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Urkunden und Regesten des Klosters Cornberg, hg. v. Burkardt, Johannes (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 9, Klosterarchive Neunter Band). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. XII, 210 S. Besprochen von Wilhelm A. Eckhardt.

Urkunden und Regesten des Klosters Cornberg, hg. v. Burkardt, Johannes (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 9, Klosterarchive Neunter Band). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. XII, 210 S. Besprochen von Wilhelm A. Eckhardt.

 

Das Benediktinerinnenkloster Cornberg, zwischen Bad Hersfeld und Eschwege im Nordosten Hessens gelegen, wurde ursprünglich in der heutigen Wüstung Bubenbach gegründet, unterwarf sich (subicimus et perpetuo subiugamus) 1230 Abt Ludwig und dem Konvent des Klosters Hersfeld, wurde zwischen 1292 und 1296 in das nahe gelegene Cornberg transferiert und im 16. Jahrhundert säkularisiert. Das Kloster ist über regionale Bedeutung nicht hinausgekommen. Das zeigt auch der kleine Urkundenbestand im Hessischen Staatsarchiv Marburg, der schon 1872 von Julius Schmincke, Metropolitan zu Sontra, veröffentlicht worden ist. Da Schminckes Edition heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt, war eine Neuausgabe durchaus angesagt. Der Bearbeiter der Neuausgabe schien die besten Voraussetzungen für diese Aufgabe mitzubringen, hatte er doch u. a. Historische Hilfswissenschaften in Marburg studiert, dort mit einer Arbeit über „Die Historischen Hilfswissenschaften in Marburg“ promoviert (vgl. Rez. in ZRG GA 118 [2001], 633) und dann die Archivarsausbildung in Marburg absolviert. Offenbar vermitteln aber Universität und Archivschule nicht mehr die für eine Urkundenedition unabdingbar erforderlichen Kenntnisse. Und so genügt leider auch die neue Edition wissenschaftlichen Ansprüchen in keiner Weise. Das soll an einigen wenigen Beispielen verdeutlicht werden.

 

Als Nr. 38 druckt Burkardt eine Urkunde der „Schöffen der Stadt Allendorf“ von 1297. Die consules de Aldendorf sind allerdings die Ratsherren der Stadt. Von den zwei Punkten, die vor dem Wort consules stehen, habe ich einst gelernt, daß solche Reverenzpunkte in mittelalterlichen Urkunden, wie der Name sagt, die Ehrerbietung vor dem Amt bzw. vor den Amtsinhabern ausdrücken sollen, nicht anstelle der Namen stehen, wie Burkardt anmerkt. Unter den Zeugen, die vor den Ratsherren eine Aussage machen, nennt Burkardt einen Hermannus presbiter iunior. In der Urkunde steht aber pt mit Kürzel, und das heißt eindeutig pater, nicht presbiter (=pbr). Es handelt sich um Hermann Vater den jüngeren aus einer bekannten Allendorfer Ratsfamilie. Wenn Burkardt die 2007, ebenfalls bei der Historischen Kommission für Hessen, erschienene Edition der Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Allendorf an der Werra (vgl. Rez. in ZRG GA 125, 2008, 668-670) gekannt hätte, in der diese Urkunde als Nr. 17 und die Cornberger Urkunde Nr. 73 von 1334 (übrigens ebenfalls mit Reverenzpunkten vor preposito) als Nr. 37 gedruckt sind, würde er das gewusst haben.

 

