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Ahlheim, Hannah, „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935. Wallstein, Göttingen 2011. 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Ahlheim, Hannah, „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ Antisemitismus und politischer Boykott in Deutschland 1924 bis 1935. Wallstein, Göttingen 2011. 452 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Constantin Goschler betreute, der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bochum 2008 angenommene, von der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung und der Axel Springer Stiftung geförderte, für den Druck überarbeitete Dissertation der Verfasserin. Sie betrifft einen interessanten, wohl in Irland 1880 auf einen begrifflichen Punkt gebrachten, im Deutschen Reich in bestimmter Weise instrumentalisierten Konflikt. In ihn führt die Verfasserin umsichtig in ihrer ausführlichen Einleitung ein. Dabei erörtert sie die Ansätze und Probleme historischer Antisemitismusforschung ebenso wie  ihre verschiedenen Quellen und Arbeitsstrategien.

 

Gegliedert ist die Untersuchung in zwei zeitliche Abschnitte. Überzeugend beginnt die Verfasserin mit den Antisemiten und dem politischen Boykott in der Weimarer Republik. Ausgangspunkt ist die Vorstellung vom raffenden Juden, die von der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei unterstützt und pointiert wird, Auswirkung sowohl auf das jüdische Selbstbild wie auf das deutsche Judenbild hat, aber bis 1932 als dem Jahr der Entscheidung auch zu der Frage führt, ob Antisemitismus ein Verstoß gegen die guten Sitten ist.

 

Im zweiten Teil setzt die Verfasserin mit dem reichsweiten Boykott am 1. April 1933 und seiner Vorgeschichte, seinen Akteuren und seinem Publikum ein, aus der bald die öffentliche Stigmatisierung jüdischer Werbetreibender wie etwa eines bekannten Metzgers in Bonn und seiner Kunden wird. Politisches Ziel wird die soziale Isolierung des jüdischen Nachbarn, wobei Stürmerkästen, Prangertafeln und Fotoaktionen die Volksgenossen disziplinieren sollen, um das Ziel des Weges zur „EntJudung“ zu erreichen. Insgesamt zeichnet die Verfasserin mit Hilfe ihrer vielfältigen Quellen ein eindrucksvolles Bild davon, wie sich die Wahrnehmung, das Selbverständnis und der Alltag der Betroffenen änderten, lange bevor die „Entjudung“ der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft beschlossen und verfolgt wurde.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler