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Schmitzberger, Johanna Gertrude, Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945 (= Rechtshistorische Reihe 376). Lang, Frankfurt am Main 2009. XVII, 404 S. Besprochen von Thomas Vormbaum.

Schmitzberger, Johanna Gertrude, Das nationalsozialistische Nebenstrafrecht 1933 bis 1945 (= Rechtshistorische Reihe 376). Lang, Frankfurt am Main 2009. XVII, 404 S. Besprochen von Thomas Vormbaum.

 

Mit ihrer von Arno Buschmann betreuten Dissertation bewegt die Verfasserin sich im Überschneidungsbereich zweier Themenfelder: der Entwicklung des Nebenstrafrechts und der nationalsozialistischen Gesetzgebung. Die Arbeit schließt an Werke an, mit denen in den vergangenen Jahren große Teile beider Felder bereits aufgehellt worden sind. So hat Robert Weber 1999 die Entwicklung des Nebenstrafrechts von 1871 bis 1914 dargestellt[1]. Das 1991 erschienene Werk Stefan Werners über „Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht im Nationalsozialismus“ [2] geht sachlich und zeitlich weit über seine Themenstellung hinaus und behandelt auch zahlreiche Tatbestände des Nebenstrafrechts und Ordnungswidrigkeitenrechts vor 1933. Zur Gesetzgebung des Nationalsozialismus insgesamt liegt seit 2000 eine Dokumentation von Arno Buschmann vor[3], und Gerhard Werle hat bereits 1989 eine voluminöse Studie über Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich vorgelegt, in deren Rahmen er alle wesentlichen Strafgesetze, die in der Zeit von 1933 bis 1945 ergangen sind, dargestellt und analysiert hat[4]. Es fehlte aber noch eine Darstellung, die sich ausschließlich und erschöpfend mit der Nebenstrafgesetzgebung des Nationalsozialismus befasste. Diese legt nun die Verfasserin vor.

 

Angesichts der erwähnten Vorläufer sind Überschneidungen, vor allem mit dem Werk Werles, unvermeidlich. Dennoch ist es verdienstlich, dass eine erschöpfende Darstellung dieses Bereichs für die Zeit der NS-Herrschaft nunmehr vorliegt, denn jede nähere Betrachtung zeigt, dass die über das 20. Jahrhundert hinweg sich vollziehende numerische und inhaltliche Expansion des Strafrechts nicht nur im Bereich der Kodifikation(en), sondern stärker noch im Nebenstrafrechts stattfindet, dieses also, wenn man so will, ein Laboratorium des modernen Strafrechts – auch und vor allem mit seinen rechtsstaatlichen Defiziten – darstellt. Dass diese Defizite sich in der Gesetzgebung der NS-Zeit besonders – und im Kriegsstrafrecht noch gesteigert – finden werden, liegt auf der Hand und wird durch das Buch von Schmitzberger bestätigt. Dies macht freilich auch die Interpretation des betrachteten Stoffes besonders schwierig, denn es stellt sich die Frage, wie weit die Eigenschaften des Nebenstrafrechts dieses Zeitabschnitts repräsentativ für das Nebenstrafrecht insgesamt sind.

 

Unter Nebenstrafrecht versteht die Verfasserin das außerhalb des Strafgesetzbuches geregelte Kriminalstrafrecht; sie klammert also das Ordnungswidrigkeitenrecht aus, das sie mit einer verbreiteten, aber nicht unproblematischen Begrifflichkeit als Teil eines Nebenstrafrechts im weiteren Sinne bezeichnet. Dass die vorgenommene Einschränkung für eine Arbeit, die ihren Gegenstand darstellen will, schon arbeitsökonomisch geboten ist, macht der Anhang der Arbeit (S. 324ff.) deutlich, in dem die Verfasserin verdienstlich eine nicht weniger als 80 Seiten umfassende Auflistung sämtlicher im Reichsgesetzblatt und im Gesetzblatt für das Land Österreich enthaltenen nebenstrafrechtlichen Bestimmungen (im weiteren Sinne) aus der Zeit der NS-Herrschaft aufführt und damit der weiteren rechtshistorischen Forschung ein wichtiges Hilfsmittel an die Hand gibt.

 

In dem so eingegrenzten Bereich untersucht sie insgesamt 34 Gesetze und Verordnungen, beginnend mit der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 und der sog. Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933, das mit guten Gründen als „Grundgesetz“ der NS-Herrschaft bezeichnet worden ist (s. auch S. 22), bis hin zur Verordnung über das Strafrecht des Deutschen Volkssturms aus den letzten Monaten des Krieges und des Regimes. Dabei beschränkt die Verfasserin sich nicht auf eine bloße Darstellung der Norminhalte, sondern arbeitet auch die zu den Normen ergangene Literatur und Rechtsprechung auf, so dass sich mitunter umfangreiche Darstellungen ergeben, wie sie außer in Spezialschriften zu einzelnen Normen in dieser Form bislang noch nicht vorlagen; so umfasst die Darstellung der Volksschädlings-Verordnung über 30 Seiten, diejenige der sog. Polen-Strafrechtsverordnung 25 Seiten.

 

In die Darstellung lässt die Verf. dort, wo es sachlich geboten erscheint, auch Rekonstruktionen der Ideologeme des NS-Rechts wie Gesinnungsmerkmale, Tätertypen, Bewertung nach gesundem Volksempfinden usw. einfließen.

 

In einem abschließenden Teil (Nebenstrafgesetzgebung in Österreich 1938-1945, S. 263ff.) gibt die Verfasserin eine vor allem für deutsche Leser informative Übersicht über die österreichische Entwicklung, die sie in die gesetzgebungstechnischen Rahmenbedingungen der Zeit nach dem „Anschluss“ einbettet und in ihrer Entwicklung nach 1945 weiterverfolgt.

 

Wie schon angedeutet stellt sich gerade für die von der Verfasserin betrachtete Gesetzgebung das Problem einer Interpretation, welche die NS-Nebenstrafgesetzgebung in die allgemeinen Probleme der Nebenstrafgesetzgebung einbettet, zugleich aber auch die Besonderheiten der ersteren und insbesondere der Kriegsgesetzgebung markiert. Angesichts der schon beachtlichen Dokumentationsleistung, welche die Arbeit erbringt, konnte eine eingehende und umfängliche Untersuchung dieser Problematik nicht auch noch erwartet werden. Die Verfasserin, die sich in der Darstellung der Normtexte mit eigenen Bewertungen bewusst zurückhält und die Vorschriften im Wesentlichen „immanent“ kommentiert, beschränkt die „kritischen“ Erörterungen weitgehend auf die Frage, ob es sich bei dem betreffenden Werk um einen Ausdruck nationalsozialistischen Gedankengutes gehandelt habe. Damit ist freilich nur eine (und nach Ansicht des Rezensenten nicht einmal die wichtigste) Problematik angesprochen. Aber mit dem von der Verfasserin  ausgebreiteten Material wird man solche weiteren Fragen auf einer soliden Grundlage angehen können.

 

Hagen/Westf.                                                                                     Thomas Vormbaum

[1] Besprechung in ZRG.GA

[2] Besprechung in ZRG.GA?

[3] ZRG.GA 2005, 935-936

[4] Besprechung in ZRG.GA