Die Mängel der neuen Edition lassen sich besonders gut an Nr. 68 von 1331 Mai 31 aufzeigen. Burkardts Regest beginnt: „Abt Ludwig von Hersfeld bestätigt, daß Wigand Rorbach der Elisabeth Pflugeshaupt eine Metzgerei beim Hersfelder Fischmarkt verkauft hat.“ In der Urkunde steht: unum macellum situm in fine macellorum iuxta forum piscium. Die Übersetzung „Metzgerei“ für macellum hat Burkardt wohl im Mittellateinischen Glossar von Habel/Gröbel gefunden. Besser hätte er Karl E. Demandts Laterculus notarum (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 7, 1986) herangezogen, wo man für macellum die Bedeutungen Schirne, Kräme, Verkaufsbank und Verkaufsstand findet; macellum carnificum ist dann die Fleischbank der Metzger, macellum panis die Brotbank, macellum piscium der Fischstein oder die Fischbank. Bei einem macellum iuxta forum piscium wäre natürlich in erster Linie an eine Fischbank zu denken. Das gab es in Hersfeld: dy fischbencken an dem marthe zu Hersfelde werden in einer im 14. Jahrhundert beginnenden Aufzeichnung über Rechte und Gewohnheiten der Stadt Hersfeld erwähnt (Louis Demme, Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld, Bd. 1, Hersfeld 1891, S.142). Burkardts Regest fährt fort: „Wigand erhält sie auf Lebenszeit für zwei Pfund jährlich zurück.“ Zwei Pfund was? Burkardt konnte mit duas libras sepi, que wagen vulgariter vocantur offenbar nichts anfangen. Sebum ist Talg oder Unschlitt, also Grundstoff für Kerzen und Seife, aber auch Wagenschmiere, und wird aus Fettgewebe von Wiederkäuern gewonnen, was eher für eine Fleischbank sprechen könnte. Die der Urkunde beiliegende Übersetzung des 18. Jahrhunderts, die Burkardt offenbar übersehen hat, formuliert neutral: „eine Hütte am Ende der Hütten beym FischerMarckt“; und in dieser Übersetzung findet man auch den Zins von „2 lb. Unschlet, welche wagen genant werden“.

 

An späterer Stelle im Kopfregest zu Nr. 68 heißt es bei Burkardt: „Ebenso bestätigt Ludwig, daß Heinrich Munderich der besagten Elisabeth im Gebiet des Gerberdorfes der Stadt Hersfeld ein Stück Land verkauft hat.“ In der Urkunde steht: unam aream sitam in vico cerdorum opidi Hersfeldensis. Wieder hätte sich ein Blick in Demandts Laterculus notarum oder in den Taschen-Heinichen gelohnt, denn vicus ist nicht nur Dorf, sondern auch Straße oder Gasse. Und cerdo ist nicht nur der Gerber, sondern auch der Schuster, wie das Mittellateinische Wörterbuch (Bd. 2, München 1999, Sp. 477f.) belegt. In Hersfeld gab es m. W. keine Gerbergasse, wohl aber die Schustergasse (die spätere Weingasse), die auch 1373 genannt wird (Demme, a. a. O., S. 25). In der erwähnten Übersetzung des 18. Jahrhunderts hätte Burkardt gleichfalls die „Hobestat in der Schustergassen zu Herßfeld“ finden können. Sein Regest fährt fort: „Elisabeth hat es (das Stück Land) an Bertold von Ertmoderode weitervermietet“. In der Urkunde steht iure hereditario locavit, was in einer Zeitschrift für Rechtsgeschichte keiner Erläuterung bedarf. Hinzuweisen ist aber noch auf Lesefehler bzw. falsche Auflösungen von Kürzungen im Text der Urkunde, z. B. – um nur die markantesten zu nennen – libris Hallensibus statt libris Hallensium, prefato statt ipso, devolveret statt devolvetur und sicque statt si quis.

 

Zum Schluss ein Kuriosum, wie es einem selten in Urkundeneditionen begegnet. Unter dem Datum 1373 April 24 findet man als Nr. 123 folgendes Regest: „Abt Johannes von Hersfeld genehmigt und bestätigt die am 23. Mai 1363 vollzogene Auslösung von Gülten, die das Kloster Cornberg für 53 Mark an Hermann Trott verpfändet hatte.“ Burkardt vermerkt dazu: „Original nicht auffindbar. Möglicherweise ist Schmincke bei der Datierung des Stückes ein Fehler unterlaufen.“ Schmincke hatte zu der Urkunde von 1363 Mai 23 (bei Burkardt Nr. 106 mit dort falscher Datierung 1363 Mai 30) angemerkt: „1373 am Suntayge vor Walpurgis genehmigt und bestätigt Abt Johannes von Hersfeld vorstehende Lösung.“ Dabei ist 1373 offenbar ein Druckfehler für 1363. Und unter dem richtigen Datum 1363 April 30 hat Burkardt die „unauffindbare“ Urkunde als Nr. 97 selbst gedruckt.

 

Nach alledem bleibt nur die Hoffnung auf eine tiefgreifend verbesserte zweite Auflage.

 

Marburg                                                                                                                                              Wilhelm A. Eckhardt