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Laux, Stephan, Gravamen und Geleit. Juden im Ständestaat der frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A Abhandlungen 21). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. X, 430 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Laux, Stephan, Gravamen und Geleit. Juden im Ständestaat der frühen Neuzeit (15.-18. Jahrhundert (= Forschungen zur Geschichte der Juden, Abteilung A Abhandlungen 21). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2010. X, 430 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Buch beruht auf der im April 2008 bei der philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf eingereichten, von Gudrun Gersman, Achim Landwehr und Hansgeorg Molitor begutachteten, leicht überarbeiteten Habilitationsschrift des Verfassers. Es betrifft vor allem die Bedingungen jüdischen Lebens in der Vormoderne und die Beschaffenheit frühneuzeitlicher Herrschaft sowie die Verfolgung antijüdischer Normen. Es gliedert sich außer in Einleitung in Ergebnis in vier Abschnitte über die Vertreibung der Juden und ihre Folgen (1400-1600), Wiederaufnahme und Normierung des Judenschutzes, Juden und soziale Wirksamkeit der Stände und Auseinadersetzungen um die Juden auf den Landtagen.

 

Überzeugend geht der Verfasser davon aus, dass die Historiographie der jüdischen Geschichte in der frühen Neuzeit noch immer stark im Rückstand ist. Deswegen ist vielfach noch Grundlagenforschung zu leisten. Die dafür erforderliche Quellengrundlage ist wegen des Fehlens geschlossener Pertinenzbestände so schwierig, dass die Verbindung und Auswertung unterschiedlichster Überlieferungen erforderlich ist.

 

Ausgangspunkt des Verfasser ist es, dass um 1750 schätzungsweise 60000 bis 70000 Juden im Heiligen römischen Reich gelebt haben sollen. Über Bleiben oder vor allem seit etwa 1390 verstärktes Weichen von Juden entschieden an sich im Rahmen des so genannten Judenregals die vorrangig fiskalpolitisch interessierten Fürsten oder reichsstädtischen Magistrate. Demgegenüber kann der Verfasser auf breiter Literaturgrundlage mittels verschiedener Fallstudien (rheinische und westfälische Unterherrschaften, ostfriesische Herrlichkeiten, Brandenburg-Preußen, Jülich-Berg, Kurmainz, Kurköln, Kurtrier, Hessen-Kassel, Württemberg) eindrucksvoll zeigen und allgemein wahrscheinlich machen, dass die Stände in Gravamina unter Hinweis auf gutes, altes Recht auf die angebliche religiöse Verderbtheit und wirtschaftliche Schädlichkeit der Juden hinwiesen, sich aber im Ergebnis gegenüber der aufgeklärten Judenemanzipation nicht öffentlich durchsetzen konnten, wenngleich in der völkischen Auffassung des späteren 19. Jahrhunderts und in den radikalnationalistischen Weltkriegsanalysen die Juden (weiter) mit negativen Attributen gekennzeichnet und als notorische Feinde des Deutschtums identifiziert wurden.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler