Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis                                                                                                       V

 

Abkürzungsverzeichnis                                                                                              VI

 

Vorwort                                                                                                                       X

 

Literaturhinweise                                                                                                        X

 

Kurze Einführung in die altnordische Sprachwissenschaft                                       XIV

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abkürzungsverzeichnis

 

 


a. = auch

aal. = altalemannisch

F. = Femininum

abay. = altbayerisch

Adj. = Adjektiv

Adv. = Adverb

adv. = adverbial

ae. = altenglisch

afries. = altfriesisch

afrk. = altfränkisch

afrz. = altfranzösisch

ahd. = althochdeutsch

aind. = altindisch

Akk. = Akkusativ

amfrk. = altmittelfränkisch

anfrk. = altniederfränkisch

an. = altnordisch

and. = altniederdeutsch

Anf. = Anfang

Anm. = Anmerkung

anom. = anomal

aofrk. altostfränkisch

aram. = aramäisch

arhfrk. = altrheinfränkisch

as. = altsächsisch

asmfrk. = altsüdmittelfränkisch

asrhfrk. = altsüdrheinfränkisch

athem. = athematisch

athür. = altthüringisch

B. = Beleg

BN = Beiname

byz. = byzantinisch

Dat. = Dativ

dekl. = deklinabel

defekt. = defektiv

Du. = Dual

E. = Etymologie

Ew. = Erbwort

F. = Femininum

gall. = gallisch

Gen. = Genetiv

germ. = germanisch

got. = gotisch

gr. = griechisch

hebr. = hebräisch

Hschr. = Handschrift

I. = Interferenz

idg. = indogermanisch

Imper. = Imperfekt

Ind. = Indikativ

Indef. = Indefinit

indekl. = indeklinabel

Inf. = Infinitiv

Ins. = Instrumental

Interj. = Interjektion

intr. = intransitiv

Jh. = Jahrhundert

kelt. = keltisch

Komp. = Komparativ

Konjekt. = Konjektur

Konj. = Konjunktion

Konjv. = Konjunktiv

krimgot. = krimgotisch

kons. = konsonantisch

lat. = lateinisch

Lbd. = Lehnbedeutung

Lbi. = Lehnbildung

lang. = langobardisch

Lsch. = Lehnschöpfung

Lüs. = Lehnübersetzung

Lüt. = Lehnübertragung

Lw. = Lehnwort

m. = mit

M. = Maskulinum

mhd. = mittelhochdeutsch

mlat. = mittellateinisch

mnd. = mittelniederdeutsch

N. = Neutrum

ne. = neuenglisch

nhd. = neuhochdeutsch

Nom. = Nominativ

Num. Kard. = Grundzahl

Num. Ord. = Ordnungszahl

ON = Ortsname

Opt. = Optativ

Part. = Partizip

Partik. = Partikel

Pass. = Passiv

pass. = passivisch

Perf. = Perfekt

vgl. = vergleiche

Pers. = Person

Pl. = Plural

PN = Personenname

Präd. = Prädikat

Präf. = Präfix

Präp. = Präposition

Präs. = Präsens

Prät. = Präteritum

Prät. Präs. = Präterito-Präsens

Pron. = Pronomen

Q = Quelle

R. = Redewendung

red. = reduplizierend

refl. = reflexiv

rom. = romanisch

run. = runisch

s. = siehe

S. = Seite

Sb. = Substantiv

Sg. = Singular

slaw. = slawisch

st. = stark

subst. = substantiviert

Suff. = Suffix

Superl. = Superlativ

sw. = schwach

tatar. = tatarisch

tr. = transitiv

ÜE. = Übersetzungsentsprechung

ÜG = Übersetzungsgleichung

unr. = unregelmäßig

Urk. = Urkunde

urspr. = ursprünglich

v. = von

V. = Verb

Vok. = Vokativ

vgl. = vergleiche

vlat. = vulgärlatein

Vt. = Viertel

Vw. = Verweis

wgot. = westgotisch

W. = Weiterleben

z.B. = zum Beispiel

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort

 

Das Altnordische ist neben dem Gotischen, Altenglischen, Althochdeutschen, Altniederdeutschen (Altsächsischen, Altniederfränkischen) und Altfriesischen eine germanistische Einzelsprache. Sie tritt nach den ältesten, bis ins zweite nachchristliche Jahrhundert zurückreichenden Runeninschriften des Urnordischen im 12. Jahrhundert in schriftlicher Überlieferung hervor. Dabei betrifft die Aufzeichnung vor allem poetische und prosaische Literatur, daneben auch Rechtstexte. Die Grenze zum Neunordischen wird bei etwa 1500 gezogen.

Der durch die Quellen überkommene Wortschatz der verschiedenen altnordischen Einzelsprachen (altostnordisch = altdänisch, altschwedisch; altwestnordisch, altnorwegisch, altisländisch, altfaröisch) ist schon mehrfach lexikalisch erfaßt worden. Die einzelnen Lexika sind aber insgesamt noch unzureichend. Am besten gibt wohl den Grundwortschatz Jan de Vries' Altnordisches etymologisches Wörterbuch, 2. A. Leiden 1962 wieder, das freilich auch, da zu spekulativ, als etymologisch nicht völlig zuverlässig eingeschätzt wird.

Immerhin ermöglicht es in Parallele zu entsprechenden Arbeiten zum Indogermanischen (1980, 2. A. 1982), Germanischen (1981), Gotischen (1981), Altniederdeutschen (2. A. 1982), Altfriesischen (1983) , Altenglischen (1985) und Althochdeutschen (3. A. 1987) eine erste, nach dem altwestnordischen Altisländischen normalisierte streng alphabetisch geordnete Erfassung des Grundwortschatzes, der sich auf etwa 12000 Wörter schätzen läßt. Dabei beginnt der einzelne Artikel mit dem Lemma in einer normalisierten Hauptform und eventuellen Nebenformen, welche grundsätzlich auch als Verweise auf die Hauptform aufgenommen sind. Es folgt die Angabe der Sprache (an.). Dem ist eine grammatikalische Bestimmung des Wortes angefügt. Bei der anschließenden Ermittlung der Bedeutung ist ein Mittelweg zwischen ganz spezieller Bedeutung im einzelnen Kontext und allgemeiner, durch die Kontexte nicht immer gesicherter etymologisch ausgerichteter Bedeutung versucht worden. Im Anschluß hieran werden fremdsprachliche Wörter angeführt, welche formal oder inhaltlich das nationalsprachliche Wort beeinflußt haben (könnten). Weiter werden Hinweise auf nahestehende Wörter gegeben, wie etwa von Grundwörtern auf Komposita. Den Beschluß bildet meist ein Hinweis auf die einschlägige Seitenzahl de Vries'. Darüberhinaus sind, soweit vorhanden, lateinische Übersetzungsgleichungen angefügt, um deren altnordische Bestandteile das Material de Vries auch erweitert ist.

Formal ist erschlossenes Material durch * und sind Homonyme durch (1), (2) usw., hapax legomena durch 1 kenntlich gemacht. Klammern und Fragezeichen deuten Unsicherheiten und Vorbehalte an. Erkennbare Teile von Wörtern sind durch Bindestriche abgesondert. Th steht hinter t, ð hinter d, j hinter i, æ, ø, œ und ǫ hinter y.

Wie für fast alle anderen bereits behandelten germanistischen Sprachen ist im Anschluß hieran ein neuhochdeutsch-altnordisches Wörterbuch verfaßt worden, welches das Altnordische von der neuhochdeutschen Sprache her aufschließen soll, indem es eine Antwort etwa auf die Frage ermöglicht, wie das Altnordische den Sachverhalt bezeichnet, den das Neuhochdeutsche als „Kopf“, „Wasser“ oder „Ziel“ benennt. Daß auch hier noch manche Frage bleibt und Verbesserungen möglich sind, versteht sich von selbst. Möge hier wie auch insgesamt die germanistische Sprachforschung weiterführend eintreten und die Grundlage für das Altnordische und damit für ein altnordisch-neuhochdeutsches wie ein neuhochdeutsch-altnordisches Wörterbuch verbessern.

Einstweilen ist mit diesem altnordisch-neuhochdeutschen wie neuhochdeutsch-altnordischen Wörterbuch die Erfassung des wichtigeren Wortschatzes der älteren germanistischen Sprachstufen nach einheitlichen formalen Regeln in einem ersten Durchgang aber zu einem ersten Ende gebracht.

Für freundliche Beratung bedanke ich mich dabei sehr herzlich bei Klaus Düwel in Göttingen, für praktische Unterstützung vor allem bei Frau Petra Fuchs und Herrn Jochen Weiß.

 

Gießen, den                                                                                      Gerhard Köbler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kurze Einführung in die altnordische Sprachwissenschaft

 

 

A. Begriff

 

Das Altnordische ist die Stufe des Nordischen (Nordgermanischen), die zwischen dem Germanischen und dem in knapp 200 Runenschriften des älteren Runenalphabets sichtbar werdenden Urnordischen einerseits und den neunordischen Sprachen des Dänischen, Schwedischen, Norwegischen, Isländischen und Faröischen andererseits liegt und neben dem Gotischen, Althochdeutschen, Altniederdeutschen, Altfriesischen und Altenglischen steht. Es ist vom Germanischen und Urnordischen durch die quellenarmen Jahrhunderte zwischen Völkerwanderung (4.-6. Jahrhundert) und Wikingerzeit (800-1000) geschieden, ist um 800 fertig ausgebildet und entwickelt sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts nur so wenig, daß eine weitere Aufgliederung dieser Epoche nicht zweckmäßig ist. Im 12. Jahrhundert wurde es als dǫnsk tunga (dänische Sprache) bezeichnet.

Am Anfang war das Gebiet des Altnordischen auf das heutige Dänemark, das südliche und mittlere Norwegen und Schweden und kleine Teile Finnlands beschränkt. In der Wikingerzeit wurden weitere Teile Finnlands, Teile des Baltikums, die Normandie in Frankreich, große Teile Nord- und Mittelenglands, kleinere Teile Schottlands und Irlands, die Shetland-, Orkney- und Faröerinseln, Island und kleine Teile Grönlands einbezogen. Seit dem 11. Jahrhundert ging der größte Teil dieser Erwerbungen aber wieder verloren, so daß um 1500 außer in den Ausgangsgebieten und den Erweiterungen im Ostseeraum nur noch auf den Shetland-, Orkney- und Faröerinseln und Island Altnordisch gesprochen wurde.

Innerhalb des Nordischen wird üblicherweise zwischen Ost- und Westnordisch unterschieden. Ostnordisch sind das Dänische und das Schwedische, westnordisch das Norwegische, Isländische und Faröische. Daneben bestehen aber zahlreiche andere bedeutsame Grenzlinien.

Die Quellen des Altnordischen sind verschiedenartig.

Am Beginn der Überlieferung stehen die Runeninschriften. Von ihnen sind einige noch im 9. Jahrhundert niedergeschrieben worden. Die Mehrzahl stammt aus dem 10. bis 12. Jahrhundert.

Hinzu kommen viele nordische Namen in englischen, irischen und fränkischen Quellen der Wikingerzeit sowie verschiedene in die Nachbarsprachen eingedrungene altnordische Wörter. Eigene erhaltene Handschriften in lateinischer Sprache sind in den nordischen Ländern vereinzelt seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (1170) und in größerer Zahl seit dem 13. Jahrhundert entstanden, nachdem das Schreiben auf Pergament vielleicht 1117/18 seinen Anfang genommen hatte. Führend war hierbei lange Zeit das 874-930 von Norwegen aus besiedelte Island. Dort allein wird im Mittelalter Literatur von höherem Wert in altnordischer Sprache aufgezeichnet und überliefert. Deswegen bildet das altwestnordische Altisländische die Normalform des Altnordischen. Das Altisländische ist freilich auch in sich nicht einheitlich. Deswegen bedarf die Schreibung einer wissenschaftlichen Normalisierung. Hierbei haben sich die führenden Grammatiken für die Schreibweise der ältesten altisländischen Handschriften entschieden.

Zur altnordischen Literatur gehört zunächst die ältere Edda, die durch die um 1270 geschriebene, heute noch 45 Blätter umfassende Handschrift Gl. kgl. saml. 2365 4o der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen überliefert ist. Sie enthält 29 wohl zu verschiedener Zeit und an verschiedenem Ort entstandene, anonyme, gegenwartsferne Stoffe in einfachen alliterierenden Versmaßen behandelnde Gedichte, wobei der erste Teil Götterdichtung und viel Spruchdichtung (Vǫluspa, Hāvamal, Vafthrūðnismāl, Grīmnismāl, Skīrnismāl. Hārbarðsliōð, Hymiskviða, Lokasenna, Thrymskviða, Alvīssmāl und Vǫlundarkviða), der zweite Teil Heldendichtung und etwas Spruchdichtung (Helgakviða Hundingsbana I, Helgakviða Hiǫrvarðssonar, Helgakviða Hundingsbana II, Frā dauða Sinfiǫtla, Grīpisspā, Reginsmāl, Fāfnismāl, Sigrdrīfumāl [, Sigurðarkviða in meiri], Brot af Sigurðarkviðu, Guðrunarkviða I, Sigurðarkviða in skamma, Helreið Brȳnhildar, Drāp Niflunga, Guðrūnarkviða II, Guðrūnarkviða III, Oddrūnargvātr, Atlakviða in grœnlenzka, Atlamāl in grœnlenzku, Guðrunarhvǫt, Hamðismāl, Frā Guðrūnu) aufweist und Bemerkungen und kurze Erzählstøcke in Prosa eingestreut sind. Über diese Handschrift hinaus ist eddische Dichtung auch in dem isländischen, offenbar auf die gleiche Vorlage zurückgehenden Handschriftenfragment AM 748 I 4o aus der Zeit um 1300 überliefert. Außerdem sind die meisten Heldenlieder in die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandene Prosadarstellung Vǫlsunga saga eingegangen. Kleinere Stücke finden sich in dem vielleicht erst nach 1300 entstandenen Norna-Gests thāttr, der Anfang des 13. Jahrhunderts geschriebenen Sverris saga, der Edda Snorri Sturlusons und in der Hauksbōk, einer Sammelhandschrift des 14. Jahrhunderts. Weitere eddische Dichtungen sind in einzelnen anderen Handschriften Überliefert. Während die eddische Götterdichtung zwar noch aus der heidnischen Zeit des 10. Ίahrhunderts stammen könnte, aber ebensogut ihre überlieferte Form erst nach der um 100 erfolgten Christianisierung Islands erhalten haben könnte, dürfte die älteste Schicht der Heldendichtung (Hunnenschlachtlied, Hamðismāl, Atlakviða und Vǫlundarkviða) stofflich aus dem Süden gekommen sein und ihre erhaltene eddische Fassung frühestens in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts erhalten haben, während die anderen Stücke teilweise erst um 11. oder 12. Jahrhundert anzusetzen sein dürften.

Neben der Edda steht die meist aus aktuellem Anlaß entstandene, gegenwartsbezogene, stabreimende Skaldendichtung. Dabei enthält die handschriftliche Überlieferung Dichtungen von etwa 250 Skalden aus dem 9. bis 14. Jahrhundert. Die ältesten Skalden waren Norweger, neben denen aber schon im 10. Jahrhundert die Isländer in den Vordergrund traten. Die Aufzeichnung begann jedoch erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, wobei besonders Snorri Sturluson (1179-1241) hervortrat, der als Lehrmeister und Theoretiker der Skaldenkunst wohl Anfang der zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts (1220-23) die jüngere Edda schrieb. Der Stil der Skaldendichtung ist stark durch die Verwendung von heiti (dichterische Synonyma für häufigere Wörter der Alltagssprache) und kenning (mehrteilige Auflösung eines Wortes der Alltagssprache wie König, Krieger, Mann, Frau, Schiff, Meer, Land, Gold) geprägt, da die meisten Skalden dazu neigten, die normale Sprache und Vorstellungswelt ornamental umzuordnen.

Am Beginn der Prosaerzählung stehen Chroniken, von denen als erste die vermutlich lateinisch gehaltene, verlorene Chronik des Sæmund Sigfūsson (etwa 1056-1133) über die Könige von Norwegen faßbar wird. Erhalten sind das 1122/33 entstandene, nationalsprachliche Isländerbuch (Islendingabōk) Ari Thorgilssons (etwa 1067-1148) und das vielleicht vom gleichen Verfasser stammende Landnahmebuch (Landnāmabōk). Aus Norwegen stammt die um 1180 lateinisch verfaßte Historia de antiquitate regum Norvagiensium und das im späten 12. Jahrhundert nationalsprachlich aufgezeichnete žgrip.

Diesen Chroniken folgten die Sagas als Lebensgeschichten. Die ältesten, frei nach lateinischen Vorlagen geschaffenen Sagas betreffen die Apostel (Postula Sǫgur) und Heiligen (Heilagra Manna Sǫgur) und sind teilweise noch aus dem 12. Jahrhundert erhalten. Ihnen folgen historische Sagen über Könige von Norwegen und Helden von Island. Besonders zu nennen ist hier die wohl um 1230 geschriebene Heimskringla (Weltkreis) Snorri Sturlusons, eine Geschichte der Könige Norwegens bis zum 12. Jahrhundert. Später gewannen fremde Literaturen zunehmenden Einfluß.

Von erheblicher Bedeutung sind auch die altnordischen Rechts- und Gesetzbücher. Hiervon stammen die ältesten norwegischen Rechtsaufzeichnungen im wesentlichen aus dem 12. Jahrhundert (Borgathingsbōk, Eiðsifathingsbōk, Frostathingsbōk, Gulathingsbōk), die Hirðskra von 1274/77. Die älteste isländische Rechtsüberlieferung beginnt mit der Ulfljōts lǫg und führte über die Hafliðaskrā (1117/18) zur Grāgās (1258/71). In Dänemark sind Skanske Lov zu Beginn des 13. Jahrhunderts, Liber legis Scanicae 1201-24 und die Sialanzfarǣ logh vor 1241 entstanden. Für Schweden wurden Westgötalagh, Östgötalagh, Gutalagh und Uplandslagh in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet. Stärkeren könlglichen Einfluß zeigen das dänische Jydske Lov (1241), das Landrecht des norwegischen Königs Magnus Hākonarson (1274), das Stadtrecht von Bergen (1276), Jārnsiða (1271/73), Jonsbōk und das Landrecht des schwedischen Königs Magnus Eriksson von 1347.

 

B. Akzent

Der Akzent liegt in der Regel auf der Anfangssilbe. Ausgenommen hiervon sind die Verben mit dem schwachtonigen Präfix for-, fyr-. Die Nominalkomposita mit einem Formwort als erstem Glied konnten vermutlΊch verschieden betont werden.

 

C. Vokale

Die Vokale der starktonigen Silben haben sich folgendermaßen verändert.

 

I. Kurze Vokale

a        ak-r            Acker                   germ.       *akra-, *akraz                   Acker

a        ātta             acht                      germ.       *ahtau                              acht

a        faðir           Vater                    germ.       *fader                               Vater

a        ǫgn             Spreu                   germ.       *aganō                              Spreu

e        eta              essen                    germ.       *etan                                essen

i         fisk-r          Fisch                    germ.       *fiska-, *fiskaz                  Fisch

u       son-r          Sohn                    germ.       *sunu-, *sunuz                Sohn

          ung-r          jung                     germ.       *junga-, *jungaz              jung

 

Germanisch a wird erhalten oder wird durch i-Umlaut und r-Umlaut zu e, durch u-Umlaut und w-Umlaut zu ǫ bzw. mit zusätzlichen i-Umlaut zu ø und durch Dehnung zu ā.

Germanisch e wird erhalten oder durch a-Brechung zu ja, durch u-Brechung zu jǫ, durch u- oder w-Umlaut zu ø und durch Dehnung zu e.

Germanisch i wird zu e oder bleibt erhalten oder wird durch u- und w-Umlaut zu y, vor einem durch Assimilation geschwundenen Nasal zu e, vor einem mit Ersatzdehnung geschwundenen Nasal oder h zu ē sowie durch Dehnung zu ī.

Germanisch u wird zu o, bleibt erhalten oder wird durch i-Umlaut zu y, durch r-Umlaut zu ø, vor einem durch Assimilation geschwundenen Nasal zu o, vor einem mit Ersatzdehnung geschwundenen Nasal oder h zu ō sowie durch Dehnung zu ū (germ. *thu du, an. thā du).

 

II. Lange Vokale

ē₁              sā                säen                    germ.       *sēan                                säen

ē       hēr             hier                      germ.       *hēr                                  hier

ī         svīn            Schwein               germ.       *swīna-                             Schwein

ō        mōðir         Mutter                 germ.       *mōder                             Mutter

          ōsk             Wunsch               germ.       *wunska-                         Wunsch

ū       mūs            Maus                    germ.       *mūs                                Maus

 

Das aus germanisch ē entwickelte ā bleibt erhalten oder wird durch i-Umlaut und r-Umlaut zu ǣ, durch u-Umlaut zu § bzw. nach w oder in der Nachbarschaft eines Nasals zu ō sowie durch Kürzung vor zwei Konsonanten zu a.

Germanisch ē bleibt erhalten.

Germanisch ī bleibt erhalten oder wird durch w-Umlaut zu ȳ, vor einem mit Ersatzdehnung geschwundenen Nasal oder h zu ē sowie durch Kürzung zu i.

Germanisch ō bleibt erhalten oder wird durch i-Umlaut zu ø sowie durch Kürzung zu o.

Germanisch ū bleibt erhalten oder wird durch i-Umlaut und r-Umlaut zu ȳ, vor ō zu h sowie durch Kürzung zu u.

 

III. Diphthonge

ai       geit             Ziege                    germ.       *gaiti-, *gaitiz                   Geiß

ai       einn            einer                    germ.       *aina-, *ainaz                   einer

au      auka           vermehren           germ.       *aukan                             mehren

au      rauthr        rot                        germ.       *rauda-, *raudaz              rot

ei       stīga           steigen                 germ.       *steigan                            steigan

eu      thjōð          Volk                     germ.       *theudō                            Volk

eu      ljūga           lügen                    germ.       *leugan                            lügen

 

Germanisch ai wird zu ei, durch Kürzung zu e, vor im Auslaut geschwundenem g zu ē, durch w-Umlaut zu ey oder vor h, r, w und in stark nebentoniger Silbe zu ā.

Germanisch au bleibt erhalten oder wird vor h und vor im Auslaut geschwundenem g zu o, durch i-Umlaut und r-Umlaut zu ey.

Germanisch eu wird meist zu jū oder jō.

 

IV. Tonschwache Silben; Auslaut

In tonlosen und tonschwachen Silben werden Vokale weitgehend ausgestoßen, abgestoßen oder gekürzt. Im Auslaut schwinden alle unbetonten Vokale.

 

V. Kombinatorischer Lautwandel

Durch ein i oder J der Folgesilbe werden dunkle Vokale umgelautet, wobei die umfärbenden i, j teilweise schwinden.

germ.  *gasti-, *gastiz  Gast   an.       gest-r  Gast

Durch ein unmittelbar folgendes, aus germanisch z entstandenes, palatal gesprochenes r (R) wird der vorangehende Vokal palatalisiert.

germ.  *glaza  Harz                           an.       gler  Glas

Durch u der Folgesilbe werden a, ā zu ǫ, §.

germ.  *barku-, *barkuz  Rinde         an.       bǫrkr Rinde

Durch nachfolgendes w werden a, e, i, ī, ei zu o, ø, y, ȳ und ey.

Durch nachfolgendes a bzw. u wird der Kurzvokal e außer nach v, r, l zu den Kurzdiphthongen ja bzw. jo gebrochen.

germ.  *helpan  helfen                      an.       hjalpa  helfen

germ.  *melwa-, *melwam  Mehl      an.       mjǫl  Mehl

Bei Schwund eines Konsonanten nach kurzem Vokal kann dieser gedehnt werden.

germ.  *ahtau   acht                          an.       ātta      acht

Vor verdoppeltem Konsonanten können Vokale und Diphthonge gekürzt werden.

Folgt einem haupttonigen Vokal ein anderer unmittelbar, so tritt Verschmelzung zu einer Silbe ein.

germ.  habuka-  Habicht                   an.       hauk-r  Habicht

 

VI. Ablaut

Die große Mehrzahl der Vokale steht im Germanischen seit der Zeit der indogermanischen Grundsprache in einem festen Beziehungsverhältnis zueinander und kann miteinander im Wurzelsilben, Wortbildungselementen und Flexionsendungen nach festen Gesetzen wechseln. Dabei kann sich die Qualität des Vokals (i-a, sog. Abtönung) oder die Quantität (Länge-Kürze, z.B. e-ē, o-ō, sog. Abstufung) ändern. Entfällt ein Vokal ganz, spricht man - im Gegensatz zur Normal- oder Vollstufe - von Schwundstufe, wird aus einem kurzen Vokal ein langer von Dehnstufe.

Im Altnordischen ist nur noch der Wurzelablaut des starken Verbs bedeutsam, während sein Funktionswert im übrigen nicht mehr empfunden wird. Zu unterscheiden sind folgende Ablautreihen oder Klassen des starken Verbs.

 

germ.

ī

ai

i

i

an.

ī

ei

i, e

 

1. Klasse

germ.

eu

au

u

u

an.

jū, jō

au

u, o

 

2. Klasse

germ.

e

a

u

u

an.

e, i

a

u, o

 

3. Klasse

germ.

e

a

ē

u

an.

e, i

a

ā

u, o

4. Klasse

germ.

e

a

ē

e

an.

e, i

a

ā

 

5. Klasse

germ.

a

o

o

a

an.

a

ō

u

 

6. Klasse

germ.

a

ē

ō

 

an.

a

ā

ō

 

7. Klasse

 

 

D. Konsonanten

 

I. Germanische stimmlose Reibelaute

 

germ.

f

germ.

*fadar

Vater

an.

faðir

Vater

germ.

th

germ.

*threiz

drei

an.

thrir

drei

germ.

h

germ.

*hunda-,*hundaz

Hund

an.

hundr

Hund

 

 

germ.

*hafjan

heben

 

 

 

 

 

germ.

*hwe

wer

an.

hver

wer

germ.

s

s. IV

 

 

 

 

 

 

f bleibt anlautend erhalten, geht vor s und t in p über, schwindet zwischen m oder t und Vokal und wird sonst zu weiter f geschriebenem ƀ. f wird stimmhaft nach Vokal und in den Verbindungen lf, rf. th wird stimmhaft (ð) nach Vokalen und b, g, m, r. Anlautendes thl wird fl. Inlautendes th schwindet mit Ersatzdehnung vorangehender Vokalkürze. h ist nur als Hauchlaut in starktonigen Anlauten erhalten, der germanische Reibelaut χ ist geschwunden.

 

II. Germanische stimmhafte Reibelaute

 

germ.

ƀ

germ.

*beran

tragen

an.

bera

tragen

germ.

ƀ

germ.

*geban

geben

an.

gefa

geben

germ.

d

germ.

*dura-

Türe

an.

dyrr

Türe

germ.

d

germ.

*dōma-, *dōmaz

Urteil

an.

dōmr

Urteil

germ.

g

germ.

*gasti-, *gastiz

Gast

an.

gestr

Gast

germ.

g

germ.

*sengwan

singen

an.

syngva

singen

germ.

g

germ.

*dragen

ziehen

an.

drage

ziehen

germ.

z

s. IV

 

 

 

 

 

 

Schon urnordisch werden germanisch ƀ, đ, ǥ zu den Verschlußlauten b, d, g im Anlaut, in der Doppelung, nach Nasal und vielleicht auch nach l und r. Vor k, s, t wird ƀ zu f, inlautend vor u schwindet es, sonst bleibt es als f geschrieben erhalten.

Alle stimmhaften Reibelaute des Urnordischen im Auslaut werden stimmlos.

 

III. Germanische stimmlose Verschlußlaute

 

germ.

p

germ.

*plogu-

Pflug

an.

plōgr

Pflug

germ.

t

germ.

*tūna-

Zaun

an.

tūn

eingeheg-ter Platz

germ.

k

germ.

*keusan

kosten

an.

kjōs-a

wählen

germ.

k

germ.

*aukan

mehren

an.

auk-a

mehren

germ.

kw

germ.

*kweman

kommen

an.

kom-a

kommen

 

p bleibt als solches erhalten. t ist erhalten oder wird zu ð in unbetontem Auslaut nach Vokal, zu tt nach haupttonigem langem Vokal, mit dem es als Flexionsendung oder als Anlaut eines unbetonten Kompositionsgliedes zusammentrifft, wird mit nachfolgendem k assimiliert und schwindet vor s und Konsonant.

Im Auslaut tonschwacher Wörter und Silben wird nach Vokal k meist zu g abgeschwächt. Vor a, o wird palatales k zu kj.

 

IV. Germanischer stimmloser Reibelaut s

germ.  *sebun            sieben             an.       sjau     sieben

germ.  *rauda-, *raudaz         rot                   an.       rauðr   rot

Germanisch s ist durchweg als stimmloser Reibelaut bewahrt.

Das stimmhafte z geschriebene s wird zu R, das meist in r übergeht.

 

V. Sonorlaute

 

m

germ.

*mōder

Mutter

an.

mōðir

Mutter

n

germ.

*neuja

neu

an.

nȳr

neu

r

germ.

*rauda-, *raudaz

rot

an.

rauðr

rot

l

germ.

 

Lachs

an.

lax

Lachs

 

m und n sind an altes nachfolgendes p, t und k assimiliert. n ist im Auslaut abgefallen. nnr ist zu ðr verschoben. l schwindet in schwachtoniger Silbe vor t. Neben dem alten r steht ein jüngeres aus dem germanischen stimmhaften s (z) entstandenes (R). Aus sR wird dabei ss, aus Rð dd, aus Rn nn, nach langen und nach tonschwachen Silben aus lR ll und aus nR nn.

 

VI. Halbvokale

w     germ.     *wald-an                       walten             an.       vald-a              walten

        germ.     *wurda-, *wurdam       Wort               an.       orð                  Wort

Germanisch w schwindet neben alten dunklen Vokalen (u, y, o, ø) , vor l (und r), im Auslaut, vor Endungskonsonant und nach langer Silbe ausgenommen nach g und k.

j       germ.     *jēra-, *jēram                Jahr                 an.       ār                    Jahr

Germanisch j schwindet im AnΊaut, im Inlaut vor hellem Vokal (i, y, e, ø), im Auslaut, vor Konsonant nach kurzer Silbe, vor a und u nach langer Silbe ausgenommen nach g und k. Anlautendes j kann aber neu entstehen.

Hieraus ergibt sich insgesamt folgende Gegenüberstellung

 

germ.

an.

an.

germ.

a; ā

a, (ā, ǫ, e, ø, æ); ā, (a, ō, §, œ̄)

a; ā

a, (ā; ā, ē, [a, ai])

ai

ei, (e, ē, ey, ā, æ)

 

 

au

au, (ō, ey)

au

au

b

b, (f)

b

b

d

d, t

d

d

e; ē

e, (ē, ø, jǫ, ja); ā, (§, ō, æ)

e; ē

e, (a, i, ai; ē, [e, i, ī, ai])

ē

ē

ei

ai

eu

(ȳ, jū, jō)

 

 

ey

ai, (au)

 

 

f

f

f

f, (b)

g

g, k

g

k

h

h, k

h

h

 

 

hl

 

 

 

hn

 

hr

 

hr

 

hw

 

hv

 

i; ī

i, (ī, ē, e, y); ī, (i, ē, y)

i; ī

i, (ī); ī, (i)

j

j

j

j

 

 

ja

(e)

 

 

(eu)

 

 

(eu)

 

 

(e)

k

k, g

k

k, g, h

kw

kv

kv

kw

ks

x

 

 

l

l

l

l

m

m

m

m

n

n

n

n

ō

ō, (o, ø)

o; ō

u, (ō); ō, (u, ā, ē, ū), au

p

p

p

p

r

r

r

r, z

s

s

s

s

t

t, ð

t

t, d

ts=z

 

 

 

þ

þ, ð

þ

þ

 

 

ð

þ, d

u; ū

u, (ū, ō, o, ø, y); ū, (u, ō, ȳ)

u; ū

u; ū, (u)

 

 

v

w

w

v

 

 

 

 

x

ks

 

 

y; ȳ

(i, u); (ī, ū, eu)

z

r

z=ts

s

 

 

æ

ai, a, ē

 

 

ø

(e, u, ō)

 

 

œ

(ā)

 

 

ǫ

(a), (ā, ē)

 

Dabei ist y der ü-Laut, æ der tiefe (lange) ä-Laut, ǫ in der Kürze ein tiefes ö, in der Länge ein tiefes a, ø ein mittlerer ö-Laut, wobei die Kürze ø mit der Kürze ǫ um 1250 zusammengefallen ist.

 

E. Substantiv

 

Das Altnordische kennt beim Substantiv die drei Geschlechter (Genera) Maskulinum, Femininum und Neutrum, die zwei Numeri Singular und Plural sowie die vier Fälle Nominativ, Genitiv, Dativ (einschließlich Ίnstrumental und Lokativ) und Akkusativ. Es unterscheidet vier vokalische (starke) (a, ō, i, u) und drei konsonantische (schwache) (r, nt, n) Deklinationsklassen sowie die konsonantischen oder vokalischen Wurzelnomina.

 

I. a-Stämme (männlich, sächlich)

 

1. reine a-Stämme (armr  Arm, barn  Kind)

S.N.M.

armr

germ.

*dagaz

S.N.N.

barn

S.G.M.

arms

germ.

*dagez(o)

S.G.N.

barns

S.D.M.

arme

germ.

*dagai

S.D.N.

barne

S.A.M.

arm

germ.

*dagan

S.A.N.

barn

S.I.M.

 

germ.

*dagu (?)

S.I.N.

 

Pl.N.M.

armar

germ.

*dagoz

Pl.N.N.

bǫrn

Pl.G.M.

arma

germ.

*dagen, -on

Pl.G.N.

barna

Pl.D.M.

ǫrnom

germ.

*dagamiz

Pl.D.N.

bǫrnom

Pl.A.M.

arma

germ.

*daganaz

Pl.A.N.

bǫrn

 

2. ja-Stämme (hirder, hirðir  Hirte, kyn  Geschlecht)

S.N.M.

hirðer

 

 

S.N.M.

kyn

S.G.M.

hirðes

 

 

S.G.M.

kyns

S.D.M.

hirðe

 

 

S.D.M.

kyne

S.A.M.

hirðe

 

 

S.A.M.

kyn

Pl.N.M.

hirðar

 

 

Pl.N.M.

kyn

Pl.G.M.

hirða

 

 

Pl.G.M.

kynja

Pl.D.M.

hirðom

 

 

Pl.D.M.

kynjom

Pl.A.M

hirða

 

 

Pl.A.M.

kyn

 

3. wa-Stämme (hǫrr  Flachs, hǫgg  Hieb)

S.N.M.

hǫrr

 

 

S.N.N.

hǫgg

S.G.M.

hǫrs

 

 

S.G.N.

hǫggs

S.D.M.

hǫrve

 

 

S.D.N.

hǫggve

S.A.M.

hǫr

 

 

S.A.N.

hǫgg

Pl.N.M.

hǫrvar

 

 

Pl.N.N.

hǫgg

Pl.G.M.

hǫrva

 

 

Pl.G.N.

hǫggva

Pl.D.M.

hǫrom

 

 

Pl.D.N.

hǫggom

Pl.A.M.

hǫrva

 

 

Pl.A.N.

hǫgg

 

ΊΊ. ō-Stämme (weiblich)

 

1. reine ō-Stämme (sǫg  Säge)

S.N.F.

sǫg

germ.

*gebō

S.G.F.

sagar

germ.

*gebōz

S.D.F.

sǫg

germ.

*gebai, -ō, *oi

S.A.F.

sǫg

germ.

*gebōm, *ōn

Pl.N.F.

sagar

germ.

*gebōz

Pl.G.F.

saga

germ.

*gebō(no), -on

Pl.D.F.

sǫgom

germ.

*gebōmiz

Pl.A.F.

sagar

germ.

*gebōz

 

Ein Teil der ō-Feminina ist zu den Wurzelnomina übergetreten.

 

2. jō-Stämme (ben  Wunde, heiðr  Heide)

S.N.F.

ben

 

 

 

heiðr

S.G.F.

benjar

 

 

 

heiðar

S.D.F.

ben

 

 

 

heiðe

S.A.F.

ben

 

 

 

heiðe

Pl.N.F.

benjar

 

 

 

heiðar

Pl.G.F.

benja

 

 

 

heiða

Pl.D.F.

benjom

 

 

 

heiðom

Pl.A.F.

benjar

 

 

 

heiðar

 

3. wō-Stämme (dǫgg  Tau (M.) )

S.N.F.

dǫgg

S.G.F.

dǫggvar

S.D.F.

dǫgg, -o

S.A.F.

dǫgg

Pl.N.F.

dǫggvar

Pl.G.F.

dǫggva

Pl.D.F.

dǫggom

Pl.A.F.

dǫggvar

 

III. i-Stämme (männlich und weiblich, gestr  Gast, ǫxl  Achsel

S.N.M.

gestr

germ.

*gastiz

 

ǫxl

S.G.M.

gests

germ.

*gastiso

 

axlar

S.D.M.

gest

germ.

*gastai

 

ǫxl

S.A.M.

gest

germ.

*gastin

 

ǫxl

S.I.M.

 

germ.

*gasti

 

 

Pl.N.M.

gester

germ.

*gastijiz

 

axler

Pl.G.M.

gesta

germ.

*gastion

 

axla

Pl.D.M.

gestom

germ.

*gastimiz

 

ǫxlom

Pl.A.M.

geste

germ.

*gastinz

 

axler

 

Die i-Neutra sind bis auf geringe Reste verschwunden.

 

IV. u-Stämme (männlich, skjǫldr  Schild)

S.N.M.

skjǫldr

germ.

*sunuz

 

S.G.M.

skjaldar

germ.

*sunauz

 

S.D.M.

skilde

germ.

*sunawi

 

S.A.M.

skjǫld

germ.

*sunun

 

Pl.N.M.

skilder

germ.

*suniw(e)z

 

Pl.G.M.

dkjalda

germ.

*suniwe-

 

Pl.D.M.

skjǫldom

germ.

*sunumiz

 

Pl.A.M.

skjǫldo

germ.

*sununz

 

 

Die u-Feminina und u-Neutra sind bis auf geringe Reste verschwunden.

 

V. s-Stämme

Die s-Stämme sind in andere Stämme übergetreten.

 

VI. r-Stämme (männlich, weiblich) .

Hierher gehören faðer, faðir (Vater) , mōðer, mōðir, brōder, brōðir, dōtter, dōttir und syster, systir.

S.N.M.

faðer, *faðir

germ.

*brōþar

S.G.M.

foðor

germ.

*brōþriz

S.D.M.

feðr, fǫðor

germ.

*brōþri

S.A.M.

fǫðor

germ.

*brōþarun

Pl.N.M.

feðr

 

 

Pl.G.M.

feðra

 

 

Pl.D.M.

feðrom

 

 

Pl.A.M.

feðr

 

 

 

VII. nt-Stämme

Hierher gehören alle substantivierten Partizipien Präsens wie fjande, fjandi  Feind, frænde, frændi  Freund.

S.N.M.

gefande, gefandi

germ.

*frijonds

S.G.M.

gefanda

 

 

S.D.M.

gefanda

germ.

*frijondi

S.A.M.

gefanda

germ.

*frijondun

Pl.N.M.

gefendr

 

 

Pl.G.M.

gefanda

 

 

Pl.D.M.

gefǫdom

 

 

Pl.A.M.

gefendr

 

 

 

VIII. n-Stämme (männlich, weiblich, sächlich)

hane, hani  Hahn, gata  Straße, hjarta  Herz

Männlich und sächlich sind die -an-Stämme, weiblich die -ōn- und īn-Stämme (z.B. elle, elli Alter)

S.N.M.

hane

germ.

*hanan

F.

gata

N.

hjarta

S.G.M.

hana

germ.

*hananiz

F.

gǫto

N.

hjarta

S.D.M.

hana

germ.

*hanani

F.

gǫto

N.

hjarta

S.A.M.

hana

germ.

*hananum

F.

gǫto

N.

hjarta

Pl.N.M.

hanar

germ.

*hananiz

F.

gǫtor

N.

hjǫrto

Pl.G.M.

hana

germ.

*hananan

F.

gatna

N.

hjartna

Pl.D.M.

hǫnom

germ.

*hanomiz

F.

gǫtom

N.

hjǫrtom

Pl.A.M.

hana

germ.

*hananuns

F.

gǫtor

N.

hjǫrto

 

IX. Wurzelnomina (athematische Deklinationsklasse (männlich, weiblich) fōtr  Fuß, kōr Kuh

S.N.M.

fōtr

 

 

F.

kȳr

S.G.M.

fōtar

 

 

F.

kȳr

S.D.M.

føte

 

 

F.

S.A.M.

fōt

 

 

F.

Pl.N.M.

føtr

 

 

F.

kȳr

Pl.G.M.

fōta

 

 

F.

kūa

Pl.D.M.

fōtom

 

 

F.

kūm

Pl.A.M.

føtr

 

 

F.

kȳr

 

F. Pronomen

 

I. Personalpronomen

S.N.1.P.

ek, eg

germ.

*ek, *ik

 

 

 

 

S.G.1.P.

mīn

 

 

 

 

 

 

S.D.1.P.

mēr

germ.

*mez, *miz

 

 

 

 

S.A.1.P.

mik, mig

germ.

*mek

 

 

 

 

D.N.1.P.

vit, við

germ.

*unkero

 

 

 

 

D.G.1.P.

okkar

 

 

 

 

 

 

D.D.1.P.

okr

 

 

 

 

 

 

D.A.1.P.

okr

 

 

 

 

 

 

Pl.N.1.P.

ver

germ.

*wiz

 

 

 

 

Pl.G.1.P.

vār

 

 

 

 

 

 

Pl.D.1.P.

oss, øss

germ.

*uns

 

 

 

 

Pl.A.1.P.

oss, øss

germ.

*uns

 

 

 

 

S.N.2.P.

ðū

germ.

*þu

 

 

 

 

S.G.2.P.

ðōn

 

 

 

 

 

 

S.D.2.P.

ðēr

germ.

*þez

 

 

 

 

S.A.2.P.

ðik

germ.

*þek

 

 

 

 

D.N.2.P.

it, ið

 

 

 

 

 

 

D.G.2.P.

ykkar

 

 

 

 

 

 

D.D.2.P.

ykr

 

 

 

 

 

 

D.A.2.P.

ykr

 

 

 

 

 

 

Pl.N.2.P.

er

germ.

*juz, *jiz

 

 

 

 

Pl.G.2.P.

uðar

 

 

 

 

 

 

Pl.D.2.P.

yðr

germ.

*izwiz

 

 

 

 

Pl.A.2.P.

yðr

germ.

*izwiz

 

 

 

 

S.N.3.P.M.

hann

germ.

*iz, *ez

F.

hon

germ. *si-

N. s. sā

S.G.3.P.M.

hans

 

 

F.

hennar

 

 

S.D.3.P.M.

honom

 

 

F.

henne

 

 

S.A.3.P.M.

hann

 

 

F.

hana

 

 

Pl.N.3.P.

s. sā

 

 

 

 

 

 

Pl.G.3.P.

 

 

 

 

 

 

 

Pl.D.3.P.

 

 

 

 

 

 

 

Pl.A.3.P.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die ungeschlechtlichen ek und thū haben als einzige Wörter den Dual bewahrt. Das alte Personalpronomen der dritten Person ist geschwunden und im Singular, Maskulinum und Femininum durch hann (er), hon (sie) ersetzt. Im Neutrum und im Plural tritt das Demonstrativpronomen sā usw. ein.

 

II. Reflexivpronomen

N.

 

 

 

G.

sīn

 

 

D.

sēr

germ.

*sez

A.

sik, sig

germ.

*sek

Das Reflexivpronomen hat im Singular, Dual und Plural dieselben Formen.

 

III. Possessivpronomen

S.1.P.S.N.M.

minn

F.

mīn

N.

mitt

germ.

*mīnaz

S.1.P.S.G.M.

mins

F.

minnar

N.

mins

 

 

S.1.P.S.D.M.

mīnom

F.

minne

N.

mīno

 

 

S.1.P.S.A.M.

minn

F.

mīna

N.

mitt

 

 

Pl.1.P.P.N.M.

mīner

F.

mīnar

N.

mīn

 

 

Pl.1.P.P.G.M.

minna

F.

minna

N.

minna

 

 

Pl.1.P.P.D.M.

mīnom

F.

mīnom

N.

mīnom

 

 

Pl.1.P.P.A.M.

mīna

F.

mīnar

N.

mīn

 

 

 

Wie minn mein gehen ðinn  dein (germ. *þīnaz) und sinn  sein, ihr (germ. *sīnaz).

unser

S.1.P.S.N.M.

vārr

F.

ōr, v§r

N.

vārt

germ.

*unser(ēr)

S.1.P.S.G.M.

vārs

F.

vārrar

N.

vārs

 

 

S.1.P.S.D.M.

ōrom

F.

vārre

N.

ōro

 

 

S.1.P.S.A.M.

vārn

F.

ōra, ossa

N.

vārt

 

 

Pl.1.P.P.N.M.

ōrer

F.

ōrar

N.

ōr

 

 

Pl.1.P.P.G.M.

vārra

F.

vārra

N.

vārra

 

 

Pl.1.P.P.D.M.

ōrom

F.

ōrom

N.

ōrom

 

 

Pl.1.P.P.A.M.

ōra

F.

ōrar

N.

ōr

 

 

 

D.1.P.S.N.M. okkarr usw. unser beider

euer

P.2.P.S.N.M.

yðarr

F.

yðor

N.

yðat

germ.

*izwera

P.2.P.S.G.M.

yðars

F.

yðarrar

N.

yðars

 

 

P.2.P.S.D.M.

yðrom

F.

yðarre

N.

yðro

 

 

P.2.P.S.A.M.

yðan

F.

yðra

N.

yðat

 

 

P.2.P.P.N.M.

yðrer

F.

yðrar

N.

yðor

 

 

P.2.P.P.G.M.

yðarra

F.

yðarra

N.

y
ðarra

 

 

P.2.P.P.D.M.

yðrom

F.

yðrom

N.

yðrom

 

 

P.2.P.P.A.M.

yðra

F.

yðrar

N.

yðor

 

 

 

D.2.P.S.N.M. ykkarr usw. euer beider

 

IV. Demonstrativpronomen

1. sā der

S.N.M.

F.

N.

ðat

S.G.M.

ðes

F.

ðeirar

N.

ðes

S.D.M.

ðeim

F.

ðeire

N.

ðuī

S.A.M.

ðann

F.

ðā

N.

ðat

Pl.N.M.

ðeir

F.

ðǣr

N.

ðau

Pl.G.M.

ðeira

F.

ðeira

N.

ðeira

Pl.D.M.

ðeim

F.

ðeim

N.

ðeim

Pl.A.M.

ðǣr

F.

ðǣr

N.

ðau

 

sā ergänzt zugleich das Personalpronomen der 3. Person (hann, hon) und fungiert als bestimmter Artikel (neben hinn).

 

2. siā  dieser

S.N.M.

sīa

F.

siā

N.

ðetta

S.G.M.

ðessa

F.

ðessar

N.

ðessa

S.D.M.

ðessom

F.

ðesse

N.

ðesso

S.A.M.

ðenna

F.

ðessa

N.

ðetta

S.N.M.

ðesser

F.

ðesar

N.

ðesse

S.G.M.

ðessa

F.

ðessa

N.

ðessa

S.D.M.

ðessom

F.

ðessom

N.

ðessom

S.A.M.

ðessa

F.

ðessar

N.

ðesse

 

3. hinn  jener

hinn beugt wie das Possessivpronomen minn und fungiert neben sā aΊs bestimmter Artikel. Genauso geht die bestimmte Artikelform inn, enn. Dieses hängt sich dem Substantiv an (armr-inn  der Arm, arms-ins  des Arms usw.) , wobei das i, e teilweise verstummt.

 

4. sjālfr  selbst

sialfr wird wie ein starkes AdΊektiv flektiert.

 

V. Relativpronomen

Relativpronomina fehlen. Die Relativsätze werden durch unflektierte Partikel (es bzw. -s, er, sem, at) oder durch die Interrogativpronomina hverr, hvīlīkr eingeleitet.

 

VI. Interrogativpronomen

(hver)              wer

S.N.M.                        F.         N.        hvat

S.G.M              hves                                        hves

S.D.M hveim                         hvī

S.A.M.                                                            hvat

Von dem germanischen Interrogativpronomen „wer“ sind nur einige Formen erhalten. Im übrigen treten hvārr, hvīlīkr und hverr ein. Davon flektiert hverr „welcher von mehreren“ wie ein -ja-Adjekt mit dem unregelmäßigen Akkusativ Singular Maskulinum hvern.

hvārr „welcher von beiden“ und hvīlikr „wie beschaffen“ flektieren wie a-, ō-Adjektive.

 

VII. Indefinitpronomen

„Irgendein“ wird ausgedrückt durch einn hverr, nakkvarr, sumr, einn oder annarr hvārr.

„Jeder“ wird wiedergegeben durch hverr, hvārr, hverge, hvergi oder hvat-vetna. „Keiner“ wird erfaßt durch enge, engi, neinn, hverge, hvergi, hvārge, hvārgi, mange, mangi, mangr oder vǣtke, vǣtgi, vǣttki.

 

VIII. Artikel

Ein unbestimmter Artikel ist nur in Ansätzen vorhanden. Die Funktionen des bestimmten Artikels übernehmen sā, hinn und inn.

 

G. Adjektiv

 

Das Adjektiv hat drei Geschlechter und kann stark oder schwach gebeugt werden, wobei die starke Beugung mit der Beugung der (vokalischen) Substantive (der maskulinen und neutralen a-Stämme und der femininen ō-Stämme) und im Dativ Singular Femininum, im Nominativ und Akkusativ Singular Neutrum mit der Beugung der Pronomina übereinstimmt, die schwache Beugung mit der konsonantischen Beugung der -ōn- und -īn-Stämme, wobei die Pluralformen fast ganz vereinheitlicht sind. Nur schwach beugen Komparativ, Partizip Präsens und Ordnungszahlen ab 3, nur stark slālfr selbst, sumr irgendein, annarr andere, allr all, halfr halb, fullr voll, miðr mittlere, gnōgr genügend und die Grundzahlen zwei bis vier.

 

I. Starke Adjektivformen (spakr  klug)

S.N.M.

spakr

F.

spǫl

N.

spakt

S.G.M.

spaks

F.

spakrar

N.

spaks

S.D.M.

spǫkom

F.

spakre

N.

spǫko

S.A.M.

spakan

F.

spaka

N.

spakt

S.N.M.

spaker

F.

spakar

N.

spǫk

S.G.M.

spakra

F.

spakra

N.

spakra

S.D.M.

spǫkom

F.

spǫkom

N.

spǫkom

S.A.M.

spake

F.

spakar

N.

spǫk

 

-ja-, jō-Stämme zeigen das j, -v-, -vō-Stömme das v an bestimmten Stellen.

 

II. Schwache Adjektivformen (spake, spaki  der kluge)

S.N.M.

spake, -i

F.

spaka

N.

spaka

S.G.M.

spaka

F.

spǫko

N.

spaka

S.D.M.

spaka

F.

spǫko

N.

spaka

S.A.M.

spaka

F.

spǫko

N.

spaka

S.N.M.

spǫko

F.

spǫko

N.

spǫko

S.G.M.

spǫko

F.

spǫko

N.

spǫko

S.D.M.

spǫkom

F.

spǫkom

N.

spǫkom

S.A.M.

spǫko

F.

spǫko

N.

spǫko

 

III. Steigerung

 

1 . Komparativ

Die Mehrzahl der Adjektive bildet den Komparativ mit dem Suffix -ar- (germ. *-ōz-), die übrigen mit -r- (germ. *-iz-).

spakr               klug                spakare           klüger

langr               lang                 lengre             länger

2. Superlativ

Die Mehrzahl der Adjektive bildet den Komparativ mit dem Suffix -ast- (germ. *-ōst-) , die übrigen mit -st- (germ. *-ist-).

spakr               klug                spakastr          klügster

langr               lang                 lengstr längster

3. Unregelmäßige Steigerung

lītell, litill

klein

minne, minni

minnstr, minztr

mikell, mikill

groß

meire, meiri

mestr

margr

manch

fleire, feiri

flestr

gōðr

gut

betre, betri

baztr, beztr

illr, vāndr

schlecht

verre, verri

verstr

gamall

alt

ellre, ellri

ellztr, elztr

Verschiedenen Steigerungsformen liegt kein Adjektiv als Positiv zugrunde, sondern ein Adverb.

inne

innen

innre, innri

inztr (innerste)

inn

hinein

innre, innri

inztr (innerste)

aptan

zurück

eptre, eptri

epztr (späteste)

aptr

zurück

eptre, eptri

epztr (späteste)

sīð

spät

sīðre, sīðri

sīðastr (späteste)

 

H. Adverb

 

Das Adverb wird regelmäßig vom Adjektiv durch das Suffix -a gebildet, das bei den Adjektiven auf -ligr zu -liga, abgekürzt la, führt, das seinerseits adverbbildendes Suffix wird. Sehr häufig ist auch die Verwendung des Nominativ/Akkusativ Singular Neutrum der starken Flexion des Adjektivs. Andere Möglichkeiten sind -e, -an, -s (Genitiv Singular Neutrum) , -om (Dativ Plural). Zu  Substantiven werden Adverben durch -om (Dativ Plural), -s (Genitiv, Singular Neutrum) und -lega/-la gebildet, zu primären Adverbien und Verben durch -lega/-la.

Daneben finden sich auch ursprüngliche Adverbien:

immer: ā (3), āvalt, ei (1), ey (3) , simla, æ (2); vorn: framan; noch: enn (2); da: þā (5), þaðra, þō; hier: heðra, hēr, hērna, hiðra; nicht: -a, ei (2), eigi (2), ekki (2), ikki, nē, æva; wo: hvar; wie: nvē, hversu; woher: hvaðan; wann: hvēnær; auf: ōf (2); dort: hizi, þaðra, þar; oft: oþt, tītt; so: so, svā, svāna, þannig

Die Steigerung des Adverbs erfolgt wie beim Adjektiv durch -ar, -ast bzw. -r, -st.

viða                 weit                 vīðar               vīðast

lenge, lengi     lange               lengr               lengst

Bei einigen Adverbien fehlt der Positiv.

 

I. Numerale

 

I. Grundzahlen

ein, einn

ein

germ.

*ainaz

tveir

zwei

germ.

*twa(i)

thrīr

drei

germ.

*þreiz

fjōrer, fjōrir

vier

germ.

*fedwī(e)z

fimm

fünf

germ.

*femf(e)

sex

sechs

germ.

*sehs

sjau

sieben

germ.

*sebun

ātta

acht

germ.

*ahtau

nīu, nīo

neun

germ.

*newun

tīu, tīo

zehn

germ.

*tehun

ellefu, ellefo

elf

germ.

*aina-libi

tolf

zwölf

germ.

*twa-libi

Flektiert werden die Zahlen eins bis vier.

S.N.M.

einn

F.

ein

N.

eitt

S.G.M.

eins

F.

einnar

N.

eins

S.D.M.

einom

F.

einne

N.

eino

S.A.M.

einn

F.

eina

N.

eitt

Pl.N.M.

einer

F.

einar

N.

ein

Pl.G.M.

einna

F.

einna

N.

einna

Pl.D.M.

einom

F.

einom

N.

einom

Pl.A.M.

eina

F.

einar

N.

ein

 

 

 

 

 

 

Pl.N.M.

tveir

F.

tvǣr

N.

tvau

Pl.G.M.

tveggja

F.

tveggja

N.

tveggja

Pl.D.M.

tveim

F.

tveim

N.

tveim

Pl.A.M.

tvā

F.

tvǣr

N.

tvau

 

 

 

 

 

 

Pl.N.M.

thrīr

F.

thrjār

N.

thrjū

Pl.G.M.

thriggja

F.

thriggja

N.

thriggja

Pl.D.M.

thrim

F.

thrim

N.

thrim

Pl.A.M.

thrjā

F.

thrjar

N.

thrjū

 

 

 

 

 

 

Pl.N.M.

fjōrer

F.

fjōrar

N.

fjogor

Pl.G.M.

fjogorra

F.

fjogorra

N.

fjogorra

Pl.D.M.

fjōrom

F.

fjōrom

N.

fjōrom

Pl.A.M.

fjōra

F.

fjōrar

N.

fjogor

 

Die Zahlen ab 13 werden mit -tān, -tjān gebildet, die Zahlen 30, 40 usw. bis 110 durch 3, 4 usw. und -tiger. „Hundert“ heißt hundrað,  „tausend“ thusund.

 

II. Ordnungszahlen

fyrstr, fyrsty

erster

germ.

*fruma, *furista, *airista

annarr

zweiter, anderer

germ.

*antharaz

thriðe, thriði

dritter

germ.

*þridjan

fjōrðe, fjōrði

vierter

germ.

*...-than

fimte, fimti

fünfter

 

 

sētte, sētti

sechster

 

 

sjaunde, sjaundi

siebter

 

 

āttande, āttandi

achter

 

 

nionde, niundi

neunter

 

 

tīunde

zehnter

 

 

 

Die Ordnungszahlen von 13 bis 19 werden aus den Grundzahlen und -de gebildet, die Ordnungszahlen zu 20, 30 usw. durch -togonde, -tugti.

 

III. Andere Zahlarten

Einmal heißt eino sinne, zweimal tvisvar oder tveim sinnom, dreimal thrisvar.

Multiplikative Zahladjektive werden durch -faldr faltig gebildet (ein-faldr, tvīfaldr, thrī-faldr).

Die Hälfte heißt helmingr, ein Drittel thriðiungr, ein Viertel fjōrðungr usw.

 

K. Präpositionen und Präfixe

 

nach: at (2), at (3), ept, eptir, til; bis: til; entgegen: gegn (2); bei: at (3), hjā, ī (1), viðr (2); vor: fyr, fyrir (1); unter: und (3), undir (1); in: ā (4), ī (1); für: fyr, fyrir (1); wegen: fyr, of (2), þvit, vegna (2); von: af, frā, ōr (1); mit: með; über: of (2), of (3), umfram, yfir; an: ā (4); auf: ā (4), of (2), of (3); zu: at (2), of (3), til; durch: fyr, of (2); aus: af, ōr (1); gegen: at (2), of (2), viðr (2); um: um

 

L. Konjunktionen

 

sondern: nema (2); aber: eða, en (2), enn (3); und: en (2), enn (3), ja; bis: unz; denn: þvī, vist (3); da: sīz (1), þō; weil: sīz (1); wenn: ef (2), if (2); oder: eða, eðr; nachdem: sīzt (2); so daß: svāt; als: en (1); daß: at (4), þat (2)

 

M. Verb

 

Das Verb hat als selbständig entwickeltes Verbalgeschlecht (Genus) das Aktiv, während das Mediopassiv verschwunden ist. Das Passiv wird durch das Partizip des Präteritum umschrieben. Dazu kommt zu allen Formengruppen des Aktivs ein neues Mediopassiv. Es wird dadurch gebildet, daß reflexive Pronominalformen in der Enklise an die Verbformen anwachsen, ihren Vokal verlieren und sich -sk (*sik) gegen alle anderen Formen - zuletzt gegen m(i)k der ersten Person Singular - durchsetzt. Gebraucht wird es vor allem reflexiv und reziprok.

Zeiten sind das Präsens zur Bezeichnung unbestimmter, allgemeiner, sich wiederholender oder möglicher sowie bestimmter relativ gegenwärtiger oder zukünftiger Tatsachen sowie das Präteritum als allgemeine Vergangenheit. Dazu kommt ein neues umschriebenes Perfekt und Plusquamperfekt sowie ein umschriebenes Futur samt dem Futurum exactum und den zugehörigen Irrealisformen, das mit Hilfe des Präteritopräsentiums mungebildet wird (ek mun koma  ich werde kommen, ek munda koma  ich würde kommen).

Aussageweisen sind Indikativ, Optativ (Konjunktiv) und im Präsens Imperativ.

Als Numeri erscheinen Singular und Plural mit je 3 Personen.

Außerdem gehören als Verbalnomina der Infinitiv Präsens, das Partizip Präsens und das Partizip des Präteritum zum Verb.

Die Verben flektieren fast ausschließlich thematisch, d.h. sie bilden ihren Indikativ Präsens mit einem Thema- oder Bindevokal. Die starken Verben bilden den Stamm ihres Präteritum durch Ablaut (Partizip des Präteritum auf -n-), die schwachen Verben durch ein dentales Element (Partizip Präteriti auf -ð-). Die Präteritopräsentia fügen zu einem alten Präteritumstamm ein neues schwaches Präteritum.

Der Formenzusammenfall ist beim Verb nicht zu bedeutsam. Am bemerkenswertesten ist die Übertragung der Endung der zweiten Person des Indikativs Präsens aller Klassen auf die dritte Person - und vor allem im Altostnordischen auch auf die erste Person -.

 

I. Starkes Verb

Die starken Verben lassen sich einteilen in die ablautenden Verben und die (ehemals) reduplizierenden Verben. Die ablautenden Verben zerfallen in sechs Klassen. Die ehemals reduplizierenden Verben haben bis auf sā  säen, rōa  rudern, grōa  sprießen, snūa  wenden, gnū  reiben die Reduplikation aufgegeben, die haupttonige Vorsilbe mit der nebentonigen Wurzelsilbe vereinigt und sind dadurch zu sekundären Ablautsformen gekommen (jüngerer Ablaut).

 

Klassen der starken Verben

 

Infinitiv

Prät.Sg.Ind.

Prät.Pl.Ind.

Part.Prät.

 

1.Kl.

grīpa

greip

gripom

gripenn

greifen

2.Kl.

fljōta

flaut

flutom

frotenn

fließen

 

drjūpa

draup

drupom

dropenn

tropfen

 

sūpa

saup

supom

sopenn

saufen

3.Kl.

bresta

brast

brustom

brostenn

bersten

 

bjarga

barg

gurgom

borgenn

bergen

 

spinna

spann

spunnom

spunnenn

spinnen

 

slyngja

slǫng

slungom

slungenn

schleudern

 

søkkva

sǫkk

sukkom

sokkenn

sinken

4.Kl.

bera

bar

b§rom

borenn

tragen

5.Kl.

gefa

gaf

g§fom

gefenn

geben

6.Kl.

fara

fōr

fōrom

farenn

fahren

 

taka

tōk

tōkom

tekenn

nehmen

reduplizierende Verben

 

heita

hēt

hētom

heitenn

heißen

 

auka

iōk

iōkom

aukenn

mehren

 

falla

fell

fellom

fallenn

fallen

 

lāta

lēt

lētom

lātenn

lassen

 

blōta

blēt

blētom

blōtenn

opfern

Infinitiv

 

skjōta (II)

hjalpa (III)

falla (VII)

 

 

schießen

helfen

fallen

 

Präsens Aktiv Indikativ

S.1.P.

skȳt

help

fell

S.2.P.

skȳtr

helpr

fellr

S.3.P.

skȳtr

helpr

fellr

Pl.1.P.

skjōtom

hjǫlpin

fǫllom

Pl.2.P.

skjōteð

hjalpeð

falleð

Pl.3.P.

skjōta

hjalpa

falla

Präsens Aktiv Optativ (Konjunktiv)

S.1.P.

skjōta

hjalpa

falla

S.2.P.

skjōter

hjalper

faller

S.3.P.

skjōte

hjalpe

falle

Pl.1.P.

skjōtem

hjalpem

fallem

Pl.2.P.

skjōteð

hjalpeð

falleð

Pl.3.P.

skjōte

hjalpe

falle

Imperativ

S.2.P.

skjōt

hjalp

fall

Pl.1.P.

skjōtom

hjǫlpom

follom

Pl.2.P.

skjōteð

hjalpeð

falleð

Partizip Präsens

 

skjōtande

hjalpande

fallande

Präteritum Aktiv Indikativ

S.1.P.

skaut

halp

fell

S.2.P.

skauzt

jalpt

felt

S.3.P.

skaut

halp

fell

Pl.1.P.

skutom

hulpom

fellom

Pl.2.P.

skutoð

hulpoð

felloð

Pl.3.P.

skuto

hulpo

fello

Präteritum Aktiv Optativ

S.1.P.

skyta

hylpa

fella

S.2.P.

skyter

hylper

feller

S.3.P.

skyte

hylpe

felle

Pl.1.P.

skytem

hylpem

fellem

Pl.2.P.

skyteð

hylpeð

felleð

Pl.3.P.

skyte

hylpe

felle

Partizip des Präteritum

 

skotenn

holpenn

fallenn

Mediopassiv

Infinitiv (Präsens) lūkask  sich schließen, geschlossen werden

 

Präs.Ind

Präs.Opt.

Prät.Ind.

Prät.Opt.

S.1.P.

lūkomk

lūkomk

lukomk

lykomk

S.2.P.

lȳksk

lūkesk

laukzk

lykesk

S.3.P.

lȳksk

lūkesk

lauksk

lykesk

Pl.1.P.

lūkomsk

lūkemsk

lukomsk

kykemsk

Pl.2.P.

lūkezk

lūkezk

lukozk

lykezk

Pl.3.P.

lūkask

lūkesk

lukosk

lykesk

Imperativ (Präsens)

S.2.P.

lūksk

Pl.1.P.

lūkomsk

Pl.2.P.

lūkezk

Partizip Präsens lūkandesk

Partizip Präteritum lokezk

 

II. Schwaches Verb

Die schwachen, weitgehend abgeleiteten Verben zerfallen nach der Art der Stammbildung bzw. der Ableitungssuffixe in die drei Klassen der -ja-, -ō- und -ai-Verben, während die im Gotischen eine eigene Klasse bildenden -nan-Verben im Altnordischen den -ōn-Verben angeschlossen sind. Die -ja-Verben zerfallen in eine

kurzwurzlige und eine langwurzlige Gruppe. Beispiele für die 1. Klasse (-ja-Klasse) sind telja  zählen (kurzwurzlig) und heyra  hören (langwurzlig), für die 2. Klasse (-ō-Klasse) kalla  rufen und für die dritte Klasse (-ai-Klasse) vaka  wachen, wach sein.

Infinitiv

 

telja

heyra

kalla

vaka

Präsens Indikativ

S.1.M.

tel

heyre

kalla

vake

S.2.M.

telr

heyrer

kallar

vaker

S.3.M.

telr

heyrer

kallar

vaker

Pl.1.M.

teljom

heyrom

kǫllom

vǫkom

Pl.2.M.

teleð

heyreð

kalleð

vakeð

Pl.3.M.

telja

hayra

kalla

vaka

Präsens Optativ

S.1.M.

telja

heyra

kalla

vaka

S.2.M.

teler

heyrer

kaller

vaker

S.3.M.

tele

heyre

kalle

vake

Pl.1.M.

telem

heyrem

kallem

vakem

Pl.2.M.

teleð

heyreð

kalleð

vakeð

Pl.3.M.

tele

heyre

kalle

vake

Imperativ

S.2.P.

tel

heyr

kalla

vake

Pl.1.P.

teljom

heyrom

kǫllom

vǫkom

 

teleð

heyreth

kalleð

vakeð

Partizip Präsens

 

teljande

heyrande

kallande

vakande

Präteritum Indikativ

S.1.P.

talth

heyrða

kallaða

vaktha

S.2.P.

talther

heyrðer

kallaðer

vakther

S.3.P.

talthe

heyrðe

kallaðe

vakthe

Pl.1.P.

tǫlthom

heyrðom

kǫllodom

vǫkthom

Pl.2.P.

tǫlthoð

heyrðoð

kǫlloðoð

vǫkthoð

Pl.3.P.

tǫltho

heyrðo

kǫlloðo

vǫktho

Präteritum Optativ

S.1.P.

teltha

heyrða

kallaða

vektha

S.2.P.

telther

heyrðer

kallaðer

vekther

S.3.P.

telthe

heyrðe

kallaðe

vekthe

Pl.1.P.

telthem

heyrðem

kallaðem

vekthem

Pl.2.P.

teltheð

heyrðeð

kallaðeð

vektheð

Pl.3.P.

telthe

heyrðe

kallaðe

vekthe

Partizip Präteritum

 

taleðr

heyrðr

kallaðr

Mediopassiv

Infinitiv kallask  sich nennen, genannt werden

 

Präs.Ind.

Präs.Opt.

Prät.Ind.

Prät.Opt.

S.1.P.

kǫllomk

kǫllomk

kǫlloðomk

kǫlloðomk

S.2.P.

kallask

kallesk

kallaðesk

kallaðesk

S.3.P.

kallask

kallesk

kallaðesk

kallaðesk

Pl.1.P.

kǫllomsk

kallemsk

kǫlloðomsk

kallaðemsk

Pl.2.P.

kallezk

kallezk

kǫlloðozk

kallaðezk

Pl.3.P.

kallask

kallesk

kǫlloðosk

kallaðesk

Imperativ

S.2.P.

kallask

Pl.1.P.

kǫllomsk

Pl.2.P.

kallezk

Partizip Präsens

 

kallandesk

Partizip Präteritum

 

kallazk

 

III. Präteritopräsentia

Die Präteritopräsentia sind Präteritum- (Perfekt-) Stämme, welche nach dem Verlust der ursprünglichen resultativen Zustandsbedeutung präsentiale Bedeutung angenommen haben (z.B. ich habe gesehen, ich weiß; ich bin in Schulden geraten = ich soll). Bei ihnen tritt das Präteritum an die Stelle des Präsens. Als Präteritum wird nach Art der schwachen Verben eine neue Form geschaffen.

Hierher gehören geordnet nach Ablautreihen

 

 

 

Präs.Sg.

Präs.Pl.

Prät.

Part.

 

 

(1)

vita

wissen, zeigen

veit

vitom

vissa

vitaðr

germ.

*witan

 

eiga

haben

ā

eigom

ātta

āttr

germ.

*aigan

(2)

unna

lieben

ann

unnom

unna

(unnat)

germ.

*unnan

 

kunna

können

kann

kunnom

thurfta

 

germ.

*kunnan

 

thurfa

bedürfen

tharf

thurfom

thurfta

 

germ.

*thurfan

(4)

muna

sich er-

innern

man

munom

munða

munaðr

 

 

 

mono, munu

werden

mon

monom

mynda

 

 

 

 

skolo, skulu

sollen

skal

skolom

skylda

 

germ.

*skulan

(5)

mega

vermögen

megom

mātta

(megat)

germ.

*mugan

 

kn§tto

können

knā

knegom

knātta

 

 

 

IV. Anomale Verben

1. vesa, vera  sein

Dem Indikativ und Optativ des Präsens liegt die Wurzel *es-, *s- zugrunde. Alle übrigen Formen sind zu der Wurzel *wes- gebildet.

 

Indikativ

Optativ

S.1.P.

em

siā

S.2.P.

est

sēr

S.3.P.

es

sē, vese, vere

Pl.1.P.

erom

sēm

Pl.2.P.

eroð

sēð

Pl.3.P.

ero

Imperativ ves,ver

Partizip Präsens

vesane, verande

Präteritum Singular

vas, var

Präteritum Plural

ōrom, v§rom

Präteritum Singular Optativ

vǣra

Partizip Präteritum

veret

2. valda  walten

Das Verbum valda ist im Präsens und im Partizip Präteritum stark, im Präteritum -mit Ablaut- schwach.

valda

Präs. veld

Prät. olla

Par. valde

3. vilja  wollen

Das Verb „wollen“ war ursprünglich ein indikativisch gebrauchter Optativ, zu dem ein neuer Optativ gebildet wird. Das Präsens hat dieselben Formen wie die kurzwurzligen schwachen Verben der ersten Klasse, assimiliert aber lr zu ll (vil; vilja; vill; vilt; vill; viljom; vileð; vilja). Das schwache Präteritum ist ohne Bindevokal gebildet.

 

N. Wortbildung

Wörter können spontan neu geschaffen oder aus bereits vorhandenem Wortgut durch Zusammensetzung (Komposition) oder Ableitung gebildet werden.

I. Zusammensetzung

Bei der Komposition kennt das Altnordische sowohl die echte, im Vorderglied einen reinen Nominalstamm verwendende Komposition (z.B. Grundzahlen, Personennamen) als auch die unechte, durch flektierte Form eines Bestandteils gekennzeichnete Komposition (z.B. an. sunnu-dagr  Sonntag) und sowohl die nominale als auch die verbale und durch Präfix erfolgende (unechte) Komposition, wobei es allerdings zunächst so gut wie alle proklitischen Präfixe aufgegeben und sie erst um 1200 unter mittelniederdeutschem Einfluß zurückgewonnen hat (z.B. forstanda verstehen, mis-trūa mißtrauen, yfir-gefa übergeben).

II. Die Ableitung geschieht durch Anhängung formantischer Elemente, die vielfach keine eigenständige Bedeutung mehr erkennen lassen (Suffixe). Die meisten dieser Suffixe sind aus dem Indogermanischen ererbt, so daß auch für das Altnordische grundsätzlich alle (indo-)germanischen Vokale und Konsonanten als Suffixe in Betracht kommen. Suffixlos sind demgegenüber die Wurzelnomina.

Innerhalb der Ableitung sind nominale und verbale Stammbildung zu unterscheiden.

1 . Nominale Stammbildung

a. Wurzelnomina

Von den im Indogermanischen direkt aus der Wurzel gebildeten Nomina (Wurzelnomina) hat das Altnordische verschiedene bewahrt.

an. fōtr  Fuß, an. mūs  Maus, an. kȳr  Kuh, an. maðr  Mann

b. Vokalsuffixe

-a-                   Nomina agentis und Nomina actionis aus Verbalwurzeln, Adjektive,                   Erweiterung von Wurzelnomina oder anderen Nominalstämmen

                        an. vargr  Wolf, snær  Schnee, bjūgr  gebeugt, enni  Stirn

-ō-                   Nomina actionis

                        an. bjǫrg  Bergung, sāt  Sitz

-i-                    Nomina actionis

                        an. flugr  Flug, munr  Geist

-u-                   Substantive (selten)

                        an. mjǫðr  Met

-ja-, -jō-           Verbalabstrakta

                        an. kyn  Geschlecht

-ī-, -jō- Femina, selten

                        an. thȳ  Magd

-wa-, -wō-       Adjektive

                        an. ǫrr  freigebig, blār  blau

c. Liquidasuffixe

-ra-, -rō-          Adjektive, Substantive

                        an. magr  mager, okr  Wucher

-ru-                 Substantive, selten

                        an. hungr  Hunger

-ri-                   Adjektive, selten

                        an. vitr  weise

(idg. ) -ero       Adjektive

                        an. yðvarr euer

-arja                Nomina agentis (unter lateinischem Einfluß)

                        an. hjalpari  Helfer

-la-, -lō-, -ila-, -ala-, -ula-                   Adjektive, Substantive

                        an. flogall  rasch, svikall  verräterisch, beytill  Stoßer

-sla-, -slō-, -isla-, -isli-, -islo-   Abstrakt- und Konkretbezeichnungen

                        an. vīxl  Wechsel, smyrsl  Salbe, renzla  Rinnsal

d. Nasalsuffixe

-an-, -ōn-        Personenbezeichnungen, Nomina agentis, Feminina, Abstrakt- und                    Konkretbezeichnungen, n-Stämme

                        an. gumi  Mann, an. kona  Frau, stōri  Steuerer, floti  Floß, bera              Bärin, hugi  Gedanke, auga  Auge

-jan-, -jōn-      Personenbezeichnungen, Nomina agentis, Konkretbezeichnungen

                        an. skyti  Schütze, eikja  Einbaum

-īn-                  feminine Eigenschaftsabstrakta

                        an. birti  Glanz

-na-, -nō-, -ana-, -ina-            Adjektive, Substantive, Partizip Präteritum, Infinitiv der                                       starken Verben

                        an. laun  Lohn, sykn  unschuldig, bitinn  gebissen

-īna-                Adjektive

                        an. gullinn  golden

-sna-, -snō-, -asna-, -isna-      Konkretbezeichnungen, selten

                        an. vangsni  Pflugeisen

-ni-, -ani-, -ini-           Adjektive, Substantive

                        an. hreinn  rein, sjōn  Blick

-nu-                 selten

                        an. sonr  Sohn

-njō-, -injō-, -unjō      Feminina, Abstraktbezeichnungen

                        an. āsynja  Asin

-ōnja-              Adjektive der Himmelsrichtung

                        an. austrænn  östlich

-ma-, -mō-      Adjektive, Substantive, kaum mehr produktiv

                        an. varmr  warm, armr  Arm

-mi-                 selten

                        an. ormr Schlange

-man-              Nomina actionis, Konkretbezeichnungen

                        an. svīmi  Schwindel

e. s-Suffixe:

(-iz-) , (-az-) , (uz-)                 Substantive, kaum noch produktiv

                        an. sigr  Sieg, hatr  Haß

-isjō-, -usjō(n)-           Abstrakt- und Konkretbezeichnungen

                        an. øx  Axt

-sa-, -sō-, -isa-, -asa-, -san-, -sōn-                  Abstrakt- und Konkretbezeichnungen,                                                                              Tierbezeichnungen

                        an. geirr  Ger, sax  Schwert, lax  Lachs

-is-, -is-ta-, -ōs-, -ōsta-            Komparativ- bzw. Superlativsuffixe

f. Dentalsuffixe

-th- (-ð-) , -ath-, -ith-, -uth-   selten

                        an. nātt  Nacht

-tha-, -thō-, -itha-, -ithō-        Adjektive, (Partizipien des Präteritum der schwachen                                           Verben), Abstraktbezeichnungen, Konkretbezeichnungen

                        an. dauðr (2)  tot, sun-d  Schwimmen

-than- (-ðan-), -athan-, -ithan-          Abstraktbezeichnungen

                        an. hōsti  Husten, otti  Furcht

-thi-                 Verbalabstrakta, Nomina actionis, Nomina agentis

                        an. thurft  Bedürfnis, drift  Schneegestöber, brūðr  Braut

-thu-, -ōthu-   Verbalabstrakta, Nomina agentis

                        an. friðr  Friede, liðr  Glied, vǫrðr  Wärter, Wächter

-st-                  Substantive

                        an. nest  Nadel, āst Gunst

-nd-, -und-      Verbaladjektive (Partizip Präsens)

                        an. fjandi  Feind, visundr  Wisent

-t-, -ta- Tierbezeichnungen, Konkretbezeichnungen

                        an. hjǫrtr  Hirsch, hnot  Nuß

(idg. -dh-)       Substantive

                        an. haddr  (weibliches) Haupthaar

(idg. -ter-)       Verwandtschaftsbezeichnungen

                        an. faðir Vater

(idg. -tero-, -toro-, -tro-)        Raumbezeichnungen

                        an. hvaðarr  wer von beiden, austr  Osten

(idg. -tel-)        an. friðill  Geliebter

-thra-, -thrō-, -ðra-, -ðrō-       Nomina actionis Instrumentalbezeichnungen

                        an. galdr  Zauberlied, lauðr  Seife

-stra-               Substantive

                        an. bolstr  Polster

-aldra-, -uldra-, -aldrō-, uldrō-           Konkretbezeichnungen

                        an. sjāldr  Augapfel

-thla-, -thlō-, -ðla-      Instrumentalbezeichnungen, Abstraktbezeichnungen

                        an. bōl  Lager

g. Gutturalsuffixe

-ha-, -ga-, -aha-, -aga-, -iga-   Adjektive

                        an. heilagr  heilig, blōðugr  blutig

-ahta-, -uhta-, -ihta-                           Adjektive

                        an. hārōttr  behaart, hrīsōttr  strauchbewachsen

-ska-, -skō-      Adjektive, selten

                        an. rǫskr  tüchtig

-iska-               Adjektive der Herkunft

                        an. danskr  dänisch

-inga-, -unga-             Personen- und Sachbezeichnungen

                        an. blindingr  Blinder, sexœ̄ringer  sechsruderiges Boot

-linga-             Personen- und Sachbezeichnungen

                        an. dǫglingr  Fürst, katlingr  Kätzchen

-ingō-, -ungō- Abstraktbezeichnungen

                        an. lausung  Lüge, threnning  Dreiheit

-k-, -ka-, -kō-, -aka-, -ika-, -uka-                    Tierbezeichnungen

                        an. haukr  Habicht

h. Kompositionssuffixe

-dōma (=dōmr)           germ. *dōmaz  Urteil, Stand, Würde, Ruhm

                        an. vis-domr  Weisheit

-skapi-, -skafti-, (-skapr)         germ. *skapiz, skaftiz  Beschaffenheit

                        an. fjānd-skapr  Feindschaft, boð-skapr  Botschaft

-laika (=leikr)              germ. *laika-, *laikaz  Tanz, Spiel

                        an. sannleikr  Wahrheit, hagleikr  Geschicklichkeit

-stabi- (=stafr)            germ. *stabi-  Stab

                        an. eiðstafr Eid

-daga- (=dagr)            germ. *daga- Tag

                        an. māldagi  Übereinkunft

an. -ingi          Gänger

                        an. bandingi  Gefangener, hofðingi  Häuptling

an. -orð           Wort

                        an. heitorð  Versprechen

-līka- (=ligr)                germ. *lika-  Leib, Körper

                        an. kvennligr  fraulich

-sama- (=samr)           germ. *sama  derselbe

                        an. friðsamr  friedlich

-fasta- (=fastr) germ. *fasta  fest

                        an. vin-fastr, fest  befreundet

Zu beachten sind auch -na, -rœnn, -uni.

2. Verbale Stammbildung

Die verbale StammbiΊdung erfolgt - abgesehen von den wenigen Wurzelverben - ebenfalls mit Hilfe von Suffixen. Dabei können für neue Verben sowohl Nominalstämme als auch Verbalstämme die Ableitungsgrundlage abgeben. Besonders produktiv ist dabei der Bereich der schwachen Verben.

a. Wurzelverben

Von den ohne stammbildendes Suffix gebildeten athematischen Wurzelverben ist nur „sein“ erhalten.

b. Verben mit Präsensreduplikation: selten

            an. titra  zittern

c. Verben mit thematischem Vokal (germ. -i-, -a-): die meisten Präsentien der starken Verben (erste bis fünfte Ablautreihe)

            an. kjōsa  wählen, verða  werden, bera  tragen, vesa  sein

d. Verben mit stammbildendem -ō-: zweite Klasse der schwachen Verben

            an. braka  krachen, spraka  knistern, toga  ziehen

e. Verben mit j-Suffix: starke Verben mit präsensbildendem -ja- Suffix (fünfte und sechste Ablautreihe), schwache Verben der ersten und dritten Klasse

            an. liggja  liegen, hefja  heben, drekkja  tränken

            deyða  töten,  lifa  leben, vaka  wachen

f. Verben mit Nasalformans

            an. standa  stehen, visna  welken

g. Verben mit s-Suffix

            an. glefsa  schnappen, tafsa  kratzen

h. Verben mit sk-Suffix: selten

            an. œskīa  wünschen

i. Verben mit t-Erweiterung

            an. falda  falten

k. Verben mit st-Suffix

            an. bresta  bersten

l. Verben mit t (-idg. -dh)-Erweiterung

            an. valda  walten

m. Verben mit z (idg. -d)-Erweiterung

            an. melta  verdauen, skjōta schießen

n. Verben mit k-Suffix           Ableitungen von AdΊektiven und Substantiven, Iterative

            an. dȳrka  verehren, thurka  trocknen

o. Verben mit l-Suffix            Iterative, Deminutive

            an. rugla  verwirren

p. Verben mit r-Suffix           Iterative

            an. klifra  klettern

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

O. Fremdsprachliche Einfløsse auf den Wortschatz

Mit den verschiedenen Möglichkeiten fremdsprachlichen Einflusses auf den Wortschatz hat sich vor allem Werner Betz am Beispiel des Althochdeutschen befaßt. Auf Grund seiner Arbeiten läßt sich folgende Systematik erstellen:

 

 

Fremdsprachlicher Einfluss

 

 

 


                                                                                                                 

     bezüglich der Form                                                          bezüglich des Inhaltes

     (Fremdwort oder                                                              (Lehnprägung)

     Lehnwort)

                                                                                                                     

 

 

 


                                                                        Lehnbildung                             

                                                                                                                          

                                                                                                                          

                                                                                                                                            

 

 


                                                         Lehnformung              

                                                                                              

                                                                                              

                                                                                              

 

 

Fremd-            Lehn-         Lehnüber-            Lehnüber-             Lehnschöpf-         Lehnbe-

wort                wort           setzung z. B.        tragung z. B.        ung z. B.               deutung

z. B.                 i. e. S.         lat. con-scien-      lat. paenin-           frz. cognac           z. B. lat.

blue                 z. B.            tia dt. Ge-             sula dt.                  dt. Wein-              deus dt.

jeans                Bischof       wiss-en                Halbinsel              brand                    Gott

                                          

 

Dabei sind Fremd- und Lehnwörter Übernahmen der Formen (Lautgestalten) fremder Sprachen. Fremdwort ist das aus einer fremden Sprache unter Bewahrung seiner Lautgestalt übernommene Wort (nhd. blue jeans), Lehnwort das aus einer fremden Sprache unter Abänderung der Lautgestalt übernommene Wort (nhd. Bischof), wobei die Grenze zwischen Bewahrung und Abänderung der Lautgestalt nicht in jedem Fall eindeutig gezogen werden kann.

Lehnprägungen sind Wiedergaben fremdsprachlicher Inhalte mit eigensprachlichen Mitteln. Lehnbildung ist die Nachbildung des fremden Wortes mit eigensprachlichem Material. Dabei bildet die Lehnübersetzung das - mehrgliedrige - fremde Wort Glied für Glied nach (lat. conscientia Gewissen). Die Lehnübertragung folgt teilweise dem - mehrgliedrigen - Vorbild und teilweise nicht (lat. paeninsula  Halbinsel). Die Lehnschöpfung verdankt dem Vorbild nur den gedanklichen Anstoß (frz. cognac  Weinbrand). Die Lehnbedeutung ist die Erweiterung bzw. Veränderung der Bedeutung eines ererbten eigensprachlichen Wortes unter dem Einfluß eines fremdsprachlichen Wortes (Gott, Geist, Seele).

Innerhalb dieser verschiedenen Möglichkeiten des fremdsprachlichen Einflusses sind Fremd- und Lehnwort relativ einfach zu erkennen, Lehnprägungen dagegen oft nur møhsam und unsicher zu ermitteln. Im einzelnen können hierbei folgende Merkmale auf fremdsprachlichen Einfluß deuten: Bauentsprechung zwischen fremd- und eigensprachlichem Wort, späte Produktivitätszeit eines Wortbildungselementes, fremdsprachliche Regelmäßigkeit einer Wortbildung, Komplexität einer Wortbildung, geringe Belegzahl (insbesondere hapax legomenon), spätes Auftreten, Fehlen in anderen germanistischen Sprachen oder anderen eigensprachlichen Sprachstufen, miteinander konkurrierende Interpretamente für ein einziges Lemma, Textcharakter (z.B. Interlinearversion, Glosse) oder kulturelle Beeinflussung. Je mehr dieser Merkmale in einem Fall gegeben sind, desto sicherer kann der fremdsprachliche Einfluß vermutet werden.

Soweit dies bisher möglich ist, ist auf entsprechende fremdsprachliche Einflüsse, von den besonders die lateinischen, altenglischen und die mittelniederdeutschen hervortreten, hingewiesen.