntament de
Barcelona, 1920ff.; March, J., El Somatén, 1923; Rauchhaupt, F., Geschichte der
spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El antiguo dercho de obligaciones,
1926; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y politicas de España y
Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El derecho Romano y el derecho nacional en
Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de derecho historico Español, 1931; Torres,
M., Lecciones de historia del derecho Español, 1933f.; Riaza, R./García Gallo,
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hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Sanchez-Albornoz, C., En torno a los origines del
feudalismo, 1942; Hierneis, O., Das besondere Erbrecht der sogenannten
Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht
im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Kleffens, E. von,
Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte Spaniens, hg. v. Hoenerbach, W.,
1970; Lalinde Abadía, J., Iniciación historica al derecho Español, 1970, 3. A.
1983; Sánchez-Albornoz, C., Investigaciones y documentos sobre las
instituciones hispanas, 1970; Lalinde Abadía, J., Los medios personales de
gestión del poder público, 1970; Payne, S., A history of Spain and Portugal,
1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,890, 2,2,228,847,1271, 3,1,397, 3,2,2403,
3,3,3740,3473,3917,3994,4118; Clavero, B., Mayorazgo, 1974; Pérez Martín,
A./Scholz, J., Legislación y jurisprudencia de la España del antiguo régimen,
1978; Alvarez de Morales, A., La Ilustración y la reforma de la universidad en
la España del siglo 18, 1979; Garcia Gallo, A., Manual de historia del derecho
español, 10. A. 1984; Henningsen, G., The Witches’ Advocate, 1980; Gacto
Fernández, E. u. a., El derecho histórico de los pueblos de España, 3. A. 1982;
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La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Reconquista und Landesherrschaft,
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spanische Recht, 2. A. 2001; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel,
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spanischen Zivilprozessrechts, ZEuP 1995, 242; Bernecker, W./Pietschmann, H.,
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die Madrider historische Rechtsschule (1910-1936), ZRG GA 123 (2006), 345;
Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Ross, F., Justiz im Verhör, 2006;
Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007; Bossong,
G., Das maurische Spanien, 2007
Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge, P./Spawforth,
A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos Sparta, 1994;
Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E., Sparta, 1998; Meier,
M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v. Hodkinson, S. u. a., 1999;
Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003; Thommen,
L., Sparta, 2003, Luther, A., Könige und Ephoren, 2004; Welwei, K., Sparta,
2004
Sparkasse ist das Unternehmen, das Spardarlehen annimmt und verwaltet
sowie andere Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als Idee in Frankreich
1611. Nach ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse) wird sie am Ende des
18. Jh.s im Heiligen Römischen Reich eingerichtet (Hamburg 1778, Oldenburg
1786, Kiel 1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen (Preußen). Seit
dem Ende des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren hundert
Sparkassen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen in
Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter, F.,
Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J.,
Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen,
1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die
rheinischen Sparkassen, 2001
Spätantike ist das ausgehende Altertum vom 3. bis zum 6. Jh.
Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen im -> Mittelalter. ->
Kontinuität
Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des Untergangs
der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998;
Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches sur les
notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002
Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom 13. Jh. (Interregnum
1254-1273) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt 1492).
Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v. Buckl,
W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996; Dirlmeier, U. u. a.,
Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G., Das 13. Jahrhundert,
2007
SPD (-> Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B. schon Speculum quis
ignorat Augustinus‘ 354-430)
Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973
Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das zwischen 1276 und 1290
entstandene Rechtsbuch des französischen Geistlichen und Modeneser
Rechtslehrers Wilhelm -> Durantis (um 1237-1296), das unter Einbeziehung der
Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche Gerichtsbarkeit ausführlich
darstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis, W.,
Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975
Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme der Besorgung von
Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von Seeschiffen für
Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht im Spätmittelalter. Im
frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure erste allgemeine Spediteurbedingungen
(Berlin 1919).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P.,
Geschichte des Handelsrechts, 1913
Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25. 2.
1591-Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631
veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas
(Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der
Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht im -> Hexenprozess
und damit vor allem die -> Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat sein
Werk erst im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis, deutsche
Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die
Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958; Geilen,
H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963; Ritter, J.,
Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von Langenfeld, NJW 39
(1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee, FS der
Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg. v.
Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J.,
1939, 6. A. 2000
Speer
Lit.: Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947),
297
Spencer, Herbert (Derby 27. 4. 1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der
liberale Philosoph, der das Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung
zu immer besseren Formen sieht.
Lit.: Köbler, DRG 179
Speranskij, Michail Michailovic (Tscherkutino/Wladimir 1772-St. Petersburg
23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für -> Russland 1808/1809
ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur Änderung der
Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vorbild vor (1810 Reichsrat). Er
erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien (1812) die Schaffung
der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii
bis 1828/1830) und die Zusammenfassung aller geltenden russischen Gesetze (Svod
zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln). Damit schafft er eine wichtige
Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.
Lit.: Raeff, M.,
Michail Speranskij, 1957
Speyer am Rhein (kelt. Noviomagus), der Hauptort der germanischen
Nemeter, wird 614 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294 ist der von den ->
Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort -> Reichsstadt. Von 1526/1527
bis 1689 beherbergt S. das -> Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das
Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Seidel,
L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol.
Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet,
G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in
einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H.,
Sozialdisziplinierung in der Reichsstadt Speyer, 1997
Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34
Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten durch Abschreckung
gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein -> Strafzweck (von ->
Grolman 1775-1829, von -> Liszt 1882).
Lit.: Köbler, DRG 204, 269
Sphragistik (F.) Siegelkunde
Lit.: Köbler, DRG 3
Spiegel -> speculum, Sachsenspiegel, Deutschenspiegel,
Schwabenspiegel, Fürstenspiegel, Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel
Lit.:
Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13
Spiegelnde Strafe ist eine Strafe, die in ihrer Ausführung erkennbaren Bezug
auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen der Schwurhand oder
Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des Brandstifters). Ihre
Herkunft ist ungewiss, ihre Bedeutung gering. -> Talion
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
Spiel ist die allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische
Zielsetzung erfolgende Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich
die Beteiligten eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen,
um sich zu unterhalten und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus
berichtet vom mit höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen
Würfelspiel der Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem
und unerlaubtem S. Mit der Aufnahme des römischen Rechts seit dem
Spätmittelalter wird die Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet
seit dem Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils
lässt sie es zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht
zu (Spielbank, Spielcasino).
Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878;
Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische
Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel
und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und
Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
2007
Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß bewaffnete einfache ->
Bürger.
Spießrecht
Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht in der Theorie des 17. und 18.
Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52
Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z. B. Fahnenflüchtigen)
zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten bewaffneten Menschen
zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie in der frühen Neuzeit
bekannt. Es führt vielfach zum Tod des Läufers.
Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der Landsknechte,
MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, 1976
Spindel (F.) Spinngerät
Spindelmage (F.) weibliche Verwandte
Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder, R.,
Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1
Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam 24. 11. 1632-Den Haag
21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer Kaufmannssohn, wird nach der geistigen
Lösung vom Judentum (1656) Linsenschleifer und Philosoph. Er geht von der
Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den Menschen glückselig sein, der
allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen Natur lebt, und hält die
Demokratie für den besten Staatszustand. Am Ende des 18. Jh.s werden diese
Vorstellungen vielfach aufgegriffen.
Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933;
Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und
die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche
Rechtswissenschaft, 1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M.
u. a., 2001
Spionage
Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000
spiritualis (lat.) geistlich
Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital ist das Haus zur
Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es entsteht im ausgehenden
Altertum. Im Mittelalter geht das S. zunächst auf die Kirche zurück (Abtei,
Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen ritterliche und andere
Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger als Gründer hinzu.
Das S. wird als eigene Verbandsperson eingeordnet. Seit dem 18. Jh. wird das
allgemeine S. durch besondere Einrichtungen (z. B. Krankenhaus) abgelöst.
Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht, Bd.
1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947;
Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor
law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst,
A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu
Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der
Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und
Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003;
Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzke, C., Vom
Hospital zum Krankenhaus, 2005
Split (Aspalathos) an der Adria entsteht um einen von Kaiser
Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr. errichteten Palast. Im 6. Jh. wird es Sitz
eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die 1974 erneuert wird.
Über Venedig (1420-97) kommt es an Österreich, 1918 zu Jugoslawien.
Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984; Dusa,
J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991
Spolienrecht -> ius spolii
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J., Das
Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und Regalienrecht
der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128
Sponsalia (lat. [N.Pl.]) ist seit dem altrömischen Recht das -> Verlöbnis.
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22
sponsio (lat. [F.]) ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen
(Gelöbnis) oder die daraus entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s.
eine der drei Formen der -> Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne
(versprichst du?) wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.
Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58
III; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63
Sport
Lit.: Decker, W., Sport in der greichischen Antike, 1995
Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche lautliche Gestalt
menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche Wortschatzwissen der
Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach, aber stark vernetzt
und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung) nur lose verbunden ist.
Das -> Recht kann am ehesten über Sprache wirken. Die an sich vergängliche
Sprache kann durch -> Schrift und andere Aufzeichnungen verhältnismäßig
dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen 2000 rund 6500 verschiedene
Sprachen, von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben, so dass
alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt.
Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS; Günther, L.
Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache,
1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache, 1919; Zaunmüller,
W., Bibliographisches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958; Löfstedt, B.,
Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger, S.,
Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962), 259; Schmitt,
L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache, Bd. 1 1966; Baier,
D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch der
mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G.,
Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS
Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur
Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest-
und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v.
Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die Sprache, 4. A. 1992;
Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenscahft des 18. Jahrhunderts, hg.
v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum Sprachkontakt und zu den
Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gärtner, K. u. a., 1995; Köbler,
G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Lyons, J., Einführung in die moderne
Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W., Geschichte der deutschen Sprache, 9. A. 2004;
Lexicon grammaticorum, hg. v. Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen
der Welt, 1997; Görgen, A., Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115
(1998), 388; Recht und Sprache in der deutschen Aufklärung, hg. v. Kronauer, U.
u. a., 2001; Lohaus, M., Recht und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000;
Crystal, D., Language Death, 2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen,
2001; Haarmann, H., Lexikon der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A.,
Rechtssprache in der frühen Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache,
bearb. v. Langner, H. u. a., 9. A. 2004; Deisler, D., Die entnazifizierte
Sprache, 2. A. 2006
Sprichwort -> Rechtssprichwort
Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977; Thesaurus
proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6 (heilig-Kerker)
1998
Spruch (M.) Urteil
Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständiges Kollegium (z. B.
juristische Fakultät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen der ->
Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.).
Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen
Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger
Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die
Rostocker Juristenfakultät, in: Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck,
J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann,
1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der
Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965;
Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren
in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg
1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.
Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines Diebes im älteren
Recht. Im fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3 Nächten zulässig.
Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen Durchsuchung.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K., Spurfolge
und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39
(1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG
GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002
SS (Schutzstaffel) (1929 280 Mann stark, Heinrich Himmler
unterstellt)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J., Zwangsarbeit
und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Syndor, C., Soldaten
des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die SS, hg. v.
Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der SS-Mann – Josef
Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003; Bidigarai Diehl, P.,
Macht – Mythos – Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter der Shoa, 2005;
Schneider, C., Die SS und „das Recht“, 2005
Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung einer Anzahl
von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der Erdoberfläche
(Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches Leben
notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten
Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger
aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechtswidrigen
Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet
(Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er
ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. -> juristische Person des
öffentlichen Rechts. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der ->
Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit zum
-> Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren
Gedanken seit der -> französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang
der Staatsgewalt auf das Volk (-> Volkssouveränität) und zur Teilung der
Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (-> Gewaltenteilung) führen.
Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als juristische
Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches durch jeweilige
Amtsträger unaufhörlich. Die formelle -> Verfassung (1776) vermag sie nicht
in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit bietet die allgemeine
Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung. Dies ist um so wichtiger, je
mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fat 2000000 Beschäftigte =
5,6 Prozent aller Erwerstätigen, 8,4 % der abhängigen Erwerbstätigen, Anteil
der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volkseinkommen rund 10 Prozent).
Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen
Nationalversammlung von 1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des
Mittelalters, 1914; Fehr, H., Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916),
131; Fleiner, F., Entstehung und Wandlung moderner Staatstheorien in der
Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke, zusammengestellt v.
Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The equality of States,
1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters, 1925; Schramm, P.,
Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung, ZRG
GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933; Mayer, T., Die
Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, ZRG GA
57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter,
1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Stolz,
O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61 (1941), 234; Jantke,
C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der Geschichte des deutschen
Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen Staatsgedankens bei
Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die Geburtsstunde des
souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel paesi Europei, 1957; Häfelin,
U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum frühmittelalterlichen
Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveränder Staat,
1962; Kudrna, J., Stát a společnost na úsvitě
italské renesance (Staat und Gesellschaft am Vorabend der italienischen
Renaissance), 1964; Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797),
1964; Willi, H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964 (Diss.
jur. Bern 1954); Koerber, E. v., Die Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam,
1967; Hauser, S., Untersuchungen zum semantischen Feld der Staatsbegriffe,
Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A. Passerin d’, The Notion of the State,
1967; Mager, W., Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968;
Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986; Weinacht, P., Staat, 1968; Quaritsch,
H., Staat und Souveränität 1, 1970; Conrad, H., Der deutsche Staat, 2. A. 1974;
Hanisch, W., Der deutsche Staat König Wenzels, ZRG GA 92 (1975), 21; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Strayer, J., Die
mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, 1975; Staatsdenker im 17.
und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Struve, T., Die Entwicklung der organologischen
Staatsauffassung im Mittelalter, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht und Staat bei Maria Theresia, ZRG
GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker über den Staat, 1982; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Ambrosius, G., Die
öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984; Wyduckel, D., Ius
publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als Maschine, 1986; Grimm,
D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Renaissance du pouvoir
législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Breuer, Der
archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat, 1991; Conquest and
Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Schulze, H., Staat und Nation, 1994; Staatsaufgaben,
hg. v. Grimm, D., 1994; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 10. A. 2003;
Demandt, A., Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P., Historical Dictionary of
States - Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995; Zippelius, R., Staat und
Kirche, 1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der
Frühzeit, 2. A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme neuer Staaten in die
Völkerrechtsgemeinschaft, 1998; Leuthäusser, W., Die Entwicklung staatlich
organisierter Herrschaft, 1998; Staatliche Vereinigung, hg. v. Brauneder, W.,
1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung, 1998; Identità territoriali e cultura
politica nella età moderna. Territoriale Identität und politische Kultur in der
frühen Neuzeit, hg. v. Bellaberba, M. u. a., 2000; Reinhard, W., Verstaatlichung
der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons „Staat“, 1999; Demandt, A., Der
Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000; Uhlenbruck, H., Der Staat
als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der Verfassungsstaat in der
Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der Globus – Staaten und
Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden des
Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?,
2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F., State, Trust and
Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen, hg. v. Gallus, A.
u. a., 2004; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen Geschichte, 2004;
Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das Wissen des Staates, hg. v.
Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des Staates, 2004; Staatsbildung
als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a., 2005; Figurationen des Staates,
hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood before and beyond Ethnicity, hg. v.
Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte Staatlichkeit in der europäischen
Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H., 2006; Vom Feld, I., Staatsentlastung
im Technikrecht, 2007
Staatenbund ist der vertraglich vereinbarte Bund mehrerer Staaten (z.
B. Vereinigte Niederlande 1579-1795, -> Deutscher Bund 1815, -> Schweiz
1815-1848, -> Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw.
1993).
Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910, Neudruck
1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f. 1847;
Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund, 1975;
Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999
Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in der Verfassung des
geplanten -> Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht aus 192 von den
Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten Mitgliedern.
Lit.: Köbler, DRG 194
Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines Menschen in einem Staat. Sie
erscheint nach älteren frühneuzeitlichen Vorläufern in Frankreich 1791, im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) nach 1800. Seitdem wird sie im
Gefolge des Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich
besonders geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842,
Deutsches Reich 1870, 1913 Übergang vom Territorialgrundsatz zum
Abstammungsprinzip, am Beginn des 21. Jh.s aus Mangel an Beitragszahlern zur
Sozialversicherung für Zuwanderer gelockert).
Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der
Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la
nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Hecker,
H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die
Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, in: Offene
Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur.
Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001
Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in der Strafanklage. Der auch
die ausführende Staatsgewalt gegenüber der unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit
stärkende S. findet sich nach französischem Vorbild (procurator des Königs als
Vertreter der königlichen Interessen [z. B. Einziehung von Geldbußen] vor
Gericht 14. Jh., -> ordonnance de Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz
von 1670 beherrschende Stellung im Strafverfahren, öffentliche Partei zur
Vertretung öffentlicher Interessen und zur Kontrolle der Richter, ministère
public [Dienststelle für öffentliche Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der
königlichen Prokuratoren vom König ernannte, königliche Kommissare als
Gesetzeswächter im Verfahren einerseits und vom Volk gewählte öffentliche
Ankläger am Gerichtshof andererseits, Aufhebung dieser Zweiteilung durch die
Jakobiner, erneute Trennung beider Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit
der Verfassung vom Dezember 1799 endgültige Aufhebung der Trennung von
Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt und Verschwinden des öffentlichen
Anklägers und damit Eröffnung der modernen Staatsanwaltschaft, ministère de
public 1808) seit 1810 im linksrheinischen Rheinland. Es folgen Baden 1831,
Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt, Kriminalfiskal Vertreter des öffentlichen
Strafverfilgungsinteresses, 1849 provisorische Staatsanwaltschaft) und Preußen
(1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf bestimmte Verfahren, 1877/1879
das Deutsche Reich (1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am Reichsgericht, 54
Staatsanwälte bei den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den
Landgerichten). Das ursprünglich für den S. geltende -> Legalitätsprinzip
weicht seitdem zunehmend dem -> Opportunitätsprinzip.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228, 235;
Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die
Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die
Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971; Sättler, A., Die
Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956; Schuhmacher,
U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl, W., Zur
Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W., Entstehung
und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die Einführung der
Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft Berlin, hg. v.
d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der Gesetze“ oder
„Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung der
Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005;
Wulff-Kuckelsberg, S., Procureurs, 2005
Staatsaufsicht
Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000
Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit Teilhaberecht am Staat
(Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines Staats. Der S. wird zwischen
1770 und 1789 allgemein anerkannt. 1919 werden im Deutschen Reich die S.
einander gleichgestellt.
Lit.: Köbler, G., Civis und ius
civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8
(1969), 41; Bürger und Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Gosewinkel,
D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme und
Staatsbürgertum, 2001
Staatsgebiet -> Staat
Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930
Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Verfassungsgericht (->
Verfassungsgerichtsbarkeit) einzelner Staaten (Württemberg 1819, Sachsen 1831,
Bayern 1848, Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden 1868), 1921
für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe
steht vor allem die -> Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten Länder
zu einem -> Verfassungsgericht über.
Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen
Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und
Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche
Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980;
Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I., Der
Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996
Staatsgewalt -> Staat
Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Wenger,
L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Lieberwirth, R., Die
historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen Ursprung des Staates, SB.
d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht,
1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999; Weber-Fas, R., Über die
Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose Gewalt, 2. A: 2006
Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die Verfassung des Staates
grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20. 10. 1860, 21. 12. 1867).
Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze vom 21. 12. 1867 (->
Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die allgemeinen Rechte der
Staatsbürger, das Reichsgericht, die richterliche Gewalt und die Ausübung der
Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.
Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D.,
Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das schleswig-holsteinische
Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985
Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den durch staatliches
Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im 18. Jh. allgemein
anerkannten Haftung des -> Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten (Amtshaftung,
Vorgänger Syndikatsklage gegen einen Richter z. B. in der
Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des Staates als
juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der Mandatstheorie
kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges Verhalten des
Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte
Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909) und
das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten den
Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in Sachsen-Coburg-Gotha
bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG knüpfen an die
Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den Staat über. Der
Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für europarechtswidriges
Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung (z. B. des
Verwaltungsgerichtshofs Österreichs).
Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des Staates
aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung
und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der Unrechtsfähigkeit des
Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat; Pfab, S.,
Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F., Staatshaftung, 5. A. 1998;
Grzeszick, B.; Rechte und Ansprüche, 2002; Bertelmann, H., Die Europäisierung
des Staatshaftungsrechts, 2005
Staatshaushalt -> Haushalt
Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der
brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt
des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller,
P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989;
Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte Kirche (z. B. Rom
in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen Römischen Reiches
[deutscher Nation], Großbritannien, Schweden, Spanien).
Lit.: Barceló, P., Constantius II, und seine Zeit. Die
Anfänge des Staatskirchentums, 2004
Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche betreffende Recht.
Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E., Paul
Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u.
a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten
Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im 20.
Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das
staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B., Ius
reformandi, 2001
Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jh.s entstehende Zweig der
Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates als solchem befasst.
Lit.: Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im
Spiegel der italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer
der frühen Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans
Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren
allgemeinen Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003;
Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005
Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für den Bestand eines
Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland
seit 1968 eine Notstandsverfassung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das
Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss.
jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965;
Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand
im modernen Friedensvölkerrecht, 1988
Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staates stehende
Staatsorgan (z. B. König, Präsident).
Lit.: Bouveret, M., Die Stellung des
Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Diskussion und Staatsrechtslehre von
1848 bis 1918, 2003
Staatspolizei -> geheime Staatspolizei
Staatsraison ist die zur Förderung des Staatswohles erforderliche
Klugheit. Die S. wird in Italien im 16. Jh. aufgegriffen. Seit der Mitte des
18. Jh.s wird sie wegen der Nähe von Staat und Fürst oder Staat und Partei auch
kritisch gesehen.
Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A. 1976;
Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M.,
Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di
Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im
Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in:
Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in
Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003
Staatsrat ist das der Staatsleitung dienende Beratungsorgan (z. B.
Österreich 1760, Preußen 1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der
-> Deutschen Demokratischen Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher;
Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848), 1879, Neudruck
1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17. Jahrhundert, ZRG
GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat, 1952; Francksen, M.,
Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten, ZNR 7 (1985), 19;
Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992; Michel, K., Der
Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich Hannover 1839-1866,
2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla, J., 2005
Staatsrecht ist das den Staat im allgemeinen betreffende Recht. Das S.
entwickelt sich im Laufe des 19. Jh.s aus dem -> öffentlichen Recht. Dabei
strebt das 19. Jh. vor allem nach Verwissenschaftlichung. Um 1950 gibt es in
Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck
1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff.,
Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und
bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, Bd. 1ff.
5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. z.
T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt,
1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes Limnaeus, 1968; Das
Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W.,
1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus,
1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen Staatsrechtswissenschaft, Der
Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Rennert, K., Die
„geisteswissenschaftliche Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer
Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u.
internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts,
Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die Staatsrechtslehre der
Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das römische Staatsrecht, 1997;
Friedrich, M., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker,
L., Schritte auf einer abschüssigen Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der
Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die geschichtlichen Grundlagen, 2000;
Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik, 2001; Dreier,
H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des
Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v. Isensee, J. u. a.,
3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und Grundgesetz, 2004;
Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004
Staatsschutz
Lit.: Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994
Staatssekretär
Lit.: Hefty, J., Die parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005
Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der Entstehung und dem Wesen des
Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle. Danach ist die
Verbindung von S. und Rechtswissenschaft überwiegend wieder aufgegeben.
Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003
Stab ist das lange dünne Holzstück, das als Rechtssymbol für
Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der Richter über den
Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht der S. den zu
übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die Rechtssitte
des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des
Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941),
252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971;
Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stade
Lit.: Das Stader Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte
des niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade
1300-1399, 1975
Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche Tätigkeit beherbergende,
meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit besonderem Stadtrecht. Die S.
ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v.
Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf
römischer Grundlage im 11. Jh. unter Förderung durch den Stadtherrn (neu).
Reichsunmittelbar ist die -> Reichsstadt. Seit dem 19. Jh. tritt die S.
hinter der -> Gemeinde zurück, so dass die Bezeichnung S. ihre rechtliche
Bedeutung verliert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98, 110,
111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den
Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt,
1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die
Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte
der Stadt Will, 1904; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von Stadt und Stadtrecht,
1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der
Verfassung bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die
Sondergemeinden der Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen
zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg,
Deutz, Neuß), 1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923; Schmoller,
G., Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des deutschen Städtewesens,
1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L., Stadt und Markt im
späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die deutsche Stadt,
1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925; Pirenne, H., Les villes
du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den
rheinischen Bischofsstädten, 1928; Knöpp, F., Die Stellung Friedrichs II. und
seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928, Neudruck 1965; Dörries, H.,
Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen Stadt, 1929; Beyerle, F.,
Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Weller, K,. Die
staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische Vierteljahreshefte für
Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die Städtegründungen der
Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und Stadtverfassung im Gebiete der
Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift für vaterländische Geschichte
und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W., Verfassungsgeschichte einer
grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934; Loehr, M., Leoben, 1934; Rudolph,
H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Goerlitz, T., Die Haftung des
Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach
Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich, K., Zur
Verfassungstopographie der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58 (1938),
275; Pirenne, H., Les villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v. Keyser, E.,
Bd. 1ff. 1939ff.; Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm, G.,
Untersuchungen zur Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen
Stadt, 1941; Planitz, H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943),
1; Planitz, H., Die deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H.,
Doppelstadt und Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren
Geschichte des Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt.
Landes- und Volksgesch. an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die
Stadtentstehung am unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der
europäischen Stadt, 1953; Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u.
a., 1953; La ville, 1954; Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens
in Osteuropa, 1955; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und
Reformation, 1958; Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse
Auseinandersetzungen in den Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte zentraleuropäischer Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und
Formen bürgerlicher Institutionen norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel
1960; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann,
J., Die Städtegründungen Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die
Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt,
1961; Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen
zur gesellschaftlichen Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher,
G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine
Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C.,
1969; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Bibliographie zur
Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und
Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung
und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v.
Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J.,
1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und
Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am
Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im Mittelalter,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die europäische
Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit, 1976; Bischofs-
und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B., Königtum und
Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die mittelalterliche
Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977; Hall, T.,
Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H., 1979; Zentralität
als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Meynen, E.,
1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die Stadt an der
Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur Wirtschafts- und
Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im Spätmittelalter, übers. v.
Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt, 1980; Beiträge zum
hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Beiträge zum
spätmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Stadt und
Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und wirtschaftliche
Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987; Urkunden zur Geschichte
des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland bis 1350, hg. v. Stoob, H.,
1985; Bibliographie zur deutschen historischen Städteforschung 1, hg. v.
Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger, H., 1987; Modelli di città,
hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche Stadt im Spätmittelalter,
1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989; Grundherrschaft und
Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Recht, Verfassung
und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991;
Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Stadtkern und Stadtteile,
hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H., Die Stadt in der frühen
Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen
Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a. 1991; The City in the Late
Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die deutsche Stadt des
Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1993; Residenzen
des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993; Stadt und Bürgertum im
Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft, hg. v. Gall, L.,
1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K.,
Die deutschen Städte in der frühen Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v.
Laschinger, J., 1994ff.; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince,
A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche
Städte in Südwestdeutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt
(Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v.
Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein
bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und
Stadt – Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und
Verkehr im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van
des stades wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von
Çatal Höyük, 1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11.
Jahrhundert, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1998; Mitteleuropäisches Städtewesen, hg.
v. Janssen, W. u. a., 1999; Sweet, R., The English Town 1680-1840, 1999; Das
Bild der Stadt in der Neuzeit, hg. v. Behringer, W. u. a., 1999; Nissen, H.,
Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die europäische Stadt in der
frühen Neuzeit, 2000; Schöber, P., Wirtschaft, Stadt und Staat, 2000; Quellen
zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew. v. Hergemöller, B.,
2000; Städtelandschaft, hg. v. Escher, M. u. a., 2000; Kannowski, B.,
Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein,
2002; Stadt und Recht im Mittelalter, hg. v. Monnet, P. u. a., 2002; Happ, S.,
Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v. Feldbauer, P.
u. a., 2002; Sondergemeinden und Sonderbezirke in der Stadt der Vormoderne, hg.
v. Johanek, P., 2003; Müller, C., Landgräfliche Städte in Thüringen, 2003;
Meier, D., Bauer, Bürger, Edelmann, 2003; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und
Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum
und Staat im 19. Jahrhundert, 2003; Weinberger, B., Städtefeindlichkeit in der
deutschen Geschichte, 2003; Städtelandschaft, hg. v. Gräf, H. u. a., 2004;
Vielerlei Städte, hg. v. Johanek, P. u. a., 2004; Die Salzstadt, hg. v.
Freitag, W., 2004; Grzywatz, B., Stadt, Bürgertum und Staat im 19. Jahrhundert,
2003; Stercken, M., Städte der Herrschaft, 2005; Stadt und Region, hg. v.
Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und späteren
Mittelalters, hg. v. Escher, M. u. a. 2005; Die europäische Stadt im 20.
Jahrhundert, hg. v. Lenger, F., 2005; Opll, F., Das Werden der
mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561; Engel, E./Jacob, F., Städtisches
Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung,
2006; Imagining the Citiy, hg. v. Emden, C. u. a., Bd. 1f. 2006
Stadtbuch ist das von einer -> Stadt für die Aufzeichnung
wichtiger rechtlicher Geschehnisse geführte Buch. Es erscheint seit dem 13. Jh.
Mit zunehmender Verschriftlichung treten mehrere besondere Bücher
nebeneinander.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das
Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller-Werdmüller, H., Die
Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15.
Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer
Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll.
11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser,
O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von
Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die
sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über
Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das
älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P.,
Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener
Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder
Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von
Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann,
K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift
(Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön, B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch
von Anklam, hg. v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový, R., Libri civitatum
Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H.,
1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das Stadtbuch von 1385, bearb. v.
Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von Coburg, bearb. v. Andrian-Werburg,
K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen (Krupina), hg. v. Grothausmann,
K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch, 1994; Stadtbücher als
namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die Weimarer Stadtbücher, hg.
v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006
Stadtbürger -> Bürger
Städtebund ist der vertragliche Zusammenschluss von Städten zu
gemeinsamem Handeln (z. B. lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund
1254/6, schwäbischer Städtebund 1376/81, -> Hanse).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121; Füchtner,
J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970; Mägdefrau, W.,
Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale Bündnisse, hg. v.
Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgäßner, B. u.
a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E., Städtebünde im deutschen
Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v. Felten, F., 2006
Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde Gesetz des 19. Jh.s (z. B.
das preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den Städten die ->
Selbstverwaltung erneuert).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Städteordnungen
des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N., Staatliche Bürokratie
und städtische Autonomie, 1997
Stadtgericht ist das in der -> Stadt für die gerichtlichen
Angelegenheiten zuständige -> Gericht, dem anfangs meist der Stadtherr
vorsitzt.
Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in
Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von
1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die
Konkurrenz zwischen „städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im
13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291
Stadtherr -> Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und
Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972
Stadtkommune -> Stadt
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967
Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19. Jh.s, das zum Ausdruck
bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt geflohenen Unfreien nicht
zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres, sechs Wochen und drei
Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und Neubürgerlisten stützen die
Vermutung umfangreicher Landflucht im Hochmittelalter anscheinend nicht. Zur
Abwehr der Landflucht wird anscheinend die -> Leibeigenschaft entwickelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei, FG
O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft
macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht
frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek,
C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum
Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine
bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305
Stadtmauer -> Stadt
Stadtrat -> Rat, Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Stadtrecht ist das besondere Recht einer Stadt. Es entsteht nach
römischem Vorbild im Mittelalter am Ende des 11. Jh.s (lat. ius [N.] civile).
Am Beginn steht das -> Privileg (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?), das von
der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh. kommt die -> Satzung von
Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird das S. oft im -> Stadtbuch.
Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine andere übertragen (Stadtrechtsfamilie).
Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der Aufnahme des
römischen Rechts seit dem Spätmittelalter dringt dieses über
Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509,
Freiburg 1520) auch in das S. ein. In der Neuzeit greift der Landesherr
vielfach vereinheitlichend ein. Auch in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der
Selbstverwaltung besonderes S.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104, 120;
Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck 1966;
Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das
Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische
Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur
städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965; Lippstadt,
bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Sie Entstehung von Stadt und
Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im Üchtland und
Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten und Lenzburg,
1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins, 1912; Haff, K.,
Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K., Stadtrecht und
Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass,
ZRG GA 58 (1938), 654; Haff,
K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem
Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277; Schubart-Fikentscher, G., Die
Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid,
1958; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Diestelkamp,
B., Welfische Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81
(1964), 164; Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG
GA 86 (1969), 177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter,
1969; Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert,
M., Die niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher,
G., „Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA
106 (1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen
Stadt, hg. v. Stolleis, M., 1991; Kersting, W., Das Otterndorfer
ostfälisch-sächsische Stadtrecht, ZRG GA 109 (1992), 374; Quellen zur
Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller,
B., 2000
Stadtrechtsbuch ist das -> Rechtsbuch einer -> Stadt (z. B.
Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230 oder Rechtsbuch von
Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau, Meißen, Elbing, Eisenach,
Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg, Berlin, Silein, Glogau,
Salzwedel, Saalfeld, Preßburg, Freiberg, Frankenberg usw.)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990
Stadtrichter -> Stadtgericht
Stadtschreiber -> Schreiber
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die Hildesheimer
Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber,
1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960; Elsener, F.,
Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber, 1979;
Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990
Stadtschultheiß -> Schultheiß
Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz, Venedig, Bern, Nürnberg,
Hamburg, Bremen)
Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City State,
1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der alte
bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho, A. u.
a., 1991
Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den Bürgern gewählten Vertreter
als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ (Preußen 1808).
Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des
städtischen Parlamentarismus, 1997
Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein
Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München 16. 1. 1802-Bad
Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn, 1819 vom Judentum zum Protestantismus
übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg und Erlangen
1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher Professor in
Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk ist eine
zweibändige Philosophie des Rechts, die sich gegen das -> Naturrecht
richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.
Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930; Wiegand, C.,
Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre Friedrich Julius
Stahls, 1999
Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium der
Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss er
bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige
Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit
seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie,
Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of
Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in -> Schottland.
Lit.: Stair, hg.
v. Walker, D., 1981; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 106
Stal
Lit.: Siebs, B., Stal – Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246
Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch (Gori/Georgien 21.
12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953 diktatorischer Führer der
-> Sowjetunion, der maßgeblich das sozialistische Recht mitgestaltet.
Lit.: Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten
Weltkrieg, hg. v. Hildermeier, M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch: Stalin und die
Juden, 1998; Marie, J., Staline, 2001; Boeckh, K., Völlig normal, HZ 278
(2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003; Kellmann, K., Stalin, 2005
Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen befindliche Teil eines
Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B. Franken, Alemannen, Bayern,
Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge eines Abkömmlings.
Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese,
W., Der Stamm der Sachsen, 1979
Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus einem Volk bzw. -> Stamm
gebildete -> Herzogtum (z. B. Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) im
Gegensatz zum Territorialherzogtum im Hochmittelalter (z. B. Österreich,
Westfalen). Das ältere S. besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das
jüngere S. im 10. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und
Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen
Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P.,
Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989
Stammesrecht-> Volksrecht
Lit.: Lit.: Stammesrecht und Volkssprache,
hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991
Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2. 1856-Wernigerode 25. 6. 1938),
Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und Leipzig (Binding,
Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor in Leipzig, 1884
ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin (1916). Außer als
Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer Rechtsphilosoph. Von 1928 bis
1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches Rechtsleben in alter und neuer
Zeit“ vor.
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59 (1939), 662
Stand ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft.
Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in verschiedene
Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und Sklaven (lat. [M.Pl.]
servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein
Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel
einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. [M.Pl.])
honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das
Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden -> Freie (lat. [M.Pl.]
liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch -> Adlige
(lat. [M.Pl.] nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese
geburtsständische Gliederung durch die berufsständische Einteilung in ->
Ritter (lat. [M.Pl.] milites), -> Bürger (lat. [M.Pl.]
cives, burgenses, urbani) und -> Bauern (lat. [M.Pl.]
rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung (->
Ebenbürtigkeit), -> Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht) aus. Seit der
französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten Stand (Bürger)
vertretene, aufgeklärte Grundsatz der -> Gleichheit durch (1918).
Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13. bis 19.
Jh. -> Landstände und -> Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120, 132,
135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155; Brunner, H.,
Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die Stände der
deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes im gemeinen
Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht, 1935; Heck,
P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936; Uffenorde, H.,
Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck, 1938; Heck,
P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge, fränkische
Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer, H., Der
Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Quellen
zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v. Franz, G.,
1967; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972),
171; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die Lehre vom
Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A.
1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei Ordnungen,
1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen
Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J. u. a.,
1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v. Weczerka, H.,
1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in ausgewählten
Territorien Nordeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001
Standarte -> Fahne
Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der vor allem die staatlichen
Aufgaben der -> Eheschließung und Führung der Personenstandsbücher
ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil 1787/1792) wird ein S.
1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 209
Standeserhöhung ist die Erteilung des -> Adels durch Urkunde (seit 1346,
-> Briefadel).
Standesherr ist im 19. Jh. der Angehörige eines der etwa 80 1803/1806
mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren Adelshäuser. Ihm werden 1815
geringe Vorrechte gesichert, die zwischen 1848 und 1918 aber verschwinden.
Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Neth,
U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R., Standesherren, 1977;
Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980; Furtwängler, M.,
Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige Standesherrschaft im
Vormärz, 2003
Ständestaat ist der durch die Teilhabe von Ständen an der Herrschaft
gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jh.s. Zwischen 1934 und 1938 versteht
sich -> Österreich nochmals als S. -> Landstand, -> Reichsstand
Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und englischer
Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat,
2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Kluge, U., Der
österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F., Landesherrschaft,
Adel und Vogtei, 1985
Standgericht ist das im Stehen bzw. sofort abgehaltene Gericht im Heereswesen.
Es findet sich bereits im römischen Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr
verbreitet. Das S. urteilt meistens nach dem besonderen Standrecht.
Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe, F.,
Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der
Rechtsverfassung in den deutschen Heeren, 1904
Standrecht -> Standgericht
Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt
in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen
Privatrechts. In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass
verschiedener Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930
Versicherungsabzahlungsgesetz) ein.
Lit.: Solem, E., Frederik Stang,
Tidsskrift for Rettsvidenskap, 1942, 1
Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1.
1623 unter Herzog Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen
Stapelholmer Konstitution (Landesordnung) der durch weitgehende
Selbstverwaltung unter einem Landvogt gekennzeichneten Landschaft zwischen
unterer Eider, Treene und Alten Schleswig.
Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von 1623,
Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u. a.,
1968
Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das Recht eines Ortes, von
Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren am Ort zum Verkauf aufzustellen.
Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910; Gönnenwein, O.,
Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939
Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der -> Deutschen
Demokratischen Republik
Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier der
Staatssicherheit, 2001
Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung von massenhaften
Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaftlicher Weise erst seit dem 19. Jh.
Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom Mittelalter
zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der historischen
Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A., Kriminalstatistik
im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H., Die Liaison des
Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C.,
Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994; Rothenbacher,
F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber, D., Die
sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003
stat pro ratione
voluntas (lat.). Der Wille steht für die
Begründung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)
Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers (z. B. 1490 in Tirol in
den -> Maximilianischen Verwaltungsreformen).
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T., Römisches
Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963
status (lat. [M.]) -> Stand, Zustand
Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996
Statut ist das gesetzte Recht bzw. die im internationalen
Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um 1140 in
Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s ausführliche
Zusammenfassungen erfahren. Im Verhältnis zum -> gemeinen Recht gewähren die
Juristen des 14. Jh.s den Statuten Vorrang. Weil die Statuten aber eng
auszulegen sind (lat. statuta [N.Pl.]
sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht
tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.
Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die
Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff.
1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39
(1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den
Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G.
Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck
1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963;
Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F.,
Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur
Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt
Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten,
Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und Territorien,
1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever, R.,
Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000
Statuta sunt stricte
interpretanda (lat.). -> Statuten sind
eng auszulegen.
Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS H.
Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977
Statute law ist das vom König und dem Parlament vor allem im 13.,
16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz zum common law
(Richterrecht).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Statutum (N.) in favorem
principum (lat.) ist die wissenschaftliche
Bezeichnung des 19. Jh.s für das Gesetz des deutschen Reiches von 1. 5. 1231,
in dem den Fürsten von Friedrich II. die rechtstatsächlich inzwischen erlangten
Rechte bestätigt werden (z. B. Verbot der Anlage von Reichsburgen,
Gewährleistung der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101; Klingelhöfer,
E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Kaiser
und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994
Staub, Samuel Hermann (Nikolai/Oberschlesien 21. 3. 1856-Berlin
2. 9. 1904), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau und Leipzig
(Windscheid, Wächter, Binding, Wach) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem
als Kommentator des Handelsrechts (seit 1893) und als „Entdecker“ der sog.
-> positiven Forderungsverletzung oder positiven Vertragsverletzung (1902)
hervor.
Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer
Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Staufer ist der
Angehörige des in der ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen
Geschlechts, das 1079 das Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten
Heiratsverbindung mit den -> Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (u.
a. Friedrich I. Barbarossa, Friedrich II.) hält und 1268 im Mannesstamm ausstirbt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das
Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII.
von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus
Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen
Verfassungsgeschichte, ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die
Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Kirchner, G., Die
Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Metz, W., Staufische
Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der Frühstaufer in
Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A. 1976; Stupor
mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Stauferstudien, 1988
(Aufsätze); Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die Staufer,
8. A. 2004; Von Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorens, S. u. a., 1995; Die
Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W., Staufer und Welfen,
1996; Die Staufer, 2000; Stauferreich im Wandel, hg. v. Weinfurter, S., 2002;
Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002; Schütte, B., König
Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002; Haverkamp, A.,
Zwölftes Jahrhundert 1125-1198, 2003; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004;
Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42;
Bedürftig, F., Die Staufer, 2006; Görich, K., Die Staufer, 2006
Staupenschlag
Lit.; Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit erscheinende, schriftlich an
alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige oder sich verbergende Person
festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden Behörde zu übergeben.
Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f. Criminalrecht
3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004
Steiermark ist das im 8. Jh. von Bayern besiedelte, 1180 zum Herzogtum
erhobene und 1186/1192 durch die -> Georgenberger Handfeste an ->
Österreich gelangte südöstliche Grenzgebiet (-> Mark) des deutschen Reiches.
Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das
Landeswappen der Steiermark, 1900; Die landesfürstlichen Gesamturbare der
Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums
Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v.,
Geschichte der direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische
Weinbergrecht und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss
der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register
aus den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen
Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58
(1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H., Die
ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen
Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f.bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.; Baltl,
H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge zur
Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer
Adelsfamilien, 1974; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist.
Ver. d. Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Österreichisches
Städtebuch. Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und
Österreich, hg. v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle
der Steiermark, 2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000;
Binder, D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im
Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d.
hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235
Stein ist der harte, nichtmetallische Bestandteil der Materie, der im einzelnen
Stückals Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10. 1757-Cappenberg
24. 6. 1831), Geheimratssohn, wird nach dem Studium des Rechts und der
Staatswissenschaft in Göttingen preußischer Beamter. 1807/1808 reformiert er
die Verwaltung -> Preußens.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192, 211; Lappe,
J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920; Botzenhart, E., Die
Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927; Raumer, K. v., Was
bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom Stein im Zeitalter
der Restauration, 1960; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn
vom Stein, 1971; Hubatsch, W., Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die
Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977; Duchhardt, H., Stein, 2007
Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815-Weidlingau bei
Wien 23. 9. 1890) wird nach dem Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher
Professor der Staatswissenschaften und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855
Professor für politische Ökonomie. In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung
der Verwaltungslehre (1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er
die Aufgabe, durch staatliche Leistung die im Liberalismus eingetretenen
gesellschaftlichen Missstände zu beseitigen.
Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und
Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984;
Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E.,
1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur
Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005
Stein-Hardenbergsche
Reformen -> Stein, Hardenberg
Steinigung ist die im Altertum und später im Islam verbreitete Tötung
eines Menschen durch Bewerfen mit Steinen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906
Steinkreuz ist das aus Stein geschaffene Kreuz. Es erscheint im
Mittelalter als sichtbares Zeugnis eines einzelnen rechtlich bedeutsamen
Geschehens.
Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1936; Dreyhausen,
W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940; Losch, B.,
Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Steinzeit ist
die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge
aus Stein verwendet. Die S. wird durch die Erfindung und Benutzung von
Metallwerkzeugen beendet (Kupferzeit, Bronzezeit, Eisenzeit).
Rechtsgeschichtliche Erkenntnisse aus der S. sind gering und unsicher.
Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte
Mitteldeutschlands, 1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA
60 (1940), 252; Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der
Steinzeit, 1999
Stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch falschen Eid) ist im klassischen
römischen Recht der Straftatbestand, der als Vorläufer des -> Betruges bis
in das 19. Jh. fortwirkt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1967;
Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v. Behrends,
O., 1978, 281
Stellvertretung (Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer
Person (Vertreter) für eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder
unmittelbar erfolgen. Das römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der
Rechtswirklichkeit andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. ->
peculium des Sklaven). Im Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung
vor Gericht, nach der im Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten
bedeutender Kaufleute üblich wird.
Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der
Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f.
vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der
Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der
direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius
commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423;
Hölzl, F., Savignys Lehre, in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211;
Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, in:
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich
Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002
Stempel ist das bereits dem Altertum bekannte, dem Abdruck von
Zeichen auf Überlieferungsträgern dienende Gerät. Der S. entsteht vielleicht
durch die Verallgemeinerung des -> Siegels. Seit 1624 (Niederlande) erhebt
der Staat für die Stempelung von öffentlichem Schriftgut eine Steuer
(Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder aufgegeben wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778
Stendal in der Altmark ist die um 1160 von Albrecht dem Bären gegründeteStadt.
In S. entsteht im 15. Jh. unter Verwendung zahlreicher Schriften die
(altmärkische oder) -> Stendaler Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J., 1868;
Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine im 15. Jh. (vor 1410) in
-> Stendal teils deutsch und teils lateinisch verfasste Glosse interlinearer
und marginaler Glossatur zum lateinischen und mittelniederdeutschen Text des
-> Sachsenspiegels (1221-1224), zur petrinischen Glosse, zum Magdeburger
Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zum Richtsteig Lehnrechts unter
Benutzung der Glossa ordinaria zum römischen Recht, zahlreicher
Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter, klassisch
lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger Schöffensprüche und
märkischer Gewohnheiten.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 74
Stephanskrone (Krone Stephans I. von ->
Ungarn [997-1038])
Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18.
2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem
Theologiestudium in Paris und dem Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus)
Lehrer in Chartres, 1167 Abt in Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen
1166 und 1169 verfasst er seine (lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie
überragt ihre zugrundeliegenden Vorläufer durch tiefere Durchdringung des
Stoffes.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum kanonistischen Werk
Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349
Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn knüpfen sich seit dem
Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B. -> Besthaupt). Diese werden
spätestens im 19. Jh. beseitigt.-> Erbschaftsteuer
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2
Steuer ist die einmalige oder laufende Geldleistung, die nicht
eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellt und von einem
öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt
wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht
knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. [N.]
stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum [N.]
capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen Recht
bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im Mittelalter
entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung und dem
Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. In der Neuzeit weitet sich die
Besteuerung durch -> Steuerrecht stetig aus. Insbesondere benötigt die
Leistungsverwaltung zusätzliche Einnahmen. Im 20. Jh. gelangt sie mit Umverteilungszielen
an die Grenzen der Belastbarkeit der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Umsatzsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83, 110,
111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS;
Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das
Reichssteuergesetz von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das
landesfürstliche Steuerwesen in Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte
der direkten Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A.,
Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler,
O., Ein Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2.
A. 1963; Schräder, B., Die Besteuerung des Bauerntums in der Reichsgrafschaft Bentheim,
1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell, S.,
Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, Gero, Die Steuerliste von 1241,
ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken,
1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staatsausgabe und
öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des naturrechtlichen
Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS H. Paulick, 1973,
255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16. Jahrhundert, ZHF 2
(1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der Landwirtschaft, 1976; Jenetzky,
J., System und Entwicklung des materiellen Steuerrechts, 1978; Schuler, P.,
Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97 (1978), 39; Hartmann, P., Das
Steuersystem der europäischen Staaten, 1979; Isenmann, E., Reichsfinanzen und
Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7 (1980), 1; Franke, S., Entwicklung und
Begründung der Einkommensbesteuerung, 1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum,
1983; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild,
W., Steuern und Reichsstandschaft, 1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v.
Schultz, U., 1986; Pausch, A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit,
1989; Brown, A., The Governance of Late Medieval England, 1989; Mit dem Zehnten
fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der
deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte
Steuerprogression, 1992; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern,
Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und
Staatsfinanzen, 1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A.,
„Ohne Steuer kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend,
A., Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage
zu verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der
konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische
Steuerrektifikation, 1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und
Einkommensteuer, 1999; Hackenberg, M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern,
2002; Schremmer, E., Warum die württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die
sächsische Einkommensteuer von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R.,
Die Steuergesetzgebung des Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung
des napoleonischen Steuer- und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann, H., Der deutsche
Steuerstaat. Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005; Johann, U., Die
Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983 bis 1998, 2006;
Kersting, G., Steuerwiederstand und Steuerkultur. Der Kampf gegen das Umgeld im
Königreich Württemberg (1819-1871), 2006
Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der -> Landstände zur
Steuererhebung durch den Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
Steuerrecht ist die Gesamtheit der die -> Steuer betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem Einfluss
des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993
Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände betreffenden
Rechtssätze des -> Steuerrechts. Das S. gewinnt mit der Vermehrung der
Steuerlast zunehmende Bedeutung.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A.
1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M., Schuld
und Strafe, 1997
Steward -> Stuart
Steyr -> Landlauf von Steyr
Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird nach dem Rechtsstudium in
Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630 Hofgerichtsassessor und
1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine Darstellung des
schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechts (De iure Sveonum et
Gothorum, Vom Recht der Schweden und Göten).
Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum vetusto,
1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk Studien 4
(1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modeer, K., 1996
Stift ist das Kollegium kanonisch lebender Kleriker in einer
Kirche. Es entsteht im Frühmittelalter. Seit dem Hochmittelalter ist es
Verbandsperson.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K.,
Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln,
1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum weltlichen
Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die reichsunmittelbaren
evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium,
1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v. Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche
in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte
in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in Mittelalter und Neuzeit, hg. v.
Obermair, H. u. a., 2006
Stiftung ist die Widmung von Vermögen zu einem bestimmten Zweck
durch Rechtsgeschäft. Sie ist bereits dem römischen Recht im Ansatz bekannt.
Im Mittelalter fördert die Kirche die mildtätige S. Als juristische Person wird
die S. im 19. Jh. anerkannt. Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S. eine
Möglichkeit der Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen
(z. B. dürfen seit 2006 in der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw. Gewinns
als Spenden steuersparend geltend gemacht werden).
Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger, H.,
Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und
Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die
Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipuzig 1938; Pleimes, D.,
Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im
Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts,
1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79
(1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des
Stiftungsrechts 1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f.,
hg. v. Berndl, H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen
Stiftungsrechts, 1972;Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung
der Körperschaft und Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung 1584-1984,
ZRG GA 103 (1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des Mittelalters, ZRG KA
105 (1988), 71; Mäzenatentum in Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Becker, J.,
1988; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R., 1989; Rexroth, F., Deutsche
Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Borgolte, M., Totale Geschichte
des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den piae causae zu den Xenodochien, in:
Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung
und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner, W., Universitätsstift und Kollegium
in Prag, Wien und Heidelberg, 1999; Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten, hg.
v. Borgolte, M., Bd. 1 2000; Theisen, F., Mittelalterliches Stiftungsrecht,
2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002; Alexander, L.,
Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im römischen Recht,
2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche Stiftungsrecht,
2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen,
2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der Moderne, hg. v.
Borgolte, M., 2005
Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem Geschäft ohne tätige
Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare Innengesellschaft.
Sie findet sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der -> Kommanditgesellschaft
geschieden.
Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L.,
Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft
(KG) und die stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch,
1999
stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts, Gerichtsgebrauch
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen Relation,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976
Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstimmung einer Personenmehrheit
teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere im 19. Jh. allgemeine Bedeutung.
Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971
Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2. 1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Heidelberg, Kiel und Berlin 1848
Rechtsanwalt und 1854 ordentlicher Professor in Basel, Erlangen (1857) und Bonn
(1870). Nach langjährigen Vorbereitungen veröffentlicht er 1880 die Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Müllenbach, B., Zum
100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101 (1984), 312
stipendium (lat. [N.]) Steuer, Grundsteuer, Unterstützung
Lit.: Köbler, DRG 32
Stipulatio (lat. [F.])
ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der
wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein
Angebot (lat. centum mihi dari spondesne [versprichst du, dass mir hundert
gegeben werden?]), dem der andere zustimmt (lat. spondeo [ich verspreche]). Die
vielseitig verwendbare S. ist im klassischen römischen Recht ->
Verbalkontrakt. Bei der Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter
wird der besondere Wortformalismus nicht übernommen (usus modernus
pandectarum, moderner Gebrauch der Pandekten).
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38 II,
40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von
stipulatio in mittelalterlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J.,
Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der
Stipulationsklausel, 1964; ; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechts im Frühmittelalter (in) Cinquante anni
della Corte costizuionale della Repubblica italiana, 2006, 1751
Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius Gallus (66 v. Chr.)
geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig gerichtlich
durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen Stipulation zusammenfassende
Stipulation (Ausgleichsquittung).
Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29,
44; Sturm, F., Stipulatio Aquiliana, 1972
stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation
auf das Doppelte
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46
Stipulation (Versprechen) -> stipulatio
Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28. 6. 1831-Leipzig 19. 5.
1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft in
Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in Königsberg
außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in Breslau,
1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen
Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.
Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002
Stock (M.) Gefängnis, Pranger
Stockholm am Mälarsee erscheint 1252. Im 17. Jh. wird es Hauptstadt
Schwedens. Im 19. Jh. erhält es eine 1960 verfestigte Universität.
Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988
Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem Teil eines Hauses. Im
Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter seit dem 12. Jh. Am
Ende des 19. Jh.s wird seine Neubildung ausgeschlossen. In der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s tritt das Wohnungseigentum an seine Stelle.
Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über
Stockwerkseigentum, Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das
Stockwerkseigentum im Wiener Rechte des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89; Putzer,
P., Zur Rechtsgeschichte des Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581;
Thümmel, H., Stockwerkseigentum in Baden, Z. f. d. Notariat in
Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum,
ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G., Echtes altes Stockwerkseigentum in
Bayern, ZRG 116 (1999), 384
Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des Geistlichen (Stola)
bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B. Taufe, Trauung,
Begräbnis).
Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale
Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin 19. 4. 1919),
Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg
und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er eine Untersuchung
über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen Territorien vor,
1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung.
Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40 (1919),
393
Stracca, Benvenuto (Ancona 1509-1578), Kaufmannssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Bologna Jurist in Ancona. Er veröffentlicht 1553 den
(lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung vom Handel oder
Kaufmann), der mit der Behandlung des Kaufmanns und seiner Geschäfte die erste
wissenschaftliche Darstellung des -> Handelsrechts bildet.
Lit.: Goldschmidt, L., Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 2, 1, 1977
Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh. nach amerikanischem
Vorbild eingeführte Aussetzung der Vollstreckung einer -> Freiheitsstrafe
unter der Bedingung, dass der Täter während einer Bewährungszeit nicht erneut
straffällig wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
236
Strafe ist das dem Täter einer Straftat von der Allgemeinheit
zuzufügende, das Opfer nicht entschädigende Übel. Im altrömischen Recht werden
Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der Hauszucht, des Kriegsrechts, der
allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und des Zivilverfahrens verfolgt und
nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat, Magistratsverletzung) mit einer
öffentlichen Strafe (Enthauptung und Vermögenseinziehung, später auch
Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche
Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen sind danach Todesstrafe, Verbannung,
Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe. Justinian vereinigt alle Regelungen
in den Büchern 47 und 48 der -> Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen,
ist zweifelhaft (Aufhängen bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im
Frühmittelalter überwiegt das -> Kompositionensystem. Erst seit dem 11. Jh.
erscheint die S. (wieder allgemeiner) in -> Landfrieden, setzt sich dann
aber rasch durch. Sie ist anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld
ablösbar. Bereits vor dem 12. Jh. sind auch Ansätze eines kirchlichen
Strafrechts erkennbar, die aber erst durch die an das Decretum Gratians
anschließende Kanonistik systematisch ausgebaut werden. Thomas von Aquin legt
in seiner auf Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf die
Sündenstrafe fest und trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden
Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen
einer freiwilligen Sünde durch ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere
ausführliche Regelung bringt die -> Constitutio Criminalis Carolina (1532).
Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch
die -> Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich im 16. Jh. der
Erziehungsgedanke (-> Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition und
der spanischen Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende
Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur
Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre
Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen Präventionsrecht
neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit). Im
19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund gerückt
(-> Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden überdacht und im
20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende -> Geldstrafe ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56, 87,
91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht der
italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Amira, K. v., Die germanischen
Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die römische Kapitalstrafe, 1931; Schindler,
G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt Freiburg, 1937; Achter, V.,
Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H., Ethik des Strafens, 1966; Holzhauer, H.,
Willensfreiheit und Strafe, 1970; Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß,
1972; Abdulmegid Kara, M., The Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977;
Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273;
Nehlsen, H., Entstehung des öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; Hattenhauer,
H., Über Buße und Strafe im Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 53; La Peine, 1989;
Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im
frühen Mittelalter, in: Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J.,
Strafe und Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader,
K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995),
1; Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit und der öffentlichen Strafe im deutschen Reich bis zum 14.
Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217; Wadle, E., Die peinliche Strafe, in:
Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und
Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996;
Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß,
E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von
Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Gellinek, C., Was
heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches Strafen seit dem
Hochmittelalter, hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren
und andere Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2003;
Börsch, M., Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Thiel, S., Strafe
und Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen, Diss. jur. Würzburg
2003; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Maihold, H., Strafe für
fremde Schuld?, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006;
Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert, hg. v. Da Passavano, M., 2006
Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und Verordnungen über Strafrecht
und Strafverfahren wie z. B. der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der
Ordonnance sur le fait de la justice von Villers-Cotterêts von 1539 in
Frankreich oder den Strafrechtsverordnungen vom 5. und 6. Juli 1570 in den
spanischen Niederlanden folgende,) das -> Strafrecht kodifizierende
Gesetzbuch (z. B. Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen 1838,
Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840,
Sachsen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen
1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [,
Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, Deutsches Reich 1871). Es wird in
Deutschland 1969 in seinem allgemeinen Teil verändert (Einheitsstrafe, viele
Geldstrafen nach Tagessätzen). Die Übertretungen werden überwiegend zu
Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden die Sexualdelikte liberalisiert, 1976
wird die Wirtschaftskriminalität erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die
Computerkriminalität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229;
Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner,
A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger,
T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei
großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G.,
Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der
Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle
der Kommision für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v.
Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen
Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert,
W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und Neubekanntmachungen,
hg. v. Vormbaum, T. u. a. , Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung des Code
pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
Strafmündigkeit ist die altersbedingte Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen
Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre heraufgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die
Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992
Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in dem über das Vorliegen
einer Straftat verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im altrömischen
Recht vom Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten Prozess in
den Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese Unterscheidung
erneut aufgegriffen. Dabei stehen -> Akkusationsprozess und ->
Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen Untersuchung
samt -> Folter gekennzeichnete, vorherrschende Inquisitionsprozess mit
seinem -> endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung bekämpft und zu Beginn
des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches Verfahren ersetzt
(Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem Untersuchung (->
Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind.
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 20,
34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure
criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina,
Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de
Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in
Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische
Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat
und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen
Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E.,
Inquisitionsprozess und Rezeption, 1944; Schmidt, E., Deutsches
Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau,
P. u. a., 1984; Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v.
Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG
GA 106 (1989), 239; Protokolle der Kommission für die Reform des Strafprozesses
(1903-1905), hg. v. Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert,
W., Borgerlike, pinlike und misschede klage, in: Überlieferung, Bewahrung,
1993, 321; Dülmen, R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische
Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur.
Saarbrücken, 1998; Friedländer, H., Interessante Kriminal-Prozesse, 1999
(CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches Interesse und private
Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Nobis,
F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer Republik, 2000; Rudolph,
H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A., Geschichte des Strafprozesses
in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The Origins of Adversary Criminal
Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002
Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw. den Strafprozess ordnende
Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die -> Constitutio Criminalis Carolina
von 1532 dar, die auch Strafrecht enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind
aber die Strafprozessordnungen der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle
Frankreich 1808, Baden 1844, Preußen 1849, Österreich 1850/1853/1873,
Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264; Entwürfe
einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Protokolle der
Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des Reichstags (1910-1911)
zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1910f., neu hg. v.
Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Kleinheyer, H., Die Regensburger peinliche
Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung und Quellen der
Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J., 1989; Bottenberg,
F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998
Strafprozessrecht -> Strafprozess, Strafprozessordnung
Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.;
Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände mit -> Strafe
bzw. Strafandrohungen verknüpfenden Rechtssätze. Öffentliches S. entwickelt
sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft. Die ersten Regeln
entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden aber auch
Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Digesten, Landfriede). Eine erste
Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der -> Digesten, im
Spätmittelalter die Halsgerichtsordnungen, vor allem die -> Constitutio
Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend von der allmählichen
Unterscheidung von Buße und Strafe (Ansätze eines kirchlichen Strafrechts
vielleicht schon vor dem 12. Jh., systematischer Ausbau seit dem Decretum Gratians)
und der kirchlichen Beichte, die spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre
des 16. Jh.s mit zunächst moraltheologischen Begriffen die Individualisierung,
Subjektivierung und Psychologisierung des Strafrechts, welche die
Kriminalpsychologie seit dem ausgehenden 18. Jh. mit säkularisierten Begriffen
und empirischer Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden besondere
Strafgesetzbücher geschaffen (z. B. Bayern 1813 Feuerbach), in denen teilweise
harte Strafen abgeschafft, präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische
Befragung und richterliche Ermessenspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit
wird bereits ein allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die
allgemeinen Bestandteile einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus
bemühen sich weiter um ein rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch).
Die rechtstatsächliche Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem
späten 19. Jh. einsetzenden Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters
groß.
Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG
1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte
instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste
umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der
Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Günther,
L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Stephen, A history of the criminal law
of England, Bd. 1ff. 1883; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels,
1898, Neudruck 1970; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Kantorowicz, H., Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f.
1907ff.; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Heusler, A., Das
Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F., Beiträge zum Kriminalrecht der
freien Reichsstadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1916; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Liszt,
F./Schmidt, E., Lehrbuch des deutschen Strafrechts, 25. A. 1927; His, R.,
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928; Schaffstein, F.,
Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Dahm, H., Das
Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Skeil, J., Den norske
strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Schubert,
G., Der Einfluss des kirchlichen Rechts auf das weltliche Strafrecht der
Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung des Volkes von der
Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht,
1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen
1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der strafrechtlichen Legalordnung,
1950; Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des
Humanismus, 1954; Caenegem, R., Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen,
1954; Korsch, H., Das materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Brahmst, C.,
Das hamburgische Strafrecht, 1958; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung
des römischen Kriminalverfahrens, 1962; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 2. A. 1951, 3. A. 1965; Hentig, H.
v. Studien zur Kriminalgeschichte, 1962; Mehrle, P., Die Strafrechtspflege in
der Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen
Unterrichts in Zürich, 1965; Lohse, E., Johann Michael Franz Birnbaum
(1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Neusel,
Höchstrichterliche Strafgerichtsbarkeit, 1972; Langbein, J., Prosecuting crime
in the Renaissance, 1974; Texte zur Theorie des politischen Strafrechts, hg. v.
Schroeder, F., 1974; Roldán Verdejo, R., Los delitos contra la vida, 1978;
Laingui, A./Lebigre, A., Histoire du droit pénal, Bd. 1f. 1979f.; Crime and
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von 1620, Bd. 1 1982; Schroeder, F., Das Strafrecht des sozialen Realismus,
1983; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984;
Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985; Rüping,
H., Bibliographie zum Strafrecht im Nationalsozialismus, 1985; Gouron, A., Zu
den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme, 1986, 43; Lüken, E.,
Der Nationalsozialismus und das materielle Strafrecht, Diss. jur. Göttingen,
1987; Brauneder, E., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen,
in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Quellen zur
Reform des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff.
1988ff.; Werle, G., Das Strafrecht als Waffe, JuS 1989, 952; Cesare Beccaria,
hg. v. Deimling, G., 1989; Sellert, W./Rüping, H., Studien- und Quellenbuch zur
Geschichte des deutschen Strafrechts, Bd. 1f. 1989ff.; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 4. A. 2002; Carbasse, J., Introduction historique au
droit pénal, 1990; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002,
5. A. 2007; Gauvard, C., De grace especial, 1991; Herzog, F., Gesellschaftliche
Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge. Studien zur Vorverlegung des
Strafrechtsschutzes in den Gefährdungsbereich, 1991; Volk, K., Napoleon und das
deutsche Strafrecht, JuS 1991, 281; Histoire et criminalité, hg. v. Garnot,
1992; Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Limbach, A., Das Strafrecht
der Paulskirchenverfassung 1848/49, 1995; Cheng, Y., Die Ausnahme bestimmt die
Regel, 1995; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen und strafrechtlichen
Literatur vor 1900, 1995; Bauman, R., Crime and Punishment in Ancient Rome,
1996; Robinson, O., The criminal law, 1996; Klementowski, M., Die Entstehung
der Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ZRG GA 113 (1996), 217;
Hellbling, E., Grundlegende Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer,
hg. v. Reiter, I., 1996; Perspektiven der Strafrechtsentwicklung, 1996;
Hettinger, M., Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht, 1996;
Caenegem, R. van, Notes on twelfth-century English criminal law, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Hamm, R., 50 Jahre NJW: Das
Strafrecht, NJW 1997, 2636; Glöckner, H., Quellen zur neueren
Strafrechtsgeschichte, Ius commune 34 (1997), 249; Schmidhäuser, E., Verbrechen
und Strafe, 2. A. 1998; Buschmann, A., Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1998; Ermann, J., Strafprozess, Diss. jur. Saarbrücken 1998;
Strafrechtsdenker der Neuzeit, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Gschwend, L.,
Nietzsche und die Kriminalwissenschaften, 1999; Die Entstehung des öffentlichen
Strafrechts, hg. v. Willoweit, D., 1999; Weber, R., Die Entwicklung des
Nebenstrafrechts, 1999; Neue Wege strafrechtsgeschichtlicher Forschung, hg. v.
Schlosser, H. u. a., 1999; Riggsby, A., Crime and Community in Ciceronian Rome,
1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2000; Die deutsche Strafrechtswissenschaft
vor der Jahrtausendwende, hg. v. Eser, A. u. a., 2000; Radbruch, G.,
Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, U., 2000; Schorer, R., Die
Strafgerichtsbarkeit in der Reichsstadt Augsburg, 2000; Overdijk, D., De
gewoonte is de beste uitleg van de wet, 2000; Naucke, W., Über die
Zerbrechlichkeit des rechtsstaatlichen Strafrechts, 2000; Thulfaut, G.,
Kriminalpolitik und Strafrechtslehre bei Edmund Mezger (1883-1962), 2000; Reuß,
E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Richstein, C., Das belagerte Strafrecht – Kriegsstrafrecht,
2000; Radbruch, G., Strafrechtsgeschichte, hg. v. Neumann, u., 2001; Dean, T.,
Crime in Medieval Europe 1200-1550, 2001; Geus, E., Mörder, Diebe, Räuber,
2002; Mahlmann, C., Die Strafrechtswissenschaft der DDR, 2002; Die Durchsetzung
des öffentlichen Strafrechts, hg. v. Lüderssen, K., 2002; Brandt, C., Die
Entstehung des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Silva Sánchez, J.,
Die Expansion des Strafrechts, 2002; Wagner, K., NS-Ideologie im heutigen
Strafrecht, 2002; Hoheitliches Strafen in der Spätantike und im frühen
Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Karitzky, H., Eduard Kohlrausch, 2002; Nedden,
C. zur, Die Strafrechtspflege im Königreich Westphalen, 2003; Frenz, B.,
Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen Städten vor 1300, 2003; Müller,
C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Röthlin, N., Die Verbesserung
des Strafrechts nach Montesquieu und Beccaria, ZRG GA 121 (2004), 238; O’Sullivan,
C., Die Ahndung von
Rechtsbrüchen der Seeleute, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe,
2006; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006
Straftheorie ist die Überlegung über den -> Strafzweck.
Lit.: Döring, Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958
Strafurteil
Lit.: Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des
preußischen Strafurteils, 1965
Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung eines Straftäters.
Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110 (1993),
1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Strafverfahren -> Strafprozess
Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235,
263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der
Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und
Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L.,
Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in
deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 20 05
Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im Strafprozess. -> Verteidiger
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905;
Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Freiburg
im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; König,
S., Vom Dienst am Recht, 1987
Strafvollzug ist die Vollstreckung der -> Strafe. Der S. erfolgt seit
dem Hochmittelalter durch den Richter und den -> Henker oder ->
Scharfrichter als seinen Vollstreckungsgehilfen. Seit dem 16. Jh. wird das
besondere -> Zuchthaus eingerichtet. Im 20. Jh. wird der S., ausgenommen die
nationalsozialistische Zeit, in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund
50000) bis 1944 auf rund 200000 steigt, mehr und mehr verrechtlicht
(Deutschland 16. 3. 1976).
Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen, hg.
v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton
Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im Jahre
1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988;
Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale
Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer
Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in
Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002; Strafvollzug
und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk der
Gefängnisfreunde, 2005
Strafzweck ist der von der -> Strafe verfolgte Zweck. Im
Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die hauptsächlichen
Strafzwecke zu sein. Noch für -> Kant im 18. Jh. (1797) und -> Binding im
19. Jh. bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch Vergeltung ausgeglichen
werden muss, den Grund der Strafe (absolute Straftheorie). Demgegenüber stellen
die relativen Straftheorien das Interesse der Allgemeinheit in den Vordergrund.
Nach einer Ansicht geht es dabei um die Abschreckung des Straftäters (-> Spezialprävention,
v. -> Grolman 1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung
Dritter (-> Generalprävention, -> Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von
-> Liszt (1851-1919, Marburger Programm 1882) ist der Täter für sein
sozialschädliches Verhalten zu bestrafen, weshalb die Spezialprävention nach
Tätertypen unterschieden werden soll. Augenblickstäter sollen einen Denkzettel
für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen durch
Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche
Zustandstäter sicher verwahrt werden. Hiervon dringt der
Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264; Döring,
Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die Begründung des
Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss. jur. Zürich 1960;
Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen, Z. f. d. ges.
StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999
Stralsund ist die der Insel Rügen südlich gegenüberliegende Hansestadt
-> lübischen Rechts (1234), die ein bedeutsames Stadtbuch überliefert.
Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1319
bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58
(1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der
Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.; Langer,
H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund, 2. A.
1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999)
Strandrecht ist das Recht, sich das am Strand angeschwemmte Gut
anzueignen. Es wird im Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a. 1874
Strandungsordnung).
Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des
Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die
Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V.,
Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955
Straßburg am Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr. als römisches
Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1146/1147
ein Stadtrecht gewährt, und die seit 1621 Sitz einer Universität (1792/1793
vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die Reichsstadt S. von Frankreich besetzt.
Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen Reiches und wird
auch während des zweiten Weltkriegs vom Deutschen Reich besetzt und verwaltet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der Stadt
Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des Rates in
Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfasssung des Territoriums der
Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne,
1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R.,
1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I.,
Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das
Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967;
Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u.
a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung,
1999; Schlüter, B., Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die
Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg 1872-1902, 2006
Straße ist der planmäßig angelegte, für Fahrzeuge geeignete
Verkehrsweg. Im römischen Altertum besteht ein hervorragendes Straßensystem. Im
Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für Straßen erst im
13./14. Jh. Eine Verdichtung erfährt das Straßenrecht seit dem 19. Jh. Im absolutistischen
Frankreich beginnt der Bau geplanter Chausseen. Seit 1840 leitet die Verwendung
von Asphalt, Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das
Fahrrad (Niederrad 1877-1884), ab 1885 das Automobil zu einem wichtigen
Fortbewegungsmittel, dessen Gefahren gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich
Radfahrrecht 1896, preußische Radfahrordnung 1899, Allgemeine (deutsche)
Straßenverkehrsordnung 1926).
Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, Zum
deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal, ZRG GA
23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im Königreich
Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die Entdeckung
der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994, 913; Lay,
M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins Mittelalter, hg.
v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik in der
Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, g., 2001; Rathmann, M.,
Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des Imperium
Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R.,
2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht
um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195
Straubing
Lit.: Fraundorfer, W., Straubing, 1974; Forster, M., Die Gerichtsverfassung
und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, 1999
Streik ist die gemeinsam und planmäßig durchgeführte, auf ein
bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer verhältnismäßig großen Zahl
von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren Vorläufern im 18. Jh. (z. B.
in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800) in England 1810 (Wort um
1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er verliert seine Bedeutung,
sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter Kostengesichtspunkten nicht
mehr verbessert werden können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe
in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972; Theorie und
Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik, hg. v.
Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985;
Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher Handwerksgesellen im 18.
Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände, 1993; Althaus, H.,
Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997
Streitbefestigung -> litis contestatio
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202
Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien oder Beteiligter auf
einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das römische Recht. Von
dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.
Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen
Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973
stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne Entscheidungsspielraum für
den Richter
Lit.: Köbler, DRG 42, 62
Stromregal ist im Hochmittelalter das Recht des Königs am schiffbaren
Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die Landesherren über.
Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die
Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949
strudis (lat.-afrk. [F.]) Zwangsvollstreckung
Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912
Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12. 1619-Jena 16. 12. 1692),
Gutseigentümerssohn, wird nach dem Studium von Philosophie, Politik, Geschichte
und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645 Gerichtsbeisitzer in Halle und
1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar, 1674 Professor des kanonischen
Rechts in Jena und Präsident des Jenenser Juristenkollegiums). 1670
veröffentlicht er (lat.) -> Iurisprudentia (F.) romano-germanica forensis
(Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft, mit unverkennbaren Parallelen zu
Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche Rechts-Geleertheyd [1621]) (31. A.
1771, [als eine gründlich neubearbeitete Auflage des lateinischen Vorbilds]
Jurisprudenz oder Verfassung der landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter
Syntagma iurisprudentiae secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.).
Darin gibt er auf der Grundlage der Institutionen die für längere Zeit
erfolgreichste Zusammenfassung des bei den einheimischen Gerichten angewendeten
römischen Rechts in vier Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht,
Prozessrecht).
Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani,
1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,
Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als
Zivilrechtler, 2003
Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710),
Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht in
Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666 außerordentlicher
Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher Professor in Frankfurt an
der Oder, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit 1690 veröffentlicht er
einen Pandektenkommentar mit dem die zeitgenössische Haltung (als usus
modernuns pandectarum) kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen (N.) usus moderni
pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten). Darin verbindet er
das römische Recht mit teils ergänzenden, teils ausschließenden einheimischen
Rechtssätzen.
Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K., Samuel Stryk, FS S.
Gagnér, 1991
Stuart ist das aus der Bretagne kommende, im 11. Jh. erscheinende
schottische Geschlecht (Steward, -> Seneschall), das 1371 das Königtum in
-> Schottland erlangt und 1603 den Tudors in -> England nachfolgt. Die
1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig aus der englischen
Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort.
Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H., Die
Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004
Student ist der junge Mensch während des
-> Studiums.
Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft,
1999
Studium ist die durch wissenschaftliche Vermittlung von Kenntnissen
und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten an -> Universitäten,
dessen Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3 bis 5 Jahre beträgt. Im
Mittelalter beginnt das Studium der Rechtswissenschaft an den Universitäten meist
tatsächlich nach einem Studium der freien Künste (mit etwa 20 Jahren). Im 16.
Jh. kann nach einem Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das
Bakkalaureat erworben werden, während die eigentliche Abschlussprüfung im
Lizentiat besteht, dem der kostspielige Formalakt der Promotion (nach
durchschnittlich zehn Studienjahren) folgen kann. Wegen der Mängel der
universitären Prüfungen treten ihnen im 18. Jh. staatliche Aufnahmeprüfungen (seit
1846 mit Professoren und Praktikern als Prüfern) für eine praktische Ausbildung
im Staatsdienst zur Seite (in Preußen 1849/1851 erstmals eine einheitliche
Regelung für die – dreiphasige - Ausbildung von Richtern, Staaatsanwälten und
Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsgesetz), die allmählich die
Universitätsprüfungen bedeutungslos werden lassen. -> Jurist
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Burmeister, K.,
Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974; Dokumente zur
Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanismus im Bildungswesen, hg. v. Reinhard,
W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H., Datenbuch zur
deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der Universitäten in
Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R., Weltanschaulich
begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in den 30er und 40er
Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der juristischen
Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike, JuS 2000,
10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000
Stuhl ist die künstlich geschaffene Sitzgelegenheit. Sie ist
vielfach ein Kennzeichen des Richters.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Stundung ist die bereits dem römischen Recht bekannte zeitliche
Hinausschiebung der -> Fälligkeit einer -> Forderung.
Lit.: Kaser § 38 III 1
stuprum (lat. [N.])
Unzucht
Lit.: Köbler, DRG 35
Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als Versammlungsschutz der -> Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa
700000 Mitgliedern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Stuttgart in Württemberg ist von
1781 bis 1794 Sitz einer Universität.
Lit.: Uhland, R., Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953
Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird nach
dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne Habilitation) 1895
außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher Professor in Freiburg
im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in seiner Dissertation
entwickelt er die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen
Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt er sich erfolgreich für eine
besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.
Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939), XVII
Stüve, Johann Carl Bertram
Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959
Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617) wird nach dem
Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der Philosophie und
Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch mit
Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung
von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht)
beeinflusst Hugo -> Grotius.
Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des
Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras,
1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005
subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B. Eigentum). Es steht im
Gegensatz zum objektiven -> Recht und zum bloßen Rechtsreflex. Gedanklich
erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (-> Glück). Vom Nationalsozialismus
wird es bekämpft.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das
subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, Das subjektive
Recht, 1968; Nörr, K., Zur Frage des subjektiven Rechts in der
mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange, 1992, 193
subpignus (lat. [N.]) Unterpfand
Lit.: Kaser § 31 III 2a
subreptio (lat. [F.]) Erschleichung durch Verschweigung
subsidium (lat. [N.]) Unterstützung, Hilfsleistung
Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von 1506,
bearb. v. Bünz, E., 2004
Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der neueren katholischen
Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander mehrerer Aufgabenträger S.
des umfassenderen Aufgabenträgers gegenüber dem kleineren Aufgabenträger. Die
S. ist in der Europäischen Union ein wichtiger Grundsatz.
Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953;
Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969; Subsidiarität,
hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und politisches
Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle, P. u. a.,
2002
Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum Ersatzerben)
Subsumtion (Darunternahme) ist die durch
Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der Gleichheit)
erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen Sachverhaltes
zu einem allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes. Sie wird im ausgehenden 18.
Jh. als solche im Recht gedanklich erfasst. Sie steht wegen der von ihr
abhängigen logischen Zuordnung der allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu
dem Sachverhalt im Mittelpunkt der Rechtsanwendung.
Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986
Sudetenland ist seit 1912 das Siedlungsgebiet der Bewohner von
Deutsch-Mähren, Deutsch-Böhmen und Österreichisch-Schlesien, das am 29. 9. 1938
im Münchener Abkommen von der -> Tschechoslowakei an das Deutsche Reich
abgetreten wird (29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt
es unter Vertreibung der Deutschen an die -> Tschechoslowakei zurück.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der
Elbogener Kreis, 1935; Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel,
R., Heim ins Reich, 1998; Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat,
1999; Odsun. Die Vertreibung der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a.,
2000
Lit.: Klebel, E.,
Siedlungsgeschichte des deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische
Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v.
Hatschikjan, M. u. a., 1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U.,
2002; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004;
Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004;
Politische Kultur in Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006
Südtirol ist der südlich des Alpenhauptkammes gelegene Teil ->
Tirols, den 1919 -> Italien als Lohn für seinen Eintritt in den ersten
Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage Englands 1912) erhält
(1918 3 Prozent der Bevölkerung italienischsprachig). Es wird seit 1922
intensiv italienisiert (von Adolf Hitler gebilligt), erhält aber nach 1945
beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. 1. 1948, Südtirolpaket 1971,
autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent Deutsche,
27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen, trotz
amtlicher Zweisprachigkeit finden nur etwa 25 Prozent der Gerichtsverfahren in
deutscher Sprache statt, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung der
nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit, 39
Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei
Italien aus).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173, 220,
223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche
Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907),
311; Steininger, R., Los von Rom?, 1987; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 3. A.
2001; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R., Südtirol,
1988; Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Steininger, R., Südtirol im 20.
Jahrhundert, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten, 1997; Steininger,
R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R., Südtirol 1918-1999,
1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik, koord. v. Thaler, B.,
2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder, M., Die Reform des
Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von großen und kleinen
Übeltätern, 2005; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die Südtirolfrage
1918-1958, 2006
Lit.: Hamann, S., Vorgeschichte
und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos – Schwaben. Das
Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg. v. Koller,
E./Laitenberger, H.,1998
Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)
Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für ein rechtswidriges
Verhalten. Auf S. beruht auch das -> Kompositionensystem, das seit dem
Hochmittelalter in einem bis zum 17. Jh. reichenden Vorgang von der Strafe
verdrängt wird. An einzelnen Stellen sehen Rechtsregeln einen erfolglosen
außergerichtlichen Sühneversuch als Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren
vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117; Beyerle,
F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg, P., Der
Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt
am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122
(2005), 113
Sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit dem altrömischen Recht die
Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod des Hausvaters gewaltfrei
werden.
Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I;
Köbler, DRG 23
sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von väterlicher Hausgewalt
Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23
Sukzession (F.) Nachfolge
Summa (lat. [F.]) ist im juristischen Schrifttum die bereits für ->
Irnerius (1060?-1125?) bezeugte zusammenfassende Betrachtung (Summe) des
Inhalts eines Textes wie z. B. die s. codicis des Placentinus, die s. des
Odofredus oder des Huguccio.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur
Entstehung der azoschen Digestensumme, in: Satura R. Feenstra, 1985, 371;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem 7. und 9. Jh.
entstandene Werk zum -> Codex.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
summarisch (zusammenfassend und dadurch beschleunigend)
Summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der durch Vereinfachung
beschleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte summarische Prozess ist durch
Fristabkürzungen und Verringerung der Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B.
Besitzprozess, Rechnungslegungsprozess, Bauprozess), der bestimmte summarische
Prozess durch die vorläufige Einengung der Verteidigungsmöglichkeit des
Beklagten (z. B. Mandatsprozess, Arrestprozess, Wechselprozess,
Exekutivprozess). Der summarische Prozess wirkt noch im 20. Jh. nach.
Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse, 1791;
Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der
italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914
summarisches Verfahren -> summarischer Prozess
Summe -> summa
Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment des evangelischen
Kirchenrechts bis 1918.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes Unrecht.
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri,
1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero, 106-43, De
officiis 1 § 33)
Sünde ist die Verletzung eines christlichen Gebotes oder
Verbotes.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf) Wahrheit (beruhende
Hindernis für das Erscheinen vor Gericht).
supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister
Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968;
Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161
Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160 n. Chr.) belegte
römische Rechtsregel, nach der das Recht am Grundstück die Rechtsverhältnisse
an den auf ihm errichteten Dingen (Bauwerke, Pflanzen) bestimmt. Ihr
widersprechen das -> Stockwerkseigentum und das -> Wohnungseigentum.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73); Biermann,
J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169; Meincke, J.,
Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J., Superficies und
Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327
Superflua non nocent (lat.).
Überflüssige Worte schaden nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)
Supplik (F.) Bittschrift
Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973),
194; Suppliche e <<gravamina>>. Politica, amministrazione,
giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di Nubola, C. u. a., 2002;
Bittschriften und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a., 2005
Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift. Im spätantiken
römischen Recht ist die formfreie (lat. [F.])
supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen
Urteile des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts
wird die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich (deutscher
Nation) als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen Endurteile der
Obergerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S. teilweise die Aufgaben der
-> Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision die S.
Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das
Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e
<<gravamina>>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002
Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften zuständige Ausschuss eines
Gremiums (z. B. des Reichstages des Heiligen Römischen Reich [deutscher Nation]
von 1521 bis zum frühen 17. Jh.).
Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss,
1977
Surrogation (F.) Ersetzung
Lit.: Welle, A., In universalibus pretium succedit in locum rei, res in
locum pretii. Eine Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen
Surrogation bei Sondervermögen, 1987
Suum cuique (lat.). Jedem das Seine.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.)
Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn über Lehnsmannen im
Gegensatz zur -> Souveränität des Landesherrn über Untertanen.
Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweidnitz 27. 2. 1746-Berlin
14. 5. 1798), Advokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Frankfurt an der
Oder (Wolff) Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt er mit dem Großkanzler Carmer
nach Berlin. Dort bereitet er unter steter Berücksichtigung des heimischen
Rechts das -> Allgemeine Landrecht (1794) Preußens vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A., Carl
Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959; Svarez,
C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960; Koselleck,
R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke, A., Die
Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb Svarez:
Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B., Carl
Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb
Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180
Svod zakonov ist die in -> Russland 1832 durch Michail Michailovic
-> Speranskij erreichte Zusammenfassung aller geltenden Gesetze.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Raeff,
M., Michail Speranskij, 1957
Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen
Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann, K.,
1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon der
Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003
Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige Abhängigkeit von
Vertragsleistungen
Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte
Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, 2000
Syndikat (N.) Kartell
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage gegen den unrichtig
urteilenden -> Richter (-> Rechtsbeugung).
Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater
Synodalstatut (N.) ist das in einer -> Synode geschaffenes-> Statut
Synode (zu lat. synodus) ist die kirchliche Versammlung (Konzil), die
auch Rechtsfragen entscheidet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L.,
Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in
den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die
Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G.,
Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004;
Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and
Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005
Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der
spätantike oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen,
arabischen, armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuches, 1964; Selb,
W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002
Syssel ist die norwegisch-dänische Bezeichnung für Landschaften
(z. B. Vendsyssel).
Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der
germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en
stat, 1974
System ist das wissenschaftlich-rationale Gedankengefüge. Die
systematische Betrachtung des Rechts erfolgt in der frühen Neuzeit (seit dem
16. Jh. bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff). Sie versteht die Geometrie
als (unerreichbares) Vorbild.-> Rechtssystem
Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187, 188;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des heutigen
römischen Rechts, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems,
ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik der einzelnen
Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje, H.,
Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts, in:
Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken und
Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei
Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19. Jahrhundert, 1984; Björne,
L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und
Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die ersten juristischen
„Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche Systembildung
im 19. Jahrhundert, 2001
Szeged an der Mündung der Maros in die Theiß ist die auf antike
Grundlagen zurückgehende, 1498 königliche Freistadt Ungarns werdende, 1542 an
die Osmanen (Türken) und 1686 an Habsburg fallende Stadt. S. ist Sitz einer 1921
neugegründeten Universität.
Szepter -> Zepter
T
Tablettes Albertini
Lit.: Weßel, H., Das Recht der Tablettes
Albertini, 2003
Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius (um 55/56-116/120 n. Chr.),
aus wahrscheinlich ritterlichem, südgallisch-norditalienischem Haus, wird 88
Prätor und 97 Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker ([lat.] Historiae,
Annales, Agricola, Dialogus de oratoribus). Seine Schrift (lat.) De origine et
situ Germaniae (um 98 n. Chr.) bietet relativ ausführliche, aber tendenziös
gefärbte Nachrichten über die -> Germanen.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v.
Much, R. u. a., 3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v.
Pöschl, V., 2. A. 1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge
zum Verständnis der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989;
Schmal, S., Tacitus, 2005; Dialogus de oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005
Tafelgut ist das der Versorgung des reisenden deutschen Königs im
Mittelalter dienende -> Königsgut. Ein in einer Abschrift von 1165/74
überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich vielleicht zeitlich auf 1138,
1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestimmen.
Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des
römischen Königs, hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis,
1997
Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige Landarbeiter. Er ist
insbesondere vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung. Seine
Rechtsstellung ist schwach.
Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung,
1887; Firnberg, H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978;
Simon, S., Die Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995
Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem Vorbild unterschiedliche
Vermögensverhältnisse berücksichtigende System zur Bestimmung der Höhe einer
Geldstrafe im späteren 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Tagsatzung ist vom 14. Jh. bis 1848 das gemeinsame Organ der
schweizerischen -> Eidgenossen.
Lit.: Joos, R., Die Entstehung und
rechtliche Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925;
Müller, R., Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das
Archiv der Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber,
Akten, 2004
Taiding ([N.] aus tageding) ist in Süddeutschland im
Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung. Im T. wird
das -> Weistum ermittelt und vorgetragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die
salzburgischen Taidinge, hg. v. Siegel, 1870
Talar -> Robe
Taler ist die nach dem durch Silberbergbau berühmten Ort Joachimsthal
benannte deutsche -> Münze der frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T.
außer Kraft gesetzt. Er lebt im Dollar fort.
Lit.: Rittmann, H., Deutsche
Geldgeschichte 1484-1914, 1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995
Talion (griech. [N.] gleiches) ist die Vergeltung eines Übels mit
dem gleichen Übel (Auge um Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem
jüdischen und dem römischen Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem
Spätmittelalter vereinzelt im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) ein.
Es berührt sich mit der -> spiegelnden Strafe.
Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a;
Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965;
Ebert, U., Talion und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399
Talmud (Lehre) ist der Kommentar zur um 220 (endredigierten) ->
Mischna (Lehre, Wiederholung) der Juden. Von seinen beiden Strömungen setzt
sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber dem palästinensischen T. (vor
Mitte 5. Jh.) durch. Der T. besteht nur zu seinem kleineren Teil aus
Rechtstexten. -> Maimonides (1135-1204) bearbeitet die rechtlichen Aussagen
des T. in seiner -> Mischne Tora.
Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des
mosaisch-talmudischen Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823),
419; Goldschmidt, L., Der babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles
of Jewish Law, hg. v. Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und
Midrasch, 8. A. 1993; Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686
Tancredus (Bologna um 1185-Bologna um 1236) ist der mittelalterliche
Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen (lat.) ordo (M.) iudiciorum
(Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er die (lat.) glossa (F.)
ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.) compilationes (F.Pl.)
antiquae (alten Sammlungen).
Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer förmlichen Antwort auf
eine gerichtliche Ansprache)
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex
Salica, 1867, Neudruck 1971, 143
Tarif ist der einheitliche Preis.
Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einem
Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten
(z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach der Mitte des 19. Jh.s (z. B.
Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit 1890. Erst 1918 setzt er sich aber
allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge vom 23. 12. 1918,
Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8. 1969), wobei anfangs
der Anteil der freien Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen höchstens ein
Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird mit Hilfe der Öffnung von
Flächentarifverträgen eine Verringerung der Arbeitslosigkeit angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215,
241, 242, 273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986; Hainke,
S., Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel
1987; Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989;
Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J.,
Tarifautonomie im Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche
Reformdiskussion in der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G.,
Richtungskämpfe, in: Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561;
Blanke, S., Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie, 2005
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet den
Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bzw.
im Verfahrensrecht die Darstellung des Sachverhaltes. Tatbestände gibt es seit
der Entwicklung von Recht. Als für die Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit
erkannt sind sie seit Anfang des 19. Jh.s (Stübel 1805 Zurechnung der Tat
[Tatbestand] im Gegensatz zu Zurechnung der Tat zur Strafe, Anton Bauer 1833
trennt subjektive Merkmale von objektiven Merkmalen).
Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der
negotiorum gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen
Naturrechtslehre auf die Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz,
1970; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert,
1985; Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985;
Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im
19. Jahrhundert, 2006
Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische Ansatz des späteren 20. Jh.s,
bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine Schadenswidergutmachung
einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter Strafminderung
abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht, 1994 im
Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Taufe ist die die kirchliche Mitgliedschaft in der christlichen
Kirche begründende Handlung. Sie erscheint vor Christus bei Johannes dem
Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später dem Taufkirchenpriester zu.
Lit.:
Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953; Stenzel, A., Die Taufe, 1958;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Tauner (M.)
Häusler in der Schweiz
Lit.: Eichholzer, E., Über die Stellung der Tauner nach den
Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38 (1917), 115
Tausch ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zur
Hingabe eines bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstandes verpflichten.
Der Tausch erscheint schon früh. Er wird zeitweise als Realvertrag eingeordnet.
In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung der ->
Geldwirtschaft vom -> Kauf rasch zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in
Babenhausen, Diss. jur. Mainz 1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte Untergliederung des
Heeres germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen Mittelalter. Ihre
Herkunft ist unklar.
Lit.: Rietschel, S., Die germanische
Tausendschaft, ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus,
ZRG GA 88 (1971), 181
Taxis -> Thurn und Taxis
Technik
Lit.: Technik in der frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u.
a., 2004; Metz, K., Ursprünge der Zukunft, 2005; Vom Feld, I., Staatsentlastung im
Technikrecht, 2007
Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit Teer und anschließendes
Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer Lynchjustiz, für die es in
Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1
1954, 152
Teilgläubigerschaft
Lit.: Riedler, A., Gesamt- und
Teilgläubigerschaft, 1998
Teilnahme ist die Beteiligung an einer fremden Handlung (z. B.
Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon sehr früh, wird als
allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s erfasst. Noch Feuerbach
(1801) kennt nur (lat. [M.]) auctor (Urheber) und (lat. [M.]) socius (Gehilfen)
Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J.,
Die Teilnahme, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989;
Ebrahim-Neshat, S., DIe Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im
19. Jahrhundert, 2006
Teilnovellen sind in Österreich die das -> Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch (1811/1812) nach dem deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
modernisierenden Novellen von 1914, 1915 und 1916.
Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die
Revision des ABGB, Ius commune 6 (1977), 274
Teilpacht ist die einen bestimmten Bruchteil (z. B. Hälfte, Drittel)
des Ertrages als Pachtzins festlegende Form der -> Pacht. Sie ist auf Grund
provinzieller Praxis bereits dem römischen Recht bekannt. Im Hochmittelalter
breitet sie sich seit dem 12. Jh. in vielen Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh.
aber wieder zurück.
Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K.,
Teilpacht und Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228
Teilrecht ist im Ehegüterrecht seit dem Hochmittelalter das Recht des
wiederverheirateten Ehegatten, eine Teilung mit den Kindern der ersten Ehe zu
vollziehen, um die zugunsten der Kinder aus der ersten Ehe bestehende Verfangenschaft
der Güter aus der ersten Ehe aufzuheben und einen Teil der Güter unbelastet in
die zweite Ehe einzubringen.
Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das
eheliche Güterrecht, 1868, Neudruck 1967
Teilungsanordnung
Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und
Vorausvermächtnis, 1966
Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum gerichtete Klage des
römischen Rechts (z. B. [lat.] -> actio [F.] familiae erciscundae, ->
actio communi dividundo).
Lit.: Kaser § 23 IV 2
Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der Arbeit in den
Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretenden Form der ->
Arbeit.
Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999
Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem Rechtsstudium in Olinda
und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher Rechtsberater. 1857 verfasst er die
erste umfassende systematische Sammlung des Privatrechts Brasiliens
(Consolidaçao das leis civis), 1860ff. einen vom römischen Recht wie von
mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf eines Privatrechtsgesetzbuches
(Esboco de Código civil). Er wirkt sich im Código civil Argentiniens (1869) aus.
Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas,
1979; Augusto Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938
Telegraphie ist die seit etwa 1850 mögliche Übermittlung
von Texten über beliebige Entfernungen mit Hilfe der Eigenschaften des
elektrischen Stroms.
Lit.: Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR
16 (1994), 39; Wobring, M., Die Globalisierung der Telekommunikation im 19.
Jahrhundert, 2005
Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens gegründete, nach dem
Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern verlegte, 1312 vom Papst
aufgehobene geistliche Ritterorden.
Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher, P.,
Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003; Demurger,
A., Der letzte Templer, 2004
Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat) die besonderen
weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien (geistlichen
Angelegenheiten oder Rechten).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D., Die
Lehre von der Inkorporation, 1951
Tengler , Ulrich (Rottenacker bei Ehingen um 1447-Höchstädt 1511)
wird nach Ausbildung in Stadtschule und Stiftsschule 1479-83 Stadtschreiber in
Nördlingen und danach pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau.
1509 gibt er den -> Laienspiegel heraus.
Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411
tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus Belehnung
Lit.: Hudson,
Land, Law and Lordship, 1994
terra (lat [F.]) Land, Erde
Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86 (1969), 1; Schubert,
E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996
terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.])
Herrenland
Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T.
bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip. Es gewinnt vor allem seit dem
12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996
Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet (Territorium) bezogene ->
Staat. Der T. ist ein Gegensatz zum Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit
dem 12. Jh. durch (privilegium minus 1156, Reichstag von -> Gelnhausen 1180).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg.
v. Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner
territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und
neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v.
Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien,
6. A. 1999
territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet
Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der frühen Neuzeit gilt im
Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) in geschlossenen Territorien die
Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt des Landesherrn unterworfen
ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.
Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923;
Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg,
1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich
und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling, A.,
Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996; Identità
territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba, M. u. a., 2000
tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand
-> intertiatio
Tertiogenitur (Drittgeburt) -> Primogenitur
Tertullian, Quintus Septimius
Florens (Karthago
um 160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter
den frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.)
Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004
Tessel (F.) Kerbholz
Tessin ist das vom gleichnamigen Fluss durchzogene Alpengebiet,
das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden an die Franken kommt. Bis 1335
fällt es an das Herzogtum -> Mailand, dem es zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen
der -> Schweiz abgewinnen. 1798 wird das bis 1755 ziemlich lose
Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis (Lugano, Bellinzona, 1801 T.)
umgewandelt. 1803 und 1814 entstehen aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli
1830 wird eine noch vor Ausbruch der Revolution in Frankreich erlassene, als
Ausfluss der Volkssouveränität angesehene Verfassung geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli
influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und
Entstehung der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di
Leventina, a cura di Raschèr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone
Ticino, Bd. 1 C, Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991
Testament ist die einseitige, nicht empfangsbedürftige, jederzeit
frei widerrufliche Willenserklärung, mit der ein -> Erblasser eine Regelung
für den Fall seines Todes trifft und dadurch meist die an sich bestehende Rechtslage
abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen
bekannt (lat. [N.] testamentum). 446 lässt Kaiser Valentinian III. das
eigenhändige T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird zusätzlich
wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher Vergabungen das T. im 13.
Jh. im deutschen Reich zunächst von der Geistlichkeit aufgenommen und
verbreitet sich im 14. Jh. allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr
als 2700 überlieferte Testamente). Es bedarf einer gewissen Form (z. B. vor
Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der frühen Neuzeit
wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne dass alle seine
Einzelheiten aufgenommen werden. In der Gegenwart steht das eigenhändige T. im
Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5, 8,
11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73, 89,
114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament im
Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des
Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet
i 1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich
Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln,
1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 103;, 70
(1953), 159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und
Vergabung von Todes wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher,
G., Die Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M.,
The Will in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg.
v. Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und
procurator, Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb.
v. Loose, H., 1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18
(1972), 1; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz,
Gabriele, Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976; Spreckelmeyer,
Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente, in: Vorträge und
Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort, 1977; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der Stadt Braunschweig,
hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989
(Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z. f. bay. LG. 52
(1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9. Jahrhunderts, ZRG
GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des eigenhändigen
Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992; Paulus,
C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen Testamentsrecht,
1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin, 1993; Bauer-Gerland,
F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995; Reinhardt, U., Lüneburger
Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche Testament, 1997; Rappert,
K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken, G., Das Testament
Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das Testament im ägyptischen
Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der Hansestadt Lübeck, 2000;
Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich in fränkischen
Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004),158; Seif, U., Römisch-kanonisches
Erbrecht in mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122
(2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005;
Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae naturae, 2005
Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die Errichtung von -> Testamenten
und -> Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das diesen Rechtsbereich vorübergehend
aus dem -> Bürgerlichen Gesetzbuch herauslöst und seine Formvorschriften
mildert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; Gruchmann, L.,
Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53; Schliepkorte, J.,
Entwicklungen des Erbrechts, 1989
Testamentsvollstrecker ist der vom -> Erblasser zur Ausführung seiner ->
letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch. Das
römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht
entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in
das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 211; Schultze,
A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die Vollstreckung von
Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen Quellen, ZRG GA 42
(1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta,
1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers, 1995;
Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997
Testamentum (lat. [N.]) ist seit dem altrömischen Recht der Zeugenakt,
durch den der -> Erblasser willkürlich bestimmte Personen zu Erben vielleicht
anfangs nur von Einzelgegenständen machen kann. Das t. ist lange durch
bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet. -> Testament
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG 23;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972
Testamentum (N.) apud acta
conditum (lat.) ist das spätantike, bei
der Behörde begründete -> Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) calatis
comitiis (lat.) ist das altrömische, vor
den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich
zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament.
Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67
I 2a; Söllner §§ 5, 8; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten Verwandten entgegen der
Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende -> Testament.
Lit.: Kaser § 70 I 1
Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht das -> Testament vor
dem aufgestellten Heer.
Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c;
Söllner § 5; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per aes et
libram (lat.) ist das durch Erz und Waage
als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner
Gegenstände dienende -> Testament des altrömischen Rechts.
Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b;
Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per
holographam scripturam ist im spätantiken
weströmischen Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte
eigenhändige -> Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit ungültig gemachtes Testament
Testatio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die
Zeugenurkunde.
Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43
Testierfreiheit ist die grundsätzlich von Beginn des Testaments an
bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein -> Testament zu
errichten. Dem römischen Recht schon früh bekannt setzt sie sich im deutschen
Mittelalter seit dem 13. Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat das
römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende des
19. Jh.s ist die T. selbverständlich.
Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.;
Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G.,
Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das
Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di
testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die
Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als
Persönlichkeitsrecht, 2004
testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge
Testis in uno falsus in
nullo fidem meretur (lat.). Ein Zeuge, der
in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Teufel
Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50
Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank und Legende angeblich mit
dem Teufel geschlossene Vertrag.
Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der
Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999
Teutone ist der Angehörige des 102 v. Chr. von den Römern bei Aquae
Sextiae geschlagenen germanischen Volkes.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
teutonicus (lat.-ahd.) deutsch
texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße
Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica, ZRG
GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Textkritik
Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948),
342
Thaleleios (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in
Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste in Scholien
zu den Basiliken erkennbar sind.
Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des Thalelaios,
ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315
Theoderich der Große (451?-30. 8. 526) ist der bekannteste König der Ostgoten
(um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stammend kommt er als Geisel mit
dem römischen Reich in Berührung und erobert danach Italien, so dass ihm Kaiser
Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht. Ihm wird das -> Edictum
Theoderici zugeschrieben.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W., Theoderich
der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur Rechtsstellung
Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der Große, 2003
Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401 – 28. 7. 450), Sohn des
oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser. Unter dem
Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die Zusammenfassung
der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen (Gesetze) in einem
nach ihm benannten Gesetzbuch. -> Codex Theodosianus.
Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994; Ernesti,
J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große, 2003
Theophilos (6. Jh.) ist der byzantinische Rechtslehrer in
Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten -> Codex Justinians
und für die -> Digesten angehört und gemeinsam mit Dorotheos die ->
Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht von ihm stammende
kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie wird als systematische,
lateinische Fachwörter weitgehend übernehmende Einführung in das römische
Recht verwendet.
Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44 (1976),
337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani delineatio, 1985,
40
Theresiana -> Constitutio Criminalis Theresiana
Thesaurus (lat. [M.]) ist im römischen Recht der nach Hadrian
(117-138 n. Chr.) je zur Hälfte an den Finder und den Grundstückseigentümer
fallende -> Schatz.
Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40
thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht
Lit.: Köbler, DRG 31
Thessalien ist das Gebirgsland im mittleren -> Griechenland, das
148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (, Bulgaren und Franken) 1393
an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft wird auch das Recht
unterschiedlich beeinflusst.
Lit.: Magdalino,
P., Between Romaniae, Mediterranean Historical Review 4 (1989), 87
Thessaloniki (Saloniki) in -> Griechenland wird wohl 316/315 v. Chr.
gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität.
Lit.:
Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963
Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4. 1. 1772-Heidelberg 28.
3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen, Königsberg und
Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801 ordentlicher Professor in
Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803 veröffentlicht er unter Abgehen
von der römischen Legalordnung ein zweibändiges System des Pandektenrechts.
1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses aus Vaterlandsliebe für
ein allgemeines bürgerliches Recht in Deutschland ein, unterliegt im sog. ->
Kodifikationsstreit aber -> Savigny und der Reaktion.
Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton Friedrich
Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Kiefner, H.,
Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und Savigny, hg.
v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich Justus
Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987
Thing -> Ding
thiuphadus (lat.-got. [M.])
Knechtsherr (str.)
Lit.: Claude,
D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88 (1971), 181
Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5.
1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg
(Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842
ordentlicher Professor in Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht
er den ersten Band seines romanistisch-systematisch vorgehenden, ein
Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden -> Handelsrechts. Mit ihm begründet
er eine durch -> Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich
ausgeführte, kritische Handelsrechtswissenschaft.
Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die
Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und
Rechtswissenschaft im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980),
21; Kern, B., Georg Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986
Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel 1224/5-Fossanova bei Terracina 7.
3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen von
Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem Studium
in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren Studien in
Paris und Köln 1252 Lehrer der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in
Italien und in Paris (1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wissenschaftlichem
Denken Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und
Wissen strebende (lat.) Summa (F.) theologiae (Summe der Theologie) (1266-73).
Für das Recht bejaht T. v. A. ein auf natürliche Vernunft gegründetes und durch
praktische Vernunft zu verwirklichendes -> Naturrecht. Leben, Freiheit und
Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte.
Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus,
Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas
von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger,
R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998
Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1. 1655-Halle 23. 9. 1728),
Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der Philosophie (1669) und des
Rechts (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder (Stryk) 1682 Rechtslehrer in
Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De crimine bigamiae (Das
Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich erlaubt. 1687 kündigt er
als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an. 1688 begründet er die deutschen
„Monatsgespräche“ als Verbreitungsmittel seiner an der Freiheit im Denken,
Lehren und Schreiben ausgerichteten Vorstellungen (erste deutschsprachige
Monatsschrift). Nach einem Lehrverbot im Jahre 1690 wird er an die
brandenburgische Ritterakademie in -> Halle (1694 Universität) berufen, an
der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt. 1701 erklärt er, obwohl
er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer und Hexen überzeugt
zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der Hexerei) Hexerei als
fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der Geistigkeit des Teufels für
unmöglich. 1705 sieht unter seinem Vorsitz der Promovend Martin Bernhardt die
Folter als unchristlich an, doch lehnt Thomasius selbst Reformvorschläge in
dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk sind seine aufgeklärten (lat.) Fundamenta
(N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), in
denen er das Recht von der Moral ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen
Herrscher gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem
Recht ausschließt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145, 157,
158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso
Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und
die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf,
E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v.
Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E.,
Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius,
1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die
Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse,
hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, Christian
Thomasius und die Abschaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo,
M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995; Schwerhoff, G.,
Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius, hg.
v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v.
Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997;
Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C.,
Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die
219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F.,
Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter moderner
Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006
Thora -> Tora
Thorn an der unteren Weichsel entsteht um die 1233/1234 vom
Hochmeister des -> Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233 erhält die
Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein Schöffenstuhl
urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der Stadtschreiber
Walther Ekhardi -> Neun Bücher magdeburgischen Rechts. Von 1793 bis 1920 ist
T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T. eingerichtet.
Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger Rechts,
1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962; Biskup,
M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus,
2005
Thraker ist der Angehörige des thrakisch sprechenden,
vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden Volkes, das eines der
ältesten und größten indogermanischen Völker ist und bedeutende Prunkstücke der
Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jh. v. Chr. hinterlassen hat.
Lit.: Boshnakov,
K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003
Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit hoher, gerade endender
Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung findet. In diesem
Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und Altar. Eine
Trennung erfolgt erst 1918.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und
Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978;
Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Thronfolge ist die Nachfolge im Herrscheramt, die teils nach Erbrecht,
teils nach Wahlrecht erfolgt.
Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den
germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das Thronfolgerecht
der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G., Geschichte des
Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944,
Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische Hindernisse bei der
Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R., Königswahl und Thronfolge,
1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982; Schmidt, U.,
Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den
Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des deutschen Königs im
Hochmittelalter und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991),
1; Wolf, G., Die Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach
Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA 108 (1991), 282
Thüngen
Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der Familiengeschichte derer von
Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367
thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter der Versammlung auf dem
Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg, E.
Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein und Bodensee gelegene,
über Räter und Römer im 5. Jh. an die Alemannen (und damit an die ->
Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264 kommt es an die
Grafen von Habsburg. 1460/1461 erobern die Eidgenossen der -> Schweiz den T.
und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792 unabhängig wird und sich
1798 der helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz eingliedert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das
Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im
Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen
Simultanverhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus,
1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren,
Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge zur
Geschichte 130 (1993), 5
Thüringen ist das von den Thüringern (um 400
Toringi [Vegetius], verwandt mit den gotischen Terwingern?) besiedelte Gebiet. Seit
dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den -> Wettinern
territorial, wird aber 1920 nochmals zusammengefasst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75;
Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und Verfassung thüringischer
Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption des mittelalterlichen
römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (masch.schr.)Eberhard,
H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75 (1958),
108; Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt, H.,
1958ff.; Übersicht über die Bestände des thüringischen Landeshauptarchivs
Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und weitere Bände für Landesarchive); Heiss,
U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der
Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Patze, H., Bibliographie zur
thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967; Klein,
T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B., Thüringen-Handbuch,
1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche
Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich Raspe, hg. v.
Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005; Grahn-Hoek,
H., Stamm und Reich der frühen Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56
(2002), 7
Thüringer ist der Angehörige des germanischen, um 400 mit einem
Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der Thüringer, die noch
im deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für sie wird 802 die -> Lex
Thuringorum aufgezeichnet.
Thurn und Taxis ist die im 13. Jh. in Oberitalien nachweisbare Familie, die
seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des Heiligen Römischen Reichs
(deutscher Nation) erlangt (1595 Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die
Familie in ihrem Reichsfürstentum Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch. 1793 wird ein Strafgesetzbuchentwurf erstellt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939;
Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z.
f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und
Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich thurn
und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998
Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung des Papstes in
konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht vielleicht auf eine
persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie sich für den Papst
nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.
Lit.: Sachsse, Tiara und Mitra der Päpste, ZKG 35 (1914),
481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und päpstlichen Tiara,
1975
Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche Versammlungsplatz in
Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und Magdeburg).
Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz
1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt.
Sprachforschung 101 (1978), 158
Tier ist das Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen
von Vernunft und Sprache und von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und
Empfindungsvermögen unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als ->
Sache behandelt. Im Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die
fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und
zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber
grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988,
Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im
römischen Recht die Noxalhaftung (lat. noxae datio [F.]), im deutschen Recht
die später als -> Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters).
Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269;
Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E.,
The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff,
H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein
Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der
abendländischen Rechtsauffassung, in: Studium generale. Vorträge zum Thema
Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A.,
Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985),
109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das
Tierschutzrecht, 1999; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung, 2002; Giebel,
M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini, W., Tiere aus dem Norden, DA 59
(2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 1972, 2004
Tierepos ist das ein -> Tier als Sinnbild eines Menschen
verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind der Ysengrimus des
Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des Elsässers Heinrich
(1180/1191).
Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform, 1925;
Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische Tierepos,
1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v. Mann, J.,
1987
Tierhalterhaftung -> Tier
Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist das repetierende byzantinische
Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.
Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani
delineatio, 1985, 102
Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le-Comte 1488-1558), adliger
Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter. 1513 kommentiert er
den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das Gewohnheitsrecht von
Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die Stiftung (De
privilegiis piae causae).
Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de
la renaissance, 1937
Tirol im von Natur aus unwirtlichen Herzen der Alpen wird 15 v.
Chr. von den Römern (Noricum, Raetia, Venetia et Istria) besetzt, die seit dem
5. Jh. germanischen Völkern (Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) weichen.
1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König zur Sicherung des Weges nach
Italien Grafschaften im Gebirge an die Bischöfe von -> Trient und ->
Brixen, die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen
Grafengeschlechtern setzen sich die nach der Burg T. (ältester erhaltener
Balken von 1106) bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert
1190-1253, Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). 1363 geht das sich von ->
Bayern allmählich verselbständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch
Margarethe Maultasch unter Unterstützung seitens jüdischer Geldgeber an ->
Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die spätmittelalterliche maximilianische
Verwaltungsreform, die Regiment und Raitkammer einführt. 1499 schafft König
Maximilian (der letzte Ritter) für T. eine dem Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung
(Malefizordnung). 1504/1506 werden als Gewinn aus dem bayerischen
Erbfolgestreit Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1526 erreicht
T. eine von Michael Gaismair geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im
Absolutismus erfolgt eine verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat
Österreich. 1803 werden die Hochstifte -> Trient und -> Brixen
eingegliedert. In napoleonischer Zeit versucht Andreas -> Hofer (1809)
vergeblich die Befreiung von der Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns. 1919 werden
Deutschsüdtirol (vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das Trentino als Lohn
für die italienische Haltung im ersten Weltkrieg von den Alliierten an ->
Italien gegeben und danach in erheblichem Umfang italienisiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170, 220;
Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische
Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des
römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen
in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien
bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur
Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905; Kogler,
F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des
Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte
Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von
Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf
Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97; Stolz,
O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über
Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin
Claudia für die Boznermärkte (1635), 1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils
in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in
Tirol, ZRG GA 49 (1929), 439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte
einer einst bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz,
O., Die Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28
(1933), 699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter,
F., 1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und
Rechtsgeschichte der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des Landes
Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und
Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche
Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Lasndesfürsten von 1288-1350, 1957; Linder,
K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams, Schlernschriften 146
(1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol, hg. v. Huter,
F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol 1648-1740, 1960; Bundsmann,
A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961; Das
älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315, bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue
Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols (FS Franz Huter), hg. v.
Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus der Geschichte der Nordtiroler
Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F., Die Innsbrucker Familie
Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in Tirol, hg. v. d. Tiroler
Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im Leben Tirols, 1971; Bitschnau,
M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und 1300, 1983; Riedmann, J., Die
Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von Tirol zu Italien bis zum Jahre
1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller Familien Inama, 1978; Fontana,
J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff. 2. A. 1990; Riedmann, J.,
Geschichte Tirols, 3. A. 2001; Kathrein, I., Parlamentarismus in Tirol, 1988;
Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u. a., 1988; Köbler, G., Vom
Tiroler Recht, in: Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993, 3; Baum,
W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass,
N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König, Kirche, Adel –
Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R. u. a., 1999; Die
Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A., Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach,
M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002; Albertoni, G., Die Herrschaft
des Bischofs, 2003
Tisch ist das aus einer auf Beinen ruhenden Platte bestehende
Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet werden kann (z. B. Gerichtstisch,
Trennung von Tisch und Bett).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Titel ist die besondere Bezeichnung eines Menschen oder eines
Werkes bzw. Werkteiles. Die T. von Herrschern und Funktionen wechseln seit dem
Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2 1973;
Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v. Wolfram, H.
u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum und Papsttum
im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis Spektabilis, 2004
Titelherzogtum ist das als bloßer -> Titel verliehene Herzogtum.
Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft, ZRG
GA 73 (1956), 225
Titulus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen Recht der
Rechtsgrund eines Eigentumserwerbes. Nach der späteren Lehre (Johannes ->
Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t. acquirendi (z. B.
Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z. B. Übergabe). Dies
wird in Deutschland im 19. Jh. durch -> Savigny verändert. -> Einigung
Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212;
Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927
Tobitschau in Mähren ist der Ort, nach dem ein 1481 vom Hofrichter und
Landeshauptmann Ctibor von Cimburk und Tovacovská (T.) (1437-1494) in
tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70 bekannte Handschriften
überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des spätmittelalterlichen
mährischen Landesrechtes benannt ist (Tobitschauer Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská).
Es betrifft Verfassungsrecht, Prozessrecht, Erbrecht, Vormundschaftsrecht,
Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des deutschen Rechts ist gering, ein
Einfluss des römischen Rechts fehlt. 1535 wird das Tobitschauer Rechtsbuch für
die mährische Landesordnung verwertet.
Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der
Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H.,
Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931
Tocco -> Karolus de Tocco, -> Lombarda
Tod ist das Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens,
insbesondere eines Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in
der Medizin auch in der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind
(Hirntod?), endet die -> Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus
entstehenden Fragen befasst sich bereits früh vor allem das -> Erbrecht. Im
Strafvollzug ist der T. die angestrebte Rechtsfolge der -> Todesstrafe.
Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG 23
u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke, E.,
Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter Lebenden
auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972; Latzel, K.,
Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im Mittelalter, 1990;
Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter, hg. v. Borst, A. u.
a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999
Todeserklärung ist die Feststellung des Todes eines Verschollenen auf
Grund eines Aufgebotsverfahrens. Sie entwickelt sich aus der im Spätmittelalter
sichtbaren Todesvermutung im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht
von dort in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird
ein eigenes deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die
Tschechoslowakei, Italien und Spanien.
Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A.
1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Todesstrafe ist die in der Tötung eines Menschen bestehende ->
Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt. Inwieweit sie den Germanen als
Strafe geläufig ist, ist streitig. Vom ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh.
findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den hochmittelalterlichen
Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich (Hängen, Enthaupten, Ertränken, Vierteilen,
Lebendigbegraben, Verbrennen, Vergiften, Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern,
Rädern, Erschießen, Steinigen). Vollzogen wird sie meist vom -> Henker oder
-> Scharfrichter (im Spätmittelalter in Konstanz jährlich durchschnittlich
3-4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die Hälfte der Todesurteile wird durch
Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jh. lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764)
die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790, Österreich 1787-1795, Einschränkung in
Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen Verfahren am
7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der Schweiz, 1949 in
der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der Deutschen
Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan, 1998 in
Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der Todesstrafe
fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen, vor allem in
China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von Amerika),
während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu
Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll
des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das
sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention streben die
Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats auf
Abschafftung der T. auch im Kriegsfall.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56, 71,
87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Goldschmit,
H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41 (1925), 41
(1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Ström, F.,
On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner, G., Die
Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955; Wettstein, E.,
Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub, B., Der Einfluss
der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 4. A.
2002; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers,
1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren, in: Recht im
frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109; Evans, R., Rituals
of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996; Schabas, W., The
abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die Todesstrafen im
Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg. v. Boulanger,
C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl, B., Im Kampf
gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839), 2000 ;
Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001;
Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die
Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist
keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004
Todesurteil ist das auf die -> Todesstrafe erkennende Urteil.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Toleranz ist die geduldige Hinnahme (andersartiger) Anschauungen und
Verhaltensweisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der Religion seit der
frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615 anerkennt der zum
Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den Fortbestand des
Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den Hugenotten. 1781
gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der (lutherischen) augsburgischen
und helvetischen Konfession sowie den orthodoxen nicht unierten Griechen in
einem Toleranzpatent gewisse T. Dieses Toleranzpatent bleibt bis 1849 bzw. 1861
in Kraft.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg.
v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen
Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f.
Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984;
Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in
Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der
Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg.
v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher,
H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006
Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in Lyon
von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt maßgeblich
bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen -> Bürgerlichen
Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist ein systematisches
Lehrbuch des bürgerlichen Rechts (1903ff.).
Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E., Minpô ronshû,
Bd. 5 1986, 145
Tonti oder Tontine ist das nach dem neapolitanischen Arzt Lorenzo
Tonti (1630-1695) benannte, in den romanischen Ländern verbreitete
Gewinnverteilungssystem, bei dem Einzahlungen in besonderen Fonds angesammelt
und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden der Einleger bzw. dem
Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet werden.
Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag,
1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963
Topik ist die Lehre von den gängigen, allgemein anerkannten
Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der griechischen Philosophie
(Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft gewinnt sie nur zeitweise
eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp, Vico, Viehweg [1907-88]).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische
Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974;
Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W.
Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft
und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988
Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist die
jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere das
fünfte Buch. Die T. steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist Gesetz
des jüdischen Gottes.
Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion, 1992;
Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R., Das
Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei Philon
von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001
Torgau
Lit.: Knabe, C., Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R.,
Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16.
Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372
Tortur (F.) Folter
Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926,
Neudruck 1983; Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f.
1953f.;
Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees
Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1
Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von
Tar a ry, komm o König, um 1680, -> whig vielleicht von whig „dünnes Bier“
oder von whigman „Antreibestock“, um 1680)
Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia, vorher Etruria) ist eine lange Zeit zum Heiligen
Römischen Reich zählende Landschaft in Italien. Seit 1765 ist sie mit Florenz
als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur, in der bedeutsame
Gesetzesvorhaben entwickelt werden (Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145
Artikel erweiterter Entwurf einer wohl von Amerika beeinflussten,
konstitutionelle Monarchie anstrebenden -> Verfassung, dessen Verwirklichung
unterbleibt, als aus dynastischen Gründen die unmittelbare Zuordnung zu
Österreich wahrscheinlich wird). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien
und damit mit -> Italien (1861) vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P.,
Großherzogtum Toskana, 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codes diplomaticus Amiatinus, hg. v.
Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F., Die Habsburger in der Toskana,
1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati, M., 1992; Graf, G., Der
Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T., Die Revolte des
Patriziats, 1999
Totalitarismus ist die im 20. Jh. verwirklichte, auf vollständige
Unterdrückung angelegte Herrschaftsform.
Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995; Totalitarismus
und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Wippermann,
W., Totalitarismustheorien, 1997; Totilitarismus, hg. v. Söllner, A. u. a.,
1997; Totalitarimustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998; Totalitarismus im 20.
Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen Politk und Religion, hg. v.
Hildebrand, K., 2003
Tote Hand ist eine Bezeichnung für kirchliche Einrichtungen, die das
von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen. Hiergegen wenden sich
rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen Städten. Im 19. Jh.
verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der toten Hand.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead Hand,
1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990
Totenglaube
Lit.: His, R., Der Totenglaube in der Geschichte des germanischen
Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht und Totenglauben bei den
Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274
Totenteil -> Freiteil
Lit.:
Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297;
Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im griechischen Recht, 1926;
Toter
Lit.:
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936
Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie Zeugungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)
Totschlag ist die nicht als Mord qualifizierte vorsätzliche Tötung
eines Menschen, früher vielfach auch die Tötung allgemein. Sie zieht im
Frühmittelalter die Verpflichtung zur Leistung von -> Wergeld, später eine
-> Strafe nach sich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die Totschlagssühne
in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W., Totschlagsühne und
Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung und ihre Folgen, ZRG
GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v. Sellert, W. 1992; Sonnen,
W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg, Annalen des historischen Vereins
für den Niederrhein 1938; Jänichen, H., Schwäbische Totschlagsühnen, Zs. f.
württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993,
91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122
(2005), 113
Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit die vollständige
Aufteilung des Gutes einer -> Gesamthand an ihre Mitglieder.
Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte der
germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264
Tötung ist die Verursachung des -> Todes eines Lebewesens,
insbesondere eines Menschen. Unterschiedliche Formen eines Tötungsdeliktes
sind insbesondere -> Mord, -> Totschlag, Kindestötung und fahrlässige T.
Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die
Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v.
Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der
Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984
Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen Leuker,
wird im 4. Jh. im römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an das
ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der im 13. Jh. errungenen
Reichsunmittelbarkeit (Reichsstadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils
ein Stadtrecht aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, J., Sur le droit urban de Toul, in: Economies et sociétés au Moyen
Age, 1973, 273; Bönnen, G., Die Bischofsstadt Toul, 1995
Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort der keltischen Turonen,
ist seit dem 3. Jh. Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor von Tours). Aus
fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt.
Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886; Gregor
von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher
Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de
Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985
tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht
Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69
Traditio (lat. [F.]) ist bereits im altrömischen Recht die formlose
-> Übergabe einer -> Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung,
Kauf oder Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der
Aufnahme des römischen Rechts seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.)
-> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart).
Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta,
1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the
transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und
traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984
traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v. Classen,
P., 1977
traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch (Übertragung einer) Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Tradition ist das von Generation zu Generation übergebene Geistesgut
bzw. im Frühmittelalter die Übergabe eines Gegenstands in körperlicher oder
symbolischer Gestalt bzw. die sie verkörpernde -> Urkunde. Einzelne Klöster
und Hochstifte fassen die Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.
Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4,
81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607; Redlich, O.,
Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1; Grüner, F.,
Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung und Wandel
rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980; Molitor, S., Das
Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels, R., Sachzuordnung
durch Kaufvertrag, 2002
Traditionsbuch -> Tradition
Träger
Lit.: Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975
Traktat (M.) Abhandlung
Lit.:
Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über romanisch-fränkisches
Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Bexerle, F., Das frühmittelalterliche
Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1
Transactio (lat. [F.]) ist im römischen Recht als formlose Abrede,
einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Recht durch gegenseitiges
Nachgeben zu beenden (-> Vergleich), nur ein Fall des vereinbarten ->
Erlasses.
Lit.: Kaser § 53 II 3c
Transcriptio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht der beim nur
kurzzeitig üblichen -> Litteralkontrakt die -> Obligation begründende
Schriftakt.
Lit.: Köbler, DRG 45
Translatio (F.) imperii (lat.) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den
Römern (und später oströmischen Griechen) innegehabten Weltherrschaft durch den
Papst auf den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem
11. Jh. erkennen.
Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii, 1958;
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987
Transmissio (lat. [F.]) ist im spätantiken römischen Recht die
Vererbung des Rechts des Außenerben auf seine Erben.
Lit.: Kaser § 72 IV
Transportvertrag ist der eine Beförderung betreffende -> Werkvertrag.
Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987
Transsilvanien -> Siebenbürgen
trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen, d. h. in die Sklaverei
geben
Lit.: Kaser § 15 II 3
Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zur Zahlung
anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare ->
Wechsel.
Trauung ist die Form der -> Eheschließung. Sie entwickelt sich
aus gebräuchlichen Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt
dieses auf die T. Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf
der Grundlage des Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die
-> Ehe begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot
(1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875
erfolgt die weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die
Bezeichnung T. vermieden wird, vor dem -> Standesbeamten (Zivilehe).
Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung,
1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und
Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition
und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P.,
Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe,
ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG
GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981;
Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung
und Trauung, 2004
Trennung von Justiz und
Verwaltung -> Gewaltenteilung
Trennung von Staat und
Kirche ist die von der Aufklärung
geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und
Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in
Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest
im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v., Staatskirchenrecht,
3. A. 1996
Tres conformes
sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei
gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht
keine -> Appellation mehr erhoben werden kann.
Lit.: Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation, 1976, 169
Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)
trespass (engl. [N.]) Überschreitung, Friedensbruch, Angriff,
Beschädigung
Treue ist die innere feste Bindung eines Menschen an einen
Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die T. eine besondere
germanisch-deutsche Eigenheit ist. Erhebliche Bedeutung kommt der T. im
Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zum Staat in einem besonderen
Treueverhältnis.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3;
Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Schwerin, C. v., Die
Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323; Puntschart, P.,
Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA 26 (1905), 165;
Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrages, 1914; Hueck, A., Der
Treuegedanke im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., und Treuevorbehalt,
ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in
Frankreich und England, 1952; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959;
Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U.,
Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Fikentscher, W.,
De fide et perfidia, 1969; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung,
1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K.,
Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183;
Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht –Treuebindung, 2002; Schneider, N.,
Uberrima fides, 2004
Treubruch
Lit.: Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen
Strafrecht, 1937
Treuga (F.) Dei (mlat.,
Wort treuga am ehesten aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist
die durch die Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe
Gottes. -> Gottesfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101
Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im Juli 1224 durch König
Heinrich (VII.) erreichter -> Landfriede (für das Reich?).
Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952
Treuhand ist das Rechtsverhältnis, bei dem ein Teil (Treuhänder)
nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes Recht hat, dieses aber auf
Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag, Sicherungsvertrag) ganz
oder teilweise im Interesse des anderen Teiles (Treugeber) ausüben soll. Die T.
ist dem klassischen römischen Recht bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in
einzelnen Erscheinungsformen vielleicht auch im deutschen Recht (Affatomie,
Testamentsvollstreckung, Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jh. wird
daraus aber eine allgemeine Einrichtung entwickelt, die vom deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch nicht aufgenommen wird. Im englischen Recht
ist der -> trust bedeutsam.
Lit.: Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze, A., Die
langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG GA 28
(1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Beyerle, F.,
Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die
Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand,
1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.,
1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998
Treuhandanstalt ist die 1990 nach dem Beitritt der -> Deutschen
Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland geschaffene, 1995
aufgelöste Anstalt zur Überführung von Volkseigentum in Privateigentum.
Lit.: Köbler, DRG 249
Treu und Glauben ist der Verhaltensmaßstab, der das Verhalten eines redlich
und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er ähnelt der (lat.) -> bona
fides (F.), die im römischen Recht für bestimmte Schuldverhältnisse zu beachten
ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem Spätmittelalter belegen.
Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) entwickelt sich T. u.
G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906), 1;
Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956; Nesemann,
K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel „Treu und Glauben“ in
Gesetz und Rechtspreechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H., Treu und
Glauben, 1974
Trialismus ist in Österreich im 19. Jh. die erfolglose Bestrebung,
neben Österreich und Ungarn einen dritten, aus Böhmen, Mähren und Südslawien
bestehenden Staatsteil zu schaffen.
Lit.: Baltl/Kocher
Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der aus Kleinasien
(Pamphylien) stammende griechischsprachige, unter -> Justinian zu hohen
Ämtern (Kanzleileiter, Justizminister) aufsteigende, oströmische Jurist. Er ist
528/529 Mitglied der Kommission für den -> Codex, seit 530 Mitglied einer
Kommission für die -> Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei anderen
Rechtslehrern die -> Institutionen.
Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978
tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun
Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988
tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer
Lit.: Köbler, DRG 32
Tridentinum (lat. [N.]) ist das in Trient zwischen 1545 und 1563
tagende Konzil der katholischen -> Kirche. Es versteht sich als Reformkonzil
und stärkt die Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit
der Ehe und schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor.
Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G., Bd.
1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Jedin, H.,
Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient und
die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001
Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die Römer übergeht, ist
seit dem späten 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1004/27 Grafenrechte erhält.
1185ff. findet sich dort -> Bergrecht. 1803 fällt das Hochstift an ->
Tirol, 1919 mit Südtirol an -> Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v., Die
ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92 (1902),
83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann, D./Ludwig, K.,
Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai confini, 1996;
Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001; Curzel,
E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001; Bettoti, M., La
nobilità trentina, 2002
Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von Augustus im Gebiet der
Treverer gegründet und entwickelt sich im 4. Jh. zur größten römischen Stadt
nördlich der Alpen (60-70000 Einwohner). Im 6. Jh. bzw. kurz vor 800 wird der
dortige Bischof Erzbischof, im 13. Jh. Kurfürst. 1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798
bis 1970 aufgelöste Universität. Nach älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515,
1537) wird 1668 ein wohl von Johannes Holler und Matthias Franziskus von Troya
unter Ausrichtung am einheimischen Recht geschaffenes, 1713 stärker
romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18 bzw. später 22 Titeln in
Kraft gesetzt. 1815/1816 gelangen die meisten Güter an -> Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J., Sammlung
der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der Landeshoheit in
Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer
Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909; Kremer,
J., Studien zur Geschichte der Trier Wahlkapitulationen, 1911; Quellen zur
Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier, hg. v.
Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die Liegenschaften
der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler, H./Laufner, R.,
Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das Landrecht des
Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer Landrechts,
1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984; Anton, H., Trier
im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften im Bezirk Trier,
1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier, 1995; Trier im
Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und Trier, 1998;
Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero von Montreuil, 2006; Clemens, G.,
Geschichte der Stadt Trier, 2007
Trifels bei Annweiler ist eine 1081 erstmals genannte Reichsburg,
in der zwischen 1125 und 1273 die -> Reichskleinodien aufbewahrt werden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der
Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939;
Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971
Trift
Lit.: Herold, H., Trift und Flößerein in Graubünden, 1982
Triftrecht -> Trittrecht
trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten
Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22
tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar des Sextus Aelius Paetus
Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechts
Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29
Trittrecht, Triftrecht ist das mittelalterliche Wegerecht für das
Treiben von Vieh (Viehtriebsrecht).
Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch Anfügung der französischen
Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten Staaten von Amerika und
Großbritanniens entstehende Gebiet des -> Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
245
Trödelvertrag (lat. contractus [M.] aestimatorius) ist der bereits dem
römischen Recht bekannte Vertrag (Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb
einer bestimmten Zeit entweder ein Preis geliefert oder eine übergebene Sache
zurückgegeben werden soll.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der
Trödelvertrag, in: Innominatverträge, 1988, 95
Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann,
M./Mannsperger, D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der
neue Streit um Troia, hg. v. Ulf, C., 2003
Tromsö im nördlichen Norwegen wird im 9. Jh. angelegt, aber erst
1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung im 18. Jh. erhält es 1968 eine
Universität.
Truchsess oder -> Seneschall ist der mit der Verpflegung des
fränkischen-deutschen Königshofes betraute Amtsträger. Dieses Amt hat seit dem
Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne. Später entwickelt sich
an vielen landesherrlichen Höfen ein T.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112; Latzke,
I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970; Rösener,
W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Trucksystem ist im 19. Jh. von England kommend das System der
Entlohnung eines Arbeiters mit vom Arbeitgeber vertriebenen Waren. Es wird
wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch im 19. Jh.
unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Trunkenheit ist der durch Alkoholgenuss verursachte Zustand eines
Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jh. rechtlich erfasst. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s wird die T. im Straßenverkehr entschiedener bekämpft.
Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht,
1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck
1977; Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im
Mittelalter, 2002
trust (M.) Treuhandverhältnis, -> Treuhand
Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004; Wolff,
J., Trust, 2005
trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang, Gefolge
Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht, 1976;
Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist. Terminologie
1974, 534
Tryphoninus, Claudius,
römischer Jurist Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten überlieferte
Fragmente wohl aus dem Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische Anleitung)
Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Ckaudius
Tryphoninus, 2004
Tschechien
Lit.: Antologie české právní vědy (Antologie der
tschechischen Rechtswissenschaft), 1993
Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den österreichischen Gebieten
-> Böhmen und -> Mähren unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden
Deutschen gebildete, 1938/1939 von Adolf Hitler nach dem Münchener Abkommen
verkleinerte und danach annektierte, 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der
Deutschen wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus sowjetischer Prägung zugeführte,
1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei
aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220, 223,
246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.; Vaněček,
V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des Kapitalismus), 1953; Hoensch,
J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik 1918-1965, 1966; Česká narodní rada, sněm českého lidu
(Der tschechische Nationalrat, Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet
v. Vaněček, V., 1970; Maly, K., Tschechoslowakische
rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W., Der tschechoslowakische
Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB von 1937, ZRG GA 112
(1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia, in: Intern. Journal of
legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie 1996;
Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die
Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und
Aussiedlungen in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen,
Ungarn und Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v.
Sommer, P., 2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die
Beneš-Dekrete, 2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete,
2002; Payrleitner, A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G.,
Rechtstschechisch, 2003
Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als Dorf, 1078 als Burg. 1342
fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477 eine Universität gründet
(Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg, teils aus Stuttgart übernommen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G.,
Verfassung und Verwaltung der Stadt Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1; Haller,
J., Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz,
W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R.,
Gericht und Rat in Tübingen, 1960; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von
1493, 1963; Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen,
H., Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11.
und 12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v.
Rau, R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der
Eberhard-Karls-Universität, 1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v.
Rau, R., 1970; Finke, K., Die Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Sydow,
J., Geschichte der Stadt Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger
Universitätsverfassung im Zeitalter des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt und
Universität Tübingen in der Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500
Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff.
1977ff.; Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v.
Elsener, F., 1977; Adam, U., Hochschule und Nationalsozialismus, 1977; Cellius, E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v.
Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach,
1981; Die Pfalzgrafen von Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill-Rademacher,
I., .. zu nutz, 1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck,
S. u. a., 2000; Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001;
Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S.,
Leben und Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger
1670-1813, 2003
Tübinger Rechtsbuch ist der in acht Handschriften überlieferte, 135 Auszüge
aus dem Gesetzgebungswerk -> Justinians enthaltende, vielleicht um 1160 im
Dauphiné entstandene Rechtstext.
Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft,
1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Tudor ist das seit 1232 nachweisbare walisische Geschlecht, das
von 1485 bis 1603 den Königsthron -> Englands erlangt (Heinrich VIII.
1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).
Lit.: Baker, J.,
An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und
die Stuarts, 2004
Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864-Zürich 1925),
Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig
(Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und
Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine Teil des Deutschen
Bürgerlichen Rechts“.
Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257;
Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938
Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein Gebäude
oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Turin in der Poebene ist Hauptort der Turiner, der unter Augustus
(63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird. Im 5. Jh. wird ein
Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T. 1048 an ->
Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbstverwaltung. 1280 fällt T.
wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von 1861 bis 1865
ist T. Hauptstadt Italiens.
Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a.,
1993
Türke ist der Angehörige des (nach den Scharen der Hunnen und
Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen kommenden, seit dem
Ende des 8. Jh.s zum -> Islam übertretenden, im 11. Jh. unter den -> Seldschuken
nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz) eindringenden Turkvolks. Im 13. Jh.
wird das von den Seldschuken gebildete Reich von den Mongolen zerschlagen, doch
werden die Türken im 14. Jh. unter den -> Osmanen (Osman I. 1299-1326) von Nordwestanatolien
aus geeint. Am 29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und danach in Istanbul
(Est in Polis) umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien. Unter Sultan
Suleiman, dem Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie ein
Gesetz über Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zur Abwehr der Türken
versucht das Heilige Römische Reich (deutscher Nation) mehrfach erfolglos,
Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die Türken
allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (-> Griechenland, Bulgarien,
Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina). Am 3. 11. 1839 verspricht
der Sultan im Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in freiwilliger
Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen des Landes
entsprechender Bestimmungen (Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild des Code de
commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozessordnung 1860, Seehandelsgesetz 1864,
Strafprozessordnung 1880, Zivilprozessordnung 1881). Im ersten Weltkrieg
verbündet sich die Türkei mit dem deutschen Reich und Österreich-Ungarn. 1916
ruft sich der Emir von Mekka mit Unterstützung Großbritanniens zum König
Arabiens aus. 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich auch Palästina
und Syrien ab. Die Türkei wird teilweise von den Alliierten besetzt. Eine
Befreiungsbewegung unter dem General Mustafa Kemal Pascha (Atatürk) verlegt die
Hauptstadt nach Angora. 1922 wird der Sultan abgesetzt. Am 23. 10. 1923 wird
Angora in Ankara umbenannt. Am 29. 10. 1923 wird in der Türkei die ->
Republik ausgerufen. Schrift (Lateinschrift), Maßsystem, Kalender, Wochensystem,
Kopfbedeckung undStellung des Islam im Staat werden verwestlicht, das Privatrecht
(Einehe) unter Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuches (1925) völlig neu
geregelt. Seit 1964 bemüht sich die Türkei um den Zugang zur Europäischen
Gemeinschaft bzw. Europäischen Union.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131;
Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die
frühen Türken, 1992; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v.
Motika, R. u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v.
Scholler, H., 1996; Tibi, B., Aufbruch am Bospurus, 1998; Steinbach, U.,
Geschichte der Türkei, 2000; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v.
Guthmüller, B. u. a., 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002; Hacisalihoglu,
M., Die Jungtürken und die mazedonische Frage, 2003; Matschke, K., Das Kreuz
und der Halbmond, 2004; Krieger, E., Die Europakandidatur der Türkei, 2006
Türkei -> Türken
Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in der
Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382; Schulze, W.,
Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer Prozess, 1984;
Steinbach, U., Geschichte der Türkei, 2000; Seufert, G./Kubaseck, C., Die
Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei, 2005; Carnevale, R. u.
a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005
Turku (Abo) in -> Finnland wird 1154 erstmals erwähnt. 1276
wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt (bis 1812). 1640 wird
eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität (Akademie)
eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste finnische
Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher
Professor der juristischen Fakultät lehrt.
Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius,
1917
Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel im Mittelalter
Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v.
Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989
turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit
Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2
Tutela (lat. [F.]) ist im römischen Recht die -> Vormundschaft.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I
2a, 20 I 1, 58 IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler,
LAW
Tutor (lat. [M.]) ist schon im altrömischen Recht der ->
Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt unterworfene gewaltfreie
Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis 12) und die gewaltfreie
Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des
Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur Wirksamkeit der Bekräftigung (lat. [F.]
-> auctoritas) des t. Tutor ist der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder,
Bruderssohn), hilfsweise der nächste Gentile, bei Freigelassenen der
Freilasser. Der Hausvater kann im Testament einen t. bestimmen, der die
Übernahme ablehnen kann.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57
Twing -> Bann, Zwang
Typenzwang ist die Bindung an bestimmte vorgegebene
Rechtsverhältnisse. Im klassischen römischen Recht besteht bei den
Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im spätantiken, weströmischen Recht (Vulgarrecht)
aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die
Typengebundenheit des römischen Rechts nicht übernommen. Dagegen geht das
Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen
Rechtsverhältnissen aus.
Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher, H.,
Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270;
Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7. Jh. v. Chr. bekannte
gewaltsame Herrscher.
Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im Spätmittelalter,
1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der Tyrannenmord, 1996; Große
Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti, M., Tyrannie et
tyrannicide, 2001
U
Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes über die Grenze eines
-> Grundstücks. Der Ü. muss im römischen Recht in engen Grenzen geduldet
werden. Im Übrigen hat der Eigentümer des überbauten Grundücks einen
Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden rechtmäßigen Ü.,
gewährt aber auch einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem rechtswidrigen Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3; Wolff,
M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP 141
(1935), 183
Übereignung ist die Übertragung des -> Eigentums an einer ->
Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.) mancipi
(handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) -> mancipatio, sonst durch (lat.
[F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. -> sala (Gabe)
und giwerida (-> Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis zueinander
völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die Eintragung in
-> Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der Sachsenspiegel (1221-1224)
erfordert für Eigen und Leute -> Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. Nach
->Accursius († vor 1263) wird wohl Eigentum übertragen, wenn ein
rechtmäßiger Grund für die Übertragung (iusta causa traditionis) und ein
Übereignungswille vorliegen. In der frühen Neuzeit setzt sich die Lehre vom
(lat.) -> modus (M.) acquirendi (Erwerbsart) durch, doch entscheidet sich
beispielsweise Frankreich 1804 (Portalis) für die Eigentumsübertragung durch
bloßen Vertrag (Kaufvertrag, Konsens). -> Savigny entwickelt demgegenüber
den besonderen sachenrechtlichen Vertrag der -> Einigung (abstrakte Einigung
und Übergabe oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900). Bei Grundstücken wird die -> Eintragung in
das Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). -> Abstraktion
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124, 163,
174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im
ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der
Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung,
Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973;
Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, in: Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur
naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder
abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum
transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der
Geschichte, in: Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913
Überfall ist im Sachenrecht die von einem Baum oder Strauch auf ein
Nachbargrundstück hinüberfallende -> Frucht. Nach altrömischem Recht darf
der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag vom fremden Grundstück holen. Nach der
Sachsenspiegelglosse (14. Jh.) gehört der Ü. dem fremden Grundstückseigentümer.
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) lässt dem fremden
Grundstückseigentümer den Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über den
Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in:
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Übergabe ist die Verschaffung des unmittelbaren -> Besitzes an
einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen Herrschaftsgewalt. Als (lat.
[F.]) traditio, die -> Eigentum verschaffen kann, erscheint die Ü. bereits
im altrömischen Recht. Sie hat für die Verschaffung von Besitz oder Eigentum
bis in die Gegenwart Bedeutung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung und Ü. oder
Übergabesurrogat verschafft.
Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher, G.,
Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als
Übergabesurrogat, 1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984
Überhang ist die von einem Nachbargrundstück eingedrungene Wurzel
oder der herüberragende Zweig. Nach altrömischem Recht kann der beeinträchtigte
Nachbar vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei deren Ausbleiben selbst
handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf kein Ast zum Schaden des
Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen partikularen Regelungen
gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem beeinträchtigten Nachbarn
einen Beseitigungsanspruch, der durch -> Selbsthilfe verwirklicht werden
kann.
Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht des
Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Überküren (afries. urkera) sind 7 neue -> Küren des friesischen
Rechts, die u. a. die Verfassung des Bundes von -> Upstallsbom enthalten.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840;
His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA 57
(1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f.
1981
Übermaßverbot
Lit.: Remmert, B., Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche
Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995
Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden Verständnisses eines
fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im Frühmittelalter dadurch,
dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch) verlaufende
Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer Fremdsprache (Latein)
aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden muss. Das Verständnis des
frühmittelalterlichen lateinischen Wortes kann dabei dadurch erleichtert
werden, dass man die Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums durch
Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog.
Übersetzungsgleichungen) berücksichtigt.
Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P.,
Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum
Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984;
Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Lateinisch-althochdeutsches
Wörterbuch, 1996
Übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger und sechs Eidhelfer Überführen
im Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den Reinigungseid des Beklagten mit 6
Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei -> handhafter Tat und ->
landschädlichen Leuten statt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen der
schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des
Übersiebnungsverfahrens, FS L. Carlen, 1989, 211
Übertragung ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer
Rechtsstellung auf eine andere Person. -> Übereignung, -> Abtretung,
-> Einigung, -> Übergabe
Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die
Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG
GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276; Hagemann,
H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d. Kantons Bern
44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über
Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984
Übertretung ist zeitweise die einfachste Form einer Straftat (z. B.
Ruhestörung). Die Ü. wird im 18. Jh. mit der ein vereinfachtes Verfahren
ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts verfolgt. Sie wird als bloßes
Delikt im formellen Sinn von der präventiv handelnden Polizei bekämpft. Nach
französischem Vorbild steht sie als (franz. [F.]) contravention neben ->
Verbrechen und -> Vergehen. Nach -> Binding (1872) ist die Ü.
Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü. wegen ihrer großen Zahl aus dem
Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes Recht der -> Ordnungswidrigkeit
überführt.
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd. 1f.
1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten, Bd.
1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987
Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung sich zu einer Straftat
verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach der Wertigkeit seiner
Überzeugung kann er milder bestraft werden.
Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975
Ubi cessat ratio
legis, cessat (ipsa) lex (lat.). Wo der
Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde, dort verlange ich sie heraus.
Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine Gesellschaft gibt, da gibt es (auch)
Recht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Cocceji, H. v., 1644-1719)
Uelzen
Lit.: Urkundenbuch der Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988;
Vogtherr, T., Uelzen, 1997
Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als Grenze zwischen -> Polen
und -> Russland geteilte, am Ende des 18. Jh. um Teile Polens erweiterte
Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik ausgerufen wird.
Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische Recht eingeführt. 1996
erhält die aus der -> Sowjetunion als flächenmäßig zweitgrößter Staat
(bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat) Europas wieder verselbständigte U. eine
demokratische Verfassung.
Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine,
1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der
Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue
Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923,
2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa,
hg. v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N.,
2005; Investititonsführer Ukraine, 2006
Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird im
13. Jh. (1258?, 1274?) -> Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch
aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U.
an -> Württemberg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der Stadt
Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes
der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien Reichsstadt
Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte Ulms,
Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben 30
(1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G.,
Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956; Hannesschläger,
K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956; Kleinbub, M., Das
Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt
Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im 18. Jahrhundert,
1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm,
1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm, 1977; Göggelmann,
H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium der Policeyordnungen
der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a., 2007
Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in Phönizien 170?-Rom 223) ist
wie -> Paulus vielleicht seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten ->
Papinian(us), danach Leiter der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222
Getreidepräfekt. Die -> Digesten, die zu einem Drittel aus Ulpianfragmenten
bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den
unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen wiederzugeben
und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen
versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher
die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus,
29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl.,
Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.)
institutiones (F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von
426. Von U. stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) -> iustitia est
constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt
haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit
ist der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechts
sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben).
Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum
(öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird
U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen
Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen
verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem
Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.
Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré,
T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987
ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können wird niemand verpflichtet.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
Umbrien ist die mittelitalienische Binnengebirgslandschaft, die
von den Römern an die Langobarden (Herzogtum Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U.
an den -> Kirchenstaat. 1860 geht es in -> Italien auf.
Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto,
1982; Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995
Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten, aber nichtigen
Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in seinen
Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint
verschiedentlich bereits im römischen Recht.
Lit.: Kaser § 9 I 3
Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890
Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch
-> Japans von 1896/1898 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899. Von
ihm stammt ein wichtiger Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô
Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist
Japans.
Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917;
Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992
Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch sein Reich nach Herrschaftsbeginn
im fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533). -> Umritt
Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die
Huldigung der Untertanen, 1991
Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die Beteiligten einen Zweck
erreichen wollen, den sie wegen des Verbotes oder der Folgen eines anderen
Geschäftes mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise erreichen können. Das U.
ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen wird etwa das ->
kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind auch Scheinverfahren
Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] -> in iure cessio). Das U. ist
grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen Fällen durch.
Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im
Zivilrecht, 2004
Umritt ist der Ritt des Herrschers durch sein Reich nach
Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B. 508, 1024). -> Umfahrt
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1944, Neudruck
1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung, in: Vorträge und
Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991
Umsatzsteuer ist die Steuer vom zu versteuernden und steuerpflichtigen
Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers. Sie ist
eine auf den Verbraucher überwälzte -> Verbrauchsteuer. Im Deutschen Reich
wird 1916 ein Vorläufer der U. geschaffen. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt die U.
(als Mehrwertsteuer) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis
erkennbar ist. -> Akzise, -> Ungeld
Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die Umsatzsteuer,
2. A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992
Umstand ist im Verfahrensrecht die um Richter und Urteiler
(Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen im Frühmittelalter. Das ->
Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch den U. Schon
im Frühmittelalter und Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht II, 12, 10,
14) scheidet der U. aber als bloße -> Öffentlichkeit aus der
Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.
Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische Reichs-
und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines, 1981;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Umwelt ist die Gesamtheit der die natürlichen Lebensbedingungen
der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (genauer
seit etwa 1970) wird erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden
Menschen durch ihre industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt
gefährdet. Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B.
Wassergesetz Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht
(Deutschland seit 1975) und ein Umwelthaftungsrecht (1991) entwickelt.
Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die
Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F.
u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G.,
Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher,
T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser,
W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994;
Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende
Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J.,
Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS
1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur –
Abwasser, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002;
Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V.,
Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen
Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004; How
Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N., Deutsche
Umweltgeschichte, HZ 283 (2006), 383
UN-Kaufrecht ist das am Ende des 20. Jh.s von den -> Vereinten
Nationen zur Erleichterung des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht, 1991;
Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378
Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit (z. B. zugunsten einer
bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der Rechtsprechung von der ausführenden
Gewalt). Die U. des Richters wird im 18. Jh. als Notwendigkeit erkannt (England
1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848, Preußen 1850) durch.
Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J., Die
Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der
richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche
Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960;
Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische
Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der
Bundesrepublik und in der DDR, 1999
unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als] Erben versehen)
Unehelich ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete
Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst
das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris
(Person eigenen Rechts). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind
zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die -> Kirche die
Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater
verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat. Erst seit der Aufklärung
ändert sich die Benachteiligung des unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen
erfolgt die Gleichstellung 1915, in Dänemark 1937. In Deutschland scheitern
Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940. 1969 wird das Wort u. durch ->
nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung inhaltlich verbessert, doch erfolgt
erst 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede.
Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft,
ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder,
1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die
Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG
GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971;
Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem
Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen
Stadt, in: Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die uneheliche
Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg.
v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und
ihr Bastard, 2004
Unehrlich ist die durch Fehlen der Ehrlichkeit gekennzeichnete
Bestimmung. Im römischen Recht ist der (lat.) infamis von Prozesshandlungen
und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind verschiedene
Tätigkeiten u. (z. B. Henker). Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht
ausüben.
Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J., Strafvollzug
und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A.
1979
Unerlaubte Handlung (Delikt) ist die vom Recht nicht erlaubte Handlung, die bei
einem -> Schaden eines anderen einen Schadensersatzanspruch begründen kann.
Die u. H. ist seit den Anfängen des Rechts bekannt. Zu den verletzbaren
Rechtsgütern gehören vor allem der Körper und das Eigentum des Menschen
(Tötung, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung). Eine bedeutsame
Regelung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) -> lex (F.) Aquilia de damno
(286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die frühmittelalterlichen
Volksrechte sehen jeweils -> Wergeld und Buße vor, bis sich am Beginn des
Hochmittelalters (11. Jh.) -> Strafe und Schadensersatz trennen. Im 19. Jh.
werden für die u. H. Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld gefordert. Die gesetzliche
Regelung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) findet sich in den §§
823ff. Sie geht von einzelnen, geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über
die Haftung für eigenes Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere
(Verrichtungshilfen), für Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z.
B. Bauwerk) erfasst.
Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den
Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H.,
Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des
Deliktrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages,
1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht
der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung,
1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Unfall
Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und Rechtsevolution,
2001
Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften verwaltete ->
Sozialversicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6. 7. 1884). Sie
vertritt eine an sich sinnvolle -> Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit
1925 erfasst sie auch die Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 20.
Jh.s sichert sie rund 38 Millionen Menschen in Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W.,
Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere
Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169
(1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung,
1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157;
Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische
Unfallversicherung, 2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im
Zivilrecht, 2006
Unfreier ist der die Freiheit entbehrende Mensch in Mittelalter und
Frühneuzeit. Er ist dem -> Sklaven des römischen Rechts vergleichbar, wenn
auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits für die Germanen, wobei er
ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen Wirtschaftsbereich mit
Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in der Personalgewalt (ahd.
munt) seines Herrn. Wie weit im Frühmittelalter der Unfreie (ahd. skalk) als
Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln manche Volksrechte seine
Tötung neben der Tötung der Freien. Die christliche Kirche bekämpft seit dem 6.
Jh. ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt im 10. Jh. Ehen unter Unfreien ohne
weiteres an. Wirtschaftlich ist der im Einzelnen unterschiedlich gestellte
Unfreie allgemein in die -> Grundherrschaft eingebunden. Seit dem
Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung nach der (Freilassung
ermöglichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die berufsständische Gliederung
nach Rittern, Bürgern und -> Bauern überlagert. Die Aufklärung beseitigt die
Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen 1807). In England entschärft sich die
Unfreiheit bereits seit dem Bauernaufstand von 1381.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78, 87, 89;
Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881),
83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der Unfreien, 1888; Zycha,
A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von Wirtschaft und Recht, 1915; Rörig,
F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard Seeliger, 1920; Landau, P.,
Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12 (1967), 511;
Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970),
257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb, H., Über den Ursprung der
Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W., Grundherrschaft im
Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991; Freedman,
P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H., Sklaverei im
spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of Servitude in
Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005
Ungar ist der Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien
in das Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden
Volkes, das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8. 955) sesshaft
wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen Königs der Ungarn.
1290 stirbt das Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit mit Habsburg setzt
sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). Vor 1514 erstellt Stephanus
-> Werböczy eine erstmalige Sammlung des Gewohnheitsrechts des Königreichs
Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis durchsetzt. 1526 fällt das inzwischen
entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an -> Habsburg. Von 1853 bis 1861
gilt in Ungarn das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs. 1867 muss
-> Österreich im sog. -> Ausgleich seine Herrschaft über Ungarn lockern.
1840 wird ein Handelsgesetzbuch, 1878 werden ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein
Strafgesetzbuch über die ->Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte
Strafprozessordnung geschaffen. 1918 verselbständigt sich das Land, das nach
dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion (1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch
1958) den Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union
(1993) sucht und 2004 findet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher; Timon,
A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2. A. (1904 bzw.) 1909; Schulte,
A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924; Karpat, J.,
Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen Verfassungs-
und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische
Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger
Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, in: Das ungarische ZGB,
1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, in: FS H. Lentze, 1969, 339;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561,
3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202; Bogyay, T. v., Grundzüge der
Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal, P., History of Hungary, 1990;
Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy, G., Bd. 1 1992; Haslinger,
P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J., Wissenschaft und
Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der Privatrechtsgeschichte Ungarns,
1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg.
v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u.
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l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999; Kristó, G., Die Geburt der
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(Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19.
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Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der
deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio Hungarica, hg.
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Ungarn -> Ungar
Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der
Türkenzeit, 1911 Neudruck = 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die
neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das
ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K.,
Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf
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und das Reich, 2003; Dalos, G., Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der deutschen
Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Nationalstaat – Monarchie –
Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004; Voigt, K., der Schutz nationaler
ungarischer Minderheiten, 2005; Steinberg, G., Aufklärerische Tendenzen im
ungarischen Strafrecht, 2006
ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund allgemeiner Regeln
erfolgend) z. B. ungebotenes -> Ding
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Ungefährwerk ist die wissenschaftliche Bezeichnung für den ungewollten
Unrechtserfolg im älteren deutschen Recht (z. B. fehlgehender Pfeil führt zum
Tod eines Menschen). -> Fahrlässigkeit
Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in der
Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964
Ungehorsam -> Widerstand
Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis ins 19. Jh. die (vielfach
städtische) -> Verbrauchsteuer (z. B. Weinungeld). -> Akzise
Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Weisbrod,
R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer 1952; Habich,
W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem Zehnten fing es
an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992
ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt)
Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828-2. 5. 1913) Kaufmannssohn, wird
nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem Übertritt zum
Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher Professor in Prag und
1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Seit 1870 wendet er sich der
Politik zu. 1881 wird er Präsident des Reichsgerichts in -> Österreich. Sein
ursprüngliches Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes
(1855) wandelt sich später in einen Aufruf zur Revision des österreichischen
-> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches durch einzelne Teilnovellen. Seit
1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die zivilrechtlichen Urteile des
Obersten Gerichtshofes. Sein System des österreichischen allgemeinen
Privatrechts wird mehrfach aufgelegt.
Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H., Josef
Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der
deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische
Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177
Ungerechtfertigte Bereicherung ist die nicht durch einen rechtlichen Grund
gerechtfertigte -> Bereicherung einer Person. Sie ist nach dem Vorbild des
römischen Rechts (lat. [F.] -> condictio) herauszugeben. Die Beschränkung
der Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch -> Duarenus
(1509-1559), dem -> Glück (1755-1831) folgt.
Lit.: Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer,
F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von
der ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials
and Texts on Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003
Ungericht (N.) Unrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht des
Sachsenspiegels, 1898
Union (F.) Vereinigung, -> Europäische Union, ->
Personalunion, -> Realunion
unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der
Nachkommen, -> Einkindschaft
Universalsukzession (F.) Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall)
Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C. Frhr.
v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz der
Universalsukzession, 1922
universitas (lat. [F.]) Einheit
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W., Konsens und
Rezeption, 1980
Universität ist die aus der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden
seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der Wissenschaften erfassende
Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf scholastischer Grundlage um
die Glossatoren (-> Irnerius, Bulgarus, Hugo, Jacobus, Martinus) in Bologna
(als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um 1200 ca. 1000 juristische
Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten umfassen meist neben der
einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät die drei höheren
Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und Medizin. Leiter der U. ist der Rektor,
Leiter der Fakultät ist der Dekan. Frühe bekannte europäische Universitäten
entwickeln sich in -> Paris (Statuten von 1215), -> Oxford (nach 1139),
-> Cambridge (seit 1209), -> Montpellier (seit etwa 1170), -> Salerno
(995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219, -> Padua (1222)
oder -> Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343), Florenz (1349), Siena
(1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht in -> Prag 1348 (,
Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit bescheidenen Anfängen -> Wien
(1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen Einflusses infolge des Schismas,)
-> Heidelberg (1386), -> Köln (1388), -> Erfurt (1392), (um 1400
europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen territorialer Universitäten,)->
Leipzig (1409), -> Rostock (1419), -> Freiburg im Breisgau (1425), ->
Greifswald (1456), -> Löwen (1425 bzw.1457), -> Basel (1460), ->
Ingolstadt (1472), -> Trier (1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), ->
Tübingen (1477) und -> Mainz (1477). Die Zahl der Studierenden nimmt
beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich
600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger, von
1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000 an
den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig,
Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren
Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur
Reformation im Heiligen Römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus Städten
stammenden - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät, 13 % (rund
39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät und 0,4 %
der medizinischen Fakultät). Die Reformation (1527 erste lutherische
Universität in Marburg, 1559 erste reformierte Universität in Genf) fördert die
Differenzierung der Lehre, die Professionalisierung der Universitätslehrer und
die Vorstellung der Freiheit der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538
höheres Studium der Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und
europäische Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie
außereuropäische Ausdehnung (1650 Stiftungshochschchule John Harvards in
Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857
Bombay, 1883 Istanbul, 1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden
-> Halle (1694), -> Göttingen (1734) und -> Berlin (1810) (um 1800 190
Universitäten weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche Fächer eröffnet.
In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn,
Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des
20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der
Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere Hochschulen
weltweit).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143, 151,
154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885; Denifle,
H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G., Die
Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958; Eulenburg,
F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F., Geschichte des
gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities, 1936; Grundmann,
Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB Leipzig); Ebel,
W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur Geschichte der
juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und die deutsche
Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Cobban, A., The
Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher
Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978; Università,
Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del cinquecento al
settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und Hochschulen in
Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a., 1983; Esch, A.,
Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en France, hg. v.
Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher, 1986;
Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The
Medieval English Universities, 1988; Müller, A., Geschichte der Universität,
Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F.,
Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N.,
Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani,
I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994; Guide
to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’ Association,
1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten
1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995;
Schlange-Schöningen, Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel,
1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N., 1996; Baumgarten,
M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert, 1997; Pedersen,
O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und Widerstand, 1999;
Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R., Akademische Elite
und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie stiftet man eine
Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige Universitätsreform, 2000;
Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2001; Zwischen Autonomie
und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002; Weber, W., Geschichte der
europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The Universities of the Italian
Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung – Universitäten in den
Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u. a., 2003; Kahl, W.,
Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten und Hochschulen im
Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung und
Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und
Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke,
K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914,
2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University,
2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German
University, 2006
Universitätsgerichtsbarkeit ist die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des
Rektors) über die Universitätsmitglieder. Sie findet sich nach älteren Ansätzen
zumindest zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Basel,
Freiburg im Breisgau und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren
Verbrechen ausgenommen. Endgültig abgeschafft wird die U. im Deutschen Reich 1877/1879.
Ihr folgt teilweise eine besondere Disziplinargerichtsbarkeit.
Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit, 1891;
Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische Väter als
Richter, 1987
Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit verstoßende Wettbewerb (in
der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht gelöster Fragenbereich wird
der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In Frankreich finden die Art.
1382, 1383 -> Code civil Anwendung, in England die -> equity. Das
Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die Warenbezeichnung gesetzlich und am 7.
6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine
Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft, die das
Sonderveranstaltungsverbot aufhebt, Telefonwerbung von Einwilligung abhängig
macht und einen Gewinnabschöpfungsanspruch für Verbände einführt.
Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33; Hof,
H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue UWG, NJW 2004,
2121
Unlust (F.) Nichtzuhören im -> Ding
Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne ein drittes
vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herrscher und
reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen Römischen Reiches)
Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber, M.,
Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren,
2005
Unmöglichkeit (lat. [F.] impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer
Leistung. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr
begrenzt bedeutsamen lateinischen Satz impossibilium nulla est obligatio (zu
Unmöglichem besteht keine Verpflichtung) dehnt -> Donellus in der frühen
Neuzeit ausdrücklich auf alle Verträge aus. -> Pufendorf erweitert die
zunächst nur für die besonderen -> Innominatkontrakte anerkannten Regeln
über das Freiwerden bei unverschuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge.
Im 19. Jh. baut Friedrich Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der
römischen Quellen ein System der anfänglichen bzw. nachträglichen und
subjektiven oder objektiven U. auf, das über -> Windscheid in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) Eingang findet.
Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 165,
214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur
Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Unmündigkeit ist das Fehlen der -> Mündigkeit.
Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG 21, 57,
87, 121
Unna
Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930
Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt es seit der Entstehung
von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu verhindern und Recht
herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich ausgeglichen werden (z.
B. Schadenersatz).
Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts,
hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des Unrechtsstaates, hg.
v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d. Redaktion der kritischen
Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, hg. v.
Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825ff.
Unrecht Gut gedeiht nicht.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151
Unschuldseid -> Reinigungseid
Unschuldsvermutung
Lit.:
Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA 119 (2002), 193
Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die U. von Herzogtümern und
Grafschaften streben schon die Reichtagsbeschlüsse von Roncaglia (1158) an.
Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16. Jh. hinaus
tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356) für die
Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer (Österreich
1358/9 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg 1473, Württemberg
1495) die U. fest.
Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der
Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240;
Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R.,
Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat,
hg. v. Kunisch, J., 1982
Unterbringung
Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des
Unterbringungsrechts, 2003
Untereigentum ist der untere und insofernnachrangige Teil des geteilten
-> Eigentums (z. B. des Lehnsmannes). Es wird seit dem Hochmittelalter
entwickelt und im 19. Jh. beseitigt.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Unterhalt ist die Gesamtheit der für den Lebensbedarf eines Menschen
erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften ist die gemeinsame
Lebensführung Nahestehender so selbstverständlich, dass der U. rechtlich nicht
erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit Augustus (63 v.-14 n.
Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.) durchsetzbare
Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern. Seit Antoninus
Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen allen ehelichen
Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei einem unehelichen K.
betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Eine Rechtspflicht zu U.
unter Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Im Mittelalter
fördert die Kirche die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern. Dem folgen im
Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit
dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater
die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer
Verwandter zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen
Zivilrechtsgesetzbücher überwiegend an.
Lit.:
Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717; Jankowiak, K., Die Rechtstellung der
Kinder, Diss. jur. Marburg 1923 masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou
pourvéande dans le droit coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtstellung
des ehelichen Kindes, Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und
Unterhaltsanspruch des überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche
Fakultät Graz 1979, 95; Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche,
1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E.,
Unterhaltspflichten in rechtshistorischer Sicht, in: Familiäre Solidarität,
1997, 9; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen
seinen Erzeuger, 2000; Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung,
2003; Laubach, B., Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Meyer,
C., Le système doctrinal des aliments, 2006
Unterhaus -> House of Commons
Unterkauf ist der im Spätmittelalter und Frühneuzeit in Städten
verbotene Zwischenhandel.
Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum
Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.
Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung,
1999
Unterlassung ist die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird
erst allmählich der Handlung angenähert.
Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler
DRG 242
Unternehmen ist im Privatrecht eine organisatorische Einheit aus
Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb deren ein Unternehmer
entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber dem einzelnen Unternehmer gewinnt das U.
seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht. Seit dem 20. Jh. gibt es
Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt des
Handelsrechts zu stellen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 707; Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C.,
Unternehmen und Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von
Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg.
v. Willoweit, D. u. a., 1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte,
1989; Conradi, J., Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an
sich“, 1996; Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M.,
1998; Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die
Dimension des Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H.,
Moderne Unternehmensgeschichte, 2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und
Bürgerliches Gesetzbuch, 2005
Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand
Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37
Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung einer fremden beweglichen
Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z. B. Verkauf einer
entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom -> Diebstahl
erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s. (Kleinschrod, Sachsen 1838).
Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung und
Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das Strafrecht
im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Reiß,
H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und Vermögensdelikte, 1973
Unterschrift ist der zum Zwecke der Anerkennung des Inhalts unter den
Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene -> Name eines
Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät, bereits die U. Die
merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige U. des Königs auf,
an deren Stelle später das Monogramm oder das -> Siegel (11 Jh.) tritt. Seit
der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das Siegel wieder. Mit
zunehmender Selbstverständlichkeit der Schreibfähigkeit wird die U. immer
bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die Unterschrift des
Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.
Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907, Neudruck
1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W., Die
Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der lateinischen
Urkunden, 1983
Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das Gericht von Amts wegen
Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt und ihre Wahrheit
feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im Zivilprozess ist er
selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung).
Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, Prozessmaximen und Rechtswirklichkeit,
1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Richter, M.,
Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999
Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten) Obrigkeit
unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit der
Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).
Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der
Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht
der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468; Kienast,
W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller, H., Die
Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R., Wer war der
gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung, hg.
v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981; Hohenstein, A.,
Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem
Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte im Ritterstift
Odenheim, 2002
Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das 1240 ein Bündnis mit ->
Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und -> Schwyz gegen die Grafen von ->
Habsburg schließt und 1309/1324 die Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist
einer der Urkantone der -> Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das Protokoll
des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994)
(Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000
Untreue ist das durch Mangel an zu erwartender Treue
gekennzeichnete Vermögensdelikt. Die U. wird lange durch den Diebstahl
miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie verselbständigt (Bayern 1813).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue, 1939; Ritter.
J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner, H., Zur
zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestandes (§ 266 StGB), in:
Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205
Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der Entstehung eines Zustandes.
U. begründet im römischen Recht und in der frühen Neuzeit die Vermutung, dass
ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.
Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der
unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958
Unwedersatt
Lit.: Minnigerode, H. v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59
(1939), 249
Unzucht ist seit dem 18. Jh. die allgemeine Bezeichnung für eine
Straftat gegen die Sittlichkeit, die 1973 vom deutschen Gesetzgeber aufgegeben
wird.
Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W.,
Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994; Kraft,
S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung,
2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004
Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit, überzeugend zuzurechnen bzw.
das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit eines Handelnden. Die U.
wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber erst mit der Aufklärung
erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern 1813 bis 8, Österreich
1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre). -> Zurechnungsfähigkeit
Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren,
1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der
Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99;
Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973;
Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957; Unzurechnungsfähigkeiten,
hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998
Uplandslagh, Upplandslagh ist das bis 2. 1. 1296 geschaffene, durch
fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise erhaltene Handschriften
des früheren 14. Jh.s überlieferte schwedische Gesetzbuch für Uppland
(Tiundaland, Attundaland, Fiärdrundaland), Roslagen und Gästrikland. Auf
Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl mit in Bologna
rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden Ausschuss gesammelt, nach
Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach Annahme von König Birger
Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22 Kapitel
Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel
Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel
Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und
enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Södermannalagen,
Västmannalagen, Hälsingelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch das es
1351/1353 weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens
die Geltung auch im Übrigen.
Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v. Schlyter, C.,
Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Corpus
Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P., Kanoniska och
germanska element, 1958; Gagner, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in: Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Uppsala entsteht im 12. Jh. als Östra Aros (östliche Flussmündung).
Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines Erzbischofs. 1314 erhält
es Stadtrecht. 1477 wird eine spätestens 1530 erloschene, 1609 wiederbelebte Universität
eingerichtet. Zeitweise ist U. Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es
durch Brand weitgehend zerstört.
Lit.: Annerstedt, C., Upsala
univeristets histora, Bd. 1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria,
1975; Lindroth, S., Uppsala universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å.,
Juridiska fakulteten i Uppsala, 1985
Upstallsbom ist der bei Aurich gelegene Ort, nach dem der
spätmittelalterliche Zusammenschluss friesischer Gaue zwischen Weser und
Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene Abgesandte der einzelnen
Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten. 1323 schaffen sie
in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung des wenig
später verfallenden Bundes.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen, 1840; Meijering,
H., De willekeuren van de Opstallsboom (1323), 1974; Gerbenzon, P., Apparaat
voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Uradel (1862) ist der besonders alte und (deswegen) zu besonders
hohem Rang gelangte -> Adel im Gegensatz vor allem zum -> Briefadel.
Urbach
Lit.: Regesten zur Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland,
R., 1958
Urbar ist das mittelalterliche und frühneuzeitliche Güterverzeichnis
eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im
Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das habsburgische
Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen Urbare Nieder-
und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der Abtei Werden, hg.
v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des Benediktinerstiftes Göttweig
von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die landesfürstlichen Gesamturbare
der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür, M., Urbare und Rödel des
Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums
Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K., 1912f.; Zösmair, J., Das Urbar
des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König Ottos I., Archiv für Geschichte
und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61; Jecklin, F., Urbar des Hospizes St.
Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F., Siedlungsgeschichte des
waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das Leonfeldener Urbar, hg.
v. Trinks, E., Jahrbuch des oberösterreichischen Musealvereines 84 (1932); Altwürttembergische
Urbare, hg. v. Müller, K., 1934; Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G.,
1934; Baumgartner, R., Das bernisch-.solothurnische Urbar, 1938; Das Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v.
Dertsch, E., 1940; Urbare von
Allerheiligen in Schaffhausen und von Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das
Bickelspergsche Lagerbuch der Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold,
F., 1941, Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker
Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951; Clavadetscher, O., Das churrätische
Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das Urbar des Hochstifts Augsburg von
1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau, Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das
Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek, F.,
1956; Altwürttembergische Lagerbücher aus der österreichischen Zeit 1520-1534,
bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff. 1958ff.; Metz, W., Staufische
Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das
Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v. Miller, M., 1968; Das Rattenberger
Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970; Salbücher der Grafschaft Lippe von
1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v.
Schwab, I., 1983; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G.,
Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979; Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v.
Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U. u. a., Die spätmittelaterlichen Urbare des
Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992; Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a.,
1998; Das älteste Urbar des Priorats Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler,
R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R.,
1999; Das Urbar des Grafen Burkhard III. von Maidburg-Hardegg, hg. v.
Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen
Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare
Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des heilig-Geist-Spitals zu
Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003
Urbino in den Marken geht auf das antike Urbinum Metaurense
zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Durch die pippinische Schenkung
(754) fällt es an den Papst. In dem 1443/1474 errichteten Herzogtum wird 1506
eine Universität geschaffen.
Lit.: Le città nella storia d’Italia, 1986
Urfehde ist das seit dem 14. Jh. sichtbare und vom 15. Jh. bis zum
17. Jh. verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im Breisgau zwischen 1331
und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der Feindschaft, mit dem die ->
Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U. nach Entlassung aus einer Haft.
Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche Urfehden,
1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich, G., Ein
Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann, A.,
Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000
Urgicht (F.) Geständnis
Urheber ist der Veranlasser oder Hersteller eines Ergebnisses,
insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit entwickelt sich zu
seinem Schutz das (im römischen Recht trotz Anerkennung der
Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) -> Urheberrecht.
Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio auctoris, 1913; Eggert, A.,
Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999), 183; Schickert, K., Der Schutz
literarischer Urheberschaft in Rom, 2004
Urheberrecht ist die Gesamtheit der den -> Urheber schützenden
Rechtssätze. Das U. gewinnt kurz nach der Erfindung des Buchdruckes, der die
preiswerte Vervielfältigung von Gedanken ermöglicht, seine erste größere
Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung von privilegierenden Patenten zugunsten
(der Verwerter) einzelner Erfindungen (England um 1350), denen in Venedig 1474
eine erste allgemeine Regelung folgt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst
nur Ehrengeschenke. Im Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen
Privilegien des 16. und 17. Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von
einem Verlagseigentum (17. Jh.) seit dem Anfang des 18. Jh.s die Lehre vom
-> geistigen Eigentum, die sich im 19. Jh. nach englisch-französischem
Vorbild für einige Zeit durchsetzt (Preußen 11. 6. 1837, gemeinsame Grundsätze
der Bundesversammlung des Deutschen Bunds vom 7. 11. 1837, Norddeutscher Bund
1870, Literatururhebergesetz 1901, Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883,
Österreich 1895), bis sie in Deutschland durch den pandektistischen, auf
körperliche Gegenstände beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs
von 1900) wieder verdrängt wird. Mit der Herausbildung eines freien
Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines Urhebervermögensrechts. International
bedeutsam wird die Berner Übereinkunft (1866), nach der die beteiligten
Staaten das inländische Recht des Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller
Teilnehmerstaaten erstrecken. Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers
ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel
zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener,
durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender
Mittelsmänner (z. B. Verlag).
Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; Goerlitz, T., Die
rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14.
Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des
deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Gieseke, L., Vom Privileg zum
Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die geschichtliche Entwicklung des deutschen
Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H.,
Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber-
und Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum
Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist
Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das
Urheberrecht und wohin geht es?, hg. v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der
Bundesbeschluss vom 9. November 1837 gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989),
198; Bülow, M., Buchmarkt und Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys
Beiträge zum Urheberrecht, in: Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle,
E., Zur Geschichte des Urheberrechts in Europa, in: Entwicklung des
europäischen Urheberrechts, 1989; Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht,
hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991; Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht,
1992; Die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991;
Historische Studien zum Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E.,
Geschützte und ungeschützte Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum
Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel,
H., Die Parsifal-Frage, ein rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 81996),
307; Ellins, J., Copyright Law, Urheberrecht, 1997; Materialien zum
Urheberrechtsgesetz, hg. v. Schulze, M, Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die
Geschichte des Arbeitnehmererfinderrechts, 1997; Wadle, E., Preußische
Privilegien, in: Musik und Recht, 1998, 85; Schack, H., Die ersten
Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von Amerika 1783-1786, UFITA
136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright Reform in Early Victorian
England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of Modern Intellectual
Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des Frankfurter
Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P.,
Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich
preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht
der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des
Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004;
Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen
Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den
Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004;
Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die urheberrechtliche
Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik und im
Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im
Rechtsverkehr, 2004; Balogh, E., Der Einfluss des deutschen Rechts auf den
ersten ungarischen Gesetzentwurf zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305;
Gergen, T., Das württembergische Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck,
UFITA 2006, 189; Feld, A., Das bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an
Erzeugnissen der Literatur und Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007
Uri ist der Ort am Vierwaldstätter See, der 732 erstmals
erwähnt wird und dem König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt.
1291 schließt sich U. mit -> Schwyz und Unterwalden gegen -> Habsburg
zusammen. U. ist ein Urkanton der -> Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928
durch Urwahlen ersetzt wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit
von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer,
Hans, Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993
Urkunde ist die verkörperte Gedankenerklärung, die allgemein oder
für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen lässt und zum Beweis
einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und bestimmt ist. Da die U. die
Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen im Gegensatz (zu
altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie (lat. [N.]
instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf Wachsdoppeltäfelchen
in objektiver d. h. dritter Person gehaltener Fassung oder seit dem 2./1. Jh.
v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges, subjektiv
gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet wird.
Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger Ausstellung und
öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die U. durch die
Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt etwa 700, die
der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa 3000, wobei die
Königsurkunde (ca. 4000 im Frühmittelalter) gegenüber der Privaturkunde (fast
10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in
Protokoll (Invokation, Intitulation, Inskription, Salutation), Kontext (Arenga,
Promulgation, Ereignisbericht, Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio,
Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubigungsmittel) und Eschatakoll (Actum,
Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift, Zeugenunterschriften, Schreiberformel).
Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal die
Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Veröffentlicht sind vor allem die
älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der Urkundenfälschung
dienen später besondere Strafvorschriften.
Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der Abtei
St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer,
K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880),
89; Hübner, R., Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das
erste Auftreten der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben,
W./Schmitz-Kallenberg, L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Mitis, O. Frhr.
v., Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen, 1912; Breßlau, H.,
Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A. 1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck);
Redlich, O., Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden
zur Geschichte der Territorialverfassung, hg. v. Sander, P./Spangenberg, H.,
1922f.; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der frühmittelalterlichen
Privaturkunde, 1927; Corpus der altdeutschen Originalurkunden, begr. v.
Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner, F., De oudste oorkonden van het klooster
Bethlehem bij Doetinchem, 1932; Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honselmann,
K., Von der carta zur Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer
rechtlicher Dokumente, 1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit,
2. A. 1952; Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Neuere Editionen
mittelalterlicher Königs- und Papsturkunden, (berab.) v. Santifaller, L., 1958;
Tessier, G., Diplomatique royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen,
Kanzlei und Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein
von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von
Schwaben und Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlavaček, I., Das Urkunden- und
Kanzleiwesen des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais,
P., English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in
Österreich vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R.,
Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v.
Doll, A., 1979; Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G.,
Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer
Originalurkunden bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz,
T., Papsturkunden, 1986; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher Urkunden in
Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren,
bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon Charters,
1991; Kortüm, H., Zur päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin
Konstanze, hg. v. Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache
des 13. Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12-
Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen
und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Kölzer T., Merowingerstudien, Bd.
1f. 1998f.; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v. Herde, P. u.
a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im klassischen Altertum und in den
orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M., Tironische
Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche
Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001;
Scharfenberg, S., Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003; La diplomatica dei documenti
giudiziari, hg. v. Nicolaj, G., 2004
Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung durch eine (echte) ->
Urkunde. Die Urkunde ist bereits im römischen Recht Beweismittel im
Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem Frühmittelalter ein. Dabei
gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der Zunahme der Urkunden wächst deren
Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert erlangen dabei notarielle
Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden.
Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A., Zur
Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22 (1894); Mayer-Homberg,
E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971
Urkundenbuch ist seit dem 19. Jh. die moderne wissenschaftliche Ausgabe
älterer -> Urkunden eines bestimmten Bereiches (Stadt, Land, Verband usw.)
in einem Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta
[N.Pl.] Germaniae Historica).
Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters Mariengarten,
hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache Bibliographie
europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25; Stand, Aufgaben
und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen Mitteleuropa, hg. v.
Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle,
Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T., 2006ff.
Urkundenfälschung ist die Herstellung einer echten Urkunde, die Verfälschung
einer unechten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten oder verfälschten
Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen Urkunden ist
ebenso unecht wie das bekannte -> (lat.) privilegium (N.) maius (größeres
Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von 1358/1359. Seit 1198
wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird die U. ein
Straftatbestand.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum
Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung
des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg.
v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 4. A. 2002
Urkundenlehre (Diplomatik) -> Urkunde
Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2.
A. 1912, Neudruck 1968
Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die Behauptung, eine von einem
anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei falsch. Im Rechtsstreit kommt es
dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf. Unscheltbar, aber nicht zugleich
unangreifbar, ist die Königsurkunde.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Urlaub ist ursprünglich allgemein die Erlaubnis, seit dem 19. Jh. (erlaubte,)
meist bezahlte arbeitsfreie Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen
Gesetzen, Tarifverträgen und Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6
Wochen im Jahr.
Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R.,
Urlaubsrecht, 1995
Urschwabenspiegel -> Schwabenspiegel
Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975
Urschweiz -> Schweiz
Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz,
1941
Urteil ist die gerichtliche, einer besonderen Form bedürftige
Entscheidung. Das U. fällt im altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der
Richter (lat. [M.] iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im
Mittelalter die Gesamtheit der Schöffen. Im Frühmittelalter ist das U. dabei
meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis vom Verlauf eines
außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der
gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird
schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. Im 19. Jh. setzt der
Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des Laien als Urteiler bzw.
Laienrichter durch (-> Schwurgericht usw.). Seit dem Spätmittelalter ist das
U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision
überprüfbar.
Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS; Seyler,
R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im
altnorwegischen Recht, ZRG GA 24; Lenel, P., Die Scheidung von Richter und Urteilern,
ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des holsteinischen
Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm, C., Die
unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das Urteil
sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die älteren
Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.; Lübecker
Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über ein
Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche
Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil
fragen“ und Urteilfinden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97;
Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, in: Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est
altercatio finita, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen,
1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O., Iniuria
iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004
Urteiler ist der vom Richter verschiedene Verfasser eines Urteils im
mittelalterlichen Recht (-> Rachinburge, Schöffe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P., Die
Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440
Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den Inhalt eines Urteils.
Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa einem Drittel der von
römischen Juristen überlieferten Fälle. Im Mittelalter begegnet sie eher
selten. Seit der Neuzeit wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der
Entscheidungsträger) selbstverständlicher bzw. notwendiger Bestand des
Urteils (Reichskammergericht 1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen
1748/1793, Bayern 1818, Württemberg 1848).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann, R.,
Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in
Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die
Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die
richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der
rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97
Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in bestimmten Fällen
notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten Landesherrn (z. B.
hängt in Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine mindestens
zehnjährige Gefängnisstrafe verhängendes Urteil von der Bestätigung des
Staatsoberhaupts ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll wirksam.
Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg 1819).
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 3. A. 1965, 255
Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das Versprechen der Prozesspartei,
ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit sind zweifelhaft.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter (Reichslandfriede von
1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte (z. B. Lübeck,
Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht -> Mynsinger eine Sammlung
von Urteilen des Reichskammergerichts (Gail 1578, Carpzov für Leipzig und
Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile
der meisten Obergerichte. Im 19. Jh. wird dies selbstverständlich (preußische
Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht 1879ff.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger von
Frundeck, Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563; Franklin, O.,
Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., Bd. 2
2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974;
Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F.,
1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und Veröffentlichung von Rechtsprechung, in:
Geschichte der Zentraljustiz, 1994, 403
Urteilsschelte ist die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie
führt im Frühmittelalter vermutlich zum Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und
Urteilsschelter. Dies hält noch der Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich,
ohne dass die Rechtswirklichkeit entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet
im Hochmittelalter über die U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten
Gericht die Beratung unter allen Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt
die U. der Appellation und Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer, C.,
Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio
finita“, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592;
Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch,
ZRG 123 (2006), 110
USA (Vereinigte Staaten von Amerika)
Usucapio (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die ->
Ersitzung des Eigentums nach zivilem Recht, von der später Sachen des (lat.
[M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert Eigenbesitz, gültigen
Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und guten Glauben ([lat.] bona
fides [F.]) des Erwerbers bezüglich bestimmter Tatsachen. In spätantiker Zeit
wird die u. im Westen durch eine Verjährung von 40, später 30 Jahren verdrängt,
während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen Sachen und von (lat.)
longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren bei Grundstücken
spricht.
Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I
3, 28 II 1b, 29 I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61
usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung
(im altrömischen Recht)
Lit.: Köbler, DRG 23
Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der Gebrauch z.
B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann ununterbrochen in
gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über sie (lat. uxor
[F.] in manu). Im klassischen römischen Recht wird u. zu einem beschränkten
dinglichen Recht.
Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen,
in: Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Ususfructus (lat. [M.]) ist im römischen Recht seit dem 3. Jh. v. Chr.
der -> Nießbrauch als ein zunächst höchstpersönliches Nutzungsrecht zur
Versorgung abgeschichteter Familienmitglieder, später als beschränktes
dingliches Recht.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I, 59 II
7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der Nießbrauch in
usus modernus und Naturrecht, 2004
Usus (M.) modernus
pandectarum (lat.) ist der
zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten im 16.-18. Jh. (im engeren Sinn
seit 1650). Er passt in zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der
Territorien gegenüber Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung
von der älteren Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch
Ausscheiden, Verändern und Ergänzen an. Anscheinend tritt in ihm auch ein neues
Verständnis von Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist
ein Werk Samuel Stryks (1690 Specimen usus moderni pandectarum ad libros V
priores, Ausdruck erstmals anscheinend verwendet von Samuel Stryk 1667).
Bedeutende Juristen dieser Zeit sind -> Conring, -> Schilter, ->
Struve, -> Stryk, -> Thomasius, -> Böhmer, -> Heineccius, ->
Leyser, -> Kreittmayr und -> Höpfner. Nicht wirklich erfasst wird die
Kanonistik, die bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977;
Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis,
M., 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus
modernus und Dogmengeschichte des Privatrechts, in: Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, in: Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Schlosser, H., Grundzüge der neueren
Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts
auf den usus modernus, 1996; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechts in der
frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Willoweit, D., Der usus modernus oder die
geschichtliche Begründung des Rechts. Zur rechtstheoretischen Bedeutung des
Methodenwandels im späten 17. Jahrhundert, in: Die Begründung des Rechts als
historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000, 229
Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams 1748-1832 und Mills)
Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166; Teubner,
W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974
utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des dienenden Grundstücks für das
herrschende bei einer -> Dienstbarkeit des römischen Rechts)
Lit.: Kaser § 28 I 3
utlagr (anord.) rechtlos
Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit bestehende] Wunschvorstellung)
ist im Staatsrecht die Vorstellung eines alle Fragen menschlichen
Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733; Morus,
T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516; Zippelius, R.,
Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994; Seibt, F., Utopia, 1972; Ahrbeck, R.,
Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien von Morus bis zur
Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig, J., Die Utopien des
Thomas Morus, 1988
Utrecht ist die am Ort der römischen Militärstation (lat.) (ultra)
Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang am Rhein) entstehende Stadt, die im 8. Jh.
Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der Union der Niederlande
vom Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation). 1636 wird eine Universität in
U. errichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, Th., Het
landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe
belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im
Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942;
Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de
Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd
Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van
hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom
Utrecht, 2004
UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche Gesetz
gegen den -> unlauteren Wettbewerb.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218
uxor (lat. [F.]) Ehefrau
Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme Covert,
1995
V
Vacarius (Lombardei um 1120–England nach 1198) wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna um 1143 Rechtsberater des Erzbischofs von Canterbury
bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von York. Er lehrt um 1170/80 in
Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum (Buch der Armen) bietet er
ergänzte Texte aus -> Digesten und Codex.
Lit.:
The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta, F. de, 1927, Neudruck 1972;
Stein, P., Vacarius and the Civil Law, in: Church and Gouvernment in the Middle
Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
vadimonium (lat.
[N.]) Bürgschaft, Erscheinen vor Gericht, (mlat.) Wette
Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A.,
Vadimonium to Rome, ZRG RA 114 (1997), 160
vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette
Valencia am Turia wird 138 v. Chr. von den Römern gegründet. Nach
Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es 1021 Vorort eines
selbständigen Königreichs. Das 1102 wieder von den Mauren eroberte V. wird 1238
von -> Aragonien gewonnen und 1309 mit ihm durch Personalunion verbunden.
Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V. erhält 1502 eine
Universität. -> Furs de V.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274; Guinot, E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa
Montalvo, J., Diccionario de historia medieval del Reino de Valencia, 2002
Valentinian III. ist der römische Kaiser (425-455), unter dem 426
n.Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das eigenhändig geschriebene
Testament zugelassen wird.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A., Die
Spätantike, 1988
valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die Anrufung der ->
Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im magistratischen
Strafverfahren.
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Valin, René-Josué (La Rochelle
1695-1765) ist der Verfasser des ersten ausführlichen commentaire sur
l’Ordonnance de la marine.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977
Valois (1328-1498) -> Kapetinger
valvassor (lat. [M.] ) Aftervassall, Grundeigentümer
(A. 11. Jh.), Ritter
Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur
l’origine de la noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F.,
Campagnes lombardes au Moyen Age, 1993
Vandale, Wandale ist
der Angehörige des in der Völkerwanderung wohl von der Ostsee unter Plünderung
Roms (455) nach Nordafrika ziehenden, 533/534 von -> Byzanz unterworfenen,
germanischen Volkes.
Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901; Diesner,
H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002; Castritius,
H., Die Vandalen, 2007
Vare (mhd.) ist die im Hochmittelalter quellenmäßig bezeugte
Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen usw. zu verlieren. Gegen diese v. wird
der -> Fürsprecher geschaffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116
Vasall (M.) Lehnsmann
Vasallität als personenrechtliche Wurzel des Lehnsverhältnis ist das
ältere Verhältnis (zu kelt. gwas [M.]
Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des
Vasallen gegen Gehorsam und Dienste gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W., Die
fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Deutinger,
R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78
vassus (lat. [M.] 6. Jh.) Vasall, Mann
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW
Vater ist der Erzeuger eines Kindes. In der patriarchalischen
Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater im Mittelpunkt der
Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet, wer der Mutter innerhalb der
Empfängniszeit beiwohnt. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als
nicht mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre
1969 aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt
werden. -> Familie
Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21; Salis, L.,
Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem Recht, ZRG
GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des Vaters, 1939; Trier,
J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947), 232; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T., Haushalt und Familie,
1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129
väterliche Gewalt -> Vater
Vatikan ist die nach dem Wohnsitz des -> Papstes geprägte
Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der katholischen Kirche in Rom bzw. den
Kirchenstaat (1929). Im V. ist das weltweit größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches
Archiv), dessen ältere Bestände allerdings in der Zeit nach 1240
zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt worden sein dürften.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval
Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan,
2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006
Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25. 4. 1714-Neuenburg
28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und
Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern. 1758
veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das
Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen
Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens).
Lit.: Gugenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J., Emer
de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994
Vaud -> Waadt
Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach dem Studium der Rechte in
Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca, 1552 Richter, 1553
Finanzbeamter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist Spätscholastiker mit
humanistischen Zügen, der das moderne -> Naturrecht vorbereitet. Er setzt
sich für die Freiheit der Meere und für -> subjektive Rechte ein.
Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B.,
Del derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K.,
Die Lehre des Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979
vectigal (lat. [M.] ) Steuer, Abgabe
Lit.: Kaser § 30 I
Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach dem Rechtsstudium in
Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und Professor. 1857 wirkt er am
argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit. 1864ff. entwirft er ein
Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas’.
Lit.: Chaneton, A., Historia de Vélez
Sársfield, 1937; Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20
Veme -> Feme
Lit.: Köbler, DRG 11, 117
Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter Lagunen am Nordende der
Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem Einbruch der Langobarden
nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen Exarchen von Ravenna übt ein 639
genannter (lat.) magister (M.) militum (Heermeister) die Herrschaft aus. Nach
751 verselbständigt sich V. trotz byzantinischer Oberhoheit unter einem
gewählten Dogen (lat. [M.] dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein
besonderer (lat.) usus (M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen
1130 und 1148 erscheint neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium
(Rat der Weisen), über das der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt
ausgeschlossen wird. Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat
wählt auf Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche
Herrschaft ausübenden kleinen Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter
Wahrung des Amtscharakters aller politischenGewalt handelt eine adlige Oberschicht
in den wesentlichen Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner
Venedigs etwa 110000. Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch
auf dem Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken,
die Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seeweges nach Indien
verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den
politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V.
Protektorat -> Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis
1866 gelangt. Danach fällt es an -> Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti marittimi
Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella, A., La
Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung Venedigs
zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im
mittelalterlichen Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982;
Hellmann, M., Geschichte Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989; Rösch, G., Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D.,
Das Hohelied der venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die
Weltwirtschaft, hg. v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch,
G., Venedig, 2000; Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler,
H., Venedig und die Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002;
Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Huse, N., Venedig, 2005;
Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005
Venetien ist das an der oberen Adria gelegene, von den Venetern
besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh. sind die Veneter mit den Römern verbunden.
Im 14./15. Jh. gelangt V. an Venedig, 1815 mit der Lombardei zum
österreichischen Königreich Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an -> Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214
Venezia -> Venedig
venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters auf Wiederherstellung des früheren
Zustandes (lat. restitutio in integrum)
Venire contra factum proprium (nemini licet [lat.]. Keinem ist erlaubt,) sich in Widerspruch zu seinem eigenen
Verhalten (zu) begeben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten
1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230, Brocardica sive generalia juris 10, 28)
Verarbeitung ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache durch
Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von Brot).
Im klassischen römischen Recht sprechen die Sabinianer das Ergebnis an der
neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache zu, die Prokulianer dem Verarbeiter,
eine etwas jüngere vermittelnde Meinung dem Verarbeiter nur dann, wenn die
Sache sich nicht mehr in den alten Zustand zurückführen lässt. Für den
Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund
mit Ausgleichspflicht wird in der Neuzeit aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behrends, O., Die Spezifikationslehre, ZRG RA 112
(1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der Verarbeitung, 1996
Veräußerung ist die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der
meist eine -> Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B.
Tausch). Zu beachten sind Veräußerungsverbote.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell, DRG 1;
Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu
Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981
Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter
Verbalkontrakt (M.) -> Verbalvertrag
Verbalvertrag ist im römischen Recht der an die Verwendung bestimmter
Wörter gebundene -> Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage,
Dienstversprechen).
Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45
Verband ist die Vereinigung von Personen zu einem bestimmten Zweck.
Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der V. sehr weit zurück. Aus
loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei allmählich die ->
juristische Person. Der V. muss aber nicht juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft).
Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der Kampf
zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M.,
Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland
1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt,
K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987
Verbannung ist die im älteren römischen und mittelalterlichen Recht
mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft durch Vertreibung
aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten Gebiet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995
Verbindung ist die schon im altrömischen Recht mögliche Vereinigung
mehrerer Sachen zu einer Einheit (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei
einem Hausbau), bei der Eigentum erworben wird und der Eigentumsverlust des
anderen (z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Die V. wird mit dem
römischen Recht später aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25
Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu unterlassen. Es findet
sich schon früh (z. B. im -> Bann des Königs). Erhebliche Bedeutung gewinnt
das V. auch in den frühneuzeitlichen -> Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen
ein V. kann mit -> Strafe oder anderen Folgen bedroht werden.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit bzw. das Verbotensein
einer Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh. entwickelt. Der
unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V. ermöglicht die
Strafmilderung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
264
verbrauchbar (aufbrauchbar)
Lit.: Köbler, DRG 39
Verbraucher oder Konsument ist, wer ein verbrauchbares Erzeugnis eines
Herstellers erwirbt (. Der V. wird im 20. Jh. als schutzbedürftige Vielzahl von
Rechtsunterworfenen entdeckt und z. B. in Deutschland durch das
Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zur Regelung des Rechts der
allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das Reisevertragsgesetz (1979), das
Haustürgeschäftewiderrufsgesetz (1986) oder durch das Verbraucherkreditgesetz
(1991) geschützt. § 13 BGB bestimmt am Ende des 20. Jh.s den V. als natürliche
Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer
gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden
kann. 2002 werden die meisten der Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch
eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des
Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen
des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und
Verbraucherschutz, 2005
Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines Gutes gelegte Steuer (z. B.
Tabak). Allgemeine wichtige V. im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer.
Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A.
1992
Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit einer bestimmten höheren
Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und darüber) bedroht ist. Die
wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl, V. gegen den Staat, V.
gegen die Menschlichkeit usw. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der
Straftaten im Zuge des 18. Jh.s hat praktisch-systematische Gründe. Der Versuch
eines Verbrechens ist in Deutschland strafbar.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204, 264;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der
Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck
1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W.
Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951; Recktenwald,
W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968; Wächtershauser,
W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom Verbrechenskatalog
des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Maier-Weigt, B., Der
materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl, A., NS-Verbrechen vor
Gericht, 1982; Just-Dallmann, B./Just, H., Die Gehilfen, 1988; Schüßler, M.,
Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994), 148; Bader, K.,
Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112 (1995), 1; Schmidhäuser, E.,
Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H., Verbrechen und Strafe in der
spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997; Evans, R., Tales from the
German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation des Verbrechens, 1999; Crimes,
pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v. Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte
des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit,
2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Siebenpfeiffer,
H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur, 2006
Verbrechenskonkurrenz -> Konkurrenz
Verbrennen ist die durch Feuer vollzogene Todesstrafe. Sie ist bereits
dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z. B. Zauberer, Hexen oder
Sittlichkeitsverbrecher.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Behringer, W., Mit
dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988
verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld, Schutz
Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts z. B. der
Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die >Äußerung einer
wahrheitswidrigen V. ist in Deutschland seit 1870 strafbar. Seit 1933 genügte
für Strafbarkeit Leichtfertigkeit, seit 1969 ist wieder Vorsatz erforderlich.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§
164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer Straftat verhängte, wegen
des fehlenden sicheren Tatnachweises milder ausfallende Strafe. Nach gewissen
älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V. bei Carpzov (1595-1666) als
Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar. Sie wird als eine Art
außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt. Die
Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V. (lat.
-> in dubio pro reo).
Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels, P., Die
Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965;
Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993;
Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes
Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193
Verden
Lit.: Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27. 4. 1980) wird 1924
Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und internationales Privatrecht in
Wien. Er setzt sich dabei für eine universale Sicht des Rechts ein. Deshalb
anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch die von den Kulturvölkern
übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als Quelle des Völkerrechts
(Universelles Völkerrecht 1976).
Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften in
Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H.,
Alfred Verdroß, 1991
Verdun an der Maas wird von Kelten gegründet (Virodunum). Um 359
wird es Sitz eines Bischofs. 879 kommt es zum östlichen Teil des fränkischen
Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P.,
Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995
Verein ist die Vereinigung mehrerer Personen zu einem bestimmten
Zweck. Im Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer berechnete
Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die im Bestand vom
Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im altrömischen
Recht (lat. collegium [N.], sodalitas [F.],
sodalicium [N.], corpus [N.]), ohne dass sich die Juristen damit näher befassen. Eine
allgemeine Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage älterer
unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher Vereinigungen (z. B.
Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jh. Innerhalb der
Vereine ist der rechtsfähige V. als juristische Person von der
nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht unterworfenen Personenvereinigung
zu unterscheiden. Das Recht des rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des
Systems der Normativbestimmungen ausführlich im -> allgemeinen Teil des
deutschen -> Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) geordnet.
Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 266;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte der
Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des
deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und
Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im
Kaiserreich, 1973;Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler,
P., Arbeiterbewegung und Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit
der Vereine, 1976; Foerster, C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3,
1982; Siemann, W., Der „Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche
Gesellschaft, hg. v. Dann, O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Wadle, E., Der Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W.,
Konservative Vereine, 1988; Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen
Ägypten, 1993; Bär, F., Die Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig,
W., Genossenschaft, Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der
dionysischen Techniten, 2003; Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien
in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005
Vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen Mitgliedern der acht
preußischen Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847 erstmals und am 2. 4.
1848 letztmals zusammengetretene Landtag.
Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte
Landtag, Diss. phil. Bonn 1961
Vereinigte Staaten von
Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen
Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci
[1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im
Breisgau 1507) ist der im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und
Spaniens) erwachsende Staat auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen
Halbkontinents. In seinem Teilstaat Virginia entsteht am 12. 6. 1776 mit der
Virginia Bill of Rights (Menschenrechtserklärung) die erste formelle
Verfassung. Im 19. Jh. setzt sich das englische Rechtssystem durch. Im
Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen Staaten die Abspaltung
der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen Staaten. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische Recht auf Grund politischer,
wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit der Vereinigten Staaten von
Amerika alle Rechte in vielfacher Weise.
Lit.: Seagle, W., The Quest for Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte
des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A. 1967; Jacobs, R., Die Quit-Rents in
den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen
Real-Property-Law, 1971; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und
Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A. 1985; David,
R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A.
1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992; Dokumente zur
Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993;
Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J.,
Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Die
amerikanischen Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U.,
Lexikon der amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V.,
Einführung in die amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere
Rechtsgeschichte in den Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Blumenwitz, D.,
Einführung in das angloamerikanische Recht, 7. A. 2003; Oxford Guide to United
States Supreme Court Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon,
J./Horton, L., Von Benin nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der
Sklaverei zur Freiheit, 1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in
den USA, in: Beiträge zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter,
U., Die Vereinigten Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas,
Bd. 1ff. 2000ff.; Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20.
Jahrhundert, 2000; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D.,
Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der
USA, 6. A. 2004; Schmidt, G., Geschichte
der USA, 2003; Surrency, E., History of the federal courts, 2. A. 2002; Oberg,
M., Uncas, 2003Köbler, G., Rechtsenglisch, 6. A. 2004; Dokumente zur Geschichte
der Vereingten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007
Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu bilden. Sie entwickelt
sich im 19. Jh. als Grundrecht.
Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965;
Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W.,
Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, in: Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Vereinte Nationen (United Nations) sind der Zusammenschluss der Staaten zum
Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch
Kollektivmaßnahmen. Sie entstehen als Nachfolger des Völkerbundes 1945.
Grundlage ist die Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind
Vollversammlung, Sicherheitsrat und Generalsekretär.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten Nationen,
hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten
Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a., Vereinte
Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten Nationen,
2000
Verfahren ist die Art oder Weise des Vorgehens bei der Bewältigung
einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere durch eine Entscheidung einer
Behörde (Verwaltungsverfahren) oder eines Gerichts über einen Antrag oder
einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren, Prozess). V. entwickeln sich vermutlich
schon früh als Verallgemeinerung einzelner Geschehensabläufe. Bereits die
römischen Zwölftafelgesetze behandeln den Zivilprozess und bestimmen, wie der
Beklagte in das Gericht (lat. ius [N.],
forum [N.]) gebracht werden kann. Neben den -> Zivilprozess tritt
bald der besondere -> Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (->
legisactio) wird das -> Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch
das Kognitionsverfahren (-> cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden
Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der -> Volksversammlung
statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. [M.])
thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter
spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im
Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess
drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird
das V. liberalisiert und modernisiert und die -> Gerichtsverfassung
vereinheitlicht. Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V.
anderer Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen
Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55,
70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J.,
Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 2.
A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D.,
Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a.,
2003
Verfahrensverweigerung ist die Verweigerung der Durchführung eines ->
Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden Person oder Einrichtung. Im
Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine Ladung missachtet, dem ->
Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung einer gerichtlichen
Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung (Bundestag)
angerufen werden.
Lit.: Köbler, DRG 92, 200
Verfallspfand ist das im altrömischen Recht verbreitete, später
zurückgedrängte, bei Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in das
Eigentum des Pfandgläubigers übergehende -> Pfand. Da es dem Pfandgläubiger
oft weit mehr als die Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren
Rechtsordnungen wegen des angemessenen Schutzes des Schuldners selten.
Lit.: Kaser § 31 II 2
Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines Gegenstandes zugunsten eines
Rechtssubjekts. Im süddeutschen hochmittelalterlichen Ehegüterrecht tritt in
der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod eines Ehegatten V. der
Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das verfangene Gut darf der
überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei echter Not oder
Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die Kinder. Möglich
sind aber rechtsgeschäftliche Teilung oder -> Einkindschaft. Seit dem 15.
Jh. verliert die V. ihre Bedeutung.
Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung des
fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht, 1968,
188
Verfassung ist (materiell) der Zustand und (formell) den diese in
seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat jede
Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie
unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie,
Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten
seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene
Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer
Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495
oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555,
Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679
Habeas-Corpus-Akte). 1776 wird mit der -> Virginia Bill of Rights in Amerika
die erste formelle V. (-> Verfassungsurkunde) geschaffen. Dem folgen (->
Toskana Entwurf 1782, 1787 erweitert auf 145 Artikel) -> Polen (3. 5. 1791,
Warschau 22. 7. 1807), -> Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794),
Bologna (4. 12. 1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische
Republik (30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische
Republik (17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische
Republik (12. 4. 1798), die -> Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für
das batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande),
Lucca (4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische
Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), Holland (7. 8. 1806) (, Spanien
6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809, Sizilien 18. 6. 1812,
Norwegen 17. 5. 1814, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822, Belgien
7. 2. 1831, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849 bzw.
26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29. 6. 1869,
Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien 16. 4.
1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen Römischen Reiches (deutscher
Nation) Frankfurt (10. 10. 1806),Westphalen 15. 11. 1807, Bayern (1. 5. 1808),
Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)-> Nassau (3. bzw. 2. 9. 1814), -> Waldeck
(28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816), -> Schaumburg-Lippe (15.
1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816), Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3.
1818), -> Bayern (26. 5. 1818), -> Baden (22. 8. 1818), -> Württemberg
(25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt (17. 12. 1820) sowie später z. B.
Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich (1848) und Preußen (1848). Ihre
Verfassungen enthalten meist eine Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zur
Gesetzgebung berufenen Parlament sowie die Sicherung von Grundrechten des Einzelnen
gegen den Staat. Die von der Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene
V. (1848/1849) tritt nicht in Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des
zweiten Deutschen Reiches (1871, ohne Grundrechte), der Weimarer
Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der Bundesrepublik Deutschland (23. 5.
1949). Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes Bewusstsein
öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen Staatsdenken der
Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch gewordenen
Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die V. als den
Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788, Sieyès 1795,
Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den Staaten des
Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit unterschiedlichem Erfolg
gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen) auf in Verfassungen
verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einzelner
Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte Sammlung
der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur Gegenwart
umfasst etwa 1300 Texte.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32,
55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222,
227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des
österreichischen Kaisertums, 1809; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff.
3. A. 1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der mittelalterlichen
Verfassung Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900), 115; Sander, P.,
Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L., Geschichte der
Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen
Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel,
P., Wilhelm von Humboldt und die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913; Schramm,
P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und Verfassung,
ZRG GA 49 (1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil. Röm.
Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die Verfassungen der
modernen Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel, E./Groh,
F./Hecker,H., 1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf die
deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz 1955; Pfeffer,
W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann, E., Der
Verfassungsbegriff in der deutshen Staatslehre der Aufklärung und des
Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, in: Ständische
Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung,
1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H.,
Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die
Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der
römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff,
1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse,
1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter Reichsverfassung,
hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19. und 20.
Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in
Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u.
a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A.
2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional
law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der EG-Mitgliedstaaten,
hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der Verfassung, in:
Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse der Verfassung der
Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung,
1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen Verfassungsgerichtshof,
1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr 1787 des Granduca Pietro
Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene Wisch, 1998; Mohnhaupt, H.,
Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998), 121; Verfassungen in Hessen,
hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation, 1998; Die
deutschen Verfassungen, hg. v. Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen
Mittel- und Osteuropas, hg. v. Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne
Verfassungsstaat, 2001; Schmidt, C., Vorrang der Verfassung und
konstitutionelle Monarchie, 2000; Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M.
u. a., 2001; Waibel, D., Junges Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048;
Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung
der Verfassungslehre in der Weimarer Republik, 2002; Lechler, F.,
Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität, 2002; Die Verfassungen der Welt.
1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1 Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg.
v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u.
a., 2003; Krüger, K., Die landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das
konstitutionelle Verfassungswerk Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa,
hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004; Parlamento e Costituzione nei sistemi
costituzionali europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den
konstitutionellen Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004;
Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung
für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a., 2004; Weimarer Landesverfassungen, hg.
v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Deutsches
Verfassungsrecht 1806-1918, hg. v. Kotulla, M., 2006; Bock, D., Der Eid auf die
Verfassung im deutschen Konstitutionalismus, ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H.,
Englische Verfassung und politisches Denken im ancien régime 1689-1789, 2006;
Winterhoff, C., Verfassung, 2006; Hollstein, T., Die Verfassung als
„allgemeiner Teil“, 2007
Verfassung der
Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner
Grundgesetz vom 23. 5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze
sein, sondern grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung,
vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden.
Eine Änderung der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig.
Inhaltlich stellt der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf
traditioneller Grundlage dar, wobei die Gewährleistung von Eigentum und
Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln
festgelegt wird. An der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung
für den demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk
ausgeht, durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung
ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes
mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident,
Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G., Die
Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des
Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997
Verfassung der Deutschen
Demokratischen Republik ist die am 7. 10.
1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder Gewaltenteilung,
noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische Wahlentscheidung zulassende
Verfassung. Sie wird durch die Beseitigung der Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958)
und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie die Ersetzung des Präsidenten
durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960) verändert. Die zweite V. vom 9.
4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen Errungenschaften absichern und
gibt in der Neufassung vom 7. 10. 1974 die Vorstellung einer deutschen Nation
auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann, H.,
Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989
Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland die
verfassungsrechtliche Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht zum Schutz
eines dem Beschwerdeführer nach seiner Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen
(1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden). Sie begegnet bereits 1818 in
Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal erfolgreich) und Baden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R., Das
Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000
Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung, die zur Verabschiedung
einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main1848, Weimar 1919).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen (z. B. England 1610,
Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von Amerika 1803) seit dem
19. Jh. (1818, 1834) welche die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit der
-> Verfassung überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen
Gerichtsbarkeit ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich 1920, Deutsches Reich
[-> Staatsgerichtshof] 1921, Bundesrepublik Deutschland 1951, Italien 1956,
Frankreich 1958, Spanien 1980).
Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung des
Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N.F. 16
(1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, in:
Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339;
Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983;
Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986;
Robbers, G., Die historische Entwicklung der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS
1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit in den westlichen
Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen Wurzeln der
Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre Verfassungs-
und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997; Böckenförde, E.,
Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki, B.,
Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die
Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000;
Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818,
2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen
Ländern und in Berlin, 2002
Verfassungsgerichtshof ist ein (oberes) Verfassungsgericht (z. B. Österreich
1920).
Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher
Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der (formellen oder materiellen) ->
Verfassung betreffende Teil der (die V. einschließenden) Rechtsgeschichte (Wort
seit 1825 [Müller, Alexander] belegt). Grundlegend für Deutschland ist die V.
von Georg -> Waitz. Weitere bekannte Verfassungsgeschichtler sind (die
Historiker) Otto Hintze [1902 erstes persönliches Ordinariat für Verfassungsgeschichte
an der Univerisität Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner oder (der Jurist) Ernst
Rudolf Huber.
Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1ff.
1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine Verfassungsgeschichte,
hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte,
1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di
Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen,
insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur
Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB
Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche
Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische
Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung,
1975; Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung, 1983; Quellen
zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter, hg.
v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und Probleme einer europäischen
Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Europäische Rechts- und
Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz, A., Neuere
schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Brauneder, W., Österreichische
Verfassungsgeschichte, 8. A. 2001; Caenegem, R. van, An Historical Introduction
to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche
verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Frotscher, W./Pieroth, B.,
Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999; 3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005; 6.
A. 2007; Zuleeg, M., Ansätze zu einer Verfassungsgeschichte der Europäischen
Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002,
7. A. 2006; Brandt, H., Der lange Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer,
W., Die wissenschaftlichen Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich,
G., Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne
Verfassungsstaat, 2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und
Verfassungsgeschichte, 2001; Europäische Verfassungsgeschichte, Willoweit, D.
u. a., 2003 (47 Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung,
Internationalisierung, 2003 (Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der
Neuzeit, 2004; Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte
und Recht, 2004; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a., Bd. 1 2006
Verfassungskonflikt ist der Streit um eine grundsätzliche Verfassungsfrage (z.
B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen 1862-6).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche
Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung,
Hist. Jb. 100 (1980), 257
Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die -> Verfassung betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966;
Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A.
1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat.
Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen
und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches
Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1 2005
Verfassungsschutz
Lit.: Buschfort, W., Geheime Hüter der
Verfassung, 2004
Verfassungsurkunde ist die eine -> Verfassung schriftlich verkörpernde
Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden gibt es (nach
wissenschaftlicher Konvention) seit 1776 (-> Virginia Bill of Rights).
Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen
Verfassungen, Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in
der Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen
Verfassungsurkunde, 1918
Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche Verfassungszustand eines Staates im
Gegensatz zu dem von der Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.
Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und
Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126
Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in Norddeutschland eine
Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, die der -> Acht ähnelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das Verfestungsbuch
der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2
1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die Verfestung nach dem
Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995
Verfügung ist im Privatrecht das Rechtsgeschäft, durch das ein Recht
unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B.
Übereignung). Bereits das römische Recht unterscheidet die V. von der ->
Verpflichtung. Ob das germanische Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19. Jh.
wird die V. von der Verpflichtung abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den
Fall des Todes über den Nachlass getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V. ein
-> Verwaltungsakt.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2;
Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen
nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über
Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem
Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen
nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen
nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die
Entdeckung der Verfügungsmsacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der
Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977,
213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64
Verfügungsgeschäft ist das eine -> Verfügung anstrebende bzw. bewirkende
-> Rechtsgeschäft.
Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstandes an eine andere
Person. -> Schenkung
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Vergehen ist die rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer
geringeren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht ist. Als
allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu Beginn
des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813). Der Versuch eines Vergehens ist nur bei
besonderer gesetzlicher Bestimmung strafbar.
Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hanamann, Über die
Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, Über die Einteilung
der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die
Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915
Vergeltung ist ein -> Strafzweck.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck
1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000; Balthasar, S.,
Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Künzel, C.,
Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung und Reform zur
Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005
Vergleich (lat. [F.] transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der
Streit oder die Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege
gegenseitigen Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen
Recht ein -> Erlass, wird aber von -> Justinian (527-565) hiervon
abgelöst. Der V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter
wird das justinianische Recht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der
Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung,
2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der
Vergleich, 1988
Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die amtliche Festnahme eines
Straftatverdächtigen. Für sie verdichten sich seit der Aufklärung die
gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T., Die
Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des Verwaltungsrechtes, dass die
Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen nur die wählen
darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt.
Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird aber erst im 20. Jh.
artikuliert.
Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994
Verhältniswahlrecht ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der
Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der auf
die einzelne Partei im gesamten Wahlgebiet abgegebenen Zahl der Stimmen
verteilt wird (z. B. Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im ganzen Reich
ein Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht. Es
kann klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den
politischen Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.
Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung der
konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, in: Smend, R.,
Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60
Verhandlung ist die Erörterung eines Gegenstandes durch Beteiligte,
insbesondere die Erörterung vor einem Gericht. Bei der hiervon abgeleiteten
Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es bei den Parteien, welchen
Streitstoff sie dem Gericht unterbreiten.
Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte und
Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971
Verhör ist die eindringliche Befragung eines Menschen durch einen
andern Menschen zur Ermittlung von Umständen, insbesondere die Befragung von
Verdächtigen durch einen Ermittler.
Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus, M.,
Das Verhör, 2003
Verjährung ist der durch Zeitablauf eintretende Rechtsverlust. In
fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis aller Klagen von
den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw. Theodosius II. (424)
mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen auch 40, 20, 10
Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V. bereits auf das
Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen Recht
aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die -> Verschweigung. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30
Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland
die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für
die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.
Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61;
Kroeschell, 20. Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten
Verjährungslehre, 2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der
Verjährung, 1866; Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre,
1908; Iterson, W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg,
H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die
gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602
Verkauf -> Kauf
Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen römischen Recht bekannte,
bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen Dritten zu verwertende
Pfand. Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten seit dem 13. Jh., auf dem
Land seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt der Verkauf durch das
Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung. Nach dem deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete Gegenstand meist durch
öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung
verwertet.
Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips,
1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verkehr ist ausgehend vom Vertrieb von Waren die Bewegung oder
Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür vorgesehenen Wegen. Das
Verkehrswesen ist im römischen Reich bereits hoch entwickelt. Dieser Zustand
wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit dem 19. Jh. verdichtet sich der
V. immer mehr. Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr, dem
Straßenverkehr und dem Luftverkehr zu. Für sie werden jeweils besondere Verkehrsregeln
entwickelt.
Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen zu
Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A.,
Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Schubert, W., Die Anfänge
eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194
Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der deutschen Rechtsprechung
entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs, die Benützer vor hieraus
erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter Verletzung der V. ist
Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Verkehrssitte ist das übliche Verhalten im Rechtsverkehr.
Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts herangezogen werden. Bei
unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung dienen.
Lit.: Al-Shamari, N., Die Verkehrssittte im § 242 BGB, 2006
Verklarung ist im Seerecht die Einreichung eines Berichts des Kapitäns
eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim zuständigen Gericht. Die V.
ist nach bereits römischrechtlichen Ansätzen im Spätmittelalter in vielen
Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der allgemeinen Verschweigung ist
ungewiss.
Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen 1913
Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch Überführung in
Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund verschiedener
Voraussetzungen.
Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des
Hausvaters, ZRG RA 75 (1958), 116
Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens. Recht bedarf zu seiner
Wirksamkeit vielfach der V. Zur Sicherung der V. werden bereits im römischen
Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum (Markt) aufgestellt.
In Ermangelung der Schriftform erfolgt die V. zumindest zunächst mündlich. Seit
dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen Orten zu bestimmten
Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung in Schriftform zur
Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.
Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur
Aufzeichnung, in: Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verlag ist der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere
von Werken der Tonkunst und Literatur. Der V. erscheint seit dem
Spätmittelalter (Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der
Geräte und Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm
vertriebenen Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V.
sachlich vor allem das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben
der Stadt auch das Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der
Industrie auf. In seinen Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der
Tonkunst und Literatur (deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als
Heimarbeit bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175, 184;
Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen
Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei
zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, in: Vom Gewerbe
zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck, 1988;
Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und Großbetrieb,
1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996
Verlagsrecht ist objektiv die Gesamtheit der den -> Verlag
betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger vom Verlaggeber
eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Ausgangspunkt nimmt das V. auf dem Gebiet
der Tonkunst und Literatur in den als Folge des Buchdrucks am Ende des
Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien gegen
Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die
Lehre vom -> geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im
preußischen -> Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren
Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich
geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von
Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.
Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff, H.,
Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und
Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und
Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des
Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991
Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches -> Grundbuch.
Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der
Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1
Verletzung -> Körperverletzung
Verleumdung ist die wider besseres Wissen erfolgende Behauptung oder
Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf einen anderen, die geeignet
ist, denselben verächtlich zu machen, in der öffentlichen Meinung
herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V. wird am Beginn des 19.
Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung zu einem besonderen Straftatbestand
verselbständigt. Zwischen V. und übler Nachrede unterscheidet 1843 ein Entwurf
eines preußischen Strafgesetzbuches mit Hilfe des Merkmals „wider besseres
Wissen“.
Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967; Sørensen, P.,
The unmanly man, 1983
Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen Sache zu einer
Liegenschaft
Verlöbnis ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen verschiedenen
Geschlechts gegenseitig versprechen, die Ehe miteinander einzugehen sowie das
durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis. Das V. ist bereits dem
altrömischen Recht als ein zunächst zwischen Gewalthaber der Braut und
Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. [F.]
sponsio -> [N.Pl.] sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform
gelöst wird und seine Klagbarkeit verliert. Im spätantiken römischen Recht wird
eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöbnisgabe (lat. arrha [F.]
sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter
vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. In der Folge finden die von
der Kirche entwickelten Regeln Anwendung. Hier entsteht seit dem 11. Jh. die
Unterscheidung zwischen den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und
den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de praesenti (Eheschließung). Die darauf
gegründete Klagbarkeit des Eheversprechens wird im 19. Jh. wieder beseitigt.
1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20. Jh. verliert das V.
seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik
Deutschland 1996).
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88; Friedberg,
E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Lehmann,
K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten, 1882; Ciccaglione,
F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im Volks- und Rechtsbrauch,
1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933; Kristein, R., Die Entwicklung
der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum gerichtlichen Verhältnis von
Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637; Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979;
Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004
Verlobung s. Verlöbnis
Vermächtnis ist die Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser
einem anderen einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben
einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen
bekannt (lat. [N.] -> legatum bzw. -> fideicommissum). Mit dem
römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V. aufgenommen. Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es Damnationslegat und begründet deshalb
nur einen Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben.
Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner § 111;
Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Vermählung -> Eheschließung
vermehrter Sachsenspiegel -> Meißener Rechtsbuch
Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen
unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach
amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag
und Bundesrat.
Vermögen ist die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände
von wirtschaftlichem Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt
das jeweilige Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf
vollstreckt. Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann
mit Vermögensteuer besteuert werden.
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85 II;
Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869;
Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz, H.,
Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im
Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine
Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA
109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen
oder teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte
und durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland eingeführte, aber durch
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03. 2002 wegen
mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.
Lit.: Schnieders,
R., Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, 2002
Vermutung ist der Satz, nach dem von dem Vorliegen eines bestimmten
Umstandes auf einen bestimmten anderen Umstand geschlossen werden soll. Die V.
ist (als [lat.] praesumptio [F.]) bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem
später aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 29
Vernunft ist die Fähigkeit, nachvollziehbare, verständige
Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die Aufklärung der frühen Neuzeit
besonders ab. Namengebend wird die V. für das hierauf gegründete Vernunftrecht.
Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde Vernunft
und Natur der Sache, 1970
Vernunftrecht ist das allein durch die -> Vernunft gerechtfertigte und
begründete Recht. Es ist die im 17. und 18. Jh. vorherrschende Art des
Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von spanischen Spätscholastikern
(Francisco de -> Vitoria 1483/1493-1546, Fernando -> Vazquez 1512-1569), die
zwecks Gewinnung einer verlässlichen Lösung für die am Beginn der Neuzeit
entstehenden rechtlichen Fragen aus einem als allgemein behaupteten Naturrecht
gewisse allgemeine Völkerrechtssätze ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt
Hugo -> Grotius 1625 ein Allgemeinrecht für alle Rechtsverhältnisse, das
ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben (lat. [M.]
appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte
Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden
auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen
Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf
Gott bezogene Naturrecht verweltlicht und zu einer irdischen Sozialethik
erhoben sowie andererseits die göttliche Offenbarung der Theologie
zurückgegeben. Die menschliche Vernunft allein - nicht die geschichtliche
Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht. Dem folgt neben David ->
Mevius etwa -> Pufendorf (1672), der in geometrischer Art für das private
Recht ein Gesamtsystem von einleuchtenden Vernunftsätzen bilden will. Christian
-> Wolff (1679-1754) will überhaupt durch mathematisch-demonstrative,
logisch-synthetische Deduktion mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel
aus wenigen vernunftrechtlichen Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles
kommen. Allerdings werden dabei nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des
geltenden Rechts als Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende
Ableitung meist logisch nicht einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von
behaupteten Naturrechtssätzen in die Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig
später widerlegt Immanuel -> Kant (1724-1804) die Vorstellung eines
überpositiven Rechtes ohne geschichtliche Grundlage ganz. Dennoch erfahren
preußisches -> Allgemeines Landrecht (1794), -> Code civil (1804) und
österreichisches -> Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (1811/2) eine
bedeutsame naturrechtlich-systematische Prägung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144, 145,
159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius,
1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum 150jährigen Bestehen
des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3; Carpintero-Benitez, F., Del
derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Krause, D.,
Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979; Luig, K., Der Einfluss des
Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts,
1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Link, C., Hugo
Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und Rechtsreform, hg. v. Krause,
P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius, 1989;
Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001
Verona an der Etsch wird auf angeblich keltischer Grundlage 89 v.
Chr. römische (lat [F.]) colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs,
später Sitz Theoderichs des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs
Alboin. Im 12. Jh. wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten
aufzeichnet. Über Mailand (1387), Venedig (1405) und -> Österreich (1797)
gelangt es 1866 zu -> Italien.
Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica, 1976;
Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995
Verordnung ist die behördliche Anordnung an eine unbestimmte Zahl von
Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie erscheint sachlich mit dem
Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits im römischen Altertum oder im
Frühmittelalter (z. B. -> Kapitularien). Systematisch erfasst wird sie aber
erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem dem Gesetz gegenüber.
-> Notverordnung
Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen Generalien
und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller
Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller
unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J.,
Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das
richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001
verpachten -> Pacht
Verpfählung
Lit.: Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110
verpfänden (als Pfand geben)
Lit.:
Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel- und niederrheinischen Reichsstädte,
1893; Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921), 110;
Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in
der Reichsstadt Ulm, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte im Mittealter, 1967
Verpflichtung (Schuld, Verbindlichkeit)
Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht bekannte, eine ->
Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im Gegensatz zu dem diese
Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B. Übereignung), das ->
Verfügungsgeschäft ist.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II,
62 III 2; Köbler, DRG 46
Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung eines
Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung durch
Aufhängen. Im Übrigen werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat,
Landesverrat) im Einzelnen unterschiedlich verfolgt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Ritter, J.,
Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942
Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein
Mensch, welchem von einer anderen Person, von deren Weisungen er mehr oder
weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Der Geschäftsherr
hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und Überwachung eines schädigenden
Verrichtungsgehilfen einzustehen.
Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, Entwicklung der
Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für Verrichtungsgehilfen,
in: Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H., Respondeat superior, 2000;
Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen,
2000
Versailles ist der südwestlich von Paris gelegene, 1037 erstmals
bezeugte und 1561 mit Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV. im 17. Jh. ein
Schloss errichten lässt, das dem König von Frankreich als Residenz dient. Am
18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zum Kaiser von Deutschland
ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440 Artikeln
gegliederte, von vielen als Diktat betrachtete Friedensvertrag der alliierten
Siegermächte des ersten Weltkrieges mit dem Deutschen Reich unterzeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Berber, F., Das
Diktat von Versailles, 1939; Haffner, S. u. a., Der Vertrag von Versailles,
1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich, G., 2001
Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich
und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich im 19. Jh. zu einem
Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei betreibbare
Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt. In der Gegenwart
wird bei Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf
der Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei
Säumnis des Klägers die Klage abgewiesen.
Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H.,
Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa,
M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main
1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966;
Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am Main
1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert,
W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T., Versäumnisurteile
in Europa, 1996
Verschollenheit ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder
Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt
ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die
V. wird bereits im römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe,
Kriegsverschollenheit [lat.
ius postliminii]).
Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der -> Todeserklärung eingerichtet.
Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Verschollenheitsgesetz (15.
1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten Nationen
über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.
Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206, 237,
266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit, 1951;
Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199
Verschulden ist das objektiv pflichtwidrige und subjektiv vorwerfbare
Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist bereits im römischen
Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und Schadensersatz (lat. [F.]
culpa, [M.] dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von
einer -> Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann,
dass nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbstverständlich
mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus
entgegenkommende Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/8, Hasse 1815,
Ihering 1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus ->
Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen usw.) geschaffen. In der
Folge wird im Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt.
Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 128,
209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2 (1969),
187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46 (1978), 1
Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche Verbindung durch Heirat (ein
Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten verschwägert, nicht verwandt)
Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle
gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193
Verschweigung ist die Unterlassung der Geltendmachung eines Rechts, die
seit dem Mittelalter meist nach -> Jahr und Tag zum Verlust des Rechts
führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der -> Verjährung und der
-> Ersitzung verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163; Immerwahr,
W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Köln
1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Verschwender (lat. [M.] prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben
tätigt. Der V. erhält schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch
handelnden Pfleger (lat. [M.] curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht
aufgenommen. Der V. kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich
häufig erfolgt. Seit 1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der ->
Entmündigung die -> Betreuung.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22; Schwarz,
A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung
wegen Verschwendungssucht, 1996
Versenken im Moor ist die Art der Tötung, die nach Tacitus bei den Germanen
der Unzucht folgt. -> Moorleiche
Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der
Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922
Versicherung ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten,
insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensausgleichsleistung
durch regelmäßige Vorleistungen. Die V. entsteht vielleicht bereits im
Frühmittelalter, spätestens im Hochmittelalter auf der Grundlage der
Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten,
Lösegeldzahlung, Schiffsverlust [Italien 14. Jh.]). Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung. Seit
dem 17. Jh. wird die -> Lebensversicherung möglich. Neben die
genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische
Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks allgemeiner
Wohlfahrt die Zwangsversicherung (Preußen 1718 Brandversicherung) ein. 1908
wird im Deutschen Reich ein Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden
Versicherungen geschaffen, über die der Staat die Aufsicht führt (Preußen
1781). Neben der Privatversicherung steht die 1881/1884 aufgegriffene ->
Sozialversicherung.
Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E., Il
contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten
Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte,
1936; Schmitt-Lermann, Hans, Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben
des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British
Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur
Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen
Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die
Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Dreyer, T., Die
Assecuranz- und Haverey-Ordnung, 1990; Hofmann, E., Privatversicherungsrecht,
3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor dem Versicherungsvertragsgesetz,
1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W., Quellennachweis und Bibliographie zur
Geschichte des Versicherungsrechts, hg. v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die
Behandlung des Versicherungsvertrages im preußischen Allgemeinen Landrecht,
Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E., Banken und Versicherungen, 1997;
Koch, P., Geschichte der Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The
Development of the Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe,
D., Geschichte der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den
Gilden, 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche
Versicherungswirtschaft, 2001
Versicherung an Eides Statt
Lit.: Lex, P., Die Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967
versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache
Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II
Versionsklage (lat. actio [F.]
de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das zu einer Bereicherung
des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, die Justinian
(527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier
erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den
Bereicherungsansprüchen auf.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die Versionsklage,
1965
Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen Berechtigten beim
Rechtserwerb durch -> Ersitzung.
Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf
sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses
zwischen zwei Ehegatten im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland
1976 eingeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169
Versprechen
Lit.: Die Ordnung des Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005
Verstaatlichung ist die Überführung von Privateigentum in Eigentum des
Staates. Sie ist im Rechtsstaat als -> Enteignung nur gegen Entschädigung
zulässig.
Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines Gegenstands an den
Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen Prozessrecht bekannt. Sie wird
in den mittelalterlichen Städten erneut aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich
oder öffentlichrechtlich durchgeführt werden. Besonders bedeutsam ist sie in
der -> Zwangsvollstreckung (-> Zwangsversteigerung).
Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die
Vermögensvollstreckung, 1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und
gutgläubiger Erwerb, 1970; Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003
Verstümmelung ist die Entfernung oder Unbrauchbarmachung eines Teiles des
menschlichen Körpers durch unmittelbare mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken
der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden, Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die
V. wird als Strafe bereits im römischen Altertum verwendet. Mit der peinlichen
Strafe tritt sie im Mittelalter hervor. Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie
bekämpft und schließlich beseitigt. Als -> Maßnahme der Sicherung und
Besserung wird aber die Kastration im -> Dritten Reich wieder durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der Entmannung, 1936; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Versuch ist im Strafrecht die Betätigung des Entschlusses zur
Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zur Verwirklichung des
gesetzlichen Tatbestandes unmittelbar ansetzen, aber nicht zur Vollendung
führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als
verselbständigte Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen). In Italien
befassen sich aber bereits die Glosatoren verstärkt auch mit den die Anfänge
einer Straftat betreffenden Textstellen. In der frühen Neuzeit wird er als
solcher gesehen (Constitutio Criminalis Bambergensis 1507) und einschließlich
des -> Rücktritts als allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des
Strafrechts aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer, R., Warum
war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos? 1963 (9 S.); Schaffstein,
F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973, 157; Sellner,
D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961; Hellbling, E.,
Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241; Kracht, H., Die
Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur. Würzburg 1978;
Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18). Zu den Anfängen
einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren, 1989, 1989; Müller,
M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995
Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten im Strafverfahren. Er
ist bereits dem römischen Recht bekannt, gewinnt aber insbesondere erst als
Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens im Rechtsstaat des 19. Jh.s an
Gewicht. -> Strafverteidiger
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264;
Henschel, Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Armbrüster,
K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980; Hettinger, M., Das
Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der Strafverteidiger, 1996; Falk,
U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA 117 (2000), 395
Vertrag ist das grundsätzlich durch zwei einander wechselseitig
entsprechende Willenserklärungen zustandekommende, zweiseitige ->
Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechts (Tausch,
Schenkung, Ehe). Die römische Rechtswissenschaft unterscheidet mehrere
verschiedene Arten (-> Realkontrakt, -> Verbalkontrakt, -> Litteralkontrakt,
-> Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen Kirche entwickelt sich
entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat. ex nudo pacto actio non
oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch) die Vorstellung
von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrages. Vielleicht geht der Durchbruch der
Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch im weltlichen Recht auf Matthaeus
Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582). Als allgemeine
Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.) erfasst. Die
einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter
Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im allgemeinen Teil geregelt. Die
Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im Wesentlichen auch für den V.
zwischen Völkerrechtssubjekten sowie für den öffentlichrechtlichen V. ->
Gesellschaftsvertrag
Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts, 1855;
Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P., Schuldvertrag und
Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im Mittelalter, ZRG GA 67
(1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14. Jahrhunderts, Diss. jur.
Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht, ZRG RA
77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht,
ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des frühen Mittelalters, hg. v.
Classen, P., 1966; Stoljar, A History of Contract, 1975; Kiefner, H., Der
abstrakte obligatorische Vertrag, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Nanz, K., Die Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985;
Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und
Sozialphilosophie 59 (1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht
wegen Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by
Barton, J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract
Doctrine, 1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen
Vertragsschluss-Vorschriften, 1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen
Vertragsverhältnis, 1994; Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J.,
Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997; Reiter, C., Vertrag und
Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y.,
Der Paradigmawechsel der Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der
Vertragstheorie, 2002; Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006
Vertrag mit Schutzwirkung
für Dritte ist der von der deutschen
Rechtsprechung im späten 20. Jh. (um 1960) entwickelter Vertrag, der bestimmte
schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrages
einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktrechts auszugleichen (seit
2002 in Deutschland § 311 III BGB).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
270
Vertrag zugunsten Dritter ist der einen Dritten begünstigende Vertrag (z. B.
Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen). Er wird nach älteren
vernunftrechtlichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s ausgebildet.
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp geregelt.
Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23; Hübner
548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die
Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti
a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit mögliche Beseitigung eines
Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.
Lit.: Knütel, R., Contrarius
consensus, 1968
Vertragsfreiheit (Privatautonomie) ist die Freiheit in Abschluss, Form und
Inhalt eines Vertrages. Sie ist als Grundsatz am Beginn des Rechts
vorauszusetzen, wird aber geschichtlich verschiedentlich eingeschränkt (z. B.
durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft usw.). In der Kirche wird
schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Der
Liberalismus des 19. Jh.s setzt sich erfolgreich für die V. ein. Der
Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen die
V. verschiedentlich ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240; Scherrer,
W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit, 1948;
Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, 1962;
Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and Fall
of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer, S.,
Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006
Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen -> Vertrag betreffenden
Rechtssätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte des
deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels
Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59
(1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A. 1995
Vertragsstrafe (lat. [F.] poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der
Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer
Verbindlichkeit verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art
der -> Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung.
Seit dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem
römischen Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) nimmt sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten
richterlichen Ermäßigungsmöglichkeit auf.
Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552; Kroeschell,
DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die römische
Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden, 1896; Boye,
F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A., L’evolution du
concept du clause pénale, in: Mélanges Fournier, 1929; Lang, H., Schadensersatz
und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Knütel,
R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993
Vertragsverletzung -> Leistungsstörung, positive Forderungsverletzung
Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung, Diss.
jur. Hamburg 1967
Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s geforderte
Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. -> Treu und Glauben
Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971; Vertrauen,
hg. v. Frebert, U., 2003; Definitionsmacht, Utopie,
Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006 ist die durch Gewalt oder Drohung erreichte Entfernung von
Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B. Entdeutschung). Sie ist
völkerrechtswidrig. Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht
werden.
Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus
Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.;
Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der
Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der
Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v.
Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen
in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und
Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung
1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen
Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003;
Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der
Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M.,
Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004
vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl, Maß oder Gewicht
ersetzbar, annehmbar)
Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?, 1999
Vertretung -> Stellvertretung
Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214; Gottwald,
F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss. jur.
Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im lübischen
Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa, hg. v.
Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984; Kunstreich, T.,
Gesamtvertretung, 1992
Verwahrung (lat. [N.] depositum) ist der entweder gegenseitige oder unvollkommen
zweiseitig verpflichtender Vertrag, durch den sich der Verwahrer verpflichtet,
eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren. Die V.
ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher -> Realvertrag bekannt.
Auch im Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das
römische Recht aufgenommen.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 3;
Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verwaltung ist die auf längere Dauer gerichtete Besorgung einer
Angelegenheit, insbesondere die Ausführung staatlicher Aufgaben. V. gibt es
bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit der Ausdehnung des römischen
Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer Herrschaftstechnik gegenüber
bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu. Seit dem Übergang zum Prinzipat
entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen gekennzeichnete Formen.
Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige allgemeine Bereiche.
Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine Rechte im Reich im
Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von Hofämtern (Truchsess,
Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen. Eine Verdichtung findet
erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und Städten statt. Am Beginn der
Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen geregelt und rationaler gestaltet
(z. B. maximilianische Verwaltungsreformen). Der Absolutismus beruht dann
bereits auch auf einer vom Polizeigedanken geprägten vielgliederigen
Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten, die mehr und mehr auf den
Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet wird. Der Liberalismus des
19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von Sicherheit und Ordnung
beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in die Freiheit des Einzelnen
nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und eher -> Selbstverwaltung
fördern, doch fordert die Gesamtheit der Staatsbürger umfangreiche Leistungen
der Allgemeinheit (-> Leistungsverwaltung z. B. Versorgung, Entsorgung,
Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem Grund werden immer mehr
hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden geschaffen. In der zweiten
Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von der Überprüfung des
Verwaltungshandelns durch ein Gericht (-> Verwaltungsgericht) in Deutschland
durch. Der Umfang der V. und damit auch ihre Kosten wachsen unvermindert
weiter.
Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232,
251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische
Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die
städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J.,
Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local
government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3.
A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H.,
Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H.,
Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt,
5. A. 1980; Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967;
Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer,
F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19.
Jahrhunderts, 1970; Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs,
1969; Der deutsche Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd.
1f. 1970f.; Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische
Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt,
H., Die Einführung hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des
Departements Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des
Freiherrn vom Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa,
1972; Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A.,
Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der
städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und
Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Univeristät Budapest, 1978; Maier, H., Die
ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de
l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H.,
Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung
seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff.
1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und
ihre Ressourcen,( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung,
1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A. Jeserich zum 90.
Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen
Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege
verwaltungsgeschichtlicher Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel,
F., Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche
Verwaltung im totalitären System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche
Verwaltung unter 50 Jahren Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael,
L., Recht und Ordnung. Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J.,
Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003;
Grau, U., Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen
Aufträge, 2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und
Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004
Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung, Entscheidung oder
andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles
auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare
Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid).
Der urteilsähnliche V. entsteht mit der -> Verwaltung. Das Wort V. tritt
anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als
allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto ->
Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst. Gesetzlich
geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925, Deutschland
1976)
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259;
Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845;
Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des
deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht, 1895/1896;
Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Erichsen,
H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom
fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer, 1981;
Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998;
Engert, M., Die historische Ntwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002;
Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004
Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte
(Ehemann) die Güter der Ehegatten gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet
sich bereits sehr früh. Sie entfällt mit der Gleichstellung der Frau in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche Streitigkeiten entscheidende
Gericht. Bereits im 18. Jh. kann sich der Untertan mit dem Verlangen nach
Rechtsschutz gegenüber dem landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf
ein wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte
des 19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu
einer politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten
frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche
Überprüfbarkeit allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte
verwaltungsinterne Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen
Verfassung des Deutschen Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit
um eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte (Otto -> Bähr 1864) oder die
Einrichtung besonderer Verwaltungsgerichte (Rudolf von -> Gneist 1857, 1872)
setzt sich die zweite Ansicht durch. Dementsprechend entsteht das besondere V.
(Baden 1863, Preußen 1872, Hessen 1874, Württemberg 1876, Bayern 1878, Sachsen
1900). Die dabei eintretende Zersplitterung wird erst durch die deutsche
Verwaltungsgerichtsordnung (21. 1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der
Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952 geschaffene Bundesverwaltungsgericht
stellt. Österreich kennt keine unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (seit
1875) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261; Bähr,
O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck 1968;
Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff. Recht
N.F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für Bayern, 1950; Sellmann,
M., Entwicklung und Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg,
1957; Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die
Entwicklung der österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Lehne, F.
u. a., 1976; Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis,
M., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985,
57; Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik,
Vwbll. f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der
Verwaltungsgerichtsbarkeit, Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das
Reichsverwaltungsgericht, 1991; Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Hudenmann-Simon,
C., L’Ètat et la santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten
Zarenreich, 1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur
Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht
Ansbach, 1996; Heil, T., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50
Jahre schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die
Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8;
Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg.
v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche
Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im
Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag,
M., Die Entwiclung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von
1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und
Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003
Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die öffentliche Verwaltung betreffenden
Rechtssätze. V. entsteht in ersten Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von
-> Verwaltung. Als Einheit innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst
wird es erst in der Mitte des 19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des
Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20. Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976).
Kernstück des Verwaltungshandelns ist der -> Verwaltungsakt. Zu gliedern ist
das V. in einen allgemeinen Teil und zahlreiche besondere Gebiete
(Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht, Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht,
Schulrecht, Straßenrecht, Steuerrecht, Sozialrecht usw.).
Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des
Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833;
Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des
Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen
Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O.,
Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg,
1940; Bülck, Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS
Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in
der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das
Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung
des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981;
Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in
Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft
und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J.,
Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von
Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori,
L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les
origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung,
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner
1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur,
2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer
Grundlage, 2006
Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer bestehenden ->
Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und dann spätestens
wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die
Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F.,
Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970
Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf
die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines
Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages
gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s von der
Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925 (in Kraft 1926) infolge
internationalen Drucks zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung einer
Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung, Württemberg
1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz und
allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259; Baltl/Kocher;
Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags,
2000
Verwandter ist der Mensch, der zu einem anderen Menschen oder zu einem
gemeinsamen dritten Menschen in einem Abstammungsverhältnis steht (z. B.
Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die Verwandtschaft ist vom Beginn des Rechts an
von Bedeutung. Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das
-> Erbrecht ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein
Verhältnis als Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis,
Zeugnisverweigerungsrecht, Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann
beispielsweise durch -> Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden
kann innerhalb der Verwandten zwischen -> Agnaten und -> Kognaten.
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandschaftsbild des
Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen
Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im
germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship
Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und
Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U.,
Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die
Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003
Verwendung ist die bereits dem römischen Recht bekannte
Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D.,
Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung
auf Verwendungsersatz, 2000
Verwertung
Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der
Verwertungsgesellschaften, 1995
Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der Verjährung anerkannte,
aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes infolge unterlassener oder
verspäteter Geltendmachung.
Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und
Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934
Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe eines Rechts oder eines
rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen Rechts bekannt.
Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter auf. Auffällig
sind die Verzichte auf römische Einreden in hochmittelalterlichen und
spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine Regelung ist nirgends erfolgt.
Ein Sonderfall des Verzichts ist der Erbverzicht.
Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L., Erlass
und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das Aufkommen der
Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser, H., Die Rechts-
und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und Renuntiation, ZRG
GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verzug (lat. [F.] mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der Leistung durch
den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als Leistungsstörung
bekannt. Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit
deutschrechtlichen Einrichtungen verschmolzen. Folgen des Verzuges sind die
Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens.
Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.
Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim
Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913; Heymann, E.,
Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die Theorie der
Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung,
1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften
des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht
wegen Vertragsverletzungen, 1990
vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge
vestitura (lat./mlat. [F.])
Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die
Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195
Veto ist der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen
einen Beschluss oder eine Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht)
römischer Magistrate (z. B. Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B.
Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint an unterschiedlichen Stellen (z. B.
V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament beschlossenes Gesetz im 16.
und 17. Jh., suspensives V. des Reichsoberhauptes nach der Entwurf gebliebenen
deutschen Verfassung von 1849, suspensives V. des Präsidenten der Vereinigten
Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1929;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972
vi (lat.) durch Gewalt
Lit.: Kaser § 21 I
via (lat. [F.])
Weg, Wegerecht (als Vorform der [lat. F.]
servitus)
Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26
via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre
Vicarius (lat. [M.])
ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese.
Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein
Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende
Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen.
Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur
Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004
vicinus (lat. [M.]) Nachbar
vicus (lat. [M.]) Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung
Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, in: Das
Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136
Vidal de Canellas, nach Studium des Rechts in Bologna (um 1221) Bischof
von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt eine erweiterte
Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247.
Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956
Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird nach dem Studium in
Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island, Amtmann und Richter.
Nach 1719 erstellt er einen Entwurf für ein isländisches Gesetzbuch.
Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D., 1987,
350
Videant consules ne quid detrimenti res publica capiat (lat.). Die Konsuln mögen achthaben, dass der Staat keinen Schaden
nimmt.
Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109
(1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998 (Cicero 106-43 v.
Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)
vidimus (lat.) wir haben gesehen (Beglaubigungsvermerk für
Abschriften im Mittelalter)
Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A. 2007
Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar nutzbaren
Haustiere, die in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil sind.
Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor allem
in Viehzucht. Im römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und Maultiere zu
den (lat.) -> res (F.Pl.) mancipi. Im mittelalterlich-neuzeitlichen Recht
werden entgegen der deutschrechtlichen Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“
bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch
als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung ist Einstellung von Vieh auf Zeit
bei einem anderen.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel,
J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Vierteilen ist die durch Zerreißen des lebenden Menschen in vier Teile
vollzogene -> Todesstrafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd.
1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Vikar -> vicarius
villa (lat. [F.]) Hof, Dorf
Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des
terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus
und thorf, in: Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136:
Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
villicus (lat. [M.]) Verwalter, Meier, Dorfvorsteher
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen in der -> Grundherrschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener,
W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989
Villingen
Lit.: Fischer, T., Der Prozess vor dem Villinger Stadtgericht im 17.
Jahrhundert, 2006
Vilsbiburg
Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976
Vindex (lat. [M.] Gewaltsager)
ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht
Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen
kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten
(v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der
Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
vindicatio (lat. [F.]) Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in
libertatem, in servitutem, pignoris, rei servitutis, ususfructus)
Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29
I, 31 III; Söllner § 9
vindicta (lat. [F.]) Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe
Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a;
Köbler, DRG 29
Vindikation (lat. [F.] vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das
Herausgabeverlangen. Zur Zeit der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der
Kläger in Gegenwart des Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich
oder symbolisch vorhandenen streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem
Stab (lat. [F.] vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel,
dass der Gegenstand ihm gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen
will, muss dieses Vorgehen auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann
eine Summe gesetzt und die (lat.) -> legisactio (F.) sacramento durchgeführt.
Nach Aufgabe der geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich
hieraus der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den
nichtbesitzberechtigten Besitzer.
Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren Rechtserwerb (und deshalb
mögliche -> Vindikation) des Vermächtnisnehmers gerichtete ->
Vermächtnis im Gegensatz zum schuldrechtlich wirkenden -> Damnationslegat.
Lit.: Köbler, DRG 23
Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach dem Rechtsstudium
Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927 erfolgten Einführung
eines neuen Grundbuchsystems in Dänemark mit. Sein wichtigstes Werk befasst
sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff. 1929ff.).
Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184
Vinnius, Arnold (Monster bei Den Haag 4. 1. 1588-Leiden 1. 9. 1657)
wird nach dem Rechtsstudium in Leiden (1603 Gerard Tuningius [Schüler Hugo Doneaus])
1612 oder 1613 promoviert und nach langer Wartezeit als Rektor der Lateinschule
in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636 ordentlicher Professor in Leiden.
Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten Einfluss Hugo -> Doneaus
(Donellus) veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar seines Lehrers
Tuningius, 1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri III und 1642 einen
Kommentar zu den Institutionen sowie 1646 eine Ausgabe der Institutionen mit
Anmerkungen. In seinem Kommentar bietet er mit großem Erfolg eine
philologisch-historische Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum
einheimischen geltenden Recht, so dass er als erster eleganter Jurist angesehen
wird.
Lit.: Feenstra,
R./Waal, C., Seventeenth-century Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann,
M., Collegia en colleges, Diss. jur. Leiden 1990, 18; Vinnius, A.,
Institutionenkommentar Schuldrecht,
übers. v. Wille, K., 2005
Virginia Bill of Rights ist die von George Mason (1725-1792) entworfene und am 12.
6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit strebenden englischen Kolonien
Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung, die als älteste formelle ->
Verfassung angesehen wird.
Lit.: Köbler, DRG 191
Virilstimme ist die Einzelstimme eines Mitgliedes im Heiligen Römischen
Reich (deutscher Nation) bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere
Mitglieder vereinenden -> Kuriatstimme.
Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon; Domke,
W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2
vir (M.) inluster (lat.) ist ein spätantik-frühmittelalterlicher
hervorhebender Titel.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967
vis (lat. [F.]) Gewalt -> vi
Lit.: Köbler, DRG 42, 43
Visby auf Gotland ist die Hansestadt (1280), die sich im
Hochmittelalter zum Mittelpunkt des Handels in der Ostsee entwickelt. V.
überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den Jahren 1341-1344
aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier Bücher mit 60, 52, 52
und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren,
Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck,
Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten
beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei
Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V.
an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine
Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang
mit dem Stadtrecht.
Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C., 1853,
1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des
Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8),
487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1;
Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches
Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte,
1976
Visitation ist die in der Kirche schon früh entwickelte aufsichtliche
Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder später den Archidiakon. In der
Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit geringer Regelmäßigkeit Visitationen
auch am -> Reichskammergericht statt.
Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der
Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des
Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die Visitationen am
Reichskammergericht, 1984
Vis (F.) maior (lat.) ist schon im römischen Recht die höhere Gewalt (z.
B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben), die den Schuldner von einer Haftung
befreien kann.
Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung
Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000; Scripturus
vitam, hg. v. Walz, D., 2001
Vitoria, Francisco de (Burgos ? 1483/93-12. 8. 1546) wird nach dem
Studium von Philosophie und Theologie in Paris spätscholastischer
Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und Salamanca (1526). Unter
Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des -> Thomas von Aquin gründet der
Dominikaner die Schule von -> Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der
Neuen Welt versteht er das Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine
Verletzung des Völkerrechts (z. B. Behinderung der kirchlichen Mission,
Verfolgung von Christen) berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als
schutzbedürftige Minderjährige ein.
Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de
Indis, hg. v. Pereña, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International
Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das
Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial
de Francisco de Vitoria, 1993
Viztum, Vitztum (lat. [M.]
vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Vladimirskij-Budanov,
Michail Flegontovic (1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am
Lyzeum in Jaroslawl und 1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht
er eine dreibändige Quellensammlung zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17.
Jh.s (Chrestomatij po istorii russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen
Grundriss (Obzor istorii russkago pravo).
Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F.
Vladimirskago-Budanova, in: Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84
Vöcklabruck
Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971
Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713),
Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in
Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das
zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht
aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad pandectas (Pandektenkommentar), der
den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700
veröffentlicht er Grundrisse zu Pandekten bzw. Institutionen.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century Leiden law
Professors, 1974, 35, 69
vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben)
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58 (1938),
525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges. 2
(1992), 189
Vogt (zu lat. [M.] advocatus) ist in Fortführung antiker Entwicklungen seit
dem Frühmittelalter der schützende weltliche Sachwalter eines Menschen oder
einer Kirche, der vielfach frei gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V.
für die Kirche vorgeschrieben. In der -> Immunität nimmt er die Aufgaben des
Immunitätsberechtigten wahr. Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum
Landesherrn (z. B. Tirol). Seit dem 13. Jh. ist V. auch ein Amtsträger
weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im Spätmittelalter auch der Vormund.
In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei als bloßes Schutzrecht verstanden
und die niedere Vogtei als Grundlage einer neben der Landesherrschaft stehenden
beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer Reichsglieder. Mit dem Heiligen
Römischen Reich (deutscher Nation) verschwindet 1806 auch der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111, 113; Pischek,
A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch, H.,
Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in
Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte des Klosters St.
Gallen, 1985
Vogtei ist die Stellung als -> Vogt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die Klostervogtei
im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A., Vogtei und
Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei,
1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und
Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und
Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die
Untervgtei, 2002
Vohenstrauß
Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977
Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem 12. Jh. auch für den
Bereich des Rechts gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium iuris, um 1420,
Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, um 1452). Bei alphabetischer
Anlage kann es auch -> Abecedarium heißen. Zum -> Sachsenspiegel sind
zwei nichtalphabetische lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem
Druck von 1474 und einer Handschrift von 1475 überliefert sind.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären Literatur, 1867;
Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44, (1924), 307; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305
Volenti non fit iniuria (lat.). Dem
Wollenden geschieht kein Unrecht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A. 1998
(Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)
Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle oder
politische Entwicklung verbundene umfassende Personenmehrheit. V. sind z. B.
Griechen, Römer, Germanen, Franken usw. Im Frühmittelalter zeichnen viele
Völker oder Stämme ihr Recht als -> Volksrecht auf. Wenig später entwickelt
sich aus mehreren Stämmen das deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende
des Mittelalters als Heiliges Römisches Reich (deutscher Nation) verstanden
wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem absoluten Herrscher als eine
politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von Untertanen gegenüber.
Demgegenüber versteht die Aufklärung (-> Rousseau) das V. als den
eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt im Laufe des
19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht. Gegenüber anderen Völkern
werden vielfach eine geschlossene Nation und ein Nationalstaat angestrebt. Im
Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die völkische Gemeinschaft dagegen
alles. In der multikulturellen Gesellschaft des ausgehenden 20. Jh.s wird die
Bedeutung des Volkes geringer.
Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202, 223,
230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141; Mommsen,
T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Schmitt, C.,
Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933; Herold, G.,
Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche
Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom deutschen Volk
zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich, ein Führer, 1979;
Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer, H., Die
Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese, 1990; Volk
und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im
Völkerrecht, 2000; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002;
Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006
Völkerbund ist der von 1920 bis 1946 bestehende, anfangs ganz von
Frankreich beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung
(Völkerbundakte) vom 28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem
Völkerbundrat mit den Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen
Mitgliedern sowie einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von
Amerika treten nicht bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche
Reich (1933), Japan (1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion
wird 1939 ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V.
am 18. 4. 1946 auf.
Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des
deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der
Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994; Fellner, F., Vom Dreibund zum Völkerbund, 1994;
Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd.
1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund 1918-1926, 2006
Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer erheblichen Anzahl der
Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu diesem Volk (z. B.
Armenier, Juden, Deutsche, Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren).
Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998; Blumenwitz,
D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien
1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia 1944-1948, hg. v.
Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N., Flammender Hass. Ethnische
Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004
Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte und Pflichten der Staaten
und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze. Das V. reicht in
seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse, Gesandte) Jahrtausende
vor die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.) -> ius (N.) gentium
(bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte - geltendes Recht) wegen dessen
Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter Nichtrömern zu unterscheiden.
In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit der Ausbildung des Staates im
ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die spanischen Spätscholastiker (Francisco
de -> Vitoria 1483/93-1546, Fernando -> Vazquez 1512-69) aus einem als
allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze
ab. Hugo -> Grotius begründet 1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri
tres (Drei Bücher Recht des Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines
Recht für alle Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog.
französische Zeitalter des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische
Zeitalter. Nach 1750 wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der
Herrscher als Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als
Bezugspunkt ersetzt. 1758 wendet Emer de -> Vattel in einem bedeutsamen Werk
das Vernunftrecht auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von ->
Martens in seinen (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum
practici (Grundlinien des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige
Gliederung und legt 1797 eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen
Verträge vor. Bis zum 19. Jh. bezieht das V. nur die christlichen Staaten
Europas (und Amerikas) ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen
wird. Seit dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten
Nationen größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen
Zwischenstaatsrecht zu einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem
Verantwortungsrecht für Täter (Nürnberger Militärtribunal 1945ff.,
internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien und Ruanda, Entscheidung des
britischen House of Lords im Fall Pinochet 1999). Quellen des Völkerrechts sind
(mangels der Souveränität eines [Völkerrechts-]Gesetzgebers) hauptsächlich
Verträge und Völkergewohnheitsrecht.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97; Walker,
T., A History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des
Völkerrechts, 1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire
des relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der
Wiener Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des
Völkerrechts in gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2.
amerikanischen A.); Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen,
Bd. 1f. 1957ff.; Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E.,
Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die
Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten
(Algier, Tripolis, Tunis 1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and
Infidels, 1979; Kunisch, J., Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdross,
A./Simma, B., Universelles Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C., Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe,
W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes historiae iuris gentium,
hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte des römischen
Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract
Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994; Eick, C.,
Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt, H., Geschichte der
internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die Entstehung des modernen
Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit, in: Die Entstehung und
Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u. a., 2000; Ziegler, K.,
Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG KA 86 (2000), 1;
Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001; Koskenniemi,
M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law
1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in Antiquity, 2001; Auswärtige
Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a.,
2002; König, K., Die völkerrechtliche Legitimation der Strafgewalt internationaler
Strafjustiz, 2003; Materialien zum Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u.
a., 2003; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und
Staat, 2003; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das
moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Gierhake, K., Begründung des
Völkerstrafrechts auf der Grundlage der kantischen Rechtslehre, 2006
Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte Veränderung des ständigen
Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen Volks (z. B. Kimbern,
Teutonen, Helvetier) und besonders die durch einen Vorstoß der Hunnen (->
Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer Völker in die
Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten, Burgunder, Vandalen,
Sueben, Alemannen, -> Franken, Angeln, Jüten, Sachsen und Langobarden). Die
V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach Italien. Im Ergebnis
entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage der Fortdauer antiker
Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des von der Kirche
vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden. Umfangreiche
Wanderungsbewegungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart ebenso statt
wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.
Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner, E.,
Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.;
Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993;
Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998;
Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A.
2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002;
Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
Volksabstimmung ist die Abstimmung der stimmberechtigten Staatsbürger über
eine einzelne Sachfrage. In kleinen einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen
in der -> Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht
diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher
Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische Republik
1798, Deutsches Reich 1919ff.).
Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren, 1927;
Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952 masch.schr.;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D., Volkssouveränität
und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille und repräsentative
Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995
Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten Zahl von Bürgern eines
Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine Volksabstimmung zu
verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an unterschiedlichen Orten
(Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich 1919ff.)
Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971; Hartmann, D.,
Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der Weimarer Republik,
1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003
Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht des 20. Jh.s die
der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegengesetzte Staatsform, in der die
politische Macht in den Händen der kommunistischen Arbeiterpartei als
Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche Volksdemokratien
geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990 tritt die V. als
erfolglos zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Volkseigen (dem Volk [und damit keinem Einzelnen] gehörig)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung des
Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an Grund
und Boden in der DDR, 1978
Volksempfinden
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft
Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199
Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des möglicherweise auf der
bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566, 1576) betonten
Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l’esprit de la nation die
Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise unbewusst
wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift in der
deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied zurück.
-> Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre der ->
historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit 1808/1809 davon
aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme verhindert
hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen Bezugspunkt und
einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar kein eigenes
ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische Recht das
eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet -> Puchta
den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine einheitliche
Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter Überzeugung
schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.
Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die Entstehung
des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30 (1909), 1;
Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295;
Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.; Schröder, J.,
Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1
Volksgerichtshof ist das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht des Dritten
Reiches für Hochverrat und -> Landesverrat. Der V. sichert die
nationalsozialistische Herrschaft. Unter seinem Präsidenten Roland Freisler
werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten 5243 Todesurteile verhängt. Am 25. 1.
1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des Volksgerichtshofes
als nichtig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit, G.,
Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974; Im Namen
des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch, H., Der
Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl. 1989, 17; Marxen,
K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die Urteilspraxis des
nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die Angeklagten des 20. Juli
vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das
italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche Volksgerichtshof,
2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror und Normalität, v. Marxen, K.
u. a., 2004
Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jh. angestrebte volkstümliche, das
gesamte Recht eines -> Volkes verständlich zusammenfassende Gesetzbuch. Seit
1938 befasst sich die -> Akademie für deutsches Recht mit einem Projekt
eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung, Eigentum,
Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) gegliederten Volksgesetzbuches. Dieses teils
reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten Reform des
Bürgerlichen Gesetzbuches (1900) wird im August 1944 eingestellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann, J., Das
Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und Volksgesetzbuch,
Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann, H./Siebert, W.,
Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch, FS R. Gmür
1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988
Volkshaus ist die Bezeichnung für das Parlament in der nicht
verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine Abgeordneten sollen durch
geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt werden.
Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Volksheer ist das vom gesamten Volk gebildete Heer, wie es bei allen
Völkern am Anfang stehen dürfte. Im fränkischen Reich tritt das V. gegenüber
dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das moderne V. erscheint in
den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808, Preußen 1808/13) und
setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine -> Wehrpflicht
voraus. Im späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee wieder vor.
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung,
1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann, H., Deutsche
Militärgeschichte, 1966
Volkskammer ist das Parlament der -> Deutschen Demokratischen
Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P., Die
Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982
Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen eines -> Volkes. Die
rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das Recht. Ihre Ansätze gehen
in das 18. Jh. zurück. 1886/1887 erscheint in Frankreich eine folklore
juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die rechtliche V. (Künßberg). Ihre
Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z. B. Rathaus), Brauchgut (z. B.
Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In der Gegenwart versteht sich
die V. zunehmend als Teil der allgemeinen Ethnologie.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche Volkskunde, 1936; Künßberg,
E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde, 1936; Boehm, M.,
Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen Frühzeit, 1937; Wohlhaupter,
E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16
(1940), 74, 17/18 (1942), 51, Bader, K., Die zimmerische Chronik als Quelle
rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstümliche Leben im 15. und 16.
Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H., Altes Volkstum der
Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im nachmittelalterlichen
Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958; Strübin, E., Grundfragen
des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer, K., Volksleben im
Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und Schäfer, 1961; Zur
Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg, 1964; Künßberg,
E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias, P., 1965; Das
Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild, 1969; Duenninger,
J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971; Kramer, K., Grundriss
einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen Leute, hg. v.
Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und rechtlichen
Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in Wilster,
1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Volksrecht ist das Recht eines Volkes, insbesondere das Recht eines
der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. [F.]
lex, ahd. [F.] ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer
Sprache beginnen nach römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des
Altertums ([lat.] Codex [M.] Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten,
Burgunder, Franken (ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen,
Thüringer, Friesen und (in der Volkssprache) der Angelsachsen (-> lex, leges).
Inhaltlich setzen sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen.
Sachlich bedeutsam sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich durch ->
Wergeld und Buße (-> Kompositionensystem) und das Verfahren. Die
Aufzeichnung der durch -> Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen
9. Jahrhundert (802), die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das V. durch
das -> Landrecht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist
bereits durch römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101; Thöl, H.,
Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und Reichsrecht, 1891,
Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den germanischen
Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen Volksrechte im
Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger und Karolinger,
ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Amira, K. v.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a.,
1991
Volksrichter ist der nicht durch eine rechtswissenschaftliche Ausbildung
ausgewiesene, durch Volksvertretung oder Bürger gewählte Richter der ->
Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung
in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995;
Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J.,
Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen,
Kollektive, 1999
Volksschädling ist nach einer besonderen nationalsozialistischen
Verordnung des Dritten Reiches (1935), wer den Interessen des deutschen Volkes
schadet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
237; Jansen, S. Schädling, 1999
Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt durch das Volk als
Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken (-> Cicero 106-43 v.
Chr.) und mittelalterlichen (-> Marsilius von Padua 1324) Ansätzen aus der
Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit (Bodin 1527). Nach Emer de Vattel
(1758) und Jean-Jacques -> Rousseau (1762) ist Inhaber der Souveränität das
Volk. Dementsprechend erklärt die -> Virginia Bill of Rights 1776, dass alle
Gewalt vom Volk ausgehe. Auch die französische Revolution behauptet die
Verankerung jeglicher Souveränität in der Nation. Dem folgen deutsche Politiker
seit etwa 1820, wenn sie die V. dem -> monarchischen Prinzip, dem
Gottesgnadentum und der Fürstensouveränität gegenüberstellen. Die Weimarer
Reichsverfassung (1919) und die späteren deutschen Verfassungen führen dann
uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das Volk zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248;
Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und
die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und
Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D.,
Volkssouveränität und repräsentative Demokratie in der schweizerischen
Regeneration, 1966; Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches
Reich, HZ 213 (1971), 91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte,
hg. v. Schott, C., Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977;
David, M., La souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach
Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des
18. Jahrhunderts, 2001
Volkssprache ist die Sprache eines Volkes im Gegensatz zur Sprache
anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes im Gegensatz zu einer
Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. Im fränkischen Frühmittelalter ist die Grundlage
der Volkssprachen im östlichen Reichsteil (z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch,
altsächsisch) germanistisch, die Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das
führt zu einem -> Übersetzungsproblem. Seit dem 13. Jh. dringt die
Volkssprache in der Überlieferung allgemein vor, in der Aufklärung setzt sie
sich (im Heiligen Römischen Reich unter Vereinheitlichung auf das Neuhochdeutsche)
gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet bleiben Prägungen der V.
durch die römische Jurisprudenz bestehen. Im 20. Jh. macht sich zunehmend
angloamerikanischer Einfluss bemerkbar.
Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden,
1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer,
H., Zur Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Sprache,
Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen
Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993
Volkstribun (lat. tribunus [M.]
plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr. anerkannte Sonderorgan
der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Er leitet die Versammlung der Plebejer
und hat ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines
Magistrats (z. B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen
Senatsbeschlüsse.
Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes an Fremde. Der V. wird
bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt.
Lit.: Köbler, DRG 71
Volksversammlung ist die Versammlung der freien Angehörigen eines Volkes.
Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des Volkes. Im altrömischen Recht
finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata, comitia centuriata und
Versammlung der (lat. [F.]) plebs. Die V. entscheidet in allen allgemein wichtigen
Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie notwendigerweise
zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer Kantone (in
Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20, 69,
70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The national
assembly in the Anglo-Saxon period, 1913
Volksvertretung -> Parlament
Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen
Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.
Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte Wirtschaft eines Volkes
oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen Betriebs,
Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten Handelshochschule
1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen wirtschaftlichen Denkens
einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters Merkantilismus,
Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus und
Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionenökonomik,
Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie nebeneinander.
Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A.
1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G.,
Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998
Vollbort (F.) Zustimmung
Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird nach dem Studium von
Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter im niederländischen
Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und Verwaltungsrecht der
Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen Rechtsvorstellungen
nicht den niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß seien. Sein Hauptwerk
untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.
Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff. 1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van
Hettinga Tromp, B./Eyffinger, A., Cornelius van Vollenhoven, 1992
Volljährigkeit ist das Lebensalter, mit dem die unbeschränkte
Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. verdrängt in der frühen Neuzeit die
ältere -> Mündigkeit. Sie tritt nach römischem Recht meist mit 25 Jahren ein
(in Deutschland zuerst im Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus
24, Sachsenspiegel Lehnrecht 21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in
den altpreußischen Provinzen (1790, ALR 1794) und in Österreich (1753-1919) im
19. Jahrhundert mit 24 Jahren volljährig wird. Das französische Recht, das
sächsische Recht, später Preußen (9. 12. 186) und das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter
herab (Deutschland 18, Österreich erst 19, dann ebenfalls 18).
Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266;
Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1
Vollmacht ist die durch -> Rechtsgeschäft erteilte
Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo -> Stellvertretung zulässig ist.
1866 weist Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von
Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag) und
Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend dem
Abstraktionsprinzip nach.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208, 238,
266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, in:
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144; Müller,
U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G., Vollmacht
und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978
Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung eines Anspruchs oder einer
Anordnung. Im altrömischen Recht geschieht die V. im Legisaktionenverfahren mit
Hilfe der -> Legisaktion durch Handanlegen (lat. [F.]
-> legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch
Pfandergreifen (lat. -> legis actio [F.]
per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch
den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die
Magistrate und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht
ersetzt die (lat.) -> actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen,
wobei hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). Im
Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und
ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb. Möglich
ist eine Gesamtvollstreckung (-> Konkurs). Bei den Germanen muss die Partei
zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und Unzüchtigen wird
wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmittelalter wird die zuvor
selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des Richters (Grafen)
abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Im Hochmittelalter und
Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten durch öffentliche
-> Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die im Falle der
Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist -> Schuldhaft möglich.
Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das Einlager bedeutsam. -> Arrest
und -> Konkurs werden ausgebildet. Die Pfandnahme ohne Erlaubnis des
Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235) dem Raub gleichgestellt. Die
peinliche -> Strafe wird vom Henker als berufsmäßigem Scharfrichter
vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V. reichskammergerichtlicher
Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die Landesordnung Bayerns von
1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch Amtsträger vor. Zum Regelfall
der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex iuris Bavarici iudiciarii des
Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung und Konkurs. Allmählich befasst
sich die Wissenschaft mit der V. Im 19. Jh. wird das Vollstreckungsverfahren
(Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich geregelt (-> Zivilprozessordnung,
-> Strafprozessordnung). Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher,
Vollstreckungsgericht, Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird
beseitigt (1868). Die Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich
humanisiert und später durch die Resozialisierungsidee mitgeprägt.
Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70, 86,
116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des
Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische
Vollstreckungsverfahren, 1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die
Entwickelung der Vermögensvollstreckung im salfränkischen Rechte, 1909
(Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Haff,
K., Vollstreckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische Pflegeamt
Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung
der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als
prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O.,
Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W.,
Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D.,
Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss.
jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vollstreckungsklausel (lat. clausula [F.]
executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der
Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Vermerk
des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung eines
Vollstreckungstitels, der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
3. A. 1878 ; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in
Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120
volonté (F.) génerale (frz.) Allgemeinwille
Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11. 1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten
in England (1726-1729), Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit
seiner vielen Schriften einer der wichtigsten Vertreter der -> Aufklärung.
Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J.,
Voltaire, JuS 1998, 491
Volumen (parvum) (lat. [N.]
[kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des -> Codex Justinians, die
glossierten Novellen und die Institutionen.
Vom Rechte
Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986
von Gottes Gnaden -> Dei gratia
Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im
frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980
Vonnisse von Damme sind eine
flämische Fassung der -> Rôles d’Oléron.
Vorarlberg ist das zwischen Bodensee und Arlberg gelegene, alemannisch
besiedelte Gebiet, das seit dem Spätmittelalter stückweise an -> Habsburg
gelangt und seit 1918 selbständiges Bundesland -> Österreichs ist.
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L.,
Geschichte der Rechsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930;
Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und
Vorarlberg, 1961; Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a.,
1969; Burmeister, K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der
Weistumsforschung, 1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff.,
2. A. 1972ff.; Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Kurmeister, K., 1973; Welti,
L., Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig,
D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der
Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v.
Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998;
Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodenseee, hg. v. Hartung, W. u.
a., 1992
Voraus ist der Anspruch des überlebenden Ehegatten auf die zum
ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke. Der V.
ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im
Spätmittelalter neben -> Heergewäte und -> Gerade. Der eheliche V. wird
1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs aufgenommen.
Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und
der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten, FamRZ
6 (1959), 84
Vorausvermächtnis (lat. [N.] praelegatum) ist das bereits dem römischen Recht bekannte
Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben.
Lit.: Kaser § 76 II 3b; Rudolf,
I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966
Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des Grundgesetzes
Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein Rechtsgut
eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch ein ->
Gesetz abhängig ist.
Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen Gütergemeinschaft das besondere, aus
dem Gesamtgut ausgeschlossene, der alleinigen Zuständigkeit und selbständigen
Verwaltung durch den einzelnen Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich
bereits im Mittelalter (z. B. bei -> Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen
Gesetzbüchern wird es anerkannt.
Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche Güterrecht,
1900, Neudruck 1967
Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen Südwesten gelegenen
Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter. Ein Teil hiervon
bildet später -> Vorarlberg, ein anderer geht in Baden, Württemberg und
Frankreich auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J., Die
Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich, hg. v.
Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die Behördenorganisation
Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass, 1980; Vorderösterreich in
der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989; Vorderösterreichische
Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller, M. u. a., 2004
Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung zu leistende Eid. Er
erscheint bereits im Frühmittelalter. Ein möglicher Zusammenhang mit dem
Kalumnieneid ist ungeklärt.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f.
1879, Neudruck 1973
Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise zunächst zur Erbschaft
berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall)
ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft ist im römischen Recht an
sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein -> Fideikommiss dennoch
erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments im Heiligen Römischen Reich (13. Jh.)
wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B. Friedberg Ende 14. Jh.s). Das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schränkt aus liberalen Überlegungen auf
einen Zeitraum von 30 Jahren ein.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der
Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die
Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und
Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235
Vorkaufsrecht ist das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von
dem Verpflichteten zu erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an
einen Käufer verkauft. Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst
unbekannt, erscheint in unterschiedlichen Einzelfällen aber dann doch. Ihm
steht in Deutschland das -> Näherrecht gegenüber. In der frühen Neuzeit wird
beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen Gesetzbücher nehmen das
V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche, teils auch sachenrechtliche
Wirkung zu.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell, DRG 2; Frommhold,
G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32 (19119, 337; Wesener,
G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, Gedächtnisschrift R.
Schmidt, 1966, 535; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383
Vorlesung (lat. [F.] praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen)
Textes (z. B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen Hörern über den Text
Verfügenden bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder, K.,
Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen
Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen,
Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G.,
Gießener juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H.,
Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse,
in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11
(1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche
Quelle, in: Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der
Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die
Vorlesung, 1999
Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion (Karlsruher Beschlüsse
1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher Fest 1832)
gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 im -> Deutschen Bund. Bereits im V.
werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten bedeutende
allgemeine Veränderungen ein.
Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966; Brandt,
H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze, W., Staat
und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W., Deutsche
Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975; Vormärz
und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz,
Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch, D., 1999
Vormerkung ist die vorläufige Grundbucheintragung zur Sicherung eines
Anspruchs auf Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750
in Preußen sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) -> ius
(N.) ad rem. Sie soll ursprünglich die Augabe erfüllen, die später dem
Widerspruch zukommt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther, P.,
Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000
Vormund ist, wer durch Anordnung des Vormundschaftsgerichts zur
Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorgetätigkeit für
Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der V.
(lat. [M.] tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht
bekannt, doch erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der
nächste männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder usw.) V. Er hat eine
treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen des Mündels und damit vor allem
Rechte. Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der
Missbrauchsgefahr einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht
(Obervormundschaft). Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das
Vormundschaftsgericht. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Seit 1.
1. 1992 gibt es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die
-> Betreuung.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die
Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff.; Rive, F., Geschichte der deutschen
Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff.; Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den
Kodifikationen, 1961; Tetzlaff, W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1965; Pelz, F., Die Vormundschaft in den Stadt- und
Landrechtsreformationen, 1966; Kranz, E., Die Vormundschaft im
mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967; Haibach, U., Familienrecht in
der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von der entrechtenden Bevormundung
zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und
Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119
Vormundschaft -> Vormund
Vorparlament ist die Versammlung zur Vorbereitung eines Parlamentes (z.
B. Frankfurt am Main 1848).
Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606
Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen Gesetzes vor jeder anderen
staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 199
Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg
Vorsate -> Vorsatz
Lit.:
Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61 (1941), 266
Vorsatz (lat. [M.] dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung
eines Straftatbestandes in Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das
Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit.
Der V. ist so alt wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er
von der römischen und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die
-> Fahrlässigkeit gegenüber.
Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die
Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973
Vorsprecher -> Fürsprech, Fürsprecher
Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung einer Straftat) ist der 1913 in
die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich festgelegte Straftatbestand des
deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand dadurch strafbar macht, dass er
eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§
164, 165 StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren zeitlich vorangehendes
Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen
Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der
Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.
Lit.: Köbler, DRG 117, 263
Vorvertrag ist der auf Abschluss eines Vertrages gerichtete, vorbereitende
-> Vertrag. Er ist dem römischen Recht bereits bekannt. Er ist
gegebenenfalls formbedürftig.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag, Diss.
jur. Münster 1962
votum (N.) ad
imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 346
Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um 1460-1520), Bürgerssohn, wird
nach dem artistischen Studium in Prag Artist, 1493 stellvertretender Schreiber
des Königreichs -> Böhmen. Seit 1495 verfasst er Neun Bücher über die
Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501 überarbeitet er dieses bedeutende
Werk nochmals.
Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy devatery, hg.
v. Jirecek, H., 1874
Vulgarrecht ist das spätantike weströmische Recht (3.-5. Jh.). Es ist
gekennzeichnet durch die durchaus nicht vom Volk, sondern den führenden
Schichten ausgehende teilweise propagandistisch bedingte, vulgare Haltung. Sie
zeigt sich in einfachem, unverhülltem Zweckstreben, in bildhafter
Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter rhetorisierter Moralität. Die klassische
rechtswissenschaftliche Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt
(str.). Demgegenüber wird sie im Osten von -> Justinian (527-565)
restauriert. Vulgarrechtliche Quellen sind etwa die (lat.) -> sententiae
(F.Pl.) Pauli, die -> regulae (F.Pl.) Ulpiani, die -> res (F.Pl.)
cottidianae, der -> Gaius von Autun, die -> Collatio (F.) legum
Mosaicarum et Romanarum, die -> Consultatio (F.) cuiusdam veteris
iurisconsulti, die -> interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen ->
Volksrechte der Westgoten, Burgunder und Ostgoten (str.).
Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951; Wieacker, F.,
Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d. Akad. d. Wiss.
Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Stühff, G.,
Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die Vulgarrechtsdiskussion, in:
Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 1; Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997; Vandendriessche, S., Possessio und dominium im
postklassischen römischen Recht, 2006
Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die Einsetzung eines Ersatzerben für
den einfachen Fall, dass der an erster Stelle Eingesetzte nicht Erbe wird. Die
regelmäßige V. steht in Gegensatz zur Pupillarsubstitution, bei der einem
unmündigen (lat. [M.]) suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als
Unmündiger sterben sollte, ein Ersatzerbe eingesetzt wird.
Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11
Vulgata -> Vulgathandschrift
Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer meistgebrauchten Fassung eines
Textes (z. B. der -> Digesten)
Lit.: Söllner § 22
W
Waadt (Vaud, „Wald“) ist das Gebiet zwischen Jura, Genfer See,
Alpen und Saarne, das über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen
Reich gelangt. Nach 1218 gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen.
1536 fällt es an Bern. 1616 erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798
wird die W. Kanton der Helvetischen Republik, 1803 der -> Schweiz. Die
Verfassung der W. stammt von 1885.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le
coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les
institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen,
Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession
testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J.,
Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex,
D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les
sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du
Pays de Vaud, 1991
Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs
Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig
15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen und
Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher Professor (Tübingen 1817) und
ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig 1833, Tübingen 1836), 1851
Präsident des Oberappellationsgerichts in Lübeck und 1852 nochmals Professor
in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht er seit 1839 ein
unvollendetes Handbuch des im Königreich -> Württemberg geltenden
Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen Privatrecht.
Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891; 500
Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., Bd. 1
1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen
Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den
allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und
Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter
(1797-1880), 2004
wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Wadiatio
Lit: Hagemann, H.,
Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1
wadium (lat.-afrk. [N.])
Wette, Versprechen, Pfand
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner Art nach dazu geeignet
ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu verhindern oder
zu überwinden. Die W. ist bedeutsam im Kampf. Sie erleichtert auch
Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch bereits seit dem
Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er vielfach
behördlicher Erlaubnis.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das
Waffenrecht der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W.,
Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280
Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem Rechtsstudium (Hatoyama)
1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach soziologischem Studium in
Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In zwei unvollendet gebliebenen
Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff., Minpô kôgi, 1933) versucht er
eine vorbildliche Verbindung von Systematik und Soziologie. Bei der Abschaffung
des japanischen Haussystems nach dem zweiten Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.
Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u. a.,
1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki,
1993
Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch
Abstimmung. Sie findet sich bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst,
Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König,
Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen
bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit dem
12. Jh. ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar, die
letztlich zur Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. entsteht
allmählich die geheime, gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit
Wahlprüfungsverfahren), zu der auch die Frau zugelassen wird (Österreich 1918,
Deutsches Reich 1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in
besonderen Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden werden dabei
hauptsächlich Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Rechtstatsächlich
werden Wahlen in der Gegenwartvorrangig im Fernsehen entschieden, weshalb die
besten Aussichten hat, wer sich im Fernsehen am besten darstellen und niemand
gegen die Merheheit der meinungsbildenden Medien bestimmenden Einluss auf die
Erörterung von Sachfragen gewinnen kann.
Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257; Köbler,
WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Hoyer,
E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42 (1921), 1; Vollrath,
W., Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Diss.
jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 2. A. 1944, Neudruck
1965, 1981; Schlotterose, B., Die Ratswahlen, Diss. phil. München 1953
masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D.,
Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz, A., Wähler und Wahlen in der
Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der Parlamente und anderer
Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u. a., 1969; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R., Die römisch-deutschen
Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B., Die Ausbildung des
römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Bd.
1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’eglise, 1979; Reuling, U., Die Kur
in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R., The international
Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982;
Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland, 1987; Wahlen
und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990; Ritter, G./Niehus,
M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und Wählertraditionen, 1992;
Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen, 1996; Wahlen und
Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W., Ardet ambitus,
1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland,1998;
Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999; Strafjustiz und
DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1 Wahlfälschung,
2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001; Wahlen und
Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002; Arsenschenk,
R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga, F., Wählen in
der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005; Hägele,
G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cuasnus,, BB. bay. Ak. d. Wiss.
2001-3003, 2004, 103
Wähler -> Wahl
Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung eines Täters aus zwei
(oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer vorliegen kann, aber ungewiss
ist, der von ihnen vorliegt. Die rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im
Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen, nach 1945 aber grundsätzlich
aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 236
Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die älteren Wahlversprechen
folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage eines Bewerbers an die
Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig 1192, Papstwahl 1352
[22. 9. 1695 verboten], Heiliges Römisches Reich [deutscher Nation] 1519). Seit
dem Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der
Reichsstände die 1711 als ständige W. gefasste W.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E.,
Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an
den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die
Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen
Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick,
E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier,
K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente
imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers,
Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89
Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für eine -> Wahl
geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen (aktives W.) oder
gewählt zu werden (passives W.). Im 19. Jh. gilt in Preußen z. B. (bis 1918)
das -> Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der
erwachsenen Bevölkerung wahlberechtigt. -> Frauen erhalten das Wahlrecht in
Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917, im Deutschen Reich
1918, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in Italien 1946, in der
Schweiz 1971 und 2005 in Kuweit. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird in Frankreich
(erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A.
1983; Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48
(1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und
Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht
im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger,
A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj,
R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des
Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004
Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht bekannte Art der
Schuld, bei der mehrere Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nur die
eine oder die andere zu bewirken ist.
Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Wahnsinn ist die laienhafte Benennung der Störung der
Geistestätigkeit. -> Geisteskranker
Wahrheit ist der mit Gründen einlösbare und insofern haltbare
Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine wichtige Grundlage
der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas), die der Lügner und
Betrüger bewusst zum eigenen Vorteil und zum fremden Schaden verlässt. In
Untersuchungsverfahren ist die Findung der W. Ziel des Verfahrens. Zeugen sind
zur W. verpflichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung und
Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4.
A. 2004
Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die landschaftlich verbreitete
Art des -> Grundbuches.
Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher
Kurhessens, 1914
Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jh. in Nordosteuropa erscheinende, an
Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff und Gut im Fall der
Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Fankfurt am Main 1970
Währung ist das in der Gegenwart meist gesetzlich geregelte
Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit eines Staates steht es,
seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung oder Abwertung [Währungsreform Deutsches Reich 20./21. 6. 1948]). Möglich ist auch eine Währungsunion mehrerer Staaten
durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik Deutschland und
Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische Währungsunion).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249;
Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Waise ist das teilweise oder gänzlich elternlose -> Kind. Es
erhält einen -> Vormund. In der frühen Neuzeit werden besondere Häuser für
Waisen (Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000
Waisen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, Beiträge zur Geschichte
der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser,
Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995;
Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der frühen Neuzeit,
hg. v. Sträter, U., 2003
Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886) wird
nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in Kiel
(1842), Göttingen (1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta
(N.Pl.) Germaniae Historica (1875-86). Seit 1844 veröffentlicht er eine
achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte.
Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten und Donau, in dem 1330 ein
von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415 wird die W. von den ->
Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in -> Rumänien auf.
Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche
einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im
Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen
beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw.
Binnenkolonisation zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (-> Forst),
teilweise grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw.
gemeinschaftlich. Im 19. Jh. wird er vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das
Betreten des Waldes ist Gemeingebrauch.
Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905, Neudruck
1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L., Studien zur
Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F., Geschichte der
Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la Forêt d’Eu,
1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen, 1931; Westermann,
H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche Waldgerechtsame an der
Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C., Waldnutzung und
Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die rechtshistorische
Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München 1957; Kieß, R., Die
Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen Territoriums, 1958; Mager,
F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum, 1960; Egli, J., Der
Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966; Brandl, H., Der
Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald, 1971; Wörlen, R.,
Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986; Knöppel,
V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J.,
1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993; Küster, H., Geschichte des Waldes,
1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg.
v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt, A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland,
S./Noack, H., das holz all der dorfer gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte
Wald, 2004
Waldeck
Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19. Jahrhundert,
1968
Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens, auf der sich nach
dem Abzug der Römer im 5. Jh. britische -> Kelten zu halten vermögen. 1091
kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284 wird das Gebiet
ganz in -> England eingegliedert. 1999 erhält es eine eigene Versammlung mit
beschränkten eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen Spielraum).
Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904; The
Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985; The
Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986
Walkenried
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., 2002
Wallfahrt
Lit.: Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber,
G., 1934; Wallfahrt und Recht im Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v.
Escher, F. u. a., 2006
Wallis ist der um das 1032 an das deutsche Reich gelangte oberste
Tal der Rhone gebildete zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der ->
Schweiz.
Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis, 1890; Stebler,
F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903; Grenat, P., Histoire
moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters II. auf der Flüe
Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit im
Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte
der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165;
Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der
Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das Landrecht
des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem Wallis, 1967;
Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L., Beiträge zur
Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Wallis, Diss.
jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das Bürgerrecht im Oberwallis, Diss.
jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L., Kultur des Wallis 1500-1800, 1984;
Carlen, L., Näherrechte im Wallis, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg.
v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T., Geschichte der Verfassung des Kantons
Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland, 1987; Carlen, L., Walliser
Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das Wallis vor 150 Jahren, Bll.
aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77; Schnyder, C., Reformation und
Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002
Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens)
Walser ist ein seit dem 13. Jh. aus dem -> Wallis ausgewanderter,
im Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B. Kleines Walsertal) zu ziemlich
freiem Recht angesiedelter, katholischer Alemanne.
Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser in
der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und freie
Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f. 1948ff.;
Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958; Zinsli,
P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser, 1993
Walter von Coutances ist ein um 1170 in Paris wirkender, 1185 zum
Erzbischof von Rouen und 1191 zum Regenten des angevinischen Großreichs aufgestiegener
Kanonist englischer Herkunft. (Tractaturi de iudiciis).
Lit.: Landau, P., Walter von Coutances und die Anfänge der anglo-normannischen
Rechtswissenschaft, Panta rei, hg. v. Condorelli, O., 2004, 183
Walther (zu
Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz
5. 12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna
(Alciat) und Pavia 1514 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und
1556 Kanzler. In seinen der Anleitung herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden,
1716 gedruckten Traktaten gibt er eine Darstellung der Verbindung von
einheimischem und ergänzendem römischem Recht.
Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers
privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich,
hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369
Wandale -> Vandale
Wandlung ist die Rückgängigmachung des Kaufes wegen eines Mangels
der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der kurulischen Ädile als
Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren bei
gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer nach seiner Wahl entweder
die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache (lat. ->
actio [F.] redhibitoria) oder die Minderung (lat. -> actio [F.]
quanti minoris) verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W. aus dem
römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den Rücktritt
ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9;
Hübner; Köbler, DRG 46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung für das im 12. Jh.
entstehende, seit dem 13. Jh. individualisierte farbige Erkennungszeichen des
gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. -> Adler, Heraldik
Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines Wappenbuch,
neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der Heraldik,
1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck, E.,
Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches
Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel,
15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten
Wappenbilder, 1992; Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005
Ware ist die bewegliche, vom Kaufmann veräußerte Sache. ->
Kauf, -> Handelsrecht
Warenmarke ist eine -> Marke für eine -> Ware. Im 19. Jh. wird
das Recht der W. gesetzlich geregelt (Deutsches Reich 1874 Markenschutzgesetz).
Eine europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994 ablösende
Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995.
Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884; Müller,
K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55 (1935),
244, Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954; Deutsch,
E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle, E.,
Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig, F./Kur,
A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988
Warenzeichen ->
Warenmarke
wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher
Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und
magisch-kulturelle Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby,
M., wargus, 1974; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472
Warnkönig, Leopold August (1794-1866), Steuereinnehmerssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut, Zachariä) und Göttingen
(Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831 in Genf, 1836 in Freiburg
im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er eine dreibändige Flandrische
Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige französische Staats- und
Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut der historischen
Rechtsschule nach Belgien.
Lit.: Wild, G.,
Leopold August Warnkönig, 1961
Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer Herkunft, wird nach dem
Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919 Staatsanwalt, 1946 Gouverneur
und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme Court. 1954 verfasst er das
die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig erklärende,
einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen Entscheidungen sichert
er Freiheit und Gleichheit.
Lit.: Pollack,
J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl Warren, 1982
Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241 als Siedlung erwähnt.
Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz des Königs von ->
Polen. 1815 erhält es im mit Russland in Personalunion vereinigten Königreich
Polen (Kongresspolen) eine Universität. 1943/1944 wird W. weitgehend zerstört.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111,
3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005
Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte Treffen von etwa 500
Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer Studenten) am 18. 10.
1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative Schriften und
der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen studentische
Verbindungen an den Universitäten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter
Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg. v.
Dedner, B., 1994
Wartrecht -> Erbenwartrecht, -> Näherrecht
Was dem einen recht
ist, das ist dem anderen billig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)
Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste Flüssigkeit.
Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem Staat,
kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück Einzelnen zugeordnet. Seit dem
19. Jh. wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer stärker
rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich geregelt (preußisches
Allgemeines Landrecht von 1794, Landeswassergesetze, Wasserverbandverordnung vom
3. 9. 1937, Wasserhaushaltsgesetz 1960) und als schützenswertes Umweltgut
angesehen. Im Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des Gottesurteils.
-> Meer, -> Mühle, -> Stromregal
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205; Ossig,
A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur Geschichte des
deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das Wasserrecht der
Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und Mitteleuropa,
1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Motzfeldt, U., Den norske
Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des Wasserrechts, 1925;
Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft, 1928; Haff, K., Ein
verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336; Haff, K., Über die
alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58 (1938), 810; Beeg, H.,
Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum 19. Jahrhundert, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1971;Breuer, R., Öffentliches und privates Wasserrecht,
2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss. jur. Bonn 1994; Sieder, F.
u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A. 1995; Olmer, B., Wasser,
1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung im römischen Recht, 1998;
Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses der Akademie für
Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001; Ausschuss für
Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber, A., Die
Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957, 2005
Wasserburg
Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965
Wasserzeichen
Lit.: Weiß, W., Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953;
Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v. Piccard, G., 1961
Waterrecht ist die gotländische Fortführung der flämischen ->
Vonnisse von Damme.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
watschar (mhd.) freigewordener Gemeinschaftsanteil, Abgabe
Lit.: Hübner § 21
Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg 12.
3. 1954), geb. Schnitger, Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als
Cousin zweiten Grades verwandten) Max -> Weber und dem Studium der
Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie
die „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine
aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung.
Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert,
M./Buchholz, S., Marianne Weber, in: Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung,
hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides, 2003;
Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004
Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920),
Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen
Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und
Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin und Göttingen Professor in Berlin
(1893), Freiburg im Breisgau (1894), Heidelberg (1897) sowie nach längerer
Erkrankung Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner überwiegend
soziologischen Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion,
Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die
gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der
Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.
Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und Rechtslehre
Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum
Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und
Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max
Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Hennis, W., Max Webers Fragestellungen,
1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit,
1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998; Hecht, M., Modernität und
Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte
1800-1950, 2001; Max Webers Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen,
W., 2001; Ringer, F., Max Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das
Weber-Paradigma, hg. v. Albert, G., 2005
Wechsel ist die besonders strengen gesetzlichen Formvorschriften
unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber einem Grundgeschäft
abstrakte Zahlungsverpflichtungen verbrieft sind. Der W. entsteht im 13. Jh.
in Oberitalien zur Sicherung des Zahlungsverkehrs vor Überfällen auf
Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende des 16. Jh.s
kann er durch Vermerk auf der Rückseite (-> Indossament) leicht
weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen versuchen eine
Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung im Deutschen
Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1848) an. Eine Übereinkunft
der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu weiterer
Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz). Tatsächlich
tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128, 167;
Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114, 284, 26
(1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer Allgemeinen
Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Canstein, R. v., Lehrbuch des
Wechselrechts, 1890; Goldschmidt, L., Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur
Entstehungsgeschichte der Tratte, ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das
Wechselrecht der Postglossatoren, 1899ff.; Valery, J., Une treite de Philippe
Le Bel, 1909; Nicolini, U., Studi storici sul pagheró cambiario, 1936; Holden,
J., The History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende
storiche della lettera di cambio, Bolltettino dell’Archivio storico del Banco
di Napoli 1955; Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus,
V., (Die Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge
des neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L.,
Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio
und suftada, Diss. jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung
einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der
Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wesenberg, G./ Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und
schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della
Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen
Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004
Wechselrecht -> Wechsel
wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung, Gegenwert
Weg ist die zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte oder
bestimmte Erdoberfläche.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und
Wegeverwaltung in der alten Grafschaft Schaumburg, 1971
Wegfall der
Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der
vorausgesetzten Umstände eines Geschäftes. Der W. d. G. wird in Deutschland im
20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zur
Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
270
Wegsperre (lat. via [F.]
lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung eines Weges, die als
bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.
Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
wehading (ahd. [N.]) Zweikampf
Wehr
Lit.:
Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280
Wehrdienst ist der seit der allgemeinen Wehrpflicht des 19. Jh.s
(Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den Streitkräften.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des
Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a.,
1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999
Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh. (1743, 1764, 1793,
1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen der Reihenfolge der
Verfügbarkeit.
Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft, Bd. 3
1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der
Bundeswehrverwaltung, 1963
Wehrmacht s. Heer
Lit.: Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005;
Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A., Wehrmacht und
Niederlage, 2005
Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als Soldat zu dienen. Sie
erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am Staat seit dem späten
18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).
Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932, Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in Hessen-Kassel,
1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der Wehrverfassung
des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht, hg. v.
Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft in
Deutschland, 2001; Fritsche,
M., Entziehungen, 2004
Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener
Lit.:
Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966), 202 (bisher 39 Weibelhuben in
Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt)
Weiberlehen ist das seit dem 12. Jh. nachweisbare, später weiter
verbreitete, jedoch stets als Abweichung vom Grundsatz verstandene Lehen an
eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der Erbfolge gilt die weibliche
Lehnsfolge als subsidiär.
Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur. Basel
1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930; Ven, G.
van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg 1949;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Iblher von
Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990
Weichbild (lat. forma [F.]
vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in
Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden später das
Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine
besondere Erbleihe angesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104; Kroeschell,
K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und Weichbildrecht, 1960; Köbler,
G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt, 1973,
61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und Weichbild, ZRG GA 95
(1978), 121
Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in Magdeburg verfasste
mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen Weichbildrechts (Rechtsbuch
von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche Fassung des sich auf einen Dr.
decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt zurückführenden, stark
römischrechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10 Handschriften vor, eine
erweiterte Fassung in 5 Handschriften. Hinzu kommen zwei Sonderformen.
Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels, A. v.
u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75
Weichbildrecht (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung) ist das vielleicht
zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg (oder Halle) unter freier Benutzung
des -> Sachsenspiegels niedergeschriebene Rechtsbuch, das später mehrfach
ergänzt und im letzten Drittel zur Weichbildvulgata erweitert wird.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32;
Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weichbildvulgata ist das im letzten Drittel des 13. Jh.s aus ->
Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit Auszügen aus dem
-> Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandene Rechtsbuch in 136
Artikeln.
Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v., 1853;
Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter und früher Neuzeit
weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es ist vielfach in
Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh. werden viele Weiderechte aufgehoben.
Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der
Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten,
1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995
Weidlich, Christoph (Schafstädt bei Magdeburg 1713–Halle 1781) wird
nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt) sächsischer Rat und Advokat. Er
veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen von Juristen seiner Zeit.
Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena 21. 4. 1699) befasst
sich als Professor der Mathematik in Jena mit der Anwendung der mathematischen
Methode (lat. mos [M.] geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über
bloße Zahlenspielerei nicht hinausgelangt, beeinflusst er -> Pufendorf und
-> Leibniz. Pufendorf bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der
Rechtswissenschaft.
Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D. v.,
Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und
Naturrecht, 1972
Weimar an der Ilm ist die 975 erstmals erwähnte Burg, die 1382
Sitz einer Linie des Hauses -> Wettin wird. Berühmt wird W., von dem
zwischen 1307 und 1500 weniger als 60 Urkunden, aber ein Stadtbuch bzw.
Ratshandelsbuch (1380-1410) und ein Statutenbuch (ab 1433) überliefert sind,
durch die dortige Tätigkeit -> Goethes. 1919 wird Weimar Tagungsort der
deutschen Nationalversammlung, die am 14. 8. 1919 eine -> Verfassung für das
Republik gewordene Deutsche Reich verabschiedet (Grundrechte).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld, T.,
Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die Weimarer
Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes Weimar und die
französische Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer Stadtbücher, hg.
v. Steinführer, H., 2005
Weimarer Nationalversammlung -> Weimar
Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen Berliner Staatsrechtler
Hugo -> Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene und am 14. 8. 1919 von der
Weimarer Nationalversammlung (9,6 Prozent Frauen) verabschiedete Verfassung
des Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen
Organisationsteil (1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das
Reich ein unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe,
Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk
ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in
allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und
den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten)
bestimmt. Der Reichstag ist zuständig für die Gesetzgebung. Der Reichspräsident
ist Staatsoberhaupt und regiert durch den Reichskanzler und die Reichsminister,
die des Vertrauens des Reichstages bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und
kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht.
Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den Ländern
zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte sind
in erster Linie Programmsätze. Die W. R. endet am 30. 1. 1933 bzw. allmählich
zwischen dem 28. 2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933, Neudruck
1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer Verfassung, 1963; Apelt, W.,
Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 37; Gusy, C., Die Weimarer Reichsverfassung,
1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg. v. Eichenhofer, E., 1999;
Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner Grundgesetz, 3. A. 1999;
Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht, 2002; Pauly, W.,
Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004
Weimarer Republik ist der nichtamtliche Name für das Deutsche Reich vom 9.
11. 1918 bzw. 14. 8. 1919 bis zur Ernennung Adolf Hitlers als Reichskanzler am
30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrages an erheblichen
wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidende W. R. ist zwar demokratisch verfasst,
aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile der
Bevölkerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht mit dem
Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die Bevölkerung
und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich greifenden
Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine neue Ordnung
unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf -> Hitlers
stärkste Partei des Reichstages wird. Im Januar 1933 versucht der im November
1932 gestürzte Reichskanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in
Thüringen und Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzukehren. Mit
Hitler endet die W. R. durch die Diktatur des -> Dritten Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Braun, O., Von
Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei Weimarer Republik, Bd.
1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer Republik, 12. A. 1971;
Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971; Bracher, K., Die Auflösung der
Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer Staatslehre und
Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg. v. Gessner, D.,
1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984;
Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998; Die Weimarer Republik, hg. v.
Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher Reichsanzeiger und preußischer
Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v. Schumacher, M., 1988; Nörr, K.,
Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik,
hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar 1918-1933, 2. A. 1994;
Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von der
parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die
Weimarer Republik, 1999; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik, hg. v.
Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000; Schumann, D.,
Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D., Die Weimarer
Republik, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik,
2002; Scheidemann, P., Das historische Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer
Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke Juristen in der Weimarer Republik,
hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R., Weimarer Republik 1929-1933, 2004;
Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Mülhausen, W., Friedrich Ebert
1871-1925, 2007
Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon den
Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die
Weinverfälschung. Im Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von
Kaufverträgen. Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jh.
(1892, 1901, 1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet.
Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des
Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen
Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und
Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im
schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht,
1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157;
Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972;
Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G.,
Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11
(1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau
und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert
Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im
Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung
im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135
Weißenburg im Elsass ist die an der Lauter in der zweiten Hälfte des
7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei, die zahlreiche Gaben schon früh
beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250 Urkunden, rund 70 nachweisbare
Schreiber). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672 wird W. von
Frankreich annektiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses,
hg. v. Doll, A., 1979
Weistum ist das durch mündliche Erklärung (Weisung) alter Männer
als bestehend erwiesene Gewohnheitsrecht. Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus
(M.) legis Salicae nimmt man an, dass große Teile der -> Volksrechte als W.
zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden
verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als Weistümer
bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in Spätmittelalter und
Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung, Vereinbarung oder
gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann durch einen Herrn oder
die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder mit allgemeiner Geltungskraft
erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer beginnt mit der Sammlung der
Weistümer durch Jakob Grimm (1840).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104;
Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd.
1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a.,
Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.;
Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924,
Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der
Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer
Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau
der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA
60 (1940), 261; Oberösterreichische Wistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K., Elsässische
Weistümer, , 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59 (1951),
365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K., 1954ff.;
Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.; Müller,
W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der Zent
Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und Stabübergabe,
1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Vorarlberger
Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl, H., Rechtsentwicklung und
Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die saarländischen Weistümer,
1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim und Kirchheim, ZRG GA 98
(1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, in: Brüder-Grimm-Symposion, 1986,
103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den Weistümern, 1987; Schildt, B., Die
Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G. Dortumnds 88 (1997), 140
Weißrussland (Belarus)
Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v. Beyrau,
D. u. a., 2001
Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg
10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und
Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel, 1816 in Heidelberg, 1819 in
Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert er die Bildung eines
deutschen Parlamentes. Zusammen mit -> Rotteck veröffentlicht er von 1834ff.
an das den Liberalismus prägende Staatslexikon. 1848 ist er Mitglied der
Frankfurter Nationalversammlung.
Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer, A.,
Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952; Müller-Dietz,
H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor Welcker, 1968;
Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985
Welfe ist der Angehörige eines bayerischen, schwäbischen oder
fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich des Bodensees
begüterten, 819 erstmals sicher nachweisbaren Geschlechts. Der bekannteste W.
ist -> Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und Gegner Friedrichs
I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen verliert. Den Welfen
bleibt das Eigengut Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum) bis 1866 (Lüneburg
bzw. Hannover) bzw. 1918 (Braunschweig).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler,
Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A.,
Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von
Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und
ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die
welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hechberger,
W., Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000; Weller, T.,
Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004; Quellen zur
Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006
Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO)
ist die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene
internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).
Lit.: Beise, M.,
Die Welthandelsorganisation (WTO), 2001
Weltkrieg ist der die gesamte Welt erfassende Krieg (1914-1918, 1939-1945).
Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H.,
Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der erste Weltkrieg, hg.
v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied vom neunzehnten
Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreung oder Kapitulation?, hg. v.
Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische Verluste im zweiten
Weltkrieg, 1999; Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der
Sowjetunion, 2000; Strachan, H., The first World war, Bd. 1 2001; Müller, K.,
Oktroyierte Verliererjustiz nach dem ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts
39 (2001), 201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik: Der
erste Weltkrieg, 2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004;
Enzyklopädie des ersten Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A.
2004; Erster Weltkrieg – zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002;
Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg,
2002; Der erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a.,
2002; Schreiber, G., Der zweite Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste
Weltkrieg, 2003; Barth, B., Dolchstoßlegende und politische Desintegration,
2003; Overy, R., Russlands Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste
Weltkrieg, 2. A. 2004; Neitzel, S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie
erster Weltkrieg, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A.,
Deutsche Kriegsgreuel 1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u.
a. 2004; Strachan, H., Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das
Londoner Schuldenabkommen, 2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004;
Müller, R., Der Bombenkrieg 1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg,
2004; Schreiber, G., Kurze Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär,
G. u. a., 1945, 2005; Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005;
Goeken-Haidl, U., Der Weg zurück. Die Repatriierung, 2007
Weltliches Recht (lat. ius [N.]
civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen
Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht (lat. ius [N.]
canonicum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971
Weltraum
Lit.: Reinke, N., Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004
Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3. 1904-Andernach 5. 5. 1977)
wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor in Göttingen und 1952 in
Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen Handlungsbegriff, der den
Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum Tatbestand im engeren Sinn zieht. In
seiner Rechtsphilosophie fordert er für die Rechtsgeltung die Anerkennung des
Menschen als verantwortliches Wesen und den Bezug auf Vernunft, Gewissen und
demokratische Diskussion.
Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951,
4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der finalen Handlung,
1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O., Sachlogik als
Naturrecht?, 2000
Wende ist die ältere Sammelbezeichnung für den -> Slawen an
der deutschen Nordostgrenze.
Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im deutschen
Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v. Herrmann,
E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972
Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4. 9. 1874-21. 9. 1953),
Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902 außerordentlicher
Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz (1905), Heidelberg
(1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von Ludwig Mitteis wendet
er sich der Papyrologie zu und versteht als sein Forschungsgebiet umfassend die
antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen Rechts bietet er eine
grundlegende Zusammenfassung über „Die Quellen des römischen Rechts“ (1953).
Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954), XIII
Wer A sagt, muss auch
B sagen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)
Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird nach einem (nicht
gesicherten) Studium im Ausland Protonotar hoher ungarischer Gerichte (1502)
und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs. 1514 veröffentlicht er eine
Zusammenfassung des in Ungarn geltenden Gewohnheitsrechts ([lat.]
Tripartitum opus [N.] iuris consuetudinarii incliti regni Hungariae.
Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts des ruhmreichen Königreichs Ungarn).
Obwohl das vom Landtag gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es teilweise
bis 1945 gewohnheitsrechtlich.
Lit.: Frankói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J., Werböczy
jog forrástana, in: Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Werböczy, S., The
Customary Law of the renowned kingdom of Hungary in three parts, 1517, hg. und übers. v. Bak, J. u. a., 2006
Werbung
Lit.: Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus,
2000; Ilgen, V./Schindelbeck, D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006
Werden
Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse und Mark in den Quellen der
Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951), 211;
Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der
Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971)
Werfen ist das einen Gegenstand durch die Luft Schleudern. Es kann
im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943
Wergeld ist im Mittelalter die in Sachen (z. B. Vieh, Waffen,
Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung für die ausgleichspflichtige Tötung eines
Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es fällt
teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König
(Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im einzelnen Fall besonders
ausgehandelt. In den Volksrechten erscheinen feste, vom jeweiligen Stand
abhängige Schillingbeträge (-> Kompositionensystem z. B. bei einem fränkischen
Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem
Aufkommen der peinlichen -> Strafe seit dem 11. Jh. verschwindet es
allmählich.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91, 119,
120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten,
ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23 (1902), 123; Jaekel,
H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M., Zur altsächsischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA
53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich Brunners Erklärung des
Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde og mandebod, 1971
Werkvertrag ist der gegenseitige Vertrag, in dem sich der Unternehmer
verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt herzustellen. Der W. ist
bereits dem römischen Recht als (lat.) locatio (F.) conductio operis (z. B.
Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff, Reinigung einer Sache,
Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven) bekannt. Danach erscheint
der W. wieder in der hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmittelalter wird
das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung wird der W. aus der
Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur Seite gestellt. Von
ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden.
Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des
Werkvertrages, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung
sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die
Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, in: Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung
im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der
Florentiner Renaissance, 2002
Wertheim
Lit.: Der Lehenhof der Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K.,
Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975
Wertpapier ist die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die
Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich
Brunner zusammengefassten Wertpapiere erscheinen in Frühformen an
oberitalienischen Handelsplätzen seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei
der -> Wechsel. In der frühen Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung.
In der Mitte des 19. Jh.s bildet es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen
Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Bund (-> Allgemeine Deutsche
Wechselordnung). 1908 wird im Deutschen Reich auch der -> Scheck W. Am Ende
des 20. Jh.s treten die nur noch elektronisch dokumentierten Rechte vor.
Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128, 167,
218, 272; Salvioli, I titoli al portatore, 1882; Goldschmidt, L., Universalgeschichte
des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Cordes, J., Begriffe und
Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx, H., Beiträge
zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den Ursprung der
Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher
Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier, hg. v. Kreuzer,
K., 1988
Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer Geldforderung gegen die
Geldentwertung. Sie wird im Deutschen Reich seit 1914 bedeutsam. Seit 1934
werden diesbezügliche Vertragsklauseln eingeschränkt.
Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992
Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior iure)
Wesel
Lit.: Stadtrechnungen von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963
Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) wird nach dem
Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569
Professor in Wittenberg. 1576 veröffentlicht er eine Sammlung seiner
Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen Kommentar zu den Pandekten. Darin geht
er synthetisch vor und bezieht die Rechtspraxis ein.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers, R., Het
humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer in
Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg. Ein
Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u. a.,
2006
Westeuropäische Union
(WEU) ist der am 17. 3. 1948 ursprünglich gegen Deutschland gerichtete,
erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft getretene Beistandsvertrag zwischen
Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Deutschland
und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und einem Generalsekretariat als
wichtigsten Organ. Am 13. 11. 2000 werden die operativen Aufgaben auf die
Europäische Union übertragen.
Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der
Westeuropäischen Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der
Westeuropäischen Union, 1999
Westfale ist der im Frühmittelalter (2. H. 8. Jh.s) erkennbare
Angehörige eines Teilstammes der Sachsen. Als rechtliche Besonderheit der
Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervorgehoben. 1180 wird Westfalen
Territorialherzogtum des Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an Preußen
gelangt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112, 256;
Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe, J., Die
Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für
vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R.,
Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921),
481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke, F.
v., Fürstenbergsche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den
mittelalterlichen Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das
westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches
Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche
Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler,
G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166;
Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H.,
Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003
Westfalen
Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.;
Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f.
1954f.; Westfalen – Hanse – Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a.,
1955; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963;
Wüllner, Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen Westfalens
am Ende des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa,
1964; Hartlieb von Wallthor, A., Die landschaftliche Selbstverwaltung
Westfalens, 1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967 (Aufsätze);
Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H. u. a., 1994
Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster unterzeichnete Vertrag von
Münster und Osnabrück, der den Dreißigjährigen Krieg beendet. Er bestätigt den
Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens von 1555. Er schwächt das Reich,
weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass an Frankreich, Bremen, Verden und
Vorpommern an Schweden) und im Übrigen den etwa 300 nun vorhandenen
Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung wesentliche Rechte (u. a.
Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit des Gegensatzes und der
Auseinandersetzung verstärkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130; Kürschner,
T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann, F., Der westfälische
Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v. der
Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff.; Dickmann, F., Der
westfälische Frieden, 1965; Forschungen und Studien zur Geschichte des
westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen
Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965; Böckenförde,
E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta pacis
Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972;
Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress
1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I.
und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v.
Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen,
K., Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van
Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999;
Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das
europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre westfälischer
Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg. v. Großfeld,
B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton, D./Tischer,
A., The Peace of Westphalia, 2002
westfränkisch -> Frankreich
Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens, der 1795 bei der dritten
Teilung Polens an Österreich gelangt. 1796 tritt dort die österreichische ->
Allgemeine Gerichtsordnung in etwas veränderter Form als Westgalizische
Gerichtsordnung in Kraft. Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der
Gesetzgebungsarbeiten an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem
Josephinischen Gesetzbuch geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem
sog. Entwurf Martini (1795) entwickelte Fassung des späteren -> Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuches als Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft gesetzt (in
Ostgalizien und in der Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798).
Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der Ur-Entwurf,
hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur Entstehungsgeschichte des
Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399
Westgote ist der Angehörige des seit 269 n. Chr. sichtbaren
westlichen (?) Teilstammes der Goten. 418/419 gründen die Westgoten ein Reich
in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter König Eurich im (lat.)
-> Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet. Vor 507 entsteht die für
die römische Bevölkerung geltende (lat.) -> Lex (F.) Romana Visigothorum.
507 verlieren die Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und
werden auf das inzwischen eingenommene -> Spanien (Toledo) verwiesen. Das
Recht der Westgoten wird in der (lat.) -> Lex (F.) Visigothorum weiter
entwickelt (Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die
-> Fueros Eingang. 711 geraten die Westgoten unter die Herrschaft der ->
Araber.
Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67, 75,
80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881), 123; Ein
neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A.,
Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A.,
The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und
Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v.
Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder
paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über
westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudos de
direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen
Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der
westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der
Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und
Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972;
García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf
der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999;
Heather, P., The Visigoths, 2001; Visigoti e
Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001
Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist die älteste, um 1220
beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland) geltende, schwedische
Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur Bruchstücke erhalten, von
der nächstälteren (Mitte 13. Jh.) eine Handschrift von etwa 1285, von der
jüngeren, wohl 1281 bis 1300 entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit
etwa 1350. Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um
1175-1227).
Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827,
Neudruck 1976Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson,
A., Envig och ära, in: Saga och sed, 1944, 57; Äldere Vastgötalagen, hg. v.
Holmbäck, A. u. a., 1946; Ericsson, G., Den kanoniska rätten, 1967; Aquist, G.,
Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G., De svenska rättskällornas historia,
1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, in:
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Westmannalagh, Västmannalagh, (Schweden um 1330) -> nordisches Recht
Lit.: Hafström, G., De svenska
rättskällornas historia, 1978
Westphalen ist das kurzlebige, von -> Napoleon um Westfalen errichtete
Königreich (18. 8. 1807-1. 10. 1813) um Kassel mit einer liberalen Verfassung
vom 15. 10. 1807.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973; Regierungsakten
des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992; Code Napoléon.
Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des Königreichs
Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von Tribunalen,
Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für das Königreich
Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005
Westzone ist die von 1945 bis 1949 währende Besatzungszone einer der
westlichen Alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte Staaten von Amerika,
Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus den drei Westzonen
entsteht die -> Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H.,
Bürgerliches Recht in den Westzonen, in: Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989
Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem Ziel, das nicht alle
gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben jedes von mehreren
Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst vielen Kunden
abzuschließen. In der mittelalterlichen Stadt wird der W. durch die -> Zunft
eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jh.s wird dagegen der W.
freigegeben (-> Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um daraus entstehende
Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich nach Einzelregeln (1894) ein
Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. 5. 896 erlassen, das
1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss nach einer Kartellverordnung
bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die aus der steigenden
Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
geschaffen werden, das später noch verschärft wird (1965, 3. 8. 1973
vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung für
Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976, 1980, 1989).
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E., Warenzeichen
und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter
Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und
Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a.,
1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H.,
Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des
Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T.,
Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994;
Heße, M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E.,
Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996,
1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen
Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des
unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004;
Bormann, J., Wettbewerbsbeschränkungen durch Grundstücksrechte, 2004
Wette ist das gegenseitige, zur Bekräftigung bestimmter
widerstreitender Behauptungen mehrerer Vertragspartner dienende Versprechen
dahingehend, dass dem, dessen Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn
zufallen soll. Eine W. ist im römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.)
legis actio (F.) sacramento enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem
Einsatz möglich. Im Frühmittelalter wird unter W. vielfach das Pfandrecht
verstanden. Seit dem Spätmittelalter wird die W. missbilligt. In der Neuzeit
ist die Lotterie weitverbreitet. Der W. wird die Klagbarkeit der Schuld
abgesprochen.
Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1, 2;
Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und
wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in
der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Wetterau ist die Landschaft an der Wetter nördlich der Mündung des
Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch und fränkisch. Im
Hochmittelalter ist sie königsnah.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kropat, A., Reich, Adel
und Kirche, 1965; Hardt-Friedrichs, F., Das königliche Freigericht Kaichen,
1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im
Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R.,
Bd. 1 1999
Wettin ist die Burg bei Halle an der Saale, nach der sich ein
Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird. Die Wettiner teilen sich
1485 in eine albertinische Linie (-> Sachsen) und eine ernestinische Linie
(-> Thüringen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131; Posse,
O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980;
Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die
Heiratspolitik, 2004
Wetzlar an der Lahn erscheint im 9. Jh. Es wird Reichsstadt nach
Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das ->
Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A., Beiträge
zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die Reichsvogtei
Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und Ratsfamilien,
Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G., Das
Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen
Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991
WEU -> Westeuropäische Union
Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2.
1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545)
und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und
Hexereiaberglauben gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis
daemonum). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.
Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“,
Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn,
1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992
whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in England
(Schimpfname, Tory angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).
Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer Ministerialität
hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene, spätere Abt von
Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey (1146), der den
Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als wichtiger Berater
dient.
Lit.: Jakobi, F., Wibald von Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H.,
Wibald von Stablo, 2006
Widerlegung (F.) Ersatzleistung
Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts,
1973, 51, 364
Widerruf ist im Privatrecht die Willenserklärung, die eine noch
nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an beseitigen soll, bzw.
im Verwaltungsrecht die Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Der
privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht bekannt. Der öffentlichrechtliche
W. wird erst mit der dogmatischen Verfestigung des Verwaltungsrechts als
solcher geformt.
Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77 II
5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf von
Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117
Widersagung (F.) Fehdeankündigung
Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994
Widerspruch ist die Gegenäußerung zu einer Äußerung (z. B. W. gegen die
Richtigkeit des Grundbuches seit dem 19. Jh.). In Deutschland wird seit 1960
ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zur einheitlichen Voraussetzung für
eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage.
Lit.: Köbler, DRG 263
Widerstand ist die entgegenstehende Haltung oder Kraft. Die Frage
eines Rechtes zum W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme wird schon früh
diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jh., Magna Charta 1215). Gegen den
ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die jeweilige Grenze
zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft. Der W. gegen die
Staatsgewalt ist seit dem 19. Jh. ein Straftatbestand.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern, F.,
Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das
vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im
Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und
Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter,
G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956; Schönfeld,
W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und
das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich -
Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze, W.,
Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B., Rechtsbegriff
und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v. Müller, K., 2. A.
1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991; Mehringer, H.,
Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes 1933-1945, hg. v.
Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“ 1933-1945, bearb.
v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit, 1999;
Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v.,
Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen
Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von
Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R.,
Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche
Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D.,Die weiße Rose, 2.
A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18. Jh.),
hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand, hg. v.
Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B.,
Gesetzesbindung und Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße
rose war nur der Anfang, 2006
Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908-Göttingen 17. 2. 1994),
Landgerichtspräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Palermo, Rom)
1937 planmäßiger außerordentlicher Professor in Leipzig, 1939 ordentlicher
Professor in Leipzig, 1948 in Freiburg im Breisgau und 1953 in Göttingen (1973
emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das
römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden römischen
Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale Gelehrte 1952
eine ideengeschichtlich ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit.
Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDH I 60
(1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C.,
2000
Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines rechtskräftig abgeschlossenen
Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem oberitalienisch-kanonischen
Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) -> restitutio (F.) in integrum
zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738, 548; Wiggenhorn,
H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973
Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand ist die gerichtliche Entscheidung,
durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig
fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem
oberitalienisch-kanonischen Verfahren (lat. restitutio [F.]
in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsordnung
1495).
Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess,
Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996
Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden
durch Ausgleich. Die W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg
bedeutsam.
Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u. a.,
Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld und
Schulden, 2005
Wiederkauf ist der schon im römischen Recht durch besondere
Vereinbarung mögliche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufes. Durch einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung des Verkäufers wird dann der Käufer
verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises
zurückzuübertragen.
Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur
des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken zum
Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf, in:
FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige einer vor allem im 16. Jh.
auftretenden, die Erwachsenentaufe anstrebenden christlichen Glaubensgemeinschaft
(z. B. Zürich um 1520, Münster 1534).
Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs,
Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G.,
1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980
Wiedervereinigung -> Deutsche Demokratische Republik
Wie du mir, so ich
dir.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)
Wiek ist die Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die im
14. Jh. (1322-37?) aus dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten in
der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen
Handschriften seit dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt. Dieses wiek-oeselsche
Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die Lehen-Rechte, das in 5
Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist, findet teilweise
Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424), das systematische
livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Cruisus’ Des Herzogtums
Esthen Ritter- und Landrechte.
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879, 95;
Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der
Geschichte Livlands usw. 23 (1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 163
Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.])
artes (Künste) in Paris und des weltlichen Rechts in Löwen Anwalt und
Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie
civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er
einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines
Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische
Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996
Wien an der Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw.
römischer Grundlage errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156 Sitz der
-> Babenberger wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W.
kurzzeitig reichsunmittelbar (1246-1250) und erhält 1365 eine Universität.
Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des
Schwabenspiegels das in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch
in 151 Artikeln aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter,
Bergrecht, Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum Sitz des
Kaisers des Heiligen Römischen Reichs (deutscher Nation), 1469 Bischofssitz und
1722/3 Erzbischofssitz. Vom 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der sog.
Wiener Kongress, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu geordnet
wird (-> Deutscher Bund). Später folgt die Wiener Schlussakte (15. 5. 1820)
des Deutschen Bundes. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich an,
von dem es sich verselbständigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100, 150,
769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der
Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener
Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt
Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt
Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten
Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v.
Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des
Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.; Quellen zur Geschichte der
Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die
Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts
in Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die
allgemeine Entwiclung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916; Luntz,
I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O., Die
Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10, 1916,
19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463, 1919; Die
Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen der Stadt
Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts, 1931; Klebel,
E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgaben für Hans Voltelini, 1932, 7; Lentze,
H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien,
Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935); Zatschek,
H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht
des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159; Weizsäcker, W., Wien
und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer
Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur
Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg.
v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im
spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener
Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760,
1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im
spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den
Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener
Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der
Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt
Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes,
P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u.
a., 1989ff.; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W.,
Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum
Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red.
v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v.
Csendes, P. u. a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy,
K., Das Werden Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch und Wirklichkeit – Die Anfänge
der Universität Wien, MIÖG 113 (2005), 63
Wiesentheid
Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956
Wigle van -> Aytta
wik (M.) Dorf, Siedlung, -> Weichbild
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS;
Köbler, G., Civitas und vicus, in: Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik und
Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121
Wikinger ist der Angehörige seefahrender Nordgermanen (Norweger,
Dänen) im Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken die W. Island, um 900
Grönland und 986, 1001 Amerika. Als -> Normannen dringen sie nach
Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Russland vor, gehen aber jeweils bald
in der ansässigen Bevölkerung auf.
Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935; Jänichen,
H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G., The Origin
of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer, R., Les
Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger, 2000;
Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die
Wikinger, 2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005
Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17. 8.
1800-Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen
(Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem Übertritt zum
Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er außerordentlicher Professor
in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau und 1854 in Kiel. Seine
wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen im Mittelalter (1831) und das
Strafrecht der Germanen (1842) (bis zum Frühmittelalter).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft,
1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben, 1974; Kern,
B., Georg Beseler, 1982
Wildbann (M.) Jagdregal
Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69 (1952),
301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001
Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts oder Fischereirechts
eines anderen. Der W. folgt im Frühmittelalter meist die Buße von 60
Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird eine peinliche Strafe üblich. Die
Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen). Die Neuzeit
behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871 die W.
wieder verselbständigt wird.
Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss. jur.
Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr, U.,
Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im
Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht,
Wilderei und gute Policey, 2007
Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und Frühneuzeit das Recht von Landesherren
oder bestimmten Grundherren, Fremde für ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen.
In der frühen Neuzeit ist das W. oft streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich
aus.
Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil. Rostock
1898
Wilhelm -> Ockham
Wilhelmus de Cabriano (Casus Codicis wahrscheinlich auf der Grundlage
der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jh.s)
Lit.: Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005
Wille ist die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes
Verhalten zu entscheiden. Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen,
Schießen) zum Ausdruck. Bei dessen Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform
abgestellt, teils auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.
Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens für den
Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W., Persönlichkeit, Wille und
Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Willebrief ist seit dem 12. Jh. (1177) die Zustimmungsurkunde der
Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt im 17. Jh. ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche
Willebriefe, DA 23 (1967), 171
Willenserklärung ist die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete
Äußerung des -> Willens (z. B. Erklärung, ein Buch kaufen zu wollen). Sie
wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als rechtswissenschaftliche
Grundfigur wird sie erst im 18. Jh. (Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber
bereits Connan, 1508-1551, Erstbeleg 1713?). Die W. kann einen ->
Willensmangel enthalten.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der
Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007
Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens von äußeren, die
Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W. besteht, ist in der
menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend wird, obwohl die
Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen Willens (bisher) nicht
eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W. ausgegangen. Ein
rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.
Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970
Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner die Willenserklärung
betreffende Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt bereits das römische
Recht (z. B. -> Irrtum). Eine Verallgemeinerung findet erst in der späten
Neuzeit statt.
Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1985ff.
Willkür ist die freie, bis zum Belieben reichende Wahl des Willens.
Insofern kann sie den Gegensatz zum Recht bilden. In einem anderen Sinn wird
als W. im Mittelalter das durch Zustimmung geschaffene städtische gesetzte
Recht verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der
Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M.,
Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529
Wilten
Lit.: Wilten, 1924
Wimpfen
Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961;
Laufs, A., Das Wimpfener Rechtsbuch, ZRG GA 89 (1972), 175
Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6. 1817-Leipzig 26. 10. 1892)
wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Bonn 1847 außerordentlicher
Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor in Basel, Greifswald (1852),
München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig (1874). Sein Hauptwerk ist ein
dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts (1861), in dem er das römische Recht
seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst, dass das Werk bis 1900 das fehlende
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als Mitglied der ersten Kommission zur
Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuches beeinflusst er den ersten Entwurf
erheblich.
Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid, 1907;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein Gelehrter
wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln 1989;
Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902
Windsheim
Lit.: Erbar,
W., Die Windsheimer Reformation von 1521, Diss. jur. Erlangen 1928; Urkundenbuch
der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb. v. Schultheiß, W., 1963; Die
Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan Greffinger für die Reichsstadt
Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974
Winterthur
Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur 1953
Wippe (F.) Gerät zum Fallenlassen eines Täters in eine
Flüssigkeit
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988
Wippen (N.) Prellen, Schnellen, von der Wippe fallen Lassen
Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen und Maßnahmen zur
planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die W. beginnt bereits
in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen die Viehzüchter und
Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der
kleinbäuerlichen W. die Plantagenwirtschaft. Von diesen römischen Verhältnissen
wird wohl die frühmittelalterliche -> Grundherrschaft beeinflusst. In ihr
gewinnt das -> Gewerbe (Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung. Bereits in den
letzten Jahrzehnten des 8. Jh.s könnte ein neuer Aufscwung eingesetzt haben. Über
den Markt entsteht im 11. Jh. -> die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe
und Handel. Tauschmittel wird das -> Geld. Bereits am Beginn der frühen
Neuzeit werden frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der
Landesherr der durch die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im ->
Merkantilismus möglichst hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem -> Physiokratismus
wird vor allem von Adam Smith der -> Liberalismus entwickelt, der die
Erwerbstätigkeit des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Im 19.
Jh. strömt die wachsende Bevölkerung dem Wirtschaftssektor Gewerbe zu, im 20.
Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung tritt fast
völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird als
Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der Entwicklung des
Verkehrswesens, der internationalen Kapitalmobilität und der Massenmigration die
Verflechtung der einzelstaatlichen Wirtschaften zur Weltwirtchaft ein. In
der Auseinandersetzung zwischen Planwirtschaft und Marktwirtschaft behält die
Marktwirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft die Oberhand.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133, 173,
217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 511; Below,
G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige Kriegswirtschaft,
1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, 1930; Spangenberg,
H., Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und
Staat, 1959; Lütge, F., Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966,
Neudruck 1976, 1979; Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im
wirtschaftlichen Wettbewerb, 1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der
Wirtschaftspolitik, 1970; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd.
1ff. 1973f.; Winkel, H., Die Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974;
Hefermehl, W., Die Entjudung der deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938,
1981; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H.,
1989; Mathis, F., Die deutsche Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H.,
Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und
Stubengesellschaften, 1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem
Nationalsozialismus, 2000; Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft
des römischen Reiches (1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon,
2003; Walter, R., Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, m., Origins of
the European Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und
Wirtschaftsordnung, ZNR 25 (2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19.
Jahrhundert, 2004; Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u.
a., 2004; Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen
Diktarut, hg. v. Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem
Weltkrieg, HZ 279 (2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter,
R., Geschichte der Weltwirtschaft, 2005
Wirtschaftsgemeinschaft -> Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
Wirtschaftsgeschichte ist der die -> Wirtschaft betreffende Teil der
Geschichte.
Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische
Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts-
und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der
Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale
Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme
der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in
Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen
Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich
1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer
Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven,
1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H.,
Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche
Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und
Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W.,
Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte,
hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine
Wirtschaftsgeschichte, 6. unv. A. 1988; Wirtschaftsgeschichte der
deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Martino, F. de,
Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A. 1991; Henning, F., Handbuch der
Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber,
R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C., Einführung in die
Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Ambrosius,
G. u. a., 1996, 2. A: 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd. 2 1996; Schultz,
H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E., Spiegelungen
wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche
Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen
Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P.,
Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20.
Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v.
Schulz, G. u. a., 2003; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit
1945, 2004; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004;
Wischermann, C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004; Schefold,
B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A., Genuss im
kulturellen Wandel, 2004
Wirtschaftskriminalität ist die ; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU, 2004die
Wirtschaft betreffende Kriminalität, die seit dem 20. Jh. deutlich zunimmt.
Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H.,
Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993
Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die Wirtschaft betreffenden
Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike bedeutsam, gewinnt in der
hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an Gewicht, wird durch die
Landesherren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus) und wird zu Beginn des 20.
Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes Rechtsgebiet erfasst. Seitdem
wird der freien Marktwirtschaft eine ausgleichende Komponente eingefügt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge
zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G.,
Wirtschaftsrecht im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9;
Pleyer, K./Lieser, J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner,
H., Das Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, in: Recht, Rechtsphilosophie
und Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983;
Puppo, R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Nörr,
K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten Wirtschaft,
ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff und Inhalt
des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik,
2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, 2002; Gschwend,
L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471; Mohnhaupt, H.,
Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der Disziplin Wirtschaftsrecht, ZNR
2003, 238; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471;
Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus, hg. v. Bähr, J. u. a.,
2006; Die andere Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v. Bender, G. u. a., 2006
Wismar ist der 1229 erstmals als Stadt erwähnte Ort an der Spitze
der Wismarer Bucht der Ostsee. W. hat lübisches Recht. Aus ihmsind zahlreiche
Bürgersprachen (Statuten) überliefert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die
Bürgersprachen der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der
Seestadt Wismar, Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und
Altertumskunde 99 (1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v.
Knabe, L., 1966; Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806),
2004
Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific Revolutions,
1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v.
Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der Aufklärung, hg. v.
Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und Wissenschaft, 1994; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106;
Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur Geschichte der wissenschaftlichen
Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung in die Wissenschaftstheorie, 13. A.
2003; Hammerstein, N., Bidlung und Wissenschaft vom 15. bis zum 17.
Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v. Dülmen, Richard van u. a., 2004
Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der Frankfurter
Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft, 1929;
Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien Wissenschaft,
1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Losch, B.,
Wissenschaftsfreiheit, 1993
Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883) wird
nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach in
Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der
Institutionen des -> Gaius.
Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819
Wittelsbach bei Aichach ist die Burg, nach der sich seit 1116/1120
Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und
Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M.,
Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005; Menzel,
M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und Holland,
DA 61 (2005), 103
Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als Burgward. Seit 1212 ist es
Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502 wird es Sitz einer
Universität (bis 1813/1816). -> Luther
Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte des
Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die Spruchtätigkeit
der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998; 700 Jahre
Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische
Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die
Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u.
a., 2006
Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der 1395 als Advokat und
Notar bezeichnete Hinterthurgauer Landadliger, der vielleicht zur Zeit des
Konzils von Konstanz (1414-1418) das 9700 Verse umfassende Lehrgedicht „Ring“
mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst.
Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers Ring,
1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v.
Boesch, B., 1970
Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12. Jh. Sitz eines
Grafengeschlechtes. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon; Wrede,
G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das Wittgensteiner
Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v. Krämer, F., Bd. 1f.
1965
Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe des Bräutigams an den
Muntwalt der Braut und später an die Braut. Das W. dient der Vorsorge für den
Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht ohne klare Trennung neben
der Morgengabe.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts,
1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und
spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P., Dotierte Ehe - rechte
Ehe, 1978
Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem Tod des Ehemannes.
Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes über. Die
Wiederverheiratung ist möglich, wird von der christlichen Spätantike
(Hieronymus) aber abgelehnt, so dass gelegentlich die W. als eigentliche
Gründerfigur des Mittelalters angesehen wird.
Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die
Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der
Wiederverheiratung, 1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich,
1995; Jussen, B., Der Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows
in Denmark 1500-1900, Scand. J. History 29, 209
Witzenhausen
Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt
Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der
Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das
Liegenschaftsrecht des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, in Beiträge zur
Geschichte der Werralandschaft 4, 1937
Woche ist die aus sieben Tagen bestehende, schon im alten Ägypten
bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch im Judentum und danach im
Christentum. In jeder W. ist der Sonntag Feiertag. An einem bestimmten
Wochentag findet der Wochenmarkt statt.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 5. A. 1980
Wohlerworben
Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der
Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104
Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen Befindlichkeit. Seit der
frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel herrschaftlichen Handelns.
Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur Erreichung von Wohlstand. Am
Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene Ausdehnung
der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische
Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen
der Wohlfahrtspflege ab.
Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS
A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von
Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955;
Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere
deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des
Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989;
Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann, F., Varianten
des Wohlfahrtsstaats, 2003
Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/Schwaben 7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein
23. 12. 1946), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München
(Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie
1935 außerordentlicher und 1944 planmäßiger außerordentlicher Professor in
Kiel. Seine Arbeiten betreffen unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.
Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat, 1987
Wohnsitz ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines
Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst seit dem
Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung und
Veränderung formalisiert.
Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R., Der
Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im
kanonischen Recht, 1992
Wohnung ist das meist aus mehreren Räumen bestehende befriedete
Besitztum eines oder mehrerer Menschen zum auf längere Zeit angelegten Aufenthalt.
Das Wohnungsrecht findet sich bereits im spätrömischen Recht. Die W. wird
vielfach durch -> Miete erlangt, doch kann ihrem Besitz auch ein dingliches
Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit wird die W. freiheitsrechtlich
gegen Herrschaft geschützt (Kurhessen 1831). Etwa 1895 beginnt die
Wohnungsbauförderung für die im öffentlichen Dienst Beschäftigten durch Staat
und Gemeinden. Im 20. Jh. wird zeitweise der gesamte Bestand an Wohnungen
staatlicher Zwangswirtschaft unterstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Feldbauer, P.,
Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und
Füchtings Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz,
1984; Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985;
Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K.,
Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur
Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd.
1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999
Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer -> Wohnung in Verbindung
mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung tragenden Grundstück. Es ist in
Fortsetzung des älteren -> Stockwerkseigentums im Gegensatz zu dem
römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (die Oberfläche
folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s aus sozialrechtlichen Überlegungen
zugelassen, so dass in Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der
(Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.
Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG
GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A. 1994
Wo kein Kläger, da
kein Richter.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo iudex sine
actore)
Wolf
Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952
Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im
Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in
Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und
Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker
der deutschen Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).
Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff. 1972ff.; Hollerbach,
A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33
Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754),
Gerberssohn, wird nach dem 1699 aufgenommenen Studium von Theologie, Mathematik,
Physik, Philosophie und Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz)
Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706), (nach
Landesverweis unter Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken) Professor für
Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf durch Friedrich
den Großen) Professor für Naturrecht, Völkerrecht und Mathematik in Halle
(1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibnizs wie des Gedankens, dass der (angeboren
freie und gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach Vollkommenheit zu streben,
stellt er (vor allem auch in deutschsprachigen Veröffentlichungen sowie
anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung aus wenigen
Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat.
Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er
in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300 Obersätze
voraussetzt, die Ablösung des -> Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit
nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt,
Darjes und Nettelbladt.
Lit.: Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S.,
Christian Wolff, 1968; Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian
Wolffs, 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Christian Wolff, hg. v. Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und
Institution bei Christian Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und
Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts, Bd. 1 1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, in:
Wieacker Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209; Christian Wolff und
die hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004; Timme, M., Christian
Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche Methode bei
Christian Wolff, 2004
Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher
Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin
(1921), bis er 1934 aus seinem Amt entfernt wird und nach London auswandert.
Sein 1910 veröffentlichtes Sachenrecht gilt als eines der besten
privatrechtlichen Werke des 20. Jh.s.
Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543
Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen Bug und Dnjepr. Es
bildet im 11./12. Jh. ein unabhängiges Herzogtum (Lodomerien), wird aber 1188
mit -> Galizien vereinigt. 1793/1795 kommt es bei Teilungen Polens an Russland,
von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die im 19. Jh. eingewanderten Deutschen
werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt.
Wöllner Johann Christoph von (1732-1800) wird in Preußen 1788
Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein am 9. 7. 1788
erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen ->
Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen Hauptkonfessionen.
Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt, Hist.
Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen
Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975
Wo nichts ist, da
hat der Kaiser sein Recht verloren.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)
Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford 1703
Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in
Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England.
Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des ->
common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbindung von römischem Recht
und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jh.s prägend.
Lit.:
Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12 1938, 418; Coquillette, D., The
Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The Two Institutes of Thomas Woods,
American Journal of Legal History, 35 (1991), 432
Worms ist die ursprünglich keltische Siedlung am linken Ufer des
mittleren Rheins, die vielleicht seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt
die bischöfliche, seit 1074 mit Privilegien begabte Stadt, in der am 23. 9.
1122 nach längeren Verhandlungen das einen gewissen Ausgleich im
Investiturstreit bringende Wormser Konkordat vereinbart wird, Reichsfreiheit.
1498/1499 erneuert sie in weitgehender Romanisierung ihr Recht in einer ->
Reformation.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Koehne, K., Die Reformation des Wormser Stadtrechts,
1897; Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v.
Kohler, J. u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des
Hochstifts Worms, Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms,
Frühmittelalterliche Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur
Verfassungsgeschichte, 1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G.,
1985; Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees,
I. u. a., 2006
Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und Kaiser vom 23. 9. 1122,
der den -> Investiturstreit vorläufig abschließt. Der Kaiser überlässt der
Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt kanonische Wahlen und
freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass im deutschen Reich die Wahl der Bischöfe
in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und im Falle der Uneinigkeit der Kaiser
den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf der Kaiser die Regalien
übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher Herrschaft
aufgegeben.
Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906; Rudorff,
H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die praesentia
regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907, 196; Salomon,
F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Hofmeister,
A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v.
Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung des päpstlichen
Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser Konkordat überhaupt
nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123
Wort
Lit.: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1981
Writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den
königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er
in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem
Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu
kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte
verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch
das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs
unterschieden. 1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case
doch wieder zugelassen. Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832
bestehen 76 verschiedene Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System
der forms of action aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch
nur in den -> inn of courts zuverlässig erlernt werden.
Lit.: Kroeschell,
DRG 1; Peter, H., Actio und writ, 1957; Caenegem, R. von, Royal Writs, 1959;
Baker, J., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002
Wucher ist das unter Ausbeutung der Zwangslage, der
Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen
Willensschwächen eines anderen erfolgende Versprechenlassen oder Gewährenlassen
von solchen Vermögensvorteilen für eine Leistung, die in einem auffälligen
Missverhältnis zu der Leistung stehen. Im Mittelalter erklärt sich das
kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte zuständig. Zum Ausgleich für den
Wegfall des kanonischen -> Zinsverbotes und der neuzeitlichen
Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1900) ein Wucherverbot geschaffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im
Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in Deutschland
1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in
Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002
Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter göttlicher
Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen widersprechende erwünschte Geschehen
(z. B. Heilung schwerer Krankheiten, unerwartetes Bestehen von Gefahrenlagen).
Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter Ausnutzung seelischer Nöte
Schwacher zum Wohlstand parasitärer Promotoren von Wallfahrten bei.
Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v.
Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen
Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002; Rendtel,
C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon der
Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters,
hg. v. Herbers, K., 2005
Würde -> Menschenwürde
Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991
Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach
1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische gelehrte
Jurist, der an verschiedenen sächsischen Werken Verbesserungen vornimmt wie z.
B. an der buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse (1386) des
Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer Stadtrechtsbuch (1399),
die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über den Sachsenspiegel (1397).
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1
4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus
Wurm, 1990
Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von Friesen besiedelte Landschaft
an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche Übersetzung der Rüstringer
Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.
Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973
Württemberg ist die 1081/92 erscheinende Burg bei Esslingen, nach der
sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft im östlichen Teil Schwabens
erreichen (W.). 1555 wird ein durch Sichard romanistisch geprägtes,
vierteiliges -> Landrecht (Prozess, Vertrag, gewillkürtes Erbrecht,
gesetzliches Erbrecht) erlassen, das unter Änderungen (1567, 1610) bis 1900 in
Geltung bleibt. Am Beginn des 19. Jh.s wird der Umfang des Landes von 9800
Quadratkilometern auf 19500 Quadratkilometer erweitert. Am 25. 9. 1819 gewährt
der König von W. eine -> Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256, 269;
Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die
Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der
Behördenorganisation in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K.,
Württembergische Geschichte, 1909, 5. A. 1963; Württembegische ländliche
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.; Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd.
1ff. 1910ff.; Beschreibung des Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische
Regesten, hg. v. kgl. Haus und württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T.,
Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des württembergischen
Bauernstandes, 1919; Knapp, T., Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und
das württembergische privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock,
A., Die Entstehung der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung
des Oberamtes Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die
Revolution, 1931; Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die
Organisation und Verwaltung von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg
im Zeitalter Napoleons, 1937; Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der
staatlichen Archive Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte
Württembergs vom 3. bis 13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in
Württemberg, 1938; Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des
geheimen Rats in Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube,
W., Der Stuttgarter Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks,
E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Rummer, J., Die
Pforzheimer Prob, 1963; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von
1555, 1968; Struck, W., Geschichte der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H.,
Das Königreich Württemberg im Spiegel der preußischen Gesandtschaftsberichte
1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662,
3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg,
1973; Bernhardt, W., Die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre
Beamten 1520-1629, 1973; Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2,
hg. v. Landkreistag, 1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte
von Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner,
W., Ebingen, 1986; Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gerner,
J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen Verfassung, 1989; Frey,
S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier, H., Handbuch der baden-württembergischen
Geschichte, Bd. 3 1992; Haug-Moritz, G., Württembergischer Städtekonflikt und
deutscher Dualismus, 1992; Gotthard, A., Konfession und Staatsräson, 1992; Holthöfer,
E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung,
1997; Schuler, P., Regesten zur Herrschaft der Grafen von Württemberg
1325-1378, 1998; Raberg, F., Biographisches Handbuch der württtembergischen
Landtagsabgeordneten 1815-1933, 2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v.
Zimmermann, W. u. a., 2003; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004;
Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v.
Raberg, F., 2004; Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer,
B., Ich bleibe nicht mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine
Geschichte des Königreixhs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische
Hof im 15. Jahrhundert, 2007
Wurtzins (M.) Hausstättenzins
Wurzach
Lit.: Vogel, A., Die Rechtsverhältnisse der
reichstruchsess-waldburgischen Stadt Wurzach, Diss. jur. Tübingen 1958
Würzburg am Main wird nach älteren Siedlungsspuren 704 als Vorort eines
fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742 wird es Sitz eines Bischofs, von dem
zwischen 995 und 1223 386 Urkunden nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582
erneuerte Universität eingerichtet. Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund
9000 Einwohner.Das Würzburger Landgericht will für das Herzogtum -> Franken
zuständig sein.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die Zenten
des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann, H.,
1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Urkundenregesten
zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg (1172-1413), bearb. v. Engel,
W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg um 1500, 1968; Johanek, P., Die
Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg, 1969; Schubert, Ernst,
Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger
Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977;
Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries,
L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd.
1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der Würzburger Bischofschronik des Lorenz
Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte der Stadt Würzburg, hg. v.
Wagner, U., Bd. 1f. 2001ff.; Raum und Recht – Festschrift 600 Jahre Würzburger
Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a., 2002; Schäfer, D., Geschichte
Würzburgs, 2003; Sprandel, R., Das Würzburger Ratsprotokoll es 15.
Jahrhunderts, 2003; Müller, K., Die Würzburger Judengemeinde im Mittelalter,
1004; Hecker, M., Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005;
Benkert, C., Die juristische Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960,
2005; Die Lebensbeschreibungen Bischof Burchards von würzburg, hg. v. Barlava,
D., 2005
Wüstung ist die zerstörte oder verlassene Siedlung. W. (Zerstörung)
eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B. bei Landesverrat, Ketzerei,
Tötung, Notzucht).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der
Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG
GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung,
ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer,
H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A.
1976; Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967; Die
Lebensbeschreibung Bischof Burcvhards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005
X
Xanten
Lit.: Urkundenbuch des Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935;
Hawicks, H., Xanten im späten Mittelalter, 2006
Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird nach Ausbildung in
Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert das in den ->
Basiliken überlieferte römische Recht.
Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen
Rechtsbüchern, 1986, 29, 40
Y
Year book ist die Bezeichnung der Jahrbücher, in denen die
Entscheidungen des -> englischen Rechts von jungen Anwälten in -> Law
French aufgenommen sind (reports, von 1292 bis 1535 erhalten, Gegensatz
lateinische records).
Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Baker,
J., The Common Law Tradition, 2000
Z
Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417), Patrizierssohn, wird nach
dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de Butrio) Rechtslehrer in
Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von Konstanz setzt er sich für
die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des Papstes ein.
Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79
(1993), 232
Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo (Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg
27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem Studium der Philosophie, Philologie
und des Rechts in Leipzig 1802 Professor in Wittenberg und Heidelberg (1807).
1808 veröffentlicht er ein systematisch abgefasstes Handbuch des französischen
Civilrechts. 1810 legt der als schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte
„Staatsrecht der rheinischen Bundesstaaten“ vor.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo Zachariaes,
1996
Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei Bad Langensalza 20. 11.
1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler und
Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen Kriminalprozesses,
1837).
Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D. , Heinrich
Albert Zachariae, 1985
Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf antike Grundlagen
zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach der Zerstörung (1242)
neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische Freistadt. 1526 fällt Z.
an -> Österreich. 1669 erhält es eine Universität. 1718 wird Z. Hauptstadt
-> Kroatiens.
Lit.:
Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts,
1967
Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A. 1991;
Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der
Geschichtsschreibung des frühen Mittelaters, 1987
Zahlung ist die Tilgung einer Geldschuld. Sie erfolgt zunächst
durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh. zunehmend bargeldlos.
Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996
Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die namengebende Burg einer
alemannischen Familie, die 1092 den Titel eines Herzogs (Gegenherzogs) von
Schwaben annimmt. Ihr durch viele Stadtgründungen (z. B. -> Freiburg im
Breisgau, -> Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet fällt bei ihrem
Aussterben 1218 an verschiedene Nachfolger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der
Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer,
1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v.
Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004
Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische
Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). -> Kaiser
Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995;
Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001
Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem Studium in Krakau, Rom
und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit 1699 veröffentlicht er
(lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs Polen).
Lit.: Malinowska, I., Mikolaj
Zalaszowski, 1960
Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich) (Konstanz 1461-Freiburg im
Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen
Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber in Freiburg, wo er nach
weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich gegen die
herkömmliche italienische Art (lat. -> mos [M.] Italicus) entwickelten
humanistisch-philologischen Neuansätze (-> Alciat, lat. -> mos [M.]
Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich beeinflussten
Stadtrecht (Reformation) -> Freiburgs wirkt er maßgeblich mit. Er ist der
erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.
Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich Zasius,
1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Famileinstatut der von
Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich Zasius
und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Winterberg,
H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und Hörer); Kisch, G.,
Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und Petrus Stella,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und Statuten, hg.
v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasuis, 1987; Schroeder, K., Ulrich
Zasius, JuS 35 (1995), 97
Zauber ist die Zuhilfenahme von nichtmenschlichen geistigen
Kräften zur Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört bereits der
Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen bestimmte Formen von
Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen Neuzeit -> Hexen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn,
1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S.,
Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C.,
1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Blauert,
A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J., Homines magici, 1995;
Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den
fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in
Kursachsen, 2003
Zauberei -> Zauber
Zaudengericht
Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und
Schlesien, 1935
Zaun
Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht zwischen Gemeinweiden und Kulturland,
ZRG GA 29 (1928), 336
zehn Gebote -> Dekalog
Zehnt ist der bereits den Juden im Alten Testament bekannte, von
der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit unter Berufung auf
biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil eines Ertrages. Er
wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der im Zuge der Abwehr
des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung (Verweltlichung) des
Kirchengutes erneuert. Im 13. Jh. wird er zur Geldleistung. Im 19. Jh. wird der
Z. im Gefolge der französischen Revolution durch die -> Kirchensteuer
ersetzt (Preußen 20. 6. 1875).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198; Stutz, U.,
Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P., Histoire de la
dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des Zehntstreites
zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43 (1922), 267; Plöchl,
W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt im alten Bern, 1954;
Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Harrer, R., Der
kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992; Pribnow, V., Die
Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung, 1996; Jursa, M., Der
Tempelzehnt in Baylonien, 1998; Person-Weber, G., Der Liber decimationis des
Bistums Konstanz, 2001
Zeichen -> Marke, Warenzeichen
Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992;
Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Zeil
Lit.: Inventar des Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh,
R., Das Hausrecht der Reichserbtruchsessene Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.
Zeiller, Franz von (Graz 14. 1. 1751-Hietzing bei Wien 23. 8.
1828) wird nach dem Studium der Philosophie in Graz und des Rechts in Wien
(Martini) Hauslehrer Martinis, 1778 außerordentlicher Professor, 1782
ordentlicher Professor in Wien und 1797 Beisitzer der Hofkommission in
Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das westgalizische Strafgesetzbuch. Sein 1802
veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm
umgestalteten Stoff des späteren -> Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches
(1811/1812). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt die Geschichte
zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe) zurück, doch wird
dies 1855 wieder beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller,
1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von
Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003
Zeitgeschichte ist die die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte.
In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans
Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit
etwa 1970 wird auch eine juristische Z. angestrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D., Juristische
Zeitgeschichte, 1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v.
Stolleis, M., 1993; Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum
Juristische Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J.,
Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein
Forum zur juristischen Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte,
1998; 50 Jahre Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999;
Vormbaum, T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen
juristischer Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J.,
Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp, B.,
Rechtsgeschichte als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M.,
Zeitgeschichte im dynamischen Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht – Gestern
und heute, 2002; Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a.,
2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G.,
Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der
österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte als Problem, hg. v. Nützenadel,
A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004
Zeitschrift ist die im Verlauf der Zeit in Abständen
erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser. Sie
entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Juristische, zunächst noch
buchähnliche Zeitschriften werden im Heiligen römischen Reich seit dem 18.
Jahrhundert herausgegeben, in den meisten übrigen Staaten Europas im 19.
Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft im Vordergrund steht, teilweise
aber auch die Praxis einbezogen wird.
Lit.: Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999;
Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006
Zeitschrift für
Rechtsgeschichte ist
die der von Savigny und anderen für Romanistik und Germanistik begründeten
Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von
Reyscher und Wilda herausgegebenen (germanistischeren) Zeitschrift für
deutsches Recht ab 1861 folgende, Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880
in eine germanistische Abteilung und eine romanistische Abteilung gegliederte
und (durch Ulrich Stutz) 1911 um eine kanonistische Abteilung erweiterte
Zeitschrift für rechtsgeschichtliche Forschungen und Besprechungen
(„Deutschlands berühmteste Zeitschrift).
Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für
Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands
berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1
Zeitung ist das regelmäßig erscheinend,
über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Die älteste in Deutschland
erschienene und erhaltene ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen. Die
älteste, noch erscheinende Zeitung Deutschlands ist die ildesheimer Allgemeine Zeitung von 1705. 2004 bestehen in
Deutschland 137 Zeitungen (mit mehr als 1000 Ausgaben), die mehr und mehr von
den in ihnen aufgegebenen Anzeigen leben.
Lit.: Breil, M., Die
Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v.
Stolleis, M., 1999; Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S.,
Politik in der europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in
Deutschland, 2005f; Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u.
a., 2006
Zensor ist der altrömische Amtsträger, der wohl seit 444 v. Chr.
für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung zuständig ist.
Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG
18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche Verhalten,
insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform. Von 1559/1564
bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum
prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen die neuzeitlichen
Landesherren, bis im 19. Jh. der Liberalismus die -> Pressefreiheit
erreicht.
Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland, Diss.
jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970; Busch, R.,
Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den Rheinbundstaaten Berg,
Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche Bücherzensur, 1977; Ziegler,
E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an sich...“, hg. v. Göpfert, H. u.
a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel
1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur Pressefreiheit, 1993;
Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt, Criticon 155 (1997), 145;
Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern
und Händlern verbotener Schriften, FS G. Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index
– Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen bayerischer
Zensur, 2003; Arnold, M., Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003;
Müller, B., Zensur im modernen deutschen Kulturraum, 2003
Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. als Grundlage eines gestuften
Wahlrechts im 19. Jh., in Österreich bis 1907)
Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il censo e
il voto, 1993
Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in Herkunft
und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit (Zentgericht) des
Mittelalters.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts
Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen
und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der
Landgemeinde, 1964
Zentenar
Lit.: Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917
Zentgericht ist das die -> Zent betreffende Gericht.
Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von Lützelbach,
ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002
Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die zusammenfassende Behörde
der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch organisiert.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum,
1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press,
V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden
des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und
Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen
Reiches, 1982
Zentralismus
Lit.: Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v.
Janz, O. u. a., 1997
Zentraluntersuchungskommission
ist eine Untersuchungskommission des
-> Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre Umtriebe.
Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission,
1970
Zentrumspartei ist im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des
konservativen Katholizismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte,
Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck
1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen
Staat und Kirche, 2001
Zepter (N.) Herrscherstab
Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953; Vorbrodt,
C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992
Zerrüttung ist die Zerstörung durch Erschütterung, im Recht
insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft, die in Deutschland 1976
zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer, H.,
Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991
Zerreißen ist eine Form der -> Todesstrafe (14.-18. Jh.).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922,
131
Zession (F.) Abtretung
Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen mittelalterlichen
Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der Zession, 1975; Luig,
K., Zession und Abstraktionsprinzip, in: Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche Zessionsverbot von 1551, Diss. jur.
Bochum 2000
Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch, der über Tatsachen, die
er wahrgenommen hat, aussagen soll. Zeugen gibt es, solange es Menschen gibt.
Die Bedeutsamkeit von Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu
unterschiedlichen Zeiten verschieden groß. Zu unterscheiden sind zufällige
Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen (zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene
Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens
mit dem Inquisitionsprozess erscheint die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren
als Z. auszusagen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II 6;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202; Köbler,
WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B., Die
Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen
Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess,
1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a., 1994;
Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur des
Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S., Von
Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice, 2003
Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin 18. 4. 1914),
Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und Geschichte in
Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger, vor allem rechtlicher
Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin).
Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M., Karl
Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35
(1914), 646
Ziegenhain
Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934
Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart durch die Eigenbezeichung
Roma oder Sinti ersetzte Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus
Nordindien ausgewanderten, seit dem 15. Jh. im Heiligen Römischen Reich (1399
Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes. Der
Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen
Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen
Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und
Erfassung unterstellt. Im -> Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale
Tötungsabsicht verfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im
Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann,
J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der
Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996;
Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort
Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten
Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M.,
Zigeunerpolitik im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das
Recht der Roma und Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914,
2002
Zins ist die bereits dem römischen Recht bekannte Vergütung für
den Gebrauch eines Kapitals, im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in
der Naturalwirtschaft in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Das
kanonische -> Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit
1530 wird im Heiligen Römischen Reich (deutscher Nation) der Z. auf 5%
festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848 setzt sich die
Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des -> Wuchers eine Schranke.
Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III 2;
Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F., Nasenzins
im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der Galluskirche in
Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von
Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig,
1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, in: Das Grundeigentum
1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA
61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Brand,
O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez Rojo,
M., Historia jurídica del anatocismo, 2003
Zinsverbot ist das Verbot, einen -> Zins für eine Leistung zu
nehmen. Im Mittelalter verbietet die christliche Kirche wegen Lukas 6,35
Christen das Nehmen von Zins für -> Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte
entwickelt werden und im Übrigen das entgeltliche Darlehensgeschäft von den
-> Juden durchgeführt wird. Seit der frühen Neuzeit wird das kanonische
Zinsverbot von Höchstzinssätzen (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation
1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den Liberalismus die nur durch
das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk, F.,
Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische
Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum
kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und
Zinsverbot, FS H. Lange, 1992
Zips ist die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft. 1370
erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18. Jh.s
überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen,
Handel, Verfahren, Verwaltung).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonova, M., Das Recht der Spis, 1992
Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der Leitha gelegene Gebiet
Österreich-Ungarns.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher
Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem 1098 von Robert von Molesme
und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster Citeaux in Burgund benannten
benediktinischen Reformordens. Wichtige deutsche Niederlassungen sind Kamp,
Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150 Niederlassungen im deutschen
Sprachraum).
Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de
Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M.,
Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u.
a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004;
Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997; Zisterzienser zwischen
Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H. u. a., 1998; Rüffer,
J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser in Südwestdeutschland,
hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B.
u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian Evolution, 2000; Eberl, I. Die
Zisterzienser, 2002; Haarländer, S., Die Zisterzienser, 2006
Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn 25. 11. 1923),
Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig und Bonn 1879
Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst sich vor allem
mit dem Privatrecht (-> Willenserklärung, -> Irrtum).
Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923; Repgen,
T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73
Zitiergesetz ist (nach Gustav -> Hugo) das 426 von den römischen
Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassene Gesetz, das ->
Papinian, -> Paulus, -> Ulpian, -> Modestin und -> Gaius als
maßgebliche Juristen benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen
vorgetragenen Ansichten formale Entscheidungsregeln für die Richtigkeit einer
Lösung festlegt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19; Köbler,
DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim, F., Zur
Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235
Zittau
Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939
Zivilehe ist die durch weltliche Formen zustandekommende -> Ehe
der Neuzeit. Sie erscheint bereits im 16. Jh. in den Niederlanden als
Möglichkeit (fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig sogar als einzige
Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie 1792, im Deutschen
Reich 1875 verwirklicht.
Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die Grundlegung der
modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Woopen,
A., Die Zivilehe, 1956; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen
Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert,
W., Preußen und die Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Fuhrmann,
I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998
Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern verwendete Bezeichnung für ein
Privatrechtsgesetzbuch (Schweiz 1907/12, Deutsche Demokratische Republik 19.
6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952]). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist
seit 1. 1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Sontis, J., Das
griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur
Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das
schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute,
Z. f. vergleich. Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der
Verwirklichung des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen
Demokratischen Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H.,
Zivilgesetzbücher im deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die
Entstehungsgeschichte des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999
Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die Hofhaltung (England
1689)
Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd. 1f.
3. A. 1883f.
Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffentliche Gerichtsverfahren
zwischen einem Kläger und einem Beklagten in privaten Rechtsstreitigkeiten. Es
wird bereits in Rom vom Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen
Recht als Legisaktionenverfahren (-> legisactio), danach als ->
Formularverfahren und seit der Zeitwende als -> Kognitionsverfahren (->
cognitio). Im Mittelalter spaltet sich das wohl zunächst weitgehend
einheitliche Verfahren, in dem seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen
in sog. (lat.) ordines (M.Pl.) iudiciarii erörtert wird, erst im
Hochmittelalter (13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen
in bürgerliche Sachen (Z.) und peinliche Sachen (-> Strafprozess) auf
(str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als verschiedene Arten die Klage um
Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des
Klägers der Richter das Verfahren ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte
kann sich, wenn er sich dem Begehren des Klägers widersetzt, durch Eid von der
Klage reinigen, sofern ihm der Kläger nicht unter bestimmten Voraussetzungen
den Eid verlegt. Dann entscheidet das -> Gericht durch -> Urteil der
Schöffen, wer das bessere Recht glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel
anbietet und damit näher zum -> Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils
können seit dem Spätmittelalter die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte
Stelle versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters
auf der Grundlage des justinianischen Rechts das römisch-kanonische Verfahren
aus, das allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es
beginnt mit der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des
Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Beklagten die
Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der
Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide
Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des
Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids
und der Streitbefestigung ist der Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen und
vom Beklagten ebenso zu beantworten. Die geheime Beurteilung der
Beweisergebnisse durch den selbst in -> Subsumtion des Sachverhalts unter
den Tatbestand entscheidenden -> Richter ist an feste Beweisregeln gebunden.
Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung des
kirchengerichtlichen Urteils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil ist
-> Appellation und seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen auch
Nichtigkeitsklage zulässig. Vor allem über das -> Reichskammergericht setzt sich
der gelehrte Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Der Allgemeinen
Gerichtsordnung Preußens von 1793/1795 liegt nach überwiegender Ansicht die
Inquisitionsmaxime zu Grunde (mit dem Richter im Mittelpunkt), von der aber
Novellen der Jahre 1833/1846 einigen Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt
dagegen nach dem Vorbild des französischen -> Code de procédure civile von
1806 im 19. Jh. zu -> Mündlichkeit und -> Öffentlichkeit zurück (Genf
1819, Baden 1831, Hannover 1850, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird
auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der -> Zivilprozessordnung
geregelt (mit dem Bürger im Mittelpunkt, Österreich 1895, Franz Klein, in Kraft
1898, mit Verständnis von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe zur
Sicherung der allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des
Richters, weitgehender Übergang zum Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr
von der Verhandlungsmaxime in späteren Novellen von 1924 und 2001. Seit dem
ausgehenden 18. Jh. ist im Übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der
Ausdehnung des Kreditverkehrs die Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen,
dass durch zahlreiche Novellen eine Vereinfachung und Beschleunigung (ohne
überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.
Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M.
v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Bülow,
O., Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A., Die
Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A., Der
Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und
Prozessrecht, 1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schubert,
W., Das Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im
Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedelind, W.-,
Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken,
1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess nach bayerischen
Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses,
1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972;
Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H.,
Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer
Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit
und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau,
J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und
Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977;
Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981,
16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der
Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen Zivilverfahrensrechts,
1987; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988; Faber, R., Die
Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem europäischen
Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die
Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und
Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997;
Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines
iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at
first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559),
1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000;
Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung von
1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay, hg.
v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale
Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van
Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt
am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der
Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien, 2006; 1806 . 1976 – 2006 De
la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006
Zivilprozessordnung -> Zivilprozess
Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die
gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer
Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der
Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen
Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen
der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer Prozessordnung
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat (von 1864), hg.
v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die österreichische
Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die
Civilprozessordnung für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert,
W., 1997; Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das
Großherzogtum Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu
einer bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865,
hg. v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg.
v. Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998;
Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100
Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000;
Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl,
G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze,
2003
Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas engerem Sinn das
bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt von (lat.)
-> ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht im Gegensatz zu (lat.)
ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus heutiger Sicht vom
öffentlichen Recht zu trennen. Im Mittelalter ist ziviles Recht vor allem das
weltliche Recht im Gegensatz zum kirchlichen Recht, aber auch das besondere
Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht. Mit dem Hervortreten der Bürger als
bedeutsame politische Kraft im 18. Jh. wird das Z. vorrangig auf sie bezogen.
Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder Bürgerliches
Gesetzbuch hauptsächlich das für den Bürger wichtige -> Privatrecht.
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts, Teil
1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts,
1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom
Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der
Einfluss Kants, in: Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits, I.,
Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152;
Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a.,
1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in
Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue
Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der
bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer
deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im
Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des
BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935,
hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001
Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen Angelegenheit
im Wege des -> Zivilprozesses.
Lit.: Daut, Untersuchung über den Einfluss nationalsozialistischer
Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965
Znaim ist der 1048 erstmals erwähnte, 1226 mit Stadtrecht begabte
Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert
ist.
Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von 1523,
1992
Zölibat ist im katholischen Kirchenrecht die Ehelosigkeit des
Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). Seit 1139 sind alle Inhaber
höherer Weihen zu einem ehelosen Leben verpflichtet.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978; Denzler, G.,
Die Geschichte des Zölibats, 1993; Hattenhauer, H., Europäische
Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen
Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm, 2006
Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene, bereits
dem römischen Altertum bekannte -> Steuer auf die Einfuhr oder Ausfuhr von
Waren. Das entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen König meist auf
die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche -> Zollverein von
1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft um Beseitigung von
Zöllen innerhalb des Gebietes der zusammengeschlossenen Staaten.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in
Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff,
K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428,
ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer,
M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954;
Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151; Scholz-Babisch,
M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18.
Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, bearb. v.
Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und
Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das
Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997;
Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung
von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004
Zollverein ist der Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einem
einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und Württemberg, Preußen und
Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zum 1. 1. 1834 die deutschen
Staaten (ohne das 1865 die Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen deutschen
Z. Er ist eine wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H.,
Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die
deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99
Zone ist ein Teil eines größeren Gebietes (z. B.
Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach dem
Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842
ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und
Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen
Privatrechts. Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen
Staatsrechts, 1841, 5. A. 1863.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 92
Zubehör ist die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache
zu sein, nach der Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer
Hauptsache zu dienen bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung
entsprechenden räumlichen Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem
das Eigentum am Z. zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen
ab.
Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zuchthaus ist das der zwangsweisen Erziehung von Erwachsenen dienende
Gebäude. Die zwangsweise Erziehung in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit als
sinnvoll angesehen (Bridewell bei London 1555 house of correction, Amsterdam
1595, Bremen, Hamburg, Lübeck, Anfang 17. Jh., Breslau 1668, Wien 1671,
Innsbruck 1725, Graz 1724, Nürnberg 1769), doch scheitern Versuche, die Häuser
wirtschaftlich zu betreiben, und erweisen sich die Häuser eher als
Verschlechterungsanstalten, in denen es den Inhaftierten auch sehr schlecht
geht. Später setzt sich Z. als Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch, wird
aber am 1. 4. 1969 wegen der mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen
aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205; Quanter, R.,
Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Radbruch, G.,
Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des Bonner
Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne von
1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und
Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und
Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke,
1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus,
1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau,
1994; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998; Elling-Ruhwinkel, E.,
Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v. Ammerer, G.,
2006
Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem anderen Menschen zum
Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In frühen Zeiten steht
vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z. des Ehemannes
gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2. 1812, im
kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch den Codex
iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern ist noch
durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen, tritt
aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in Preußen
1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch Gesetz von
1951.
Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche Züchtigung,
Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht des
Ehemannes, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J.,
Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des
Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur
körperlichen Züchtigung, 2002
Zufall ist ein Ergebnis, für das keine Gesetzmäßigkeit zu erkennen
ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende Schaden fällt bereits im römischen
Recht grundsätzlich dem zur Last, dem die Sache oder Leistung gebührt.
Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung,
ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zug am Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg
gegründete, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von
den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der -> Schweiz zum Eintritt in
die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz
eine Verfassung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J., Das
Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg. v. Gruber,
E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky,
M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003
Zug auf den Gewähren -> Gewährschaft
Zugabe
Lit.: Götting, H., Die neuere Entwicklung des
Zugaberechts, 1986; Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame,
2005
Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das deutsche
Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaffene Regelgüterstand von
Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit Zugewinnausgleich nach Auflösung der
Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
Zugrecht -> Näherrecht
Zunft ist der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden eines
Gewerbes in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B. Metzger, Bäcker, Fischer).
Die von den Zunftmitgliedern geschaffene Zunftverfassung enthält viele
Zwangselemente. Sie wird im 19. Jh. durch die Einführung der Gewerbefreiheit
(Frankreich 1791, England 1814, Preußen 1807/1810/1811/1845) seitens des
Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler, WAS;
Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in
Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914; Eberstadt,
R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände des
Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden, 1919; Dieling,
F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die Zunftverfassung, 1933,
Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Klapper,
H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R., Germanengut im
Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der Grafschaft
Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in
der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die schmalkaldischen
Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke,
Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung
und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?,
1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen, R., Zünfte und
Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 5. A. 1980; Uhl,
H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann, F., Die Frankfurter
Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Hof, H., Wettbewerb
im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den Bezeichnungen für gewerbliche
Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D., Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und
Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker,
K., Bürger, Kurfürst und Regierung, 1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds,
1991; Das Ende der Zünfte, hg. v. Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und
Handelsfreiheit im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 2004, 246
Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen unter Berücksichtigung
seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und allgemeiner die
Fähigkeit, zusammengehörige Umstände einander überzeugend zuzuordnen. Die
moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel Pufendorf
(1632-1694). -> Unzurechnungsfähigkeit
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte der
Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927;
Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996
Zürich am Zürichsee bzw. der Limmat erscheint im Altertum als
römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar. 1351 verbündet es sich mit
den Eidgenossen der -> Schweiz. Ab 1383 ist es für wenige Jahre Sitz eines
kaiserlichen Hofgerichts. 1833 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der Quellen
und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg.
v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff.
1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das
Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die
Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons
Zürich, Teil 1, Bd. 1ff., 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher
Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt
Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N.
F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft
Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen
Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche
Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton
Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich,
1923; Eichholzer, Eduard, Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen
Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des
zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder,
W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die
politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung
des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R.
n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich,
1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen,
1930; Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652,
1930; Schultheß, Hans, Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr,
A., Die Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 12 (1932): Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der
neuzeitlichen Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert
Jahre antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter
zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte,
bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie,
1936; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935, Usteri, P.,
Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik,
1935; Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von
1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936; Largiadèr,
A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367; Schwarz, A.,
Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E., Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D., Münz- und
Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher Räte als
Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen
Güterrechts der Stadt Zürich, 1942, Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht
des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit
den Waldstätten, 1953; Schoop, R., Rechtsstellung, politische und
wirtschaftliche Bedeutung der Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri,
E., Die Schildner zum Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im
allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung
jugendlicher Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in
Zürich, 1964; Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der
Polizeiorganisation der Republik Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft
Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht
und Familie, 1988; Richner, F., David von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz,
S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich,
1991; Landert-Scheuber, M., Das politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992; Gabathuler,
M., Die Kanoniker, 1998; Malamud, S./Sutter, P:, Die Betreibungs- und
Eingewinnungsverfahren der Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650
Jahre eidgenössisch, 2001; Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v.
Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003;
Müller, M., Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsordnung, 2005; Repertorium der
Policeyordnungen 7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Casanova, C., Nacht-Leben,
2007
Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das bereits dem römischen Recht
bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so lange zurückzuhalten, bis
die Gegenleistung angeboten wird.
Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.
Zusicherung
Lit.: Böckler, R., Die Entwicklung der
Zusicherung in der Rechtsprechung, 1987
Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung der Wahrnehmung
einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z. festgelegt werden.
Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die betreffende Gesellschaft
gestaltet ist.
Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die
Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes,
ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel
im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993
Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich vorgeschriebener Form
vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der Verschaffung der Gelegenheit zur
Kenntnisnahme eines Schriftstückes. 1877/1879 übernimmt die amtliche Z. der
Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen Streitbefestigung (lat. ->
litis contestatio [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 202
Zutphen
Lit.: Vries, W. de, De opkomst van Zutphen, 1960
Zwang (lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen
Menschen oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im
römischen Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und
später das unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren in diesem Fall die
Wiederherstellung in den früheren Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42, 43; Koehne,
C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904),
172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H., Twing und
Bann, 1935; Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang geleistete Arbeit (z. B. im
Dritten Reich).
Lit.: Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001;
Hammermann, G., Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten
Reich, hg. v. Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter und
Zwangsarbeiterinnen auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004
Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in einem besonderen Gesetz
geregelte Versteigerung eines -> Grundstücks im Wege der ->
Zwangsvollstreckung.
Lit.: Köbler, DRG 184
Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger gegen den
Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. -> Urteil) verbrieften Anspruches.
Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Im Deutschen Reich wird die
Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und durch die
Realexekution ersetzt. Ihr Ablauf wird im Deutschen Reich 1877/1879 in der
Zivilprozessordnung ausführlich geregelt. -> Vollstreckung.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A.,
Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren
Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W.,
Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931,
ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Zweckverband
Lit.: Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994
Zweibrücken
Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v.
Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W.,
1965; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken,
1969
Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1. 3. 492–19. 11. 496) an
Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung entwickelte Lehre von zwei
gleichberechtigten Gewalten. -> Zweischwerterlehre
Zweikammersystem ist das durch die Teilung des Parlaments in zwei Kammern
gekennzeichnete politische System. Ursprünglich entsprechen die beiden Kammern
z. B. in England verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im
Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen
sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Senat der Vereinigten Staaten von
Amerika).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier Menschen mit Waffen. Er
wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung eines Streites verwendet.
Sein später Ausläufer ist bis zum 19. Jh. das -> Duell.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A., Der
Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der
Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen
Prozess, 1906; Coulin A., Verfassl des offiziellen und Entstehung des privaten
Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des Zweikampfes, ZRG
GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk Rettergang,
1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister Johann
Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt dem sleht
man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§ 201-210
a. F. StGB, 2002
Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der Vereinigten Staaten von
Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und Frankreichs mit der Bundesrepublik
Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über den Beitritt der
Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990.
Sie enden mit dem Zweiplusviervertrag.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller, R., Der
„2+4“-Vertrag, 1997
Zweischwerterlehre ist (12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas
22,38 (Herr [Jesu Christ], siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung])
anknüpfende Lehre von zwei Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen
irdischer Herrschaftsgewalt gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B.
Sachsenspiegel 1221-1224) stehen das geistliche Schwert des Papstes und das
weltliche Schwert des Königs gleichberechtigt nebeneinander. Nach
kurialistischer Ansicht (z. B. Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz
IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei
Schwerter, von denen der Papst eines dem Kaiser weitergibt. ->
Zweigewaltenlehre des Papstes
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
109
Zweiter Weltkrieg ist der 1939 auf Grund der Ansprüche Adolf Hitlers auf
mehr Lebensraum für die Deutschen entstandene Krieg Deutschlands, Italiens und
Japans gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion,
Großbritannien, Frankreich). Er endet mit der Kapitulation (Italiens,)
Deutschlands bzw. Japans 1945.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Gruchmann, L.,
Der zweite Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v.
Jäckel-Rohwer, 1985
Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil, das den Ausgang des
Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der Beteiligten
aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens festlegt. Der
Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung entscheidet
darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten sich
verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70
Zwickau
Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die
Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935;
Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709; Zwickauer
Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941, Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger
Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.)
Zwing
Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289
Zwingli
Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926;
Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher
Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996
Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.] legum bzw. lex [F.]
duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte
stehende Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in Bruchstücken
in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero, Gellius und Festus
überliefert und danach von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120
teilweise fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt.
Nach den Vorbildern von -> Lykurg (Sparta 8. Jh. v. Chr.), -> Drakon und
-> Solon (Athen 621, 594) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die
eine Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat.
[F.] -> lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für
alle erkennbar fest. Es wird in Bronze, Holz oder Elfenbein auf dem Forum
(Markt) aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio) betreibt die
Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später die -> Jurisprudenz
entwickelt. Das Z. wird niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch
unvollkommenen Rekonstruktionsversuch veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail
(Aymarus Rivallius).
Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, in: Studi in onore di
E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg.
v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, Die Gesetze der frühen römischen Republik,
1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung
des Zwölftafelrechts, 2004
Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten gelegene Insel des
Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. V. Chr. von Griechen besiedelt und
58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und 965 steht es unter
gemeinsamer Herrschaft Ostroms (-> Byzanz) und der -> Araber. Über
Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen. 1878 übernimmt
Großbritannien die Verwaltung und annektiert 1923 Z. 1959 wird Z. unabhängig.
1974 besetzt die Türkei 40% des Gebietes im Norden und Nordosten (1985
Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend
nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004
tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union bei.
Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C., Cyprus, 1984; Shermann, A., Zypern. Insel des Leids,
1998; Südosteuropahandbuch, Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998;
Anstötz, S., Perspektiven zur staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Tezcan, T.,
Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, 2006;
Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007