Original Ergebnisseite.

Fischer, Wolfgang, Heimat-Politiker? Selbstverständnis und politisches Handeln von Vertriebenen als Abgeordnete im Deutschen Bundestag 1949 bis 1974 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 157). Droste, Düsseldorf 2010. 480 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT

Fischer, Wolfgang, Heimat-Politiker? Selbstverständnis und politisches Handeln von Vertriebenen als Abgeordnete im Deutschen Bundestag 1949 bis 1974 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 157). Droste, Düsseldorf 2010. 480 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die ansprechende Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung der von Eckart Conze betreuten, im Wintersemester 2006/2007 von der Fakultät für Philosophie und Geschichte der Universität Tübingen angenommenen Dissertation des von der der Graduiertenförderung Baden-Württembergs unterstützten  Verfassers. Er leitet sie mit vier Zitaten Walter Zawadils (FDP), Linus Kathers (CDU), Hans-Joachim von Merkatzs (DP) und Richard Reitzners (SPD) vom September und Oktober 1949 ein. Sie stehen stellvertretend für die Abgeordneten des deutschen Bundestags, die durch Umsiedlung, Flucht, Vertreibung oder Ausweisung aus dem Osten in die westlichen Besatzungszonen gekommen waren.

 

Seine daran anschließenden, politisch bedeutsamen Fragen untersucht der Verfasser in insgesamt drei Kapiteln, die mit einer biographisch-statistischen Annäherung einsetzen. Danach wendet der Verfasser sich in einer parlamentarischen Diskursanalyse der Vertriebenenpolitik  an Hand vor allem des Umsiedlungsgesetzes, des Feststellungsgesetzes, des Lastenausgleichsgesetzes und des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge zu. Im Anschluss hieran untersucht er die Außen- und Deutschlandpolitik unter Bundeskanzler Adenauer, in den Jahren 1961-1969 und in der Auseinandersetzung um die Ostverträge zwischen 1969 und 1974.

 

Einbezogen werden von Annemarie Ackermann bis Ernst Zühlke insgesamt 182 Abgeordnete, von denen verhältnismäßig viele der Sozialdemokratischen Partei und nur sehr wenige der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei bereits vor 1933 angehörten. Für sie stellt der Verfasser zusammenfassend fest, dass es nicht die Vertriebenen unter den Bundestagsabgeordneten gab, wenngleich auf Grund des Erlebens ein kollektives Sonderbewusstsein erkennbar ist. Der Lauf der Dinge ließ freilich verhältnismäßig bald die Tatsache der Vertreibung allmählich mehr und bedeutungslos werden, so dass etwa bereits bei der parlamentarischen Behandlung der Ostverträge bei weitem nicht alle vertriebenen Abgeordneten gegen den Ausgleich stimmten.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler