Köbler,
Gerhard, Zielwörterbuch integrativer europäischer Rechtsgeschichte, 6. Auflage
2014, 201904010. Fassung
(14300 Absätze, 794500 Wörter, 5741000 Zeichen)
A
A. A. (lat. [M.]) ist die Abkürzung für den
abstrakt Aulus Agerius genannten Kläger des römischen →Formularprozesses.
Lit.: Söllner § 9
Aachen ist der ohne nachweisbare Kontinuität
zu einer römischen Siedlung an den Ausläufern des Hohen Venn 765/766 als fränkische
königliche →Pfalz erscheinende Ort, der nach der Reichsteilung 843/877 in
eine Randlage gerät. Von 936 (Otto I.) bis 1531 (Ferdinand I.) ist es
Krönungsstätte der deutschen Könige (mit Thronsetzung auf einen Marmorthron).
1071 wird A. (lat. [N.]) oppidum genannt, 1087 werden [lat. M. Pl.) cives
erwähnt. In den 1120er Jahren kommt ein Stadtsiegel auf. 1166 erhält A.
besondere Rechte. Die 1192 neben der Gesamtheit der Bürger nachweisbaren
→Schöffen entwickeln sich seit 1134 (?) zu einem bedeutenden →Oberhof
für teilweise bis zu 200 meist aus Reichsgut stammende Gerichte. Bis 1254 wird
A. freie →Reichsstadt (Reichslandstadt) bis zur Besetzung durch
Frankreich (1794). Über Preußen (1815) gelangt es 1946 zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Loersch, H., Achener Rechtsdenkmäler,
1871; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924; Schwabe, W., Zeitschrift
des Aachener Geschichtsvereins 47 (1925), 48/49 (1926/1927); Herkens, R., Der
Anspruch Aachens auf Krönung der deutschen Könige nach 1531, Diss. jur. Bonn
1959; Regesten der Reichsstadt Aachen, bearb. v. Mummenhoff, W. u. a., 1961ff.;
Falkenstein, L., Der „Lateran“ der karolingischen Pfalz zu Aachen, 1966;
Aachener Urkunden, bearb. v. Meuthen, E., 1979; Kraus, T., Jülich, Aachen und
das Reich, 1988; Die Aachener Stadtrechungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v.
Kraus, T., 2004; Herrmann, T., Anfänge kommunaler Schriftlichkeit, 2006;
Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010; Aachen, hg. v. Kraus, T., Bd.
1f. 2011ff.
Aargau ist das um die Aare gelegene Land,
das als A. 763 erstmals erscheint. 1415 erobert die Eidgenossenschaft der
→Schweiz Teile des Gebiets. 1798/1803 wird daraus der Kanton A., der 1831
eine liberale Verfassung erhält.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merz, W. u. a.,
Die Rechtsquellen des Kantons Aargau, Teil 1ff. 1898ff.; Merz, W.,
Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906; Nabholz,
H., Der Aargau nach dem habsburgischen Urbar, Argovia 33 (1909); Dubler, H.,
Der Kanton Aargau und das Bistum Basel, 1921; Merz, W., Die Jahrzeitbücher der
Stadt Aarau, Teil 1f. 1924ff.; Merz, W., Geschichte der Stadt Aarau im
Mittelalter, 1925; Aargauer Urkunden, Teil 1f. 1931ff.; Strebel, K., Die
Verwaltung der freien Ämter im 18. Jahrhundert, 1940; Werder, M., Die
Gerichtsverfassung des aargauischen Eigenamtes, 1941; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,440; Geissmann, H., Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
für den Kanton Aargau (1847-1855), 1991
Abandon ist die wohl im
spätmittelalterlichen italienisch-französischen Seerecht entstehende
Möglichkeit der Aufgabe der Rechte an einem Gegenstand, um Haftungsfreiheit
bzw. später Versicherungsleistung zu erlangen. Der A. erscheint erstmals in
einem Statut der Stadt Kampen vom 14. 2. 1372. Im 19. Jh. findet der A. Eingang
in das Recht der juristischen Personen des Gesellschaftsrechts.
Lit.: Hantke, G., Der Abandon, 1912; Rehme, P.,
Geschichte des Handelsrechts, 1913; Helberg, O., Der Abandon in der
Seeversicherung, 1925; Martin, L., L’abandon, 1957; Landwehr, G., Prinzipien
der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in) Wirkungen europäischer
Rechtskultur, 1997, 595
abdingbar (Adj.) durch Vereinbarung abänderbar
Lit.: Kähler, L., Begriff und Rechtfertigung abdingbaren Rechts, 2012
Abecedarium (bzw. Promptuarium, Remissorium, Vocabularium) ist das auf Grund antiker
Gedankengänge seit dem 13. Jh. entstehende alphabetisch geordnete Sammelwerk
eines Rechtsgebiets (römisches Recht, kirchliches Recht, um 1400 Greifswalder
A. für →Sachsenspiegel und Sachsenspiegelglosse mit 7 Handschriften, 1402
Preetzer A., 1414ff. A. von Achte bis Wunden, vor 1421ff. Schlüssel des
Landrechts, 1. H. 15. Jh. Rechtsabecedarium der 2200 Artikel, E. 15. Jh.
Erlanger Promptuarium mit etwa 1400 Artikeln, 1490-1493 Remissorium Kaspar
Popplaus).
Lit.: Steffenhagen, E., Das Preetzer Abecedarium mit
dem Richtsteig Landrechts, Z. d. Ges. f. Schleswig-Holstein-Lauenburgische
Gesch. 22 (1892), 297; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a.,
1980, 143ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990,
77
Abendmahlsprobe ist die an das christliche
Abendmahl anknüpfende Form des →Gottesurteils.
Aberacht ist die seit dem Hochmittelalter
belegte, nach fruchtlosem Verstreichenlassen einer Frist von →Jahr und
Tag eintretende Verstärkung der →Acht.
Lit.: Siuts, H., Bann und Acht, 1959
Aberdeen am Don in Schottland wird um 1130
Sitz eines Bischofs und 1494/1495 Sitz einer Universität.
Lit.: Keith, A., A thousand Years of Aberdeen, 1972;
The Aberdeen Stylebook 1722, hg. v. Meston, M./Forte, A., 2000
Aberglaube (15. Jh. in Glosse zum Sankt Trudperter
Hohenlied) ist der von einem herrschenden Glauben als abwegig verworfene
Glaube (lat. [F.] superstitio).
Lit.: Feine, J., Der Aberglaube, 1857; Schefold, K. u. a., Der
Aberglaube im Rechtsleben, 1912; Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg.
v. Bächtold-Stäubli, H., Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck 1987, digitalisierte
Fassung 2006; Freytag, N., Aberglauben im 19. Jahrhundert, 2003; Hersperger,
P., Kirche, Magie und Aberglaube, 2010
Abfall ist der nach Nutzung einer Sache verbleibende,
nicht mehr genutzte oder nutzbare Rest (z. B. Knochen, Verpackung, Altöl). Zum
Wohl der Gesellschaft muss er vor allem in den Städten gesammelt und zunächst
gelagert (deponiert), nach seiner großen Vermehrung seit der zweiten Hälfte des
20. Jh.s aus wirtschaftlichen Überlegungen aber vor allem auch wiederverwertet
werden.
Lit.: Abfall, hg. v. Rusterholz, P./Moser, R., 2004; Evans, D.,
Vershwendung – Wie aus Nahrung Abfall wird, 2017
Abgabe ist die Leistung von Gegenständen
an die Allgemeinheit, an eine besondere Einrichtung oder an besondere
Einzelne. Die rechtliche Grundlage der A. ist verschieden. Meist beruht die A.
auf einer Pflicht zur Unterstützung als Gegenleistung für einen Schutz oder
eine Gebrauchsmöglichkeit. In der Naturalwirtschaft besteht die A. in Sachen,
in der Geldwirtschaft in Geld. 1919 fasst das Deutsche Reich das Recht der
Abgaben in der Reichsabgabenordnung (Enno Becker, u. a. Beginn der Überführung
des Steuerstrafrechts aus dem Verwaltungsstrafrecht in das
Kriminalstrafrecht) zusammen, die 1976 im Sinne eines Mantelgesetzes für die
Abgaben erneuert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Pöhlmann, C., Was ist
Seltertum, ZRG GA 55 (1935), 243; Becker, A., Was ist Seltertum, ZRG GA 56
(1936), 398; Löning, G., Muntepenninge, ZRG GA 59 (1939), 273; Müller, W., Die
Abgaben von Todes wegen in der Abtei St. Gallen, 1961; Henning, F., Dienste und
Abgaben der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Steuern, Abgaben und Dienste, hg.
v. Schremmer, E., 1994; Giese, F., Abgabenordnung im Dritten Reich, 1998; Gehm,
M., Die steuerstrafrechtlichen Bestimmungen in der Reichsabgabenordnung vom 13.
Dezember 1919, 2010
Abgeordneter ist allgemein der durch eine Anordnung an eine
Stelle Gesetzte, insbesondere der Volksvertreter im Parlament. Er ist nach dem
vorzugswürdigen Grundsatz des freien Mandats nicht an den Willen der ihn
Abordnenden gebunden (so aber DDR 1968), sondern in seiner Entscheidung nur
seinem Gewissen und der Verantwortung für die Gesamtheit unterworfen. In
Österreich führt die Februarverfassung des Jahres 1861 ein von den Landtagen
besetztes Abgeordnetenhaus als zweite Kammer des Reichsrats neben dem
Herrenhaus ein (1873 direkte Wahl, wegen des Nationalitätenkonflikts zeitweise
handlungsunfähig, 12. 11. 1918 letzte Sitzung).
Lit.: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter
Nationalversammlung, bearb. v. Best, H. u. a., 1996
Abkürzung ist die aus Zweckmäßigkeitsgründen gekürzte
Form einer Gegebenheit (z. B. eines Wortes oder Weges).
Lit.: Kirchner, H., Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. A.
2008; Schuler, P., Abkürzungslexikon, 2007 (vom Verlag zurückgezogen); Frenz,
T., Abkürzungen. Die Abbreviaturen der lateinischen Schrift, 2010;
Froesch, H., Lexikon lateinischer Abkürzungen, 2014
Ablass ist die in Nordspanien und
Südfrankreich im 11. Jh. (u. a. Clermont 1095 Ablass für Teilnahme am Kreuzzug,
1187 für geldliche Förderung eines Kreuzzugs, um 1300 von Verbindung zu Kreuzzügen
gelöst) in der christlichen →Kirche aus der Bitte um Vergebung und
Nachlass einer Folge (Buße) entstehende, auch vor Gott verbindliche Befreiung
von zeitlichen Sündenfolgen. Die ältesten Ablässe begnügen sich mit einem
Erlass von 20 oder 40 Tagen Buße. Die zahlenmäßige und artmäßige Erweiterung
führt bereits im 13. Jh. zu scharf gerügten Missständen. Der Kauf von A. (auch
für Verstorbene) wird ein wichtiger Anlass für die reformatorischen Ziele (John
Wyclifs, Johannes Hus’ und) Martin →Luthers. Nach gegenwärtigem
Verständnis der katholischen Kirche ist A. Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott
für Sünden, deren Schuld bereits getilgt ist (can. 992 CodIurCan 1983).
Lit.: Paulus, N., Geschichte des Ablasses im
Mittelalter, Bd. 1f. 1922f.; Köhler, W., Dokumente zum Ablassstreit von 1517,
2. A. 1934; Poschmann, B., Der Ablass, 1948; Bornkamm, H., Thesen, 1967;
Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007; Hamm,
B., Ablass und Reformation, 2016; Laudage, C., Das Geschäft mit der Sünde, 2016
Ablösungsgesetzgebung ist die Gesetzgebung des 19. Jh.s
zur Beseitigung grundherrschaftlicher Rechte bzw. aufgespalteten Eigentums mit
oder ohne Entschädigung zwecks Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und
aufgeklärter Gedanken. Dazu erlässt nach der Aufhebung aller Frondienste,
Zehnten und anderen Feudalrechte durch die Nationalversammlung Frankreichs am
4. 8. 1789 der Staat →Preußen am 9. 10. 1807 das Edikt betreffend den
erleichterten Besitz des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der
Landbewohner, das die persönliche Abhängigkeit der →Bauern von den
→Grundherren entschädigungslos aufhebt. Dem folgen am 14. 9. 1811
zwecks Aufhebung der auf privatrechtlichen Titeln beruhenden dinglichen
Abhängigkeit das Edikt, die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen
Verhältnisse (Regulierungsedikt) betreffend und das Edikt zur Beförderung der
Landeskultur (Landeskulturedikt), nach denen der Bauer auf Antrag eines
Beteiligten Eigentum an dem von ihm bewirtschafteten Hof erhält, wofür er als
erblicher Besitzer ein Drittel, als nichterblicher Besitzer die Hälfte des
Grundes dem Grundherrn überlassen oder eine dauernde Rente zahlen muss. Dadurch
werden viele Bauern überfordert, so dass sie ihr neues Eigentum aufgeben
müssen. Um dies zu vermeiden, richten Sachsen und Kurhessen (1832) öffentliche
→Rentenbanken ein, die dem Grundherrn den Ablösungsbetrag in
Rentenbriefen entrichten und dadurch den Bauern die Tilgung der Ablöseschuld in
40 bis 60 Jahren ermöglichen. Abgelöst werden auf Grund wirtschaftlicher
Überlegungen auch die Nutzungsrechte der Bauern in staatlichen oder
grundherrschaftlichen Wäldern (Hessen 1814, Preußen 1821).
Lit.: Danckelmann, B., Die Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten, Bd. 1f. 1880ff.; Knapp, G., Die Bauernbefreiung, 1887
Abmeiern ist das (vorzeitige) Beendigen des
grundherrschaftlichen →Meierrechts durch den Grundherrn in Niedersachsen
und Ostwestfalen seit dem 14. Jh. Seit 1597 (Salzduhmscher Landtagsabschied)
wird das A. vor allem aus fiskalischen Überlegungen verrechtlicht
(Meierordnungen, z. B. Calenberg 1772), mit der →Bauernbefreiung durch
Ersetzung des Meierrechts durch Eigentum beseitigt.
Lit.: Pfeiffer, B., Das deutsche Meierrecht, 1855;
Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Mohr, W., Die
Abmeierung, 1942; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1961
Abschichtung ist die (dem römischen Recht
unbekannte) vermögensrechtliche Verselbständigung eines Kindes bei
(tatsächlichem) Ausscheiden aus dem Hausverband. Sie betrifft im Mittelalter
fast nur Söhne. Der Sohn kann A. verlangen, sobald er „zu seinen Jahren kommt“
(d. h. mündig wird). Regelmäßig wird der Sohn abgeschichtet, wenn er bei
Eheschließung einen selbständigen Haushalt gründet. Mit der A. erlischt die
väterliche Herrschafts- und Schutzgewalt. Die Teilungsquote ist
unterschiedlich (z. B. Kopfteil vom Ganzen, Sohneskopfteil von der Hälfte). Die
A. wird in Österreich durch (den Codex Theresianus von 1766 und) das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 (vollständig 1919), im deutschen Reich durch
das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 und im Schweizer Recht durch das
Zivilgesetzbuch von 1907/1911 durch das Erreichen der Vogtbarkeit bzw. der
Großjährigkeit bzw. der Volljährigkeit ersetzt
Lit.: Hübner 702; Adler, S., Eheliches Güterrecht und
Abschichtungsrecht, 1893; Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der
Minderjährigen, 1980; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999
Absetzung ist die Entfernung eines Menschen
aus einer Tätigkeit und eines Wertes aus einem Vermögen (z. B. Absetzung für
Abnutzung). Die A. eines Amtsträgers begegnet schon früh (z. B. Vertreibung des
römischen Königs). Sie wird in der Neuzeit verrechtlicht.
Lit.: Bund, K., Thronsturz und Herrscherabsetzung im
Frühmittelalter, 1979; Krah, A., Absetzungsverfahren, 1987; Rexroth, F.,
Tyrannen und Taugenichtse, HZ 278 (2004), 27; Wallner, M., Zwischen
Königsabsetzung und Erbreichsplan, 2004; Schubert, E., Königsabsetzung im
deutschen Mittelalter, 2005
Absicht ist der unmittelbar auf den Erfolg
als Ziel gerichtete Wille des Täters. Das römische Recht kennt den (lat. [M.])
dolus als Bezeichnung eines Verschuldens. Im Mittelalter wird der auf den
Erfolg als Ziel gerichtete Wille oft durch (lat.) animo deliberato, cum
deliberato consilio, contumaciter, dolose und (mhd.) geverlich oder mutwillig
beschrieben. Folgen zieht in erster Linie das im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit
gewollte Unrecht nach sich. Im 20. Jh. wird die für den deliktischen Vorsatz
das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit verlangende Vorsatztheorie (Binding 1877)
im Strafrecht durch die als subjektive Voraussetzung der Rechtswidrigkeit
bereits die Möglichkeit der Einsicht in das Verbotensein der Tat genügen
lassende Schuldtheorie (Kohlrausch 1903, Carl Schmitt 1910) verdrängt.
Lit.: Mayer, M., Die schuldhafte Handlung und ihre
Arten im Strafrecht, 1901; Schmitt, C., Über Schuld und Schuldarten, 1910 His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964,
68ff.; Beul, C., Si mensor falsum modum dixerit, 1998
absolut (Adj. bzw. Adv.) vollständig, unbedingt,
uneingeschränkt, gegen jedermann wirkend (Gegensatz relativ)
absolutio (F.) ab instantia →Instanzentbindung
Absolutismus ist die im Einzelnen sehr
vielfältige Herrschaftsform, bei welcher der Inhaber der Herrschaftsgewalt
(Monarch) dem Untertanen gegenüber grundsätzlich unbedingte (absolute,
unbeschränkte) Macht hat. Der frühe A. entwickelt sich in Spanien, Frankreich
und England bis zum Ende des 15. Jh.s. Unterstützt wird der A. durch theoretische
Ansichten, welche die Enttheologisierung der Herrschaft und die Unteilbarkeit
der Staatsgewalt fordern (→Machiavelli, Nicolò [1469-1527], Il principe,
1513, →Bodin, Jean [1529-1596], Les six livres de la République, 1576,
[lat.] maiestas est summa in cives ac subditos legibusque soluta potestas, die
maiestas ist die [zeitlich unbegrenzt] gegenüber den Bürgern und Untertanen
bestehende höchste und von den Gesetzen [nicht aber von göttlichem Recht,
Naturrecht, Fundamentalgesetzen] losgelöste Gewalt). Begünstigt wird der A.
dadurch, dass die Stände vielfach konfessionell gespalten sind und deswegen den
Frieden in einem Land nicht sichern können. Mittel zur Durchsetzung der
absoluten Herrschaft werden die Aufstellung eines stehenden Heeres, der Aufbau
einer allein vom Herrscher abhängigen Beamtenschaft und die Einführung eines
Staatswirtschaftssystems. Voraussetzung des A. ist die Entmachtung des
→Adels hinsichtlich der Mitwirkung (bzw. formaler Mitspracherechte
[Ersetzung durch informale Verständigung]) bei der →Landesherrschaft (in
der Regel ohne Änderung der förmlichen Rechtsgrundlage der Herrschaft, z. B.
Habsburg bzw. Österreich seit 1620). Der Höhepunkt des A. wird unter Ludwig
XIV. (1643-1715) in →Frankreich erreicht. Im Heiligen römischen Reich eifern
dem viele Landesfürsten nach (z. B. Friedrich Wilhelm [1620-1688] von
Brandenburg bzw. Preußen, August der Starke [1670-1733] von Sachsen bzw. Polen,
Maria Theresia in Österreich). In der Mitte des 18. Jh.s (Friedrich II. in
Preußen, Joseph II. in Österreich, Anna Amalia und Carl August in
Sachsen-Weimar, Peter Leopold in Toskana, Gustav III. in Schweden, Katharina
II. in Russland) setzt im aufgeklärten A. (Reformabsolutismus) der Fürst als
erster Diener des Staates wohlfahrtsstaatliche Änderungen in Gang
(Bildungspolitik, Bauernbefreiung, Gerichtsorganisation). In Frankreich
beendet die Revolution des Jahres 1789 den als Anspruch bedeutsamen, als
Wirklichkeit kaum tatsächlich durchgesetzten A.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Bodin, J., Les six livres
de la république, 1576, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BodinJeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf;
Hobbes, T., Leviathan 1651; Feine, H., Einwirkungen des absoluten Staatsgedankens
auf das deutsche Kaisertum, ZRG GA 42 (1921), 474; Fehr, H., Der Absolutismus
in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Sturmberger, H., Kaiser Ferdinand II.
und das Problem des Absolutismus, 1957; Carsten, F., Princes and parliament in
Germany, 1959; Conrad, H., Rechtsstaatliche Bestrebungen, 1961; Schnur, R.,
Individualismus und Absolutismus, 1962; Oestreich, G., Geist und Gestalt des
frühmodernen Staates, 1969; Conrad, H., Staatsgedanke und Staatspraxis, 1971;
Dreitzel, H., Protestantischer Aristotelismus und absoluter Staat, 1970;
Absolutismus, hg. v. Hubatsch, E., 1973, 2. A. 1988; Der aufgeklärte
Absolutismus, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1974; Anderson, P., Lineages of the
Absolutist State, 1974; Aufklärung, hg. v. Hinrichs, E., 1985; Hubatsch, W.,
Das Zeitalter des Absolutismus 1600-1789, 4. A. 1975; Anderson, P., Die
Entstehung des absolutistischen Staates, 1979; Aspekte des europäischen
Absolutismus, hg. v. Patze, H., 1979; Reinalter, H., Aufgeklärter Absolutismus
und Revolution, 1979; Mousnier, R., La monarchie absolue en Europe, 1982; Meyer,
J., Frankreich im Zeitalter des Absolutismus, 1990; Henshall, N., The Myth of
Absolutism, 1992; Dreitzel, H., Absolutismus und ständische Verfassung in
Deutschland, 1992; Cornette, J., Absolutisme et Lumières, 1993, 2. A. 2000, 3.
A. 2003, 4. A. 2005, 5. A. 2008; Der Absolutismus – ein Mythos?, hg. v.
Duchhardt, H., 1996; Vec, M., Zeremonialwissenschaft im Fürstenstaat, 1998;
Reformabsolutismus und ständige Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G. u. a., 1998;
Duchhardt, H., Das Zeitalter des Absolutismus, 3. A. 1998 (mit rund 1400
Literaturnachweisen); Hinrichs, E., Fürsten und Mächte, 2000; Der aufgeklärte
Absolutismus im europäischen Vergleich, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2002; Seif,
U., Recht und Justizhoheit, 2003, (Müßig, U., Recht und Justizhoheit,) 2. A.
2009; Reinalter, H., Lexikon zum aufgeklärten Absolutismus, 2005; Absolutismus,
ein unersetzliches Forschungskonzept?, hg. v. Schilling, L., 2008; Feist, D.,
Absolutismus, 2008; Blänkner, R., „Absolutismus“, 2011 (= Dissertation von
1990)
Abstimmung ist das durch Abgabe einzelner
Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) erfolgende Verfahren zur
Ermittlung des Willens (Gemeinwillens) einer Gesamtheit von zu einer
Entscheidung zugelassenen Menschen oder Personen hinsichtlich einer bestimmten
Frage. Als eine besondere Form der A. ist bereits im antiken Athen der
Ostrazismus bekannt, bei dem der Angehörige des Volkes mittels je eines
Tonscherbens (griech. ostrakon) darüber abstimmen kann, ob ein Bürger, der die
politische Ordnung gefährdet, für 10 Jahre ohne Verlust des Vermögens und
seiner sonstigen Rechtsstellung verbannt werden soll. Im Einzelnen erfolgen
dann Abstimmungen nach ziemlich unterschiedlichen Regeln (z. B. Stimmzählung
und Mehrheitsentscheidung in der Goldenen Bulle 1356, Willensbildung nach
Kurien im Reichstag des Heiligen römischen Reiches), bis in der Mitte des 19.
Jh.s sich die Einheitlichkeit des Abstimmungskörpers mit grundsätzlich gleichem
Stimmrecht (Verfassung des deutschen Reiches von 1848) durchzusetzen beginnt.
Im 20. Jh. ist die A. des Volkes über eine politische Frage ein Entscheidungsverfahren
unmittelbarer Demokratie. Eine Sonderform der A. stellt die →Wahl dar.
Lit.: Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen
Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217; Stutz, U., Der Jüngste stimmt zuerst, ZRG GA 49
(1929), 435; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Scheuner, U., Das
Mehrheitsprinzip, 1973; Heun, W., Das Mehrheitsprinzip, 1983; Bleicken, J., Die
Verfassung der römischen Republik, 2000
Abstraktion (1571) ist
die Lösung eines allgemeine Merkmale enthaltenden Umstands von einzelnen
Erscheinungsformen. Im 19. Jh. setzt die →Pandektistik auf der Grundlage
einer Entscheidung des römischen Juristen Julian/Iulianus (Hadrumetum um 100-um
170) die Trennung des →Verfügungsgeschäfts (→Übereignung,
→Abtretung) von dem ihm als Grund (lat. [F.] causa) zugehörigen
→Verpflichtungsgeschäft und die Trennung des Innenverhältnisses (Auftrag)
vom Außenverhältnis (Vollmacht) mit Hilfe des Prinzips der A. durch (Abstraktionsprinzip).
Lit.: Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Landwehr, G., Abstrakte Rechtsgeschäfte, (in)
Rechtsdogmatik und Rechtspolitik, 1990, 173; Eisenhardt, U., Die Entwicklung
des Abstraktionsprinzips, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Ferrari, F., Vom Abstraktionsprinzip und Konsensualprinzip zum
Traditionsprinzip, ZEuP 1993, 52; Rodríguez-Rosado, B., Abstraktionsprinzip und
redlicher Erwerb als Mittel zum Schutze des Rechtsverkehrs, 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Abt (Lehnwort lat. abbas, abbatem [Akk.] 4. Jh., „Abt,
Vater“, Lehnwort gr. ábba, aram. abba, „Vater“, Lallwort) ist seit dem 4. Jh.
der Leiter einer rechtlich selbständigen Niederlassung eines christlichen
→Ordens des weströmischen Gebiets. Er wird als geistlicher Vater (lat.
pater [M.] spiritualis) verstanden. Die auf den Kirchenvater Augustinus
(354-430) zurückgehende Ordensregel Benedikts von Nursia (480-547) legt
Einzelheiten der Stellung genauer fest. Demnach erfordert die Weihe zum anfangs
vom Bischof eingesetzten, nach den Novellen Justinians von sämtlichen Mönchen
gewählten A. vorbildliche Lebensführung und Weisheit. Der A. hat gegenüber den
Mönchen Rechte wie ein Vater gegenüber Kindern. Deshalb schulden die Mönche
Gehorsam und Ehrerbietung. Im fränkischen Reich tritt neben das freie Wahlrecht
der Mönche das Einsetzungsrecht eines jeweiligen Herrn (einer Gründerfamilie).
Seit karolingischer Zeit wird der A. auch mit weltlichen Aufgaben betraut.
Synoden von Rom (826) und Poitiers (1078) sowie das Konzil von Vienne (1311/2)
legen die Voraussetzung der Weihe zum Priester für den A. fest. Im 11. und 12.
Jh. dringt der Grundsatz der freien Wahl für kurze Zeit wieder vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hegglin, B., Der
benediktinische Abt, 1961; Salmon, P., L’abbé dans la tradition monastique,
1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Seibert, H.,
Abtserhebungen, 1995; Wiech, M., Das Amt des Abtes im Konflikt, 1999
Abtei (lat. [F.] abbatia) ist seit der
frühen Neuzeit die von der Stellung und Tätigkeit eines Abtes übernommene
Bezeichnung für die von einem →Abt geleitete, rechtlich selbständige
Niederlassung eines christlichen Ordens. Die A. kann →Reichsabtei,
landsässige A. oder der römischen Kirche unterstellte freie A. sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Blume, K., Abbatia, 1919;
Wehlt, H., Reichsabtei und König, 1970; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Brandstetter, A., Die Abtei, 1999
Äbtissin ist die Leiterin einer rechtlich selbständigen
Niederlassung eines christlichen Frauenordens (des weströmischen Gebiets).
→Abt
Lit.: Klapp, S., Das Äbtissinnenamt in den
unterelsässischen Frauenstiften, 2012; Schröder-Stapper, T., Fürstäbtissinnen,
2015
Abtreibung ist der künstlich herbeigeführte
vorzeitige Abgang der (beseelten) menschlichen Leibesfrucht aus dem
Mutterleib. Die A. ist nach römischem Recht zeitweise zulässig. Die
→Kirche wertet sie zunächst in jedem Fall als →Mord, Gratian (um
1140) beurteilt aber die A. vor dem 40. Tag der Schwangerschaft auf Grund von
Exodus 21,22-23 milder. Die Aufklärung lehnt die kirchliche Lehre ab. Seit etwa
1970 (z. B. Österreich 1974) wird die kirchliche Auffassung im weltlichen Recht
zunehmend eingeschränkt und der medizinisch einfach gewordene Schwangerschaftsabbruch
in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft als (nach einer Beratung in
Deutschland seit 1995 zwar rechtswidrig, aber) straffrei zugelassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lewin, L., Die
Fruchtabtreibung, 4. A. 1925; Huser, R., The Crime of Abortion, Diss.
Washington 1942; Noonan, J., The Morality of Abortion, 1970; Jerouschek, G.,
Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, 1988;
Gante, M., § 218 in der Diskussion, 1991; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte,
R., 1993; Onstein, H., Die Entwicklung der Straftatbestände der Abtreibung,
Diss. jur. Münster 1996; Müller, P., Die Abtreibung, 2000 (2012 englisch);
Jerouschek, G., Lebensschutz und Lebensbeginn, 2002; Bett, J., Die Beurteilung
der embryopathischen Indikation zum Schwangerschaftsabbruch, Diss. jur.
Tübingen 2003; Putzke, S., Die Strafbarkeit der Abtreibung in der Kaiserzeit,
2003; Koch, C., Schwangerschaftsabbruch, 2004; Behren, D. v., Die Geschichte
des § 218 StGB, 2004; Usborne, C., Cultures of Abortion in Weimar Germany,
2007; Müller, W., The Criminalization of Abortion in the West, 2012
Abtretung (lat. [F.] cessio) (1360) ist
die Übertragung einer Forderung von einem bisherigen →Gläubiger
(Zedenten) auf einen anderen (Zessionar), der damit neuer Gläubiger wird. Sie
ist im römischen Recht ausgeschlossen, weil die Verbindlichkeit als
höchstpersönliches Band zwischen Gläubiger und Schuldner betrachtet wird. Erst
spät lässt das römische Recht mit Hilfe der Einrichtung des Prozessmandats
(Geltendmachung der Forderung des Gläubigers durch einen Beauftragten) und der
Novation in Form einer Stipulation zwischen Schuldner und Neugläubiger
wenigstens die Übertragung eines selbständigen Rechtes zu, eine fremde
Forderung auszuüben. Im Gegensatz hierzu entwickelt sich wohl in den
mittelalterlichen Städten die rechtsgeschäftliche Übertragung von Forderungen,
die zunächst grundsätzlich der Mitwirkung des Schuldners durch Einwilligung
gegenüber dem bisherigen Gläubiger oder durch Gelöbnis gegenüber dem neuen Gläubiger
bedarf (ausgenommen gerichtlich festgestellte Forderungen). Vereinzelt
bestehen auch Verbote von Abtretungen. Das Zustimmungserfordernis entfällt
seit dem Spätmittelalter (letztlich) unter dem Einfluss des gemeinen
Rechtes, in dem das deutschrechtliche Gedankengut die Übertragung der
Forderung auch der Substanz nach eröffnet, so dass bereits der →Codex
Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756 (II 3 § 8) die A. aufnimmt (ALR I 11
§§ 376ff., Code civil Art. 1689ff., ABGB §§ 1392ff.). Im 19. Jh. unterliegt die
einschränkende Lehre Christian Mühlenbruchs (1817) der durch Windscheid und
Bähr geprägten Vorstellung von der Abtretung als einem abstrakten
Verfügungsgeschäft (§§ 398ff. BGB, Art. 183ff. bzw. 164ff. Obligationenrecht
der Schweiz). In England gilt die Forderung als solche bis 1873 als nicht
übertragbar.
Lit.: Kaser § 55; Köbler, DRG 127, 165, 214;
Mühlenbruch, C., Die Lehre von der Zession, 1817; Buch, G., Die Übertragbarkeit
von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912; Schumann, H., Die
Forderungsabtretung im deutschen, französischen und englischen Recht, 1924;
Luig, K., Zur Geschichte der Zessionslehre, 1966; Huwiler, B., Der Begriff der
Zession in der Gesetzgebung seit dem Vernunftrecht, 1975; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Hoop, G., Kodifikationsgeschichtliche
Zusammenhänge des Abtretungsverbotes, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Scheffzek, S., Der
Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre auf ausgewählte Gerichte, 2011;
Ebinger, B., Die Forderungsübertragung nach Code civil und badischem Landrecht,
Diss. jur. Mannheim 2011
Abtriebsrecht ist das Recht der Angehörigen einer
Siedlungsgemeinschaft, den Zuzug eines Fremden zu verhindern. Es ist im Titel
XLV (De migrantibus) des fränkischen Volksrechts (lst. [M.] Pactus legis
Salicae, 507-511) bezeugt und besteht bis in das 19. Jh. Allerdings kann
ein Herr einem Fremden ein Niederlassungsprivileg gewähren.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Abzahlung (1530) ist die planmäßig in kleineren Raten
oder Teilbeträgen erfolgende Zahlung einer Schuld.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Abzahlungsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 5.
1894, das außerhalb des 1896/1900 geschaffenenen Bürgerlichen Gesetzbuchs die
nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit etwa 1835 vom Handel
umworbenen mittellosen Käufer beweglicher Sachen, die aus wirtschaftlichen
Gründen etwa Nähmaschinen, Möbel oder Kleidung nur gegen Zahlung des Preises
in Raten kaufen können, vor Benachteiligung (z. B. durch Verfall d. h.
Rücknahme der Kaufsache bei Zahlungsversäumnis und Fortbestehen der Zahlungspflicht)
schützen will. Es wird mit Wirkung vom 1. 1. 1991 durch das Verbraucherkreditgesetz
abgelöst, das zum 1. 1. 2002 in das Bürgerliche Gesetzbuch eingearbeitet wird.
In Österreich wird 1896 ein Ratengesetz, 1979 ein Konsumentenschutzgesetz
erlassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Benöhr, H., Konsumentenschutz
vor 80 Jahren, ZHR 138 (1974), 492; Schubert, W., Das Abzahlungsgesetz von
1894, ZRG GA 102 (1985), 130; Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag, 1991
Abzahlungskauf →Abzahlungsgesetz
Abzugsrecht ist das Recht zum Abzug des Einzelnen aus
seinen bisherigen unfreien Rechtsverhältnissen, gegebenenfalls unter einer
Geldleistung. Der Abzug findet sich in vielen spätmittelalterlichen Weistümern mit
unterschiedlichen Regelungen. Mit der Bauernbefreiung des 19. Jh.s wird das A.
überflüssig.
L.: Möhlenbruch, R., Freier Zug, ius emigrandi, Auswanderungsfreiheit,
Diss. jur. Bonn 1977
acceptatio (lat. [F.]) Annahme
acceptilatio (lat. [F.]) Empfangnahme
→stipulatio
accessio (lat. [F.]) Hinzutreten, Zuwachs
accessio cedit principali (lat) - Zuwachs folgt rechtlich der
Hauptsache. →Verbindung
Accursius (Bagnolo [Certaldo] bei Florenz
1182 oder 1185-Bologna 1260 oder 1263) wird in einer bäuerlichen Familie
geboren und lehrt nach dem Studium des römischen Rechtes in Bologna (Azo,
Jacobus Balduinus) und der Promotion seit etwa 1215. Bis kurz nach 1230 legt er
(in Bearbeitung eines unvollendeten Werkes Azos?) fünfbändige, durch etwa 1200
Handschriften überlieferte Erklärungen (Kommentare) zu allen Teilen der
justinianischen Kompilation in Form von Glossenapparaten (lat. glossa [F.]
ordinaria) mit insgesamt 96940 Einzelglossen (22365 zum Digestum vetus, 17969
zum Infortiatum, 22243 zum Digestum novum 17814 zum Codex, 4737 zu den
Institutionen, 7013 zum Authenticum und 680 zu den libri feudorum, Summe dieser
Zahlen 92811) vor, in denen er Problemlösungen unter umfangreicher Verwertung
der vorangehenden Literatur bietet. Außerdem sind 8 seiner Gutachten (Konsilien)
erhalten, während eine bezeugte Summe nicht überliefert ist. Zu seinen Schülern
zählen Odofredus und Papst Innozenz IV.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 106; Genzmer, E., Zur
Lebensgeschichte des Accursius, FS L. Wenger, Bd. 2 1945, 223; Atti del
convegno internazionale di studi accursiani, ed. Rossi, G., Bd. 1ff. 1968;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 335; Jakobs, H., Magna
Glossa, 2006
Achilleisches Hausgesetz →Dispositio Achillea
Achramire (lat.-afrk.), adchramire, ist die
frühmittelalterliche Bezeichnung für das Versprechen (Geloben), einen
Gerichtstag wahrzunehmen, einen Eid zu leisten oder einen Bürgen oder Zeugen
zu stellen (Lex Salica [507-511] 62 u. ö.). Das a. erfolgt unter Übergeben oder
Zuwerfen eines (gekerbten) Stäbchens (lat. [F.] →festuca, vielleicht
ursprünglich mit der [lat., F.] framea, Lanze).
Lit.: Köbler, LAW; Daberkow, M., Adhramire und die
germanische framea, Z. f. d. P. 49 (1923), 229
Acht ist im mittelalterlichen deutschen Recht die als
Unrechtsfolge (Strafmittel oder Verfahrensmittel) mögliche allgemeine
Verfolgung. Die A. folgt auf verschiedene Taten, die eine niedrige Gesinnung
widerspiegeln (z. B. Mord, Treubruch). Wird der Täter in der Tat ergriffen, so
kann er folgenlos getötet werden. Im Übrigen bedarf es eines besonderen
Verfahrens, in dem die A. erklärt wird. Der Geächtete steht außerhalb des
Rechtes, ist Feind aller und kann von jedem folgenlos getötet werden. Das bewegliche
Vermögen des Geächteten wird verteilt, die Liegenschaft verwüstet. Mindere
Formen der A. sind zeitlich (z. B. auf ein Jahr) befristet. Bei fruchtlosem
Ablauf einer damit verbundenen Gestellungsfrist (Ungehorsamsacht) verfällt der
Betreffende in →Aberacht. Die vom König oder seinem Gericht verhängte A.
gilt als →Reichsacht im gesamten Reich. Lösung aus der A. ist möglich.
Im Laufe des Mittelalters entwickelt sich die A. zu einer differenzierten
Rechtsfigur, die mit Erstarkung der staatlichen Gerichtsherrschaft
verschwindet (wegen der Vollstreckungsschwäche des Reiches vom
Reichskammergericht zuletzt noch 1698, vom Reichshofrat zuletzt noch 1709
ausgesprochen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Eichmann, E., Acht und
Bann, 1909; Künßberg, E. Frhr. v., Acht, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911; Poetsch, J., Die Reichsacht, 1911; Ruf, F., Acht und
Ortsverweis im alten Land- und Stadtgericht Nürnberg, Mitteilungen des Vereins
für Geschichte der Stadt Nürnberg 46 (1955), 1; Siuts, H., Bann und Acht, 1959;
Landes, D., Das Achtverfahren, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Jacoby, M.,
Wargus, 1974; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche Acht, 1992; Weber,
M., Zur Bedeutung der Reichsacht in der frühen Neuzeit, ZHF Beiheft 19 (1997),
55
Achtbuch ist das über die von einem Gericht
ausgesprochene →Acht (und dadurch die Geächteten) geführte Buch
(Register), wie es anscheinend erstmals der Reichslandfriede des Jahres 1235
vorsieht (z. B. Lübeck 1243, Iglau 1249, Rostock 1258, Rothenburg ob der Tauber
1274, Nürnberg 1285, Achtbuch der Reichshofgerichtsschreiber Petrus Wacker und
Johann Geisler zwischen 1417 und 1445 mit fast 600 Einträgen u. a.).
Lit.: Schultheiß, W., Nürnberger Rechtsquellen, Bd.
1f. 1960, 16; Battenberg, F., Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich
III., 1986
Achtklausel ist die in mittelalterlichen Verträgen
enthaltene Vereinbarung, sich für den Fall der Vertragsverletzung der →Acht zu unterwerfen.
Lit.: Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter,
1987´6, 288
acta (lat. [N.Pl.]) →Akten
acta municipalia (lat. [N.Pl.]) Gemeindeakten
Actio (lat. [F.]) ist im römischen
Recht die Möglichkeit, vor Gericht zu verlangen, was einem zusteht
(Klaganspruch). Im →Formularprozess trägt der Kläger in Gegenwart des
Beklagten das Begehren vor dem Gerichtsmagistrat vor und beantragt die Erteilung
einer bestimmten a. Ergibt sich, dass der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt
keine bereits anerkannte a. rechtfertigt, entfällt der Antrag. Allerdings kann
der Gerichtsmagistrat, wenn er das Begehren des Klägers gleichwohl als
rechtsschutzbedürftig erachtet, eine a. in factum in Aussicht stellen. Die
zugelassenen actiones, von denen jede ihre eigene Formel hat, werden vor allem
im 4. Buch der Institutionen Justinians im Titel (lat.) De actionibus (Von den
Klagansprüchen) zusammengestellt. Im Hochmittelalter anerkennt beispielsweise
Johannes Bassianus 169 verschiedene actiones. Im 19. Jh. (Windscheid 1856) wird
aus der römischrechtlichen a. der materiellrechtliche →Anspruch.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Köbler, LAW; Windscheid,
B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Bethmann Hollweg, C. v., Der
Civilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 6 1874, 16; Peter, H., Actio und writ,
1957; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und
14. Jahrhunderts, 1996; Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des
Verhältnisses von formellem und materiellem Recht, 1996; Gröschler, P.,
Actiones in factum, 2002; Artner, M., Agere praescriptis verbis, 2002
Actio (F.) ad exhibendum (lat.), Klaganspruch auf Vorlegung,
Vorweisung (vor dem Prätor), Herausgabe, Exhibitionsklage (vgl. § 809 BGB,
Klage auf Besichtigung) ist eine (lat.) actio in personam, durch die der bei
einer (lat.) actio in rem fehlende Einlassungszwang umgangen werden kann.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 27 I 5, 34 II 3
actio (F.) adiecticiae qualitatis (lat.) Klaganspruch aus Haftung
für Gewaltunterworfene
Lit.: Kaser §§ 11, 15, 49, 60, 83; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
actio (F.) aestimatoria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung
(aus Trödelvertrag)
Lit.: Köbler, DRG 48
actio (F.) arbitraria (lat.) Klaganspruch zur Schätzung
bzw. zum Ermessen
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 83 II, 87 II
Actio (F.) auctoritatis (lat.), Klaganspruch wegen
Eviktion (Entwerung) gegen den Verkäufer, Gewährschaftsklage, ist im römischen
Recht der in den Digesten getilgte Klaganspruch eines wegen einer durch
Manzipation erworbenen Sache von einem Dritten angegriffenenen und vom
Veräußerer nicht geschützten oder unterliegenden Käufers auf den doppelten
Kaufpreis.
Lit.: Kaser §§ 7, 27, 32, 51; Söllner § 8; Brägger,
R., Actio auctoritatis, 2012
Actio (F.) certae creditae pecuniae (lat.) ist im römischen
Recht der Klaganspruch auf eine bestimmte Gelddarlehensschuld.
Lit.: Kaser §§ 39, 83
actio (F.) civilis (lat.) Klaganspruch nach dem
Zivilrecht
actio (F.) commodati (lat.) Klaganspruch aus
Leihvertrag
Lit.: Kaser § 39 II
Actio (F.) communi dividundo (lat.) ist im römischen Recht der
wohl im 3./2. Jh. v. Chr. durch eine (lat.) lex (F.) Licinia geschaffene
Teilungsklaganspruch mindestens eines Angehörigen einer Vermögensgemeinschaft.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 83
actio (F.) conducti (lat.) Klaganspruch des
Mieters u. s. w.
Lit.: Kaser §§ 42, 83
actio (F.) confessoria (lat.) Servitutenklaganspruch,
Nießbrauchsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 28, 29
actio (F.) contraria (lat.) Gegenklaganspruch (bei
unvollkommen zweiseitig verpflichtenden Verträgen z. B. Aufwandsersatzklageanspruch
des Entleihers, Verwahrers, Beauftragten oder Pfandgläubigers)
Lit.: Kaser § 38 IV 2
Actio (F.) de deiectis vel effusis (lat.), Klaganspruch wegen
hinausgeworfener oder ausgeschütteter (Sachen), ist im römischen Recht der
gegen den Inhaber von Räumen wegen eines durch Hinauswerfen oder Ausgießen von
Sachen aus den Räumen entstandenen Schadens gerichtete, verschuldensunabhängige
Schadensersatzanspruch eines Verletzten auf das Doppelte des Schadens
(Quasidelikt, Erfolgshaftung?).
Actio (F.) de dolo (lat.), Klaganspruch wegen
Arglist, ist im römischen Recht der auf Anregung des C. Aquilius Gallus im 1.
Jh. v. Chr. vom Prätor bei Fehlen einer anderweitigen actio gewährte, binnen
Jahresfrist geltend zu machende Klaganspruch des durch einen Betrug Geschädigten
gegen den Täter auf Ersatz des Schadens, der durch Wiedergutmachung abgewendet
werden kann, andernfalls Infamie nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 8, 83; Söllner § 9
Actio (F.) de in rem verso (lat.), Klage wegen des auf eine
Sache Verwendeten, Klaganspruch wegen eingetretener Bereicherung, ist im
römischen Recht der Klaganspruch gegen einen Gewalthaber auf Herausgabe des
Wertes, den ein Gewaltunterworfener aus einem Verpflichtungsgeschäft
erlangt und zu einer Bereicherung des Vermögens des Gewalthabers verwendet.
Das nachklassische römische Recht erweitert den Anwendungsbereich auf
Geschäftsführung durch Freie, das gemeine Recht entwickelt die a. zu einem
allgemeinen Bereicherungsanspruch wegen nützlicher Verwendung.
Lit.: Kaser § 49; Söllner § 12; Chiusi, T., Die actio
de in rem verso, 2001
actio (F.) de pauperie (lat.) Klaganspruch wegen
Minderung durch Schaden seitens eines vierfüßigen Nutztiers, den der Eigentümer
durch Herausgabe des Tieres abwenden kann
Lit.: Kaser § 50 II 4
actio (F.) de peculio (lat.) Klaganspruch über das
Sondergut eines Gewaltunterworfenen gegen den Gewalthaber wegen vom
Gewaltunterworfenen begründeter Geschäftsverbindlichkeiten bis zur Höhe des
Wertes des Sonderguts im Verurteilungszeitpunkt
Lit.: Kaser §§ 49 II, 83 II; Söllner § 12
Actio (F.) depositi (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch des Hinterlegers auf Rückgabe der hinterlegten Sache gegen den
Verwahrer.
Lit.: Kaser §§ 39, 83; Walter, T., Die Funktionen der
actio depositi, 2012
actio (F.) de recepto (lat.) Klaganspruch aus
Garantieerklärung
Lit.: Kaser § 46 III 3
actio (F.) de tigno iuncto (lat.) (schon im Zwölftafelgesetz
enthaltener) Klaganspruch des römischen Rechtes über den bei einem Hausbau
rechtswidrig verwendeten Balken oder später eines anderen Gegenstand eines
andern, den der Verwender nicht lostrennen, sondern nur mit dem doppelten Wert
ersetzen muss
Lit.: Kaser § 26 III 3; Köbler, DRG 25; Hinker, H.,
Tignum iunctum, ZRG RA 108 (1991), 41
actio (F.) empti (lat.) Kaufklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 51, 83 II; Söllner § 9
actio (F.) exercitoria (lat.) Klaganspruch gegen den
Reeder für Geschäfte des Kapitäns bei dem Betrieb eines Schiffes
Lit.: Kaser § 49 II 3; Wacke, A., Die
adjektizischen Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280
Actio (F.) ex stipulatu (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch des Gläubigers gegen den Schuldner, der in der einseitig
verpflichtenden Stipulation eine unbestimmte Leistung versprochen hat.
Lit.: Kaser §§ 40, 83; Söllner §§ 9, 24
actio (F.) ex testamento (lat.) Klaganspruch aus Testament
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 76 II
actio (F.) familiae erciscundae (lat.) Erbteilungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 65, 66, 73, 81; Söllner §§ 8, 9
actio (F.) fiduciae (lat.) Klaganspruch aus
Sicherungsübereignung
Lit.: Kaser §§ 24, 31, 38, 83; Söllner § 9
actio (F.) finium regundorum (lat.) Grenzfeststellungsklaganspruch
Lit.: Kaser § 23
Actio (F.) furti non manifesti (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch gegen den nicht handhaften Dieb auf das Doppelte des Wertes der entzogenen
Sache, während die actio furti manifesti auf das Vierfache des Sachwerts
gerichtet ist.
Lit.: Kaser § 83; Kaser, M., Die actio furti, ZRG RA
96 (1979), 89
actio (F.) honoraria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II 1
actio (F.) in factum (lat.) auf den Sachverhalt
zugeschnittener Klaganspruch des Prätors bei Fehlen einer actio im Edikt und
Anerkennung eines Rechtsschutzbedürfnisses (z. B. bei von der lex Aquilia nicht
erfassten mittelbaren Schädigungen)
Lit.: Söllner § 15; Gröschler, P., Actiones in factum,
2002
actio (F.) iniuriarum (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 34, 35, 83; Söllner § 8; Moosheimer,
T., Die actio iniuriarum aestimatoria, 1998; Balthasar, S., Der Schutz der
Privatsphäre im Zivilrecht, 2006
actio (F.) in personam (lat.) persönlicher Klaganspruch
(wegen Forderungen aus einem Schuldverhältnis auf Leistung, wobei Einlassungszwang
des Gegners besteht)
Lit.: Kaser § 4 I, II, 82 II; Söllner § 9
actio (F.) in rem (lat.) sachverfolgender
Klaganspruch (zur Durchsetzung von absoluten Rechten auf eine [ursprünglich in
der Gerichtsstätte vorhandene] Sache gegenüber einem sich in Widerspruch zu
den Rechten des Klägers Setzenden, wobei kein Einlassungszwang des Gegners
besteht)
Lit.: Kaser §§ 4, 83 II; Söllner § 9
Actio (F.) institoria (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch gegen einen Unternehmer aus einer von seinem Angestellten eingegangenen
Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 49; Wacke, A., Die adjektizischen
Klagen, ZRG RA 111 (1994), 280; Hamza, G., Bemerkungen zur actio ad exemplum
institoriae im römischen Recht (in) Seminarios Complutenses de derecho Romano,
25 (20129, 175
actio (F.) iudicati (lat.) Vollstreckungsklaganspruch
Lit.: Kaser §§ 32, 85
actio (F.) legis Aquiliae (lat.) Schadensersatzklaganspruch
Lit.: Kaser § 51; Söllner § 8; Kaufmann, H., Rezeption
und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958
actio (F.) locati (lat.) Klaganspruch des Vermieters u. s. w.
Lit.: Kaser §§ 42, 83 II
actio (F.) mandati (lat.) Klaganspruch aus Auftrag
Lit.: Kaser §§ 56, 57, 83
actio (F.) mixta (lat.) gemischter Klaganspruch
(zugleich sachverfolgender und pönaler Klaganspruch)
Actio (F.) negatoria (lat.) ist im römischen Recht der
Klaganspruch, mit dem der zivile Eigentümer sich dagegen wehren kann, dass ein
anderer sich ein nicht bestehendes Recht zur Einwirkung auf die Sache (z. B.
Dienstbarkeit, Recht auf Immission) anmaßt.
Lit.: Kaser § 27 II; Ogorek. R., Actio negatoria und
industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Thier, A., Zwischen actio negatoria und
Aufopferungsanspruch, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000,
407; Kawasumi, Y., Von der römischen actio negatoria zum negatorischen
Beseitigungsanspruch, 2001
actio (F.) negotiorum gestorum (lat.) Klaganspruch aus
Geschäftsführung
Lit.: Kaser §§ 38, 44, 56, 64, 83
actio (F.) noxalis (lat.) Schadensersatzklaganspruch
wegen Noxalhaftung des Gewalthabers
Lit.: Köbler, DRG 27
Actio (F.) nullitatis (lat.) ist der mittelalterliche
Nichtigkeitsklaganspruch
Lit.: Köbler, DRG 117
actio (F.) operarum (lat.) Klaganspruch auf versprochene
Dienste
Lit.: Kaser §§ 16 II, 39 II
Actio (F.) Pauliana (lat.) ist die unter Justinian (527-565) die
(lat.) restitutio in integrum und das (lat.) interdictum fraudatorium
aufnehmende Gläubigeranfechtungsklage gegen den unentgeltlichen oder wissenden
Erwerber aus gläubigerbenachteiligenden Rechtsgeschäften des Schuldners.
Lit.: Willems, C., Actio Pauliana und fraudulent conveyances, 2012
actio (F.) pigneraticia (lat.) Pfandklaganspruch (in rem
oder in personam)
Lit.: Kaser §§ 31, 39
actio (F.) poenalis (lat.) Strafklaganspruch
actio (F.) popularis (lat.) Popularklaganspruch, von
jedermann aus dem Volk erhebbarer Klaganspruch (z. B. actio de deiectis verl
effusis), bei dem die Buße an den Kläger, die Gemeinekasse bzw. Staatskasse
oder an beide fällt
Lit.: Kaser § 50 I 1
actio (F.) praescriptis verbis (lat.) Klaganspruch der (vom
Prätor in der Klaganspruchsformel genau) vorgeschriebenen Worte (z. B. bei
Innominatkontrakt)
Lit.: Kaser § 45 II; Kranjc, J., Die actio
praescriptis verbis, ZRG RA 106 (1989), 434; Artner, M., Agere praescriptis
verbis, 2002
actio (F.) praetoria (lat.) prätorischer Klaganspruch
Lit.: Kaser § 4 II
actio (F.) pro socio (lat.) Klaganspruch gegen den
Gesellschafter
Lit.: Kaser § 43 I
Actio (F.) Publiciana (lat.) ist im römischen Recht der
wohl im letzten vorchristlichen Jahrhundert vom Prätor geschaffene
sachverfolgende Klaganspruch des besseren Besitzers (z. B.
Ersitzungsbesitzers, bonitarischen Eigentümers) gegen den schlechteren
Besitzer (also nicht gegen den zivilen Eigentümer) auf Herausgabe der Sache
(vgl. § 1007 BGB, 372 ABGB).
Lit.: Kaser §§ 27, 83; Söllner § 9; Apathy, P., Die publizianische
Klage, 1981
actio (F.) quanti minoris (lat.) Minderungsklaganspruch
(binnen einem Jahr geltend zu machen)
Lit.: Kaser § 41 VI 4; Söllner § 9
Actio (F.) quod iussu (lat.) (Geheißklage) ist im römischen
Recht der Klaganspruch gegen den durch Geheiß (lat. [N.] iussum) zu
Rechtsgeschäften ermächtigenden Hausvater bzw. Gewalthaber wegen des Geschäfts
eines Haussohns bzw. Gewaltunterworfenen.
Lit.: Kaser §§ 49, 83; Schleppinghoff, A., Actio quod
iussu, Diss. jur. Köln 1996
actio (F.) redhibitoria Wandelungsklaganspruch (binnen
sechs Monaten geltend zu machen)
Lit.: Kaser §§ 34, 41; Söllner § 9
actio (F.) rei uxoriae (lat.) Klaganspruch auf Herausgabe
des Heiratsguts der Frau
Lit.: Kaser §§ 33, 34, 36; Söllner §§ 9, 24; Söllner,
A, Zur Vorgeschichte und Funktion der actio rei uxoriae, 1969
actio (F.) Serviana (lat.) Pfandklaganspruch des
Pfandgläubigers (anfangs nur des Verpachtenden) auf Herausgabe der Pfandsache
von jedem Besitzer
Lit.: Kaser § 31 III
actio (F.) stricti iuris (lat.) strengrechtlicher
Klaganspruch
Lit.: Kaser §§ 33 IV, 36 III, 37 I
actio (F.) tutelae (lat.) Klaganspruch gegen den
Vormund
Lit.: Kaser §§ 62 IV 4, 83 II 3
actio (F.) utilis (lat.) (vom Präter im Einzelfall) brauchbar
(anwendbar) gemachter allgemeiner Klaganspruch (z. B. Anwendbarmachung der
actio legis Aquiliae des Eigentümers auf andere dinglich Berechtigte oder auf
den Hausvater eines verletzten Hauskinds)
Lit.: Kaser § 55 II 3; Stolmar, R., Die Genesis der
actio utilis, 1988; Stolmar, R., Die formula der actio utilis, 1992
actio (F.) venditi (lat.) Kaufpreisklaganspruch des
Verkäufers
Lit.: Kaser §§ 41 III 2, 83 II 3
actus (lat. [N.]) Trift
→Dienstbarkeit
actus (M.) iuridicus (lat.) →Rechtsgeschäft
Lit.: Köbler, DRG 164
actus (M.) legitimus (lat.) bedingungsfeindliches
Rechtsgeschäft
Lit.: Kaser §§ 34, 41
Additio (F.) sapientium (lat.) ist die innerhalb der
→Lex Frisionum überlieferte Niederschrift über Rechtsmitteilungen zweier
Männer namens Wlemarus und Saxmundus.
Lit.: Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum,
1927; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980
Adel ist die Gesamtheit der erblich bevorrechtigten
Familien einer Gesellschaft. Derartige Erscheinungen treten in verschiedenen
Kulturen auf. Sie sind Wandlungen unterworfen. Die Herkunft des mittelalterlichen
deutschen Adels ist ungeklärt. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten
(ererbter Boden?) spielt wohl auch die Herrschaft über Menschen eine Rolle.
Nicht sicher feststellbar ist die Bedeutung charismatischer Elemente (Heil,
Behauptung göttlicher Abkunft). Die germanischen (lat. [M.Pl.]) principes
(Ersten, Anführer) lassen sich nicht als A. sichern. Das salfränkische
Volksrecht (507-511?) kennt noch keine rechtliche Aussonderung erblich bevorrechtigter
Familien, doch ist es nicht ausgeschlossen, dass der aus der spätrömischen
Reichsbeamtenschaft hervorgegangene römische Senatorenadel vergleichbare
fränkische Strukturen als Gegenstück findet. Mit den fränkischen Königen
steigen viele ihrer Anhänger über die Zuteilung von wichtigen Aufgaben auf.
Infolge von Heiratsverbindungen und militärischen Erfolgen entwickelt sich
ein engerer Kreis bedeutender Familien, denen zunehmend die höchsten Ämter des
Reiches vorbehalten werden (Reichsadel). Weil ihre Lehen seit dem Ende des 9.
Jh.s erblich werden, festigt sich ihre örtliche Bindung zu bestimmten Gebieten.
Diese oberste Schicht des bereits in den karolingischen Volksrechten durch ein
besonderes →Wergeld sowie im Übrigen durch →Ebenburt (Ebenbürtigkeit)
und später →Pairsgericht gekennzeichneten Adels wird seit dem
Hochmittelalter zu den →Landesherren bzw. →Reichsfürsten.
Demgegenüber tritt der vielfach der Unfreiheit entstammende, durch Herrendienst
entstandene →niedere Adel in den Dienst der Landesherren ein. Vielleicht
ist seit dem 14. Jh. die Ausbildung des eigentlichen Adels (geborenen Adels) in
dem Wesentlichen abgeschlossen, wobei zu dem Altadel oder Uradel alle Familien
zählen, deren Geschlecht nachweislich spätestens um 1400 dem ritterbürigen Adel
angehören. Seit 1346 kann (dementsprechend) der A. (vom König) durch Urkunde an
Bürger verliehen werden (Briefadel, gekorener Adel). Mit dem Absolutismus wird
die politische Bedeutung des Adels im Land beschnitten. Durch Säkularisation, Mediatisierung,
Beseitigung der Grundherrschaft und Einführung des 1789 in Frankreich revolutionär
verwirklichten Gleichheitsgrundsatzes wird der rechtliche Vorrang des Adels
(im deutschen Gebiet) in der jüngeren Neuzeit (bis 1918) beseitigt (Österreich
3. 4. 1919 Gesetz über die Aufhebung des Adels, Führung verwaltungsstrafbar).
Mit der Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949) werden ihm
dort auch die wirtschaftlichen Grundlagen entzogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 78, 87, 98,
111, 120, 132, 135, 149, 206, 225; Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la
noblesse en France, 1902; Wittich, W., Altfreiheit und Dienstbarkeit des
Uradels in Niedersachsen, Vjschr. für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 1906;
Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Mayer, E., Der germanische
Uradel, ZRG GA 32 (1911), 1; Mayer, E., Zur Lehre vom germanischen Uradel, ZRG
GA 37 (1916), 93; Ernst, V., Die Entstehung des niederen Adels, 1916; Lintzel,
M., Die Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Dungern, O. v., Adelsherrschaft
im Mittelalter, 1927, Neudruck 1967; Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Stutz,
U., Zum Ursprung und Wesen des niederen Adels, 1937; Bader, K., Zur Lage und
Haltung des schwäbischen Adels am Ende des alten Reiches, Zs. f. württ. LG. 5
(1941), 335; Tellenbach, G., Vom karolingischen Reichsadel zum deutschen
Reichsfürstenstand, 1943; Hiesel, R., Die staatsrechtliche und soziologische
Stellung des Stadtadels, 1952; Sprandel, R., Der merovingische Adel, 1957;
Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, 1960; Deutscher Adel
1430-1555, hg. v. Rößler, H., 1965; Deutscher Adel 1555-1740, hg. v. Rößler,
H., 1965; Störmer, W., Früher Adel, 1973; La noblesse, hg. v. Contamine, P.,
1976; Fleckenstein, J., Die Entstehung des niederen Adels und das Rittertum,
1977; Sablonier, R., Adel im Wandel, 1979; Lemmel, H., Die genetische
Kontinuität des mittelalterlichen Adels, 1980; Werner, M., Adelsfamilien im
Umkreis der frühen Karolinger, 1982; Barbero, A., L’aristocrazia, 1987;
Europäischer Adel 1750-1950, hg. v. Wehler, H. u. a., 1990; Althoff, G.,
Verwandte, Freunde und Getreue, 1990; Ritterorden und Adelsgesellschaft im
spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a., 1991;
Hoyningen-Huene, I. Frfr. v., Adel in der Weimarer Republik, 1992; Adel in der
frühen Neuzeit, hg. v. Endres, W., 1993; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft
im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993, 2. A. 2015; Ranft, A.,
Adelsgesellschaften, 1994; Fehrenbach, E., Adel und Bürgertum im deutschen
Vormärz, HZ-258 (1994), 1; Jackman, D., Das Eherecht und der frühdeutsche Adel,
ZRG GA 112 (1995), 158; The European Nobilities in the Seventeenth and Eighteenth
Centuries, Bd. 2 1995, 2. A. 2007; Geschichte des sächsischen Adels, hg. v.
Keller, K. u. a., 1997; Contamine, P., La noblesse au royaume de France, 1997;
Nobilitas, hg. v. Oexle, G. u. a., 1997; Dumoulin, K., Die Adelsbezeichnung im
deutschen und ausländischen Recht, 1997; Rösener, W., Adelsherrschaft als
kulturhistorisches Phänomen, HZ 268 (1998), 1; Werner, K., Naissance de la
noblesse, 1998; Peters, U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999;
Reif, H., Adel im 19. und 20. Jahrhundert, 1999; Baudisch, S., Lokaler Adel in
Nordwestsachsen, 1999; Binder-Krieglstein, R., Österreichisches Adelsrecht
1868-1918/19, 2000; Nobles and Nobility in Medieval Europe, hg. v. Duggan, A.,
2000; La noblesse dans les territoires angevins, hg. v. Coulet, N. u. a., 2000;
Conze, E., Vom deutschen Adel – Die Grafen von Bernstorff im zwanzigsten
Jahrhundert, 2000; Stockert, H., Adel im Übergang, 2000; Der europäische Adel
im Ancien Régime, hg. v. Asch, R., 2001; Schmilewski, U., Der schlesische Adel,
2001; Janse, A., Ridderschap in Holland, 2001; Zwischen Nicht-Adel und Adel,
hg. v. Andermann, K. u. a., 2001; Mauerer, E., Südwestdeutscher Reichsadel im
17. und 18. Jahrhundert, 2001; Pečar, A., Die Ökonomie der Ehre. Der
höfische Adel am Kaiserhof Karls VI. (1711-1740), 2003; Zunker, D., Adel in
Westfalen, 2003; Malinowski, S., Vom König zum Führer, 2003; Hengerer, M.,
Kaiserhof und Adel, 2004; Adel und Moderne, hg. v. Conze, E./Wienfort, M.,
2004; Schneider, J., Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel, 2003;
Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Funck, J., Feudales Kriegertum und
militärische Professionalität, 2004; Hechberger, W., Adel, Ministerialität und
Rittertum im Mittelalter, 2004, 2. A. 2010; Hechberger, W., Adel im
fränkisch-deutschen Mittelalter, 2005; Crouch, D., The Birth of Nobility, 2005;
Kleines Lexikon des Adels, hg. v. Conze, E., 2005; Dendorfer, J., Adelige
Gruppenbildung und Königsherrschaft, 2005; Barth, T., Adelige Lebenswege im
alten Reich, 2005; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1;
Hochmittelalterliche Adelsfamilien in Altbayern, Franken und Schwaben, hg.
v. Kramer, F. u. a., 2006; Adel im Wandel, hg. v. Bumiller, C., 2006; Adel im
Wandel, hg. v. Hengerer, M. u. a., 2006; Ruppel, S., Verbündete Rivalen, 2006;
Matzerath, J., Adelsprobe an der Moderne, 2006; Adel in Sachsen-Anhalt, hg. v.
Labouvie, E., 2007; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Adel und
Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. v. Haus der Geschichte u. a.,
2007; Adel in Bayern, hg. v. Haus der bayerischen Geschichte, 2008; Sikora, M.,
Der Adel in der frühen Neuzeit, 2009; Adel im „langen“ 18. Jahrhundert, hg. v.
Haug-Moritz, G. u. a., 2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a.,
2010; Adel in Hessen, hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Risch, H., Der
holsteinische Adel im Hochmittelalter, 2010; Adel verbindet, hg. v. Van Driel,
M. u. a., 2010; Adel und Bauern in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. v.
Fey, C. u. a., 2012; Groß, O., Die Debatten über den Adel im Spiegel der Grundrechtsberatungen
in den deutschen Parlamenten 1848/1849, 2013; Adel in Südwestdeutschland und
Böhmen 1450-1850, hg. v. Asch, R. u. a., 2013; Lyon, J., Princely Brothers and
Sisters, 2013; Ansitz – Freihaus – corte franca, hg. v. Pfeifer, G. u. a.,
2013; Adelsbilder von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Scholz, P. u. a.,
2013; Weckenbrock, O., Adel auf dem Prüfstand, 2014; Dewmel, W./Schraut, S.;
Der deutsche Adel, 2014; Adel, Recht und Gericht im frühneuzeitlichen Europa,
hg. v. Baumann, A., 2014; Gothaisches Genealogisches Handbuch, Fürstliche
Häuser, Bd. 1, bearb. v. Fink von Finkenstein, G. u. a., 2015; Raasch, M., Der
Adel auf dem Feld der Politik, 2015 (Zentrumspartei); Seelig, M., Alltagsadel –
Der ehemalige ostelbische Adel, 2015; Singer, J., Arme adlige Frauen im
deutschen Kaiserreich, 2016; Wunder, D., Der Adel im Hessen des 18.
Jahrhunderts, 2016; Europäischer Adel als Unternehmer, hg. v. Rasch, M. u. a.,
2017
Adelberg
(Prämonstratenserstift)
Lit.: Albus-Kötz, S., Von Krautgärten, Äckern, Gülten
und Hühnern, 2014
Ädile sind im römischen Recht zunächst
die beiden Vorsteher des plebejischen Sonderheiligtums (lat. [F.] aedes
[sacra], Tempel), die auch die Aufsicht über die dort stattfindenden Märkte
haben. Im Jahre 367 v. Chr. wird ihnen die allgemeine Polizeigewalt übertragen.
Ihnen werden zwei weitere Ä. zur Seite gestellt, die abwechselnd aus Patriziern
und Plebejern gewählt werden sollen. Sie erhalten die Marktgerichtsbarkeit, in
deren Rahmen sie ein eigenes Edikt aufstellen. Außer in Rom gibt es Ä. später
auch in anderen Gemeinden.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 8, 15;
Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1
1988; Daguet-Fagey, A., Splendor aedilitatum, 2015
aditio (lat. [F.]) Antritt
adiudicatio (lat. [F.]) Zuspruch
adjektizisch (hinzukommend, erstreckend) z. B. im römischen
Recht Klagansprüche gegen den Gewalthaber auf Grund von Geschäften
Gewaltunterworfener (z. B. actio de in rem verso, actio de peculio, actio quod
iussu, actio tributoria) oder gegen den Geschäftsherrn auf Grund von Geschäften
von Geschäftsführern (z. B. actio institutoria, actio exercitoria), die keine
selbständigen Verbindlichkeiten begründen, sondern die Verbindlichkeiten des
Schuldners (Gewaltunterworfenen, Geschäftsführers) nur auf einen anderen (z.
B. Gewalthaber, Geschäftsherrn) erstrecken
Adler ist der Vogel, der als König der
Vögel bereits im Altertum als Begleitzeichen des höchsten Gottes (Zeus,
Jupiter) erscheint und bald als Zeichen der römischen Weltherrschaft verwendet
wird. Diese Symbolik übernimmt anscheinend Karl der Große. Unter Friedrich I.
Barbarossa wird der goldene A. auf farblosem Grund zum Reichswappen, das im
13. Jh. schwarz auf goldenem Grund gestaltet wird. Am Ende des 12. Jh.s tritt
der ebenfalls schon antike Doppeladler in Siegeln von Reichsstädten neben den
einfachen A. Um 1230 geben die Reichsfürsten den bis dahin wegen ihrer
königlichen Lehen geführten A. fast durchweg auf. Unter Kaiser Sigismund wird
1433 der schwarze Doppeladler im goldenen Feld Reichswappen, neben dem der
König bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches den einfachen A. führt. 1848 erklärt die
Bundesversammlung den Doppeladler zum Wappen des geplanten Deutschen Reiches,
1871 das Deutsche Reich den einköpfigen schwarzen A. in Gold mit aufgelegtem
preußischem Adlerschild, 1919 den einköpfigen schwarzen A. in Gold, der 1950
von der Bundesrepublik Deutschland übernommen wird. Österreich verwendet 1804
den Doppeladler als Reichswappen, versieht ihn aber mit je einer Krone und
führt 1919 den einköpfigen schwarzen A. mit Hammer und Sichel in den Fängen
ein, der von 1934 bis 1945 durch einen Doppeladler ersetzt, 1945 aber mit einer
zusätzlichen gesprengten Eisenkette wieder aufgenommen wird. Preußen führt
seit 1320 zusätzlich den kaiserlichen A., der 1525 als schwarzer A. in Silber
gestaltet und mit einer goldenen Krone um den Hals und einem silbernen
S(igismund) auf der Brust versehen wird. 1701 wird der gekrönte schwarze A. in
Silber Wappen des Königreichs.
Lit.: Gritzner, E., Symbole und Wappen des
alten deutschen Reiches, 1902; Korn, H., Adler und Doppeladler, Diss. phil.
Göttingen 1969, Neudruck 1976; Hattenhauer, H., Deutsche Nationalsymbole, 1984;
Hattenhauer, H., Geschichte der deutschen Nationalsymbole, 2. A. 1990; Hattenhauer,
H., Deutsche Nationalsymbole, 3. A. 1998; Reichel, P., Schwarz Rot Gold, 2005
admallatio (lat. [F.]) Ladung
administratio (lat. [F.]) Verwaltung
Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen
Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 42; Busch, J., Vom Amtswalten zum Königsdienst,
2007
Administrativjustiz (F.) durch die Verwaltung wahrgenommene
Gerichtsbarkeit in Verwaltungsangelegenheiten (im 19. Jh.)
Lit.: Pahlow, L., Administrativjustiz versus Justizstaat, ZNR 2000, 11
Administrator ist seit dem Ende des 13. Jh.s der
Verwalter eines Bistums.
Lit.: Busch, J., Administratio in der frühen
Stauferzeit, ZRG GA 122 (2005), 43
admonitio (lat. [F.]) Ermahnung (z. B. Kapitular
admonitio generalis vom 23. 3. 789)
Lit.: Buck, T., Admonitio und Praedicatio, 1997; Die Admonitio
generalis Karls des Großen, hg. v. Mordek, H. u. a., 2012
adoptio (lat. [F.]) Annahme an Kindes Statt
→Adoption
Adoption ist die Annahme eines Menschen als
Kind unabhängig von der tatsächlichen Verwandtschaft. Das römische Recht kennt
in diesem Zusammenhang neben der (lat. [F.]) adrogatio eines Menschen sui iuris
und verschiedenen testamentarischen Geschäften in Anknüpfung an die
Zwölftafelgesetzgebung die (lat. [F.]) adoptio eines Menschen alieni iuris,
bei der ein Vater seinen Sohn dreimal (bzw. eine Tochter oder einen Enkel
einmal) dem künftigen Adoptivvater zu treuen Händen durch →Manzipation
(lat. [F.] →mancipatio) überträgt, dieser ihn dreimal (bzw. einmal)
freilässt, der Adoptierende vor dem Gerichtsmagistrat behauptet, dass das Kind
das seine sei, der Vater nicht widerspricht und der Magistrat den Menschen dem
Adoptivvater zuteilt. Das frühmittelalterliche Recht nimmt mit ähnlicher Zielsetzung
die →Affatomie bzw. das Speergedinge vor. Zu Beginn der Neuzeit wird die
römischrechtliche A. in eingeschränkter Form an einzelnen Stellen aufgenommen
(Freiburg im Breisgau 1520) und findet erst danach allgemein (entweder als
adoptio plena d. h. volle Verwandtschaft oder als adoptio minus plena
Erbberechtigung des Adoptierten nach dem Adoptierenden) Eingang in die vernunftrechtlichen
Kodifikationen (CMBC 1756 I, 4, § 5; I, 5 § 12, ABGB 1811 §§ 181ff., Code civil
Art. 343ff., Bad LR Art. 343ff.). Wie schon im römischen Recht, so sollte auch
im Allgemeinen Landrecht (II 2 §§ 666ff. Preußens die A. vor allem Kinderlosen
einen Erben verschaffen. In Deutschland wird sie 1900 in das Bürgerliche
Gesetzbuch übernommen und 1976 neu gefasst, in Großbritannien 1926 eingeführt.
Sie dient zunehmend der Kinderfürsorge und der Befriedigung ideeller Wünsche.
Lit.: Kaser § 60; Söllner §§ 8, 25; Hübner; Köbler,
DRG 21, 268; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im germanischen
Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Pitzorno, B., L’adozione privata, 1914; Eichmann, E., Die Adoption des deutschen
Königs durch den Papst, ZRG GA 37 (1916), 291; Kuhn, H., Philologisches
zur Adoption bei den Germanen, ZRG GA 56 (1947), 1; Wackernagel, W., Die
rechtliche Stellung der Nachkommen des Adoptivkindes, Diss. jur. Basel 1953;
Diederichsen, U., Wandlungen des Adoptionsrechts, StAZ 1977, 301; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Die Projekte der
Weimarer Republik zur Reform des Nichtehelichen-, des Adoptions- und des Ehescheidungsrechts,
1986; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Jussen, B.,
Patenschaft und Adoption, 1991; Knütel, R., Zur Adoption im römischen Recht,
(in) Familienrecht in Geschichte und Gegenwart, 1992, 3; Schoenenberger, M.,
Histoire du droit de l’adoption, (Diss. jur. Freiburg i. Ü.) 1995; Sturm, F.,
Die Aufnahme der Adoption in den Code civil, (in) Wirkungen europäischer
Rechtskultur, 1997, 1305ff.; L’adoption dans le droit savant, hg. v. Roumy, F.
u. a., 1998; Neukirchen, C. Die rechtshistorische Entwicklung der Adoption,
2004; Kurtz, D., Das Institut der Adoption im preußischen Allgemeinen Landrecht
und im französischen Code civil, 2006; Wesener, G., Adoptio, FS Wilhelm
Brauneder, 2008, 699; Schott, C., Kindesannahme - Adoption - Wahlkindschaft,
2009; Warnecke, M., Zwangs-Adoptionen in der DDR, 2009
advocatus (lat. [M.]) Herbeigerufener
(Rechtsbeistand) →Advokat, (mlat.) →Vogt
Advokat (lat. [M.] advocatus) ist seit dem
5. Jahrhundert in der christlichen Kirche ein Funktionsträger. Im 8. Jh.
schreibt die Kirche die Zuziehung solcher (lat.) advocati (M.Pl.) in weltlichen
Streitigkeiten der Geistlichen vor. Bis 1340 wird ihr Aufgabenkreis durch
päpstliche Dekrete näher bestimmt. Am Ende des 14. Jh.s findet das Wort als
Fremdwort Eingang in das Deutsche. Im Prozess verfasst der A. als Berater und
Vertreter einer Partei Klageschriften und andere Stellungnahmen und trägt sie
in seinem Plädoyer vor Gericht mündlich vor. Mit der Rezeption übernimmt
zeitweise (KGO 1421, RKGO 1495) der →Prokurator den Vortrag vor Gericht.
In Preußen wird 1793 kurzfristig die Advokatur abgeschafft. 1878 wird der
Ausdruck A. im Deutschen Reich durch →Rechtsanwalt ersetzt.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 56, 86, 117, 153; Fournier, P., Les officialités au Moyen Age,
1880; Hogan, J., Judicial Advocates and Procurators, 1941; Hermesdorf, B.,
Licht en schaduw in de advocatuur der Lage Landen, 1951; Gänßlen, G., Die
Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der Reichsstadt Ulm, 1966; Grahl, C., Die
Abschaffung der Advokatur, 1993; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996;
Scherner, K., Advokaten, Revolutionäre, Anwälte, 1997; Neschwara, C., Die
Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Officium
advocati, hg. v. Mayali, L., 2000; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren,
2006; 200 jaar orde van Advocaten te Antwerpen, hg. v. Bogaerts, P. u. a., 2012
aedilis (lat. [Adj.]) Haus-, s. Ädil
AEIOU ist die von dem der
Buchstabenmagie zugetanen Kaiser Friedrich III. (1440-1493) von Habsburg seit
1437 verwendete Zeichenfolge, deren vielfache lateinische und deutsche
Erklärungen (z. B. [lat.] Austriae est imperare orbi universo, Alles Erdreich
ist Österreich untertan, [lat.] Austria est inter omnes universa, Österreich
ist unter allen das vielseitigste) erst später erscheinen.
aequitas (lat. [F.]) Billigkeit,
Gerechtigkeit
Lit.: Rühl, P., Das aequitatis iudicium im fränkischen
Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Kirn, P., Aequitatis iudicium, ZRG GA 52
(1932), 53; Ostwaldt, L., Aequitas und Justitia, 2009
Aequitas (F.) canonica (lat.) ist die aus den Umständen
des Einzelfalls eine Abweichung vom geltenden Recht begründende kanonische
Billigkeit. Auf Grund von antiken Vorläufern (griech. epicheia, lat.
supraiustitia) und kirchenrechtlichen Sammlungen des 10. und 11. Jh.s wird sie
von Gratian (1140) verwendet. Ziel ist die praktische Verwirklichung des Gerechtigkeitsideals.
Hauptsächlich dient die a. c. der Auslegung und Ergänzung rechtlicher Regeln.
Lit.: Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931;
Maitland, F., Equity, 1936; Hering, C., Die aequitas bei Gratian, (in) Studia
Gratiana Bd. 2 1954, 96; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968;
Caroni, P., „Aequitas“ romana, „misericordia“ patristica ed „epicheia“
aristotelica nella dottrina dell’ „aequitas canonica“, 1971; Equity in the
World’s Legal Systems, hg. v. Newman, A., 1973; Maifeld, J., Die aequitas bei
L. Neratius Priscus, 1991; Landau, P., Der Einfluss des kanonischen Rechtes,
(in) Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991,
39; Wesener, G., Aequitas naturalis, (in) Der Gerechtigkeitsanspruch des
Rechts, 1996, 82
aequus (lat. [Adj.]) eben, gleich, billig, gerecht
aerarium (lat. [N.]) Staatskasse,
Staatsschatz
aestimatum (lat. [N.]) Trödelvertrag
Affatomie ([F.] „Indenschoßsetzung“) ist das
förmliche Verfahren des altfränkischen Rechtes (fränkische Volksrechte, Kapitularien,
Formeln), durch das Güter eines kinderlosen Erblassers in drei zeitlich getrennten
Handlungen im Ding, im Haus und im Königsding Dritten zugewendet werden können.
Lit.: Hübner; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt,
K., 1962, Tit. 46, §§ 1-6, Tit. 105, § 1; Schmidt, R., Die Affatomie der lex
Salica, 1891; Sousa Costa, A. de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in
karolingischen Kapitularien, 1993, 162; Schmidt-Recla, A., Mancipatio familiae
und Affatomie, (in) Leges – Gentes – Regna, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2006, 461
Affektion (F.) Zuneigung, Liebhaberei
Affektionsinteresse (N.) Liebhaberwert
Lit.: Kindler, M., Vom Ursprung des Affektionsinteresses
im römischen Recht und seiner Rezeption, 2012
Afghanistan
Lit.: Buske, R., Kunduz. Ein Erlebnisbericht, 2015
Africanus (Sextus Caecilius Africanus) ist
der als Schüler des →Julian bekannte hochklassische römische
Rechtskundige des 2. Jh.s n. Chr. († 175?), von dem Epistulae und Quaestiones
bezeugt sind (insgesamt 35 Spalten in Otto Lenels Palingenesie).
Lit.: Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Africani quaestiones. Studien zur Geschichte und
Dogmatik des Privatrechts, hg. v. Harke, J., 2011
Afrika ist
der südlich Europas gelegene Kontinent, dessen günstige klimatische
Gegebenheiten die Entwicklung des modernen Menschen ermöglichen, dessen
Nordrand schon dem römischen Reich angehört, dessen südliche Teile aber erst mit
dem Beginn der Neuzeit in das europäische Gesichtsfeld treten und dann als
Kolonien durch Portugal, England, Frankreich, Belgien und Deutschland in Besitz
genommen werden, bis sie sich nach der Mitte des 20. Jh.s zu verhältnismäßig
selbständigen Staaten befreien können.
Lit.: Davidson, B., Old Africa rediscovered, 1959;
Davidson, B., Urzeit und Geschichte Afrikas, 1961; Strauch, H., Afrikas Weg zur
Einheit, Diss. jur. Zürich (um 1965); Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf
das römisch-holländische Recht in Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168; Davidson,
B., The Black Man’s Burden, 1992; Iliffe, J., Geschichte Afrikas, 2. A. 2003;
Harding, L., Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, 1999, 2. A. 2010;
Hazdra, P., Afrikanisches Gewohnheitsrecht, 1999; Wesseling, H., Teile und
herrsche, 1999; Afrika, hg. v. Grau, I. u. a., 2000; Das Afrika-Lexikon, hg. v.
Mabe, J., 2001; Ansprenger, F., Geschichte Afrikas, 2002; Fage, J./Oliver, R.,
Kurze Geschichte Afrikas, 2002; Giliomee, H., The Afrikaners, 2003; Kleines
Afrika-Lexikon, hg. v. Hofmeier, R. u. a., 2004; Marx, C., Geschichte Afrikas,
2004; Guérivière, J. de la, Die Entdeckung Afrikas, 2004; Koloniale und
postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in
der deutschen Alltagskultur, hg. v. Bechhaus-Gerst, M. u. a., 2006; Schuerkens,
U., Geschichte Afrikas, 2009; Schicho, W., Geschichte Afrikas, 2010; Harding,
L., Das Königreich Benin, 2010; Weckner, F., Strafrecht und Strafrechtspflege
für Afrikaner und ihnen gleichgestellte Farbige in Deutsch-Ostafrika, 2010; The
Cambridge History of South Africa, Bd. 1f., hg. v. Hamilton, C. u. a., 2010f.;
Wallace, M., History of Namibia, 2011; Thornton, J., A Cultural History of the
Atlantic World 1250-1820, 2012; 50 Jahre Unabhängigkeit in Afrika, hg. v.
Bierschenk, T. u. a., 2012; Brett, M., Approaching African History, 2013; Marx,
C., Südafrika, 2012; Stamm, V., Schriftquellen zur westafrikanischen
Geschichte, HZ 298 (2013), 326 (sehr umfangreich, aber nur teilweise
aufgefunden und kaum erschlossen); Van der Linden, M., The acquisition of
Africa (1870-1914), 2016; Jones, A., Afrika bis 1850, 2016; Kwame Nkrumah
1909-1972, hg. v. Lundt, B. u. a., 2016; Marx, C., Mugbe – ein afrikanischer
Tyrann, 2017
Afterlehen ist die seit dem Anfang des 14.
Jh.s entstandene Bezeichnung für das von einem Lehnsmann in einem weiteren, von
ihm begründeten Lehnsverhältnis an einen (Unter-)Lehnsmann (Aftervassallen)
weitergegebene Lehen. Im Gegensatz zu England und der Normandie ist in
Deutschland und Frankreich der Empfänger des Afterlehens dem (Ober-)Lehnsherrn
nicht zu Dienst und Treue verpflichtet.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969
Agnat ist der über Männer Verwandte. Im
römischen Recht sind adgnati (M.Pl.) alle freien Menschen, die in demselben
Hausverband (oder in manus) stehen oder noch ständen, wenn ihr gemeinsamer
Stammvater noch lebte. Im germanisch-deutschen Sprachbereich sind die Agnaten
die Verwandten, die sich in rein männlicher Linie auf einen gemeinsamen
Stammvater zurückführen lassen (→Schwertmagen). Der verschiedentlich
behauptete Vorrang des agnatischen Prinzips vor dem kognatischen Prinzip ist
nicht nachweisbar.
Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Schmid,
K., Zur Problematik von Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO
105 (1957), 1; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958
Agrarverfassung ist die (rechtliche) Grundordnung
der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke einer Allgemeinheit. Die römische
A. ist zunächst durch kleinbäuerliche naturale Hauswirtschaft gekennzeichnet,
doch bewirkt die Entwicklung Roms zu einer Weltmacht den Übergang der römischen
Kleinbauern in das Proletariat, während die Patrizier durch Sklaven
Plantagenwirtschaft betreiben können. Die A. der Germanen ist umstritten. Eher
unwahrscheinlich ist die durch Berichte Caesars und Tacitus’ nahegelegte
urkommunistische A. mit jährlicher Ackerverlosung. Vielmehr dürften Haus und
umliegendes Ackerland oder Weideland bereits familienmäßig zugeordnet gewesen
sein. Vielleicht als Folge der Landnahme in der Völkerwanderung und der
Begegnung mit provinzialrömischen Zuständen entsteht die
→Grundherrschaft als überwiegende Form des Betriebs der
→Landwirtschaft. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter
werden Naturalabgaben der abhängigen bäuerlichen Hintersassen in Geldleistungen
umgewandelt. Östlich von Elbe und Saale setzt sich vor allem seit der frühen
Neuzeit die Gutsherrschaft durch, die abhängige Bauern zu Tagelöhnern macht.
An die Stelle von Rentengrundherrschaft und Gutsherrschaft tritt nach der von
der Aufklärung verursachten französischen Revolution von 1789 im 19. Jh.
(1807-1848) das →Eigentum des einzelnen (befreiten) Bauern. Im 20. Jh.
führt die politische, wirtschaftliche und technische Entwicklung zur
Zerschlagung des Großgrundeigentums einerseits und zur Notwendigkeit der
Bildung größerer Wirtschaftseinheiten (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften
in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR, Landpacht) andererseits. Nach
dem zweiten Weltkrieg wird die A. von Industrialisierung, Europäisierung und
Globalisierung geprägt, die das Ende des kleinbäuerlichen Familienbetriebs
einleiten. Gleichwohl gilt noch zu Beginn des 21. Jh.s Sonderrecht für das
landwirtschaftliche Grundeigentum.
Lit.: Köbler, DRG 133, 174; Maurer, G. v.,
Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856; Knapp, G., Die
Bauernbefreiung, 1887; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland,
1896; Weber, M., Agrarrecht, Agrargeschichte, Agrarpolitik - Vorlesungen
1894-1899, hg. v. Aldenhoff-Hübinger, R., 2007; Dopsch, A., Die
Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, 2. A. 1921; Weber, M.,
Wirtschaftsgeschichte, 1923; Kötzschke, R., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte
des Mittelalters, 1924; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des
germanischen Nordens, 1935; Lütge, F., Die Agrarverfassung des frühen
Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937, 2. A. = Neudruck 1966; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Lütge, F., Geschichte der deutschen Agrarverfassung, 1963; Blaschke, K.,
Grundzüge und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82
(1965), 223; Wege und Forschungen der Agrargeschichte (FS Günther Franz), hg.
v. Haushofer, H. u. a., 1967; Groß, R., Die bürgerliche Agrarreform in Sachsen,
1968; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit und Verfahren der
Auseinandersetzungsbehörden bei der Durchführung der preußischen Agrarreformen,
1985; Brakensiek, S., Agrarreform und ländliche Gesellschaft, 1991; Rösener,
W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992; Achilles, W., Deutsche Agrargeschichte im Zeitalter der Reformen und der
Industrialisierung, 1993; Corni, G. u. a., Blut und Boden, 1996;
Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998; Kluge, U., Agrarwirtschaft
und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2005; Agrarreformen und
ethnodemographische Veränderungen - Südosteuropa vom ausgehenden 18.
Jahrhundert bis in die Gegenwart, hg. v. Krauss, K., 2008; Oberkrone, W.,
Ordnung und Autarkie, 2009; Grundzüge der Agrargeschichte, hg. v. Brakensiek,
S. u. a., Bd. 1-3, 2016
Agustín, Antonio (Saragossa 1516-Rom 1586)
schafft nach Studien in Alcala, Salamanca, Padua und Bologna (Alciat) im
päpstlichen Dienst die Grundlage für die geschichtliche Bearbeitung der Quellen
des kirchlichen Rechtes.
Lit.: Bernal Palacios, A., Antonio Agustín y su
„Recollecta in iure canonico“, (in) Revista española de derecho canonico 45
(1988), 487
Ägypten ist das sich längs des unteren Nils
erstreckende Gebiet Ägyptens, in dem seit dem Ende des 4. Jt.s v. Chr. eine
Hochkultur erkennbar ist, deren Rechtssätze nur wenig bekannt sind. 30 v. Chr.
fällt Ä. (nach mehr als 330 Königen aus 30 Dynastien) an die Römer, später wird
es rasch vom →Islam erfasst. Aus dem Erbe des osmanischen Reiches wird es
1882 von Großbritanien besetzt, zwischen 1922 und 1946 aber schrittweise
verselbständigt.
Lit.: Grünau, W. v., Die staats- und völkerrechtliche
Stellung Ägyptens, 1903, Neudruck 2013; Friedell, E., Kulturgeschichte Ägyptens
und des Alten Orients, 1936, Neudruck 1998; Seidl, E., Einführung in die
ägyptische Rechtsgeschichte, 2. A. 1951; Otto, E., Ägypten, 1953, 5. A. 1959;
Seidl, E., Ägyptische Rechtsgeschichte 2. A. 1968; Goedicke, H., Die privaten
Rechtsinschriften, 1970; Lurje, M., Studien zum altägyptischen Recht, 1971;
Seidl, E., Rechtsgeschichte Ägyptens als römischer Provinz, 1973; Wolff, H.,
Das Recht der griechischen Papyri Ägyptens, Bd. 2 1978; Vercoutter, J.,
L´Egypte, Bd. 1 1992; Hölbl, G., Geschichte des Ptolemäerreiches, 1994;
Assmann, J., Ägypten, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Reclams Lexikon des alten Ägypten, hg. v. Shaw, I. u. a., 1998; Boochs, W.,
Altägyptisches Zivilrecht, 1998; Huß, W., Ägypten in hellenistischer Zeit,
2001; Clauss, M., Das alte Ägypten, 2001; Wolff, H., Das Recht der griechischen
Papyri Ägyptens, hg. v. Rupprecht, H., Bd. 1 2002; Hölbl, G., Altägypten im
römischen Reich, 2005; Capponi, L., Augustan Egypt, 2005; Langner, U.,
Forschungsarbeiten zur frühen Kultur der Menschheit, 2007; Bingen, J.,
Hellenistic Egypt, 2007; Ägypten unter fremden Herrschern, hg. v. Pfeiffer, S.,
2007; Hornung, E., Einführung in die Ägyptologie, 6. A. 2008, 7. unv. A. 2010;
Booth, C., Das alte Ägypten, 2009; Cities and Urbanism in Ancient Egypt, hg. v.
Bietak, M. u. a.,, 2010; Kubisch, S. u. a., Kleopatra, 2011; Clauss, M., Der
Pharao, 2011; Rupprecht, H., Recht und Rechtsleben im ptolemäischen und römischen
Ägypten, 2011; Huß, W., Die Verwaltung des ptolemäischen Reichs, 2011; Monson,
A., From the Ptolemies to the Romans, 2012; Huß, W., Die Wirtschaft Ägyptens in
hellenistischer Zeit, 2012; The Oxford Handbook of Roman Egypt, hg. v. Riggs,
C., 2012; Wilkinson, T., Aufstieg und Fall des Alten Ägypten, 2012; Bauschtz,
J., Law and Enforcement in Ptolemaic Egypt, 2013; Jin, S., Richten und
Schlichten, 2014; History and Society during the Mamluk Period (1250-1517), hg.
v. Conerman, S., 2014; Beckh, T. u. a., Die Entdeckung Ägyptens, 2014; Pink,
J., Geschichte Ägyptens, 2014; Cline, E., 1177 v. Chr. Der erste Untergang der
Zivilisation, 2015; Pharao – Leben im alten Ägypten, hg. v. Tietze, C., 2017
Ahnengrab
Lit.: Meier, J., Ahnengrab und Brautstein, 1944; Meier,
J., Ahnengrab und Rechtsstein, 1950
Ahnenprobe ist der Nachweis der (adeligen)
Abkunft vom 12. bis 19. Jh.
Lit.: Langer, C., Die Ahnen- und Adelsprobe, 1862;
Klocke, F. v., Westdeutsche Ahnenproben, 1940; Medien der Kommunikation im
Mittelalter, hg. v. Spieß, K., 2003, 139ff.
Ahrweiler
Lit.: Krahforst, P., Stadtverfassung und Gerichtswesen im
mittelalterlichen Ahrweiler, Diss. jur. Bonn 1962; Inventar des Archivs der
Stadt Ahrweiler 1228-1795, bearb. v. Zimmer, T., 1965
Akademie ist die bei dem Hain des griechischen
Helden Akademos in Athen von Plato (428/427-348/347 v. Chr.) gegründete,
griechische, 529 n. Chr. vom oströmischen Kaiser Justinian verbotene
Philosophenschule, deren Grundgedanke 1454 in Italien (Terranuova/Florenz)
wiederbelebt wird. Seitdem versammeln sich nach dem Kooptationsprinzip
bedeutende universitäre Gelehrte in außeruniversitären Akademien (Accademia
dei Lincei 1603, Accademia del Cimento 1657, Leopoldina Schweinfurt 1652) vor
allem zwecks Netzwerkbildung. Der entscheidende Anteil an der Entwicklung der
modernen Welt kann aber eher den Universitäten (z. B. Halle 1694, Göttingen
1737, Berlin 1810) als den Akademien (Preußen 1700, Österreich 1847) als Wissenschaftsnetzwerken
zugesprochen werden.
Lit.: Electoralis academiae scientiarum Boicae
primordia, Briefe aus der Gründungszeit, 1959; Lepper, H., Die Einheit der
Wissenschaften, 1987; Die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften zu
Berlin, hg. v. Kocka, J., 1999; Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu
Berlin 1914-1945, hg. v. Fischer, W., 2000; Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt,
K. u. a., 2001; Hammerstein, N., Innovation und Tradition, HZ 278 (2004), 591;
Kopetz, H., Die österreichische Akademie der Wissenschaften, 2006; Die Gründung
der Leopoldina, hg. v. Toellner, R. u. a., 2008; Bolewski, H., Die Idee der
Akademie, hg. v. Bolewski, M., 2009; Denker, Forscher und Entdecker, hg. v.
Willoweit, D., 2009 (22 Lebensbilder); Joos, K., Gelehrsamkeit und
Machtanspruch um 1700, 2012
Akademie für deutsches Recht ist die am 26. Juni 1933 auf
Einladung des Staatsministers Hans Frank im Justizministerium Bayerns von
Wilhelm Kisch, Otto von Zwiedineck-Südenhorst, Wilhelm Heuber, August von
Finck, Wilhelm Arendts, Wilhelm Kißkalt, Karl Lasch und Hans Frank
vorbereitete, durch bayerisches Gesetz vom 22. September 1933 als Körperschaft
des öffentlichen Rechtes anerkannte außeruniversitäre wissenschaftliche
Einrichtung der nationalsozialistischen Zeit (1933-1945) zur
weltanschaulichen Umgestaltung des Rechtes (mit anfangs 95 Mitgliedern). Die A.
f. d. R. wird mit verschiedenen Gesetzesvorhaben befasst (u. a. Volksgesetzbuch).
Ihr wissenschaftlicher Ertrag bleibt vor allem aus zeitlichen Gründen
notwendigerweise eher gering. Mitglieder sind (nach Pichinot) Albert, Anders, Arendts
Carl, Arendts Wilhelm, Becker, Belitz, Berckemeyer, Bertram, Bilfinger, Bilke,
Blomberg, Böhringer, Bohne, Bormann, Bosch, Bouhler, Brand, Brandt, Braunmühl,
Breska, Bruns, Buch, Buchner, Bühler, Bürckel, Bumke, Bussmann, Buttmann,
Buzengeiger, Calker, Correll, Dahm, Darré, Denzler, Dersch, Dierig, Dietrich,
Ditten, Dorpmüller, Droege, Duisberg, Ebbecke, Eckhardt, Emge, Engert, Epp,
Eschstruth, Exner, Fabian, Feder, Feise, Fiehler, Finck, Firle, Fischer, Flick,
Florian, Forster, Freisler Oswald, Freisler Roland, Freytagh-Loringhoven,
Frick, Fritzsche, Frowein, Frundt, Gaertner, Gaus, Geffroy, Geldmacher,
Gelpcke, Gerdes, Gleispach, Glück, Goebbels, Goerdeler, Göring, Goltz, Gonella,
Gottl-Ottilienfeld, Grau, Grauert, Grimm, Grohé, Gürtner, Haushofer, Heckel,
Hedemann, Helfferich, Hellmuth, Henkel, Herle, Heß, Heuber, Heymann, Hierl,
Hildebrandt, Hilgard, Hilland, Himmler, Huber, Hueck, Huecking, Hühnlein,
Jessen, Jordan, Jung, Kaufmann, Keppler, Kerrl, Kilpper, Kisch, Kißkalt,
Klagges, Klausing, Klauer, Kleiner, Kleinmann, Klitzsch, Kluge, Koch,
Koellreutter, Kohlrausch, Krämer, Krohn, Krupp von Bohlen und Halbach, Kyser,
Lammers Clemens, Lammers Hans-Heinrich, Lange Heinrich, Lange Karl, Lechner,
Lehmann, Lehnich, Lent, Lenz, Ley, Linde, Linz, Lippert, Lohse, Luetgebrune,
Lüer, Lutze, Madaus, Mansfeld, Meerwald, Meißner, Menge, Merck, Meyer Alfred,
Meyer Herbert, Meyer Karl, Mezger, Mikorey, Minoux, Mitteis, Mönckmeier,
Mößmer, Moritz, Müller-Erzbach, Mutschmann, Nagler, Neef, Neubert, Neurath,
Nicolai, Niemczyk, Nipperdey, Noack, Noell, Noetzel, Oberlindober, Oboussier,
Oertel, Oetker, Olscher, Opel, Oppikofer, Palandt, Papen, Pfundtner, Poensgen,
Popitz, Popp, Pschorr, Racke, Ranz, Reemtsma, Reinhardt, Reinhart, Reusch,
Ribbentrop, Rienhardt, Röhm, Rohde, Römer, Rößner, Roselius, Rosenberg,
Rothenberger, Röver, Rühle, Rust, Sack, Sahm, San Nicolo, Sauckel, Saure,
Schacht, Schaeffer, Schaffstein, Scheurl-Defersdorf, Schieck, Schippert,
Schirach, Schlegel, Schlegelberger Franz, Schlegelberger Paul, Schmidt, Schmitt
Carl, Schmitt Kurt, Schmitz, Schnauß, Schoetensack, Schraut, Schreyer,
Schröder, Schroer, Schüßler, Schuhmann, Schultze, Schwarz F. X., Schwarz Otto,
Schwarz, Schwede, Schwerin, Schwerin von Krosigk, Selchow, Seldte, Sellier,
Sibeth, Siebert Ludwig, Siebert Wolfgang, Siemens, Simon Gustav, Simon H. A.,
Simons, Singer, Specht, Spiethoff, Sprenger, Springorum, Stauß, Steinaecker,
Steyrer, Stock, Stoll, Stolleis, Streicher, Stuckart, Stutz, Teichler,
Telschow, Terboven, Tewaag, Thierack, Thyssen, Tiemessen, Tischbein, Todt,
Töwe, Tribius, Ullrich Arthur, Ullrich Hans, Ulrich, Vögler, Volkmar, Wagner
Adolf, Wagner Josef, Wagner Robert, Wahl, Waldeck und Pyrmont, Waldmann, Walz,
Weidemann, Wein, Weinrich, Weiß, Wirth, Witte, Wolpers, Wolff, Würdinger,
Wüstendörfer, Zangen, Zarnack, Zwiedineck-Südenhorst, als korrespondierende
Mitglieder u. a. Fehr, als Ausschußvorsitzende u. a.Dersch, Kunkel,
Felgentraeger, Schmidt-Rimpler, Lehnich, Ulmer, Blomeyer, Wieacker, Scheuner,
in Arbeitsgemeinschaften Lang, Predöhl, Boesler, Moeller, Schmölders, Gerhardt,
Helander, Beckenrath, Brinkmann und Lampe.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Pichinot, H., Die
Akademie für deutsches Recht, 1981; Akademie für Deutsches Recht, 1933-1945,
Protokolle der Ausschüsse, hg. v. Schubert, W., Bd. 1ff. 1986ff.; Anderson, D.,
The Academy for German Law 1933-1944, 1987; Wacker, G., Der Erbrechtsausschuss,
1997
akademisch (Adj.) die Akademie oder Universität betreffend
(z. B. akademische Gerichtsbarkeit der Universität über Professoren,
Studenten, Angehörige, Bedienstete bis zum 19. Jh.)
Akklamation (F.) Zuruf, Zustimmung
Akkreszenz (F.) →Anwachsung
Akkusation (F.) Anklage
Akkusationsprozess ist der durch Akkusation (Anklage)
seitens eines (privaten) Anklägers begründete, seit dem 4. Jh. (Konstantin) aus
dem römischen Recht in das kirchliche Recht (6./7. Jh.) übernommene Prozess. Er
erfordert eine →Anklage (lat. [F.] accusatio). Kennzeichnend sind die
dem Anklageschriftsatz beizufügende Verpflichtung des Anklägers zum
→Talion für den Fall der Falschanklage und der →Kalumnieneid. Im
Hochmittelalter wird der A. auf den →Strafprozess eingeschränkt. Die
Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V.)
von 1532 behandelt den A. in Art. 6 noch, doch hat er bereits zu dieser Zeit
keine wirkliche Bedeutung mehr. Ein Gegensatz zum A. ist der
→Inquisitionsprozess. Seit dem 19. Jh. (1848) ist öffentlicher Ankläger
der Staatsanwalt. →Anklageprozess
Lit.: Köbler, DRG 156; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899; Herde, P., Audientia litterarum contradictarum, Bd. 1 1970;
Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage,
1971
Aksum
Lit.: Breyer, F., Das Königreich Aksum – Geschichte
und Archäologie Abessiniens in der Spätantike, 2012
Akten ist die seit dem 15. Jh. (1500
acten) gelegentlich erscheinende Bezeichnung der in Gericht und Verwaltung in
einer Angelegenheit entstehenden Schriftstücke. Solche A. kennt schon die Antike
(59 v. Chr. [lat. N. Pl.] acta senatus). Nach dem frühmittelalterlichen
Rückgang des Schriftwesens werden sie erst im 14. Jh. wieder bedeutsamer.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 3, 5, 105, 145;
Neuss, E., Aktenkunde der Wirtschaft, 1954; Dülfer, K., Urkunden, Akten und
Schreiben in Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957), 11; Schellenberg,
T., Akten- und Archivwesen in der Gegenwart, 1961; Weitzel, J., Das Inventar
der Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Prozessakten als Quellen,
hg. v. Baumann, A. u. a., 2001; Zala, S., Geschichte unter der Schere
politischer Zensur, 2001; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u.
a., 2007; Hochedlinger, M., Aktenkunde, 2009
Aktenversendung (lat. transmissio [F.] actorum) ist
die in der frühen Neuzeit verbreitete Übung der Gerichte, in einem anhängigen
Verfahren (auf Antrag oder von Amts wegen) die Akten mit der Bitte um ein(en)
Urteil(svorschlag) an eine rechtskundige Stelle zu versenden, um danach die
Antwort als eigenes Urteil zu verkünden. Sie baut auf dem mittelalterlichen
→Oberhof auf, bezieht aber nach italienischem Vorbild Juristen und deren
→Fakultäten immer stärker ein (vgl. Art. 219 CCC). Seit der Mitte des 18.
Jh.s schränken staatliche Gesetze die A. ein (Preußen 1746, Bayern 1753). Mit
den Reichsjustizgesetzen der Jahre 1877/1879 (§ 16 GVG) endet die der
Unmittelbarkeit des Richters widersprechende A. im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 155,
201; Bülow, O., Das Ende des Aktenversendungsrechts, 1881; Löning, G., Spätes
Lob der Aktenversendung, ZRG GA 63 (1943), 333; Ebel, W., Studie über ein
Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Baumgärtel, G., Die
Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger Juristenfakultät, 1962; Gehrke,
H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur, 1974; Lorenz, S.,
Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Knecht, B., Rat als
Rechtmäßigkeitsmerkmal, 2015 (Diss. jur. München)
Aktenwesen →Akten
Aktie (1492) ist der Anteil an der →Aktiengesellschaft.
Im 15. Jh. ist A. in Amsterdam und Brügge der klagbare Anspruch und das diesen
verbriefende Papier, in Zeugnissen von 1606/1607 (niederländisch-ostindische
Handelscompagnie, VOC) vielleicht der Anspruch auf Dividende (aus dem
Anteilsschein des Kapitalgebers) und im Code de commerce Frankreichs von 1807
ein Teil des Kapitals einer Handelsgesellschaft.
Lit.: North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Aktienrecht
im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aktiengesellschaft (1828) ist die Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit
(juristische Person), die ein in Aktien zerlegtes Grundkapital hat und für
deren Verbindlichkeiten den Gläubigern nur das (gesamte) Gesellschaftsvermögen
(unbeschränkt) haftet (nicht auch der Gesellschafter mit ihrem sonstigen Vermögen).
Auf der Grundlage erster Durchbrechungen des Grundsatzes der persönlichen
Haftung des handelnden Kaufmanns infolge des wachsenden Kapitalbedarfs in
Bergbau und Fernhandel im 15. Jh. entsteht (auf römischen Grundlagen) nach
Vorläufern (Genua 1407 St. Georgsbank) die A. aus den Bedürfnissen der
Beschaffung hohen Kapitals und der Streuung großen Risikos im Kolonialhandel am
Beginn des 17. Jh.s (English East India Company 1600 zunächst als Rahmen für
auf einzelne Unternehmungen beschränkte terminated stock companies, Vereinigte
[Niederländische] ostindische Handelscompagnie VOC 20. 3. 1602, Schweden
1615, Dänemark 1616, Brandenburgisch-Ostindische Compagnie 1651, Niederlande
Österreichs 1719). Sie wird mehr und mehr als Zusammenschluss mit eigenem
Vermögen angesehen. Sie beruht zunächst auf einem einzelnen Privileg
(Oktroisystem). Gesetzlich wird die A. im französischen Code de commerce
(1807, 14 Artikel, „anonyme Gesellschaft“), (im Eisenbahngesetz Preußens von
1838,) im Gesetz über die Aktiengesellschaften für die königlich preußischen
Staaten vom 9. November 1843 (Konzession als Verwaltungsakt auf der Grundlage
eines Gesetzes [Konzessionssystem], Vorstand und Generalversammlung,
Verwaltungsratsmodell) und im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861,
Kombinationsmodell aus Aufsichtsrat und Verwaltungsrat, Konzessionssystem
1870 durch System der Normativbestimmungen mit Anspruch auf Erteilung bei Vorliegen
der Voraussetzungen ersetzt), danach in Deutschland (nach zwei Notverordnungen
von 1930 und 1931) 1937 in einem eigenen, 1938 auf Österreich erstreckten, 1945
geringfügig entnazifizierten, 1965 und 1994 novellierten Aktiengesetz (ab 1931
Abschlussprüfermodell, 1937 Aufsichtsrat als [nachträgliches] Kontrollorgan,
1998 ex-ante-Überwachung) geregelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 167,
217, 242, 272; Gesetz über die Aktiengesellschaften vom 9. November 1843, hg.
v. Baums, T., 1981; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung des
Aktienrechts, 1895; Cohn, G., Die Aktiengesellschaft, Bd. 1 1921; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Aktiengesetz1937.pdf;
Schumacher, H., Die Entwickelung der inneren Organisation der Aktiengesellschaft,
1937; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des sociétés de commerce en France,
1938; Bösselmann, K., Die Entwicklung des deutschen Aktienwesens, 1939; Rauch,
K., Die Aktienvereine in der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts, ZRG
GA 69 (1952), 238; Reich, N., Die Entwicklung des deutschen Aktienrechts, Ius
commune 2 (1969), 239; Gmür, R., Die Emder Handelscompagnien, FS H. Westermann
1974, 167; Großfeld, B., Die rechtspolitische Bedeutung der Aktiengesellschaft
im 19. Jahrhundert, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v., Coing, H. u.
a., Bd. 4 1979, 236ff.; Baums-Stammberger, B., Der Versuch einer
Aktiengesetzgebung in Sachsen 1836/37, 1989; Landwehr, G., Die
Organisationsstruktur der Aktienunternehmen, (in) Vom Gewerbe zum Unternehmen,
1982, 251; Landwehr, G., Die Verfassung der Aktiengesellschaft, ZRG GA 99
(1982), 1; 100 Jahre modernes Aktienrecht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1984;
Schubert, W., Die Entwürfe der Weimarer Republik zur Reform des Aktienrechts,
ZRG GA 103 (1986), 140; Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der
Ausschüsse 1 Ausschuss für Aktienrecht, hg. v. Schubert, W., 1986; Die
Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik. Die Protokolle der
Verhandlungen im Aktienrechtsausschuss des vorläufigen Reichswirtschaftsrats,
hg. v. Schubert, W. u. a., 1987; Gaastra, F., De geschiedenis van de VOC, 1991;
Nörr, K., Zur Entwicklung des Aktien- und Konzernrechts, ZHR 150 (1986), 155;
Frey, M., Die spanische Aktiengesellschaft, 1999; Hartung, W., Geschichte und
Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Bahrenfuss, D., Die Entstehung
des Aktiengesetzes von 1965, 2001; Kalss, S./Burger, C./Eckert, G., Die
Entwicklung des österreichischen Aktienrechts. Geschichte und Materialien,
2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen Gründungsvoraussetzungen,
2005; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v. Gepken-Jager, E. u. a.,
2005; Thiäner, F., Das Verhältnis von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern, 2007;
Aktienrecht im Wandel, hg. v. Bayer, W. u. a., Bd. 1f. 2007; Velte, P., Das
aktienrechtliche Verwaltungs- und Aufsichtsratsmodell, ZRG GA 127 (2010),
188; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Fleckner, A. Antike Kapitalvereinigungen - ein Beitrag zu den konzeptionellen
und historischen Grundlagen der Aktiengesellschaft, 2010; Ellenberg, S.,
Herrschaft und Reform, 2012; Sicken, B., Privates Kapital für öffentliche
Aufgaben, HZ 302 (2016), 645
Aktiengesetz ist das die Aktie bzw. →Aktiengesellschaft betreffende Gesetz. (z. B.
Deutsches Reich 1937)
Lit.. Quellen zum Aktiengesetz vom 18. Juli 1884, hg. v. Schubert, W.,
2017
Aktienrecht (1873) ist das die Aktie betreffende Recht.
Lit.:; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Borgers, T., Das Oberappellationsgericht zu Lübeck und seine
Rechtsprechung zum Aktienrecht, 2012; Christian, K., Aktienrecht und
Aktienbanken in Schleswig-Holstein 1840-1870, 2015
Aktionär ist der Gesellschafter der →Aktiengesellschaft.
Aktionensystem ist das auf die (lat. [F.]) actio (z. B. im
römischen Recht die Rechtsschutzverheißung im edictum perpetuum) als
Klaganspruch ausgerichtete Rechtssystem, das den Sachverhalt nicht unter einen
Tatbestand subsumiert, sondern auf seine Klagbarkeit untersucht. Bernhard
Windscheid (1817-1892) trennt den materiellen Anspruch von der
verfahrensrechtlichen (lat.) actio. Damit endet im deutschen Recht das A.
Aktivlegitimation (F.) Klagebefugnis
Akzeptation (Annahme, Anerkennung) ist die meist durch
Überleitungsgesetz umgesetzte weltliche Anerkennung (Transformation)
kirchlichen Rechtes im Spätmittelalter (z. B. Pragmatische Sanktion von Bourges
1438, Mainzer Akzeptation 1439).
Lit.: Hürten, H., Die Mainzer Akzeptation, 1955
Akzessorietät (F.) Abhängigkeit eines rechtlichen
Umstands von einem anderen, zu lat. [M.] accessor, Hinzutretender
Lit.: Gerhold, S., Die Akzessorietät der Teilnahme an
Mord und Totschlag, 2014
Akzise (zu lat. [V] accidere, auferlegen, cisa,
Einschnitt [auf dem Kerbholz]) ist
die im 11. Jh. in Spanien (1001) und Venedig, im 13. Jh. im deutschen Reich
(Köln 1206, Stendal 1314 Bierziese) bezeugte, ursprünglich städtische, meist am
Stadttor erhobene →Verbrauchsteuer (auf z. B. Wein, Bier, ausgedehnt auf
Salz, Getreide, Fleisch). In den zusätzliche Einkünfte benötigenden Ländern
wird die auf die reine Warenbewegung abstellende A. nach niederländischem
Vorbild im 17. Jh. bedeutsam (Württemberg 1633, Sachsen 1641, Brandenburg 1641,
Kurpfalz 1699), deren Einführung die Landstände noch bewilligen. Im 19. Jh.
tritt die A. gegenüber der Einkommensteuer zurück (abgeschafft in Bayern 1808,
im Wesentlichen in Preußen 1820, in Sachsen 1834), wird aber in der Form der
alle Bereiche des Warenumsatzes erfassenden Umsatzsteuer (oder später der auf
den jeweils erzielten Mehrwert beschränkten Mehrwertsteuer) im 20. Jh. (1916
bzw. 1918) wieder belebt.
Lit.: Köbler, DRG 113; Der Akzisenstreit, hg. v.
Blesgen, D. u. a., 1717, Neudruck 2006; Knipping, R., Die Kölner
Stadtrechnungen des Mittelalters, 1897; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v.
Schultz, U., 3. A. 1992; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und
Zollgeschichte, 1992; Schwennicke, A., Ohne Steuer kein Staat, 1996; Ullmann,
H., Der deutsche Steuerstaat, 2005
Alarich →Breviarium Alarici
Albanien ist der südosteuropäische, nördlich
Griechenlands an der Adria gelegene Staat mit einer Fläche von 28748 qkm und
rund 3,1 Millionen überwiegend muslimischer Einwohner (Skipetaren oder
Albaner), deren seit dem 15. Jh. schriftlich bezeugte Sprache zum albanischen Zweig
der indogermanischen Sprachenfamilie zählt. Das von Menschen streitiger
Herkunft bewohnte Gebiet wird im 1. Jt. v. Chr. griechisch beeinflusst und
gerät 168 v. Chr. unter römische Herrschaft, unter der es 395 n. Chr. Ostrom
zugeteilt wird. Am Ende des Mittelalters wird das von 1392 bis 1479 Venedig
unterstehende A. von den Osmanen erobert. Am 28. 11. 1912 erklärt sich A. für
unabhängig, 1928 zum von 1939 bis September 1943 in Personalunion mit Italien
verbundenen Königreich. Am 11. 1. 1946 entsteht die Volksrepublik A., die
sich zunehmend abschließt. Im Dezember 1990 endet die kommunistische
Einparteienherrschaft. Seit freien Wahlen vom März 1991 bemüht sich A. um eine
Öffnung. Das albanische Recht ist dementsprechend im Wandel der Zeiten griechisch,
römisch, osmanisch (Geltung der →Megelle [1869-1876] bis 1928), westlich,
sozialistisch und demokratisch geprägt. Das mehrheitlich von Albanern bewohnte
Gebiet Kosovo kann sich 2008 mit internationaler Hilfe von Serbien
verselbständigen.
Lit.: Frasheri, K., The History of Albania,
1964; Skendi, S., The Albanian National Awakening, 1967; Ruß, W., Der
Entwicklungsweg Albaniens, 1979; Lendvai, P., Das einsame Albanien, 1985;
Albanien im Umbruch, hg. v. Altmann, F., 1990; Albanien, hg. v. Neuwirth, H. u.
a., 1995; Mustafaj, B., Albanien, 1997; Kohl-Libal, C. v., Albanien, 1998;
Schmitt, O., Das venezianische Albanien, 2001; Kohl, C. v., Albanien, 2. A.
2003; Albanien, hg. v. Jordan, P. u. a., 2003; Schubert, P., Albanische
Identitätssuche, 2005; Köbler, G., Rechtsalbanisch, 2008 (Internet); Ordolli,
S., Histoire constitutionelle de l’Albanie, 2008; Albanische Geschichte, hg. v.
Schmitt, O., 2009; Löhr, H., Die Gründung Albaniens, 2010; Schmitt, O., Die
Albaner, 2012; Morscher, L., Albanien 2013
Albericus (de porta Ravennate) ist ein zwischen 1165 und
1194 bezeugter Glossator (Glossen, Summula de testibus).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 200
Albericus de Rosate ist ein in Rosciate bei Bergamo aus vornehmer
Familie um 1290 geborener, in Padua ausgebildeter, praktisch tätiger, im
September 1360 verstorbener Jurist (Kommentare zu Codex und Digesten,
alphabetum bzw. dictionarium utriusque iuris, opus statutorum, kleinere
Schriften).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007, 665; Albericus de Rosate, Dictionarium, per Decianum, F., 1581,
Neudruck 2008 (372 Blätter)
Albertiner →Wettin
Albertus Gandinus s. Gandinus, Albertus
Albigenser
Lit.: La Croisade albigeoise, hg. v. Roquebert, M., 2004
Albrecht, Wilhelm Eduard (Elbing 4. 3. 1800-Leipzig 22. 5. 1876) wird
nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Königsberg und Göttingen und der
Promotion (1822) und Habilitation (1824) in Königsberg 1829 Professor für
deutsches Recht. 1830 wird er Nachfolger seines Lehrers Karl Friedrich Eichhorn
in Göttingen, wo er in einer Rezension den Staat als juristische Person erklärt
und 1837 (als einer der Göttinger Sieben) entlassen wird. Ab 1838 wirkt er in
Leipzig, ist Vertreter Oldenburgs, Schwarzburgs und Anhalts im Bundestag des
Deutschen Bundes und nimmt für Harburg an der deutschen Nationalversammlung
von 1848 teil.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AlbrechtWilhelmEduard-DieGewerealsGrundlagedesaelterendeutschenSachenrechts1828.pdf
Albrecht, W., Die Gewere als Grundlage des älteren deutschen Sachenrechts,
1828; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1935; Borsdorff, A., W. E. Albrecht, 1993
Alcala de Henares ist die östlich Madrids
in Spanien gelegene Stadt, die auf römische Grundlagen zurückgeht und 1118 den
Mauren wieder abgewonnen wird. 1348 wird dort durch die Cortes ein bedeutendes
Rechtsbuch verkündet. 1498/1508 wird eine 1836 nach Madrid verlegte Universität
gegründet.
Alciat, Andreas (Alzate bei Como
1492-Pavia 1550), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (Latein, Griechisch,
1507 Rechtswissenschaft) in Pavia und Bologna(, 1516 Promotion Universität
Ferrara, Advokat Mailand,) 1518 nach Avignon berufen, (1522 Advokat Mailand,
1527 an die Universität Avignon zurückgekehrt,) und 1529 nach Bourges sowie
1533 nach Pavia berufen, (1541-1546 Ferrara). Er begründet mit Budé und Zasius
die vom →Humanismus geprägte Rechtswissenschaft ([lat.] Paradoxa [N.Pl.]
iuris civilis, 1518, De verborum significatione, 1530), die im (lat.)
→mos (M.) Gallicus zum Ausdruck kommt. Zeitlebens ist er auch ein
geschätzter Gutachter.
Lit.: Köbler, DRG 143; Omnia … opera, 1557,
Neudruck 2004; Moeller, E. v., Andreas Alciat, 1907; Viard, P., André Alciat,
1926; Osler, D., Development in the text of Alciatus’ Dispunctiones, Ius
commune 19 (1992), 219; Troje, H., Humanistische Jurisprudenz, 1993; Belloni,
A., L’amministrazione della giustizia a Milano, (in) Cunabula iuris, 2002, 1ff.
Aldermann (ae. ealdorman) ist seit dem Mittelalter an
verschiedenen Stellen (z. B. Hamburg 1266, London 13. Jh.) ein Funktionsträger
mit unterschiedlichen Befugnissen.
Lit.: Dollinger, P., Die Hanse, 5.A. 1998; Wormald, P., The making of
English law, Bd. 1 1999
Aldricus ist ein zwischen 1154 und 1177 bezeugter
Glossator, von dem vielleicht eine Schrift über anwendbares Ortsrecht stammt.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 202
Alemanne ist der Angehörige eines wohl am
Ende des 2. Jh.s n. Chr. vor allem aus elbgermanischen Sueben gebildeten, im 3.
Jh. erstmals erwähnten germanischen Stammes, der 259/260 den römischen Limes
durchbricht und das Gebiet am oberen Rhein besiedelt (am Anfang des 4. Jh.s im
Breisgau). 496/497 unterliegen die von einem König geführten Alemannen den
→Franken. Etwa zu dieser Zeit setzt die sich über Jahrhunderte
hinziehende Christianisierung ein. Zu Beginn des 7. Jh.s zeichnen die Alemannen
ihr Recht im →Pactus Alamannorum und zu Beginn des 8. Jh.s in der
→Lex Alamannorum auf. 746 wird ihr Herzogtum vom fränkischen König
endgültig beseitigt. Im fränkisch-deutschen Reich lebt das Volk der Alemannen
in den Ländern Schwaben (Baden, Württemberg), Elsass, Kantonen der Schweiz,
Liechtenstein und Vorarlberg fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cramer, J., Die
Geschichte der Alamannen, 1899; Grundfragen der alemannischen Geschichte, hg.
vom Institut für geschichtliche Landesforschung, 1955; Die Alemannen in der
Frühzeit, hg. v. Hübener, W., 1974; Zur Frühgeschichte der Alemannen, hg. v.
Müller, W., 1975; Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C.,
1978; Borgolte, M., Die Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer
Zeit, 1984; Borgolte, M., Die Grafen Alemanniens, 1986; Geuenich, D.,
Geschichte der Alemannen, 1997, 2. A. 2004; Die Alamannen, hg. v.
archäologischen Landesmuseum, 1997; Hellmuth, D., Frau und Besitz, 1998; Franks
and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Bücker, C., Frühe Alemannen im Breisgau,
1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Hartung, W., Die Alamannen,
2003; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003; Krapp,
K., Die Alamannen, 2007; Drinkwater, J., The Alamanni and Rome 213-496, 2007;
Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau, hg. v. Ade, D. u. a., 2008;
Tarodunum/Zarten - Brigobanis/Hüfingen, hg. v. Kleiber, W., 2009; Alemannische
Dialektologie, hg. v. Huck, D., 2014; Eckhardt, O., Alemannisch im Churer
Rheintal, 2016 (fast alle ortstypischen Dialektmerkmale sind durch einen
Regionaldialekt ersetzt)
Alemannien →Alemanne, →Schwabe
Alexander III., der (um 1120?) als Roland
(Bandinelli?) in Siena geboren wird und in Bologna (vor 1142) Theologie und die
Rechte lehrt (wohl verschieden von dem Dekretisten magister Rolandus),
veranlasst als Papst (1159-1181) und Gegner Friedrichs I. Barbarossa bedeutsame
→Dekretalen (insgesamt mehr als 700, u. a. zur Papstwahl
[Zweidrittelmehrheit der wählenden Kardinäle] und zur Eheschließung).
Lit.: Pacaut, M., Alexandre III, 1956; Baldwin,
M., Alexandre III and the XIIth century, 1968; Weigand, R., Magister Rolandus
und Papst Alexander III., AKKR 149 (1980), 3; Laudage, J., Alexander III. und
Friedrich Barbarossa, 1997; Pope Alexander III (1159-1181), hg. v. Clarke, P.
u. a., 2012
Alexander der Große (Pella/Makedonien 20. 7. 356 v. Chr.-Babylon
10. 6. 323 v. Chr.) ist der das von seinem Vater geerbte Reich Makedonien
zeitweise bis Indien ausdehnende König, mit dem die Zeit des Hellenismus
beginnt.
Lit.: Barceló, P., Alexander der Große, 2007; Demandt, A., Alexander
der Große, 2009; Romm, J., Der Tod Alexanders des Großen und der mörderische
Kampf um sein Erbe, 2016; Romm, J., Der Geist auf dem Thron, 2016; Müller, S.,
Alexander der Große – Eroberungen – Politik – Rezeptiomn, 320 S.
Alexander von Roes (2. H. d. 13. Jh.s, um 1225-vor
1300) ist Kanoniker in Köln und weilt nach 1280 mehrfach in Italien. Er
verfasst dort drei Werke. In ihnen setzt er sich zugunsten des deutschen Königs
gegen Ansprüche des französischen Königs ein ([lat.] Memoriale [N.] de
prerogativa Romani imperii, 1281).
Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und
Alexander von Roes, 1910; Alexander von Roes, Schriften, hg. v. Grundmann, H.
u. a., 1958; Horst, H., Weltamt und Weltende bei Alexander von Roes, 2002
Alfenus Varus (um 39. v. Chr.) ist ein römischer
Rechtskundiger.
Lit.: Liebs, D., P. Alfenus Varus, ZRG GA 127 (2010), 32
Aller guten Dinge sind drei (d. h. der Kläger muss dem
Beklagten in drei Gerichtsterminen die Möglichkeit zur Gegenwehr geben).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 76 (Henisch 1616)
Allgäu
Lit.: Wiedemann, R., Der „Allgäuische Gebrauch einer Gerichtsbarkeit
nach Personalitätsprinzip, 1932; Zinsrodel des Klosters Mehrerau 1290-1505,
bearb. v. Bilgeri, B., 1940
Allgemeine Deutsche Civilprozessordnung ist das 1866 Entwurf gebliebene
zivilprozessuale Gesetzgebungsprojekt des Deutschen Bundes, dem die Bürgerliche
Prozessordnung (1850) Hannovers des Ministerialbeamten Adolf Leonhardt zugrunde
liegt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProtokollederCommissionzurBeratungeinerAllgemeinenCivilprozessordnungfuerdiebundesdeutschenBundesstaaten1865.pdf
Protocolle der Com-mission zur Beratung einer allgemeinen Civilprozessordnung,
1862ff., Neudruck 1985
Allgemeine Deutsche Wechselordnung ist das auf Grund eines 1847 von
allen Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes ausgearbeiteten Entwurfs von
der Frankfurter verfassungsgebenden Nationalversammlung angenommene, am 27.
11. 1848 verkündete Gesetz zur Vereinheitlichung des partikularen Wechselrechts,
das nach Scheitern der Einigungsbestrebungen des Jahres 1848 in den einzelnen
Mitgliedstaaten durch Landesgesetz (als gleichlautendes allgemeines deutsches
Recht) in Kraft gesetzt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Protocolle
der zur Beratung einer Allgemeinen Deutschen Wechsel-Ordnung in der Zeit vom 20.
October bis zum 9. December in Leipzig abgehaltenen Conferenz, 1848; Huter, U.,
Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen Wechselordnung, JZ 1978,
77ff.; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung
und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 144 (1980), 484;
Pannwitz, K. v., Die Entstehung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung, 1998;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeineDeutscheWechselordnung1848.pdf
Allgemeine Gerichtsordnung (Österreichs) ist das (nach
ersten Ansätzen der Jahre 1709 und 1753 vor allem von April 1774 bis September
1775 von Joseph Hyazinth Froidevo [Arlesheim 1735-Weidling 15. 8. 1811] in
Fortschreibung des vom gemeinen Recht stark geprägten Prozessrechts Böhmens
ausgearbeitete,) 1781 in Österreich zwecks Rechtsvereinheitlichung
kompilatorisch geschaffene Gesetz (Publikation 1. Mai 1781, JGS 13, Einführung
mit Patent vom 9. 4. 1782) zur Regelung des gemeinrechtlichen Zivilprozesses
(geheimes Aktenverfahren mit Verhandlungsmaxime, Eventualmaxime, grundsätzlicher
Anwaltszwang, mittelbarer Beweisaufnahme und gebundener Beweisregel), das
1796 abgeändert in Westgalizien (Westgalizische Gerichtsordnung), später in
Ostgalizien, der Bukowina, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Dalmatien und Istrien
in Kraft tritt und erst durch die ältere Allgemeine Gerichtsordnung und
erweiterte Westgalizische Gerichtsordnung vereinheitlichende österreichische
Zivilprozessordnung von 1895 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 155; Baltl/Kocher; Loschelder, M.,
Die österreichische Allgemeine Gerichtsordnung von 1781, 1978
Allgemeine Gerichtsordnung (Preußens) ist die 1793
(Sanktionierung, Ende 1794/Anfang 1795 Druckfassung) bzw. 1795 für Preußen auf
der Grundlage (des Projects des Codicis Fridericiani Marchici von 1748 mit
Anhängen von 1761 und 1769) und) des (lat.) Corpus Juris Fridericianum Erstes
Buch von der Prozessordnung von 1781 (Patent vom 26. 4. 1781) in Anpassung an
das Allgemeine Landrecht geschaffene Zivilprozessordnung (1822 gegenüber der
ursprünglichen Fassung unverändert, aber um Anhang von 1815 erweitert), die in
vernunftrechtlicher Prägung (Erforschung der Wahrheit) eine Abkehr vom gemeinrechtlichen,
als zu langwierig empfundenen Zivilprozess versucht, ohne ihre Ziele wirklich
erreichen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 141, 155; Nörr, K., Reinhardt und
die Revision der Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1975;
Eckert, J., Die Entstehung der Allgemeinen Gerichtsordnung, (in) Das Preußische
Allgemeine Landrecht, hg. v. Wolff, J., 1995; Busch, S., Die Entstehung der
Allgemeinen Gerichtsordnung für die preußischen Staaten, 1999
Allgemeine Geschäftsbedingung (Wort bei Hinrichs, ZHR 20 [1875],
391) ist die allgemein verwendete Geschäftsbedingung. Allgemeine
Geschäftsbedingungen entstehen (nach Vorläufern in [mittelalterlichen Formelsammlungen
und] Policen von Versicherungen im ersten Drittel des 18. Jh.s) als Folge der
Massengeschäfte nach der industriellen Revolution am Ende des 19. Jh.s (Eisenbahnbetriebsreglements,
Postordnungen, 1919 Berliner Spediteurbedingungen), werden trotz der
erkennbaren Vorteilssicherung der Verwender (mittels Haftungsbeschränkungen,
Beweislast-umkehrungen, Gerichtsstandsklauseln, Rücktrittsvorbehalten und
Verfallklauseln) zunächst nur vorsichtig im Einzelfall gerichtlich
kontrolliert, am 9. 12. 1976 in Deutschland aber in einem eigenen Gesetz über
das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzlich geregelt, das 2002
als §§ 305ff. in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Raiser, L., Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, 2. A. 1961;
Pohlhausen, R., Zum Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1978; Nörr, K.,
Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Helm, J., AGB-Regelungen im Transportrecht des
ADHGB, FS E. Brandner, 1996, 219; Prang, T., Der Schutz der
Versicherungsnehmer, 2003; Röder, T., Rechtsbildung im wirtschaftlichen
Weltverkehr, 2006; Hellwege, P, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2010;
Webersberger, M., Freizeichnungsklauseln in allgemeinen Konossementsbedingungen,
2014
Allgemeine Gütergemeinschaft →Gütergemeinschaft
Allgemeiner Teil (1807) ist der die allgemeinen
Erscheinungen besonderer Teile zusammenfassende (und voranstellende) Teil einer
Gesamtheit. Eine Unterscheidung zwischen Gattung ([lat.] genus, N., Geburt,
Geschlecht, Gattung) und Art ([lat.] species, F., Sehen, Anblick, Gestalt,
Bild, Stück) sowie zwischen (lat.) generalis (zum Geschlecht gehörig, zur
Gattung gehörig, allgemein) und (lat.) specialis (besondere) ist bereits dem
lateinischen Altertum bekannt. Allgemeine Einführungen in das Recht werden in
den Versuchen des Franciscus Connanus (1508-1551) und Hugo Donellus
(1527-1591), sich von der wenig systematischen Reihenfolge der Bestimmungen
der justinianischen Kompilation(en) zu lösen, sichtbar. Johannes Althusius
(Diedenshausen 1557-Emden 1638) überschreibt im Index capitum seiner
Dicaelogicae (1618) den ersten Teil des ersten Buches mit (lat.) agit de
generalibus (handelt von den allgemeinen [Angelegenheiten]), doch wird dies
nicht weiter beachtet. Im Gefolge naturrechtlicher Systematisierungsansätze
(Erhard →Weigel [1625-1699], Samuel →Pufendorf [1632-1694],
allgemeine Einleitung in das Recht und seine Anwendung sowie Auslegung in Jean
Domats [1625-1695] Loix civiles dans leur ordre naturel [1689-1695], Christian
Wolff [1679-1754] 1711 [Jus naturae, Band 1 De obligatione et iure hominum
universali]) veröffentlicht Christian Wolffs Schüler Georg Darjes 1740 (lat.)
Institutiones jurisprudentiae universalis (Einrichtungen der universellen
Jurisprudenz), in denen er in einer (lat. [F.]) pars generalis (einem
allgemeinen Teil) de iurium atque obligationum objecto (von der Rechte und
Verbindlichkeiten Gegenstand), de iurium atque obligationum diversitate (von
der Rechte und Verbindlichkeiten Verschiedenheit) und de acquisitione iurium
et obligationum generatim (vom Erwerb der Rechte und Verbindlichkeiten im Allgemeinen)
handelt. 1749 legt Christian Wolffs weiterer Schüler Daniel Nettelbladt
(Rostock 1719-Halle 1791) ohnvorgreifliche Gedancken, den heutigen Zustand der
bürgerlichen und natürlichen Rechtsgelehrtheit in Teutschland, deren nöthige
Verbesserung und dazu dienliche Mittel betreffend vor, in denen er eine vom
Demonstrieren der Rechtssätze nach Gründen ausgehende straffe Definitionen
verwendende Darstellung des positiven Rechtes verlangt, in der alles
systematisch so geordnet werden soll, dass das Allgemeine vor dem Besonderen
und das Zusammengehörige beieinander steht. Nach erfolgreichen
Elementarsystemen des gleichen Jahres verfasst er 1761 eine (lat.) Introductio
(F.) in jurisprudentiam positivam Germanorum communem (Einleitung in die
allgemeine positive Jurisprudenz der Deutschen), die neben einem allgemeinen
Teil eine kurze Enzyklopädie und Methodologie sowie eine straffe Rechts- und
Literärgeschichte enthält. 1767 entsteht Johann Stephan Pütters Versuch einer
juristischen Enzyklopädie und Methodologie, die eine systematische, durch einen
allgemeinen Teil grundgelegte Darstellung des römischen Rechtes verlangt. 1772
bietet Daniel Nettelbladt in seiner (lat.) Nova introductio (F.) in
jurisprudentiam positivam Germanorum communem wohl erstmals einen ausgeführten
allgemeinen Teil in zwei Büchern mit 7 bzw. 5 Sektionen über allgemeine
rechtliche Fachwörter, Personen, Tatsachen, Sachen, Rechtshandlungen, Begründen,
Auflösen, Bestätigen von Verbindlichkeiten, Stellvertretung, Anfechtung,
Erwerb, Verlust und Bewahrung von Rechten, Eigentum, Schadensersatz, Sicherheitsleistung,
Arrest, Sequestration, Protest, Besitz und Rechtsmittel. Nach weiteren
ähnlichen Werken (Hofacker 1773, Habernickel 1776) ordnet (der Hallenser
Schüler Daniel Nettelbladts) Gustav →Hugo in seinen (lat.) Institutionen
des heutigen römischen Rechtes 1789 das Privatrecht noch klarer ([Einleitung in
7 Paragraphen über Gegenstand der bürgerlichen Rechtspflege, Entscheidungsgrundlagen
des Richters, Unmöglichkeit der Vorausbestimmtheit der Entscheidung, römisches
Recht in Deutschland, Justinians Leistung, teilweise Unbrauchbarkeit durch
Änderung der Verhältnisse, Vereinfachung durch Vorausschickung des
Allgemeinen,] Realrechte, persönliche Obligationen, Familienrechte, Verlassenschaften,
Prozess). Christoph Christian Dabelow (Neu-Buckow 1767-Dorpat 1830), ebenfalls
Schüler Nettelbladts in Halle, bietet 1793 eine Einleitung in die deutsche
positive Rechtswissenschaft und 1794 ein System der heutigen
Civilrechtsgelahrtheit, die beide 1796 eine zweite Auflage erfahren, wobei das
System des gesamten heutigen Zivilrechts von 1796 in seinem allgemeinen Teil
Personen, Sachen, Handlungen, Zeit, rechtliche Geschäfte, Eide, Wahrheit,
Rechte, Verbindlichkeiten, Sicherheiten, Besitz, Verjährung, Rechtsmittel,
Schaden, Schadensersatz, Verwaltung fremder Sachen und Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand erfasst. Hugos Erkenntnisse vertieft sein Göttinger Schüler
Georg Arnold Heise in seinem Grundriss eines Systems des gemeinen Zivilrechts
zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807, allgemeine Lehren [Von den Quellen
des Rechtes, Von den Rechten im Allgemeinen, Von Verfolgung und Schützung der
Rechte, Von den Subjecten und Objecten des Rechtes], dingliche Rechte,
Obligationen-Recht, jura potestatis, das gesamte Erbrecht, Restitutio in
integrum) zu einem allgemeinen Teil des Privatrechts. Durch →Savigny
erlangt diese Vorstellung allgemeine Verbreitung und erfasst später über das
Privatrecht hinaus auch Strafrecht und Verwaltungsrecht und andere Rechtsgebiete.
Lit.: Köbler, DRG 158, 199, 206, 213, 237; Schwarz,
A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Jakobs,
H./Schubert, W., Materialien zur Entstehungsgeschichte des BGB - Allgemeiner
Teil, 1985; Lehmann, A., Nettelbladt und Dabelow als die eigentlichen Begründer
eines allgemeinen Teiles, FS G. Maier, 1994, 39; Jacoby, S., Allgemeine
Rechtsgrundsätze, 1997; Hollstein, T., Die Verfassung als „Allgemeiner Teil“,
2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Der Allgemeine Teil des Privatrechts, hg. v. Baldus, C. u. a., 2013
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist die →Kodifikation
des Privatrechts in →Österreich. Sie wird mit dem Ziel der
Rechtsvereinheitlichung der verschiedenen habsburgischen Herrschaftsgebiete
schon von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) als Codex Leopoldinus Leopolds
I. (1640-1705) ohne Erfolg angeregt. 1709 setzt Joseph I. (erfolglos)
Kompilationskommissionen in Prag und Brünn ein, (nach der 1749 die
österreichische Monarchie mit Ausnahme der ungarischen Länder von einer Länderunion
in eine Einheit umwandelnden Reform Maria Theresias) 1753 Maria Theresia eine
Kommission (Kompilationskommission [Joseph von Azzoni], 1756 Aufgabe auf die
1755 gebildete Revisionskommission übertragen) zur Abfassung ([einer
allgemeinen Gerichtsordnung und] eines gleichen Landrechts in allen
benachbarten österreichisch-deutschen Erblanden bzw.) eines (lat.)
→Codex (M.) Theresianus (Theresianisches Gesetzbuch), der (die) Provinzialrechte,
das gemeine Recht, die Gesetze anderer Staaten und das allgemeine Recht der
Vernunft berücksichtigen soll. Der umfangreiche, in drei Teilen mit insgesamt
538860 Wörtern 1766 fertiggestellte, vor allem auf dem gemeinen Recht beruhende
Entwurf (ein vierter Teil sollte das Zivilprozessrecht enthalten) wird lediglich
als brauchbare Materialsammlung angesehen (und deswegen 1770 von Maria Theresia
nicht sanktioniert und 1772/1773 von der geplanten Verbindung mit dem Zivilprozessrecht
gelöst). Der bis 1774 auf etwa die Hälfte gekürzte Entwurf Johann Bernhard
Hortens (Entwurf Horten) wird 1776 nicht weiter beraten, (nach Ehepatenten vom
16. 1. 1783 und 3. 5. 1786) in seinem die gesetzliche Erbfolge betreffenden
Teil 1786 aber als Erbfolgepatent vom 11. 5. 1786 und in seinem
personenrechtlichen Teil am 1. 11. 1786 zum 1. 1. 1787 als Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch, ErsterTeil (bzw. [später so genanntes] →Josephinisches
Gesetzbuch) Josephs II. in den deutschen Erblanden (Österreichs bzw. Habsburgs)
in Kraft gesetzt, doch verzögern sich die Arbeiten an den übrigen Teilen durch
die nunmehr geplante Einbeziehung Ungarns und unterbricht der Tod Josephs II.
(20. 2. 1790) den weiteren Fortgang. Ab 1793 bzw. 1794 arbeitet Karl Anton von
→Martini an Hand der Benützung des Entwurfs Hortens und des (1794) in
Kraft gesetzten Allgemeinen Landrechts Preußens einen neuen, etwas stärker
naturrechtlich geprägten Entwurf (1796 Entwurf Martini mit 8859 Wortformen)
aus, der (nach Inkraftsetzung der Zivilprozessordnung und des Strafgesetzes
1796 und geringer Umarbeitung) durch Patent vom 13. 2. 1797 als Bürgerliches
Gesetzbuch für Westgalizien (→Westgalizisches Gesetzbuch) für das von
den Habsburgern aus der dritten Teilung Polens 1795 erworbene Erbland Westgalizien
und durch Patent vom 18. 9. 1797 auch für das bereits 1772 erlangte Ostgalizien
kundgemacht wird (Bürgerliches Gesetzbuch für Galizien [und Bukowina] 1. 1.
1798). Dieses Bürgerliche Gesetzbuch für Galizien wird als sog. Urentwurf
unter der Leitung Franz von →Zeillers zwischen 1801 und 1810 in drei
Lesungen (unter Abbau der naturrechtlichen Prägung wegen der französischen
Revolution) beraten und nach kaiserlicher Sanktion vom 7. Juli 1810 (ohne Darlehensbestimmungen)
bzw. 29. 4. 1811 (Darlehensbestimmungen) als Anlage zum kaiserlichen Patent
vom 1. 6. 1811 (JGS 94) kund gemacht und zum 1. 1. 1812 (mit 7344 Wortformen
und 4313 Lemmata) unter Aufhebung des gemeinen Rechtes und grundsätzlich der
Privatrechtsgesetze (als allgemeines, d. h. einheitlich für alle Einwohner ohne
örtliche und ständische Unterschiede bzw. für den gesamten Bereich der
Rechtsvereinheitlichung geltendes, als neuständisches Gesetzbuch ständische
Unterschiede nur formal nicht berücksichtigendes und damit verdeckendes) für
die gesamten deutschen Erblande des österreichischen Kaisers (Resolution vom
18. 8. 1810) (zunächst nur in Niederösterreich, Oberösterreich [ohne Innkreis
und Teile des Hausruckkreises], Böhmen [einschließlich Marktredwitz und sog.
Fraischbezirk in der Oberpfalz, in Geltung bis 31. 12. 1899], Mähren,
Schlesien, Galizien und Lodomerien [z. T., ohne Bezirke Wieliczka, Podgorze und
Tarnopoler Landschaft], Bukowina, Teile des Hausruckkreises, Steiermark,
Kärnten [ohne Oberkärnten], Militärgrenze [17. 7. 1811] [mit Warasdiner,
slavonischer, siebenbürgischer und banatischer Militärgrenze], nicht aber in
Ungarn, Kroatien-Slawonien, Siebenbürgen) als reines, aber nicht vollständiges
Privatrechtsgesetzbuch (mit drei Teilen und 1512 Paragraphen sowie 73190
Wörtern, deutscher Text authentisch, 7344 Wortformen von 4313 verwendeten
Wörtern) in Kraft gesetzt und zwischen 1815 und 1820 nach und nach auch in den
Gebieten eingeführt, die durch den Frieden von Paris oder die Akte des Wiener
Kongresses an die Monarchie zurückfielen oder von ihr erworben wurden (z. B.
1815 bzw. 1816 Lombardo-Venetien, [Lombardei 1816-1865, Venetien 1816-1871],
1815 Tirol mit Vorarlberg, 1817 Salzburg, Brixental, Zillertal, Innviertel,
Hausruckviertel, 1820 Karlstädter Kreis, 1878 partiell-subsidär Bosnien-Herzegowina).
Der (nicht eindeutig bekannte, vielleicht durch Abstände des Wappens auf dem
Titelblatt im Ausmaß von 47 bzw. 7. bzw. 9 Millimetern erkennbare, anscheinend
in § 591 die Zeichenfolge … Ordens; Jünglinge unter 18 Jahren, Frauenspersonen,
Sinnlose, Blinde, Taube, oder Stumme … aufweisende) Erstdruck wird dem Kaiser
am 24. Juni 1811 überreicht (amtlich publizierter Text in Justizgesetzsammlung
1817, Nr. 946). Inhaltlich beruht das A. B. G. auf dem römisch-gemeinen Recht
bzw. dem jüngeren (lat.) usus (M.) modernus pandectarum (Schuldrecht, gewillkürtes
Erbrecht), (wenigen Einschüben aus dem) einheimischen Recht (Sachenrecht,
Erbvertrag), kirchlichen (kanonischen), durch die Grundsätze des späten
Vernunftrechts gefilterten Recht (Eherecht für Katholiken) und dem Naturrecht
(Systematik mit Einteilung nach Person und Sache, angeborene, schon durch die
Vernunft einleuchtende Rechte des Menschen in § 16, Auslegungsregeln z. B. §
7, angeborene Freiheit der Inbesitznahme freistehender Sachen § 381,
Parentelenordnung). Von Savigny wird es 1814 in seiner Schrift vom Beruf als
misslungen bewertet. Durch Patent vom 29. 11. 1812 bzw. 1846 (Erbrecht) wird es
von Liechtenstein übernommen (, wo der Text um zwei Fünftel gekürzt und seit
dem 20. Jh. an das Recht der Schweiz angeglichen wird, so dass um 2010 dort nur
noch etwa 40 Prozent der ursprünglichen Paragraphen gelten). In Moldau wird es
1817 im Wesentlichen in den Codex Callimachus übersetzt. 1852 wird es (mit
Anpassungen vor allem im Eherecht und ohne tatsächliche öffentliche Anwendung)
in Ungarn (im Neoabsolutismus gegen den Willen der Ungarn 1853-23. 6.1861,
danach aber freiwillige Kryptorezeption), Kroatien und Slawonien (bis 1918,
ohne Novellierungen), in der Woiwodschaft Serbien und im Temescher Banat,
durch Patent vom 29. 5. 1853 in Siebenbürgen und 1855 in Krakau eingeführt.
Bern (1824/1830, Luzern (1831/1839), Solothurn (1841/1847) und Aargau
(1847/1855), Bayern (Entwürfe von 1832/1834), Sachsen (Entwurf 1852),
Serbien (1844) und Montenegro (1888 Code Bogisic) dient es als Vorbild, Bosnien
und Herzegowina seit 1878 als subsidiäre Rechtsquelle nach dem einheimischen
(z. B. ottomanischen) Recht. Nach verschiedenen Veränderungen bereits durch
Hofdekrete vor 1848 wird das A. B. G. (1855 Ehegesetz für Katholiken mit
Geltung nur von 1856 bis 1868,) 1914 (Personenrecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht,
gesetzliches Erbrecht), 1915 (Grenzberichtigung), 1916 (Eigentumsvorbehalt,
Belastungsverbot, Schuldübernahme, Auslobung, Schadensersatz, Verjährung)
unter dem vor allem durch Joseph Unger (1818-1913) vermittelten Einfluss der
deutschen historischen Rechtsschule in drei durch kaiserliche Notverordnung
in Kraft gesetzten Teilnovellen pandektistisch novelliert (rund 15 Prozent
der nun 1511 Paragraphen, 51 Paragraphen neu geschaffen, vom alten Bestand
199 mehr oder weniger stark verändert). Berücksichtigt werden dabei außer dem
Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 die Vorarbeiten des Obligationenrechts
(1881) und des Zivilgesetzbuchs (1907/1911) der Schweiz, das Allgemeine
Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) und das deutsche Handelsgesetzbuch (1897) sowie
der Entwurf eines Zivilgesetzbuchs Ungarns (1900/1913). Erfasst werden verschiedene
Sachgegenstände (Verkürzung der Verschollenheitsfristen bei der Todeserklärung,
Verbesserung der Rechtsstellung der Frau und des unehelichen Kindes und der unehelichen
Mutter, Begrenzung der gesetzlichen Erbfolge der ehelichen Verwandten,
Ehegattenerbrecht zu Eigentum statt zu Nießbrauch, Nachbarrecht, Eigentumsvorbehalt
an Maschinen, Realverkehr, Realkredit, Angebot und Annahme von Verträgen,
unerlaubte Verträge, Verträge zu Gunsten Dritter, Gewährleistung, Schadensersatz,
Auslobung, Gastaufnahme, Anweisung, Schuldübernahme bei Übernahme eines
Vermögens oder Geschäfts, Lohnzahlungszeitpunkt, Lohnfortzahlung bei unverschuldeter
Verhinderung des Arbeitnehmers, Kündigungsfristen und Fürsorgepflichten des
Arbeitgebers. Seit 15. 6. 1922 gilt es im Burgenland (zunächst ohne Eherecht).
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wird das Eherecht
durch das Ehegesetz (Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung
und der Ehescheidung), das Personenrecht durch das Personenstandsgesetz und
vorübergehend bis 1947 das Testamentsrecht durch das Testamentsgesetz (Gesetz
über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. 7. 1938) des Deutschen
Reiches geändert, seit den 70er Jahren des 20. Jh.s durch mehrfache
Novellierung das gesamte Familienrecht. Seit 1896 (Ratengesetz, Mietengesetz
1923, Konsumentenschutzgesetz 1979) wird es durch Nebengesetze ergänzt.
Nach 1945 ist es im sozialistischen Rechtskreis außer Kraft gesetzt. Das
Familienrecht wird auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes vollständig verändert.
1984 wird die Sachwalterschaft aufgenommen. In Nebengesetzen sind etwa das
Recht des Wohnens, der Verbraucherschutz, das internationale Privatrecht, die
Haftpflicht, die Patientenverfügung (2006) und die eingetragene Partnerschaft
(2010) geordnet. Vielleicht steht bzw. stehen in der Gegenwart noch die Hälfte
oder drei Fünftel (Ogris) oder zwei Drittel (Brauneder) der ursprünglichen
Paragraphen in Geltung (am 14. 2. 2011 861 von einst 1502 Paragraphen [1-3,
5-20, 22-23, 26-28, 33, 38-42, 44-46, 162, 286-299, 302-309, 311-356, 361-363,
365-366, 369-385, 387, 398, 400-421, 423-430, 438-450, 452-455, 457-468, 473-480,
482-484, 486-539, 542, 544-550, 552-565, 567, 570-573, 575-578, 580, 582-583,
588-589, 594-596, 601-614, 617, 647-668, 672-699, 701-715, 717, 719-721,
723-729, 733-737, 738-740, 750, 761, 763-764, 766, 770-778, 782, 786, 790-791,
793-795, 797-798, 802-804, 808-809, 812-814, 816-818, 820-821, 823-827,
829-843, 846, 854-858, 867, 869, 872, 874, 877, 880, 883, 888-901, 904,
907-913, 915, 923, 929-930, 934, 936-950, 952-969, 971-982, 1002-1020, 1023,
1025-1028, 1030-1033, 1035-1046, 1048-1051, 1053-1058, 1060-1069, 1071-1079,
1083-1095, 1099, 1103, 1106, 1108, 1110-1116, 1118-1120, 1176-1195, 1197-1209,
1211-1216, 1234-1236, 1246-1254, 1262, 1267-1277, 1279-1294, 1296-1297,
1299-1304, 1306, 1309-1313, 1317-1318, 1321-1326, 1331-1332, 1337-1338,
1340-1345, 1347-1355, 1357, 1359-1373, 1375-1399, 1411-1419, 1424-1438,
1441-1445, 1447-1457, 1459-1466, 1468, 1470-1473, 1475-1477, 1479, 1481-1484,
1488, 1491-1493, 1496-1502,] entfernt sind etwa Erbzinsvertrag, Widerlage,
Morgengabe oder Obereigentum und Untereigentum).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 141, 185, 205;
Banniza, J. Gründliche Anleitung zu dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuche,
Bd. 1 1787; Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher Worte des
österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843; Harras von
Harrasowsky, P., Geschichte der Kodifikation des österreichischen Civilrechtes,
1868; Pfaff, L., Über die Materialien des österreichischen allgemeinen
bürgerlichen Gesetzbuches, Grünhuts Zs. 2 (1875), 254; Ofner, J., Der
Ur-Entwurf, Bd. 1f. 1889; Festschrift zur Jahrhundertfeier des Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuches, 1911; Slapnicka, H., Österreichs Recht außerhalb
Österreichs, 1945; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB durch die drei
Teilnovellen von 1914, 1915 und 1916, Ius commune 6 (1977), 274; Ogris, W., 175
Jahre ABGB, 1986/7; Caroni, P., Der unverstandene Meister, FS H. Baltl, 1978,
107; Seemann, O., Die mit „1811“ datierten Drucke des ABGB, 1995; Neschwara,
C., Die Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in
Ungarn und seinen Nebenländern von 1853 bis 1861, ZRG GA 113 (1996), 362;
Frohnecke, E., Die Rolle des ABGB in Gesetzgebung und Rechtswissenschaft des
19. Jahrhunderts, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGB1811.htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ABGB/ABGB_WFL_Zeitverlauf_20140712.doc;
Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 3 hg. v. Berger, E., 2010;
200 Jahre ABGB (1811-2011). Die österreichische Kodifikation im internationalen
Kontext, hg. v. Dölemeyer, B./Mohnhaupt, H., 2012 (darin S. 367 Deutsch, A.,
Billig streitet die Vermuthung ... - Zu Wortwahl und Gesetzessprache im ABGB);
Festschrift 200 Jahre AGBG, hg. v. Fischer-Czermak u. a., 2011; 200 Jahre ABGB
- Ausstrahlungen, hg. v. Geistlinger u. a., 2011 (u. a. besonders Ogris, W.,
Das ABGB innerhalb und außerhalb Österreich, 2011); 200 Jahre ABGB -
Richterinnenwoche, 2012; 200 Jahre ABGB 1811-2011, hg. v. Barta, H., 2012;
Mattiangeli, D., Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine
historischen Aspekte, 2012; 200 Jahre ABGB, hg. v. Fenyves, A. u. a., 2012;
Zweihundert (200) Jahre Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) und
europäisches Vertragsrecht, hg. v. Kodek, G., 2012; Vom ABGB zum europäischen
Privatrecht, hg. v. Welser, R., 2012; Die ältesten Quellen zur
Kodifikationsgeschichte des österreichischen ABGB, hg. v. Neschwara, C., 2012;
Das ABGB in den „vaterländischen Blättern“, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012;
Brauneder, W., Österreichs Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), Band 1
Entstehung und Entwicklung des ABGB bis 1900, 2014
Allgemeines Deutsches Gesetz über
Schuldverhältnisse
ist das seit 1863 von den Mitgliedstaaten des →Deutschen Bundes zwecks
Rechtsvereinheitlichung bzw. Rechtsangleichung beratene (allgemeine deutsche)
Gesetz, dessen (→Dresdener) Entwurf im Jahre 1866 gerade der Bundesversammlung
zugeleitet ist, als der Deutsche Bund am Gegensatz zwischen Österreich und
Preußen zerbricht, so dass der Entwurf dieses Gesetzes nicht weiter behandelt
wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182; Hedemann,
J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dresdener Entwurf eines allgemeinen deutschen
Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v. Francke, B., 1973; Protocolle
der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
1866, 1984
Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch ist das auf Grund des Vorbilds des
französischen →Code de commerce (1808) nach Scheitern eines 1848 auf
Anregung der deutschen Nationalversammlung (Frankfurter Paulskirchenversammlung
eingesetzten Gesetzgebungsausschusses seit 1856 von einer Kommission des
Deutschen Bundes vorbereitete, nach preußischer (1850-1856) und
österreichischer (1842, 1853, 1857) Vorlage(n) 1861 im (Nürnberger) Entwurf
entstandene Handelsgesetzbuch, das die Mitgliedstaaten des →Deutschen
Bundes auf Empfehlung der Bundesversammlung vom 31. 5. 1861 durch übereinstimmende
Einzelstaatsgesetze (u. a. Preußen 1. 3. 1862, Österreich 1. 7. 1863
Allgemeines Handelsgesetzbuch, Anlage zum Gesetz 17. 12. 1862 RGBl. 1863, 1,
[ohne Seerecht] in Geltung bis 1938, Württemberg 15. 12. 1865, Schaumburg-Lippe
1. 1. 1870) ab 1862 als als allgemeines deutsches Recht in Kraft setzen. An
seine Stelle tritt im Deutschen Reich 1897 das →Handelsgesetzbuch
(Österreich 24. 12. 1938).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182;
Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen
Handelsgesetzbuches, hg. v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1958ff., Neudruck 1984; Thöl,
H., Zur Geschichte des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches,
1861; Goldschmidt, L., Der Abschluss und die Einführung des allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs, ZHR 5 (1862), 204ff.; Lindau, L., Register zu dem
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1867; Schubert, W., Die Einführung
der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen
Handelsgesetzbuches, ZHR 144 (1980), 484; Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen
deutschen Handelsgesetzbuchs auf die Privatrechtsdogmatik, Diss. jur.
Saarbrücken 1966; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm
Allgemeines deutsches Recht ist das in der Mitte des 19. Jh.s
durch Parallelgesetzgebung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes entstandene
Recht. →Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch
Lit.: Köbler, DRG 182
Allgemeines Gesetzbuch für die preußischen
Staaten (1791) ist
eine älteren gescheiterten Versuchen folgende Vorstufe für die Kodifikation
→Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten (1794). Vorausgeht
eine Kabinettsordre des Königs vom 14. 4. 1780, nach der „alle Gesetze für
unsere Staaten und Untertanen in ihrer eigenen Sprache abgefasst, genau
bestimmt und vollständig gesammelt werden“, „nur das Wesentliche mit dem
Natur-Gesetz und der heutigen Verfassung Übereinstimmende aus dem römischen
Recht abstrahirt, das Unnütze weggelassen, Unsere eigene Landes-Gesetze am
gehörigen Ort eingeschaltet und solchergestalt ein subsidiarisches
Gesetz-Buch, zu welchem der Richter beim Mangel der Provinzial-Gesetze
recurriren kann, angefertigt“ werden soll. Eine Kabinettsordre vom 27. 7. 1780
konkretisiert den Auftrag, dem das Corpus iuris Justinians zu Grund gelegt
werden soll. Der unter Leitung Johann Casimir von Carmers hauptsächlich von
Carl Gottlieb Svarez und Ernst Ferdinand Klein auf der Grundlage von Auszügen
aus dem Corpus iuris civilis Justinians nach einer systematischen natürlichen
Ordnung erarbeitete Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen
Staaten wird seit 1784 in sechs Abteilungen gedruckt (Erster Teil
Personenrecht, erste Abteilung von dem Hausstand 1784, zweite Abteilung von den
Rechten und Pflichten der verschiedenen Stände des Staates 1785, dritte
Abteilung Rechte und Pflichten des Staates gegen die Bürger 1786, zweiter Teil
Sachenrecht), erste Abteilung Titel 1-6 1787, zweite Abteilung Titel 7-13
1787, dritte Abteilung Titel 14-22 1788). Die nach der Veröffentlichung
eingereichten Vorschläge (Monita) werden verwertet und in einer Svarezschen
Revision 1790/1791 genutzt. Am 20. 3. 1791 reicht von Carmer das Publikationspatent
für das Allgemeine Gesetzbuch für die preußischen Staaten ein, dessen
Inkrafttreten zum 1. 6. 1792 geplant wird. Am 18. 4. 1792 verschiebt der König
die Geltung aus politischen Gründen bis auf Weiteres. Wegen des Gebietsgewinns
Preußens aus der zweiten Teilung Polens (1793) wird das im Privatrecht einem
abgewandelten Institutionensystem folgende Werk am 1. 6. 1794 als Allgemeines
Landrecht für alle preußischen Staaten in Kraft gesetzt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EntwurfeinesallgemeinenGesetzbuchesfuerdiepreussischenStaaten1Theil1Abtheilung1784.pdf
u. a. Svarez, Carl Gottlieb, Entwurf eines allgemeinen Gesetzbuches für die
preußischen Staaten, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Register zum
allgemeinen Gesetzbuch für die preußischen Staaten (1792), hg. v. Krause, P.,
2004; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, ZRG
113 (1995), 40; Barzen, C., Die Entstehung des „Entwurf(s) eines allgemeinen
Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten“, 2000
Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und
derselben Bestrafung
ist das unter Joseph II. gewisse aufgeklärte Grundsätze verwirklichende
Strafgesetzbuch Österreichs von 1787, das noch vom Strafzweck der Abschreckung
ausgeht.
Lit.:
Baltl/Kocher;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Strafgesetz1787.pdf
Allgemeines Landrecht für die preußischen
Staaten (ALR) ist
das als →Kodifikation zum 1. 6. 1794 in Kraft gesetzte umfassende
Vernunftrechtsgesetzbuch →Preußens. Ihm gehen als ältere, im Ergebnis
erfolglose Versuche der Rechtsvereinheitlichung der rechtlich ganz
verschieden geordneten Teile Brandenburg-Preußens ein Ersuchen Friedrich
Wilhelms I. von Preußen an die juristische Fakultät der Universität Halle an
der Saale (1714) und das von Samuel von →Cocceji bearbeitete Projekt
eines Corpus juris Fridericiani Friedrichs des Großen (Teilentwürfe 1749, 1751)
voraus. Als Folge des sog. →Müller-Arnold-Prozesses (1. 1. 1780)
erarbeiten nach einer Kabinettsorder Friedrichs des Großen (14. 4. 1780
betreffend die Verbesserung des Justizwesens bezüglich der Gerichtsverfassung,
des Prozessrechts und des materiellen Rechtes) der neu berufene Großkanzler
Johann Heinrich Casimir von →Carmer und Carl Gottlieb →Svarez (außer
dem Corpus juris Fridericianum von 1781 für das Verfahrensrecht und einer
Hypothekenordnung von 1783) an Hand des römischen Rechtes nach natürlicher
Ordnung und der Sonderrechte der einzelnen Provinzen einen vom König (1785) als
zu weitläufig zurückgewiesenen Entwurf aus (1783-1788, zwischen 1784 und 1788
in sechs Bänden veröffentlicht). Nach Überarbeitung an Hand zahlreicher
eingegangener Monita und Denkschriften wird 1791 ein Entwurf eines
→allgemeinen Gesetzbuchs für die preußischen Staaten vorgelegt, (nach
Einreichen des Publikationspatents am 20. 3. 1791) sein Inkrafttreten zum 1. 6.
1792 verfügt, aber nach nicht mehr vollständig aufklärbaren Vorgängen am 18. 4.
1792 auf unbestimmte Zeit suspendiert. 1794 wird das Gesetzbuch nach dem 1793
bei der zweiten Teilung Polens erfolgten Erwerb umfangreicher Gebiete
(Südpreußen, Neu-Ostpreußen) unter geringer Umarbeitung (Aufhebung des Verbots
der Machtsprüche und einiger Bestimmungen über die Ehe zur linken Hand) als A.
L. R. erlassen (Anlage zum königlich preußischen Patent vom 5. 2. 1794). Das
Gesetz umfasst in zwei Teilen („Eigentum“, „Gesellschaft“) mit 23 und 20 Titeln
sowie 19194 Paragraphen und 603365 Wörtern (fast) das gesamte private und
öffentliche Recht (Privatrecht, Gemeinderecht, Beamtenrecht, Staatsrecht,
Kirchenrecht, Lehnrecht, Strafrecht), das es fürsorglich und kasuistisch
abhandelt. Sein vom Einzelnen (über Ehe, Familie und Stände) zum Staat
fortschreitender Aufbau ist vernunftrechtlich. Anknüpfungspunkt ist (noch)
nicht der Mensch als ohne weiteres rechtsfähiges Wesen, sondern der Mensch,
soweit er nach Geburt, persönlichen Verhältnissen und Stand Rechte und
Pflichten hat. Inhaltlich stellt es in seiner Ausrichtung auf das gemeine Wohl
einen Ausgleich zwischen altständischer Gesellschaft und aufgeklärter Freiheit
dar, der die fortschrittlichen Ideen des Bürgertums nur eingeschränkt
verwirklicht. Im Privatrecht folgt es einem abgewandelten Institutionensystem.
Von Savigny wird es abgelehnt (1816 „Sudeley“), aber ab 1819 in Vorlesungen an
der Universität vorgetragen. In den 1815 auf dem Wiener Kongress gewonnenen
Rheinlanden, in denen Frankreich 1806/1807 seinen 1804 geschaffenen Code civil
in Kraft setzt, und in den 1866 bei Auflösung des Deutschen Bundes erlangten
Gebieten wird es nicht eingeführt. Durch das Strafgesetzbuch von 1851, das
Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861 und schließlich durch das
→Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1. 1. 1900) wird es Stück für Stück
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140, 184, 151,
160, 198; Eggers, C. v., Lehrbuch des Natur- und allgemeinen Privatrechts und
gemeinen preußischen Rechts, 1797; Thieme, H., Die preußische Kodifikation, ZRG
GA 57 (1937), 355; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Conrad, H., Die geistigen Grundlagen des ALR, 1958; Allgemeines
Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, hg. v. Hattenhauer, H., 1970,
2. A. 1994, 3. A. 1996; Allgemeines Landrecht für die
Preußischen Staaten von 1794, Register 1973; Koselleck, R., Preußen
zwischen Reform und Revolution, 1975; Das nachfriderizianische Preußen
1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Mühleisen, H., Zur Ordnung der
Akten und Materialien des Allgemeinen Landrechts, ZRG GA 108 (1991), 194;
Schwennicke, A., Die Entstehung der Einleitung des preußischen Allgemeinen
Landrechts von 1794, 1993; Friedrich Carl von Savigny, Landrechtsvorlesung
1824, hg. v. Wollschläger, C. u. a., 1994ff.; Gemeinwohl - Freiheit - Vernunft
- Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Das Preußische Allgemeine Landrecht, hg.
v. Wolff, J., 1995; 200 Jahre allgemeines Landrecht, hg. v. Dölemeyer, B. u. a.,
1995; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a., 1995; Entwurf
eines allgemeinen Gesetzbuches für die Preußischen Staaten, hg. v. Krause, P.,
Bd. 1ff. 1996ff.; Finkenauer, T., Vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen
Landrecht, ZRG GA 113 (1996), 40; Benthaus, R., Eine „Sudeley“?, Diss. jur.
Kiel 1996; Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G.,
1998; Zur Ideen- und Rezeptionsgeschichte des preußischen Allgemeinen
Landrechts, hg. v. Gose, W. u. a., 1999; Dilcher, G., Forschungen zum
ALR-Jubiläum, ZNR 2001, 285; Steinbeck, J., Die Anwendung des allgemeinen
Landrechts in der richterlichen Praxis, 2004; Benöhr, H., Die Urheber des ALR,
ZRG GA 121 (2004), 493; Register zum allgemeinen Gesetzbuch, hg. v. Krause, P.,
2004; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR1fuerdiepreussischenStaaten1794teil1.htm;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ALR2fuerdiepreussischenStaaten1794Teil2.htm;
Hilgenstock, C., Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen
Praxis, 2009; Bitter, A. v., Das Strafrecht des preußischen Allgemeinen
Landrechts von 1794, 2013; Stegmaier, W., Das preußische Allgemeine Landrecht
und seine staatsrechtlichen Normen, 2013; Sturm, F., Das preußische Allgemeine
Landrecht, 2014; Schroth, F., Praxistest für das ALR, 2016
Allgemeines Persönlichkeitsrecht ist das einer Person an ihrer
Persönlichkeit insgesamt zustehende Recht. Erste Ansätze hierfür finden sich
bei Donellus (Doneau 1527-1591), Pufendorf, Thomasius und Wolff (vgl. § 83
Einl. ALR, § 16 ABGB), doch lehnt Friedrich Carl von Savigny ein a. P. ab, weil
Injurienstrafenklage und Strafrecht genügenden Schutz bieten. Demgegenüber
treten später Otto von Gierke und Josef Kohler für ein a. P. ein. Bei der
Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird auf ein a. P. bewusst
verzichtet, nur der Namensschutz in § 12 geregelt und der Schadensersatz bei
immateriellen Schäden eingeschränkt (§ 253 BGB, anders Art. 28 ZGB Schweiz
1907/1911). Seit 1954 wird ein a. P. in Deutschland durch die Rechtsprechung
(BGHZ 13, 334, 1958 BGHZ 26, 349, 1974 BVerfGE 34, 269, vgl. 1956 BGHZ 20, 345
pönale Geldentschädigung) anerkannt. Als Rechtsgrund wird Art. 2 Iff. GG
angesehen (vgl. BGHZ 128,1). Beachte auch § 201a StGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hedemann, J., Die
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 1 1910, 58; Irmscher, K.,
Der privatrechtliche Schutz der Persönlichkeit in der Praxis des gemeinen und
partikularen Rechts, 1953; Scheyhing, R., Zur Geschichte des
Persönlichkeitsrechts im 19. Jh., AcP 158 (1959/1960), 503; Leuze, D., Die
Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jh. 1962; Simon, J., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen,
1981; Gottwald, S., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Goebel, J.,
Allgemeines Persönlichkeitsrecht, 2004; Kastl, K., Das allgemeine
Persönlichkeitsrecht, 2004; Martin, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
2007
Allgemeines Vermögensgesetzbuch für das Fürstentum
Montenegro ist das
vor allem unter der Mitarbeit Baltazar →Bogisics (1834-1908) 1888 in
Kraft gesetzte Privatrechtsgesetzbuch Montenegros (ohne Familienrecht und
Erbrecht).
Lit.: Zimmermann, W., Valtazar Bogisic (1834-1908),
1962; Hamza, G., Bemerkungen zur Privatrechtsentwicklung in Montenegro (in
Spomenica Valtazara Bogišića, 1011, 315
Allgemeinverfügung ist die zu Beginn des 19. Jh.s entstandene,
lange zwischen Verordnung und Verwaltungsakt stehende, zuletzt dem
Verwaltungsakt zugeordnete Einrichtung des allgemeinen Verwaltungsrechts.
Lit.: Wandschneider, S., Die Allgemeinverfügung, 2009
Alliierte →Alliierte Hohe Kommandantur
Alliierte hohe Kommandantur Berlin ist das gemeinsame Organ der
Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs für Berlin seit Juli 1945. Nach dem Auszug des sowjetischen
Stadtkommandanten am 16. Juni 1948 tagen die drei westlichen Stadtkommandanten
allein. Die Hoheitsgewalt über →Berlin (West) wird bis zur Vereinigung
Berlins (1990) von den drei Westalliierten ausgeübt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schiedermair, H.,
Der völkerrechtliche Status Berlins, 1975; Grant, H., Die Alliierten und die
Teilung Deutschlands, 1985
Alliierte hohe Kommission ist das oberste Organ der Vereinigten
Staaten von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs für die Bundesrepublik
Deutschland einschließlich der westlichen Sektoren Berlins vom 21. 9. 1949 bis
5. 5. 1955. Die A. H. K. hat ihren Sitz auf dem Petersberg bei Königswinter.
Sie besteht aus den 3 Hohen Kommissaren der beteiligten Mächte.
Lit.: Vogt, H., Wächter der Bonner Republik, 2004
Alliierter Kontrollrat ist das am 30. 7. 1945 errichtete
Organ der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs für die Ausübung der obersten Gewalt in Deutschland, insbesondere
die Entscheidung aller Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen. Der
Alliierte Kontrollrat erlässt auch Gesetze. Am 20. 3. 1948 stellt er wegen der
gegensätzlichen Ansichten der westlichen Mächte einerseits und der Sowjetunion
andererseits seine Tätigkeit ein. In Österreich werden nach dem ersten
alliierten Kontrollabkommen vom 4. 7. 1945 ein aus den vier militärischen Kommissaren
der vier Besatzungsmächte gebildeter Alliierter Rat und ein Exekutivkomitee
mit Stäben (insgesamt als Alliierte Kommission bezeichnet) eingerichtet, deren
oberste Gewalt durch das zweite alliierte Kontrollabkommen vom 28. 6. 1946 abgeschwächt
wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245;
Jaenicke, G., Der Abbau der Kontrollratsgesetzgebung, 1952; Etzel, M., Die
Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, 1992; Schmoeckel, M., Die
Aufhebung von nationalsozialistischen Gesetzen, ZRG 112 (1994), 431; Mai, G.,
Der Alliierte Kontrollrat in Deutschland, 1995
Alliiertes Recht ist das von den alliierten Besatzungsmächten
(in Deutschland nach 1945) geschaffene oder veranlasste Besatzungsrecht.
Allmende (mhd. almende) ist
die mehreren zur allgemeinen Nutzung zustehende Wirtschaftsfläche (einer
Gemeinde oder ähnlichen Körperschaft). Es ist mehr als zweifelhaft, ob die
Anfänge der vor allem im Hochmittelalter bezeugten A. in die germanische
Landnahme zurückreichen. Inhaltlich besteht die A. aus Wäldern, Weide und
Ödland. Nutzungsberechtigt sind regelmäßig die Inhaber mehrerer (nahe
liegender) Hofstellen bestimmter Größe (Markgenossen). Schon früh versucht der
König und später auch der Landesherr, ein Allmendregal durchzusetzen. Das 19.
Jh. strebt nach Beseitigung der A. zugunsten von Alleineigentum. →Alm
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96,
121; Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, 1856;
Weiss, J., Die Hackwaldallmende der Stadt Eberbach, ZRG GA 17 (1896), 77;
Rüttimann, K., Die zugerischen Allmendkorporationen, 1904; Rennefahrt, H., Die
Allmend im Berner Jura, 1905; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler
Landesfürsten, 1906; Omlin, H., Die Allmendkorporationen der Gemeinde Sarnen,
1913; Litscher, M., Die Alpkorporationen des Bezirkes Werdenberg, 1919; Meyer,
E., Die Nutzungskorporationen im Freiamt, 1919; Haff, K., Überbleibsel
strenger Feldgemeinschaft auf friesischen und skandinavischen Inseln, ZRG GA 46
(1926), 378; Haff, K., Die alten Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr
und ihre Erbbücher, ZRG GA 47 (1927), 673; Bergdolt, W., Badische Allmenden,
ZRG GA 48 (1928), 466; Weber, K., Zur Rechtsgeschichte der Wiesengemeinschaften
der Hallig Hooge, 1931; Plett, E., Zur Rechtsgeschichte des Spätlandes auf
Osterlandföhr, 1931; Kirchner, R., Die Allmende und ihre Schicksale in Unterfranken,
Diss. jur. Würzburg 1931; Mantel, K., Der Gemeindewald in Bayern, Diss. jur.
Würzburg 1933; Rynning, L., Bidrag til norsk almenningsrett I, 1934; Brinkmann,
O., Die Bedeutung der Allmende im neuen Deutschland, 1935; Grass, N., Beiträge
zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Fischer, H., Zum Gebietsrecht
der Stadtallmende, ZRG GA 71 (1954), 209; Sidler, R., Die schwyzerische
Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich 1956; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Wehrenberg,
D., Die wechselseitigen Beziehungen zwischen Allmendrechten und
Gemeindefronverpflichtungen, 1969; Schildt, B., Bauer - Gemeinde -
Nachbarschaft, 1996; Below, S. v. u. a., Wald, 1998; Zückert, H., Allmende und
Allmendaufhebung, 2003; Schmidt-Wiegand, R., Allmende, (in) Worte des Rechts,
2007, 347
Allod ist das keinen zusätzlichen
Beschränkungen unterliegende Familiengut (19. Jh., vgl. Lex Salica 59). Es
steht insbesondere im Gegensatz zu →Lehen. In Deutschland gibt es immer
A., während in Frankreich (wegen der Vermutung nulle terre sans seigneur) A.
eher selten und in England A. seit 1066 (Domesdaybook) verschwunden ist. A.
kann zu Lehen gemacht werden und Lehen in A. verwandelt werden. Mit dem 19. Jh.
geht A. in →Eigentum auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Chenon, E.,
Étude sur l’histoire des alleux en France, 1888; Rauch, K., Die Übertragung der
steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger,
ZRG GA 58 (1938), 448; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Spieß, K., Das
Lehnswesen, 2002, 2. A. 2009
Allodifikation ist die (ausdrückliche oder
stillschweigende) Umwandlung von Lehen in →Allod. Tatsächlich findet in
der Neuzeit eine allmähliche A. der deutschen Landesfürstentümer statt (bis
1806). Innerhalb der Landesfürstentümer erfolgt (nicht zuletzt aus steuerlichen
Überlegungen) eine A. der Lehen von 1702 (Preußen) bis 1919 (Mecklenburg).
Lit.: Köbler, DRG 211; Loewe, V., Die
Allodifikation der Lehen unter Friedrich Wilhelm I., (in) Forschungen zur
brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 1898; Deter, G.,
Allodifikation, ZRG GA 130 (2013), 205
Allthing ist die vielleicht 930
eingerichtete politische Versammlung der seit der 2. Hälfte des 9. Jh.s vor
allem von Westnorwegen aus besiedelten Insel →Island. Das A. wird in der
zweiten Junihälfte jedes Jahres im Südwesten abgehalten. Teilnahmeberechtigt
ist jeder thingsteuerfähige Freie, teilnahmeverpflichtet jeder Häuptling (Gode)
und jeder neunte Mann. Auf dem A. hat der Gesetzessprecher oder Rechtssprecher
(lögsögumadr) das Recht vorzutragen, ist Recht zu setzen und zu klären und
müssen Urteile gefällt werden. 1271/81 endet diese ältere Gestaltung. 1798 wird
das A. aufgelöst.
Lit.: Kuhn, H., Das alte Island, 1971
Alm →Almrecht
Almrecht ist das Recht der Alp oder (aus
alben kontrahiert) Alm als der hochgelegenen, vielleicht seit 3000 Jahren in
den Sommermonaten bewirtschafteten Weidefläche (vor allem des Alpenraums).
Diese gehört teils Genossenschaften, teils Grundherren. Das Eigentum an den
Grundstücken ist oft durch besondere Rechte und Dienstbarkeiten eingeschränkt
(z. B. Schneefluchtrecht auf unteren Almen).
Lit.: Weiß, R., Das Alpwesen Graubündens, 1941; Grass,
N., Beiträge zur Rechtsgeschichte der Alpwirtschaft, 1948; Moritz, A., Die
Almwirtschaft im Stanzertal, 1956; Grass, N., Forschungen zur Alpwirtschaft,
ZRG GA 81 (1964), 368; Ramseyer. R., Das altbernische Küherwesen, 1961;
Gietzen, H., Die Almen des Stubaitales, 1964; Schweizerischer Alpkataster, hg.
v. d. Abteilung für Landwirtschaft des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
in Bern, 1962ff.; Hägele, E., Die Hinterriss, Diss. staatswiss. Innsbruck 1967;
Edelmann, M., Die Almen im Tegernseer Tal, 1966; Werner, K., Die Almwirtschaft
des Schnalstales, 1969; Starz, R., Die Almwirtschaft in der Wildschönau, Diss.
staatswiss. Innsbruck 1970; Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970; Schenk, P.,
Die Almwirtschaft im Alpbachtal (Tirol), 1974; Zwittkovits, F., Die Almen
Österreichs, 1974; Grass, N., Oswald von Wolkenstein und die Almwirtschaft, ZRG
GA 92 (1975), 105; Tremel, F., Zur Rechtsgeschichte des Almwesens, FS N. Grass
Bd. 2 1975, 3; Untersuchungen zur eiszeitlichen und frühmittelalterlichen Flur,
hg. v. Beck, H., 1980; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Grass, N., Alm
und Wein, 1990 (Aufsätze)
alodis (lat.-afränk.) →Allod
Alp →Alm
Alpen ist der Name des Italien von Frankreich und
Deutschland trennenden europäischen Gebirges.
Lit.: Die Alpen in der europäischen Geschichte des Mittelalters, 1965;
Die Alpen, hg. v. Mathieu, J. u. a., 2005; Wege über die Alpen, hg. v. Oster,
U., 2006; Le Alpi porta d’Europa, hg. v. Pani, L. u. a., 2009; Winckler, K.,
Die Alpen im Frühmittelalter, 2012
Altar ist der in der christlichen Kirche für
geistliche Handlungen verwendete Tisch, mit dem auch Rechtshandlungen (z. B.
Stiftungen, Eide, Gottesurteile) verbunden werden können.
Lit.: Carlen, L., Orte, Gegenstände, Symbole kirchlichen Rechtslebens,
1999; Viek, S., Der mittelalterliche Altar als Rechtsstätte, Mediävistik 17
(2004)
Alsfeld in Oberhessen übernimmt nach 1556 weitgehend
wörtlich das Frankenberger Stadtrechtsbuch.
Lit.: Gerhardt,
H., Das Alsfelder Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993
Altdorf bei Nürnberg, 1504 von der Pfalz an Nürnberg
gelangt, 1553 sehr zerstört, ist von 1575 an Sitz des 1526 nach Vorschlägen
Melanchthons im Egidienkloster Nürnbergs eingerichteten Gymnasiums und von 1622
bis 1809 Sitz einer Universität (Donellus, Rittershusius, 1599 Wallenstein,
1667 Leibniz).
Lit.: Will, G., Geschichte und Beschreibung der nürnbergischen
Universität Altdorf 1796, Neudruck 1975; Die Matrikel der Universität Altdorf,
hg. v. Steinmeyer, E. v., 1812, Neudruck 1980; Mummenhoff, G., Die
Juristenfakultät Altdorf in den ersten fünf Jahrzehnten ihres Bestehens, Diss.
jur. Erlangen 1957; Loiermann, H., Die Altdorfer Juristen, FS K. S. Bader 1965,
267; Mährle, W., Academia Norica (1575-1623), 2000; Nürnbergs Hochschule in
Altdorf, hg. v. Marti, H. u. a., 2014
alte Kulm →Kulm
Altena
Lit.: Lappe, J., Die Freiheit Altena, 1929
Altenteil ist die einem Bauern und seinem
überlebenden Ehegatten nach Übergabe seines Hofes an seinen Nachfolger
zustehende Versorgung. Das seit der Mitte des 14. Jh. nachweisbare A. wird bei
freien Bauern durch (seit dem 16. Jh. nachweisbaren) Vertrag vereinbart (und in
neuerer Zeit im Grundbuch dinglich gesichert), bei grundherrschaftlichen Bauern
auch in Hofrechten festgelegt. Es haftet am Hofgrundstück. Die Anerbengesetzgebung
des 19. Jh.s kennt eine gesetzliche Regelung, deren Ausgestaltung der Vereinbarung
überlassen ist. Art. 96 EGBGB verweist für den schuldrechtlichen Vertrag auf
das Landesrecht.
Lit.: Piepenbrock, J., Die Entwicklung des Altenteils
oder der Leibzucht, 1925 (Diss.); Weiland, H., Die geschichtliche Entwicklung
des bäuerlichen Altenteils, 1940; Weber, H., Der deutsche bäuerliche
Übergabevertrag, 1941; Czerannowski, B., Das bäuerliche Altenteil in Holstein,
Lauenburg und Angeln 1650-1850, 1988; Schäfer, A., Übernahme und Altenteil,
Diss. jur. Bonn 1994
Alter ist die für das Recht in verschiedener
Hinsicht bedeutsame, durch die dem Menschen vorgegebene Dimension Zeit bedingte
Erscheinung menschlichen Lebens. Schon das römische Recht unterscheidet
zwischen Kleinkindern (lat. [M.Pl.] infantes), Nochnichtgeschlechtsreifen
(lat. [M.Pl.] impuberes) und Geschlechtsreifen (lat. [M.Pl.] puberes), wobei
der Eintritt der Reife bei Männern mit vollendetem 14., bei Frauen mit
vollendetem 12. Lebensjahr angenommen wird und volle Geschäftsfähigkeit
bedeutet. Allerdings besteht (wohl schon früh) bis zur Vollendung des 25.
Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei Rechtsgeschäften. Nach den
frühmittelalterlichen Volksrechten tritt Mündigkeit zunächst nach der
jeweiligen einzelnen Geschlechtsreife ein, später mit der Vollendung des 10.
Lebensjahrs (angelsächsisches Recht vor 1000) oder 12. Lebensjahrs (Edictus
Rothari [643] 155, Leges Liutprandi [721] 18). Der Unmündige kann bestimmte
Handlungen nicht vornehmen, andere nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen.
Die väterliche Gewalt dauert aber bis zur →Abschichtung fort. Nach dem
Sachsenspiegel kann diese Rechtsstellung des Unmündigen freiwillig bis zum
Ablauf des 21. Lebensjahrs und nach dem 60. Lebensjahr fortgeführt werden. Mit
der Rezeption seit dem späteren Mittelalter dringt die römische Regelung der (lat.
[F.]) infantia (Kindheit) ein (Geschäftsunfähigkeit). Wer älter als sieben
Jahre alt ist, kann zwar Rechte erwerben, aber bis zur Geschlechtsreife keine
Pflichten begründen bzw. bis zur Volljährigkeit (meist 25 Jahre) das Vermögen
nicht ohne Zustimmung eines Kurators verringern, allerdings auf Antrag diese
Rechtsstellung bereits mit 20 bzw. für Frauen mit 18 Jahren erreichen (lat.
sog. [F.] venia aetatis, Erlaubnis des Alters). Nach dem österreichischen Codex
Theresianus von 1766 (V § IV 98), dem preußischen Allgemeinen Landrecht von
1794 (II 18 § 696) und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
von 1811/1812 (§ 21) tritt die Volljährigkeit mit 24 Jahren ein, im Deutschen
Reich seit 1875 mit 21 Jahren, in der Deutschen Demokratischen Republik und in
der Bundesrepublik Deutschland (1975) mit 18, in Österreich (1919) mit 21, dann
(1973) mit 19 und danach (2001) auch mit 18 Jahren. Daneben gibt es die
Schulpflicht mit 6 Jahren, die Religionsmündigkeit mit 14 Jahren, die
beschränkte Ehemündigkeit, Testierfähigkeit und Eidesfähigkeit mit 16 Jahren
und den Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren im Strafrecht bzw. Jugendstrafrecht.
Lit.: Kaser § 14; Hübner 63ff.; Wackernagel, W., Die
Lebensalter, 1862; Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG
GA 61 (1941), 1; Helfenstein, U., Beiträge zur Problematik des Lebensalters in
der mittleren Geschichte, 1952; Luther, G., Ehemündigkeit, Volljährigkeit,
Strafmündigkeit, 1961; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz,
1970; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Aging and the Ages,
hg. v. Sheehan, M., 1990; Alter und Gesellschaft, hg. v. Borscheid, P., 1995;
Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Schlegel-Voß, L.,
Alter in der Volksgemeinschaft, 2005; Generationengerechtigkeit?, hg. v. Brakensiek,
S. u. a., 2006; Timmer, J., Altersgrenzen politischer Partizipation in antiken
Gesellschaften, 2008; Lebensalter und Recht, hg. v. Ruppert, S. 2009; Youth and
Age in the Medieval North, hg. v. Lewis-Simpson, S., 2008; Brunozzi, K., Das
vierte Alter im Recht, 2012; Wagner-Hasel, B., Alter in der Antike, 2012; Torp,
C., Gerechtigkeit im Wohlfahrtsstaat, 2015
Alteri stipulari nemo potest (lat.). Für einen anderen kann man
sich nichts versprechen (bzw. sich versprechen lassen).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian 170-223)
Alternativentwurf zur Strafrechtsreform ist der 1966
von reformfreudigen deutschen Strafrechtsprofessoren vorgelegte Entwurf, der
die Liberalisierung des deutschen Strafrechts in der anschließenden
Novellierung maßgeblich mitbestimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altershilfe für Landwirte ist eine durch Gesetz
vom 27. 7. 1957 (zum 1. 10. 1957) in Deutschland errichtete Abteilung der
Sozialversicherung, die von Alterskassen bei den landwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaften betrieben wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Altersversicherung →Sozialversicherung
Altertum ist der mit den ersten
schriftlichen Aufzeichnungen (3000-2800 v. Chr.) bzw. dem 11. Jh. v. Chr.
beginnende, vor allem die Völker der Gegend vom Mittelmeer (Griechen, Römer)
bis zum Zweistromland erfassende und mit der Völkerwanderung (476 Eroberung
Westroms durch die Germanen) allmählich endende geschichtliche Abschnitt der
menschlichen Kulturentwicklung. →Antike
Lit.: The Oxford Classical Dictionary, 1949ff., 2. A.
1970, 3. A. 1996, 4. A, hg. v. Hornblower, S. u. a., 2012 (mehr als 6000
Einträge); Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd. 1ff. 1975ff.;
Buchwald, W. u. a., Tusculum-Lexikon griechischer und lateinischer Autoren, 3.
A. 1982; Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft,
Gesamtregister I, II, 1997ff. (mit CD-ROM); Ott, M., Die Entdeckung des
Altertums, 2002; Piepenbrink, K., Das Altertum, 2006; Porter, A., Mobile
Pastoralism and the Formation of Near Eastern Civilizations, 2012; Assmann, J.,
Exodus – Die Revolution der Alten Welt, 2015, 2. A: 2015, 3. A. 2015
Althochdeutsch ist die normalisierende Bezeichnung
der zwischen (500 bzw.) 750 und 1050 als der alten deutschen Sprachperiode im
südlichen (hochgelegenen) Deutschland (Alemannen, Bayern, Franken)
gesprochenen, dem Germanischen folgenden und dem →Mittelhochdeutschen
vorausgehenden Sprachen (z. B. althochdeutsches Lex-Salica-Bruchstück).
Lit.: Althochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Frings,
T./Karg-Gasterstädt, E., Bd. 1ff. 1952ff. (2010 soll es in 10 Bänden fertig
sein, 750000 Zettel, 13 Mitarbeiter derzeit, sieben Zettel je Tag, ein Drittel
Glossen); Baesecke, G., Vor- und Frühgeschichte des deutschen Schrifttums (2,
1), 1950; Schützeichel, R., Die Grundlagen des westlichen Mitteldeutschen,
1961; Schützeichel, R., Althochdeutsches Wörterbuch 1969, 6. A. 2004;
Sonderegger, S., Althochdeutsch als Anfang, 1977; Köbler, G., Wörterbuch des
althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G., Taschenwörterbuch des
althochdeutschen Sprachschatzes, 1994; Meinecke, E./Schwerdt, J., Einführung in
das Althochdeutsche, 2001; http://www.koeblergerhard.de/ahdwbhin.html;
Nievergelt, A., Althochdeutsch in Runenschrift, 2009,
Althusius (Althaus), Johannes (Diedenshausen
bei Berleburg 1557 [oder um 1563]-Emden 12. 8. 1638), Hofpredigerssohn, wird
nach dem Studium in Marburg (Pädagogium), Köln (1581) Basel (Amerbach, 1586
Promotion) und Genf (D. Gothofredus) nach Herborn (1588) berufen (1592-1596
Steinfurt). Von 1604 bis 1638 wirkt er in Emden als Ratssyndikus. Sein
Hauptwerk (lat. [F.] Politica methodice digesta, Politik methodisch behandelt,
1603) ist der erste deutsche Versuch einer systematischen Staatslehre, den A.
zu einer allgemeinen, mit noch mittelalterlicher Naturrechtsvorstellung
behafteten Rechtslehre ausbaut, der aber im beginnenden Absolutismus letztlich
von beschränkter Wirkung bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 148; Gierke, O. v., Johannes
Althusius, 1880, 2. A. 102, 3. A. 1913, 4. A. 1929, 5. A. 1958, 6. A. 1968,
Neudruck 1980, 7. A. 1981; Reibstein, E., Johannes Althusius als Fortsetzer der
Schule von Salamanca, 1955; Winters, P., Die „Politik“ des Johannes Althusius
und ihre zeitgenössischen Quellen, 1961; Althusius-Bibliographie, hg. v.
Scupin, H. u. a., Bd. 1f. 1973; Friedrich, C., Johannes Althusius und sein
Werk, 1975; Politische Theorie des Johannes Althusius, hg. v. Dahm, G. u. a.,
1988; Wyduckel, D., J. Althusius - Die deutsche Literatur zwischen 1450 und
1620, 1991; Politische Begriffe und historisches Umfeld in der Politica
methodice digesta, hg. v. Bonfatti, E. u. a., 2002; Althusius, J., Politik,
übers. v. Janssen, H., hg. v. Wyduckel, D., 2003; Jurisprudenz, politische
Theorie und politische Theologie. Beiträge des Herborner Symposions zum 400.
Jahrestag der Politica des Johannes Althusisus 1603-2003, hg. v. Carney, F. u.
a., 2004
Altmärkische Glosse zum Sachsenspiegel →Stendaler Glosse
Altniederfränkisch ist die im Nordwesten des fränkischen Reiches
in der altdeutschen Zeit des Frühmittelalters gesprochene Sprache, aus der sich
das Mittelniederländische und das Niederländische entwickeln.
Lit.: Köbler, G., Sammlung altniederfränkischer Tradition – Texte –
Glossen, 2002
Altona
Lit.: Maertens, R., Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge
des Landgerichts Itzehoe (1937-1945), 2011
Altsächsisch ist die zwischen (500 bzw.) 750 und
1200 als der alten deutschen Sprachperiode von den Sachsen gesprochene, dem
Mittelniederdeutschen vorausgehende Sprache (z. B. →Heliand).
Altzelle
Lit.: Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1
1162-1249, bearb. v. Graber, T., 2006; Die Zisterzienser und ihre Bibliotheken,
hg. v. Graber, T. u. a., 2008
Alzey
Lit.: 1750 Jahre Alzey, hg. v. Becker, K., 1973
Amberg in der Oberpfalz wird erstmals 1034 in einer
Gabe Konrads II. an das Hochstift Bamberg erwähnt. Spätestens 1242 ist es
Stadt. Die älteste erhaltene (deutsche) Bestätigung des Stadtrechts stammt von
1294.
Lit.: Denkmäler des Amberger Stadtrechts, hg. v. Laschinger, J., Bd.
1ff. 1994ff.
Amerbach, Bonifacius (Basel 1495-1562),
Schüler Zasius’ und Alciats, Freund des Erasmus von Rotterdam, Professor der
Pandekten in Basel und Anwalt (Familie aus Amorbach, ursprünglicher Name
Welcker).
Lit.: Die Amerbachkorrespondenz, hg. v. Hartmann, A.
u. a., Bd. 1ff. 1942ff.; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Troje,
H., Graeca leguntur, 1971; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Bonifacius
Amerbach, 1997; Hagemann, H., Die Rechtsgutachten des Basilius Amerbach, 2001
Amerika ist der wohl frühgeschichtlich (um
13000 v. Chr., Prä-clovis-Funde bei Austin in Texas) von Sibirien aus (über
eine Landbrücke nach Alaska von Asiaten/Indianern) besiedelte, um die
erste Jahrtausendwende von Wikingern (Leif Eriksson aus Grönland mit 35
Männern in Helluland, Markland und Vinland = Weinland?, überliefert in
isländischen Handschriften des 14. und 15. Jh.s, 1960 Funde von Überresten
einer wikingerzeitlichen Siedlung in L’Anse aux Meadows an der Nordspitze
Neufundlands in Kanada mit Eisenschlackeresten) und 1492 von Kolumbus auf der
von Europa aus nach Westen gerichteten Suche nach Indien (nochmals) entdeckte,
von Amerigo Vespucci (Florenz 1451?-Sevilla 1512) im Gefolge der Entdeckung der
Amazonasmündung (1502) als verschieden von Indien erkannte, am 25. 4. 1507 von
Martin Waldseemüller und Matthias Ringmann in der (lat.) Cosmographiae
Introductio (F., Einleitung in die Weltbeschreibung) als Amerika benannte, im
Süden von Spanien und Portugal und im Norden vor allem von England (und
Frankreich) in Besitz genommene Kontinent, dessen verschiedene Kolonien bzw.
Staaten sich seit dem 18. Jahrhundert von den Kolonialmächten lösen, aber im
20. Jahrhundert von den 1776 von Großbritannien verselbständigten →Vereinigten
Staaten von A. stark geprägt werden.
Lit.: Bravo Lira, B., Beziehungen zwischen den
europäischen und ibero-amerikanischen Kodifikationen, ZRG GA 103 (1986), 294;
Die neue Welt, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2001; Semper, F., Die Rechte der
indigenen Völker in Kolumbien, 2003; Weber, K., Deutsche Kaufleute im
Atlantikhandel 1680-1830, 2004; Arens, W./Braun; H., Die Indianer Nordamerikas,
2004; Depkat, V., Geschichte Nordamerikas, 2004; König, H., Kleine Geschichte
Lateinamerikas, 2006; Gemegah, H., Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007;
Klemke, U., Die deutsche politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007;
Taladoire, E./Courau, J., Die Maya, 2007; Winfield, A., Eugenics and Education
in America, 2007; Place and Native American Indian History and Culture, hg. v.
Porter, J., 2007; Borge, F., A New World for a New Nation, 2007; Gemegah, H.,
Die Suche nach den ersten Amerikanern, 2007; Amerika, hg. v. Lehmkuhl, U. u.
a., 2008; The Cambridge History of Law in America, hg. v. Grossberg, M. u. a.,
Bd. 1ff. 2008; Rinke, S., Revolutionen in Lateinamerika, 2010; Lerg, C.,
Amerika als Argument, 2011; The Oxford Encyclopedia of American Political and
Legl History, hg. v. Critchlow, D., 2012; Campbell, J., Crime and Punishment in
African American History, 2012; Rinke, S., Lateinamerika und die USA, 2012;
Bernhard, R., Geschichtsmythen über Hispanoamerika, 2013; Saldern, A., v.,
Amerikanismus, 2013; Duve, T., Salamanca in Amerika, ZRG GA 132 (2015), 116;
Loock, K., Kolumbus in den USA, 2014; Derecho privado y modernización, hg. v.
Rosario Polotto, M. u. a., 2015; Rinke, S., Im Sog der Katastrophe –
Lateinamerika und der erste Weltkrieg, 2015; Simek, R., Vinland! Wie die
Wikinger Amerika entdeckten, 2016
Amira, Karl von (Aschaffenburg 8. 3. 1848-München 22. 6.
1930), Richterssohn, wird nach dem Studium in München (Konrad Maurer) 1875
ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau und 1892 in München. Seine
Hauptwerke betreffen Nordgermanisches Obligationenrecht (1882ff., unvollendet),
die Dresdener Sachsenspiegelbilderhandschrift (1902, 1925/6) und die
germanischen Todesstrafen (1922).
Lit.: Amira, K., Über Zweck und Mittel der
germanischen Rechtsgeschichte, 1876; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AmiraKarlvonGrundrissdesgermanischenRechts3A1913.pdf
Amira, K. v., Grundriss des germanischen Rechts, 1890, 2. A. 1897, 3. A. 1913;
Puntschart, P., Karl von Amira und sein Werk, 1932; Karl von Amira zum
Gedächtnis, hg. v. Landau, P. u. a., 1999; Hein, O., Vom Rohen zum Hohen, 2001,
313ff.
Amnestie (griech. amnestia, F., Nichterinnerung) ist
im Strafrecht die Begnadigung einer Mehrheit von Straftätern (in Griechenland
seit dem 6. Jh. belegt, Athen 403 v. Chr., erstmals 196 v. Chr. A. benannt). Im
16./17. Jh. wird die Bezeichnung in das Deutsche aufgenommen. Im 19. Jh. wird
im deutschen Sprachraum für eine A. ein formelles Gesetz erforderlich. A. kann
Rechtssicherheit und Rechtsstaat gefährden.
Lit.: Usteri, P., Ächtung und Verbannung im griechischen Recht, 1903;
Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Hammel,
F., Innerstaatliche Amnestien, 1993; Süß, F., Studien zur Amnestiegesetzgebung,
2001
Amortisation (F.) Tilgung
Amortisationsgesetz ist das weltliche Gesetz, das die
Freiheit des kirchlichen (oder auch jüdischen) Grunderwerbs und die Zunahme des
abgabenfreien Kirchenguts einschränkt (z. B. Lübeck 1220/1226, Judenburg 1269,
Österreich 1303, vgl. Ssp LR I 25 § 1, ALR II 11 § 1199) (, weil die tote Hand
das einmal Ergriffene nicht mehr hergibt). Das österreichische Konkordat von
1855 und Art. 137 III WRV beseitigen diese wenig wirksamen Beschränkungen
endgültig.
Lit.: Moshamm, F. v., Über die Amortisationsgesetze
überhaupt, 1798; Kahl, W., Die deutschen Amortisationsgesetze, 1879; Lea, H.,
The Dead Hand, 1900; Borries, A. v., Die Erwerbsbeschränkungen der manus mortua
in Preußen, Diss. jur. Leipzig 1904; Olivier-Martin, F., Histoire du droit
français, 2. A. 1951, 483f.; Haegele, K., Die Beschränkungen des
Grundstücksverkehrs, 3. A. 1970; Schmidt, P., Die Privatisierung des Besitzes
der toten Hand in Spanien, 1990
Amsterdam an der Mündung der Amstel in das
Ijsselmeer entsteht um 1270 und erhält um 1300 Stadtrecht. 1632 wird eine
Universität eingerichtet.
Lit.: Koning, H., Amsterdam 1977; Beuys, B., Leben mit
dem Feind, 2012 (1940-1945)
Amt (Wort um 765) ist
die Aufgabe oder der Dienst. Im römischen Recht hat nach dem Sturz des Königs
vom Jahr 510 v. Chr. der Höchstmagistrat (lat. consules [M. Pl.] Berater) das
höchste A. der Republik. Hieraus entwickelt sich durch Schaffung weiterer
Magistraturen ein nach Zuständigkeiten gegliedertes System der Träger
herrschaftlicher Gewalt (mit einem vielleicht seit dem 2. J. v. Chr.
regelmäßigen [lat.] cursus [M.] honorum). Dieses wird durch die Einführung des
Prinzipats abgeändert (Ressortbezogenheit, auf den Kaiser ausgerichtete
Hierarchie, Rangklassen, Qualifikationskriterien, Besoldung). Zu den
leitenden Ämtern treten zahlreiche nachgeordnete Dienststellen hinzu. Bereits
bei Caesar ist dabei keltisch-lat. (M.) ambactus als Bezeichnung für die
gallische Adlige umgebenden Männer bezeugt (Commentarii de bello Gallico VI,
15). In der fränkischen Zeit wird das System der Römer zwar grundsätzlich
übernommen, aber erheblich vereinfacht. Hinzu kommt eine verstärkte personelle
Bindung durch die Belehnung. Insbesondere das A. (Dienst, Dienstverhältnis,
Herrschaft, lat. [N.] ministerium) des Grafen wird als Lehen übertragen. Bald
danach werden die dem Adel verliehenen Ämter vielfach durch ihre Inhaber dem
König entzogen und zu eigenem Recht behauptet. In den seit dem 12. Jh.
dementsprechend entstandenen Ländern ersetzt der Landesherr die Lehnsmannen
durch festbesoldete absetzbare Amtsträger und macht das A. wieder zur
staatlichen Einrichtung. Das örtliche Tätigkeitsgebiet wird zum A. im
räumlichen Sinn. Wer mit einem A. betraut ist, ist Beamteter und wird zum →Beamten.
Seit dem 17. Jh. entstehen Verzeichnisse der Ämter (Amtskalender z. B. in
England, Frankreich, dem Kirchenstaat um 1670, in Österreich um 1690 [1692], in
Kursachsen 1702, in Preußen 1704 oder in Nürnberg 1705). Seit dem ausgehenden
19. Jh. ist das öffentliche A. ein Kernbegriff der Verwaltung. Das A. im
öffentlichen Dienst wird bestimmt durch seine Bezeichnung, die Laufbahn und die
damit verbundene Besoldung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 111, 197, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Conrat,
M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239;
Conrat, M., Ein Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 30
(1909), 326; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Lappe, J., Geschichte des
Amtes Waltrop, 1938; Beyerle, D., Das frühmittelalterliche Schulheft vom
Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960;
Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Banngewalt, 1960; Richardson, H./Sayles, G.,
The Governance of Medieval England, 1963; Forsthoff, E., Lehrbuch des
Verwaltungsrechts, 10. A. 1973; Bauer, V., Repertorium territorialer
Amtskalender, Bd. 1f. 1997ff.; Brommer, P., Die Ämter Kurtriers, 2003; Beck,
H., Karriere und Hierarchie, 2005; Löffler, U., Dörfliche Amtsträger im
Staatswerdungsprozess, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Ämtertraktat →Decurio de gradus
Amtmann ist der Inhaber eines Amtes. Im
Mittelalter ist A. (ahd. ambahtman als Wiedergabe von lat. villicus,
officialis, procurator) vor allem der Verwalter eines grundherrlichen
Hofverbands (im Südwesten auch der Dorfvorsteher) und danach der Leiter eines
landesherrlichen Amtsbezirks. Seit 1921 ist A. (unter Lösung von einem bestimmten
Amtsgebiet) ein Beamter des gehobenen Dienstes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 113, 151;
Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Agena, K., Der Amtmann im 17. Jahrhundert, 1972; Kroeschell, K., Der
Amtmann, http://www.rewi.hu-berlin.de/FHI/zitat/0201kroeschell.htm;
Klingebiel, T., Ein Stand für sich? Lokale Amtsträger in der frühen Neuzeit,
2002
Amtsanwalt ist (seit 1877/1879) der Vertreter
des Staates vor dem Amtsgericht.
Lit.: Rüping, H., Polizeianwalt - Amtsanwalt -
Staatsanwalt. Zur Geschichte der Amtsanwaltschaft in Deutschland, FS Wolfgang
Sellert, 2000, 537
Amtsbuch (19. Jh.) ist
das aus Lagen zusammengesetzte Buch (oder die Rolle), das (bzw. die) zur
Ausübung eines →Amtes gehörige Eintragungen enthält. Solche Amtsbücher
sind seit dem Ende der römischen Republik die (lat. [M.Pl.]) commentarii der
Magistrate und Priester sowie später des Kaisers. Im Mittelalter entsteht im 9.
Jh. das Traditionsbuch und werden seit dem 12. Jh. viele Amtsbücher (Grundbuch,
Lagerbuch, Schreinsbuch, Stadtbuch, Kopialbuch, Register, Imbreviaturbuch)
eingerichtet. →Stadtbuch
Lit.: Der kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd.
1 1986, 1257ff.; Reetz, J., Hamburgs mittelalterliche Stadtbücher, Z. d. Ver.
f. hamburg. Gesch. 44 (1958), 95; Pätzold, S., Amtsbücher des Mittelalters,
Archivalische Zeitschrift 81 (1998), 87; Kreter, K., Stadtbücher und Register
1289-1533, Hannoversche Geschichtsblätter 48 (1994), 47; Verwaltung und
Schriftlichkeit in den Hansestädten, hg. v. Sarnowski, J., 2006
Amtsgericht ist das seit der frühen Neuzeit
partikular für den Umfang eines →Amtes (Verwaltungsbezirkes)
eingerichtete, beispielsweise in Baden durch Verordnung vom 22. Juli 1857 zum
1. September 1857 an die Stelle der Ämter gesetzte →Gericht, das durch
das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz 1877/1879 zum einheitlichen
Eingangsgericht (1893 im Deutschen Reich 1924 Amtsgerichte mit 4409 Richtern, 42%
Einmannamtsgerichte) der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt wird.
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Steinbach, E./Kniffka, R., Strukturen des
amtsgerichtlichen Zivilprozesses, 1982; 150 Jahre Amtsgericht Diepholz, hg. v.
Kruthaup, E. u. a., 2002; 150 Jahre Amtsgericht Soltau, hg. v. Rundt, S., 2002;
150 Jahre Amtsgerichte im Bereich des ehemaligen Königreichs Hannover, 2002;
125 Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v. Lünterbusch, A. u. a., 2003; Fischer,
D., 150 Jahre badische Amtsgerichte, 2007; Dee Gerichtsbarkeit wird ausgeübt
durch Amtsgerichte - 150 Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp,
J., 2008; 100 Jahre Amtsgericht Elmshorn, 2010
Amtshaftung ist die neben den Ersatzansprüchen des Einzelnen
für die Aufopferung seiner Rechtsgüter für das allgemeine Wohl stehende Art der →Staatshaftung.
Ihr geht vor allem die spätmittelalterliche Syndikatsklage gegen einen
absichtlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Urteil fällenden Richter
voraus. Im späten 18. und im 19. Jh. wird allgemeiner eine Haftung jedes
Beamten für eine Verletzung seiner Amtspflichten anerkannt (II 10 § 89 ALR für
jede Fahrlässigkeit), wobei jede den Dienstvertrag verletzende Handlung dem
Herrscher bzw. dem Staat nicht zugerechnet werden kann und deshalb eine private
Ersatzpflicht des Beamten auslösen muss. Seit 1831 wird vereinzelt eine
Ersatzpflicht des Staates geschaffen (Sachsen-Altenburg, 1852 Sachsen-Coburg-Gotha).
Das Bürgerliche Gesetzbuch des deutschen Reiches von 1900 hat für eine
öffentlichrechtliche Ersatzpflicht des Staates keine Zuständigkeit und bestimmt
deshalb in § 839 nur eine deliktische Ersatzpflicht des Beamten. Demgegenüber
sehen Bayern 1899, Preußen 1909 und § 1 des Reichsbeamtenhaftungsgesetzes vom
22. 5. 1910 eine zwar mittelbare, aber primäre Haftung des Staats vor. Art.
131 WRV leitet die Haftung reichseinheitlich vom Beamten auf den Staat über.
Dem schließt sich Art. 34 GG an. Das eine unmittelbare, verschuldensunabhängige
Staatshaftung für Amtspflichtverletzung festlegende Staatshaftungsgesetz der
Bundesrepublik Deutschland ist wegen (seinerzeit) fehlender (, inzwischen in
Art. 74 I Nr. 25 GG geschaffener) Zuständigkeit nach einem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 19. 10. 1982 nichtig. Die 1969 im
Staatshaftungsgesetz der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik
geschaffene unmittelbare, vom Verschulden unabhängige Staatshaftung für
rechtswidriges hoheitliches Handeln ist zwar im Einigungsvertrag von 1990
aufrechterhalten, aber inzwischen durch Landesgesetz abgeschafft oder
eingeschränkt. Das Recht Österreichs kennt eine vergleichbare A., das Recht
der Schweiz eine mittelbare, meist verschuldensunabhängige Haftung des Staates.
Lit.: Loening, E., Die Haftung des Staates aus rechtswidrigen
Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M., Amtshaftung und Entschädigung
aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der
Unrechtsunfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im
Justizstaat, 1995; Haaf, T., Das Tonabbau-Urteil des Reichsgerichts (1912),
2012
Amtsherzogtum ist das als königliches Amt
vergebene →Herzogtum (9. Jh.) im Gegensatz zu dem aus der
Heerführerschaft eines Volkes erwachsenden →Herzogtum.
Lit.: Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1974
Amtshilfe ist die auf Ersuchen einer Behörde von einer
anderen Behörde geleistete ergänzende Hilfe. Sie entwickelt sich im 19. Jh. und
wird von der Rechtshilfe durch Gerichte erst in der 2. H. des 20. Jh.s
abgegrenzt. Sie beruht anfangs auf Übung, Vertrag oder Einzelgesetz. Im
späteren 20. Jh. ist sie durch Verwaltungsverfahrensgesetze allgemein geregelt.
Lit.: Dreher, M., Die Amtshilfe, 1959; Schlink, B., Die Amtshilfe, 1982
Amtskalender →Amt
Amtspflicht (Wort 1499)
Lit.:Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Amtspflichtverletzung (Wort 1896) ist die Verletzung einer einem
Amtsträger gegenüber einem Dritten obliegenden Pflicht. Sie begründet nach §
839 BGB (1900) einen Schadensersatzanspruch (Amtshaftung, Staatshaftung).
Lit.: Köbler, DRG 217; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Amtsrecht ist im römischen Recht das vom
Amtsträger geschaffene Recht (lat. →ius [N.] honorarium).
Lit.: Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988
Amtssasse ist der im Gerichtsstand erster
Instanz dem örtlichen Amt zugeordnete →Landsasse.
Amtsverfolgung ist die Verfolgung eines
Unrechtserfolgs durch die Allgemeinheit bzw. den Staat von Amts wegen ohne Antrag
des Verletzten. Sie findet sich bereits in Rom und erscheint seit dem
Frühmittelalter. →Offizialmaxime
Amtsvergehen ist das in einem →Amt
begangene Vergehen. Als gedankliche Einheit werden die A. erst gegen Ende des
17. Jh.s erkannt. Noch das preußische Allgemeine Landrecht (1794) behandelt im
Abschnitt Verbrechen der Diener des Staates strafrechtliche und disziplinare
Sanktionen nebeneinander. Unter französischem Einfluss wird danach das
Standesdisziplinarrecht der Beamten vom Strafrecht geschieden (in Preußen 1849
zwei Verordnungen über das Disziplinarrecht). Im preußischen Strafgesetzbuch
von 1851 werden Verbrechen und Vergehen im Amt als Sonderdeliktsgruppe
zusammengefasst (§§ 309-331).
Lit.: Stock, U., Entwicklung und Wesen der
Amtsverbrechen, 1932; Sturm, W., Die Entwicklung der Sonderverbrechen, 1939;
Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Lüpkes,
H., Die Verbrechen der Diener des Staats, 2004
Amtsvormundschaft ist die durch den Staat von Amts wegen
übernommene →Vormundschaft.
Analogie ist der bereits der griechischen
Philosophie bekannte Schluss von der (eigentlichen) Gleichheit mindestens
zweier zunächst (nach dem Wortlaut des Gesetzes) rechtlich verschieden
behandelter Tatbestände auf die (wegen der Gleichheit notwendige) Ausdehnung
der Rechtsfolge eines (ersten) Tatbestands auf den zweiten oder weiteren
Tatbestand. Der Begriff analogisch taucht in der juristischen Literatur im
16./17. Jh. auf, wobei man unter analogischer Interpretation die Beseitigung
von Widersprüchen versteht. Im frühen 19. Jh. wird auf Grund von Immanuel Kants
Überlegungen zur Systematisierbarkeit des empirischen Wissens die alte
Verbindung von ausdehnender Auslegung und Ähnlichkeitsschluss aufgelöst und
die A. als „rein logische“ (wissenschaftliche bzw. gerichtliche) Ergänzung des
Rechtes aus dem – nur noch positiven und in sich geschlossenen – Rechtssystem
verstanden (Feuerbach, Hufeland, Savigny). Zwischen Gesetzesanlogie und
Rechtsanalogie wird seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unterschieden.
Lit.: Falk, J., Die Analogie im Recht. Eine Studie zur
neueren Rechtsgeschichte, Diss. jur. Gießen, 1906; Diedenhofen, P., Die Artikel
104/105 der peinlichen Gerichtsordnung, 1938; Steinwenter, A., Prolegomena zu
einer Geschichte der Analogie, FS F. Schulz 2 (1951), 345; Langhein, A., Das
Prinzip der Analogie als juristische Methode, 1992; Chanos, A., Begriff und
Geltungsgrundlagen der Rechtsanalogie, 1994; Raisch, P., Juristische Methoden,
1995, 78; Schröder, J., Zur Analogie, ZRG GA 114 (1997), 1; Höltl, J., Die
Lückenfüllung der klassisch europäischen Kodifikationen - Zur Analogie im ALR,
Code civil und ABGB, 2006
Analogieverbot ist das Verbot für alle im
Strafverfahren beteiligten staatlichen Stellen, →Analogie eines
Strafgesetzes zu Ungunsten des Handelnden (Angeschuldigten) vorzunehmen, und
damit die strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes. Seit dem
späten 18. Jh. wird Analogie zu Ungunsten Handelnder verboten (Österreich
1787). Im Deutschen Reich wird am 28. 6. 1935 das A. aufgehoben, nach Ende der
nationalsozialistischen Herrschaft (1945) aber wieder hergestellt.
→Nullum crimen, nulla poena sine lege.
Lit.: Köbler, DRG; Schottlaender, A., Die geschichtliche
Entwicklung, 1911; Kleinheyer, G., Vom Wesen der Strafgesetze, 1968; Schreiber,
H., Gesetz und Richter, 1976; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Weber, W., Analogie- und Rückwirkungsverbot,
Diss. jur. Bonn 1998
Analytical jurisprudence ist die von John →Austin
(1790-1859) begründete Strömung der englischen Rechtswissenschaft.
Anarchie (F.) Herrschaftslosigkeit
Lit.: Der Anarchismus, hg. v. Oberländer, E, 1972; Lösche, P.,
Anarchismus 1977; Anarchismus, hg. v. Diefenbacher, H., 1996
Ancien régime ist die Bezeichnung für die
monarchisch-feudale Regierungsform (in Frankreich vor der französischen
Revolution des Jahres 1789 bzw. allgemein) zwischen etwa 1650 und 1800.
Lit.: Köbler, DRG 129, 132; Fehrenbach, E., Vom ancien
régime zum Wiener Kongress, 5. A. 2008
Andelang ist der bei der Übereignung von
Grundstücken im fränkisch-alemannischen Gebiet bis zum Ende des 11. Jh.s
verwendete, nicht sicher bekannte Gegenstand (Handschuh?).
Lit.: Goldmann, E., Der andelang, 1912; Frommhold, G.,
Das andelang-Rätsel, ZRG GA 35 (1914), 426; Balon, J., L’andelangus, ZRG GA 79
(1962), 32
Andernach am Rhein führt von 1173 bis 1256
einen den Schreinskarten von Köln ähnlichen Rotulus (→Grundbuch).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Inventar des Archivs der
Stadt Andernach, Bd. 1ff., bearb. v. Heyen, F., 1965ff.
Andlau →Peter von
Andorra ist die aus sechs Tälern zu
politischer Einheit (Principat d’Andorra) zusammengefasste Tallandschaft im
Südosten der ibero-baskisch besiedelten Pyrenäen. Seit dem späten 9. Jh. lassen
sich dort Abgabenrechte der Grafen von Urgel und der Bischöfe von Urgel
feststellen. Im 11. Jh. treten die verschiedenen Täler zu einer Einheit
zusammen. Am 8. 9. 1278 werden durch Schiedsspruch (Paréage) Unklarheiten
beseitigt. Die Rechte der Grafen fallen über Zwischenstufen 1607 bzw. 1620 an
Frankreich. Das ursprüngliche Recht Andorras nimmt römische und katalanische
Sätze auf. 1748 wird das Gewohnheitsrecht aufgezeichnet. In der Gegenwart ist
A. ein Fürstentum, dessen von den Souveränen (Staatspräsident Frankreichs,
Bischof von [La Seu d’] Urgel) delegierte Rechte durch einen französischen
Departementspräfekten und einen spanischen Provinzzivilgouverneur bzw. ihre
Vikare (Viguier, Viguer) wahrgenommen werden (Kondominium). Die Verfassung vom
14. 3. 1993 schafft einen Consell General (Generalrat, Parlament) mit je 7
Abgeordneten aus jeder der vier Gemeinden, dem der Ministerpräsident
verantwortlich ist, dem gegenüber aber die beiden coprínceps noch
Einspruchsrechte haben. Seit 1. 7. 1991 besteht ein Handelsabkommen mit der
Europäischen Gemeinschaft, seit 28. 7. 1993 ist A. Mitglied der Vereinten
Nationen und seit November 1994 Mitglied des Europarats.
Lit.: Guilera, J., Una història d’Andorra, 1960;
Engels, O., Schutzgedanke und Landesherrschaft, 1970; Belinguier, B., La
condition juridique des vallées d’Andorre, 1970; Ourliac, P., La jurisprudence
civile d’Andorre, 1972; Valls Taberner, F., Privilegis i ordinacions de les
valls d’Andorra, 1990; Gergen, T., Sprachengesetzgebung in Katalonien, 2000;
Consell General, Die Verfassung des Fürstentums Andorra, 2002
Andreas de Isernia ist ein in Isernia im Süden der Apenninen wohl
nach 1220 geborener, in Neapel ausgebildeter und lehrender, vielleicht 1316
verstorbener Jurist ([lat.] commentaria [N. Pl.] in usus feudorum, lectura [F.)
zu den sizilianischen Konstitutionen, ritus [M.] regiae summariae regni
Neapolitani bzw. de iure Dohanarum).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 507
Anefang ist das rechtsförmliche Anfassen
einer abhandengekommenen und vom Verfolger wiedergefundenen beweglichen (,
durch Kennzeichen erkennbaren) Sache unter der Behauptung des besseren Rechtes
an ihr (lat. [F.] intertiatio). Der (z. B. in der Lex Ribvaria 37, 1 [7. Jh.]
schon und im Sachsenspiegel, Landrecht II, 36 [1221-1224] noch belegte) A.
bedeutet eine Klageerhebung gegen den Besitzer, der sich im nachfolgenden
Verfahren verteidigen muss. Vor Gericht kann der Besitzer sich insbesondere
dadurch vor dem Diebstahlsvorwurf befreien, dass er die Sache dem übergibt,
von dem er sie erhalten hat. Führt dies zur Entdeckung des Diebes, so muss
dieser die Sache herausgeben und Diebstahlsbuße leisten. Kann der Angegriffene
sein besseres Recht darlegen, muss der Angreifer eine Buße wegen unrechten
Anefangs leisten. Seit dem Hochmittelalter geht der A. allmählich in die
Herausgabeklage (bzw. den →Herausgabeanspruch) bzw. für alle auf freiem
Markt erworbene Sachen in einen Lösungsanspruch über.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 91;
Köbler, WAS; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1
1879, 824ff.; Meyer, H., Entwerung und Eigentum, 1902; Rauch, K., Spurfolge und
Anefang, 1908; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37
(1916), 382; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation, ZRG GA 39 (1918),
145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren, ZRG GA 68
(1951), 1; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952; Scherner, K., Salmannschaft,
Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
ane geværde (mhd.) ohne Gefährdung, aufrichtig
Aneignung (Wort 1800) ist der (originäre) Erwerb des
Eigentums an einer herrenlosen (eigentümerlosen) Sache durch Inbesitznahme
(lat. [F.) occupatio]). Die ersten Aneignungen fallen in die Anfangszeit des
Rechtes überhaupt. Im römischen Recht wird an aufgegebenen (lat. [F. Pl.]) res
mancipi mit Inbesitznahme nur bonitarisches Eigentum erworben, während der
zivile Eigentumserwerb Ersitzung verlangt. Im Laufe der Geschichte wird die A.
vom abgeleiteten Eigentumserwerb (→Übereignung) zurückgedrängt, so dass
A. ziemlich selten wird.
Lit.: Kaser § 26 I 1; Köbler, DRG 24, 40, 73,
90, 124; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anerbe ist der durch das
→Anerbenrecht begünstigte →Erbe.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 175, 210
Anerbenrecht ist das Recht des Übergangs eines
landwirtschaftlichen Betriebs auf einen einzelnen von mehreren vorhandenen
Erben. Eine derartige Gestaltung fehlt noch in den frühmittelalterlichen
Volksrechten, bildet sich aber spätestens im spätmittelalterlichen deutschen
Reich aus, wobei grundherrschaftlicher Einfluss (Interesse an einem einzigen
Verpflichteten) gestaltend gewesen sein kann. Daneben ist aber (freiere) Realteilung
in Mitteldeutschland und Süddeutschland verbreitet. Der Liberalismus lehnt
das A. als freiheitsfeindlich ab, weshalb die Verfassung Preußens die Teilbarkeit
des Grundeigentums sichert. Aus wirtschaftlichen Gründen sehen partikulare
Gesetze aber seit dem späteren 19. Jh. A. vor, das dann zur Anwendung kommt,
wenn der Hofinhaber (bestimmter großer oder eingetragener Höfe) nicht durch
letztwillige Verfügung einen Hoferben auswählt (Österreich 1. 4. 1889, Tirol
Höfegesetz 12. 6. 1900, Kärnten Erbhofgesetz). Das Reichserbhofgesetz des
Jahres 1933 verallgemeinert die Anerbenrechtsregelung des Höfegesetzes
Hannovers (1909). 1947 treten in der französischen und amerikanischen Besatzungszone
die alten Anerbengesetze wieder in Kraft. In der britischen Besatzungszone
wird eine Höfeordnung erlassen, die das Bundesverfassungsgericht, wegen der
Bevorzugung der Söhne, 1963 als verfassungswidrig ansieht, worauf eine
verfassungsgemäße gesetzliche Regelung am 24. 8. 1964 erfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Miaskowski, A. v., Das
Erbrecht und die Grundeigentumsverteilung im deutschen Reiche, 1882ff.;
Hagmeister Meyer zu Rahden, G., Die Entwicklung des ravensbergischen Anerbenrechts,
1936; Mauß, H., Anerbenrecht im niederrheinisch-westfälischen Grenzgebiet,
1938; Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss
in Kurhessen, 1942; Gebb, J., Über den Versuch des deutschen Anerbenrechts,
Diss. jur. Greifswald 1955; Bischoff, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in
Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Kroeschell, K., Geschichtliche Grundlagen
des Anerbenrechts, Agrarrecht 6 (1978), 147; Deutsches Agrarrecht, hg. v.
Kroeschell, K., 1983; Brauneder, W., Studien II 1994, 357ff.; Buchenroth, A.,
Die Heimatzuflucht, 2004; Wöhrmann, H., Das Landwirtschaftserbrecht, 9. A. 2007
Anerkenntnis →Schuldanerkenntnis
Anerkennungszins ist der wegen seiner geringen Höhe
wirtschaftlich bedeutungslose, aber als erkennbares Zeichen eines bestehenden
Abhängigkeitsverhältnisses rechtlich bedeutsame Zins (z. B. Freigelassener,
Erbbauberechtigter u. s. w.).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der
deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966
Anfechtung (Wort 1261) ist die nachträgliche Beseitigung
einer eingetretenen Rechtswirkung durch Willenserklärung und bzw. oder
Verfahrenshandlung des durch die Rechtswirkung Betroffenen. In diesem Sinne
ermöglicht bereits die →(lat.) querela [F.] inofficiosi testamenti
(Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) des klassischen römischen Rechtes
die Entkräftung eines Testaments, das bestimmte nahe Angehörige des Erblassers
übergeht. Im spätantiken Recht werden auch die Fälle der (lat.) →in
integrum restitutio (F.) so verstanden. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) ordnet die A. im allgemeinen Teil ein.
Lit.: Kaser § 9 I 1; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 209; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des
Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Harder, M., Die historische Entwicklung
der Anfechtbarkeit von Willenserklärungen, AcP 173 (1973), 209; Düwel, L., Die
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anfechtungsklage ist die Klage, die auf die
nachträgliche Beseitigung bestimmter Rechtsfolgen durch Urteil gerichtet ist.
Im 19. Jh. gibt es eine A. gegen den Beschluss auf Eröffnung des Konkurses oder
gegen polizeiliche Verfügungen. In Deutschland ist seit 1960 eine A. gegen
einen (rechtswidrigen) Verwaltungsakt statthaft.
Lit.: Köbler, DRG 263
angariae (lat. [F.Pl.], aus dem Persischen,
Abgaben an reisende Boten des Königs Persiens) Spanndienste, Beherbergungspflichten
in Antike und Frühmittelalter, seit 1789 weitgehend abgeschafft
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 2. A. Bd. 2 1928, 308
Angebot (Wort 1783) ist die auf den Abschluss eines
→Vertrags gerichtete →Willenserklärung. Das im Wesentlichen im
Naturrecht seit Hugo Grotius als allgemeine Erscheinung herausgearbeitete A.
ist im älteren gemeinen Recht und im angloamerikanischen Recht nicht bindend,
nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1896/1900) aber verbindlich. Wird das
Angebot von dem Empfänger angenommen, so entsteht ein Vertrag unter den
Beteiligten. Dem Gläubiger vom Schuldner angeboten wird auch die Leistung.
Lit.: Zimmermann, R., The Law of Obligations, 1996;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Angelsachse ist der Angehörige der im 5./6. Jh.
unter den sagenhaften Führern Hengist und Horsa von Norddeutschland auf die
britischen Inseln auswandernden, seit etwa 775 (Beda, Paulus Diaconus) mit der
Sammelbezeichnung Angelsachsen (lat. [M.Pl.]Angli Saxones) benannten
→Sachsen, Angeln (aus Schleswig) und Jüten. Die Angelsachsen bilden unter
Verdrängung der einheimischen →Kelten mehrere Kleinkönigreiche (Kent,
Sussex, Wessex, Essex, East Anglia, Mercia, Northumbria), in denen sie von
römischen und von schottischen Missionaren zum Christentum bekehrt werden. Den
Königen von Wessex gelingt im 9. Jh. die Einigung, doch werden die Angelsachsen
1016-1042 von den Dänen beherrscht und 1066 bei Hastings von dem
→Normannen Wilhelm dem Eroberer unterworfen. Aus der Zeit bis 1066 ist
mit insgesamt rund 1500-1800 Urkunden zu rechnen, von denen mehr als 1150 vom
Herrscher ausgestellt sind (von etwa 670 bis 900 rund 450 Urkunden, davon 2-3
Originale aus dem 7. Jh., 17-18 aus dem 8. Jh. und etwa 55 aus dem 9. Jh.).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schmid, R., Die Gesetze der
Angelsachsen, 1858; Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1ff.
1898ff., Neudruck 1960; Attenborugh, F., Laws of the Earliest English Kings,
1922; Robertson, A., Laws of the Kings of England, 1925; Braude, J., Die
Familiengemeinschaften der Angelsachsen, 1932; Wilson, D., The Anglo-Saxons, 2.
A. 1970; Vollrath-Reichelt, H., Königsgedanke und Königtum bei den
Angelsachsen, 1971; Wallace-Hadrill, J., Early Germanic Kingship, 1971; Torkar,
R., Eine altenglische Übersetzung von Alcuins de virtute et vitiis Kap. 20,
1981; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3.
A. 1990,;4. A. 2002; The Anglo-Saxons, hg. v. Hines, J., 1997; Dunn, M., The
Christianization of the Anglo-Saxons c. 597-c. 700, 2009; Kleinschmiedt, H.,
Die Angelsachsen, 2011; Bihrer, A., Die Angelsachsen, 2014; Kuhn, D., Der
lateinisch-altenglische libellus precum, 2014
Angelsächsisches Recht ist das Recht der
→Angelsachsen (zwischen der Mitte des 5. Jh.s und etwa 1066). Es ist
überliefert durch Rechtsbücher (lat. [F.Pl.] leges, Gesetzbücher) der
angelsächsischen Könige des 7. bis 11. Jh.s, durch allgemeine Rechtsaufzeichnungen
unbekannter Verfasser und durch Urkunden und allgemeine Geschichtsquellen. Den
Beginn bilden die in der Volkssprache niedergeschriebenen Rechtssätze Aethelberhts
von Kent (597-616) und in jüngerer Überlieferung Ines von Wessex (688-694). Von
Alfred dem Großen von Wessex stammt ein (ae.) domboc (887-899), von König Knut
eine weitere umfangreiche Sammlung (1018-1023). Nichtoffizielle Kompilationen
stellen der →Quadripartitus, die Leis Willelme (A. 12. Jh.), die
Consiliatio Cnuti (12. Jh.) und die →Leges Henrici Primi (1114-1118) dar,
mit denen das angelsächsische Recht noch weit in die normannische Zeit Englands
reicht. Die Überlieferung ist auf wenige Handschriften beschränkt, so dass mit
deutlichen Verlusten zu rechnen ist. Christlicher Einfluss ist unübersehbar.
Die Abgrenzung von aufgezeichnetem Gewohnheitsrecht und neuem, gemeinsam
mit Bischöfen und Adel gesetztem Recht (z. B. Todesstrafe für Diebstahl
925-939) bereitet Schwierigkeiten. Hauptgegenstand der Rechtsbücher („Gesetzbücher“)
ist zunächst der Ausgleich von Unrechtserfolgen durch Buße an den Verletzten.
Unter König Alfred nehmen kirchlicher Einfluss und königliche Anordnung zu. Ein
Bezug auf geschriebenes Recht findet sich in den überlieferten Rechtsfällen,
die vor dem vom reeve, ealdorman oder scirman des Königs geleiteten örtlichen
Gericht verhandelt werden, nicht.
Lit.: Schmid, R., Die Gesetze der Angelsachsen, 1858;
Liebermann, F., Zu den Gesetzen der Angelsachsen, ZRG GA 5 (1884), 198;
Liebermann, F., Die Gesetze der Angelsachsen, Bd. 1f. 1998ff., Neudruck 1960;
Brunner, H., Geschichte der englischen Rechtsquellen im Grundriss, 1909;
Liebermann, F., The national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913;
Attenborough, F., Laws of the Earliest English Kings, 1922; Bechert, R., Die
Einleitung des Rechtsgangs nach angelsächsischem Recht, ZRG GA 47 (1927), 1;
Würdinger, H., Einwirkungen des Christentums auf das angelsächsische Recht, ZRG
GA 55 (1935), 105; Goebel, J., Felony and Misdemeanour, 1937; English
Historical Documents I, hg. v. Whitelock, D., 1955; Sawyer, P., Anglo-Saxon
Charters, 1968; Harding, A., Law Courts of medieval England, 1973; Korte, D.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze und
Rechtsbücher des 6.-12. Jahrhunderts, 1974; Rivers, T., A Reevaluation of
Aethelberht 31, ZRG GA 93 (1976), 315; Scharer, A., Untersuchungen zu den
angelsächsischen Königsurkunden des 7. und 8. Jahrhunderts, Diss. phil. Wien
1978 (masch.schr.); Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971,
2. A. 1979, 3. A. 1990, ;4. A. 2002; Wormald, P., The Making of English Law,
1999; Scharer, A., Herrschaft und Repräsentation, 2000; Oliver, L., The
Beginnings of English Law, 2002; Palmer, J., Anglo-Saxons in an Frankish World,
690-900, 2009; Fruscione, D., Neue Forschungen zum angelsächsischen Recht, ZRG
GA 133 (2016), 474
Anger
Lit.: Brednich, R., Tie und Anger, 2007
Angers
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 138
Angestellter ist der Arbeitnehmer, der vorwiegend
geistige Arbeit leistet. Die Gruppe der Angestellten wird im 19. Jh. als besonderer
Teil der Arbeitnehmer erkannt.
Lit.: Dittrich, M., Die Entstehung der
Angestelltenschaft in Deutschland, 1939; Hromadka, W., Das Recht der leitenden
Angestellten, 1979; Bichler, B., Die Formierung der Angestelltenbewegung, 1997;
Schulz, G., Die deutschen Angestellten, 2000
Anhalt über dem Selketal ist die
vielleicht um 1050 errichtete Burg (in der Gegenwart Ruine), nach der sich ein
seit etwa 1000 erkennbares Geschlecht (→Askanier) benennt (1215 [lat.]
princeps [Fürst] in Anahalt), dessen Angehörige als einzige Grafen seit 1218
dem Reichsfürstenstand angehören. Nach vielen Teilungen kommen die Güter 1863
im Herzogtum A. (1807) der Linie Anhalt-Dessau wieder zusammen, das am 12. 11.
1918 Freistaat wird (Verfassung 18. 7. 1919). Am 9. 7. 1945 wird A. innerhalb
der sowjetischen Besatzungszone mit der Provinz Sachsen →Preußens vereinigt
und 1947 dem neugebildeten Land →Sachsen-Anhalt eingegliedert (1990-2003
Regierungsbezirk Dessau).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schrecker, U., Das
landesfürstliche Beamtentum in Anhalt, 1906; Schröder, A., Grundzüge der
Territorialentwicklung der anhaltinischen Lande, Anhalt. Geschichtsbll. 2
(1926); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2895; Marcus,
P., Herzog Bernhard von Anhalt, 1993; Die Fürsten von Anhalt, hg. v. Freitag,
W. u. a., 2003; Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a.,
2007; 800 Jahre Anhalt, hg. v. Anhaltischen Heimatbund, 2012
animo (lat.) durch Beherrschungswillen,
→possessio, →animus
animus (lat. [M.]) →Wille
animus (M.) domini (lat.) Eigentümerwille
animus (M.) donandi (lat.) Schenkungswille
→Schenkung
animus (M.) novandi (lat.) Abänderungswille
→Novation
Anjou ist die Seitenlinie der
→Kapetinger (erstes Haus begründet von [lat.]]vicecomes [M.] Fulco dem
Roten um 898, Verlust der Grafschaft 1214/1259 an den König von Frankreich,
1154 Königtum in England mindestens bis 1399, 1499 Hinrichtung des letzten männlichen
Plantagenet Earl Eduard von Warwick, zweites Haus 1246-1328/1351 als Apanage
nach Übernahme der Grafschaft durch den König von Frankreich, drittes Haus
1351-1480), welche die Grafschaft Provence, Sizilien (1265-1282,
Sizilien-Trinakria), Neapel (1265-1435, Sizilien-Neapel), Ungarn (1308-1386)
und Polen (1370-1386) sowie in einer jüngeren Linie Lothringen (1431-1473)
beherrscht. Die Landschaft A. (der keltischen Andekaver) um Angers zählt von
1154 bis 1204 unter dem Haus →Plantagenet zu →England. 1480/1481
fallen A. und Provence an den König von →Frankreich.
Lit.: Guillot, O., Le comte d’Anjou et son
entourage au 11e siècle, 1972; Gillingham, J., The Angevin Empire, 1984;
Michalsky, T., Memoria und Repräsentation, 1999; Kiesewetter, A., Die Anfänge
der Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Berg, D., Die
Anjou-Plantagenets, 2003; La justice temporelle dans les territoires angevins,
hg. v. Boyer, J. u. a., 2005
Anklage ist die vor Gericht gegen eine
bestimmte Person wegen einer bestimmten Straftat erhobene Anschuldigung. Sie
tritt erst mit der Entstehung allgemeiner Streitbeendigungseinrichtungen auf.
In Rom erfolgt der Übergang zu einer allgemeinen staatlichen Strafverfolgung
seit dem 2. vorchristlichen Jh. Danach erscheint eine Popularanklage bei
Verfolgung gemeiner Verbrechen. Jeder Bürger kann durch Anzeige die A.
vorbringen und erhält im Falle des Erfolgs einen Lohn. Im deutschen Mittelalter
bildet die A. die Voraussetzung für den besonderen, seit dem 14. Jh. sichtbaren
→Anklageprozess, bei dem der Betreiber Sicherheit stellen und im Fall des
Unterliegens die Kosten tragen und den Angeklagten entschädigen muss. Im mehr
und mehr vorherrschenden Inquisitionsprozess erfolgt die A. durch den Richter
auf dem endlichen Rechtstag. Im 19. Jh. wird nach dem Vorbild Frankreichs die
öffentliche A. durch eine vom Gericht unabhängige Behörde eingeführt (Baden
1832 und Württemberg 1843 für Pressevergehen, Preußen 1846 für Kammergericht,
1849 allgemein). Seitdem gibt es eine private A. nur noch bei (wenigen)
Privatklagedelikten.
Lit.: Köbler, DRG 156, 202, 118; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, 1879; His, R., Strafrecht des
deutschen Mittelalters, 1920; Grossmann, S., Masken des Anklägers – Geschichte
des Anklägers im amerikanischen Strafprozess, Diss. jur. Frankfurt am Main 2000
Anklagegrundsatz ist der Grundsatz, dass ein
Strafverfahren nur auf Grund einer Anklage betrieben werden kann.
Anklageprozess ist der Strafprozess, der eine
→Anklage (insbesondere seit dem 19. Jh. eine Anklage durch eine besondere
öffentliche Anklagebehörde) (→Staatsanwaltschaft) voraussetzt. Er ist
in Frankreich eine unmittelbare Folge der französischen Revolution von 1789.
In Deutschland setzt Baden 1832 erstmals Staatsanwälte ein. 1848 wird der A.
von der (gescheiterten) Verfassung der Frankfurter Paulskirche vorgesehen.
→Akkusationsprozess
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Einführung in
die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Anklam ist die am Unterlauf der Peene vor
1243 von deutschen Siedlern angelegte Stadt, die vor 1283 der Hanse beitritt
und spätestens 1292 Lübecker Stadtrecht übernimmt. Sie überliefert ein
bedeutsames →Stadtbuch.
Lit.: Das Stadtbuch von Anklam, bearb. v. Bruinier,
J., Bd. 1ff. 1960ff.
Anleite ist seit dem Hochmittelalter im
deutschen Recht die Einweisung in ein fremdes Gut, insbesondere die Einweisung
des Klägers in die Güter eines wegen Prozessungehorsams geächteten Beklagten
in einem sich über rund 10 Termine erstreckenden Verfahren vor dem
Reichshofgericht (Reichskammergericht und Reichshofrat bis 1654) oder einem
kaiserlichen Landgericht vor 1784. Sachlich wird es durch das
Versäumnisverfahren ersetzt.
Lit.: Kohler, J., Acht und Anleite des königlichen
Hofgerichts, FS G. Cohn, 1915, 1; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im
Spätmittelalter, 1984
Annahme →Vertrag
Annahmeverzug (M.) Gläubigerverzug, Verzug des
Gläubigers mit der Annahme der Leistung des Schuldners
Annalen (Jahrbücher) sind in möglicher
Parallele zu spätantiken Konsullisten seit dem 8. Jh. erscheinende,
chronologisch geordnete Aufzeichnungen über denkwürdige Begebenheiten (z. B.
Quedlinburger Annalen Sankt Servatiusstift Quedlinburg 1008-1030 [ab
Schöpfung]).
Lit.: Poole, R., Chronicles and Annals, 1926;
Caenegem, R. van/Ganshof, F., Kurze Quellenkunde des westeuropäischen
Mittelalters, 1964; Mc Cormick, M., Les annales, 1975; Hay, D., Annalists and
Historians, 1977; Die Annales Quedlinburgenses, hg. v. Giese, M., 2004
Annahme (Wort 1715) ist die ein Angebot
uneingeschränkt bejahende Willenserklärung des Angebotsadressaten sowie die
Entgegennahme der Leistung des Schuldners durch den Gläubiger im Zeitpunkt
der Leistung (andernfalls Annahmeverzug, Gläubigerverzug).
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Annaten (14. Jh.) sind
gewohnheitsmäßig entwickelte, seit der Mitte des 13. Jh.s bei der Verleihung
freier nichtkonsistorialer Benefizien allgemein an den Papst geleistete Abgaben
in Höhe eines ganzen oder halben Jahresertrags, die seit dem Konzil von Basel
(1435) abkommen und seit 1917 grundsätzlich untersagt sind.
Lit.: Kirsch, J., Die päpstlichen Annaten, 1903;
Hoberg, H., Die Einnahmen der apostolischen Kammer, Bd. 1f. 1955ff.; Denzel,
M., Kurialer Zahlungsverkehr, 1991; Camera apostolica, hg. v. Ansani, M., 1994
Annweiler
Lit.: Seebach, H., Kleine Geschichte des Trifels
und der Stadt Annweiler, 2009
Anschluss ist die von dem in Braunau
gebürtigen Österreicher Adolf →Hitler 1938 nach mehrjähriger Vorbereitung
durch politischen Druck herbeigeführte Vereinigung →Österreichs mit dem
Deutschen Reich. Dem A. geht 1918 der von den alliierten Siegermächten des
ersten Weltkriegs verhinderte Versuch der aus den meisten deutschsprachigen
Gebieten Österreich-Ungarns gebildeten Republik →Deutschösterreich voraus,
sich mit dem →Deutschen Reich zu vereinigen, wofür sich in Tirol 98,8
und in Salzburg 99,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten aussprechen. Nach
seiner Bestellung zum Reichskanzler im Deutschen Reich will Hitler dieses Ziel
politisch erreichen. Am 12. 2. 1938 zwingt Hitler den österreichischen
Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg (im Berchtesgadener Abkommen), den nationalsozialistischen
Sympathisanten Seyß-Inquart als Sicherheitsminister zu bestellen, die freie
Betätigung der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei innerhalb der
vaterländischen Front zuzulassen und alle Nationalsozialisten zu amnestieren.
Eine für den 12. 3. 1938 von Schuschnigg angesetzte Volksabstimmung für ein
„freies und deutsches, unabhängiges und soziales, christliches und einiges
Österreich“ unterbleibt wegen des am 11. 3. 1938 von Hitler erzwungenen Rücktritts
des Bundeskanzlers Schuschnigg. Auf Anforderung (Bitte um „Hilfe“)
Seyß-Inquarts an Hitler kommen deutsche Truppen. Danach bestellt der Bundespräsident
Österreichs (Miklas) Seyß-Inquart zum Bundeskanzler und tritt am 13. 3. 1938
zurück. Die Bundesregierung Österreichs beschließt auf der Grundlage des
Ermächtigungsgesetzes von 1934 ein Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung
Österreichs mit dem Deutschen Reich (BGBl. 1938, 75), auf Grund dessen
Österreich ein Land des Deutschen Reiches wird. Eine Volksabstimmung vom 10.
4. 1938 bejaht den A. zu 99,73%, doch wird dies nach 1945 verdrängt.
Lit.: Köbler, DRG 223; Baltl/Kocher; Kleinwächter,
F./Paller, H., Die Anschlussfrage, 1930; Tirol und der Anschluss, hg. v.
Albrich, T. u. a., 1988; Botz, G., Die Eingliederung Österreichs in das
Deutsche Reich, 1972, 3. A. 1988; Jung, O., Plebiszit und Diktatur, 1995;
Roesler, J., Der Anschluss von Staaten, 1999; Krämer, K., Die Bestrebungen für
einen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland 1918 bis 1921, Diss.
phil.. Hannover 2003
Anschütz, Gerhard (Halle an der Saale 10.
1. 1867-Heidelberg 14. 4. 1948) wird nach dem Rechtsstudium Professor in
Tübingen (1899), Heidelberg (1900), Berlin (1908) und Heidelberg (1916) und
1933 mit 66 Jahren auf Antrag emeritiert. Er ist Verfechter des demokratischen
Gedankens und verfasst auf gesetzespositivistischer Grundlage den mit 14
Auflagen erfolgreichsten Kommentar zu der von ihm lose mitgestalteten
Verfassung der →Weimarer Republik.
Lit.: Anschütz, G., Die Verfassung des
Deutschen Reiches, 14. A. 1933; Forsthoff, E., Gerhard Anschütz, Der Staat 6
(1967), 139; Gerhard Anschütz, Aus meinem Leben, hg. v. Pauly, W., 1993, 2. A.
2008; Dreier, H., Ein Staatsrechtslehrer, ZNR 20 (1998)
Ansegis (bei St. Rambert bei Lyon um
770-St. Wandrille/Fontenelle 20. 7. 833) ist der fränkische Benediktinerabt
(823) von St. Wandrille bzw. Fontenelle in der Erzdiözese Rouen, der 827 in
seinem vier Bücher (Karl der Große, Ludwig der Fromme, Weltliches, Kirchliches)
umfassenden (lat.) Legiloquus liber (M.) in einfacher Ordnung 29 (von etwa 90
heute bekannten) →Kapitularien Karls d. Großen und Ludwigs des Frommen
zusammenstellt, deren zwei Redaktionen (?) durch mehr als 60 (63), in vier
Gruppen einteilbare Handschriften überliefert werden.
Lit.: Ganshof, F., Was sind die Kapitularien?, 1961; Die
Kapitulariensammlung des Ansegis, hg. v. Schmitz, G., 1996
Anselm von Lucca verfasst zwischen 1081 und 1083 eine Sammlung
(lat. [F.) Collectio) von Papstbriefen, Canones, patristischen Texten und
römischen Rechtsquellen.
Lit.: Szuromi, S., Anselm von Lucca as Canonist, 2006
Anspruch (Wort 1291) ist das Recht, von einem anderen
ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 BGB) bzw. die von einem Kläger an
einen Beklagten gerichtete Behauptung eines Rechtes mit einem bestimmten
Inhalt. Im römischen Recht ist beides in der (lat. [F.]) →actio (Klaganspruch) enthalten, wobei im
Legisaktionenverfahren die Beachtung eines genauen Wortlauts erforderlich ist
und im Formularverfahren nur verfahrensrechtlich durchsetzbare Rechte
anerkannt werden (aktionenrechtliches Denken), wovon sich das spätantike
Verfahren je nach Zweckmäßigkeit löst. Im Spätmittelalter werden die Anforderungen
an die Geltendmachung von Ansprüchen eher abgeschwächt. Der (lat.) usus
modernus begnügt sich mit der Erkennbarkeit einer (lat.) actio. Savigny
versteht die (lat.) actio als Klagerecht, das aus der Verletzung eines
subjektiven Rechtes erwächst, als ein Recht im Zustand der Verteidigung. Nach
Bernhard Windscheid (1856) ist dagegen der A. unabhängig von der jeweiligen Entscheidung
eines Gerichts ein Recht.
Lit.: Windscheid, B., Die actio des römischen Civilrechts, 1856; Nörr,
K., Das Aktionrenrecht bei Savigny, Ius commune 8 (1879), 110; Simshäuser, W.,
Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit
Savigny, 1965; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der
Rechtsschutzlehre, 1985; Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium, 1996;
Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte des Verhältnisses von formellem
und materiellem Recht, 1996; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Anstalt (Wort 1250) ist die von einem Träger
öffentlicher Verwaltung seit dem 18. Jh. zur Erfüllung einer besonderen
Verwaltungsaufgabe errichtete, verwaltungsorganisatorisch oder rechtlich verselbständigte
Verwaltungseinheit von persönlichen oder sachlichen Mitteln.
Lit.: Gerstlacher, C., Sammlung aller
Baden-Durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Weber, W., Die
Entwicklung der Sparkassen, 1985; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln,
1991; Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen
im römischen Recht, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Anstiftung ist die vorsätzliche Bestimmung
eines anderen zu einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat (Versuch
genügt). Als allgemeine Grundfigur des →Strafrechts wird die A. unter
Herauslösung aus der Urheberschaft (intellektuelle Urheberschaft, so noch
Feuerbach 1801) des (lat. [M.]) auctor erst im 19. Jh. ausgebildet (§ 34 I StGB
Preußens 1851).
Lit.: Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom
Verbrechen, 1930, Neudruck 1973; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Anthropologie (F.) Menschenkunde
Lit.: Dülmen, R. van, Historische Anthropologie, 3. A.
2001; Hoßfeld, U., Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland,
2005
Antichrese ist das aus dem hellenistischen
Bereich in das klassische römische Recht eingeführte Nutzpfand, bei dem der
Pfandgläubiger mit Erlaubnis des Verpfänders die Früchte der Pfandsache ziehen
darf.
Lit.: Kaser § 31; Hübner
Antike ([3000/2800 v. Chr. bzw.] 11. Jh.
v. Chr.-4./6. Jh. n. Chr.) ist der vor allem durch die Kultur der (Sumerer,
Assyrer, Ägypter, Juden,) Griechen und Römer gekennzeichnete, durch die
Eroberung Westroms durch Germanen im Jahre 476 abgeschlossene geschichtliche
Abschnitt der menschlichen Kulturentwicklung. →Altertum
Lit.: Der Kleine Pauly, hg. v. Ziegler, K. u. a., Bd.
1ff. 1986; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; The Cambridge
Ancient History, 2. A. Bd. 6, hg. v. Lewis, D., 1994; Dahlheim, W., Die Antike,
6. A. 2002; Löwe, G./Stoll, H, Lexikon der Antike, 1997; Wesel, U., Geschichte
des Rechts, 3. A. 2006; Gehrke, H., Kleine Geschichte der Antike, 1999; Metzler
Lexikon Antike, hg. v. Brodersen, K./Zimmermann, B., 1999; Lexikon der
christlichen Antike, hg. v. Brauer, J./Hutter, M., 1999; Nickel, R., Lexikon
der antiken Literatur, 1999; Geschichte der Antike, hg. v. Gehrke, H. u. a.,
2000; Brandt, H., Das Ende der Antike, 2001; Grziwotz, H./Döbertin, W.,
Spaziergang durch die Antike, 2002; Die Rechtskulturen der Antike, hg. v.
Manthe, U., 2003; Lexikon der antiken Gestalten in den deutschen Texten des
Mittelalters, hg. v. Kern, M. u. a., 2003; Pöhlmann, E., Einführung in die Überlieferungsgeschichte
und in die Textkritik der antiken Literatur, Bd. 1 2. A. 2003; Personen der
Antike, hg. v. Brodersen, K. u. a., 2004; Herrscherchronologien der antiken
Welt, 2004; Höhepunkte der Antike, hg. v. Brodersen, K., 2006; Erinnerungsorte
der Antike, hg. v. Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2006; Troianer sind wir gewesen,
hg. v. Olshausen, E. u. a., 2006; Sonnabend, H., Die Grenzen der Welt, 2007;
Geschichte der Antike – Quellenband, hg. v. Gehrke, H. u. a., 2007; Geschichte
der antiken Texte – Autoren- und Werklexikon, hg. v. Egger, B., 2007;
Historischer Atlas der antiken Welt, hg. v. Wittke, A. u. a., 2007; Baltrusch,
E., Außenpolitik, Bünde und Reichsbildung in der Antike, 2008; Mann, C.,
Antike, 2008; Stangl, G., Antike Populationen in Zahlen, 2008; Die Ideale der
Alten, hg. v. Rosenberger, V., 2008; Antike - Recht - Geschichte, hg. v. Benke,
N. u. a., 2009; Antike Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v. Wirbelauer, E.,
2009, 3. A. 2010; Leppin, H., Das Erbe der Antike, 2010; Kitchen, K. u. a.,
Treaty, Law and Covenant in the Ancient Near East, 2012; Antike im Mittelalter,
hg. v. Brather, S. u. a., 2014
Antiochia (Kreuzfahrerfürstentum)
Lit.: Mayer, H., Varia Antiochena, 1993; Buck, A., The Principality of
Antioch and its frontiers in the tweltfth Century, 2017
Antisemitismus ist die die Juden (Semiten) ablehnende Haltung.
Sie entsteht nach antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Vorläufern
in der 2. Hälfte des 19. Jh.s (in Preußen Sozialkonservative wie Hermann
Wagener seit der liberalen neuen Ära von 1858, in Österreich um 1885) neu. In
dieser Zeit gelten Juden als Modernisierungsgewinner des Liberalismus, wobei
auch die katholische Kirche ihr Unbehagen über die gesellschaftlichen
Veränderungen am steigenden Einfluss der Juden zum Ausdruck bringt.→Jude
Lit.: Badinter, R., Un antisémitisme ordinaire, 1997;
Scheil, S., Die Entwicklung des politischen Antisemitismus in Deutschland
zwischen 1881 und 1912, 1999; Walter, D., Antisemitische Kriminalität, 1999;
Katholischer Antisemitismus, hg. v. Blaschke, A. u. a., 2000; Kertzer, D., Die
Päpste gegen die Juden, 2001; Bergmann, W., Geschichte des Antisemitismus,
2002; Ferrari Zumbini, M., Die Wurzeln des Bösen - Gründerjahre des
Antisemitismus, 2002; Haury, T., Antisemitismus von links, 2002; El olivo y la
espada, hg. v. Joan i Tous, P. u. a., 2003; Ley, M., Kleine Geschichte des Antisemitismus,
2003; Der Berliner Antisemitismusstreit 1879-1881, bearb. v. Krieger, K., 2003;
Benz, W., Was ist Antisemitismus?, 2004; Wladika, M., Hitlers Vätergeneration,
2005; Terwey, S., Moderner Antisemitismus in Großbritannien 1899-1919, 2006;
Mittmann, T., Vom Günstling zum Urfeind der Juden, 2006; Volkov, S., Germans,
Jews and Antisemites, 2006; Sieg, U., Deutschlands Prophet - Paul de Lagarde
und die Ursprünge des modernen Antisemitismus, 2007; Nonn, C., Antisemitismus,
2008; Brügmann, C., Flucht in den Zivilprozess, 2009; Herholt, v.,
Antisemitismus in der Antike, 2009: Antisemitische Geschichtsbilder, hg. v.
Bergmann, W. u. a., 2009; Herbeck, U., Das Feindbild vom „jüdischen
Bolschewiken“, 2009; Handbuch des Antisemitismus, hg. v. Benz, W., Bd. 1ff. 1209ff.;
Albrecht, H., Antiliberalismus und Antisemitismus, 2010; Antisemitism in
Eastern Europe, hg. v. Petersen, H. u. a., 2010; Imperien in der Antike, hg. v.
Harrison, T., 2010; Bergmann, W. u. a., Antisemitismus in Zentraleuropa, 2011;
Hofer, S., Richter zwischen den Fronten, 2011; Jahr, C., Antisemitismus vor
Gericht, 2011; Imhoff, M., Antisemitismus in der Linken, 2011; Nicosia, F.,
Zionismus und Antisemitismus, 2012; Wein, S., Antisemitismus im Reichstag,
2014; Alma mater antisemitica, hg. v. Fritz, R. u. a., 2015; Antisemitismus in
deutschen Parteien, hg. v. Ionescu/Salzborn, 2014; Schwarz-Friesel, Gebildeter
Antisemitismus, 2015; Antisemitismus in der DDR und die Folgen, hg. v. Apelt,
A. u. a., 2016; Arnold, S., Das unsichtbare Vorurteil – Antisemitismusdiskurse
in der US-amerikanischen Linken nach 9/11, 2016, Mühlem. B. v. zur, Gustav
Freytag, 2016; Wyrwa, U., Gesellschaftliche Konfliktfelder und die Entstehung
des Antisemitismus, 2016; Modern Antisemitisms in the Peripheries, hg. v.
Kovács, E. u. a., 2019
Antitribonianus ist das 1603 posthum erschienene
Werk François →Hotmans, das im Angriff auf →Tribonian die
Anwendbarkeit des (lat. [N.])Corpus iuris civilis in der Neuzeit bestreitet und
die Schaffung eigener Gesetzbücher empfiehlt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HotmanFranz(HotomanusFranciscus)Antitribonian1603.pdf
Baron, J., Franz Hotmans Antitribonian, 1888
Antrag (Wort 1325) ist das →Angebot auf Abschluss eines →Vertrags.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Antrustio (lat. [M.], zu afrk. druht,
lat.-afrk. trustis, M., bewaffnete Schar) ist der im Volksrecht der
→Franken durch dreifaches Wergeld des Freien ausgezeichnete, auch in
Kapitularien und Formeln erwähnte freie Königsmann.
Lit.: Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im
Merovingerreich, 1958; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände,
1991
Antwerpen an der Schelde wird 726 erstmals
urkundlich erwähnt. 1291 erhält es Stadtrecht. 1852 wird eine Universität
eingerichtet.
Anwachsung (Wort 1453, Anwachsungsrecht 1721) ist
die Erhöhung der Anteile anderer Berechtigter an einer (gesamthänderischen)
Gesamtheit im Wege der Gesamtnachfolge bei Wegfall eines Mitberechtigten. Sie
hat wohl in alten gesamthänderischen Gesamtheiten (z. B. Hausgemeinschaft,
Akkreszenz im klassischen römischen Erbrecht) Bedeutung und wird später eher
zurückgedrängt (z. B. durch Eintrittsrechte, Realteilung). Durch das
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) gewinnt sie mit dem Gesamthandsprinzip an
Gewicht.
Lit.: Kaser §§ 73 III, 76 III 1 154ff.; Hübner;
Breuel, F., Geschichte des Anwachsrechts in Ostfriesland, 1954; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Anwalt ist der Vertreter eines anderen (im
Recht). Im römischen Recht ist Vertretung grundsätzlich ausgeschlossen. Im
deutschen Bereich begegnen die ersten Anfänge im fränkischen Reich. Zum
Hochmittelalter hin erscheinen Vertreter für Bischöfe (Vögte), Äbte, Gemeinden
oder Genossenschaften. Bis zur zweiten Hälfte des 15. Jh.s setzt sich neben dem
Fürsprecher als Vertreter im (bloßen) Wort (Mund der Partei) die inhaltliche
Vertretung der Partei in der Sache im bürgerlichen Rechtsstreit durch. Mit der
Rezeption des römisch-kanonischen Prozessrechts wird am Ende des 15. Jh.s der
meist rechtsgelehrte, praktisch geschulte →Prokurator zum Vertreter der
Partei vor Gericht, der rechtsgelehrte →Advokat zum außergerichtlichen
Berater (1495 am Reichskammergericht acht Prokuratoren, zwei Advokaten, seit 1500
bzw. 1530 Prüfungen), doch verwischen sich in Deutschland die Unterschiede
trotz Fortführung der verschiedenen Benennungen schon seit dem 16. Jh. wieder.
Bedeutung hat der A. vor allem im Zivilprozess. In Preußen wird 1725 die
Prokuratur abgeschafft und 1780 die Advokatur als freier Beruf beseitigt
(Assistenzrat, Justizkommissar). Im 19. Jh. werden auch in Preußen wieder frei
wählbare Prozessvertreter zugelassen, die seit 1849 (1878 im Deutschen Reich)
Rechtsanwälte heißen (Österreich Advokatenordnungen von 1849 und 1868). Neben
ihnen dürfen in Deutschland seit 2008 (Rechtsdienstleistungsgesetz) auch
Nichtjuristen eingeschränkt Rechtsberatung durchführen.
Lit.: Kaser § 87 II IV; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
155, 202; Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft, 1905; Kübl, F.,
Geschichte der österreichischen Advokatur, 1925; Bader, K., Vorsprecher und
Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Böhm, O., Die
nürnbergische Anwaltschaft um 1500 bis 1806, 1949; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Failenschmid,
H., Anwalt und Fürsprech, 1981; Holly, G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit
der deutschen Rechtsanwälte, 1989; Krach, T., Jüdische Rechtsanwälte in
Preußen, 1991; Grahl, C., Die Abschaffung der Advokatur unter Friedrich dem
Großen, 1994; Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Krug, G., Die
Advokat-Anwälte, Diss. jur. Mannheim 1996; Die Geschichte des Deutschen
Anwaltvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Nirk, R., 50 Jahre NJW. Die
Entwicklung der Anwaltschaft, NJW 1997, 2625; Scherner, K., Advokaten,
Revolutionäre, Anwälte, 1997; Treve, W., Rechts-, Wirtschafts- und Steuerberatung
in zwei Jahrhunderten, 3. A. 1998; Klas, A., Standes- oder Leistungselite?,
2002; Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Reichspersonal, hg. v.
Baumann, A., 2003; Advokatenordnung 1648, hg. v. Neschwara, C. u. a., 2013
Anwaltszwang ist die (tatsächliche oder)
rechtliche Verpflichtung, im →Prozess einen →Anwalt zu verwenden.
Anwartschaft ist die einer bestimmten Person
zustehende rein tatsächliche Aussicht auf ein später zu erwartendes Amt oder
Recht. Im deutschen Mittelalter hat der nahe Verwandte ein Anrecht auf den
Nachlass (→Erbenwartrecht). Im 20. Jh. setzt sich die A. als werdendes
Recht, das dem Vollrecht wesensgleich ist, beim Kauf unter Eigentumsvorbehalt
durch.
Lit.: Kaser § 10 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 269; Berger, W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, 1984
Anweisung (Wort 1271/1286) ist die schriftliche Aufforderung
eines Teiles (Anweisender, Wort 1863) an einen anderen Teil (Angewiesener)
(Deckungsverhältnis), Geld, Wertpapiere oder andere Sachen an einen die
Anweisung dem Angewiesenen vorlegenden Dritten (Anweisungsempfänger, Wort
1809) zu leisten (lat. [F.] delegatio zwischen Delegant, Delegat und Delegatar,
Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger Valutaverhältnis).
Sie hat römische Grundlagen. Sie gehört in die Frühzeit des →Wertpapiers
(13./14. Jh.). Die pandektenwissenschaftliche Erörterung des 19. Jh. bereitet
die Gestaltung im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1896/1900 vor. Die A. kann
Zahlungsanweisung oder Verpflichtungsanweisung sein.
Lit.: Eisenried, U., Die bürgerlich-rechtliche Anweisung
und ihre Entstehung, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Anwenderecht ist das in die Anfänge des
dichteren Ackerbaus zurückreichende, seit dem 13. Jh. vielfach schriftlich
bezeugte Recht, zur Bestellung des eigenen Feldes kurzzeitig ein
Nachbargrundstück zu betreten und dadurch zu benutzen. Das Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) lässt das landesrechtlich vorhandene A. als Teil des
Nachbarrechts bestehen.
Lit.: Hübner 281; Götz, A., Das Anwenderecht, 1925;
Schmidt-Wiegand, Anwende, Text und Sprachbezug in der Rechtssprachgeographie,
1985, 146
Anzeige ist die Mitteilung eines rechtlich
erheblichen Vorgangs oder Zustands. Sie ist in verschiedenen Formen dem
römischen Recht bekannt. Eine Verpflichtung zu einer A. bestimmter Handlungen
stellt die Rügepflicht dar. Der hochmittelalterliche kanonische Prozess
unterscheidet im 12. Jh. die A. von der (lat. [F.]) accusatio. In der frühen
Neuzeit genügt im Strafverfahren statt der Klage eines einzelnen Klägers die A.
beim Richter zur Ingangsetzung des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 157; Kisker, S., Die Nichtanzeige
geplanter Straftaten - §§ 138, 139 StGB, 2002
Aostatal
Lit.: Roddi, G., Il Coutumier Valdostano (1588), 1994 (Diss. jur.
Freiburg im Üchtland)
Apanage ist die Ausstattung eines nachgeborenen
Sohnes, Bruders oder sonstigen Mitglieds eines landesherrlichen Hauses zur
Sicherung des standesgemäßen Unterhalts. Sie entwickelt sich nach älteren
Vorläufern (Bretagne 990?, Dreux 1137?) im 13. Jh. in Frankreich. Einen
Rechtsanspruch auf A. gibt es nur bei Vorliegen eines entsprechenden
Hausgesetzes. Die meist bei Eintritt der Volljährigkeit fällige A. kann auf
eine Person oder auf eine Linie bezogen sein.
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851;
Wood, C., The French Apanages, 1966
Apel, Johann (Nürnberg 1486-27. 4. 1536) wird nach dem
Rechtsstudium in Wittenberg 1524 Rechtslehrer, 1530 Kanzler in Preußen und 1534
Rechtsberater in Nürnberg. 1535 schlägt er eine dialektische Lehrmethode für
die Rechtswissenschaft vor. Außerdem bietet er erste systematische Ansätze.
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Doctor Johann
Apell, 1861; Wieacker, F., Einflüsse des Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d.
ges. Staatswiss. 100 (1940), 423
Apokalypse
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001
Apostasie (F.) ist der von
der Spätantike bis zur Aufklärung geahndete Abfall vom Glauben.
Lit.: Hinschius, P., System des katholischen Kirchenrechts, 1888ff.;
Schauf, H., Einführung in das kirchliche Strafrecht, 1952
Apostelbrief ist im gelehrten Verfahrensrecht
des Mittelalters der Bericht, den der untere Richter (lat. iudex [M.] a quo)
auf die Bitte einer Partei, die →Appellation gegen seine Entscheidung
erhebt, an den oberen Richter (lat. iudex [M.] ad quem) sendet. Er enthält eine
Schilderung des bisherigen Verfahrensablaufs und eine Beurteilung der
Berechtigung der Appellation sowie später auch die bisherigen Prozessakten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Sägmüller, J., Lehrbuch des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 2 3. A. 1914, 342
Apotheke („Aufbewahrungsort“, für Heilmittel zunächst
in Klöstern, um 1241 verbietet Friedrich II. im Edikt von Salerno das Betreiben
von Apotheken durch Ärzte, 1241 Löwenapotheke in Trier bezeugt) ist das
Unternehmen des wissenschaftlich ausgebildeten, staatlich zu Herstellung und
Verkauf von Arzneimitteln Berechtigten (Apothekers). Seit etwa 1850 gründen
Apotheker Drogerien mit einem breiten Warenangebot, darunter auch Arzneimittel.
1935 wird eine deutsche Apothekerschaft geschaffen, 1937 eine Reichsapothekenkammer
eingerichtet. 1961 ergeht ein Arzneimittelgesetz.
Lit.: Schröder, G., NS-Pharmazie - Gleichschaltung des deutschen
Apothekerwesens im Dritten Reich, 1988; Schlick, C., Apotheken im totalitären
Staat, 2008; Schäfer, C., Apotheker und Drogist, 2009
Apothekenurteil ist die in drei Stufen nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit die Einschränkung von Grundrechten (z. B. Berufsfreiheit)
ordnende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 11. 6.
1958 über die Zulassung eines Apothekers in Traunreut.
Lit.: Henne, T., Das Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2004
appellatio (lat. [F.]) Anrufung, Berufung,
→Appellation
Appellation ist im spätrömischen Verfahrensrecht
das aufschiebend wirkende Rechtsmittel zur Überprüfung der Entscheidung eines
unteren Richters durch einen höheren Richter, das mit einem Urteil endet
(Berufung). Die A. ist bei dem unteren Richter mündlich oder binnen 10 Tagen
schriftlich einzubringen. Die A. wird im frühen Mittelalter in vereinfachter
Form in der Kirche und in Oberitalien bewahrt. Im hohen Mittelalter wird die A.
(mittels →Apostelbriefs), die seit dem 12. Jh. im kirchlichen
Prozessrecht erscheint, aus dem oberitalienisch-kanonischen Prozessrecht in
Deutschland zuerst in geistlichen Gerichten aufgenommen. In Italien und
Frankreich dringt sie rascher vor. Im Heiligen römischen Reich, in dem zwischen
1200 und 1450 (lat. [F.]) appellatio sehr unterschiedliche Einrichtungen
benennen kann, ersetzt die A., die sich vor 1451 nur in einzelnen besonderen
Fällen vor dem um 1450 grundsätzlich noch unmittelbar angerufenen, aber auch im
älteren Rechtszugverfahren kaum eine nennenswerte Rolle spielenden König findet,
in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s allmählich die ältere Urteilsschelte in
weltlichen Verfahren. Die Appellationsverfahren verdrängen bald die
erstinstanzlichen Rechtszugverfahren. Das 1495 eingerichtete
Reichskammergericht ist vielfach Appellationsgericht (am Ende des 15. Jh.s zu
80%). Zur Eindämmung der A. wird dort 1521 eine Appellationssumme von 50 Gulden
festgelegt, die über 150 (1570) und 300 (1600) Gulden bis 1654 auf 600 Gulden
bzw. 400 Reichstaler steigt, und wird 1530 dem Reichskammergericht die
Annahme einer A. in Strafsachen verboten. In die gleiche Richtung wirken die
Nichtappellationsprivilegien (1470-03-21 Reichsstadt Nürnberg, 1480-07-10
Bayern Herzog, 1482-05-08 Augsburg Reichsstadt, 1485-11-05Augsburg Reichsstadt,
1493-04-27 Köln Stadt, 1495-08-24 Nürnberg Reichsstadt, 1499-05-21 Windsheim,
Nassau 1804-06-28, insgesamt (77) Aachen, Augsburg, Baden, Bayern, Biberach,
Brandenburg, Brandenburg-Ansbach-Bayreuth, Braunschweig-Lüneburg, Bremen
Stadt, Bremen Erzstift, Brixen, Dinkelsbühl, Donauwörth, Esslingen, Frankfurt
am Main, Giengen, Hamburg, Hanau-Münzenberg, Herford Stadt, Hessen-Kassel,
Hessen-Darmstadt, Hessen-Rheinfels, Hessen-Marburg, Hildesheim Bischof,
Holstein, Ingelheim Freiherr, Jülich Kleve Berg, Kaufbeuren, Kempten Stadt,
Köln Kurfürst, Köln Stadt, Lindau, Lippe Graf, Lübeck Stadt, Lüttich Bischof,
Magdeburg Erzbischof, Mainz Kurfürst, Manderscheid Graf, Mecklenburg Herzöge,
Memmingen Stadt, Merseburg Bischof, Münster Stadt, Nassau, Neuenahr und Moers
Graf, Nördlingen, Nürnberg Stadt, Öttingen (Oettingen) Graf, Oldenburg und
Delmenhorst Graf, Passau Bischof, Paumgarten Freiherr, Pfalz Kurfürst, Pommern,
Rantzau, Regensburg Stadt, Reußen von Plauen Graf, Reutlingen, Rosheim Stadt,
Rothenburg ob der Tauber, Rügen, Sachsen Kurfürst, Salzburg Erzbischof,
Schwäbisch Hall, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Schweden
König, Schweinfurt, Speyer Stadt, Straßburg Stadt, Trient Bischof, Trier
Kurfürst, Ulm, Verden Bischof, Vorpommern, Waldeck Graf, Windsheim, Wismar,
Worms Stadt, Württemberg, Würzburg Bischof). Am Reichshofrat ist die A. vor
allem wegen der Appellationsprivilegien nicht sehr häufig. 1879 wird die teuere
und schwierige A. im Deutschen Reich durch die →Berufung ersetzt, in
England erst 1875 wirklich zugelassen. →Konzil
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 114,
117, 152; Köbler, LAW; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Stölzel, A., Geding, Appellation, Hof, Hofgericht
und Räte, 1912; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Blaschke, K.,
Das kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84
(1967), 329; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der Goldenen Bulle
genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86 (1969), 75;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als
Appellationsgericht, ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den
Appellationsbestimmungen der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973;
Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Die
kaiserlichen privilegia de non appellando, hg. v. Eisenhardt, U., 1980;
Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Becker,
H., Die Appellation vom Papst an ein allgemeines Konzil, 1988; Kern, B., Die
Appellation in Kurpfälzer und verwandten Rechtsquellen des 15. Jahrhunderts,
ZRG GA 106 (1989), 115; Seeger, T., Die Extrajudizialappellation, 1993;
Morhard, A., Die gerichtliche Berufung, 1995; Diestelkamp, B., Die Durchsetzung
des Rechtsmittels der Appellation, 1998; Szidzek, C., Das frühneuzeitliche
Verbot der Appellation in Strafsachen, 2002; Strauch, D./Arntz,
J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Kannowski, B., Zwischen
Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann von Buch, ZRG
123 (2006), 110; Hugo,.L., Vom Missbrauch der Appellation, hg. v. Oestmann, P.,
2012; Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der frühen
Neuzeit, hg. v. Auer, L. u. a., 2013; Ranieri, F., Gemeines und partikulares
Recht in der Rechtsprechung des Reichskammergerichts, ZRG GA 131 (2014), 89
Appellationsgericht (N.) Berufungsgericht (z. B. Österreich 1782
Erhebung der von den Gubernien getrennten Justizsenaten zu Appellationsgerichten
durch Joseph II., 1852 Oberlandesgerichte)
Appellationsprivileg ist das Privileg des deutschen
Königs an Landesherren, das eine →Appellation aus dem jeweiligen Gebiet
an den König ausschließt (Nichtappellationsprivileg). Es betrifft anfangs wohl
nur den Rechtszug nach einer Urteilsschelte und erst in der zweiten Hälfte des
15. Jh.s die eigentliche Appellation. 1356 verleiht die →Goldene Bulle
den Kurfürsten ein unbeschränktes A., dessen Bedeutung deswegen umstritten
ist, weil die Appellation 1356 noch nicht allgemein aufgenommen worden war (z.
B. in Sachsen erst seit dem 16. Jh.).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Bross, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen der
Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1972; Eisenhardt, U., Die kaierlichen
privilegia de non appellando, 1980
Appenzell erscheint 1071 erstmals als Abbacella.
Das zunächst unter der Herrschaft der Abtei Sankt Gallen stehende Gebiet gewinnt
zwischen 1377 und 1429 Selbständigkeit. Seit 1411 ist A. zugewandter Ort der
Eidgenossenschaft der →Schweiz, seit 17. 12. 1513 dreizehntes Mitglied.
A. besteht aus einem evangelischen Halbkanton (Außerrhoden) und einem
katholischen Halbkanton (Innerrhoden).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Benz, R., Die
rechtlichen Zustände im Lande Appenzell, Appenzellische Jahrbücher 46 (1918),
1; Wirz, H., Die Grundlagen der Appenzeller Freiheit, Appenzellische Jahrbücher
56 (1929); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Land-
und Alpwirtschaft in Außerrhoden, 1974; Blickle, P., Verfassung und Religion –
Voraussetzungen und Folgen der Landteilung des Appenzell 1597, ZRG GA 115
(1998), 339; Die Appenzellerkriege, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006
Approbation (F.) Billigung, Bestätigung (z. B. einer
klösterlichen Genossenschaft, einer Verehrung oder einer Königswahl)
Lit.: Deußen, W., Die Approbation der deutschen Königswahl, 1879;
Unverhau, D., Approbatio - Reprobatio, 1973 Aprilverfassung ist
die am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. erteilte, vom Innenminister Franz
Xaver von →Pillersdorf (Pillersdorff) geformte, nach dem 15. 5. 1848
zurückgezogene, erste formelle Verfassung Österreichs mit Gewaltenteilung,
Reichstag und Grundrechten, aber ohne praktische Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeAprilverfassung1848.doc
apud iudicem (lat.) vor dem Richter,
→Prozess, Verfahren
Apulien im Süden Italiens gerät seit dem 9.
Jh. v. Chr. unter den Einfluss der Griechen, wird 317 v. Chr. von Rom erobert
und gehört nach dem Untergang Westroms über die Herrschaft von Ostgoten und
Oströmern im Norden seit 570 zum Herzogtum Benevent der Langobarden. In der
Mitte des 11. Jh.s fällt es an die Normannen (1130 Sizilien), 1282 an das
Königreich Neapel.
Lit.: Palumbo, P., Medio evo méridionale, 1978
aquae ductus (lat. [M.]) Wasserleitung(srecht),
→Dienstbarkeit
aquae haustus (lat. [M.]) Wasserschöpfung(srecht)recht,→Dienstbarkeit
Aquileia nahe der Adria wird 181 v. Chr. als
römische Kolonie (lat. [F.] colonia) gegründet. Der seit spätestens 314
nachweisbare Bischof beansprucht seit 558/568 den Titel eines Patriarchen.
1077 wird der Patriarch Reichsfürst. Seit 1418 gelangt A. an Venedig, im 16.
Jh. an Österreich und mit Venetien (1866) an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gamber, K., Das
Patriarchat Aquileja, 1987; Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters S.
Maria zu Aquileja (1036-1250), 2005
Aquilius →lex Aquilia
Aquitanien ist das Gebiet nördlich der
Pyrenäen. Es wird seit 71 v. Chr. römisch, 418 westgotisch und 507 fränkisch.
Im 7. Jh. entsteht ein fast selbständiges Herzogtum (bis 768), das im 9. Jh.
erneuert wird. Durch Heirat der Erbtochter mit Heinrich II. →Plantagenet
(1152) gelangt A. beim Thronantritt Heinrichs II. in England in eine
Personalunion mit →England. Am Ende des hundertjährigen Krieges (1453/75)
fällt A. von England an →Frankreich.
Lit.: Histoire de l’Aquitaine, hg. v. Higounet, C.,
1971; Trabut-Cussac, J., L’administration anglaise en Gascogne, 1972; Bouet,
A., Aquitanien in römischer >Zeit, 2015 (Bildband)
Äquivalenzprinzip ist der im 20. Jh. ausgebildete
Grundsatz, dass zwischen dem Wert einer einzelnen Leistung der Verwaltung und
der für diese geforderten Gebühr ein ausgewogenes Verhältnis bestehen muss.
Araber ist der Angehörige des in den
mittelalterlichen lateinischen Quellen meist als (lat. [M.Pl.]) Saraceni
bezeichneten semitischen Volkes, das zunächst auf der arabischen Halbinsel
siedelt (853 v. Chr. in mesopotamischen Keilschriften erstmals erwähnt). Die
A. erobern nach der Bekehrung zum →Islam im frühen Kalifat (632-692)
Ägypten, (638 Jerusalem,) Syrien, Irak und Persien. 711 wird Gibraltar
erreicht, 716/717 Konstantinopel belagert und 732 ein Spanien einnehmender
Vorstoß erst bei Tours und Poitiers von den Franken unter Karl Martell
zurückgeschlagen. Im 9. Jh., in dem griechische und indische Schriften in die
arabische Sprache übertragen werden, setzt der Zerfall des bald auf Bagdad
(762, um 1000 Kalifenbibliotheken mit vielleicht 100000 Bänden, seit dem 12.
Jh. Übersetzungen aus dem Arabischen und Griechischen in die lateinische
Sprache) ausgerichteten Reiches in mehrere Einzelherrschaften ein. 1260 können
die Mongolen abgewehrt werden. Das im 15. Jh. unter muslimisch gewordenen
Osmanen gebildete osmanische Reich fasst die A. nochmals zusammen, doch geht
1492 mit Granada die letzte Herrschaft in Spanien verloren und werden im 19.
Jh. die arabischen Länder mit dem Zerfall des osmanischen Reiches Gegenstand
der Kolonialpolitik europäischer Staaten. Ein unmittelbarer Einfluss der A.
auf das Recht Europas ist nicht nachweisbar, doch finden sich ausgehend von den
wichtigsten Berührungsorten gewisse, Handel und Verwaltung betreffende
mittelbare Auswirkungen (Kaufhöfe in Venedig, Seezoll in Pisa, Gesundheitsrecht
in Sizilien, lat. contractus [M.] mohatrae). Im Übrigen geben die A. allgemein
auch antikes Gedankengut und eigene Gelehrsamkeit fruchtbringend an das
europäische Mittelalter weiter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Amari, M., Storia dei
Musulmani di Sicilia, Bd. 1ff. 1854ff.; Geschichte der arabischen Welt, hg. v.
Haarmann, U./Halm, H., 4. A. 2001; Crespi, G., Die Araber in Europa, 1992; Halm, H., Die Araber, 2004; Walther,
W., Kleine Geschichte der arabischen Literatur, 2004; Steinberg, G.,
Saudi-Arabien, 2004; Katzer, A., Araber in deutschen Augen, 2008; Schlicht, A.,
Die Araber und Europa, 2008; Ambrosetti, N., L’eredità arabo-islamica nelle
scienze e nelle arti del calcolo dell’Europa medievale, 2008Burnett, C., Arabic
into Latin in the Middle Ages, 2009; Thorau, P., Lawrence von Arabien, 2010;
Schlicht, A., Geschichte der arabischen Welt, 2013; Steinbach, U., Die
arabische Welt im 20. Jahrhundert, 2. A. 2017
Aragonien (Aragón) im Nordosten Spaniens
gelangt am Ende des 3. Jh.s v. Chr. von den Puniern an die Römer, im 5. Jh. n.
Chr. an die Westgoten und 713 an die Araber. Kurz nach 800 wird es eine
Grafschaft der Franken, die eine eigene (lat. [F.]) convenientia (958) hat und
sich im Zuge der Rückeroberung der von den Arabern beherrschten Gebiete 1035
und 1134 zum Königreich entwickelt, in dem der →Fuero von →Jaca
(1064) besondere Bedeutung hat. Dieses A. wird 1137 mit Katalonien und 1238 mit
Valencia verbunden. Seit dem 13. Jh. dringt römisches Recht ein. 1247 werden
die in 8, später in 12 Bücher gegliederten, vielleicht auf Vidal de Cañellas
zurückgehenden, ausschließliche Geltung beanspruchenden Fueros de Aragón
(Fori Aragonum) in Huesca verkündet. Unter die Herrschaft Aragoniens gelangen
auch Sizilien (1282), Sardinien (1323) und Neapel (1442). Seit 1469 tritt A.
hinter →Kastilien (1474 Personalunion) zurück und verliert die 1707
zunächst noch gewahrten Sonderrechte. Der Verlust der selbständigen Verwaltung
(1833) wird erst 1982 wieder aufgehoben. Das überlieferte besondere Privatrecht
gilt seit 1889 im Rahmen des Código Civil Español fort.
Lit.: Fori Aragonum 1476/1477, Neudruck 1979; Schwarz,
K., Aragonische Hofordnungen, 1914; Klüpfel, L., Verwaltungsgeschichte des
Königreichs Aragon, 1915; Vidal mayor, hg. v. Tilander, G., 1956; Lalinde
Abadía, J., Virreyes y lugartenientes, Cuadernos de historia de España 1960,
98; Lalinde Abadía, J., La gobernación general en la corona de Aragón, 1963;
Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964; Lalinde Abadia, J./Fairen Guillen, V., Die
aragonesischen Verfassungsprozesse, ZRG GA 91 (1974), 116; Los Fueros de
Aragón, 1976; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,258; Neumann,
C., Venedig und Aragon im Spätmittelalter (1280-1410) 2017
Arba ‘at ha-Turim →Jakob Ben Ascher
Arbeit (Wort bereits germanisch) ist die auf Schaffung von Werten
gerichtete körperliche oder geistige Tätigkeit des Menschen. Steht ursprünglich
die damit verbundene Mühe im Mittelpunkt, so verlagert sich der Bedeutungskern
besonders seit dem 19. Jh. auf die Unselbständigkeit und Fremdbestimmtheit
der Tätigkeit. Hinsichtlich der A. treten deshalb, obwohl bereits im
Mittelalter das dauernde Vorkommen vertraglich vereinbarter
Arbeitsverhältnisse in Stadt und Land und die beständige Sorge der Obrigkeit
für Reglementierung der Entlohnung bezeugt sind, erst seit etwa 1840
Arbeitgeber und Arbeitnehmer einander gegenüber. Bezüglich der A. schließen sie
den →Arbeitsvertrag, dessen Gestaltung Teil des →Arbeitsrechts ist,
für das sich das besondere →Arbeitsgericht ausbildet. Bereits im 19. Jh.
wird auch die Sicherung eines Rechtes des Einzelnen auf A. verlangt.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Arbeit und Rhythmus im
Rechtsleben, ZRG GA 41 (1920), 370; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972,
154; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Le travail
au Moyen Age, hg. v. Hamesse, J. u. a., 1990; Jansen, R., Die
Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen, 1990; Benöhr, H.,
Das Recht auf Arbeit in Frankreich 1848, ZRG GA 109 (1992), 179; Ritter, G.,
Arbeiter, Arbeiterbewegung und soziale Idee in Deutschland, 1996; Sellier, U.,
Die Arbeiterschaftgesetzgebung, 1998; Brückner, W., Arbeit macht frei, 1998;
Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung und heutige Bedeutung des Begriffs der
gefahrgeneigten Arbeit, 1998; Geschichte und Zukunft der Arbeit, hg. v. Kocka,
J. u. a., 2000; Fossier, R., Le travail au moyen âge, 2000; Schaller, K.,
Einmal kommt die Zeit, 2001; Guinand, C., Die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO), 2003; Postel, V., Arbeit im Mittelalter, 2006;
Steinfeld, R., Free Wage Labor and the Suffrage in Nineteenth Century England,
ZRG GA 123 (2006), 267; Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter,
2009; Rijkers, F., Arbeit - ein Weg zum Heil, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Meskill, D.,
Optimizing the German Workforce, 2010; Humann, D., „Arbeitsschlacht“
Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933-1939, 2011; Keiser, T.,
Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit
bis in die Moderne, 2013; Viehweger, L., Die Internationale Arbeitsorganisation
und Deutschland 1919-1933, Diss. phil. Düsseldorf 2013. Online-Ress.; Arbeit im
Nationalsozialismus, hg. v. Buggeln, M. u. a., 2014; Arbeit und Recht
Arbeiter (Wort 1233-1267) ist der körperliche Arbeit
verrichtende Arbeitnehmer. Eine eigene Arbeiterbewegung entsteht in dem
deutschen Sprachraum in dem zweiten Drittel und dem dritten Viertel des 19.
Jh.s..
Lit.: Kulemann, W., Der Arbeiterschutz, 1893, Neudruck 2013;
Bödiker, T., Die Arbeiterversicherung, 1895, Neudruck 2013; Lorenz, A., Kleine Geschichte der Arbeiterbewegung
in Deutschland von 1848 bis heute, 2009; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schneider, M.,
In der Kriegsgesellschaft – Arbeiter und Arbeiterbewegung 1939 bis 1945, 2014;
Kocka, J. u. a., Arebiterleben und Arbeiterkultur, 2015
Arbeiterkammer ist die in Österreich ab 1872 geplante, mit
Gesetz vom 26. 2. 1920 eingerichtete, 1938 aufgelöste, durch Gesetz vom 20. 7.
1945 wiedererrichtete Vertretung der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellten),
die maßgeblich bei der Entwicklung des kollektiven Arbeitsrechts mitgewirkt
hat.
Arbeitnehmer (Wort 1848) ist der im Arbeitsverhältnis die
Arbeit ausführende Beteiligte im Gegensatz zum Arbeitgeber (Wort 1847).
Lit.: Pflaume, H., Organisation und Vertretung der Arbeitnehmer in der
Bewegung von 1848/1849, 1934; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Arbeitsgericht ist das im Deutschen Reich 1926 für
die erste Instanz (RGBl. 1926, 507, Inkrafttreten am 23. 12. 1926 bzw. 1. 7.
1927) geschaffene Eingangsgericht der vor allem auf Wunsch der Arbeitnehmerseite
für Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen zuständigen, 1946/1953 gänzlich von
der ordentlichen Gerichtsbarkeit verselbständigten Arbeitsgerichtsbarkeit
(1927 Reichsarbeitsgericht). Vorläufer des Arbeitsgerichts ist ein
besonderes, mit Arbeitgeberbeisitzern und Arbeitnehmerbeisitzern besetztes
Gewerbegericht (1890, Österreich 1898). Es geht seinerseits auf den in
Frankreich (Lyon 1806) von Napoleon auf Wunsch der Arbeitnehmer errichteten
Conseil de prud’hommes zurück, der linksrheinisch nachgebildet (1808 Aachen-Burtscheid)
und später in Preußen (1845) und im Norddeutschen Bund (1869) beibehalten wird.
Noch früher gibt es in Preußen im 18. Jh. Fabrikdeputationen und im
Mittelalter allgemein auch Entscheidungen innerhalb der Zünfte.
Lit.: Köbler, DRG 234, 261; Kaskel, W., Die
Arbeitsgerichtsbarkeit 1929; Globig, K., Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer
Befriedung, 1985; Linder, M., The Supreme Labor Court, 1987; Brand, J.,
Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit, Bd. 1 1990;
Schöttler, P., Zur Mikrogeschichte der Arbeitsgerichtsbarkeit,
Rechtshistorisches Journal 9 (1990), 127; Weiß, J., Arbeitsgerichtsbarkeit,
1994; 50 Jahre saarländische Arbeitsgerichtsbarkeit, hg. v. Präsidenten des
Landesarbeitsgerichts, 1997; 50 Jahre Arbeitsgerichtsbarkeit des Landes
Schleswig-Holstein, 1997; Brand, J., Untersuchungen zur Entstehung der Arbeitsgerichtsbarkeit
in Deutschland, Bd. 2 2002, Bd. 3 2008; Bachem-Rehm, M., Die katholischen
Arbeitervereine im Ruhrgebiet 1870-1914, 2004; Zimmermann, U., Die Entwicklung
der Gewerbegerichtsbarkeit in Deutschland, 2005
Arbeitsgesetzbuch ist das für das →Arbeitsrecht
geschaffene Gesetzbuch (z. B. Deutsche Demokratische Republik 12. 4. 1961, 23.
11. 1966, 1977).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Arbeitskampf (nach Kittner erster bekannter Arbeitskampf
auf deutschem Boden Breslau 1329) →Aussperrung,
Streik
Lit.: Die Entwicklung des Arbeitskampfrechts, hg. v.
Pohl, H., 1980; Sieg’l, C., Arbeitskämpfe seit dem Spätmittelalter, 1993;
Schröder, R., Der gewerbliche Kampf, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 533; Dallmann, C., Die Anfänge des französischen
Arbeitskampfrechts, Diss. jur. Würzburg 2002; Kittner, M., Arbeitskampf, 2005
(61 Fallschilderungen zwischen 1155 v. Chr. und 2003 n. Chr.); Weber, P.,
Gescheiterte Sozialpartnerschaft - Gefährdete Republik, 2010; Arbeitskämpfe im
Zeichen der Selbstermächtigung, hg. v. Leder, A., 2012
Arbeitslosenversicherung ist die bescheidenen gemeindlichen
Anfängen (1913 in 13 deutschen Gemeinden eine Arbeitslosenunterstützung
vorhanden) folgend von 1918 an geschaffene, 1927 einer Körperschaft des
öffentlichen Rechtes zur Selbstverwaltung übertragene, 1969 aufgabenerweiternd
im Arbeitsförderungsgesetz geregelte und zum 1. 1. 1998 in das
Sozialgesetzbuch (III) überführte →Sozialversicherung gegen die
wirtschaftlichen Folgen des Mangels einer Erwerbstätigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 233, 241;
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, hg. v. Benöhr, H., 1991;
Führer, K., Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung,
1990; Lewek, P., Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, 1992; Dorn,
U., Arbeitslosigkeit, ZNR 1993, 12; Fukuzawa, N., Staatliche Arbeitslosenunterstützung
in der Weimarer Republik, 1995; Raithel, T. u. a., Die Rückkehr der
Arbeitslosigkeit, 2009
Arbeitslosigkeit →Arbeitslosenversicherung
Arbeitsmündigkeit →Mündigkeit
Lit.: Gefaeller, W., Entstehung und Bedeutung der
Arbeitsmündigkeit, 1968
Arbeitsrecht ist das die →Arbeit betreffende
Recht. Es wird trotz der bereits im Hochmittelalter vorhandenen und seit dem
16. Jh. auch von den Landesherren geordneten Tätigkeiten als Gesinde, Seemann,
Bergmann, Kaufmannsdiener oder Handwerksgeselle als Rechtsgebiet erst am Beginn
des 20. Jh.s verselbständigt (Stadthagen 1895 Arbeiterrecht, Sinzheimer
1907f./1914, Potthoff 1925), nachdem sich im 19. Jh. die obrigkeitlichen und
genossenschaftlichen Bindungen infolge des Liberalismus lösen (z. B. Bauernbefreiung)
und →Arbeit zum Gegenstand freier vertraglicher Vereinbarung wird. Als
erste gesetzliche Regelungen erscheinen Arbeitsschutzbestimmungen (England
1802, Preußen Regulativ über die Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in
Fabriken vom 9. 3. 1839, Truckverbot 1849/1869, Frauenschutz 1878, Gewerbeaufsicht
1878), die das deutsche Arbeiterschutzgesetz von 1891 verallgemeinert.
Flankierend wirkt die →Sozialversicherung. Die seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s allmählich entwickelte Kollektivierung des Arbeitsrechts (1891
Arbeiterausschüsse, 1916 Hilfsdienstgesetz) findet einen ersten Abschluss in
der →Tarifvertragsverordnung (1918) und der zugehörigen Schlichtungsverordnung
(1923). Durch die nationalsozialistische Regierung wird dann das kollektive
A. durch eine autoritäre Arbeitsverfassung (1934 Gesetz zur Ordnung der
nationalen Arbeit) ersetzt, die nach 1945 wieder beseitigt wird. 1949 wird das
Tarifvertragsrecht neu gestaltet, 1951 die Mitbestimmung in der Montanindustrie
ausgedehnt, in den Folgejahren eine Reihe weiterer Gesetze erlassen bzw. neu
gefasst. Wo der Gesetzgeber nicht tätig zu werden vermag, tritt ersatzweise die
Arbeitsgerichtsbarkeit mit Richterrecht ein. In der Deutschen Demokratischen
Republik wird 1961 ein Gesetzbuch der Arbeit erlassen, 1978 ein
Arbeitsgesetzbuch. In der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Europäischen
Gemeinschaft bzw. Europäischen Union gewinnt das europäische Recht an
Bedeutung (z. B. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, Europäische
Sozialcharta 1961). Erste Darstellungen des Arbeitsrechts stammen von P.
Lotmar (1902/1908) und H. Sinzheimer (1907f./1914). Als Besonderheit des
Arbeitsrechts wird lange Zeit die Haftungseinschränkung bei →gefahrgeneigter
Tätigkeit angesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 227, 241;
Sinzheimer, H., Über den Grundgedanken und die Möglichkeit eines einheitlichen
Arbeitsrechts in Deutschland, 1914; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht
im Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte des Arbeitsrechts im deutschen
Mittelalter, 1939; Siebert, W., Die Entwicklung der staatlichen
Arbeitsverwaltung, 1943; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1953; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955;
Teuteberg, H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Ebel, W.,
Quellen zur Geschichte des deutschen Arbeitsrechts bis 1849, 1964; Mampel, S.,
Arbeitsverfassung und Arbeitsrecht in Mitteldeutschland, 1966; Wedderburn, K.,
Cases and materials on labour law, 1967; Weidmann, P., Die soziale Entwicklung
des zürcherischen Arbeitsrechts von 1815-1870, Diss. jur. Zürich 1971; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3635; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung des
Kaiserreichs, FS W. Mallmann, 1978; Ramm, T., Die Arbeitsverfassung der
Weimarer Republik, (in) In memoriam Sir Kahn-Freund, 1980; Umlauf, J., Die
deutsche Arbeiterschutzgesetzgebung 1880-1980, 1980; Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte,
hg. v. Steindl, H., 1984; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des
Spätmittelalters, 1984; Tschudi, H., Geschichte des schweizerischen
Arbeitsrechts, 1987; Lewisch, P., Der Wandel von Arbeitsethos und Arbeitsrecht
in Österreich in der Zeit von Maria Theresia bis zum ABGB, 1988; Bohle, T.,
Einheitliches Arbeitsrecht in der Weimarer Republik, 1990; Wahsner, R.,
Arbeitsrecht unter’m Hakenkreuz, 1994; Rückert, J., Beschreibende Bibliographie
zur Geschichte des Arbeitsrechts, 1996; Kim, Y., Die Entwicklung des Rechts der
Arbeitnehmerhaftung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Benöhr, H., Fast
vier Tropfen sozialen Öls, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Sellier, U., Die Arbeiterschutzgesetzgebung im 19. Jahrhundert, 1998; Die
Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland, hg. v. Nutzinger, H., 1998;
Rudischhauser, S., Vertrag, Tarif, Gesetz. Der politische Liberalismus und die
Anfänge des Arbeitsrechts in Frankreich 1890-1902, 1999; Thiele, M., Die
Auflösung von Arbeitsverhältnissen, 1999; Steinmetz, W., Begegnungen vor
Gericht, 2001; Bornheim, S., Die arbeitsrechtliche Normsetzung des
Reichskommissariats in den Niederlanden, 2002; Böhm, A., Arthur Philipp
Nikisch, 2003; Hermel, M., Karl Flesch, 2004; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte
der Wirtschaft, 2008; Däumichen, N., Erich Molitor - Mitbegründer der neueren
Arbeitsrechtswissenschaft, 2012; Pierson, T.,
Die juristische Implementation und (De-)Regulierung des sogenannten
Normalarbeitsverhältnisses nach 1949, ZRG GA 129 (2013), 305; Hoefling, S., Com
Tropfen sozialen Öls zum Hebel des Fortschritts, 2016; Ludyga, H., Otto
Kahn-Freund, 2016Arbeitsverfassung →Arbeitsrecht
Arbeitsvertrag (Wort) 1793) ist
der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die entgeltliche Leistung von
→Arbeit geschlossene →Vertrag. Anfangs individuell ausgehandelt
wird sein Inhalt unter Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit
zunehmend kollektiv gestaltet (Tarifvertrag). Seit 1995 wird grundsätzlich die
Schriftform angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Lotmar, P., Der
Arbeitsvertrag, 2. A. hg. v. Rehbinder, M., 2001; Europäisches
Arbeitsvertragsrecht, hg. v. Molitor, E. u. a., 1928ff.; Ebel, W., Gewerbliches
Arbeitsvertragsrecht im deutschen Mittelalter, 1934; Schmieder, E., Geschichte
des Arbeitsrechts im deutschen Mittelalter, 1939; Gellbach, H.,
Arbeitsvertragsrecht der Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Kaiser, A.,
Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung während des 19.
Jahrhunderts, insbesondere in den Auseinandersetzungen über den
Arbeitsvertrag, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag in der
deutschen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, (in) Studien zur
europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288; Vietinghoff-Scheel, E. v.,
Gewerbliche Arbeitsverhältnisse in Preußen, Diss. jur. Göttingen 1972; Ebert,
K., Der industrielle Arbeitsvertrag in der österreichischen Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 92 (1975), 143; Söllner, A.,
Entwicklungslinien im Recht des Arbeitsverhältnisses, (in) NS-Recht in
historischer Perspektive, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, 1981, 135; Alonso
Olea, M., Von der Hörigkeit zum Arbeitsvertrag, 1981; Wild, T., Die Entwicklung
des Gesamtarbeitsvertragsrechts, 1984; Klippel, D., Der Lohnarbeitsvertrag in
Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg.
v. Köbler, G., 1990; Entwürfe zu einem deutschen Arbeitsvertragsgesetz mit
dem Arbeitsgesetzbuch der DDR von 1990 und dem österreichischen Entwurf einer
Teilkodifikation des Arbeitsrechts von 1960, hg. v. Ramm, T, 1992; Becker, M.,
Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis, 1995; Thiele, A., Die Auflösung von
Arbeitsverhältnissen, 2000; Becker, M., Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis
während der Weimarer Republik und in der Zeit des Nationalsozialismus, 2005;
Bausback, M., Der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses, 2007; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Totseva, M., Grundlagen der Arbeitsvertragstheorie im 19. Jahrhundert in
Deutschland und England, 2013
Arbeitszeit ist die für →Arbeit aufzuwendende
Zeit des Arbeitnehmers. Ihre Bestimmung ist Ausfluss der Verrechtlichung des
Arbeitsverhältnisses. Im Zug der Industrialisierung verlängert sich die A.
durch Wegfall von Feiertagen erkennbar (um 20 Prozent?). Am 23. 11. 1918 wird
im →Deutschen Reich der Achtstundentag angeordnet und am 21. 12. 1923
die A. durch die Arbeitszeitordnung sowie 1994 durch das Arbeitszeitrechtsgesetz
allgemein geregelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bischoff, S.,
Arbeitszeitrecht in der Weimarer Republik, 1987; Grabherr, S., Das Washingtoner
Arbeitszeitübereinkommen von 1919, 1992; Voth, H., Time and Work in England
1750-1830, 2000
arbiter (lat. [M.]) Schiedsrichter,
→Schiedsgericht
Lit.: Kampmann, C., Arbiter und Friedensstiftung, 2001
arbiträr
(Adj.)
willkürlich, nach Ermessen (z. B. Strafe [lat. poena arbitraria], möglich nach
der Constitutio Criminalis Carolina 1532, ausgedehnt durch Benedikt Carpzov
1595-1666, eingeschränkt durch das Strafgesetzbuch Josephs II. von 1787 bzw.
das Strafgesetzbuch Bayerns von 1813).
Arbitrium (lat. [N.]) Ermessen, Gutachten,
Entscheid, Schiedsspruch
Lit.: Meccarelli, M., Arbitrium iudicis und officialis
im ius commune, ZRG GA 115 (1998), 552
archaisch (Adj.) altertümlich (anschaulich, einfach,
mündlich)
Archäologie (Altertumskunde) ist die
Wissenschaft von den gegenständlichen Hinterlassenschaften (z. B. Bauwerke,
Geräte, Münzen, Knochen) von Menschen, die bei günstigen Voraussetzungen auch
ethnische Unterschiede (z. B. im Frühmittelalter) wahrscheinlich machen kann.
Im Gegensatz zur allgemeinen Geschichtswissenschaft erbringt sie durch
Ausgrabung immer noch eine ständig wachsende Befundmenge.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Niemeyer, H., Einführung in die Archäologie, 3. A.
1983; Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Daniel, G., 1996; Fehring, G., Die
Archäologie des Mittelalters, 3. A. 2000; Sinn, U., Einführung in die klassische
Archäologie, 2000; Halle, U., Die Externsteine sind bis auf weiteres
germanisch!, 2002; Hölscher, T., Klassische Archäologie – Grundwissen, 2002, 2.
A. 2006, 3. A. 2008, 4. A. 2015; Martini, W., Sachwörterbuch der klassischen
Archäologie, 2003; Bäbler, B., Archäologie und Chronologie, 2004; Die
Aktualität des Archäologischen, hg. v. Ebeling, K. u. a., 2004; Frommer, S.,
Historische Archäologie, 2007; Eberhardt, G., Spurensuche in der
Vergangenheit, 2010; Ickerodt, U., Einführung in das Grundproblem des
archäologisch-kulturhistorischen Vergleichens und Deutens, 2010; Große
Enzyklopädie der Archäologie, hg. v. Aedeen, C., 2013; Graben für Germanien,
hg. v. Gocke-Mueseum u. a., 2013; Militärische Schichten der Kulturlandschaft,
hg. v. Konold, W. u. a., 2014; Theune, C., Archäologie an Tatorten des 20.
Jahrhunderts, 2014; Solnhofen – Ein Fenster in die Jurazeit, hg. v. Arratia, G.
u. a., 2015; Cline, E., Biblische Archäologie, 2016; Parzinger, H., Abenteuer
Archäologie, 2016; Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, hg. v.
Scholkmann, B. u. a., 2016
Archidiakon ist seit etwa 365 der Leiter der
→Diakone einer Bischofskirche, der sich zum Stellvertreter des
→Bischofs entwickelt, ehe er bis zum 19. Jh. weitgehend verschwindet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Reinhardt, R., Das
Archidiakonat auf dem Konzil von Trient, ZRG KA 61 (1975), 84
Archipresbyter ist der seit Anfang des 5. Jh.s
nachweisbare Stellvertreter des →Bischofs bei Messfeier und Spendung der
Sakramente, im frühen Mittelalter der Leiter der Priester einer Taufkirche.
Lit.: Faure, J., L’archiprêtre, 1911
Archiv ist die Einrichtung zur
(geordneten) Sammlung und Aufbewahrung sowie Verwertung von Schriftgut (z. B.
Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, Dateien, Programme). Archive sind
bereits in der Antike dort vorhanden, wo (umfangreiches) Schriftgut anfällt.
Hieran schließt sich seit dem 3. Jh. die christliche Kirche an, deren
frühmittelalterliches Schriftgut gleichwohl zu großen Teilen verloren ist. Im
weltlichen Bereich werden Archive mit dem 12. Jh. sichtbar. Für das Heilige
römische Reich setzt eine dauerhafte zentrale Archivierung erst mit König bzw.
Kaiser Maximilian am Übergang zur Neuzeit ein. Allgemeiner für die Forschung
geöffnet wird das A. in der Mitte des 19. Jh.s. Das Hauptproblem der Gegenwart
ist die große Menge des Schriftguts, das nach dem Grundsatz der
Archivwürdigkeit von wissenschaftlich ausgebildeten Archivaren (München 1821,
Marburg 1894) gesichtet werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 105, 145; Goldinger, W., Geschichte
des österreichischen Archivwesens, 1957; Schellenberg, T., Akten- und
Archivwesen, 1961; Kleinau, H., Übersicht über die Bestände des
niedersächsischen Staatsarchivs in Wolfenbüttel, 1963; Meisner, H.,
Archivalienkunde, 1969; Papritz, J., Archivwissenschaft, 1976; Gesamtarchiv
Schenk von Stauffenberg, Herrschaft Wilflingen, hg. v. Becker, O., 1981; Archiv
der Freiherren von Woellwarth. Urkundenregesten 1359-1840, bearb. v. Hofmann,
N., 1991; Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe, Teil 7 Spezialakten
der badischen Ortschaften (229), bearb. v. Rupp, R., 1992; Franz, E.,
Einführung in die Archivkunde, 4. A. 1993, 5. A. 1999, 8. unv. A. 2010;
Gaisberg-Schöckingensches Archiv, bearb. v. Müller, P., 1993; Füchtner, J.,
Quellen rheinischer Archive zur neuzeitlichen Personen- und
Familiengeschichte, 1995; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, red. Liess, A., 1996;
Musial, T., Staatsarchive im Dritten Reich, 1996; Strauch, D., Das
Archivalieneigentum, 1998, 2. A. 2014; Weiser, J., Geschichte der preußischen
Archivverwaltung, 2000; Handbuch der bayerischen Archive, hg. v. bayerischen
Archivtag, 2001; Die archivalischen Quellen, hg. v. Beck, F. u. a., 2002, 4. A.
2004, 5. A. 2012; Brenner-Wilczek, S. u. a., Einführung in die moderne
Archivarbeit, 2006; Schoch, F. u. a., Archivgesetz, 2007; Schenk, D., Kleine
Theorie des Archivs, 2008, 2. A. 2014; Schreyer, H., Das staatliche Archivwesen
der DDR, 2008; Les archives dans l’université, hg. v. Robert, O., 2009;
Staatliche Archive als landeskundliche Kompetenzzentren, hg. v. Kretzschmar,
R., 2010; Archivische Informationssysteme, hg. v. Maier, G. u. a., 2010;
Rechtsfragen der Nutzung von Archivgut, hg. v. Rehm, C. u. a., 2010;
Archivpflege und Archivalienschutz. Das Beispiel der Familienarchive und
„Nachlässe“, hg. v. d. Generaldirektion, 2011; Gewalt der Archive, hg. v.
Weitin, T., 2012; Wimmer, M., Archivkörper, 2012; Vogt, A., Archivführer zur
Wissenschaftsgeschichte, 2013; Stadtgedächntis Stadtgewissen Stadtgeschichte,
2013; Friedrich, M., Die Geburt des Archivs, 2013; Hochedlinger, M.,
Österreichische Archivgeschichte, 2013; Henning, E., Archivalien und Archivare
Preußens, 2013; Adelsarchive in der historischen Forschung, hg. v. Franke, C.
2014; Müller, P., Die neue Geschichte aus dem alten Archiv, HZ 299 (2014), 36
Arco
Lit.: Waldstein-Wartenberg, B., Geschichte der Grafen von Arco, 1971
Arelat (N.) Gebiet bzw. Reich um Arles in Burgund im
Mittelalter
Arenga ist die der spätrömischen Rhetorik
entstammende Einleitungsformel mittelalterlicher Urkunden, die mit meist sehr
allgemeinem Inhalt vom Protokoll (Urheber, Empfänger u. s. w.) zum Text (Inhalt) überleitet.
Lit.: Fichtenau, H., Arenga, 1957
argentarius (lat. [M.]) Bankier,
→receptum (argentarii)
Ärgere Hand (lat. conditio [F.] vilior) ist
die Kurzfassung des aus dem Grundsatz der Ebenburt (→Ebenbürtigkeit) an
manchen Stellen folgenden mittelalterlichen Rechtssatzes, dass Kinder aus Ehen
von Angehörigen unterschiedlicher Stände dem Stand des schlechter geborenen
Elternteils angehören. Dieser Grundsatz nimmt vielleicht seinen Ausgang bei
Ehen zwischen Unfreien und Freien. Mit der Durchsetzung der Gleichheitsidee
(1789) verliert er seine Bedeutung.
Lit.: Hübner 104; Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau und der Kinder, 1912; Binder-Krieglstein, R.,
Österreichisches Adelsrecht, 2000
Arglist (Wort um 1000, arglistig um 1300) ist die hinterhältige Gesinnung. Im
klassischen römischen Schuldrecht verletzt jedes auf A. (lat. dolus [M.] malus)
beruhende Verhalten ohne weiteres die Vertragstreue, so dass die Einrede (lat.
[F.] exceptio) der A. auch ohne besondere Vereinbarung offensteht. In der
Neuzeit bewirkt A. bei Täuschung die Anfechtbarkeit der dadurch beeinflussten
Willenserklärung und kann arglistige Täuschung Strafbarkeit wegen Betrugs nach
sich ziehen.
Lit.: Kaser § 8 V; Köbler, DRG 42, 49; Braun, F., Ohne
Arglist, ZRG GA 54 (1934), 246; Raschke, M., Der Betrug im Zivilrecht, 1900;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Arianer ist der Angehörige der 325 auf dem
Konzil von Nizäa verworfenen Lehre des alexandrinischen Priesters Arius, nach
der Christus Gott nicht wesensgleich ist. Goten, Vandalen und Langobarden sind
bis ins 6. Jh. A., die Franken dagegen von Anfang an Athanasianer.
Lit.: Courtois, C., Les Vandales et L’Afrique, 1955;
Meslin, M., Les Ariens, 1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Arianism, hg. v. Berndt, G. u. a., 2014
Arier ist der Angehörige eines arisch
(indoiranisch) sprechenden, seit der Mitte des 2. Jt. v. Chr. geschichtlich
nachweisbaren, auf die →Indogermanen zurückführbaren Volkes. Seit dem
19. Jh. wird zunächst A. mit Indogermane gleichgesetzt und dann allmählich A.
als Angehöriger der nordischen →Rasse verstanden. Im Dritten Reich
bedeutet A. in antijüdischer Veränderung den Nichtjuden.
Lit.: Bajohr, F., „Arisierung“ in Hamburg, 1997
Arimanne (Heermann, lat. [M.] exercitalis)
ist bei den Langobarden im Frühmittelalter der vollfreie Krieger, insbesondere
möglicherweise der auf Königsland angesiedelte, dem König verpflichtete
Krieger. Unklar sind die Bezüge zu einer vom 10. bis zum 13. Jh. belegten
Abgabe arimannia.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Cavanna, A., Fara sala
arimannia, 1967; Jarnut, J., Beobachtungen zu den langobardischen arimanni und
exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1; Jarnut, J., Prosopographische und
sozialgeschichtliche Studien zum Langobardenreich in Italien, 1972; Strukturen
und Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg.
v. Dilcher, G. u. a., 2000
Arisierung ist im Dritten Reich (Adolf
→Hitlers) die überwiegend rechtswidrige Verdrängung der →Juden aus
dem Berufsleben und der Wirtschaftstätigkeit des Deutschen Reiches (u. a.
Verordnungen vom 26. 4. 1938, 25. 11. 1941), die nach 1945 nur teilweise
ausgeglichen wird.
Lit.: Elsner von der Malsburg, M., „Arisierung“ von
Privatbanken am Beispiel des Bankhauses E. J. Meyer in Berlin, 2015
Aristokratie (F.) Adelsherrschaft, Adel (im Gegensatz zu
Monarchie und Demokratie sowie auch zu Oligarchie)
Aristoteles (Stageira 384 v. Chr.-Chalkis/Euböa 322 v.
Chr.) Schüler Platos
Lit.: Jaeger, W., Aristoteles, 1923; Düring, I., Aristoteles, 1966;
Christian Readings of Aristitle, hg. v. Bianchi, L., 2011; Flashar, H.,
Aristoteles. Lehrer des Abendlandes 2013; The Cambridge Companion to
Aristotle’s Politics, 2013
Arktis
Lit.: Saxinger, G. u. a., Arktis und Subarktis. Vom Mittelalter bis ins
21. Jahrhundert. 2017.
Armenier ist der Angehörige des armenisch sprechenden,
indogermanischen Volkes (10,4 Millionen), das zu Beginn des 20. Jh.s von Türken
bekämpft wird.
Lit.: Der Genozid an den Armeniern, hg. v. Kieser, H. u. a., 2006;
Hosfeld, R., Tod in der Wüste, 2015
Armenrecht ist die einstweilige Befreiung
einer armen (unbemittelten) Partei von den Kosten eines Rechtsstreits. Sie ist
eine besondere Ausprägung der Bevorzugung wegen Armut, wie sie bereits von der
mittelalterlichen Kirche gefordert wird. Sie findet sich etwa in der Kammergerichtsordnung
bzw. Reichskammergerichtsordnungen von 1471 (§ 7), 1495 (§ 27), 1555 (1,
41) oder in der Constitutio Criminalis Carolina (Art. 47 CCC). In Deutschland
wird 1980 das A. durch die →Prozesskostenhilfe (1981 §§ 114ff. ZPO)
ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 155, 263; Schott, C., Armenfürsorge,
Bettelwesen und Vagantenbekämpfung in der Reichsabtei Salem, 1978; Mollat du
Jourdin, M., Die Armen im Mittelalter, 2. A. 1987; Scherner, K., Arme und
Bettler, ZNR 1988, 129; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991; Krauß,
M., Armenwesen und Gesundheitsfürsorge in Mannheim vor der Industrialisierung,
1993; Tierney, B., Medieval poor law, 1995; Hippel, W. v., Armut,
Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit, 1995, 2. A. 2013; Eser, S.,
Verwaltet und verwahrt, 1996; Hudemann-Simon, C., L’État et les pauvres, 1997;
Hartlief, E., Die Düsseldorfer Armenversorgungsanstalt, Diss. jur. Köln 1998;
Wohlrab, K., Armut und Staatszweck im deutschen Naturrecht, 1998; Sachße, C. u.
a., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, 2. A. 1998; Humborg, M., Das
Armenrecht, Diss. jur. Münster 1999; Rosenbaum, U., Liebestätigkeit und
Armenpflege in der Stadt Zwickau, 1999; Jütte, R., Arme, Bettler,
Beutelschneider, 2000; Gerhold, W., Armut und Armenfürsorge im
mittelalterlichen Island, 2002; Armut im Mittelalter, hg. v. Oexle, O., 2004;
Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur, hg. v. Helas, P. u.
a., 2006; Being poor in modern Europe, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2006; Norm
und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v.
Schmidt, S. u. a., 2006; Armenfürsorge und Wohltätigkeit - Ländliche Gesellschaften
in Europa 1850-1930, hg. v. Brandes, I. u. a., 2008; Ludyga, H., Obrigkeitliche
Armenfürsorge im deutschen Reich, 2010; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser,
2011; Formen der Armenfürsorge, hg. v. Clemens, L u. a., 2011; Multrus, D.,
Armuts- und Fremdheitsdarstellungen, 2011; Schallmann, J., Arme und Armut in
Göttingen 1860-1914, 2014; Schneider, B., Christliche Armenfürsorge, 2017
Armesünder ist ursprünglich der in der Kirche
bemitleidenswerte Sünder (lat. miser peccator), in der frühen Neuzeit der dem
peinlichen Gericht überantwortete Täter, insbesondere wenn er bereits (zum Tod)
verurteilt ist.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde,
1936; Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 2. A. 1950, 163
Armut ist das Fehlen durchschnittlicher
bzw. zureichender Mittel des Menschen (z. B. haben 2017 800 Millionen Menschen
keine genügende Ernährung, etwa 880 Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser,
etwa 920 Millionen Menschen keine ausreichende Unterkunft, etwa 2,5 Milliarden
Menschen keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen und etwa 775 Millionen
Menschen keine Lesefähigkeit).
Lit.: Gelobte Armut, hg. v. Heimann, H. u. a., 2012;
Gründler, J., Armut und Wahnsinn, 2013; Schallmann, J., Arme und Armut in
Göttingen 1860-1914, 2014; Wimmer, F., Die völkische Ordnung von Armut, 2014;
Althammer, B., Vagabunden, 2017; Bettler und Vaganten in der Neuzeit
(1500-1933), hg. v. Althammer, B. u. a., 2017 (257 Dokumente aus dem deutschen
Raum); Beck, V., Eine Theorie der globalen Verantwortung – Was wir Menshen in
extremer Armut schulden, 2016 (ohne überzeugenden Änderungsvorschlag)
Arnstein
Lit.: Heinrich, G., Die Grafen von Arnstein, 1961
Arnulfinger ist
der Angehörige der nach Bischof Arnulf von Metz benannten Familie der
Pippiniden oder späteren Karolinger. Von den Arnulfingern sind (ab etwa 650) 34
Urkunden und ein Brief überliefert (davon elf Fälschungen oder starke
Verfälschungen), zu denen 56 verlorene Urkunden hinzuzrechnen sind (90
Privaturkunden) (2011 23 echte Urkunden, ein Brief, 12 mittelalterliche
Fälschungen, [vier moderne Fälschungen,] 56 verlorene Urkunden?).
Lit.: Die Urkunden der Arnulfinger, hg. v. Heidrich,
I., 2001, vgl. http://www.igh.histsem.uni-bonn.de; Die Urkunden
der Arnulfinger, hg. v. Heidrich, I., 2011
arra (lat. [F.]) Angeld, →arrha
Arras
Lit.: Kéry, L., Die Errichtung des Bistums Arras 1093/1094, 1994
Arrest ist die Verhaftung (eines Menschen
oder einer Sache) oder Beschlagnahme und insbesondere das Eilverfahren des
Zivilprozesses zur Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen einer
Geldforderung oder wegen eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergeht.
Im römischen Recht fehlt eine solche Einrichtung. Die Bezeichnung A. erscheint
seit dem Anfang des 13. Jh.s in französischen Quellen und wenig später auch in
lateinischen Texten (arrestare, arrestum, Frankfurt am Main 1297, Liber Sextus
1298, Sachsenspiegelvulgatfassung um 1340, wissenschaftlich erörtert von
Andreas Gaill 1586, David Mevius 1674). Seit dem 17. Jh. verdrängen arrestieren
und Arrest allmählich die ältere deutsche Bezeichnung Kummer für ein wohl schon
seit dem frühen Mittelalter bekanntes, (nach Hans Planitz aus einem
Handhaftverfahren erwachsenes,) seit dem späteren 12. Jh. (Köln 1178, beschleunigtes
gerichtliches Verfahren Hagenau 1164) durch Privilegien und Verträge urkundlich
bezeugtes Verfahren, bei dem vielleicht anfangs der Personalarrest als außergerichtliche
Selbsthilfemaßnahme des Gläubigers im Vordergrund steht, aber schon seit dem
13. Jh. von dem Sacharrest zurückgedrängt wird. Seit dem Ende des 13. Jh.s
macht der Gläubiger bei Gericht seinen Anspruch glaubhaft und der Richter
ordnet die Anlegung des Arrests (meist bei Gericht) an., wobei erst nach
Durchführung eines ordentlichen Verfahrens eine Zwangsvollstreckung erfolgen
kann.
Lit.: Köbler, DRG 116, 202; Briegleb, H., Arrest und
Kummer - Vermischte Abhandlungen I 1868, 1; Wach, A., Der italienische
Arrestprozess, 1868, Neudruck 1973; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren
im Mittelalter, 1879; Rudorff, H., Zur Rechtsstellung der Gäste im
mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907; Kisch, G., Der deutsche
Arrestprozess, 1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen
Arrestprozesses, ZRG GA 34 (1913), 49; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess,
1914; Planitz, H., Studien zur Geschichte des deutschen Arrestprozesses – Der
Fremdenarrest, ZRG GA 39 (1918), 223, 40 (1919), 87; Planitz, H., Grundlagen
des deutschen Arrestprozesses, 1922; Mahnke, H., Das Arrestverfahren in den
Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Kiel 1961; Kraß, G., Das Arrestverfahren in
Frankfurt am Main, 1996; Rymaszewski, Z., Areszt rzeczy jako zabezpieczenie wierzytelności w
miastach Polski średniowiecznej (Der Sacharrest),
2015
Arrha (lat. [F.] arra, arrabon) ist die
nach semitischem Vorbild („altorientalischer Arrhalvertrag“) im hellenistischen
Recht bekannte, im entwickelten römischen Recht entbehrliche Draufgabe (Angeld)
bei einem Vertragsschluss. Wer abredeuntreu wird, verwirkt im spätantiken Recht
als Geber die a. an den Gegner und muss sie als Nehmer in doppelter Höhe
zurückgeben. Im Frühmittelalter (Codex Euricianus 297, Lex Baiwariorum 16, 10,
Lex Visigothorum 3, 1, 3-4 [für Verlobung]) soll mit der Hingabe einer Teilleistung
ein Vertrag geschlossen worden sein, der vielleicht anfangs nur den Empfänger
verpflichtet. Vielfach wird die a. nur als Symbol gegeben, das von den
Beteiligten sofort verschenkt oder vertrunken wird. Seit dem Spätmittelalter
verliert die auch als Weinkauf (Worms 1498), Angeld (ABGB § 908 [1811]) oder
Draufgabe (ALR I 5 § 207 [1794], BGB § 337 [1896/1900]) bezeichnete a.
außerhalb des Gesinderechts (Handgeld) ihre schuldbegründende Bedeutung und
nähert sich dem →Reugeld. In jedem Fall hat die a. eine gewisse
Beweisfunktion.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 535ff.; Köbler, DRG 64, 91,
127; Köbler, LAW; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen Vertragsrechts,
1855; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910; Calogirou, G., Die Arrha im
Vermögensrecht, 1911, Neudruck 2013; Gastreich, F., Die Draufgabe, 1933; Siems,
H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992
Arrhalvertrag ist der aus dem Orient in das
spätrömische Recht eindringende, unter notwendiger Verwendung einer
→arrha (Hingabe unter Anrechnung auf die Gesamtleistung oder ohne
Anrechnung) entstehende, vom Formalvertrag und vom Realvertrag zu trennende
→Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 91, 126, 164
Arrogation (F.) Annahme
Lit.: Seelentag, A., Ius pontificium cum iure civili
coniunctum - Das Recht der Arrogation in klassischer Zeit, 2014
Ars (F.) dictandi (lat.) ist die seit dem 12. Jh.
auftretende Bezeichnung für die Lehre vom Abfassen von Briefen und Urkunden,
die auf Grund der antiken Rhetorik und Grammatik im Gefolge der KIrchenreform
am Anfang des 12. Jh.s in Oberitalien ausgebildet wird ([lat.] Praecepta
[N.Pl.] dictamina 1111?).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rockinger, L., Über
Briefsteller und Formelbücher, 1861; Schmale, F., Die Bologneser Schule der ars
dictandi, DA 13 (1967); Schaller, D., Baldwin von Viktring, DA 35 (1979);
Hartmann, F., Ars dictaminis, 2013
Ars (F.) notaria (lat.) ist die auf Grund antiker
Vorläufer am Beginn des 13. Jh.s (ars notaria 1221) in Oberitalien (Bologna)
verselbständigte Lehre von der Beurkundung von Rechtshandlungen ([lat.]
Formularium [N.] tabellionum 1200/1205, Rainerius Perusinus 1226-1233, Rolandus
Passagerii [Summa Rolandina, 1255ff.]).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Anselmi, A., Le scuole di
notariato in Italia, 1926
Artes (F.Pl.) liberales (lat., Sg. ars liberalis) sind die
in der römischen Antike auf der Grundlage der griechischen Philosophie von
Bürgern gepflegten Wissenschaftsfächer (Grammatik, Rhetorik, Dialektik als sog.
Trivium, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik als sog. Quadrivium), die
im Mittelalter den Gegenstand der artistischen Fakultät der Universität bilden
(schätzungsweise 200000 Studierende in Deutschland im Mittelalter ohne
späteren Übertritt in eine der drei höheren Fakultäten, 50-70 Prozent ohne
Graduierung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, G., Die sieben freien
Künste im Mittelalter, 1886; Glorieux, P., La faculté des arts et ses maîtres
aux XIIIe siècle, 1971; Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches
Mittelalter, 9. A. 1978; Englisch, B., Die artes liberales im frühen
Mittelalter, 1994; Artisten und Philosophen, hg. v. Schwinges, R., 1999; Haage,
B./Wegner, W., Deutsche Fachliteratur der artes in Mittelalter und früher
Neuzeit, 2007
Articuli (M.Pl.) reprobati (lat., Sg. articulus reprobatus)
sind die von Papst Gregor XI. am 8. 4. 1374 auf Betreiben des Augustinermönchs
Johannes →Klenkok (Dekadikon, Magdeburg 1369) ohne wesentliche Auswirkung
für nichtig erklärten 14 Artikel des →Sachsenspiegels, die kirchliches
Verfassungsrecht (Landrecht I 3 § 3, III 57 § 1, III 63 § 2), Verfahrensrecht
(Landrecht I 18 §§ 2, 3, I 39, I 63 § 3, I 64, II 12 § 10) und Privatrecht
(Landrecht I 6 § 2, I 37, I 52 §§ 1, 2) betreffen.
Lit.: Köbler, DRG 117; Homeyer, C., Johannes Klenkok
wider den Sachsenspiegel, Abh. d. Ak. d. Wiss. Berlin, phil.-hist. Kl. 1855,
1856, 377; Böhlau, H., Zur Chronologie der Angriffe Klenkoks, ZRG GA 4 (1883),
118; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der articuli reprobati im Ermlande, ZRG GA
31 (1910), 426; Kirche und Staat, hg. v. Eichmann, E., Bd. 2 1914, Neudruck
1968, 159ff.; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des
Sachsenspiegels, Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, K., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Der Sachsenspiegel als Buch, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Ocker, C., Johannes Klenkok, 1993
articulus (lat. [M.]) Artikel
Artikel (M.) Gliedchen, Abschnitt
Artikelbrief ist der in Abschnitte gegliederte Brief (z. B.
Dienstvertrag für Söldner, Kriegsartikel, Zunftbrief, Forderungen der Bauern
1525).
Lit.: Pelz, S., Die preußischen und reichsdeutschen Kriegsartikel,
Diss. jur. Hamburg 1979; Seebass, G., Bundesordnung und Verfassungsentwurf,
1988
Artikelprozess ist der im Spätmittelalter
entwickelte römisch-kanonische Zivilprozess, bei dem der Kläger nach der
Erhebung der Klage und nach Durchführung der Streitbefestigung seinen Vortrag
in scharf abgegrenzte Behauptungen einzelner Tatsachen ([lat. F.Pl.]
positiones [bzw. articuli]) zerlegen (wahr, dass) und der Beklagte dazu einzeln
Antworten ([lat. F.Pl.] responsiones, glaubt wahr bzw. glaubt nicht wahr) geben
muss, so dass sich (aus diesen auch als Artikel bezeichneten Positionen und
Responsionen) leicht(er) das Bestrittene und vom Kläger zu Beweisende ermitteln
lässt. Der A. wird bereits von der Reichskammergerichtsordnung des Jahres 1496
(Art. 12, ähnlich 1555, 1570) übernommen, wegen seiner Schwerfälligkeit unter
dem Einfluss des sächsischen Prozesses durch den jüngsten Reichsabschied von
1654 aber bis auf die noch im 19. Jh. erlaubten Beweisartikel wieder aufgegeben
(vgl. aber Obliegenheit der Darlegung der Bestrittenheit oder
Nichtbestrittenheit von Tatsachen für den Beklagten der Gegenwart).
Lit.: Linde, v., Lehrbuch des deutschen gemeinen
Zivilprozesses, 7. A. 1850; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878; Budischin, J., Der gelehrte Zivilprozess,
1974; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977;
Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Lepsius, S., Von Zweifeln zur
Überzeugung, 2003
Artushof ist das von dem sagenhaften britischen König
Artus (um 500) abgeleitete gesellschaftliche Bürgernetzwerk in Hansestädten
(z. B. Danzig 1350) bzw. das ihm dienende Gebäude.
Lit.: Selzer, S., Artushöfe im Ostseeraum, 1996
Arumaeus (van Arum), Dominikus (Leeuwarden
1579-Jena 24. 2. 1637) wird nach Studien in Franeker, Oxford, Rostock und Jena
dort 1600 promoviert und 1602 zum außerordentlichen Professor (1605 ordentlicher
Professor) ernannt. Er begründet die sich an deutschen Quellen ausrichtende,
methodisch gemeinrechtlich arbeitende Reichsstaatsrechtslehre, innerhalb deren
er das Reich als eine ständisch mitbestimmte Monarchie ansieht.
Lit.: Arumaeus, D., Commentarius de comitiis
Romano-Germanici Imperii, 1630; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des
Johannes Limnaeus, 1968; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988; Friedrich, M., Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 1997
Arzt ist der wissenschaftlich vorgebildete
Heilkundige.
Lit.: Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den
frühmittelalterlichen Leges, 1983; Täterschaft, Strafverfolgung,
Schuldentlastung, hg. v. Böhm, B. 2007; Laufs, A./Katzenmeier, C./Lipp, V.,
Arztrecht, 6. A. 2009; Tascher, G., Staat, Macht und ärztliche
Berufsausbildung 1920-1956, 2010; Höftmann, D., Der Vergütungsanspruch des
Kassenarztes, 2013; Polianski, I., Das Schweigen der Ärzte, 2015; McGrath, C.,
The Development of Medical Liability in Germany 1800-1945, 2019
As (lat. [N.]) ist eine römische Geldeinheit.
Asega ist eine Figur der
(hoch)mittelalterlichen altfriesischen (Hunsigoer, Emsigoer, Fivelgoer,
Rüstringer und Westerlauwerschen) Rechtsquellen (17 Küren und 24 Landrechte),
deren Alter (vorfränkisch?, nachkarolingisch?) und Bedeutung
(Gesetzessprecher?, Urteilsfinder?, Rechtskenner) umstritten sind.
Lit.: Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27
(1906), 114; Gerbenzon, P., Der altfriesische asega, der altsächsische eosago
und der althochdeutsche esago, TRG 41 (1973), 75; Köbler, G., Zu Alter und
Herkunft des friesischen asega, TRG 41 (1973), 93
Asien ist der von Europa bis zum Pazifik reichende,
u. A. Indogermanen, Mongolen, Chinesen und Japaner beherbergende Kontinent.
Lit.: Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999, 2. A. 2013;
Krieger, M., Geschichte Asiens, 2003; Mann, M., Geschichte Südasiens 1500 bis
heute, 2010; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Cunliffe,
B., 10000 Jahre. Geburt und Geschichte Eurasiens, 2016; Gilbert, M., South East
Asia in World History, 2017
Askanier ist der Angehörige eines
ursprünglich alemannisch-fränkischen Geschlechts, das um 1000 am Harz
erscheint. Unter Albrecht dem Bären († 1170) betreibt es die Ostsiedlung und
erwirbt 1180 das Herzogtum Sachsen (Gebiet um Wittenberg). Die
brandenburgischen Güter der A. fallen 1319 an die →Wittelsbacher, die
wittenbergischen 1422 (mit der 1356 in der Goldenen Bulle gesicherten
Kurfürstenwürde) an die →Wettiner und die lauenburgischen 1689 an die
→Welfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Diederichs, A., Erbe und Erben Albrechts des Bären, VuG 28 (1938); Schmidt, E.,
Die Mark Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Marcus, P., Herzog Bernhard von
Anhalt, 1993; Partenheimer, L., Albrecht der Bär, 2001
assecuratio (lat. [F.]) →Versicherung
Assekuranz ist die wohl im 17. Jh. aus Italien
übernommene, im 19. Jh. verdrängte Bezeichnung für die →Versicherung.
Assessor ist in der Spätantike der Rechtsberater hoher
Amtsträger, seit dem 15. Jh. (?) der rechtsgelehrte Beisitzer
eines Gerichts (z. B. des königlichen Kammergerichts oder seit 1495 des
Reichskammergerichts), seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s der Anwärter auf
eine feste Anstellung im höheren Staatsdienst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 153; Smend, R.,
Das Reichskammergericht, 1911; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine
Richter, Bd. 1f. 2003ff.; Mader, E., Die letzten Priester der Gerechtigkeit,
2005
Assise (mlat. [F.] assisa) ist die
Versammlung und die Gesamtheit der dort beschlossenen Rechtssätze vor allem in
Frankreich und England (z. B. Assise regum regni Sicilie [von Ariano] 1140,
Assise sur la ligece um 1165, Assize of Clarendon 1166 Assize of novel disseisin,
Assize of Northampton 1176, Grand Assize 1179, Assize of Woodstock 1184). In
England entwickelt sich daraus die Laienjury, die in Frankreich nach 1789
übernommen wird. Demgegenüber sind die Assisen von Jerusalem private Sammlungen
von Abhandlungen über das Recht des Königreichs Jerusalem und Zyperns in
französischer Sprache des 13. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 108; Stenton, D., The Earliest
Northamptonshire Assize Rolls, 1940; Grandclaude, M., Étude critique sur les
livres des Assizes de Jérusalem, 1923; Dilcher, H., Normannische Assisen und
römisches Recht, 1966; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Jenks, S., Die Assisen von Clarendon (1166) und
Northampton (1176), Ius commune 21 (1994), 149
Asso y del Río, Ignacio (1742-1804) begründet
1771 mit den (span.) Instituciones (F.Pl.) del derecho civil de Castilla ein
aus partikularer Rechtssatzung schöpfendes, neben das römische Recht tretendes
gemeines spanisches (kastilisches) Privatrecht, das begrifflich und
systematisch noch römischrechtlich geprägt ist.
Lit.: Mora, C., Vida y obra de Don Ignacio de Asso y
del Río, 1972
Assyrer ist der Angehörige des im vorderen Orient
(mittleres und nördliches Zweistromland bzw. Irak) vom 2. Jahrtausend v. Chr. an
bedeutenden, das semitische Akkadische sprechenden, im späten 7. Jh. v. Chr.
den Medern und Persern unterliegenden Volks.
Lit.: Chicago assyrian Dictionary, Bd. 1ff. 1921ff. (21 Bände mit 10000
S.); Cancik-Kirschbaum, E., Die Assyrer, 2003
Asyl (N.) unverletzlich(er Ort), Zuflucht
→Asylrecht
Asylrecht ist das Recht der geschützten
Zuflucht (politisch) Verfolgter. In griechischer und späterer römischer Zeit
besteht das sakral-magisch geprägte Recht, einem Täter an einem heiligen Ort
vorübergehend Schutz zu gewähren, für Tempel und wird von dort im 5. Jh. auf
christliche →Kirchen übertragen. Ob eine ähnliche Einrichtung auch den
Germanen bekannt ist, lässt sich nicht feststellen. Die wohl durch
römisch-christliches Vorbild geprägte karolingische Zeit schränkt das A. auf
noch nicht verurteilte Täter und auf bestimmte Fristen ein. Örtlich wird später
die Möglichkeit des Asylrechts auf Friedhof, Kloster, Pfarrhaus,
Richterhaus u. s. w. erweitert. Der
neuzeitliche Staat schafft das A. bis zum Ende des 18. Jh.s als geordneter
Rechtspflege entbehrlich bzw. entgegenstehend ab (Frankreich 1539, England
1625, Österreich 1787). Danach gewährt er aber selbst politisch Verfolgten
Schutz vor Verfolgung in einem Verfolgerstaat (Art. 16 GG 1949).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 259;
Bindschedler, R., Kirchliches Asylrecht (Immunitas ecclesiarum localis) und
Freistätten in der Schweiz, 1906; Mittermaier, H., Die geschichtliche
Entwicklung des Asylrechts, Diss. jur. München 1950; Henßler, O., Formen des
Asylrechts, 1954; Kimminich, O., Die Geschichte des Asylrechts, 1978; Siems,
H., Zur Entwicklung des Kirchenasyls, (in) Libertas, 1991, 139; Reiter, H.,
Politisches Asyl im 19. Jahrhundert, 1992; Theler, J., Asyl in der Schweiz,
1995; Gamauf, R., Ad statuam licet confugere, 1999; Backsmann, K., Das
Asylrecht in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Fruscione, D., Das Asyl bei den
germanischen Stämmen im frühen Mittelalter, 2003; Bammann, K., Im Bannkreis des
Heiligen, 2002; Das antike Asyl, hg. v. Dreher, M., 2003; Derlien, J., Die
religiöse und rechtliche Begründung der Flucht zu sakralen Orten, 2003;
Traulsen, C., Das sakrale Asyl in der alten Welt, 2004; Shoemaker, K.,
Sanctuary and Crime, 2011
Aszendent (M.) Verwandter in aufsteigender Linie (z. B.
Vater, Großmutter, Urgroßtante), Gegensatz Deszendent
Atheismus (M.) Gottlosigkeit bzw. „Ungöttigkeit“
Lit.: Welteke, D., Der Narr spricht: Es ist kein Gott. Atheismus,
Unglauben und Glaubenszweifel, 2011; Der neue Atheismus, hg. v. Zager, W., 2017
Athen ist der griechische, seit dem 7.
Jh. v. Chr. erkennbare Stadtstaat in Attika, in dem Drakon (624) und Solon
(594) gesetzgeberisch tätig werden. 508/507 geht A. zur →Demokratie
über. Im 4. Jh. könnte A. rund 30000 erwachsene Bürger gehabt haben. In den
Gerichten geht es weniger um Recht und mehr um Öffentlichkeit für Streit um
Ehre. 338 wird A. von Makedonien besiegt. 86 v. Chr. fällt es unter Sulla an
die Römer, 1456 an die Osmanen (Türken). Nach dem griechischen Befreiungskampf
wird es 1834 Hauptstadt Griechenlands und erhält 1837 eine Universität.
Lit.: Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff.
1905ff., Neudruck 1984; Meyer-Laurin, H., Gesetz und Billigkeit im attischen
Prozess, 1965; Wolff, H., „Normenkontrolle“ und Gesetzesbegriff, 1970; Mac
Dowell, D., The Law in Classical Athens, 1978, 4. A. 1995; Bötig, K., Athen, 3.
A. 1981; Rhodes, P., The Athenian Boule, 2. A. 1985; Welwei, K., Athen, 1992;
Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 2. A. 1994; Die athenische Demokratie,
hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995; Habicht,
C., Athen, 1995; Cohen, D., Democracy and individual rights in Athens, ZRG RA
114 (1997), 27; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Lehmann, G.,
Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen, 1997; Figueira, T., The Power of
Money, 1998; Hurwit, J., The Athenian Acropolis, 1999; Welwei, K., Das
klassische Athen, 1999; Funke, P., Athen in klassischer Zeit, 1999; Dreyer, B.,
Untersuchungen zur Geschichte des spätklassischen Athen, 1999; Knell, H., Athen
im 4. Jahrhundert, 2000; Große Prozesse im antiken Athen, hg. v. Burckhardt,
L./Ungern-Sternberg, J. v., 2000; Law and Social Status in Classical Athens,
hg. v. Hunter, V. u. a., 2000; Cohen, E., The Athenian Nation, 2000; Dreher,
M., Athen und Sparta, 2001; Wilson, P., The Athenian Institution of the
Khoregia, 2002; Tießler-Marenda, E., Einwanderung und Asyl bei Hugo Grotius,
2002; Demokratie, Recht und soziale Kontrolle im klassischen Athen, hg. v.
Cohen, D., 2002; Schulz, R., Athen und Sparta, 2003, 5. A. 2015; Pabst, A., Die
athenische Demokratie, 2003; Schubert, C., Athen und Sparta, 2003; Goette,
H./Hammerstaedt, J., Das antike Athen, 2004; Sinn, U., Athen, 2004; Flaig, E.,
Der verlorene Gründungsmythos der athenischen Demokratie, HZ 279 (2004), 36;
Lanni, A., Law and Justice in the Courts of Classical Athens, 2006; Karakostas,
I., König Otto, die Otto-Universität von Athen und ihre juristische Fakultät,
2007; Ober, J., Democracy and Knowledge, 2008; Lehmann, G., Perikles, 2008;
Osborne, R., Athens and the Athenian Democracy, 2010; Stability and Crisis in
the Athenian Democracy, hg. v. Herman, G., 2011; Lambert, S., Inscribed
Athenian Laws and Decrees 352/2-322/1 BC, 2012, 1; Crowley, J., The Psychology
of the Atheniean Hoplite, 2012; Worthington, I., Demosthenes of Athens and the
Fall of Classical Greece, 2013; Coşkun, A., Perikles und die Definition
des Bürgerrechts im klassischen Athen, HZ 299 (2014), 1; Pritchard, D., Sport,
Democracy and War in Classical Athens, 2013; Oetjen, R., Athen im dritten
Jahrhundert, 2014; Die athenische Demokratie im 4. Jahrhundert, hg. v. Tiersch,
d., 2015; Blok, J., Citizenship in Classical Athens, 2017; Räuchle, V., Die
Mütter Athens und ihre Kinder, 2017
Äthiopien 1974 von Donald Johnson Skelett
einer etwa einen Meter großen, 30 Kilo schweren Frau „Lucy“ (benannt nach dem
gerade im Tranistorradio gepielten Beatleslied Lucy in the Sky with Diamonds)
bzw. Dinkenesh (Wundersame) gefunden
Lit.: Dornisch, K., Sagenhaftes Äthiopien, 2015
Atlantik
Lit.: Studies in the Medieval Atlantic, hg. v. Hudson,
B., 2012
Atlantikcharta ist die am 14. 8. 1941 von dem
amerikanischen Präsidenten Wilson und dem britischen Premierminister Churchill
auf einem Schiff im Atlantik vereinbarte Erklärung über die Grundsätze der
Politik (Verzicht auf Aggression, Entwaffnung von Aggressionsstaaten,
Selbstbestimmungsrecht der Völker, Gleichberechtigung im Welthandel, Freiheit
der Meere), die von den Vereinten Nationen übernommen wird.
Atomrecht ist die Gesamtheit der Atome
besonders betreffenden Rechtssätze (z. B. Deutschland 23. 12. 1959 Atomgesetz).
Lit.: Winters, K., Atom- und Strahlenschutzrecht,
1978; Geier, S., Schwellenmacht, 2013; Göppner, N., Vorgeschichte und
Entstehung des Atomgesetzes vom 23. 12. 1959, 2013; Hohmuth, T., Die
atomrechtspolitische Entwicklung in Deutschland seit 1980, 2014
Attentat ist der gewaltsame Angriff
Einzelner auf einen Staat aus politischen Gründen.
Lit.: Kellerhoff, S., Attentäter, 2003; Mühlnikel, M.,
Fürst, sind Sie unverletzt?, 2014
Aubry, Charles (1803-1883) übersetzt 1838 als Professor in
Straßburg zusammen mit Frédéric Charles Rau die vierte Auflage von Karl-Salomon
Zachariäs Handbuch des französischen Zivilrechts (1837) aus dem Deutschen ins
Französische und entwickelt hieraus in der Folge die führende Darstellung des
französischen Privatrechts des 19. Jh.s.
Lit.: Beudant, C./Gaudemet, E., Inauguration d’un
moment à la mémoire de Aubry et Rau, 1923
Auctor (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der Vormann eines Gewalthabers einer Sache, auf den sich dieser berufen kann,
wenn ein anderer als Eigentümer von ihm die Sache verlangt. Scheitert die
Verteidigung durch den a., kann der angegriffene Gewalthaber vom a. den
doppelten Kaufpreis verlangen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner § 8; Köbler, DRG 24; Köbler,
LAW
auctoritas (lat. [F.]) Ansehen, Zustimmung,
(z. B. eines [lat., M.] tutor zu einem Geschäft eines [lat., M.] pupillus bei
Vornahme des Geschäfts)
Auctor (M.) vetus de beneficiis (lat.) ist das in lateinischer
Reimprosa abgefasste Rechtsbuch mit Grundsätzen des Lehnrechts, das (in
wortgetreuer Übersetzung) in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) die
Grundlage des mitteldeutschen →Görlitzer Rechtsbuchs bildet. Es ist
streitig, ob der A. v. die Urfassung des Lehnrechts des Sachsenspiegels (oder
eine im frühen 14. Jh. aus einer deutschen Fassung entstandene lateinische
Übersetzung) darstellt oder auf sie unmittelbar zurückgeht. Alle Handschriften
sind verschollen. Die Überlieferung besteht in Drucken von 1569 (Havichorst),
1692 (Auszüge, Freher) und 1708 (Thomasius). Möglicherweise enthält der A. v.
ursprünglich auch Landrecht in lateinischer Fassung. Der A. v. kennt ein
Volljährigkeitsalter von 24 Jahren (I 65), während der Sachsenspiegel im
Landrecht eine Volljährigkeit von 21 Jahren aufweist (I 42 § 1). Ihm fehlen
Sätze späterer Ergänzungen des Sachsenspiegels in jüngeren Bearbeitungsstufen.
Lit.: Köbler, DRG 103; Moeller, R., Noch einmal der
Vetus auctor de beneficiis und der Sachsenspiegel, ZRG GA 38 (1917), 309;
Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 4;
Auctor vetus de beneficiis, hg. v. Eckhardt, K., 1964; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 27; Recht und Verfassung im
Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1 1998
Audiatur et altera pars (lat.). Auch die andere Seite muss
(gerechterweise stets) gehört werden (vorrömisch, belegt 1580).
Lit.: Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs, 1976; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Coenraad, L.,
Het beginsel van hoor en wederhoor in het Romeinse procesrecht, 2000; Zur
Erhaltung guter Ordnung, hg. v. Hausmann, J. u. a., 2000
Auditor (M.) Zuhörer, Hörer
Lit.: Hülle, W., Das Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971
Aufgebot ist allgemein die öffentliche
Aufforderung zu einem Verhalten (z. B. A. zum Heeresdienst), insbesondere die
(mehrfache) öffentliche, vielfach gerichtliche Aufforderung an unbekannte oder
an unbekanntem Ort weilende Beteiligte, zwecks Verhinderung eines Rechtsverlusts
vor einer beabsichtigten Änderung der Rechtslage Tatsachen anzugeben oder
Rechte geltend zu machen. Ähnliche Vorgangsweisen erscheinen bereits in
fränkischer Zeit (z. B. bei Vollstreckung in Grundstücke). Im Mittelalter
finden sie vermehrt Anwendung (z. B. bei Aneignung gefundener beweglicher
Sachen oder bei der Suche nach unbekannten Erben). Ein A. vor einer
Eheschließung fordert nach älteren Ansätzen das vierte Laterankonzil 1215. Mit
der Rezeption römischrechtlicher Regelungen entwickelt sich die →Ediktalzitation,
bei der jemand binnen einer Frist Klage zu erheben hat, wenn er sein Recht
nicht verlieren will. Allgemein geordnet wird das A. in der preußischen
→Allgemeinen Gerichtsordnung (1793) und in der deutschen Zivilprozessordnung
(1877/1879). Das A. vor einer weltlichen Eheschließung wird in Deutschland und
Österreich am Ende des 20. Jh.s beseitigt bzw. eingeschränkt.
Lit.: Haase, E., Über Ediktalladungen und Ediktalprozess,
1871; Daude, E., Das Aufgebotsverfahren, 5. A. 1930, VIII
Aufklärung ist allgemein die Aufhellung eines
dunkleren Zustands. Unter Bezugnahme auf einen auf Befreiung von nicht
vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang durch
selbständiges unvoreingenommenes Denken wird die gesellschaftskritische Geistesbewegung
des 17./18. Jh.s A. genannt (frühe Anfänge im letzten Drittel des 17. Jh.s).
Vorbereitend hierfür wirken Renaissance, Humanismus und Reformation. Als
Denkverfahren werden →Empirismus und →Rationalismus verwendet.
Bewusst wird die Einbeziehung immer breiterer Kreise (des Publikums) gesucht.
Im Recht entsprechen dem Gedankengang der A. die Anerkennung eines weltlichen
→Naturrechts (→Vernunftrechts), das in die Kodifikationen des
→Allgemeinen Landrechts Preußens (1794), des →Code civil Frankreichs
(1804) und des →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (1811/1812)
Eingang findet, und die Ablehnung von Folter, Hexenprozess, Leibesstrafen
einerseits sowie das Verlangen nach Gewaltenteilung, Teilhabe an der Macht,
Grundrechten, Verfassung und Volkssouveränität andererseits. In der
Verwaltung entsteht aus der A. die Funktionalität anstrebende Kameralwissenschaft.
In der Wirtschaft geht es in der A. um größtmöglichen Wohlstand. Politisch
führt die A. zum aufgeklärten →Absolutismus (Friedrich der Große in
Preußen, Joseph II. in Österreich, Großherzog Leopold in Toskana) bzw. zur
Revolution in Frankreich vom 14. 7. 1789. Die vollständige Umsetzung aller
Ziele in politische Handlung gelingt nicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 157, 161,
206; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 243; Valjavec, F., Geschichte
der abendländischen Aufklärung, 1961; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre
im 18. Jahrhundert, 1982; Bosshard, H., Pestalozzis Staats- und
Rechtsverständnis und seine Stellung in der Aufklärung, 1983; Aufklärung, hg.
v. Hinrichs, E., 1985; Aufklärung als Politisierung - Politisierung der
Aufklärung, hg. v. Bödeker, H. u. a., 1987; Aufklärung und
Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989; Im Hof, U., Das Europa der
Aufklärung, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen in der
Naturrechtslehre, 1993; Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 1995;
Vierhaus, R., Was war Aufklärung?, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v.
Hammerstein, N., 1996; Schneiders, W., Das Zeitalter der Aufklärung, 1997; Der
Illuminatenorden (1776-1785/87), hg. v. Reinalter, H., 1997; Cattaneo, M.,
Aufklärung und Strafrecht, hg. v. Vormbaum, T., 1998; Sweetman, J., The
Enlightenment and the Age of Revolution, 1998; The Enlightenment, hg. v.
Williams, D., 1999; Toleration in Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a.,
1999; Aufklärung – Vormärz – Revolution, hg. v. Reinalter, H., 2000; Böning,
H./Siegert, R., Volksaufklärung, Bd. 2 2000; Alt, P., Aufklärung, 2. A. 2001;
Lexikon der Aufklärung, hg. v. Schneiders, W., 2001; The Enlightenment in
Europe, hg. v. Schneiders, W., 2003; Bürgerliche Freiheit und christliche
Verantwortung, hg. v. De Wall, H., 2003; Les Lumières et leur combat, hg. v.
Mondot, J., 2004; Borgstedt, A., Das Zeitalter der Aufklärung, 2004;
Goldenbaum, U., Appell an das Publikum, 2004; Asbach, O., Staat und Politik
zwischen Absolutismus und Aufklärung, 2005; Fichte und die Aufklärung, hg. v.
De Pascale, C., 2005; Körber, E., Die Zeit der Aufklärung, 2006; Israel, J.,
Enlightenment Contested, 2006; Feiner, S., Haskala - Jüdische Aufklärung, 2007;
Sorkin, D., The Religious Enlightenment, 2008; Lauer, G., Die Rückseite der
Haskala, 2008; Strukturen der deutschen Frühaufklärung (1680-1720), hg. v.
Bödeker, H., 2008; Meyer, A., Die Epoche der Aufklärung, 2010; Schenk, T.,
Wegbereiter der Emanzipation? Studien zur Judenpolitik des aufgeklärten
Absolutismus, 2010; Schippan, M., Die Aufklärung in Russland im 18.
Jahrhundert, 2012; Krünes, A., Die Volksaufklärung in Thüringen im Vormärz
(1815-1848), 2013; Kléber Monod, P., Solomon’s Secret Arts, 2013; Aufklärung
der Öffentlichkeit – Medien der Aufklärung, hg. v. Stöber, R. u. a., 2015;
Religion und Aufklärung, hg. v. Beutel, A. u. a., 2016; Schmitt, A., Wie aufgeklärt
ist die Vernunft der Aufklärung?, 2016; Reinalter, H., Der aufgeklärte Mensch,
2016; Bechler, K. u. a., Auufklärung in Oberschwaben, 2016
Auflassung (Wort 1279 mittelniederdeutsch) ist die Öffnung eines Grundstücks
für einen Erwerber. Sie erfolgt zunächst durch tatsächliches, möglicherweise
rechtsförmliches Eröffnen des Grundstücks, später durch eine Erklärung
vielleicht unter notwendiger Wahrung bestimmter Formen (außerhalb des
Grundstücks, wissenschaftlich als zweiter Teil der Investitur eingeordnet,
Besitzaufgabe). Seit dem 13. Jh. wird A. zur Bezeichnung für die Grundstücksübereignung
insgesamt. Häufig erfolgt sie gerichtlich. Während der Aufnahme des römischen
Rechtes in der frühen Neuzeit wird die A. zurückgedrängt. Im 19. Jh. dringt sie
wieder vor. Im deutschen bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist sie die Bezeichnung
für den von Savigny (1779-1861) entwickelten dinglichen Vertrag über den Eigentumsübergang
an Grundstücken, zu dem die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch
hinzukommen muss, wobei die gesamte Übereignung bei Fehlen eines Grundgeschäfts
als ungerechtfertigte Bereicherung rückgängig gemacht werden kann.
Lit.: Hübner 205, 259f., 262; Kroeschell, DRG 1, 2;
Stobbe, O., Die Auflassung des deutschen Rechtes, Jh. Jb. 22 (1873), 137;
Lehmann, K., Die altnordische (altnorwegisch-altisländische) Auflassung, ZRG GA
5 (1884), 84; Lehmann, K., Zur nordgermanischen Auflassung, ZRG GA 11 (1890),
255; Schmidt, W., Die Auflassung im Mittelalter, Diss. jur. München 1932;
Voser, P., Die altdeutsche Leibenschaftsübereignung, 1952; Köbler, G.,
Verzicht und Renuntiation, ZRG GA 85 (1968); Buchholz, S., Abstraktionsprinzip
und Immobiliarrecht, 1978; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984; Steppan, M., Das bäuerliche Recht an der Liegenschaft, 1995; Wieling, H.,
Wie Kaiser Konstantin die germanische Auflassung erfand, ZRG GA 124 (2007),
287; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Aufnehmen des Kindes (in die Familie) ist der
in frühmittelalterlichen Volksrechten erkennbare, nach der Geburt vielleicht
notwendige förmliche Rechtsakt, durch den ein neugeborenes Kind Mitglied der
Rechtsgemeinschaft wird und deshalb danach nicht mehr ausgesetzt werden kann.
Unter dem Einfluss des Christentums verschwindet dieses besondere A.
Lit.: Hübner 52f., 699; Coulin, A., Der nasciturus,
ZRG GA 31 (1910), 131
Aufopferung ist die Beseitigung eines einzelnen
Rechtes zugunsten der Allgemeinheit oder eines begünstigten Dritten, für die
seit der Aufklärung Ersatz zu leisten ist (vgl. § 75 Einl. ALR).
Lit.: Köbler, DRG 259; Niesler, A., Aufopferung und
Enteignung vom ALR bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.;
Menninger, L., Die Inanspruchnahme Privater durch den Staat, 2014
Aufrechnung (Wort 1372) ist
die schon der römischen klassischen Jurisprudenz als prozessual geltend zu
machende (lat. [F.]) →compensatio bekannte, wechselseitige Tilgung
zweier sich gegenüberstehender gleichartiger Forderungen durch Verrechnung
(Verurteilung nur auf einen vorhandenen Überschuss bzw. [lat.] exceptio [F.]
doli zur Überprüfung der Gegenforderung). Das ältere deutsche Recht kennt
anscheinend einen besonderen Aufrechnungsvertrag. Eine A. durch einseitige
Erklärung entsteht wohl unter römischrechtlichem Einfluss im Spätmittelalter.
Später genügt auf Grund eines Ansatzes des Glossators Martinus eine bloße
Aufrechnungslage für das Erlöschen der gegenüberstehenden Ansprüche (ALR I 16
§ 301, Cc 1290, ABGB § 1348). Seit dem späteren 19. Jh. wird die A. als
einseitiges Rechtsgeschäft eingeordnet und wieder eine Aufrechnungserklärung
verlangt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 125; Dernburg, H.,
Geschichte und Theorie der Compensation, Neudruck 1965, 2. A. 1968; Prausnitz,
O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928; Pielemeier, K., Das
Aufrechnungsverbot des § 393 BGB, 1988; Halbwachs, V., Ipso iure compensatur,
hg. v. Thier, A. u. a., 1999; Pichonnaz, P., La compensation, 2001; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aufsicht
(Wort 1483) ist
allgemein der übergeordnete Blick auf eine Angelegenheit, der Rechte und
Pflichten begründen kann.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Auftrag (Wort 1532) ist im römischen Recht die als
(lat. [N.]) →mandatum bezeichnete Übernahme der unentgeltlichen Besorgung
eines fremden Geschäfts (eines Auftraggebers oder Mandanten durch einen
Auftragnehmer oder Mandatar), die wohl auf sittliche Pflichten zum Tätigwerden
für einen Nachbarn zurückgeht, wobei diesem A. mangels der Möglichkeit
unmittelbarer Stellvertretung keine Vollmacht entspricht (höchstpersönlicher
Konsensualkontrakt). Im deutschen Recht scheint der A. zunächst keine besondere
Rolle gespielt zu haben. Nach der Rezeption des römischrechtlichen Mandats
wird am Ende des 19. Jh.s zwischen A. als Innenverhältnis und Vollmacht als
Rechtsmacht gegenüber Dritten (Außenverhältnis) unterschieden (§ 788 SächsBGB
1863, § 662 BGB 1896).
Lit.: Kaser § 4; Söllner §§ 9, 17, 18; Hübner;
Kroeschell, DRG 3; Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung,
1969; Albrecht, G., Vollmacht und Auftrag, 1970; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von
Dienstvertrag, Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des
Bürgerlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Bielefeld 1987; Grau, U., Historische
Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge, 2004;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Principles of European Law Mandate Contracts, prepared by Loos, M., 2013
Aufwendung (Wort 1542) ist der Einsatz von Mitteln zur
Erlangung eines Wertes.
Lit.:; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aufwertung ist die Erhöhung eines
Wechselkurses einer Währung im Verhältnis zum Goldwert oder zu anderen
Währungen. Daneben wird auch die Erhöhung des Nennbetrages einer Geldschuld,
die in Einheiten einer entwerteten Währung ausgedrückt ist, entsprechend der
Kaufkraft bei der Begründung des Schuldverhältnisses als A. bezeichnet (z. B.
Aufwertungsentscheidung des Reichsgerichts vom 28. 11. 1923, 3.
Steuernotverordnung vom Februar 1924 auf Grund der Inflation, Aufwertungsgesetz
vom Juli 1925) im Deutschen Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh. 50; Mügel, O., Die
Entwicklung der Aufwertungslehre des Reichsgerichts, DJZ 1928, 29ff.; Klemmer,
M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit in den Entscheidungen des Reichsgerichts
in Zivilsachen, 1996; Scholz, R., Analyse der Entstehungsbedingungen der
reichsgerichtlichen Aufwertungsrechtsprechung, 2001; Chlosta, C., Nur dem
Gesetz unterworfen?, 2005
Aufzeichnung ist die Umwandlung von Gedachtem oder
Gesprochenem in Schrift oder andere weniger schnell vergängliche Mittel. →Schriftlichkeit
Auge ist das dem Sehen dienende Sinnesorgan von
Tieren und Menschen, das auch als Zeichen der alles sehenden Gerechtigkeit
verwendet werden kann.
Lit.: Deonna, W., Le symbolisme de l’oeil, 1965; Jaeger, W.,
Augenvotive, 1979; Schleusener-Eichholz, G., Das Auge im Mittelalter, 1980;
Geissmar, C., Das Auge Gottes, 1993; Stolleis, M., Das Auge des Gesetzes, 2004
Augenschein ist die unmittelbare sinnliche
Wahrnehmung. Der A. ist als Beweismittel bereits dem römischen Prozessrecht
bekannt und findet auch im mittelalterlichen deutschen Prozess (insbesondere im
Inquisitionsprozess) Verwendung (mhd. blickender schin, lat. evidentia
ocularis). Seit dem 17. Jh. wird der A. wissenschaftlich erörtert.
Lit.: Kaser § 84; Hänel, A., Das Beweissystem des
Sachsenspiegels, 1858; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1879; Holdefleiß, E., Der Augenscheinbeweis im
mittelalterlichen deutschen Strafverfahren, 1933
Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 39 (2. Moses 21, 22-25, Körte 1837)
Augen auf, Kauf ist Kauf ist wohl ein erst im 19. Jh. geschaffenes
Rechtssprichwort, das der Begründung des Ausschlusses der Sachmangelhaftung im
deutschen Recht dient.
Lit.: Vgl. Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1996, 2002, 38f.
Augsburg geht auf
den 45 n. Chr. auf einem Bergsporn zwischen Lech und Wertach gegründeten Vorort
Augusta Vindelicum der römischen Provinz Rätien zurück (um 121 n. Chr. [lat.
N.] municipium). Vielleicht ist es seit dem 4. Jh. (oder 5. Jh.) trotz
Zerstörung durch Germanen (5. Jh. Alemannen) Sitz eines seit dem 7. Jh. bzw.
738 nachweisbaren Bischofs. 1156 grenzt eine Urkunde Kaiser Friedrichs I.
Barbarossa die Rechte des Bischofs und die Rechte der Bürger voneinander ab.
1167/1168 lässt sich der Kaiser die Hochstiftsvogtei und die
Blutgerichtsbarkeit in A. übertragen. 1273 kommt die Vogtei an das Reich. 1276
zeichnet die Stadt ein eigenes, vom König bestätigtes Stadtrecht in
mittelhochdeutscher Sprache auf. Zu dieser Zeit entsteht wohl in A. eine
mittelhochdeutsche Fassung des Sachsenspiegels, die zu Deutschenspiegel und
sog. Schwabenspiegel weiterbearbeitet wird. 1294 erhält A. ein
Nichtevokationsprivileg König Adolfs von Nassau. An der Wende des Mittelalters
zu Neuzeit wirkt von A. aus die Kaufmannsfamilie Fugger. 1555 wird in A. der
Augsburger Religionsfriede geschlossen. Bis 1805 bleibt das zu einem
europäischen Handelsmittelpunkt aufsteigende A. danach Reichsstadt, bis es am
26. 12. 1805 durch den Vertrag von Pressburg an Bayern fällt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StadtrechtAugsburg1276pdf.pdf;
Köbler, Historisches Lexikon; Das Stadtbuch von Augsburg, hg. v. Meyer, C.,
1872; Urkundenbuch der Stadt Augsburg, hg. v. Meyer, C., 1874ff.; Berner, E.,
Zur Verfassungsgeschichte der Stadt Augsburg, 1876; Hellmann, F., Das
Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Wolff, A., Gerichtsverfassung und
Prozess im Hochstift Augsburg in der Rezeptionszeit, Archiv für die Geschichte
des Hochstifts Augsburg 4 (1913), 129; Steiger, H., Geschichte der Stadt Augsburg,
1941; Augusta 955-1955, 1955; Liedl, E., Gerichtsverfassung und Zivilprozess
der freien Reichsstadt Augsburg, 1958; Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg im
18. Jahrhundert, 1969; Zorn, W., Augsburg, 2. A. 1972, 4. A. 2001; Schröder,
D., Stadt Augsburg 1975; Geschichte der Stadt Augsburg, hg. v. Gottlieb, G., 2.
A. 1985; Fassl, P., Konfession, Wirtschaft und Politik, 1988; Roeck, P., Eine
Stadt in Krieg und Frieden, 1989; Dietrich, R., Die Integration Augsburgs in
den bayerischen Staat, 1993; Hecker, H., Das Recht der Reichsstadt Augsburg,
ZRG GA 113 (1996), 391; Augsburger Buchdruck und Verlagswesen, hg. v. Gier, H.
u. a., 1997; Künast, H., Getruckt zu Augspurg, 1997; Müller, F., Bürgerliche
Herrschaft in Augsburg, 1998; Schorer, R., Die Strafgerichtsbarkeit in der
Reichsstadt Augsburg, 2001; Roeck, B., Geschichte Augsburgs, 2005; Haberstock,
E., Der Augsburger Stadtwerkmeister Elias Holl (1573-1646), 2016; Timpener, E.,
Diplomatische Strategien der Reichsstadt Augsburg, 2017
Augsburger Konfession (Bekenntnis) ist die von Philipp
Melanchthon für den Reichstag zu Augsburg verfasste, am 25. 6. 1530 verlesene
Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche mit 2 Teilen zu 21 und 7 Artikeln (im
Gegensatz zum Helvetischen Bekenntnis).
Lit.: Hoffmann, G., Entstehungsgeschichte der
Augustana, Z. f. systemat. Theologie 15 (1938), 419
Augsburger Religionsfriede ist der im Reichsabschied des
Heiligen römischen Reiches vom 25. 9.
1555 zwischen König Ferdinand I. (für Karl V.) und den deutschen Reichsständen
in Bezug auf die Religion nach dem Stand vom 2. 8. 1552 geschlossene Friede,
der die freie Religionsausübung für Katholiken und Lutheraner gewährleistet.
Er sichert den Reichsständen (nicht aber ihren Untertanen) die Freiheit der
Bekenntniswahl zu ([lat.] →cuius regio, eius religio). Gibt ein
geistlicher Reichsstand den katholischen Glauben auf, verliert er Gebiet und
Kirchenamt ([lat.] →reservatum [N.] ecclesiasticum). Das
Auswanderungsrecht von Untertanen bereitet die Religionsfreiheit vor. Der
lückenhafte, widersprüchliche und auch mehrdeutige A. R. kann weder die
geistliche Einheit herstellen noch den Frieden dauerhaft sichern, bildet aber
die Grundlage des paritätischen Reichskirchenrechts bis 1806.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Brandi, K.,
Der Augsburger Religionsfriede, 2. A. 1927; Simon, M., Der Augsburger
Religionsfriede, 1955; Walder, E., Religionsvergleiche des 16. Jahrhunderts, 3.
A. 1974; Rabe, H., Der Augsburger Religionsfriede und das Reichskammergericht
1550-1600, 1976; Heckel, M., Deutschland im konfessionellen Zeitalter, 2. A.
2001; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfrieden, 2004; Heckel, M.,
Konfessionalisierung in Koexistenznöten, HZ 280 (2005), 647; Heckel, M.,
Politischer Friede, HZ 282 (2006), 391; Der Augsburger Religionsfriede, hg. v.
Schilling, H. u. a., 2007
Augsburger Vertrag (Augsburger Transaktion)
→Niederlande
Augustiner ist der Anhänger des nach der im 8.
Jh. entstandenen sog. Regel Augustins (354-430) lebenden kirchlichen Ordens. Zu
den Augustinern gehören die Augustiner-Eremiten (Orden zwischen 1244 und 1256),
während Augustinerchorherren (11. Jh.), Prämonstratenser und Dominikaner nur
auch nach der Regel Augustins leben.
Lit.: Verheijen, L., La règle de St. Augustin, 1967;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gutiérrez, D. u. a.,
Geschichte des Augustinerordens, 1975ff.; Cremona, C., Augustinus, 2. A. 1995;
Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003
Augustinus (354-430) einer der vier
Kirchenlehrer der Spätantike und von Plato beeinflusster Philosoph
Lit.: Fuhrer, T., Augustinus, 2004; Augustin Handbuch,
hg. v. Drecoll, V., 2007; Chadwick, H., Augustine of Hippo, 2009; Drecoll, V.
u. a., Augustin und der Manichäismus, 2011; A Companion to Augustine, hg. v.
Vessey, M., 2012; Rosen, K., Augustinus, 2015, 2. A. 2017
Augustus (Rom 23. 9. 63 v. Chr.–Nola bei
Neapel 19. 8. 14 n. Chr.) Sohn einer Nichte Caesars, 44 n. Chr. Adoptivsohn
Caesars (ursprünglich Gaius Octavius, seit Adoption Gaius Iulius Caesar,
Ehrenname griech. sebastos, lat. augustus, Erhabener, der vom Beginn seines
Aufstiegs lernen musste, zu lügen und zu betrügen, wo immer es ihm nützlich
erschien) verfolgt die Mörder Caesars und wird 36 v. Chr. Herrscher im
westlichen und 30 v. Chr. Herrscher auch im östlichen Teil des römischen
Reiches. Äußerlich stellt er die republikanischen Zustände wieder her.
Tatsächlich leitet er (27 v. Chr.) mit seinem Prinzipat den zentrierenden und
dadurch stabilisierenden Übergang zum Kaisertum ein. Seine Herrschaft wird am
Ende auf Grund weitreichender Zustimmung als (lat.) pax (F.) Augusta
(augusteische Friedenszeit) erklärt. Für die Ehe erlässt er gesetzliche Gebote
und Verbote.
Lit.: Kienast, D., Augustus, 1982, 2. A: 1992, 3. A.
1999, 4. A. 2009, 5. A: 2014; Eck, W., Augustus und seine Zeit, 1998; Bleicken,
J., Augustus, 1998; Bringmann, K./Schäfer, T., Augustus und die Begründung des
römischen Kaisertums, 2002; Schlange-Schöningen, H., Augustus, 2005; Bringmann,
K., Augustus, 2007, 2. A. 2012; Augustus, Schriften, Reden und Aussprüche, hg.
v. Bringmann, K. u. a., 2008; Dahlheim, W., Augustus, 2010; Cooley, A., Res
Gestae Divi Augusti, 2009; Pabst, A., Kaiser Augustus, 2014; Rosa, A. dalla,
Cura et tutela, 2014; Havener, W., Imperator Augustus, 2016; Williams, J.,
Augustus – Roman, 2016
Auktion ist die schon der Antike bekannte,
dort rechtlich nicht besonders beachtete Veräußerung einer (beweglichen) Sache
an den Meistbietenden durch öffentlichen Aufruf. Sie erhält sich in der Form
der Vergabe von Steuern, Ämtern und Nutzungen an den Meistbietenden in den
romanischen Ländern. Im 13. Jh. dringt die A. gepfändeter Güter eines
nichtzahlenden Schuldners nach Mitteleuropa ein. Daneben findet sich seit dem
14. Jh. die A. von Waren durch Großhändler, seit der Mitte des 17. Jh.s die A.
fremdländischer Waren durch Kolonialgesellschaften. Wegen der damit möglichen
Missstände entstehen Ordnungsvorschriften, die mit Einführung der
Gewerbefreiheit im 19. Jh. wieder aufgegeben werden. Wegen der damit wieder
möglichen Missstände greift der Gesetzgeber seit 1883 wieder ein (in Deutschland
u. a. 1960 § 34b GewO).
Lit.: Süßheim, M., Das moderne Auktionsgewerbe, 1900;
Durach, H., Die deutschen Großhandelsauktionen, 1960; Thielmann, G., Die römische
Privatauktion, 1961; Marx, H./Arens, H., Der Auktionator, 1992; Schneider, A.,
Auktionsrecht, 1999; Spindler, G./Wiebe, A., Internet-Auktion, 2001
Aurich
Lit.: Conring, W., Die Stadt- und Gerichtsverfassung der ostfriesischen
Residenzstadt Aurich, Diss. jur. Göttingen 1965
Ausbildung
Lit.: Elementarbildung und Berufsbildung zwischen 1450 und 1750, hg. v.
Hanschmidt, A. u. a., 2005
Ausbildungsförderung ist die Förderung der allgemeinen
und beruflichen Bildung durch Geldleistungen seitens der Allgemeinheit. Sie ist
eine Folge des Sozialstaatsgrundsatzes. Sie ist auf Herstellung der
Chancengleichheit im Ausbildungsbereich gerichtet (in Deutschland 1957-1971
Honnefer Modell, 1971ff. Bundesausbildungsförderungsgesetz).
Lit.: Köbler, DRG 261
Ausbluten(lassen)
Lit.: Rau, K., Augsburger Kinderhexenprozesse, Diss. jur. Zürich 2003
Ausbürger ist der außerhalb der →Stadt
lebende →Bürger.
Lit.: Domsta, H., Die Kölner Ausbürger, 1973
Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers in der
Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft des Deutschen Reiches, in dem unter
der Kommandantur Rudolf Höß‘ mehr als 500000 Menschen getötet werden (Höß im
April 1947 auf dem Lagergelände erhängt). Ab 1963 werden in der Bundesrepublik
Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Verbrechen durchgeführt. Dabei
werden 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt, 3 freigesprochen.
Lit.: Langbein, H., Der Auschwitzprozess, 1995; Werle, G./Wandres, T.,
Auschwitz vor Gericht, 1995; Meyer, A., Das Wissen um Auschwitz, 2010; Klee,
E., Auschwitz, 2013, Pilecki, W., Freiwillig nach Auschwitz, 2013; Pendas, D.,
Der Auschwitz-Prozess, 2013 (amerikanisches Original 2013); Steinke, R., Fritz
Bauer oder Auschwitz vor Gericht, 2013 , M., Zeitgenossenschaft, 2014
(Zeitungsberichte von 1963); Koop, V., Rudolf Höß, 2014; Crippa, L. u. a.,
Wihelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz, 2014; Hansen, I., Nie wieder
Auschwitz, 2015; Greif, G. u. a., Aufstand in Auschwitz, 2015; Brewing, D., Im
Schatten von Auschwitz. Deutsche Massaker an polnischen Zivilisten 1939-1945,
2016 (nach dem Blutsonntag von Bromberg am 3./4. September 1939 mit etwa 400
toten Volksdeutschen rund 150000 Zivilisten als Opfer während der
Besatzungsherrschaft von 2078 Tagen); Renz, W., Auschwitz vor Gericht, 2018
Ausdärmen ist das gelegentlich angedrohte, kaum
tatsächlich ausgeführte Töten eines Menschen durch Herausziehen des Darmes aus
dem Körper als Strafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920ff.;
Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942
Ausgleich ist die 1867 unter maßgeblicher
Beteiligung Franz Deáks (Söjtör 17. 10. 1803-Budapest 28. 1. 1876) für die
Selbständigkeitsbestrebungen →Ungarns innerhalb der
österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie gefundene Lösung (ungarischer
Gesetzesartikel XII:1867, österreichisches Delegationsgesetz vom 21. 12. 1867,
RGBl. 1867, 146, betreffend die allen Ländern der österreichischen Monarchie
gemeinsamen Angelegenheiten und die Art ihrer Behandlung, Umwandlung des
Kaisertums Österreich in die österreichisch-ungarische Monarchie). Auf der
Grundlage der kaiserlichen Anerkennung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit
Ungarns und der ungarischen Anerkennung der →Pragmatischen Sanktion
(1723) wird dort festgelegt, dass den österreichischen und ungarischen Ländern der
Herrscher, die auswärtigen Angelegenheiten, die Armee und das Finanzwesen (mit
gewissen Einschränkungen) unter einem einheitlichen Ministerium gemeinsam sein
sollen (gemeinsame pragmatische Angelegenheiten und dualistische
Angelegenheiten, Trennung in kaiserlich und königliche k. u. k.,
kaiserlich-königliche k. k. und königlich ungarische k. ung. Organe). Das
daraus erwachsende staatsrechtliche Verhältnis zu →Österreich wird teils
als Gesamtreich oder Personalunion, teils als Realunion erklärt. 1918 wird
Ungarn souverän.
Lit.: Köbler, DRG 265; Baltl/Kocher; Der
österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867, 1967; Olechowski-Hrdlicka, K.,
Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreich-ungarischen Monarchie, 2001
Aushebung (F.) Auswahl von Soldaten bei Wehrpflicht
Lit.: Schulze, W., Landesdefension und Staatsbildung, 1973
ausheischen (V.) herausverlangen, verlangen, dass ein
Streit von einem Gericht vor einem Oberhof (z. B. Ingelheim) zur Sprache gebracht
wird
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Weitzel,
J., Der Kampf um die Appellation an das Reichskammergericht, 1976
Ausländer ist der aus einem anderen Land
kommende und deswegen einem anderen Land angehörige →Fremde. Der A.
erscheint als Folge der Bildung besonderer Länder im 13. Jh. Seit der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s (um 1960) erweisen sich besondere Gesetze für A. (18. 4.
1965) als erforderlich (1991 Schengener Abkommen der Europäischen Gemeinschaften).
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Kanein, W./Renner, G.,
Ausländerrecht, 5. A. 1992; Herbert, U., Geschichte der Ausländerpolitik in
Deutschland, 2001
Auslegung ist die Ermittlung und Klarlegung
des Bedeutungsgehalts eines Umstandes, insbesondere einer Erklärung. Sie ist
bereits Bestandteil der römischen Jurisprudenz, die das Zwölftafelgesetz ebenso
auslegt wie einzelne Verträge oder Erklärungen. Justinian verbietet 529/530/533
die A. seiner Kompilation (Const. 1, 14, 12, Deo auctore 12, Const. Tanta 21).
Nach der vorkritischen Hermeneutik der Aufklärung und des Vernunftrechts ist
Verstehen die Regel und Missverstehen die Ausnahme, weswegen die A. klarer und
eindeutiger Rechtssätze ausgeschlossen ist. Zulässig ist vor allem die
erklärende Auslegung, während ausdehnende und einschränkende A. ausgeschlossen
sein können (z. B. Forster, V., Interpres, 1613, 2, 4). In der Neuzeit, vor
allem seit dem 18. Jh. erscheinen vermehrt Verbote der A. (Stadtrechtsreformation
Nürnberg 1479/1484, Landrechtsreformation Bayern 1518, Papst Pius IV.
Benedictus Deus 1654, Ordonnance Frankreichs 1667, Preußen 1746, 1794, ähnlich
Österreich Codex Theresianus 1758 fertiggestellter Teil, Frankreich Gesetze von
1790/1793). Nach der modernen Hermeneutik ist Missverstehen die Regel, so dass
auch scheinbar klare und eindeutige Rechtssätze der A. bedürfen. In seinen
methodologischen Darlegungen unterscheidet am Beginn des 19. Jh.s Savigny vier
Arten von A. (grammatisch, historisch, systematisch und teleologisch).
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 3 V 1, 8 I; Kroeschell, 20.
Jh.; Köbler, DRG 2, 17, 146, 229; Müller, H., Zur Geschichte der bindenden
Gesetzesauslegung, 1939; Schumacher, D., Das rheinische Recht in der
Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts, 1970; Conrad, H., Richter und Gesetz,
1971; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A. 2012;
Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Hübner, H.,
Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986, Neudruck 2007; Savignyana, Bd. 2 Vorlesungen über
juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane, A., 1993; Baldus, C.,
Regelhafte Vertragsauslegung, 1998; Bergfeld, C., Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts
und des Reichsgerichts zur Auslegung von Rechtsgeschäften, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 625; Miersch, M., Der sog. référé
législatif, 2000; Vogenauer, S., Die Auslegung von Gesetzen in England und auf
dem Kontinent, 2001; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004; Haspl, R.,
Die Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von individuellen
Willenserklärungen durch die Rechtsmittelinstanz, 2008; Baldus, C., Historische
Auslegung in Rom?, Seminarium Complutense 20/21 (2007/2008), 85; Kosche, K.,
Contra proferentem und das Transparenzgebot im Common Law und Civil Law, 2011;
Interpretation of Law in the Age of Enlightenment, hg. v. Morigiwa, Y. u. a.
2011
Auslieferung ist die Beförderung von Sachen oder Menschen
von einem Ort an einen anderen Ort oder die Überlassung an andere, meist
gefährlichere Gegebenheiten. Das römische Recht kennt die A. von Tieren oder
Sklaven in der Form der Preisgabe zwecks Haftungsfreiheit des Berechtigten oder
Herren ([lat.] noxae datio [F.]). In der Neuzeit ist vor allem die A. eines
Straftäters von einem Staat an einen anderen Staat zwecks Strafverfolgung oder
Strafvollzug bedeutsam.
Lit,: His, R., Das Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1920;
Stüdemann, A., Die Entwicklung der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in
Strafsachen im nationalsozialistischen Deutschland, 2009
Auslobung (Wort 1767) ist
das durch öffentliche Bekanntmachung erfolgende (seit dem 18. Jh.) einseitige
Versprechen einer Belohnung für die Vornahme einer Handlung, das im 18. Jh.
so benannt wird. Ursprünglich wird die Erklärung des Auslobens als Angebot an
unbestimmte Personen angesehen.
Lit.: Dreiocker, K., Zur Dogmengeschichte der Auslobung,
Diss. jur. Kiel 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Ausmärker ist der außerhalb einer →Mark
Wohnende, der nur ausnahmsweise an einer Mark berechtigt ist. Seit dem
Spätmittelalter wird eine Verfügung über Allmendrechte ohne Zustimmung der
anderen Berechtigten möglich. Dadurch wird die Allmendberechtigung
verkehrsfähig.
Lit.: Hübner 137f.; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Bader, K., Das mittelalterliche Dorf,
1957ff.
Ausnahmegericht ist das besonders gebildete und zur
Entscheidung besonderer Fälle bestimmte Gericht. Es findet sich beispielsweise
als Star Chamber oder Court of High Commission in England, als Justizkommission
im Absolutismus in Frankreich oder als Zentraluntersuchungskommission im
Deutschen Bund. Ausgehend von England (Bill of Rights 1689) wird das A. in den
Verfassungen verboten (Frankreich 1791, Deutsches Reich 1849).
Lit.: Pollard, A., Council, Star Chamber and Privy Council under the
Tudors, EHR 37 (1922), 516; Menzel, W., Ausnahmegericht und gesetzlicher
Richter, 1925; Schmidt, J., Rechtssprüche und Machtsprüche der preußischen
Könige des 18. Jahrhunderts, 1943; Andrieux, C., Les Commissions
Extraordinaires, 1955 (Diss. Paris); Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003
Ausnahmezustand ist der in der Mitte des 19. Jh.s
als solcher erkannte Zustand des Staates in einer außergewöhnlichen Notlage, in
der grundsätzlich die Regel gilt Not kennt kein Gebot. Nach rechtsstaatlichem
Verständnis bedarf auch der A. einer (vorherigen gesetzlichen) Regelung (z. B. Gesetz über den Belagerungszustand vom
4. 6. 1851 Preußen, Reichstagsbrandverordnung vom 28. 2. 1933 Deutsches Reich,
Art. 87a, 91, 115aff. GG). Im Zweifel entscheidet der souveräne
Staat über das anzuwendende Mittel.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 343;
Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm, 1957; Boldt, H., Rechtsstaat und
Ausnahmezustand, 1967; Trotter, M., Der Ausnahmezustand, Diss. jur. Heidelberg,
1997; Ausnahmezustand - Carl Schmitts Lehre von der kommissarischen Diktatur,
hg. v. Voigt, R., 2013
Ausschlagung (Wort 1445) ist die bereits dem römischen Recht
bekannte Willenserklärung des vorläufigen Erben, die Erbschaft nicht anzunehmen
(lat. repudiare).
Lit.: Kaser § 71 II 3; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ausschuss ist allgemein das aus einer Gesamtheit
Ausgesonderte wie z. B. eine Untergliederung einer Einrichtung zur einfacheren
Erfüllung einer Aufgabe (z. B. Untersuchungsausschuss).
Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre 1928; Schönberger, C., Parlament im
Anstaltsstaat, 1997; Linke, T., Entstehung und Fortbildung des Enquête-und
Untersuchungsrechts in Deutschland. Rechtsentwicklungen aus 200 Jahren, 2015
Außenerbe (lat. heres [M.] extraneus) ist im
altrömischen Recht der bei Fehlen von Hauserben (lat. sui heredes [M.Pl.])
eintretende Erbe (Agnat, Gentile, Patron, beliebiger Hausfremder), der die
Vermögensrechte durch eine besondere Handlung ergreifen muss.
Lit.: Kaser § 65
Außenminister - > Minister
Lit.: Hampe, K., Das Auswärtige Amt in wilhelminischer
Zeit, 2001; Die Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich, hg. v.
Auswärtigen Amt, 2012; Das Auswärtige Amt und seine umstrittene Vergangenheit,
hg. v. Sabrow, M. u. a., 2014
Außerstreitverfahren →freiwillige Gerichtsbarkeit
Aussetzung ist die bewusste Verbringung eines
Menschen in eine Lage, in der ihr eine besondere Gefahr für das Leben droht.
Nach dem römischen Zwölftafelgesetz ist die A. einer Missgeburt geboten, nach
späterem römischem Recht und nach einzelnen frühmittelalterlichen Volksrechten
ist die A. eines neugeborenen Kindes anscheinend erlaubt, doch lehnt die
christliche Kirche die A. ab. Ob es A. als Strafe gegeben hat, ist streitig. Im
Übrigen ist A. eine Straftat.
Lit.: Kaser § 60; Hübner 52; Amira, K. v., Die
germanischen Todesstrafen, 1922; Schwarz, H., Der Schutz des Kindes im Recht
des frühen Mittelalters, 1993
Aussperrung ist die von Arbeitgeberseite seit
dem 19. Jh. unter Verweigerung der Lohnzahlung planmäßig vorgenommene Nichtzulassung
einer Gruppe von Arbeitnehmern zur Dienstleistung. Sie ist ein Mittel des
Arbeitskampfes. Ihre Zulässigkeit ist nicht unbestritten.
Lit.: Wege zur Arbeitsrechtsgeschichte, hg. v.
Steindl, H., 1984; Kalbitz, R., Die Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik
Deutschland, Diss. phil. Bochum 1972
Ausstattung ist die über den gewöhnlichen
Unterhalt hinausgehende, mit Rücksicht auf die Verheiratung oder die Erlangung
einer selbständigen Lebensstellung erfolgende Zuwendung der Eltern an ein Kind.
Sie geschieht im Wesentlichen als →Abschichtung bei Verheiratung oder
sonstiger Verselbständigung. Einen eindeutigen Rechtsanspruch auf A. gewähren
das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II 2 §§ 232ff.) und das
österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (§§ 1220, 1231).
Lit.: Hübner; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und
ihren Kindern, 2000
Ausstäupen ist das mittels Rute, Stock oder
Peitsche erfolgende Schlagen (an einem Pfahl [Staupe]?). Es findet sich als
Rechtsfolge einer Tat früh für Unfreie, seit dem Hochmittelalter als Strafe
des Diebstahls von geringerem Wert. Die Aufklärung erreicht bis 1848 die
Beseitigung des Ausstäupens.
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags,
1938
Aussteller (Wort 1719)
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Aussteuer ist die in weitem Umfang übliche
Zuwendung der zur angemessenen Einrichtung eines Haushalts gehörenden Gegenstände
(an eine Tochter durch die Eltern oder näheren Verwandten), die auch als Heimsteuer,
Brautschatz und Mitgift bezeichnet werden kann. Sie ist wohl nur ausnahmsweise
rechtlich notwendig (z. B. § 1220 ABGB, §§ 1620ff. BGB [1957 aufgehoben], nicht
II 2 §§ 231ff. ALR). In der Gegenwart wird die A. vor allem durch die Gewährung
einer Ausbildung verdrängt.
Lit.: Hübner 664; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren
Kindern, 2000
Austin, John (1790-1859), von 1826 bis
1832 Professor in London, ist als Begründer der englischen analytischen
Jurisprudenz (Recht als eine Form des Befehls) einer der bedeutendsten
englischen Rechtstheoretiker (The Province of Jurisprudence, 1832).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Austin
JohnTheprovinceofjurisprudencedetermined1832.pdf, Austin, John, The
Province of Jurisprudence determined, 1832, Löwenhaupt, W., Politischer
Utilitarismus und bürgerliches Rechtsdenken, 1972; Morison, W., John Austin,
1982
Austrägalinstanz (Austrägal latinisiert aus Austrag) ist seit dem 13./14. Jh. ein
zunächst einzeln vereinbartes, und durch die Reichskammergerichtsordnung von
1495 für Gefürstete, seit 1521 auch für den übrigen reichsunmittelbaren Adel
anerkanntes Schiedsgericht für Streitigkeiten zwischen Reichsfürsten. Gegen die
Entscheidungen der bis 1806 bestehenden A. ist die Appellation an das
→Reichskammergericht zulässig. Der Deutsche Bund kennt nach Art. XI der
Deutschen Bundesakte bzw. Art. XXII der Wiener Schlussakte ebenfalls eine A.
für die Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten bzw. Streitsachen
der Bundesglieder. Für die Vollstreckung der Urteile dieser 1866 endenden A.
ist die Bundesversammlung zuständig. Vergleichbare Einrichtungen im Deutschen
Reich (1871-1918) und in Österreich (bis 1918) sind von geringer Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 153, 200; Leonhardi, P. v., Das
Austrägalverfahren des Deutschen Bundes, Bd. 1f. 1838ff.; Stein, A., Die
Austragsgerichtsbarkeit des deutschen Bundes, 1950; Frühauf, G., Die Austrägalgerichtsbarkeit
im Deutschen Reich und im Deutschen Bund, Diss. jur. Mainz 1976; Meurer, N.,
Die Entwicklung der Austrägalgerichtsbarkeit bis zur Reichskammergerichtsordnung
von 1495, (in) Prozesspraxis im alten Reich, hg. v. Baumann, A. u. a., 2005
Australien ist der im Südosten Asiens (südlic
Indonesiens) gelegene, vor etwa 50000
Jahren besiedelte, vermutlich bereits im 16. Jh. auch von Europäern entdeckte,
in der Gegenwart von 22 Millionen Menschen bewohnte Kontinent.
Lit.: Voigt, J., Geschichte Australiens, 1988; Hughes,
R., Australien, 1992; Babeck, W., Einführung in das australische Recht, 2011;
Voigt, J., Geschichte Australiens und Ozeaniens, 2011; Gleeson, J. u. a.,
Historical Foundations of Australian Law, Bd. 1f. 2013; Bramston, T., The
Whitlam Legacy, 2014
Austrasien ist zeitweise ein besonderer
(östlicher) Teil des fränkischen Reichs.
Lit.: Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine,
1990
Austria ist die am Ende des
Frühmittelalters in Parallele zu →Austrien erscheinende Bezeichnung für
ein Gebiet im Osten (des fränkischen oder deutschen Reiches z. B. 996
→ostarrihhi, 1156 marchia Austrie, woraus sich →Österreich
entwickelt).
Lit.: Köbler, DRG 76; Baltl/Kocher; Floßmann, U.,
Regnum Austriae, ZRG GA 89 (1972), 78; Krasa-Florian, S., Die Allegorie der
Austria, 2007
Austrien ist vom 6. bis 8. Jh. eine
Bezeichnung für östliche Teile des Reiches der Franken.
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia im Mittelalter,
1960; Parisse, M., Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990
Austrofaschismus ist eine Bezeichnung für das Herrschaftssystem
Österreichs zwischen 1933/1934 und 1938.
Auswanderung ist das Verlassen eines Landes auf
Dauer (durch einen Freien). 1555 erlaubt der →Augsburger Religionsfriede
die A. (lat. [F.) emigratio) bei Religionswechsel des Landesherrn. Der absolute
Staat schränkt die Freiheit der A. aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Überlegungen ein. Nach dem Vorbild Frankreichs (1789) lassen die Mitgliedstaaten
des →Deutschen Bundes 1815 die A. in einen anderen Mitgliedstaat und um
1848 die A. überhaupt zu (§ 136 der gescheiterten Reichsverfassung), wobei
zwischen 1816 und 1914 5,5 Millionen Deutsche vor allem nach Amerika auswandern
(1897 gesetzliche Regelung). Teilweise wird bei A. eine →Steuer verlangt
(u. a. 1931 Reichsfluchtsteuer, 1953 aufgehoben).
Lit.: Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R.
Thoma, 1950, 199ff.; Vom Reichskommissar für das Auswanderungswesen zum
Bundesverwaltungsamt, 1989; Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953,
1993; Straten, A. v. d., Die Rechtsordnung des zweiten Kaiserreiches und die
deutsche Auswanderung nach Übersee 1871-1914, 1997; Migration in der europäischen
Geschichte, hg. v. Bade, K., 2002; Migration steuern, hg. v. Oltmer, J., 2003;
Sternberg, J., Auswanderungsland Bundesrepublik, 2012; Keeling, D., The
Business of Transatlantic Migration between Europe and the United States
1900-1914, 2012 (11 Millionen Auswanderer)
Ausweis s. Pass
Ausweisung ist die Anordnung zum Verlassen eines Gebiets
(Landes, Stadt). Wegen ihrer geringen Kosten und ihrer befreienden Wirkung
verbreitet sich die A. seit dem späten Mittelalter rasch. Von der Aufklärung
wird die A. von Straftätern seit dem 17. Jh. zugunsten des Zuchthauses zurückgedrängt.
Lit.: Grenzen und Raumvorstellungen, hg. v. Marchal, G., 1996;
Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Reiter, I., Ausgewiesen,
abgeschoben, 2000
Authenticae (lat. [F.Pl.]) sind die vielleicht
von oder seit →Irnerius wahrscheinlich unter Verwendung der Epitome
Juliani geschaffenen, im 13. Jh. in den ersten neun Büchern des →Codex
→Justinians eingefügten (362 bzw. 212) Auszüge aus der →Authenticum
genannten Sammlung der →Novellen sowie (seit dem 14. Jh.) die (2)
Konstitutionen Sacramenta puberum (nach C 2. 27 bzw. 28. 1) und Habita (nach C
4. 13. 5) Friedrichs I. Barbarossa und die (durch Aufteilung eines umfangreichen
Gesetzes entstehenden 11) Konstitutionen (Navigia, Omnes peregrini,
Agricultores u. s. w.) Friedrichs II.
(Ad decus), die bis zu →Accursius (um 1230) in den Codex aufgenommen
werden. Eine Konstitution Heinrichs VII. von 1312 (Ad reprimendum) und der
Friede von Konstanz sind nicht in den Codex, sondern als Extravaganten hinter
die (lat. [M.Pl.]) libri feudorum (Lehnbücher) eingefügt. Nicht glossiert
werden die A. zu den letzten drei Büchern des Codex. Erst am Beginn der Neuzeit
werden alle Novellen wieder zu einer Einheit verbunden.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung
des Heiligen römischen Reiches, Studi P. Koschaker Bd. 1 1954, 187; Troje, H.,
Graeca leguntur, 1971; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Authenticum (lat. [N.]) ist die Bezeichnung für
eine um 1100 in Bologna erscheinende, 134 in das Lateinische übersetzte Stücke
umfassende, in neun (lat. [F. Pl.]) collationes geteilte Sammlung unbekannter
Herkunft der seit 535 n. Chr. unter dem oströmischen Kaiser →Justinian
ergangenen (168 griechisch gehaltenen) →Novellen, die der Zeit als
authentische Fassung gilt. →Authenticae
Lit.: Söllner § 22; Savigny, F., Geschichte des
römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 3f. 1834ff.; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Autobahn ist die nur für den Automobilverkehr
zugelassene, vierspurige, kreuzungsfrei ausgebaute Straße. In Berlin wird 1921
die Avus eröffnet, der oberitalienische Autobahnen und im August 1932 die
Strecke Köln-Bonn folgen. Nach Plänen Fritz Todts (1891-1942) entscheidet sich
Adolf Hitler für Reichsautobahnen, von denen mittels gewagter Kreditaufnahmen
(viereinhalb Milliarden Reichsmark Schulden) zwischen 1933 und 1945 rund 3860
Kilometer errichtet werden.
Lit.: Hartmannsgruber, F., …ungeachtet der noch
ungeklärten Finanzierung, HZ 278 (2004), 625; Reitsam, C.,
Reichsautobahn-Landschaften, 2009
Autograph (N.) vom Autor selbst geschriebenes
Schriftstück (kein Werk der antiken Literatur als A. erhalten)
Lit.: Hoffmann, H., Autographa im früheren
Mittelalter, DA 57 (2001), 1
Automat ist die mechanische, nach Aufheben
einer Hemmung einen Vorgang selbsttätig ausführende Einrichtung. Größere
tatsächliche Bedeutung gewinnt der A. mit dem Vordringen der elektronischen
Datenverarbeitung am Ende des 20. Jh.s. Für Rechtsfolgen wird
dessenungeachtet auf das hinter dem A. stehende menschliche Verhalten
abgestellt.
Automobil
Lit.: Automobilindustrie 1945-2000, hg. v. Tilly, S.
u. a., 2013
Autonomie ist das (vom Staat gewährte) Recht
zur Selbstgesetzgebung innerhalb einer anderweitigen Gesetzgebungshoheit. Die
A. gewinnt mit der Entstehung des staatlichen Gesetzgebungsmonopols im
Absolutismus an Bedeutung. A. haben beispielsweise Städte, Universitäten,
Religionsgemeinschaften, Sozialversicherungsträger, Vereine u. s. w.
Lit.: Wicki, A., Zur Dogmengeschichte der Parteiautonomie
im internationalen Privatrecht, 1965; Steffen, W., Die studentische Autonomie
im hochmittelalterlichen Bologna, 1981; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der
Autonomie und die Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Lim, M., Der
Begriff der Autonomie und des Menschenrechts bei Kant, 2002; Autonomie im
Recht, hg. v. Grundmann, S. u. q., 2016; Autonomie im Recht, hg. v. Bumke, C.
u. a., 2017
Autor →Urheber
Lit.: Metzler Lexikon Autoren hg. v. Lutz, B., 2010
(600 deutschsprachige AutorenAutoren)
Auvergne ist die durch Cäsar ins römische
Reich gelangte Landschaft um das Zentralmassiv in Frankreich. Sie wird 507
fränkisch (Mitte 8. Jh. [lat.] Formulae [F.Pl.] Arvernenses) und kommt 955 an
Poitou. Seit 1189 geht sie vom König zu Lehen. Ein Teil fällt 1527/1531 an den
König, der gräfliche Rest 1609. Der Advokat Jean Masuer († 1450) zeichnet in
seiner (lat.) Practica (F.) forensis (Gerichtliche Praxis) das zuvor ganz
zersplitterte Recht erstmals umfassender auf. 1510 wird die Coutume d’Auvergne
wirksam.
Lit.: Massé, E., La coutume d’Auvergne, Diss. jur.
Toulouse 1913; Histoire d’Auvergne, hg. v. Manry, A., 1974
Averani, Giuseppe (1662-1738), seit 1685
Professor des römischen Rechtes in Pisa, übernimmt die humanistischen Gedanken
des (lat.) →mos (M.) Gallicus in die Rechtswissenschaft Italiens und
bereitet dadurch den Boden für die Aufklärung (in Toskana) vor ([lat.]
Interpretationum iuris libri [M.Pl.] duo
u. s. w., 1713).
Lit.: Dizionario Biographico degli Italiani, 1960ff.,
4, 658f.
Avignon in Südfrankreich ist von 1309 bis 1378 Sitz
des von Frankreich gefangen gehaltenen Papstes und von 1378 bis 1417 Sitz eines
Gegenpapsts.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 149
Aware, Avare, ist der Angehörige eines um 460 aus
Zentralasien nach Westen vorstoßenden, um 566 an Donau und Theiß siedelnden,
822 aus der Überlieferung verschwindenden Steppenvolks.
Lit.: Pohl, W., Die Awaren, 2. A. 2002
Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) (1490?-1560),
Sohn eines (lat.) legum doctor (M.) und Richters, wird nach dem Rechtsstudium
in Avignon und Pavia (Mayno, Alciat?) 1521 königlicher Rat im Parlament von Grenoble.
Mit Druckerprivileg vom 8. 8. 1515 veröffentlicht er in Valence (lat.) Libri
(M.Pl.) de historia iuris civilis et pontificii mit 129 numerierten und 19
unnumerierten Blättern, welche die erste umfassende Rechtsgeschichte (des
römischen und kirchlichen Rechtes) darstellen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Aymar
duRivailLibridehistoriaiuriscivilisetpontificii1515.pdf , Aymar du Rivail,
Libri de historia iuris civilis et pontificii, 1515, Moeller, E. v., Aymar du
Rivail, 1907; Köbler, G., Zur Geschichte der römischen Rechtsgeschichte, (in)
Geschichtliche Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 220
Aytta, Wigle (Viglius) van (Barrahuis bei Leeuwarden
1507-Brüssel 1577) wird nach dem Studium in Löwen, Dôle und Valence Schüler
→Alciats in Bourges und 1532 Professor des römischen Rechtes in Padua,
1537-1542 in Ingolstadt. Er verwertet in seinen Veröffentlichungen auch
byzantinische Rechtsquellen.
Lit.: Postma, F., Viglius van Aytta als humanist en
diplomaat 1507-1549, 1983; Sprenger, R., Viglius von Aytta, 1988
Azo (Bologna 1150?-1220 [vor 1190-1220/1230]) lehrt nach
dem Studium in Bologna (u. a. Johannes Bassianus) spätestens seit 1190 dort
weltliches Recht. Seine bedeutendsten Leistungen bestehen in der Herstellung
von (weitgehend ungedruckten) Glossenapparaten zu allen Teilen der
justinianischen Gesetzgebung (die glossa ordinaria verweist auf ihn 3600mal)
sowie in (lat.) Summae (F.Pl.) Codicis (1208-1210), Lectura (F.) Codicis (durch
Vorlesungsnachschrift erhalten), Summae (F. Pl.) Institutionum und Summae
Digestorum (str.) (daneben Quästionen, Distinktionen, Brocardica, Consilia und
Definitionen). Insbesondere im 16. Jh. erfahren seine Werke weiteste
Verbreitung. Er ist Lehrer z. B. des →Accursius, Jacobus Balduini,
(Martinus de Fano,) Roffredus Epiphanii, Jacobus de Ardizone, (Goffredus de
Trano,) und Johannes Teutonicus. Seine Arbeiten werden u. a. verwendet von
Henry de Bracton (vielleicht nach 1230), vom Klagspiegel ([Conrad Heyden] um
1436) und wohl auch vom (lat. [M.]) Vocabularius utriusque iuris (Wörterbuch
beider Rechte) des Jodocus aus Erfurt (1452).
Lit.: Köbler, DRG 107; Belloni, A., Le questioni
civilistiche del secolo XII, 1989; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
1 1997, 255
B
Baar ist die in Urkunden des 8. und 9. Jh.s bezeugte,
bisher nicht sicher erklärte Bezeichnung des Gebiets an der obersten Donau bei
Donaueschingen (z. B. Adalhartespara). Nach den Herzögen von Zähringen
erscheint 1264 Konrad von Wartenberg als Landgraf in der B., 1304 eine
Landgrafschaft B., die denen von Fürstenberg zukommt.
Lit.: Bader, K., Zur politischen und rechtlichen
Entwicklung der Baar, 1937; Bader, K., Kloster Amtenhausen in der Baar, 1940;
Beyerle, F., Zum Problem der alamannischen Baaren, ZRG GA 62 (1942), 305;
Bohnenberger, K., Zu den Baaren, ZRG GA 63 (1943), 319; Bader, K., Die
Landgrafschaft Baar, 1960; Leiber, G., Das Landgericht der Baar, 1969; Banse,
H., Ein neuer Ansatz, Alemann. Jb. 1997/1998, 27
Babelsberger Konferenz ist die in Babelsberg am 2./3. 4.
1958 tagende Konferenz, in der Walter Ulbricht von der Rechtswissenschaft der
→Deutschen Demokratischen Republik eine stärkere marxistisch-leninistische
Durchdringung sowie eine bessere Verbindung mit der Praxis des sozialistischen
Aufbaus fordert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mollnau, K., Implementationsmechanismen
der Babelsberger Konferenz, (in) Staat und Recht in den neuen Bundesländern,
Sonderheft Oktober 1991, 175; Die Babelsberger Konferenz, hg. v. Eckert, J.,
1993; Güpping, S., Die Bedeutung der „Babelsberger Konferenz“, 1997
Babenberger ist der Angehörige eines in der
Mitte des 11. Jh.s nach der Burg Babenberg (Bamberg) benannten, vor allem in
Ostfranken begüterten, 945 letztmalig bezeugten Adelsgeschlechts (Popponen,
Adalbert von Bamberg bei Haßfeld am 9. 9. 906 enthauptet). Als erster, wohl mit
ihnen (oder nach Scheibelreiter vielleicht mit den Liutpoldingern) verwandter
jüngerer B. erscheint 976 ein Markgraf Liutpald der Mark an der Donau. 1156
erreichen die B. (Leopold I. 976-994, Heinrich I. 994-1018, Adalbert 1018-1055,
Ernst 1055-1075, Leopold II. 1075-1095, Leopold III 1095-1136, Leopold IV.
1136-1141, Heinrich II. Jasomirgott 1141-1177) im sog. (lat. [N.]) privilegium
minus als Ausgleich für die Rückgabe des 1138 von den Staufern den Welfen
entzogenen und 1139 den Babenbergern übertragenen Herzogtums →Bayern die
Erhebung ihrer Mark zum selbständigen, von Bayern gelösten Herzogtum
→Österreich des deutschen Reiches. Die (nach Leopold V. 1177-1194, Friedrich
I. 1195-1198, Leopold VI. 1198-1230 und Friedrich II. 1230-1246) zunächst an
Baden (1248-1251) und dann an Böhmen gelangten Güter des 1246 im Mannesstamm
erloschenen Geschlechts verlehnt König Rudolf von Habsburg nach dem
→Interregnum (1282) innerfamiliär an die →Habsburger. Die Benennung
als B. wird erst im 15. Jh. allgemein üblich.
Lit.: Köbler, DRG 76, 94; Rauch, K., Die Erwerbung des
Herzogtums Steiermark durch die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Rauch, K.,
Die Übertragung der steirischen Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht
der Babenberger, ZRG GA 58 (1938), 448; Urkundenbuch zur Geschichte der
Babenberger in Österreich, Bd. 1ff. 1950ff.; Appelt, H., Privilegium minus,
1973, 2. A. 1977; Lechner, K., Die Babenberger, 1976, 4. A. 1985, 6. A. 1996;
Tausend Jahre Babenberger in Österreich, 1976; Weller, T., Die Heiratspolitik,
2004; Dienst, H., Die Babenberger 976-1246, 2005; Brunner, K., Leopold der
Heilige, 2009; Scheibelreiter, G., Die Babenberger, 2010; Hanko, H., Herzog
Heinrich II. Jasomirgott, 2012
Babylon
Lit.: Jursa, M., Die Babylonier, 2004
Baccalaureus (9. Jh. baccalarius, [lat., M.],
Knecht) ist seit dem 13. Jh. (1231) der unterste akademische Grad (vgl. angloam.
bachelor).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leff, G., Paris and Oxford in
the 13th and 14th Centuries, 1968; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 63
Bacharach
Lit.: Wagner, F., Stadt Bacharach und Samtgemeinde der
Viertäler, 1956
Bachofen, Johann Jakob (Basel 22. 12.
1815-Basel 25. 11. 1887), Seidenbandfabrikantensohn, wird nach dem Studium
von Philologie, Geschichte und Recht in Basel, Berlin (Savigny) und Göttingen
1841-1844 Professor für römisches Recht in Basel und 1842 Richter (1844
Appellationsrat). Auf rechtsethnologischer Grundlage entwickelt er die
Vorstellung eines ursprünglichen Mutterrechts (Über das Weiberrecht, 1856, Das
Mutterrecht, 1861). Bei seinen Zeitgenossen findet er hierfür kein
Verständnis.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bach-ofenJohannJakobDasMutterrecht1861.pdf
Bachofen, J., Eine Selbstbiographie, Zeitschrift für vergleichende
Rechtswissenschaft 34 (1917); Bernoulli, C., Johann Jakob Bachofen und das
Natursymbol, 1924; Müllenbach, B., Johann Jakob Bachofen als Rechtshistoriker,
ZRG GA 105 (1988), 17
Bacon, Francis (London 22. 1. 1561-Highgate bei London 9.
4. 1626), Sohn des englischen Lordsiegelbewahrers, wird nach dem Studium in
Cambridge und der Berufsausbildung in Gray’s Inn 1583 Anwalt, 1607 Kronanwalt,
1613 Justizminister, 1617 Lordsiegelbewahrer und 1618 Lordkanzler. Wegen des
Verdachts der Bestechlichkeit verliert er 1621 alle öffentlichen Ämter. Als
Jurist bemüht er sich besonders um Klarheit und Wissenschaftlichkeit.
Außerrechtliche Bekanntheit gewinnt er durch die Forderung, dass die
Wissenschaft nur aus einzelnen Erfahrungen allgemeine Folgerungen ziehen dürfe
(→Empirismus, →Locke).
Lit.: Köbler, DRG 136; Bock, H., Staat und
Gesellschaft bei Francis Bacon, 1937; Anderson, F., Francis Bacon, 1962; Krohn,
W., Francis Bacon, 1988; Wormald, B., Francis Bacon, 1993; Zagorin, P., Francis
Bacon, 1998; Keller, S., Experiment versus Dogma, 2005
Baculus (M.) iudicii secularis (lat.) in Frankenford ist das in
88 Artikeln gegliederte Werk über Gerichtsverfassung und Verfahren in Frankfurt
am Main, das zwischen 1400 und 1430 von einem unbekannten Stadtschreiber
verfasst worden sein könnte.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Baculusiudicii14001430.htm;
Coing, H., Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939, 15
Bad
Lit.: Martin, A., Deutsches Badewesen, 1906; Gail, W., Die
Rechtsverfassung der öffentlichen Badstuben, 1940; Büchner, R., Im städtischen
Bad vor 500 Jahren, 2014
Baden im Oostal erscheint nach einem
römischen Aquae Aureliae 987. Nach ihm benennt sich seit 1112 eine mit Markgraf
Hermann († 1074) erkennbare, von den Herzögen von →Zähringen abstammende
Familie. Sie gewinnt umfangreiche Güter, die nach Vervierfachung unter Napoleon
am Beginn des 19. Jh.s (1806) bis zur Abdankung am 22. 11. 1918 gehalten werden
können. 1951/1952 geht B. in Baden-Württemberg auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 186, 192, 201, 156; Köbler,
Historisches Lexikon; Meyer, E., Badisches Volksleben im neunzehnten
Jahrhundert, 1900; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte Bd. 1f. 1906ff.;
Andreas, W., Die Einführung des Code Napoléon in Baden, ZRG GA 31 (1910), 182;
Lenel, P., Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung unter Markgraf Karl
Friedrich (1738-1803), 1913; Andreas, W., Geschichte der badischen Verwaltungsorganisation
und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Windelband, W., Die Verwaltung
der Markgrafschaft Baden zur Zeit Karl Friedrichs, 1916; Krieger, A., Badische
Geschichte, 1921; Strobel, E., Neuaufbau der Verwaltung und Wirtschaft der
Markgrafschaft Baden-Durlach, 1935; Hofmann, K., Die germanische Besiedelung
Nordbadens, 1937; Wahle, E., Vorzeit am Oberrhein, 1937; Beinert, B., Geheimer
Rat und Kabinett in Baden, 1937; Badisches Wörterbuch, bearb. v. Ochs, E. u.
a., Bd. 1ff. 1940 ff.(2011 bis Lieferung 82/83, Abschluss in 5 Bänden geplant
für 2015); Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1948ff.; Rheinbaben, G.
v., Die erste Kammer in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1949; Bader, K.,
Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen Entwicklung, 1950;
Armbruster, F., Die Freiburger Talvogtei, 1950; Arndt, E., Vom markgräflichen
Patrimonialstaat zum großherzoglichen Verfassungsstaat Baden, Diss. jur.
Freiburg 1952 = ZGO 101 (1953), 157, 436; Haebler, R., Badische Geschichte,
1951, Neudruck 1987; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte, 1955;
Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961;
Rummer, J., Die Pforzheimer Prob, 1963; Sütterlin, B., Geschichte Badens, 1967;
Gut, J., Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete,
1970; Blickle, P., Landschaften im alten Reich, 1973; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2626, 3,3,2855,3696; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit im Großherzogtum Baden-Baden, 1974; Vogteien, Ämter,
Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag, 1975; Theil, B., Das
älteste Lehnbuch der Markgrafen von Baden, 1974; Krimm, K., Baden und Habsburg,
1976; Stiefel, K., Baden 1648-1952, 1978; Boelcke, W., Handbuch
Baden-Württemberg, 1982; Badische Biographien, neue Folge, Bd. 1ff. 1982ff.;
Real, W., Die Revolution in Baden 1848/49, 1983; Das Großherzogtum Baden
zwischen Revolution und Restauration 1849-1851, hg. v. Real, W., 1983;
Pforzheim in der frühen Neuzeit, hg. v. Becht, H., 1989; Gross, N., Der Code
civil in Baden, 1993; Muscheler, K., Die Rolle Badens in der
Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 1993; Die badische
Verfassung von 1818, hg. v. Bräunche, E. u. a., 1996; Hug, W., Geschichte Bandens,
1998;Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg. v. Schwarzmaier, H.
u. a., Bd. 1ff. 1998ff.; Baldes, A., Die Entstehung des Strafgesetzbuches,
1999; Quellen zur Entstehung der Verfassung des Landes Baden, bearb. v.
Feuchte, P., 1999; Kißener, M., Richter zwischen Diktatur und Demokratie, 2003;
Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003; Festschrift 200
Jahre Badisches Oberhofgericht – Oberlandesgericht Karlsruhe, hg. v. Münchbach,
W., 2003; Würtz, C., Johann Niklas Friedrich Brauer (1754-1813), 2005;
Schwarzmaier, H., Baden, 2005; Engehausen, F., Kleine Geschichte des
Großherzogtums Baden 1806-1918, 2005; Die Protokolle der
Regierung von Baden, Bd. 1ff. bearb. v. Hochstuhl, K., 2006ff.; Kohnle, A.,
Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, 2007; Pätzold, S., Kleine
Geschichte der Stadt Pforzheim, 2007; Laufs, A. u. a. Das Eigentum an badischen
Kulturgütern, 2008; Becht, H., Badischer Parlamentarismus 1819 bis 1870,
2009; Maciejewski, J., Amtmannsvertreibungen in Baden im März und April 1848,
2010; Leschhorn, K., Die Städte der Markgrafen von Baden, 2010; Engehausen, F.,
Kleine Geschichte der Revolution 1848/49 in Baden, 2010; Borgstedt, A.,
Badische Anwaltschaft und sozioprofessionelles Milieu in Monarchie, Republik
und totalitärer Diktatur, 2012; Weinacht, P., Politische Kultur am Oberrhein,
2012; Gräbener, R., Verfassungsinterdependenzen in der Republik Baden, 2014;
Kitzing, M., Für den christlichen und sozialen Volksstaat, 2014; Die
Lebenserinnerungen des ersten badischen Staatspräsidenten Anton Geiß
(1858-1944), hg. v. Furtwängler, M., 2014; Hug, W., Die Geschichte Badens, 2.
A: 2016; Selgert, F., Baden and the Modern State, 2018
Baden-Württemberg ist das 1951/1952 (25. April 1952)
aus Württemberg-Baden (Nordbaden, Nordwürttemberg), Baden (Südbaden) und
Württemberg-Hohenzollern (Südwürttemberg, Hohenzollern) gebildete Bundesland
der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Deutsches
Städtebuch, Baden-Württemberg 1959; Landesgeschichtliche Vereinigungen in
Baden-Württemberg, bearb. v. Gönner, E., 1987; Boelcke, W., Handbuch
Baden-Württemberg, 1982; Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, hg.
v. d. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Bd. 1ff.
1990ff.; Weber, R./Wehling, H., Geschichte Baden-Württembergs, 2007; Wilhelm,
B., Das Land Baden-Württemberg, 2007; Meier-Braun, K. u. a., Kleine Geschichte
der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, 2008; Waßner, M., Kleine Geschichte
Baden-Württembergs, 3. A. 2017
Bader, Karl Siegfried (Waldau/Schwarzwald 27. 8.
1907-Zürich 13. 9. 1998, Vater Hauptlehrer) wird nach dem Rechtsstudium in
Tübingen, Wien, Heidelberg und Freiburg im Breisgau 1931 in Notariat und
Staatsanwaltschaft in Freiburg im Breisgau tätig, aber zum 1. 10. 1933 trotz
Beitritts zur NSDAP wegen nicht vollarischer Abstammung seiner in Wien
kennengelernten Ehefrau (Grete Weiss) entlassen und deswegen Rechtsanwalt und
Leiter des fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen. 1945 wird er
Generalstaatsanwalt und außerordentlicher Professor für Rechtsgeschichte und
Kirchenrecht in Freiburg in Breisgau, 1951 ordentlicher Professor in Mainz und
1953 als Nachfolger Heinrich Mitteis‘ in Zürich (1975 emeritiert). Sein
bekanntestes Werk seiner rund 1200 Veröffentlichungen sind dreibändige Studien
zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes (1957-1973).
Lit.: Zwei Jahrzehnte Rechtsgeschichte an der Universität Zürich, 1975;
Bader, K., Ausgewählte Schriften, 1983; Schott, C., Karl Siegfried Bader, ZRG
GA 119 (2002), 1
Badisches Landrecht von 1588 ist das von Markgraf
Philipp II. am 2. 1. 1588 erlassene, 1805 erstmals gedruckte, bis Ende 1809
bzw. bis 1810 geltende Landrecht für die Markgrafschaft Baden-Baden (Landesordnung),
das in seinen drei ersten Teilen (Untergerichtsordnung, Kontrakte, Testamente)
auf dem württembergischen Landrecht von 1567 beruht, im vierten Teil das
Intestaterbrecht selbständig behandelt und in seinem fünften Teil (Strafrecht)
(über das Kurpfälzer Landrecht von 1580 bzw. 1582) auf die kursächsischen
Konstitutionen (1572) zurückgeht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Leiser, W., Der gemeine
Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961, 86
Badisches Landrecht von 1654 ist das seit 1604 vorbereitete,
für 1619 geplante, 1622 (und 1710, 1715 sowie 1773) gedruckte, ursprünglich für
ganz Baden (Baden-Baden und Baden-Durlach) gedachte, aber wegen der (bis 1771
dauernden) Landesteilung nur in Baden-Durlach von 1654 bis 1810 gültige
Landrecht, das auf der Grundlage älterer Einzelgesetze sowie des kurpfälzischen
Landrechts und des württembergischen Landrechts in sieben Teilen
(Untergerichtsordnung, Hofgerichtsordnung, Ehe- und Ehegerichtsordnung,
Verträge, Testamente, Intestaterbrecht, Strafrecht und Strafprozessrecht) fast
das gesamte Recht ordnet (ausgenommen das Verwaltungsrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Carlebach, R., Badische
Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1906ff., 2, 20
Badisches Landrecht von 1809 ist der zum 1. 1. 1810
als Landrecht für das Großherzogtum Baden eingeführte, durch Johann Nikolaus
Friedrich Brauer unter Ausschluss von Fremdwörtern wortnah in die deutsche
Sprache übersetzte Code Napoléon (→Code civil, 2281 Artikel) Frankreichs
mit (270) Zusätzen und Handelsgesetzen, dessen Geltung (revidierte Fassungen
von 1846, 1874 und 1899) durch die Inkraftsetzung des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuchs am 1. 1. 1900 endet.
Lit.: Brauer, J., Erläuterungen über den Code
Napoléon, 1809ff.; Carlebach, R., Badische Rechtsgeschichte, Bd. 2 1909; Schubert,
W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Fehrenbach, E., Traditionale
Gesellschaft und revolutionäres Recht, 3. A. 1983; Gross, N., Der Code Napoléon
in Baden und sein Verleger C. F: Müller, 1997; Code Napoleon - Badisches
Landrecht, (hg. v. Müller-Wirth, C.,) 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodeNapoleonBaden1809.pdf;
Schroeder, K., Hier ist eine baldige aber Radicale Kur nothwendig, NJW 2010,
731; Rabaa, A., Die Ehe als Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810,
2011; 200 Jahre Badisches Landrecht von 1809/1810, hg. v. Hattenhauer,
C./Schroeder, K., 2011; Sturm, F., 200 Jahre Badisches Landrecht, 2011
Bagarottus ist ein zwischen 1170 und 1180 geborener, wohl
in Piacenza anässiger Jurist.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 297
Bähr, Otto (Fulda 2. 6. 1817-Kassel 17. 2. 1895), Sohn
eines Regimentsarzts, wird nach dem Rechtsstudium in Marburg, Göttingen und
Heidelberg Richter in Kassel (1849), (1851 strafverstzt in) Fulda, Kassel und (nach
der Annexion Hessen-Kassels durch Preußen) 1866) Berlin (1879-1881
Reichsgericht, Aufgabe des Amtes wegen Nervenleidens). Als nationalliberaler
Rechtspolitiker setzt er sich für die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns
ein (Der Rechtsstaat, 1864). In der Untersuchung Die Anerkennung als
Verpflichtungsgrund entwickelt er den selbständig (abstrakt) verpflichtenden
Schuldvertrag.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Baehr
OttoDerRechtsstaat1864.pdf , Bähr, Otto, Der Rechtsstaat, 1864, Weber, D., Die
Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Binder, B., Otto Bähr, 1983
Bahrprobe ist das wohl erst seit dem 12./13.
Jh. in literarischen Texten (Nibelungenlied) bezeugte, zunächst
außergerichtliche, in dem Rechtsbuch Ruprechts von Freising von 1328 (Art. 278)
auch für gerichtliche Verwendung nachgewiesene Verfahren, bei dem bei Fehlen
anderer Beweismöglichkeiten ein einer Tötung Beschuldigter an die Totenbahre
des Getöteten treten und seine Unschuld beschwören muss oder auch darf. Veränderungen
der Leiche (z. B. Bluten) werden als Hinweis auf die Täterschaft des
Beschuldigten angesehen. Herkunft (vgl. 1. Moses 4,10 [lat.] vox sanguinis
fratris tui clamat ad me de terra, die Stimme des Blutes deines Bruders ruft zu
mir von der Erde) und Wesen des Verfahrens sind unklar. Mit der Aufklärung
verschwindet die in der Neuzeit als Indiz für die Anwendbarkeit der Folter
gebrauchte B., mit dem 19. Jh. der Glaube an sie.
Lit.: Christensen, C., Baareprøven, 1900; Kolb, F.,
Das alte Bahrrecht in Tirol, Tiroler Heimat 13/14 (1949/1950), 7; Ewers, H.,
Die Bahrprobe, Diss. jur. Bonn 1951; Fehr, H., Das Bahrrecht, Dt. Jb. f.
Volkskunde 6 (1960), 85
Balduinus →Baudoin
Baldus de Ubaldis (Perugia 2. 10. 1327-Pavia 28. 4.
1400), Sohn eines adligen Professors der Medizin, wird nach dem Studium in
Perugia (Bartolus) Professor des römischen Rechtes in Perugia (1347-1357), Pisa
(1357/1358), Florenz (1358-1364), Perugia (1364-1376), Padua (1376-1379), Perugia
(1379-1390) und Pavia (1390-1400). Auf Grund der vollständigen Beherrschung des
gesamten geltenden Rechtes gelingt ihm die selbständige Weiterbildung vieler
Einzelheiten (Wechselrecht, Gesellschaftsrecht, internationales
Privatrecht, Prozessrecht, Staatsrecht, Strafrecht, Privatrecht) in rund 2800
(d. h. fast 70 je Jahr) Gutachten (lat. [N.Pl.] consilia) und verschiedenen
(lückenhaften) Kommentaren (lectura Codicis, Kommentar zum digestum vetus,
lectura trium librorum Codicis, lectura super usibus feudorum, Kommentar zu
acta pacis Constantiae, Kommentar zum liber extra) und Traktaten.
Lit.: Söllner § 25; Kisch, G., Bartolus und Baldus,
1960; Horn, N., Aequitas in den Lehren des Baldus, 1968; Lange, H., Die
Consilien des Baldus, 1974; Maffei, D., Giuristi medievali, 1979; Danusso, C.,
Ricerche sulla lectura feudorum di Baldo, 1991; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 749
Balkan (Berg in Bulgarien) ist die aus dem
Türkischen kommende, zusammenfassende Bezeichnung für die südosteuropäische
Halbinsel, auf der das römische Recht nach dem Ende der Antike in Form des
byzantinisch-römischen Rechtes fortwirkt, seit dem 14. Jh. aber durch den
Nomokanon des Pseudo-Phótios vom Ende des 9. Jh.s, das Syntagma tón theión kai
hierón nomón des Mönches Matthaios Blastarés (1335) und den Hexabiblos des
Konstantinos Harmenopoulos (1345) bereichert wird.. →Griechenland,
Albanien, Bulgarien, Jugoslawien.
Lit.: Weithmann, M., Balkan-Chronik, 1995; Hösch, E.,
Geschichte der Balkanländer, 4. A. 2002; Der Balkan, hg. v. Elvert, J., 1997;
Der Balkan, hg. v. Heuberger, V. u. a., 1998; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan,
M. u. a., 1999; Der Balkankrieg, hg. v. Hofbauer, H., 1999; Mennel, R., Der
Balkan, 1999; Razumovsky, D. Gräfin, Der Balkan, 1999; Pavlowitsch, S., A
History of the Balkans 1804-1945, 1999; Todorova, M., Die Erfindung des
Balkans, 1999; Hösch, E., Geschichte des Balkans, 2004; Europe and the
Historical Legacies in the Balkans, hg. v. Detrez, R. u. a., 2008; Am Rande
Europas?, hg. v. Chiari, B. u. a., 2009; Zimmermann, T., Der Balkan zwischen
Ost und West, 2014;Jezernik, B., Das wilde Europa, 2015; Foteva, A., Do the
Balkans Begin in Vienna?, 2015
Ballei (zu mlat. [M.] ballivus) ist seit
dem 14. Jh. nach sizilianischem Vorbild die Bezeichnung für die Provinz des
→Deutschen Ordens (außerhalb des Preußenlands) mit dem Landkomtur (als
Vertreter des Hochmeisters) an der Spitze (z. B. Utrecht, Alten-Biesen,
Westfalen, Sachsen, Hessen, Thüringen, Franken, Koblenz, Elsass-Schwaben-Burgund,
Lothringen, Österreich, An der Etsch und im Gebirge, Lamparten, Apulien,
Sizilien, Böhmen, Armenien und Zypern, Romanien).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voigt, J.,
Geschichte des Deutschen Ritter-Ordens, Bd. 1f. 1857ff.; Militzer, K., Die
Entstehung der Deutschordensballeien im deutschen Reich, 2. A. 1981; Militzer,
K., Von Akkon zur Marienburg, 1999
Ballivus (zu lat. baiulus [M.] Lastträger)
ist ein herrschaftlicher Amtsträger im mittelalterlichen Frankreich (um 1150)
sowie später in Süditalien und als bailiff im hochmittelalterlichen England
mit meist auch niedergerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Nowé, H., Les baillis comtaux de Flandre, 1929;
Rompaey, J. v., Het grafelijk baljuwsambt in vlaanderen, 1967
Balte ist der Angehörige eines baltisch
sprechenden indogermanischen Volkes (Preußen, Kuren, Letten, Litauer).
Baltikum ist die neuzeitliche Sammelbezeichnung
(seit dem 16. Jh. sind baltische Länder Estland, Livland mit Lettgallen im
Südosten, Semgallen und Kurland, während Litauen erst seit dem 19. Jh. zu dem
B. gezählt wird) für die spätestens seit dem ausgehenden Frühmittelalter von
ugro-finnischen und balto-slawischen Stämmen (Esten, Liven, Kuren, Lettgaller,
Selen, Semgaller) besiedelten Gebiete am östlichen Rand der südlichen Ostsee.
Das B. wird seit dem Ende des 12. Jh.s von Deutschen (Riga 1201) und Dänen
(Reval 1219) beeinflusst. Die Bischöfe von Riga (1255 Erzbistum), Dorpat, Ösel,
Kurland und Reval sowie der Deutschordensmeister von Livland erlangen die
Stellung von Fürsten des Heiligen römischen Reiches. Sie finden sich im 15. Jh.
in einer altlivländischen Konföderation mit alljährlichen Landtagen zusammen.
Das aufgezeichnete, neben ungeschriebenen Gewohnheitsrechten der Bauern
bestehende Recht ist (von Dänemark und) vom Heiligen römischen Reich
beeinflusst (1315 waldemar-erichsches Lehnrecht [beeinflusst vom Dienstrecht
des Hochstifts Hildesheim], ältestes livländisches Ritterrecht, livländischer
Spiegel [als Überarbeitung des →Sachsenspiegels], [kompiliert als]
wiek-öselsches Lehnrecht, mittleres livländisches Ritterrecht [15. Jh.],
umgearbeitetes Ritterrecht [systematisiert], Bauernrechte [mit
Bußbestimmungen], lübisches Stadtrecht [Reval] und hamburgisches Stadtrecht
[Riga, Dorpat, Libau]). Das römische Recht wirkt sich nur wenig aus. 1561 kommt
das Gebiet an Polen (Livland, Kurland) und Schweden (Estland, 1621 auch
Livland), 1710 fallen Estland und (mittleres) Livland (sowie das seit 1559
dänische Ösel), 1772 bei der ersten Teilung Polens Lettgallen und 1795 bei der
dritten Teilung Polens Kurland an Russland, wobei augsburgische Konfession,
deutsches Recht, deutsche Verwaltung und Amtssprache zugesichert bleiben.
1816/1819 erfolgt (innerhalb Russlands) die Bauernbefreiung, danach die
Festlegung des Provinzialrechts (1864 Zivilgesetzbuch [mit etwa 4600 Artikeln],
liv-, est- und kurländisches Privatrecht, wobei der Kern des inhaltlichen
baltischen Privatrechts als aus deutschen [40 Prozent livländisches,
estländisches, lübisches, russisches Recht, kurländische Statuten, baltische
Bauernverordnungen, Gewohnheitsrecht] und römischen Wurzeln [57 %
römisch-rechtlichen Ursprungs] erwachsenen gemeinen Rechtes örtlicher Prägung
erhalten bleibt), 1877 die Einführung der Städteordnung Russlands von 1870,
1889 die Einführung des russischen Gerichtsverfassungsrechts und
Prozessrechts. 1918 werden Estland (24. 2. 1918) und Lettland von Russland bzw.
der Sowjetunion unabhängig und selbständig, am 6. 8. 1940 bzw. 5. 8. 1940 der
Sowjetunion unter Aussiedlung der Deutschen auf Grund des Hitler-Stalin-Pakts
von 1939 gewaltsam eingegliedert und am 6. 9. 1991 wieder unabhängig. 2004
werden Estland, Lettland und Litauen Mitglieder der Europäischen Union.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ziegenhorn, C. v.,
Staatsrecht der Herzogtümer Curland und Semgallen, 1772, Neudruck 1973; Bunge,
F. v., Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849;
Bunge, T. v., Der baltische Civilprozess nach der Justizreform vom Jahre 1889,
1890f.; Schmidt, O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck
1968; Schilling, C., Die lehn- und erbrechtlichen Satzungen des
waldemar-erich’schen Rechtes, (o. J.); Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954;
Blaese, H., Einflüsse des römischen Rechtes in den baltischen Gebieten, 1964;
Von den baltischen Provinzen zu den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u.
a., 1977; Hehn, J. v., Die Umsiedlung der baltischen Deutschen, 1984; Ludwig,
K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Schmidt, A., Geschichte des Baltikums, 1992;
Baltische Länder, hg. v. Pistohlkors, G. v., 1994; Die baltischen Sprachen, hg.
v. Eckert, R., 1994; Der Aufbau der freiheitlich-demokratischen Ordnung in den
baltischen Staaten, hg. v. Meissner, C. u. a., 1995; Norgaard, O. u. a., The
Baltic States after Independence, 1996; Die baltischen Staaten, hg. v. Scholz,
F. u. a., 1997; Baltistik, hg. v. Bammesberger, A., 1998; Handbuch Baltikum
heute, hg. v. Graf, H. u. a., 1998; Die Deutschbalten und der Nationalsozialismus,
Bd. 1, hg. v. Garleff, M., 2000; Roth, M., Der Einfluss des Europarats auf die
demokratische und menschenrechtliche Transformation der baltischen Staaten,
2004; Tuchtenhagen, R., Geschichte der baltischen Länder, 2005; Garber, K.,
Schatzhäuser des Geistes, 2006; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 982; Tuchtenhagen,
R., Zentralstaat und Provinz im frühneuzeitlichen Nordosteuropa, 2008;
Baltisch-europäische Rechtsgeschichte und Lexikographie, hg. v. Kronauer, U. u.
a., 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z.,
2010; Aufklärer im Baltikum, hg. v. Kronauer, u., 2011; Plath, T., Zwischen
Schonung und Menschenjagden, 2012; Die baltischen Länder und Europa in der
frühen Neuzeit, hg. v. Angermann, N. u. a., 2015
Baluze, Etienne (Tulle 24. 11. 1630-Paris
28. 7. 1718) veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Toulouse als
Bibliothekar Colberts 1677 die erste große Ausgabe der frühmittelalterlichen
→Kapitularien (einschließlich der Volksrechte) des fränkischen Reiches
(Capitularia regum Francorum).
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien?, 1961
Bamberg ist der als Burg Babenberg
(→Babenberger) erstmals zum Jahre 902 genannte Ort am oberen Main, der
973 von Kaiser Otto II. an den verwandten Herzog von Bayern gegeben und 1007
unter dessen Erben König Heinrich II. Sitz eines Bistums wird. Um 1060 erfolgt
eine Aufzeichnung des Dienstrechts der Dienstmannen. 1507 schafft der
bischöfliche Hofmeister Johann von →Schwarzenberg die Bamberger
Halsgerichtsordnung (Constitutio Criminalis Bambergensis). 1735 wird für
kurze Zeit eine juristische Fakultät (Gönner) an der von 1648 bis 1803
bestehenden Universität eingerichtet. 1769 wird ein Landrecht erlassen (nur
Teil 1 Civil- oder bürgerliche Sachen betreffend). 1803 fällt das Fürstbistum
B. an Bayern. Kirchlich wird das seit dem 13. Jh. von Mainz exemte Bistum
1818/1821 Erzbistum mit den Bistümern Eichstätt, Speyer und Würzburg. Seit 1923
besteht eine philosophisch-theologische Hochschule mit (1946) rechtswissenschaftlichem
Studiengang, seit 1972 eine Gesamthochschule (1979 Universität) mit einer
wirtschaftswissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Fakultät.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 94, 138; Köbler,
Historisches Lexikon; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BambergischeHalsgerichtsordnung1507.pdf;
Zöpfl, H., Das alte Bamberger Recht, 1839; Jaffé, P., Monumenta Bambergensia,
1869; Güterbock, C., Zur Redaktion der Bambergensis, 1910; Ament, W., Bamberg,
1929; Das (exemte) Bistum Bamberg, hg. v. Guttenberg, E. v. u. a., 1937ff.;
Weiß, H., Stadt- und Landkreis Bamberg, 1974; Hoffmann, H., Bamberger
Handschriften, 1995; Moser, P., Bamberg, 1998; Pflefka, S., Das Bistum Bamberg,
2005; Das Bistum Bamberg um 1007, hg. v. Urban, J., 2006; Festschrift 200 Jahre
Appellationsgericht/Oberlandesgericht Bamberg, hg. v. Meisenberg, M., 2009;
Missionierung und Christianisierung im Regnitz- und Obermaingebiet, hg. v.
Bergmann, R. u. a., 2007; Siewert, U., Das Bamberger Kollegiatstift St. Stephan,
2007; Staudenmaier, J., Gute Policey in Hochstift und Stadt Bamberg, 2012;
Handel, Händler und Märkte in Bamberg, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2015;
Bambergische Peinliche Halsgerichtsordnung Constitutio Criminalis Bambergensis,
2015
Bamberger Halsgerichtsordnung →Bamberg
Bande ist der Zusammenschluss mehrerer
Menschen zur grundsätzlich gemeinsamen Begehung von Straftaten. Bekannte
geschichtliche Beispiele sind etwa die B. Robin Hoods, des Schinderhannes oder
der Roten Armee Fraktion.
Lit.: Die Entwicklung der Strafpraxis bei Bandenkriminalität,
2010; Gerstenmayer, C., Spitzbuben und Erzbösewichter, 2012; Sundermeyer, O.,
Bandenland – Deutschland im Visier von organisierten Kriminellen, 2017
Bank ist allgemein die breite Sitzgelegenheit und rechtlich
das Unternehmen, dessen Inhaber mindestens eine Art von Bankgeschäften in einem
Umfang betreibt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb erfordert. Nach antiken Vorläufern in Ägypten, Griechenland
und Rom (lat. [M.Pl.] argentarii, mensarii) entwickeln sich seit dem 12. Jh.
berufsmäßige, jeweils auf einer hölzernen oder steinernen Bank tätige
Geldwechsler zuerst in Italien (Lombarden), wobei wegen der Nähe von
Geldwechsel und Darlehen auf Grund des kanonischen Zinsverbots Juden geschäftliche
Vorteile erwachsen. Seit dem 15. Jh. entstehen halböffentliche Banken und
danach öffentliche Banken (Barcelona 1401, Genua 1409, Amsterdam 1609, Hamburg
1619, Nürnberg 1621, Bank of England 1694). Seit etwa 1835 beginnen die Banken
mit der Finanzierung industrieller Unternehmen, die bereit sind, Fremdkapital
aufzunehmen (Paris 1852 Aktienbank). Seit dem ausgehenden 19. Jh. werden die
(zu etwa der Hälfte von jüdischen Inhabern betriebenen rund 1000 deutschen)
Privatbanken (Sal. Oppenheim in Köln, M. Warburg in Hamburg) von den von ihnen
zur Gefahrenverringerung entwickelten Aktienbanken allmählich zurückgedrängt,
zwischen 1933 und 1945 auch geschlossen oder enteignet. In der zweiten Hälfte
des 20. Jh.s werden die Banken zu bedeutenden Dienstleistungsunternehmen,
deren Recht zunehmend europäisiert wird. Im Herbst 2008 entsteht auf Grund
ungesicherter Darlehensvergabe weltweit eine Bankenkrise.
Lit.: Köbler, DRG 176; Günther, K., Die städtischen
Wechselbanken Deutschlands, Diss. jur. Münster 1932; Trusen, W., Die Anfänge
öffentlicher Banken und das Zinsproblem, FS J. Bärmann, 1975, 113; Born, K.,
Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, 1976; Poeschel, H., Die Statuten
der Banken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Hamburg und Altona von 1710-1889;
Wissenschaft und Kodifikation Bd. 5 1980; Klein, E., Deutsche Bankengeschichte,
1982; L’alba della banca, 1982; Gabler Banklexikon, hg. v. Grill, W. u. a., 11.
A. 1995, 13. A. 2002; Lane, F./Mueller, R., Money and Banking, 1985; Ruland,
A., Zur Entwicklung des Bankaufsichtsrechts, Diss. jur. Münster 1987; Kluge,
A., Zur Geschichte der deutschen Bankgenossenschaften, 1991; Wandel, E., Banken
und Versicherungen, 1997; Europäische Bankgeschichte, hg. v. Pohl, H., 1997;
Banking, Trade and Industry, hg. v. Teichova, A., 1997; Fuchs, R., Die Wiener
Stadtbank, 1998; North, M., Kommunikation, Handel, Geld und Banken, 2000; A
History of European Banking, hg. v. Kurgan, G. u. a., 2000; James, H.,
Verbandspolitik im Nationalsozialismus, 2001; Kahmann, H., Die Bankiers von
Jacquier & Securius 1933-1945, 2002; Distel, J., Die Errichtung des
westdeutschen Zentralbanksystems mit der Bank deutscher Länder, 2003; Der
Privatbankier, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung, 2003; James, H.,
Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Die Commerzbank und die Juden, hg. v.
Herbst, L. u. a., 2004; Linder, N., Die Berner Bankenkrise von 1720, 2004;
Liedtke, R., N M Rothschild & Sons, 2006; Deutsche Bankiers des 20.
Jahrhunderts, hg. v. Pohl, H., 2008; Scholtyseck, J., Die Geschichte der
National-Bank, 2011; Rosenberg, H. u. a., Die deutschen Banknoten ab 1871, 18.
A. 2011, 19. A. 2014, 20. A. 2016; Denzel, M., Der Nürnberger Banco Publico,
seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621-1827), 2012; Backhaus, F., Mayer
Amschel Rothschild, 2012; Lampe, W., Der Bankbetrieb in Krieg und Inflation,
2012; Schlüsselereignisse der deutschen Bankengeschichte, hg. v. Lindenlaub, D.
u. a., 2013; Jungmann-Stadler, F. u. a., Giesecke & Devrient.
Banknotendruck 1955-2002, 2014; Graber, R. u. a., Akte Hypo Alpe Adria, 2014;
Hetzer, W., Ist die Deutsche Bank eine kriminelle Vereinigung?, 2015; 100 Jahre
Bundesverband öffentlicher Banken Deutschlands 1916-2017, hg. v. Institut für
Bank- und Finanzgeschichte e. V., 2016
Bankert (mhd. Banchart [M.] auf der Bank
Gezeugter) ist die ältere deutsche Bezeichnung für das seit dem 8. Jh. von der
Kirche abgelehnte →nichteheliche Kind.
Bankrott ist das vollständige Scheitern des
Unternehmers, das im Spätmittelalter bei den Bankinhabern zum Zerstören ihrer
Bank (ital. banca rotta [F.] zerbrochene Bank) führt, wobei die Bezeichnung
über das Niederländische und das Französische im 16. Jh. in das
Neuhochdeutsche eindringt. Für die Abwicklung des Bankrotts setzt sich seit dem
späteren 16. Jh. das Verfahren des Konkurses durch. Der betrügerische B. ist
Straftatbestand.
Lit.: Meier, A., Die Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003;
Schmitt, C., Säuberlich banquerott gemacht – Konkursverfahren aus Frankfurt am
Main vor dem Reichskammergericht, 2016
Bann ist die Möglichkeit eines Amtsträgers, Gebote und
Verbote unter Anordnung gewichtiger Rechtsfolgen im Fall der Nichtbeachtung
auszusprechen (lat. bannus Gregor von Tours [538/539-594], Historiae 5, 26). In
diesem Sinn kann bereits der jüdische Rabbi den uneinsichtigen Sünder zum
Heiden erklären (vgl. Matthäus 18,15-17). Dementsprechend schließt das
Christentum (Elvira 306) Sünder in bestimmten Fällen aus der kirchlichen
Gemeinschaft (lat. [F.] excommunicatio Ausschluss aus der Gemeinschaft im
4./5. Jh. gebildet) aus (nicht auch aus der Kirche insgesamt). In Fällen
geringerer Sünde werden nur der Empfang der Sakramente und das kirchliche Amt
abgesprochen. Vom kirchlichen B. kann der Papst lösen. Im weltlichen Bereich
kennt das fränkische Recht den B. des Königs oder Grafen. Wer dagegen verstößt,
muss 60 bzw. 15 Schilling leisten. Seit dem Hochmittelalter gehen die Bannrechte
des Königs auf den Landesherrn über und werden dann durch das Hoheitsrecht des
Landesherrn bzw. später des Staates ersetzt. Der kirchliche B. wird unter dem
Einfluss der Aufklärung im 18. Jh. vielfach verboten, im 19. Jh. aber häufig
wieder eingeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 83, 130; Sickel,
W., Zur Geschichte des Bannes, 1886; Koehne, C., Studien über die Entstehung
der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA 25 (1904), 172; Eichmann, E., Acht und Bann,
1909; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1914; Voltelini, H. v.,
Königsbannleihe und Blutbannleihe, ZRG GA 36 (1915), 290; Heck, P., Die
Bannleihe im Sachsenspiegel, ZRG GA 37 (1916), 260; Ganahl, K., Der Fürbann im
bayerischen Rechtsgebiet, ZRG GA 54 (1934), 257; Fehr, H., Zur Geschichte des
Bannes, ZRG GA 55 (1935), 237; Wießner, H., Twing und Bann, 1935; Stutz, U.,
Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959 (Diss. phil. Kiel 1956); Doskucil, W., Der Bann in der Urkirche,
1958; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Tiefenbach, H.,
Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973; Vodola, E., Excommunication
in the Middle Ages, 1986; Schneider, J./Erb, T., Bannus, Archivum latinitatis
medii aevi 64 (2006), 57
Banner ist die vielleicht schon in
germanischer Zeit als Zeichen dienende Fahne (Heerfahne, Gerichtsfahne). Seit
dem 11. Jh. werden Fahnen mit einem Fahnenwagen in die Schlacht gefahren. Seit
Friedrich I. Barbarossa (1122-1190, König 1152) führt der König ein B. mit
schwarzem Adler auf gelbem Grund mit sich.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943, 34; 75 (Fünfundsiebzig) Jahre Reichsbanner Schwarz -
Rot - Gold, red. v. Grimm, U., 1999
bannitio (lat. [F.]) öffentliche Ladung
Bannleihe ist die Vergabe (Leihe) eines Bannes durch den
König. Sie wird 1149 zu Gunsten der Kirche sichtbar. Im Sachsenspiegel ist die
B. eine grundlegende Erscheinung der Gerichtsbarkeit, doch verliert die
königliche B. mit dem Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Landesherren ihre
Bedeutung.
Lit.: Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Reynolds,
S., Fiefs and Vassals, 1994
Bannmeile ist die örtlich auf eine (oder auch
mehrere) Meilen festgelegte Reichweite eines →Bannes oder einer
Herrschaftsgewalt. Seit dem Hochmittelalter werden insbesondere Burgen, Städte
(z. B. Lechenich 1279 banmile sive bivanc), Märkte, Mühlen oder Brauhäuser mit
einer B. ausgestattet. In der Gegenwart beschreibt die B. eines Staatsorgans
den räumlichen Bereich, in dem keine Versammlungen abgehalten werden dürfen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hirsch, H., Die Klosterimmunität
seit dem Investiturstreit, 1913; Küchler, W., Das Bannmeilenrecht, 1964
Bannwald ist der durch Bann des Königs oder sonstigen
Herren der allgemeinen Nutzung entzogene Wald (7. Jh. lat. [F.] silva regis,
forestis, 1251 banholz, 1280 banforst).
Lit.: Mantel, K., Wald und Forst in der Geschichte, 1990; Dasler, C.,
Forst und Wildbann, 2001
barbarus (lat. [M.]) plappernder
(Nichtrömer)
Lit.: Köbler, LAW; Rugullis, S., Die Barbaren in den
spätrömischen Gesetzen, 1992
Barbeyrac, Jean de (1674-1744), 1697-1710
Professor für alte Sprachen in Berlin, 1711-1717 für Geschichte und Naturrecht
in Lausanne, 1717-1744 für öffentliches und privates Recht in Groningen,
verbreitet naturrechtliches Gedankengut durch französische Übersetzungen von
Werken Pufendorfs, Grotius’ und Cumberlands.
Lit.: Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des
Naturrechts in Europa, 1970
Bargilde →Biergelde
Barock
Lit.: Methoden und Probleme der Alltagsforschung im Zeitalter des
Barock, hg. v. Pickl, O. u. a., 1992
Baron ist die über das Mittellateinische
und Mittelfranzösische von ahd. (M.) baro Mann abgeleitete Bezeichnung für eine
Gruppe Adliger (1595 für Freiherr).
Barrister ist der vor Gericht ([engl.] bar)
auftretende Anwalt des englischen Rechtes.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Baker, J., The
Common Law Tradition, 2000
Barschalk ist eine Bezeichnung für bestimmte
Halbfreie im frühmittelalterlichen Bayern (8./9. Jh., auch 13. Jh.).
Lit.: Köbler, WAS; Janda, A., Die Barschalken, 1926;
Mayer, T., Baar und Barschalken, FS I. Zibermayr, 1954, 143
Bartholomäus de Capua ist ein in Capua am 12. 8. 1248 als Sohn eines
Juristen geborener, in Neapel ausgebildeter und 1278 promovierter, 1328 verstorbener
neapolitanischer Jurist (Glossen, Quästionen, Reden).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 499
Bartholomäusnacht ist die Nacht zum 24. August (1572), in der
nach der Hochzeit (Bluthochzeit) des Protestanten Heinrich von Navarra mit
Margareta von Valois in Paris und Umgebung mehr als 3000 Menschen (meistens
Hugenotten) getötet werden.
Bartolus de Saxoferrato (aus bäuerlicher Familie, Venatura
bei Sassoferrato/Saxoferrato nahe Ancona 1313? oder 1314?-Perugia 13. 7. 1357)
lehrt nach dem in Perugia (1327, Cinus de Sighibuldis) und Bologna (1330?,
1333?) betriebenen Rechtsstudium und der nach der Disputation von 1333
(baccalaureus) am 10. 11. 1334 in Bologna erlangten Promotion zum (lat.)
doctor (M.) iuris civilis und einer Tätigkeit als Assessor des Podestà in Todi,
Cagli und Pisa seit Winter 1338/1339 in Pisa und Perugia (1342) weltliches
Recht. Neben vielleicht mehr als 400 gedruckten und weiteren rund 200
ungedruckten Gutachten verfasst er bedeutende Kommentare zu Digesten und Codex
Justinians sowie Glossen, additiones, 22 gedruckte quaestiones und etwa 45 (28
gedruckte) wichtige Traktate (z. B. zum Markenrecht und Wappenrecht) in klarer,
aber trotz freierer Auslegung noch an der Scholastik ausgerichteter Denkweise.
Seine Werke bilden neben der Glosse des Accursius an vielen Orten die Grundlage
des juristischen Studiums bis weit in die Neuzeit ( [lat.] Nemo bonus iurista,
nisi Bartolista, niemand ist guter Jurist, wenn er nicht Bartolist ist). Sein
wohl bekanntester Schüler ist Baldus de Ubaldis.
Lit.: Söllner § 25; Bartolus, Opera omnia, Drucke seit
1525; Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd.
3ff. 1834ff.; Woolf, C., Bartolus of Sassoferrato, 1913. Neudruck 2012; Bartolo
da Sassoferrato, Bd. 1f. 1962; Merzbacher, F., Bartolo de Sassoferrato, (in)
Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 559; Kisch, G., Bartolus
und Baldus, 1960; Cavallar, O. u. a., A Grammar of Signs, 1994; Lepsius, S.,
Der Richter und die Zeuge, 2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 682; Bartolo de Sassoferrato nel VII centenario della
nascita – diritto, politica, società, 2014
Basel am Rhein (Basilia 374 n. Chr.)
wird auf keltisch-römischer Siedlungsgrundlage (keltische Rauriker 1. Jh. v.
Chr., römisches Kastell um 15 v. Chr.) nach dem Übergang an die Alemannen
(6./7. Jh.) vielleicht im 7. Jh. Sitz eines Bischofs (zunächst von Augst und
B.). Seit 1362 zählt es sich nach dem Kauf wichtiger Rechte des Bischofs zu den
freien Städten im Heiligen römischen Reich
und erwirbt Gebiete zum Jura hin. 1431-1437 ist es Tagungsort eines
Konzils. 1459 (4. 4. 1460) erlangt es eine (bald verbaselete) Universität (mit
rund 2200 Promotionen zwischen 1558 und 1818 d. h. jährlich etwa 9). Am 13. 7.
1501 schließt sich B. als neunter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz
an und löst sich 1648 förmlich vom Heiligen römischen Reich. Die
Stadtgerichtsordnung von 1719 schöpft hauptsächlich aus dem württembergischen
Landrecht von 1555. 1832/1833 trennt sich Basel-Land von Basel-Stadt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Heusler, A.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Concilium Basiliense, hg. v.
Haller, J., Bd. 1ff. 1896ff.; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1ff.
1907ff.; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel, 1909; Mulsow, H.,
Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Festschrift zur Feier des 450jährigen
Bestehens der Universität Basel, 1910; His, E., Geschichte des Basler
Grundbuchs, 1915; Wackernagel, R., Geschichte der Stadt Basel, Bd. 1f. 1907ff.;
Heusler, A., Geschichte der Stadt Basel, 1917; Ribeaud, A., Le moulin féodal,
1920; Heusler, A., Basels Gerichtswesen im Mittelalter, 1922; His, E., Zur
Geschichte des Basler Notariats, Basler Zeitschrift für Geschichte und
Altertumskunde 20 (1922), 1; Saxer, E., Das Zollwesen der Stadt Basel, 1923;
Roth, P., Die Organisation der Basler Landvogteien, 1922; His, E., Eine
historische Staatsteilung, GF Fritz Fleiner 1927; Membrez, A., Die Burgvogtei
Binzen, 1928; Metzger, K., Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht
des späteren Mittelalters, 1931; Koelner, P., Die Safranzunft zu Basel, 1935;
Mayer-Edenhauser, T., Zur Territorialbildung der Bischöfe von Basel, ZGO 52
(1938), 226; Die Matrikel der Universität Basel, hg. v. Wackernagel, H., Bd.
1f. 1951ff.; Staehelin, A., Geschichte der Universität Basel 1632 bis 1818,
1957; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77 (1960),
241; Hagemann, H., Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, ZRG GA 78 (1961), 140;
Professoren der Universität Basel, 1960; Kisch, G., Die Anfänge der
juristischen Fakultät der Universität Basel 1459-1529, 1962; Baerlocher, R.,
Das Rechtsmittelsystem des baselstädtischen Zivilprozessrechts, 1964; Bühler,
T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung 1860-1870,
1963; Staehelin, A., Sittenzucht und Sittengerichtsbarkeit in Basel, ZRG GA 85
(1968), 78; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von 1719, 1969;
Abplanalp, F., Zur Wirtschaftspolitik des Fürstbistums Basel, 1971; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft im ehemaligen Fürstbistum Basel, 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,443, 3,2,1958; Mommsen, K., Katalog der
Basler juristischen Disputationen 1558-1818, 1978; Simon, C.,
Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik, 1981; Hagemann, H.,
Basler Rechtsleben im Mittelalter, Bd. 1f. 1981ff.; Kern, B., Die juristische
Gesellschaft zu Basel, ZRG GA 100 (1983), 145; Röthlin, N., Die Basler
Handelspolitik, 1986; Münch, P., Aus der Geschichte des Basler Privatrechts im
19. Jahrhundert, 1991; Basel, hg. v. Kreis, G. u. a., 2000; Hirsch, V., Der Hof
des Basler Bischofs Johannes von Venningen, 2004; Hagemann, H., Laiengericht
und gelehrtes Recht am Beispiel des Basler Stadtgerichts, ZNR 27 (2005), 1;
Gröbli, F., Bibliographie von Basel, 2005; Suter, S., Die strafrechtlichen
Bedenckhen, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege – Lebenswege, 2007; Steinbrink,
M., Ulrich Meltinger, 2008; Berner, H. u. a., Kleine Geschichte der Stadt
Basel, 2008; Hagemann, Hans-Rudolf, Vielschichtiges Recht - Zivilrechtspflege
im neuzeitlichen Basel, 2009; Kunz, R., Geschichte der Basler juristischen Fakultät
1835-2010, hg. v. Hafner, F. u. a. 2011; Gelehrte zwischen Humanismus und
Reformation, hg. v. Wallraff, M., 2011; Das Schuldbuch des Basler Kaufmanns
Ludwig Kilchmann (gest. 1518), hg. v. Signori, G., 2014; Heuss, R., Basler
Polizei 1816-2016, 2016
Basiliken (griech. [ta[] basilika [nomima],
kaiserliche [Bücher bzw. Gesetze]) ist der Name für die (von Kaiser Basilius I.
867-886 geplanten) 60 Bücher, in denen unter Kaiser Leon VI. (886-912) in
→Byzanz die lateinischen Rechtstexte (Codex und Digesten) Kaiser
→Justinians (528-534) auf der Grundlage wohl alter griechischer Paraphrasen
ins Griechische übersetzt, gestrafft und vereinfacht werden (Digestenparaphrase
des Anonymus, Codexparaphrase des Thaleleios). Später kommen Randbemerkungen
(Scholien) hinzu. Um 1345 bearbeitet →Harmenopulos die B. im
→Hexabiblos. Die unmittelbare Geltung der B. endet mit der Einnahme
Ostroms durch die Türken 1453 n. Chr., doch bleiben die B. in Zusammenfassungen
und Auszügen für Griechenland bis zum Zivilgesetzbuch des Jahres 1946
bedeutsam.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 6; Basilicorum
libri LX, hg. v. Scheltema, J., u.a, Bd. 1ff. 1953ff.
Baske ist der Angehörige eines
vorindogermanischen, um die Pyrenäen siedelnden Volkes. Im 10. Jh. deckt sich
das Land der Basken mit dem Königreich →Navarra. 1939 beseitigt der
spanische Diktator Franco die Vorrechte der ihm ablehnend gegenüberstehenden
Basken. 1979 erhalten die Basken (wieder) Autonomie.
Lit.: Ortots, H., Die Basken, 1979; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,247; Kasper, M., Baskische Geschichte, 1997,
2. A. 2008; Kurlansky, M., Die Basken, 2000
Baudoin (Balduinus), François (Arras
1520-Paris 1573), Fiskaladvokatensohn, lehrt nach dem Studium in Löwen
(Mudaeus) kurz in Paris (Du Moulin), seit 1548 in Bourges, seit 1555 in
Straßburg, seit 1556 in Heidelberg, nach einiger Unterbrechung seit 1566 in
Besançon und seit 1569 in Angers. Innerhalb der französischen Humanisten bemüht
er sich um die von der einfachen Überlieferung gelöste zusammenfassende
Behandlung verschiedener Textschichten (z. B. der Codexfragmente Konstantins).
Lit.: Erbe, M., François Baudoin, 1978
Bauer ist der Angehörige des die
Landwirtschaft betreibenden Berufsstands. Sachlich entsteht der B. mit der
Sesshaftwerdung, mit welcher der Ackerbau neben die Viehzucht tritt. Im
Frühmittelalter gerät der B. vielfach in grundherrschaftliche Abhängigkeit.
Seit der Aussonderung der Bürger und Ritter etwa im 11. Jh. bilden die verbleibenden
Mitglieder der Gesellschaft den Berufsstand der Bauern. Namengebend wird das
bloße Nebeneinanderwohnen (ahd. būan). Möglich ist unter bestimmten
Umständen der Erwerb von Freiheit (z. B. Rodungsfreiheit). Zu Beginn des 16.
Jh.s lehnen sich die Bauern erfolglos gegen ihre Herren auf
(→Bauernkrieg). Im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird vielleicht die
Hälfte der Bauern getötet. Im 19. Jh. erlangen die Bauern Freiheit und Eigentum
(→Bauernbefreiung) und werden den (anderen) Bürgern grundsätzlich
gleichgestellt. Seit der 2. Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der Bauern wegen
der günstigeren Lebensbedingungen in anderen Erwerbszweigen sehr stark ab (in
Deutschland 2016 noch rund 280000 landwirtschaftliche Betriebe – durch
Überproduktion und Preisverfall viele gefährdet -) und verliert die
Landwirtschaft überhaupt ihre wesentliche wirtschaftliche Bedeutung an die
Dienstleistung.
Lit.: Köbler, DRG 79, 98, 111, 135; Heusler, A., Der
Bauer als Fürstengenoss, ZRG GA 7 (1886), 235; Wittich, W., Die Frage der
Freibauern, ZRG GA 22 (1901), 245; Fehr, H., Das Waffenrecht der Bauern im
Mittelalter, ZRG GA 35 (1914), 111; Urkunden zur deutschen Agrargeschichte,
hg. v. Wopfner, H., 1925; Barth, F., Der baaremer Bauer, Schriften des Vereins
für Geschichte und Naturgeschichte der Baar 17 (1928); Weller, K., Die freien
Bauern in Schwaben, ZRG GA 54 (1934), 178; Bader, K., Die freien Bauern im
Breisgau, 1936; Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter
und die freien Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Bader, K., Das Freiamt im
Breisgau und die freien Bauern am Oberrhein, 1936; Veltzke, G., Der gebundene
bäuerliche Besitz, 1938; Arbusow, L., Das Bauernrecht des sog.
budberg-schraderschen Landrechtsentwurfs von 1740, Mitteilungen aus der
livländischen Geschichte 25 (1937), 377; Huppertz, B., Räume und Schichten
bäuerlicher Kulturformen in Deutschland, 1939; Höffner, J., Bauer und Kirche
1939; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer, 1939; Deutsches Bauerntum, Bd. 1f. hg.
v. Franz, G., 1939f.; Möller, K., Das Vierländer Bauernrecht, 1940; Lütge, F.,
Die landesherrlichen Urbarsbauern in Ober- und Niederbayern, 1943; Adel und
Bauern im Staat des deutschen Mittelalters, hg. v. Mayer, T., 1943; Grass, N.,
Zur Kontinuität im bäuerlichen Rechte der Alpenländer, ZRG GA 66 (1948), 516;
Haff, K., Der freie Bergbauer als Staatsgründer, ZRG GA 67 (1950), 394;
Dollinger, P., L’évolution des classes rurales en Bavière, 1949; Das Problem
der Freiheit in der deutschen und schweizerischen Geschichte, 1955; Niederer,
A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Lehmann, R., Die Verhältnisse der
niederlausitzischen Herrschafts- und Gutsbauern, 1956; Hofmann, H., Freibauern,
Freidörfer, Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 23 (1960), 195;
Wopfner, H., Bergbauernbuch, 1951ff.; Henning, F., Herrschaft und
Bauernuntertänigkeit, 1964; Achilles, W., Vermögensverhältnisse braunschweigischer
Bauernhöfe im 17. und 18. Jahrhundert, 1965; Henning, F., Dienste und Abgaben
der Bauern im 18. Jahrhundert, 1969; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns,
1969; Bauer, Wort und Begriff, hg. v. Wenskus, R. u. a., 1975; Deutsches
Bauerntum im Mittelalter, hg. v. Franz, G., 1976; Kuchenbuch, L., Bäuerliche
Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978; Dollinger, P., Der
bayerische Bauernstand vom 9. bis zum 13. Jahrhundert, 1982 (franz. 1949);
Fossier, R., Paysans d’Occident, 1984; Rösener, W., Bauern im Mittelalter,
1985, 4. A. 1987; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des
deutschen Bauernstandes, 1989; Rösener, W., Agrarwirtschaft, Agrarverfassung
und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Trossbach, W., Bauern
1648–1806, 1993; Rösener, W., Die Bauern in der europäischen Geschichte, 1993;
Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch, hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.;
Epperlein, S., Bäuerliches Leben im Mittelalter, 2003; Bauernleben, hg. v.
Bauer, K., 2005, 2. A. 2005, 3. A. 2007.4. A. 2014; Wiese, M., Leibeigene
Bauern und römisches Recht im 17. Jahrhundert, 2006; Kissling, P., Freie Bauern
und bäuerliche Bürger, 2006; Kofler, A., Bauernleben in Südtirol, 2010; Krauß,
J., Ländlicher Alltag und Konflikt in der späten frühen Neuzeit, 2012
Bauerbrief →Dorfordnung
Bauergericht ist unter verschiedenen Namen das
unter Vorsitz eines Bauermeisters in Flursachen tagende Gericht des mittelalterlich-frühneuzeitlichen
Dorfes.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge in Thüringen und
Sachsen, 1962
Bauernbefreiung (F. Knapp 1887) ist
die Befreiung der gebietsmäßig durchaus verschieden gestellten Bauern aus der
grundherrlichen Abhängigkeit an der Wende des 18. Jh.s zum 19. Jh., die von
Staatsmännern, Wirtschaftsdenkern und aufgeklärten Bürgern mit dem Ziel der
Modernisierung der Landwirtschaft nach dem Vorbild Englands auch zwecks
Ertragssteigerung angeregt wird. Sie beginnt nach Verbesserungen des
Bauernschutzes in Preußen (1749) und Österreich (1751) in Savoyen (1761, 1771).
Reformen Josephs II. in Österreich werden abgesehen von der Aufhebung der
Erbuntertänigkeit nach 1789 wieder abgeschafft. In Baden wird 1787 die
Leibeigenschaft aufgehoben. In Preußen erhalten von 1799 bis 1805 50000 Domänenbauern
persönliche Freiheit und freies Eigentum. Im Oktober 1807 verschafft ein
preußisches Edikt bis zum Martinitag 1810 allen Bauern persönliche Freiheit,
das Regulierungsedikt von 1811 auch Eigentum gegen Entschädigung. Im Laufe des
19. Jh.s dringt die B. vor allem seit 1848 (Österreich Aufhebung der Robot,
Grundentlastung) allgemein durch (z. B. Russland 1861). Entgegen den
Zielsetzungen bewirkt die B. keine allgemeine Verbesserung der Lage der
Bauern.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 174; Knapp,
G., Die Bauernbefreiung, 1887; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen,
Mähren und Schlesien, Bd. 1f. 1893, Neudruck 2013; Darmstädter, P., Die
Befreiung der Leibeigenen (Mainmortables) in Savoyen, 1897; Vogt, G., Die
Bauernbefreiung in Mecklenburg, 1937; Conze, W., Die liberalen Agrarreformen
Hannovers im 19. Jahrhundert, 1947; Conze, W., Quellen zur Geschichte der
Bauernbefreiung, 1957; Engels, W., Ablösungen und Gemeinheitsteilungen in der
Rheinprovinz, 1957; Schremmer, E., Die Bauernbefreiung in Hohenlohe, 1963;
Winkel, H., Die Ablösungskapitalien aus der Bauernbefreiung in West- und
Süddeutschland, 1968; Hippel, W. v., Die Bauernbefreiung im Königreich
Württemberg, Bd. 1f. 1977; Dipper, C., Die Bauernbefreiung in Deutschland
1790-1850, 1980; Kreutzkamp, F., Bauernbefreiung auf Cappenberg, 2003;
Schneider, K., Geschichte der Bauernbefreiung, 2010
Bauernkrieg ist der (zwischen 1300 und 1800)
von den →Bauern gegen die →Grundherrn geführte (einzelne) Krieg.
Der B. von 1525 gründet sich auf eine als Folge der Pest am Ende des
Mittelalters entstandene Agrarkrise und auf die von Martin Luther (Von der
Freiheit eines Christenmenschen) genährte Hoffnung auf Besserung der Lage der
Unterdrückten. Nicht zuletzt wegen Luthers baldiger Stellungnahme gegen die
mörderischen Rotten der Bauern enden die Bauernkriege mit Niederlagen (bei Frankenhausen,
Zabern, Böblingen und Würzburg) der Bauern (etwa 100000 Tote), ohne dass diese
sich jedoch vollständig entrechten lassen.
Lit.: Zimmermann, W., Allgemeine Geschichte des großen
Bauernkrieges, 1841ff.; Franz, G., Der deutsche Bauernkrieg, 1933, Aktenband
1935, 14. A. 1984; Blickle, P., Die Revolution von 1525, 1975; Struck, W., Der
Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen, 1975; Waas, A., Der Bauernkrieg,
1995; Blickle, P., Der Bauernkrieg, 1998, 2. A. 2002; Blickle, P., Unruhen in
der ständischen Gesellschaft, 1988, 2. A. 2010, 3. A. 2012; Goertz, H., Thomas
Müntzer, 1989; Strunz-Happe, A., Wandel der Agrarverfassung, 2003; Fink, B.,
Die Böhmenkircher Bauernrevolte 1580-1582/83, 2004; Hohn, M., Die rechtlichen
Folgen des Bauernkrieges von 1525, 2004; Bundschuh, hg. v. Blickle, P. u. a.,
2004; Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, hg. v. Vogler, G., 2008;
Der Oberrheinische Revolutionär, bearb. v. Lauterbach, K., 2009; Die Zwölf
Artikel von 1525 und das „göttliche Recht“ der Bauern, hg. v. Hasselhoff, G. u.
a., 2012; Blickle, P., Der Bauernjörg – Feldherr im Bauernkrieg, 2015; Goertz,
H., Thomas Müntzer, 2015; Bauernkrieg in Franken, hg. v. Fuchs, F. u. a., 2016;
„Armer Konrad“ und Tübinger Vertrag im interregionalen Vergleich, hg. v.
Hirbodian, S. u. a., 2016Bräuer, S./Vogler, G. Thomas Müntzer, 2016
Bauernlegen ist das im Hochmittelalter bei Orden (z. B.
Zisterziensern) und dann in England im 15. Jh. beginnende Einziehen wüst
liegender Bauernhöfe und Aufkaufen freier Bauernhöfe durch Grundherren zwecks
Vergrößerung von Grundherrschaften (z. B. Rittergütern in Mecklenburg und
Vorpommern), das seit 1709 bzw. 1749 in Preußen verboten wird.
Lit.: Nichtweiß, J., Das Bauernlegen in Mecklenburg, 1954; Zientara,
B., Die Agrarkrise in der Uckermark, (in) Feudalstruktur, Lehnbürgertum und
Fernhandel 1967, 221ff.
Bauernlehen ist das vereinzelt an einen Bauern gelangte
kleine Lehen, das zwischen Lehen und Leihe steht und in das Lehensrecht nur in
einzelnen Hinsichten einbezogen wird.
Bauermeister (1159 mnd. burmester) ist vom Hochmittelalter
(bis zum Ausgang der frühen Neuzeit) der (gebietlich auch anders bezeichnete)
Leiter örtlicher, meist bäuerlicher Gemeinden mit auch gerichtlichen Aufgaben.
Lit.: Schildt, B., Bauer Gemeinde Nachbarschaft, 1996
Bauerschaft ist die als Einheit verstandene Nachbarschaft,
vor allem auf dem Land, aber zeitweise auch in niederdeutschen Städten.
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften der Stadt Geseke, 1908; Lappe, J.,
Eine „untergegangene“ Bauerschaft, ZRG GA 32 (1911), 229; Lappe, J., Die
Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Bauersprache (mnd. bursprake) ist die
Versammlung der Nachbarn in Stadt und Dorf, in der das geltende Recht verkündet
wird und bei Bedarf allgemeine Angelegenheiten beraten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Baulast ist im späten 20. Jh. in
Deutschland das sich nicht bereits aus öffentlichrechtlichen Vorschriften
ergebende, also freiwillig gegenüber der Bauaufsichtsbehörde übernommene, ein
Grundstück betreffende Tun, Dulden oder Unterlassen eines Eigentümers.
→Kirchenbaulast
Lit.: Döring, C., Die öffentliche Baulast, 1994;
Grahm, Nicole, Kommunale Kirchenbaulasten im Gebiet des ehemaligen
Großherzogtums Baden, 2012
Baum
Lit.: Demandt, A., Über allen Wipfeln – Der Baum in
der Kulturgeschichte, 2002; Demandt, A., Der Baum, 2. A., 2014
Baurecht ist objektiv die Gesamtheit der
Rechtssätze, die sich auf die Zulässigkeit und die Grenzen bzw. die Ordnung und
die Förderung der Errichtung und wesentlichen Veränderung von baulichen Anlagen
sowie auf deren bestimmungsgemäße Nutzung beziehen. Ursprünglich gilt für das
B. der Grundsatz der Baufreiheit des Grundstücksberechtigten (so noch das
preußische Allgemeine Landrecht von 1794 in I 8 § 65). Seit dem Hochmittelalter
finden sich erste Einschränkungen in den verdichtet besiedelten Städten. Dem
folgen allmählich zahlreiche einzelne Polizeiverordnungen, Erlässe und Entschließungen
der Landesherren. Sie werden in der Mitte des 19. Jh.s durch allgemeine
Regelungen ersetzt (München 1863, Bayern 1864, Baden 1868, Sachsen 1868/1869,
Preußen 1871, Württemberg 1872, Sachsen Baugesetz 1900, Bayern Bauordnung 1901,
Preußen Wohnungsgesetz 1918, Deutsches Reich Baugestaltungsverordnung 1936),
die mit zunehmender Besiedlungsdichte immer stärkere Beschränkungen
aufnehmen, so dass der Grundsatz der Baufreiheit in erheblichem Umfang zum
bloßen Grundsatz eingeengt wird (Bundesbaugesetz 1960, Baunutzungsverordnung
1962, Städtebauförderungsgesetz 1971, Baugesetzbuch 1986, Arbeitsstättenverordnung
2004). Als B. wird in Österreich das →Erbbaurecht bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 152, 198, 259, 269; Grein, F.,
Baurecht nach den Vorschriften des allgemeinen Landrechts, 1863; Urschlechter,
A., Das Baurecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1940; Gönnenwein, O.,
Die Anfänge des kommunalen Baurechts, FG H. Fehr, 1948, 71; Pirson, D., Das
Baurecht des fürstlichen Absolutismus im hohenzollerischen Franken, 1961; Buff,
A., Die bestimmenden Faktoren der deutschen Bauordnungen, 1970; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Ries, P.,
Bauverträge im römischen Recht, Diss. jur. München 1989; Bauer, C., Anspruch
und Wirklichkeit landesherrlicher Baugesetzgebung, Diss. jur. Marburg 1991; 100
Jahre Allgemeines Baugesetz Sachsen, hg. v. Bauer, H. u. a., 2000; Binding,
G./Linscheid-Burdich, S., Planen und Bauen im frühen und hohen Mittelalter,
2002; Bauen nach Vorschrift?, hg. v. Spohn, T., 2002; Kocken, E., Van bouwen,
2004; Untermann, M., Architektur im frühen Mittelalter, 2006; Sokull, J.,
Baurecht und kommunale Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bonn
2010 (im Druck erschienen 2012); Feldmann, E., Bauordnungen und Baupolizei,
2011; Quellen zum Bau- und Enteignungsrecht (1940-1958), hg. v. Schubert, W.,
2016
Bausparkasse ist die genossenschaftlich
organisierte →Sparkasse, die Darlehen zu Bauzwecken an Genossen vergibt.
Die erste B. wird 1775 in Birmingham gegründet (Ketley’s Building Society, 1831
Oxford Provident Building Association in Frankfort/Pennsylvania). In
Deutschland stammt die älteste B. von 1885 (Bielefeld, B. für jedermann, 1924
Bausparkasse Wüstenrot).
Lit.: Köbler, DRG 241; Lehmann, W., Die Bausparkasse,
5. A. 1977
Bautzen
Lit.: Eide, Statuten und Prozesse, hg. v. Schwerhoff, G. u. a., 2002
Bayer ist der Angehörige des aus
streitigen Grundlagen (Bojern, Alemannen, Walchen) erwachsenden, zum 6. Jh.
(Jordanes) erstmals genannten, zwischen Alpen und Donau siedelnden Volkes. Die
Bayern geraten schon früh unter die Herrschaft der →Franken. Um 740
werden für die Bayern von Bonifatius Bistümer eingerichtet (Passau, Salzburg,
Freising, Regensburg, Eichstätt). Vielleicht vor 743 zeichnen die Bayern nach
dem Vorbild der Alemannen ihr Recht auf (→Lex Baiwariorum). Ihr dem
bereits im 6. Jh. nachweisbaren Geschlecht der Agilolfinger angehörender König
Tassilo III. wird 788 von Karl dem Großen abgesetzt. Später gelangen die Bayern
(bzw. gelangt das Gebiet der Bayern als Herzogtum) nacheinander an die
Luitpoldinger (Anfang 10. Jh.), das sächsische (bzw. ottonische) und salische
Königshaus (größte Ausdehnung um 950), die Welfen (1070-1138), die Babenberger
(1139-1156), die Welfen (1156) und nach dem Sturz Heinrichs des Löwen (1180) an
die →Wittelsbacher.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, Historisches
Lexikon; Köbler, DRG 75, 131, 139, 192, 256; Monumenta Boica, ed. Academia
Scientiarum Boica, Bd. 1ff. 1763ff.; Rosenthal, E., Geschichte des
Gerichtswesens und der Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1f. 1889ff.;
Gutmann, F., Die soziale Gliederung der Bayern zur Zeit des Volksrechtes, 1906;
Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.;
Stowasser, O., Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925;
Spindler, M., Die Anfänge des bayrischen Landesfürstentums, 1937; Wörterbuch
der bairischen Mundarten in Österreich, 1970ff. (2012 -eig); Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1472,2634, 3,3,3697; Handbuch der bayerischen
Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 1ff. 2. A. 1981, z. T. 3. A.ff. 1995ff.;
Schmid, A., Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937), 1976; Conversio
Bagoariorum et Carantanorum, hg. v. Wolfram, H., 1979, 2. A. 2012; Kraus, A.,
Geschichte Bayerns, 1983, 3. A. 2004; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1989;
Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989, 2. A. 1992; Wolf, G., Bemerkungen
zur Geschichte Herzog Tassilos III. von Bayern (748-788), ZRG GA 109 (1992),
353; Prinz, F., Die Geschichte Bayerns, 1997; Liebhart, W., Bayerns Könige,
1997, 2. A. 1997; Fait, B., Demokratische Erneuerung, 1998; Sagstetter, M., Hoch-
und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000;
Volkert, W., Geschichte Bayerns, 2001; Störmer, W., Die Baiuwaren, 2002;
Bayerische Verfassungsurkunden, bearb. v. Wenzel, A., 4. A. 2002; Schauplätze
der Geschichte der Bayern, hg. v. Schmid, A. u. a., 2003; Holzfurtner, L.,
Gloriosus dux, 2003; Freund, S., Von den Agilolfingern zu den Karolingern,
2004; Lackner, I., Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut
(1450-1479), 2011; The Baiuvarii and Thuringi, hg. v. Fries-Knoblach, J. u. a.,
2014; Wolfram, H., Tassilo III. 2016
Bayerisches Landrecht von 1616 ist das von Herzog
Maximilian (1597-1651) seinem Land →Bayern gegebene einheitliche
→Landrecht.
Lit.: Schuppenies, P., Die Bürgschaft im bayerischen
Landrecht, Diss. jur. Mannheim 1975
Bayerisches Oberstes Landesgericht ist das in Wahrung der Erinnerung
an Bayern als unabhängigen deutschen Staat (1806-1871) beibehaltene, über
mehreren bayerischen Oberlandesgerichten (München, Nürnberg, Bamberg) stehende
oberste Gericht (Oberappellationsgericht) der ordentlichen Gerichtsbarkeit
in Bayern. Es geht auf das auf Grund eines kaiserlichen, vom Reichskammergericht
befreienden Privilegs am 18. 4. 1625 verfügte Revisorium (Revisionsgericht)
Bayerns zurück. Eingerichtet wird es durch das bayerische Ausführungsgesetz zum
Gerichtsverfassungsgesetz vom 23. 2. 1879. Vom 1. April 1935 bis 1948 war es
aufgehoben. Ab 1. Januar 2005 ist es für Neueingänge durch die
Oberlandesgerichte München, Nürnberg und Bamberg ersetzt, zum 30. 6. 2006 auch
für anhängige Sachen aufgehoben.
Lit.: Merzbacher, F., 350 Jahre Bayerisches Oberstes
Landesgericht, (in) Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 509;
Das Bayerische Oberste Landesgericht, hg. v. Herbst, G., 1993; Demharter, J.,
375 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW 2000, 1154; Hettler, F., Das
bayerische oberste Landesgericht, (in ) Bayern und Europa, 2005; Hirsch, G.,
Die Auflösung des bayerischen obersten Landesgerichts, NJW 2006, 3255
Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813 ist das von
→Feuerbach erarbeitete Strafgesetzbuch →Bayerns, das unter der
Theorie des psychologischen Zwanges die wechselseitige Freiheit aller Bürger
dadurch schützen will, dass es den Straftatbestand möglichst genau festlegt.
Lit.: Feuerbach, P., Lehrbuch des gemeinen, in
Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1801, 14. A. 1847; Schubert, G.,
Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern, 1978
Bayerische Zivilprozessordnung vom 29. 4. 1869 ist das am 1. 7.
1870 den älteren (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (von 1753)
ablösende, bis 1879 geltende Zivilprozessgesetz →Bayerns.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ZPOBay
ern1869.pdf, Bayerische Zivilprozessordnung, 1869
Bayern ist
das von den Bayern (→Bayer) bewohnte Gebiet. Seit 1255 wird das mit dem
(lat. [N.]) privilegium minus von 1156 bei der Abteilung Österreichs als
eigenes Territorialherzogtum erkennbare, 1180 an die Wittelsbacher verlehnte,
1214 um die Pfalzgrafschaft bei Rhein erweiterte, durch die Ausbildung der
Hochstifte Augsburg, Passau, Freising, Regensburg und Salzburg aber
geschmälerte Land B. mehrfach geteilt (1255 Oberbayern mit Pfalzgrafschaft, Niederbayern,
bis 1346). 1329 werden im Hausvertrag von Pavia (aus Oberbayern) Oberpfalz
(im Nordgau) und Pfalz einer eigenen Linie überantwortet (mit Kurwürde seit
1356). 1335/1346 gibt Kaiser Ludwig der Bayer dem Teil Oberbayern ein
Landrecht. Nach seinem Tode (1347) wird das um Holland und Brandenburg
vergrößerte Land erneut geteilt. 1474 gibt Herzog Ludwig der Reiche, der
Gründer der Universität Ingolstadt (1472, 1800 Landshut, 1826 München), Niederbayern
eine Landesordnung, die 1501 ergänzt wird (vgl. auch das Landgebot von
Bayern-München von 1500). Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg wird nach Schaffung
des Fürstentums Pfalz-Neuburg (junge Pfalz) 1506 die Unteilbarkeit des
wiedervereinigten Landes festgelegt, 1516 eine Landesfreiheitserklärung,
1516/1520 eine (vielleicht von Augustin Köllner endredigierte, 1520 um 20
Seiten gekürzte) Landesordnung, 1518 eine Landrechtsreformation (zum
Landrecht von 1335/1346), 1520 eine Gerichtsordnung, 1553 eine Landesordnung
und 1616 durch den die Landstände weiter zurückdrängenden, aber nicht
entmachtenden Herzog Maximilian (1598-1651) ein einheitliches Landrecht
geschaffen. 1623 wird B. Kurfürstentum. 1669 findet der letzte Landtag in B.
statt. In der Mitte des 18. Jh.s wird das Recht unter Wiguläus von Kreittmayr
im (lat.) →Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (1751), im →Codex
iuris Bavarici iudiciarii (1753) und im →Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis (1756) zusammengefasst. 1777 kommen Pfalz (abgesehen von der
Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken) und Bayern in der Pfälzer Linie (Carl Theodor aus
der Nebenlinie Sulzbach-Hilpoltstein, der 1742 Jülich und Berg erheiratet und
zudem Bergen op Zoom, Pfalz-Sulzbach, Neuburg und die Kurpfalz erbt) wieder
zusammen. 1799 erbt die Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken (Max Joseph) alle Güter
Zwischen 1803 und 1816 gewinnt das zum 1. 1. 1806 zum Königreich aufgestiegene,
auch wegen der Bedrohung durch Habsburg/Österreich dem Rheinbund bzw. Napoleon
angeschlossene und zum 6. 8. 1806 souverän gewordene Bayern große schwäbische
und fränkische Gebiete (Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising, Teile von
Eichstätt und Passau, 1806 Ansbach, Bayreuth). Am 1. 5. 1808 entsteht zwecks
Verhinderung einer zentralistischen Gestaltung des Rheinbundstatuts und einer
Einmischung Napoleons in die inneren Angelegenheiten Bayerns eine Verwaltung
und Gerichtsbarkeit umfassend modernisierende, von 23 Edikten und
Verordnungen ergänzte Konstitution, 1813 ein Strafgesetzbuch, am 26. 5. 1818
eine Verfassung (mit Kammer der Reichsräte und Kammer der Abgeordneten). 1871
wird B. Teil des deutschen Reiches. 1918 wird das Königreich zum Freistaat mit
einer Verfassung vom 14. August 1919, an den 1920 Coburg angegliedert wird, der
aber 1945 alle linksrheinischen Gebiete (Pfalz) an das neue Rheinland-Pfalz
verliert. Am 1. 12. 1946 wird innerhalb der Besatzungszone der Vereinigten
Staaten von Amerika eine neue Verfassung für B., das einen besonderen
Verfassungsgerichtshof erhält, angenommen. 1949 wird B. ein Teil der
Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LandesordnungBayern1516.htm;
Riezler, S. v. Geschichte Bayerns, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1964; Gengler,
H., Beiträge zur Rechtsgeschichte Bayerns, 1889; Wohlhaupter, E., Hoch- und
Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung Bayerns, 1929;
Wüstendörfer, M., Das baierische Strafrecht des 13. und 14. Jahrhunderts, 1942;
Historischer Atlas von Bayern, hg. v. d. Kommission für bayerische
Landesgeschichte, Teil Altbayern Heft 1ff. 1950ff., Teil Franken 1951ff., Teil
Schwaben 1952ff.; Rall, H., Kurbayern in der letzten Epoche der alten
Reichsverfassung, 1952; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der Gerichtsbarkeit
in Bayern, ZRG GA 71 (1954), 243; Wilhelm, R., Rechtspflege und Dorfverfassung
nach niederbayrischen Ehehaftsordnungen, 1954; Fried, P., Herrschaftsgeschichte
der altbayerischen Landgerichte Dachau und Kranzberg, 1962; Grasser, W., Johann
Freiherr von Lutz 1826-1890, 1967; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und
Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214
bis 1255/1294, 1967; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M.,
Bd. 1ff. 1967ff.; Dollinger, H., Studien zur Finanzreform Maximilians I. von
Bayern in den Jahren 1598-1618, 1968; Peitzsch, Kriminalpolitik in Bayern,
1968; Ostadal, H., Die Kammer der Reichsräte in Bayern von 1819-1848, 1968;
Hüttl, L., Caspar von Schmid (1622-1693), 1971; Weis, E., Montgelas, 1971;
Mößle, W., Bayern auf den Dresdener Konferenzen 1850/51, 1972; Repräsentation
und Parlamentarismus in Bayern, Bd. 1 1974; Dokumente zur Geschichte von Staat
und Gesellschaft in Bayern, hg. v. Bosl, K. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Rankl, H.,
Staatshaushalt, Stände und „gemeiner Nutzen“ in Bayern 1500 bis 1516, 1976; Was
früher in Bayern alles Recht war, v. Eberle, R., 1976; Kraus, A., Geschichte
Bayerns, 1983; Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte
1799-1980, hg. v. Volkert, W. u. a., 1983; Demel, W., Der bayerische
Staatsabsolutismus 1806/1808-1817, 1983; Kraus, A., Grundzüge der Geschichte
Bayerns, 1984; Sandberger, A., Altbayerische Studien zur Geschichte von
Siedlung, Recht und Landwirtschaft, 1985; Junkelmann, M., Napoleon und Bayern,
1985; Christoffer af Bayerns breve 1440-1448, hg. v. Olesen, J., 1986; Der
Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern von 1811, hg.
v. Demel, W. u. a., 1986; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der
Pfalzgrafen, 1986; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen
Staat, 1986; Fischer, S., Der geheime Rat und die geheime Konferenz unter
Kurfürst Karl Albrecht von Bayern 1726-1745, 1987; Rall, H., Kurfürst Karl
Theodor, 1993; Bayerisches Wörterbuch, hg. v. d. Bayerischen Akademie der
Wissenschaften, Bd. 1ff. 1995ff. (rund 25000 Stichwörter, 2011 von a bis
bowidl/powidl); Der bayerische Landtag, hg. v. Ziegler, W. u. a., 1995; Leeb,
J., Wahlrecht und Wahlen zur zweiten Kammer, 1996; Regierungsakten des Kurfürstentums
und Königreichs Bayern 1799-1815, bearb. v. Schimke, M., 1996; Treml, M.,
Geschichte des modernen Bayern, 2. A. 2000; Heydenreuter, R.,
Kriminalgeschichte Bayerns, 2003; Biebl, G., Bayerns Justizminister v(on)
Fäustle und die Reichsjustizgesetze, 2003; Franz, M., Die Landesordnung von
1516/1520, 2003; Die Protokolle des bayerischen Ministerrates, hg. v. d.
historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd.
1ff. 2003ff.; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004;
Hartmann, P., Bayerns Weg in die Gegenwart, 2. A. 2004; Kraus, A., Geschichte
Bayerns, 3. A. 2004; Schlosser, H., Agnes Bernauerin (1410-1435), ZRG GA 122
(2005), 263; Weis, E., Montgelas, 2005; Bayern mitten in Europa, hg. v. Schmid,
A. u. a., 2005; Krey, H., Herrschaftskrisen und Landeseinheit, 2005; Kummer,
K., Landstände und Landschaftsverordnung unter Maximilian I. von Bayern
(1598-1651), 2005; Tassilo III. von Bayern, hg. v. Kolmer, L., 2005; Hesse, C.,
Amtsträger der Fürsten, 2005; Körner, H., Geschichte des Königreichs Bayern,
2006; Bayerisches Hauptstaatsarchiv, 2. A. neubearb. v. Wild, J. u. a., 2006;
Schwertmann, M., Gesetzgebung und Repräsentation im frühkonstitutionellen
Bayern, 2006; Handbuch der historischen Stätten, Bayern, 3. A., Bd. 1f., hg. v.
Körner, H. u. a., 2006; Volkert, W., Geschichte Bayerns, 3. A. 2007; Bayern –
Böhmen – 1500 Jahre Nachbarschaft, 2007; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007;
Deutsches Verfassungsrecht, hg. v. Kotulla, M., Bd. 2 2007 (rund 340
Dokumente); Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008;
Häfner, H., Ein König wird beseitigt. Ludwig II. von Bayern, 2008; Die
bayerische Konstitution von 1808, hg. v. Schmid, A., 2009; Glasauer, B., Herzog
Heinrich XVI (1393-1450), 2009; Rumschöttel, H., Ludwig II. von Bayern, 2011;
Bibliographie zur Geschichte des bairischen Baierns, hg. v. Müller, M., Bd.
1ff. 2011ff.; Gahlen, G., Das bayerische Offizierskorps 1815-1866, 2011; Die
Anfänge Bayerns, hg. v. Fehr, H. u. a., 2012; Faußner, H., Die römische generalstabsmäßige
Ansiedlung der Bajuwaren, 2013; Immler, G., Die Wittelsbacher, 2013; Hilmes,
O., Ludwig II. - Der unzeitgemäße König, 2013; Tauber, C., Ludwig II., 2013;
Ehberger, W., Bayerns Weg zur parlamentarischen Demokratie, 2013; Die Regesten
der Herzöge von Bayern 1180-1231, bearb. v. Schlütter-Schindler, G., 2013 (49
für Otto I., 626 für Ludwig I.); Faußner, H., Die bayerische Herzogsdynastie
der Agilolfinger (578-788), 2014; Flurschütz, B., Die bayerische Popularklage,
2014; Junkelmann, M., Napoleon und Bayern, 2014; Flurschütz, B., Die bayerische
Popularklage, 2014; März, S., Ludwig III. Bayerns letzter König, 2014; Paulus,
C., Machtfelder, 2015; Ruf, C., Die bayerische Verfassung vom 14. 8. 1919, 2015;
Möller, H., Franz Josef Strauß, 2015; Ruppert, K., Die Pfalz im Königreich
Bayern, 2017; Bäuml, M., Kulturpolitik gegen die Krise der demokratie, 2018
Beamtenrecht ist die sich als Rechtsgebiet seit
dem 19. Jh. entwickelnde Gesamtheit der →Beamten betreffenden Rechtssätze
(Ansätze im 17. Jh. und in einem Reichshofratsprozess von 1776, in dem der
Reichshofrat seinen Schutz einem ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos
und unehrenhaft entlassenen Beamten gewährt).
Lit.: Bader, K., Die Rechtsprechung des Reichshofrats
und die Anfänge des territorialen Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Dold,
I., Die Entwicklung des Beamtenverhältnisses im Fürstentum Fürstenberg, 1961;
Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue im preußischen Beamtenrecht,
1973
Beamter (Wort 1552) im beamtenrechtlichen Sinn ist, wer
unter Aushändigung einer Urkunde bei einer juristischen Person des öffentlichen
Rechtes in das Beamtenverhältnis als ein öffentliches Dienstverhältnis und
Treueverhältnis berufen worden ist. Insofern gibt es vor dem im Mittelalter
entstehenden Territorialstaat keine eigentlichen Beamten, sondern nur
Amtsträger. Für diese setzt sich im fränkischen Reich das Lehnsprinzip durch.
Vielleicht seit dem 13. Jh. (bzw. der ausgehenden Stauferzeit) wird der belehnte
Adlige durch den festbesoldeten, absetzbaren und zunehmend fachlich geschulten
Beamten ersetzt. Schon im 17. Jh. kann dieser wegen seiner wohlerworbenen
Rechte nicht mehr ohne gerichtliches Urteil entschädigungslos seines Amtes
enthoben werden. Im 18. Jh. werden Beamte in Preußen zu Pflichtbewusstsein,
Sachkenntnis, Pünktlichkeit und Unbestechlichkeit erzogen. Allgemeine Regeln
über die als Zivilbediente bezeichneten Beamten enthält das preußische
Allgemeine Landrecht von 1794 (II 10 §§ 68ff.). Dort ist der Beamte nicht
länger Fürstendiener, sondern Staatsdiener. 1850 schreibt die preußische
Verfassungsurkunde in den Artikeln 87ff. für die richterlichen Beamten moderne
Grundsätze fest, welche die Weimarer Reichsverfassung in den Artikeln 128ff.
auf alle Beamten erweitert. In Österreich wird die dienstrechtliche Stellung
allgemein durch die Dienstpragmatik vom 25. 1. 1914 geregelt (RGBl. 1914, 15).
Im Deutschen Reich werden die Beamten 1933 auf die nationalsozialistische
Ideologie ausgerichtet (Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums
vom 7. April 1933, maßregelt durchschnittlich 6-8 % der Beamten). 1949 werden
die hergebrachten Grundsätze des (wiederhergestellten) Beamtentums in Art.
33 GG aufgenommen., während die Deutsche Demokratische Republik den Beamten
zum öffentlichen Arbeitnehmer macht. Wichtigste Beamtengesetze der
Bundesrepublik Deutschland sind das Bundesbeamtengesetz und das Beamtenrechtsrahmengesetz.
Österreich schafft am 2. 6. 1977 ein Beamtendienstrechtsgesetz. Wegen der
hohen Personalkosten ist in der Gegenwart streitig, welche Staatstätigkeit von
Beamten ausgeübt werden muss.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197, 217, 225, 233, 258;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Gönner, T., Der Staatsdienst,
1808; Isaacsohn, S., Geschichte des preußischen Beamtentums, Bd. 1ff. 1874ff.;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Bader, K., Die
Rechtsprechung des Reichshofrates und die Anfänge des territorialen
Beamtenrechts, ZRG GA 65 (1947), 363; Wyluda, E., Lehnrecht und Beamtentum,
1969; Rejewski, H., Die Pflicht der politischen Treue im preußischen
Beamtenrecht (1850-1918). 1973; Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung,
1978; Hattenhauer, H., Geschichte des Beamtentums, 1980, 2. A. 1993;
Schimetschek, B., Der österreichische Beamte, 1984; Megner, K., Beamte, 1985;
Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986; Süle, T., Preußische
Bürokratietradition, 1988; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Kittel, E.,
From Ad Hoc to Routine, 1991; Mühl-Benninghaus, S., Das Beamtentum in der
NS-Diktatur, 1996; Wunder, B., Die badische Beamtenschaft, 1998; Heyen, E.,
Pastorale Beamtenethik 1650-1700, HZ 280 (2005) 345; Hesse, C., Amtsträger der
Fürsten im spätmittelalterlichen Reich, 2005 (7468 Kurzbiographien); Krause,
F., Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, 2008; Herlemann, H.,
Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (BBG),
ZRG GA 126 (2009), 296; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Forgács, P., Der ausgelieferte Beamte, 2015
Beati possidentes (lat. [M.Pl.]) die glücklichen
Besitzenden (sind im Rechtsstreit im Vorteil).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Euripides 485/480-406 v. Chr.)
Beaumanoir, Philippe de Rémi, Herr (Seigneur)
von (um 1247-7. 1. 1296), nachgeborener Sohn des bailli (Amtmanns) des
Gâtinais, wird nach dem Studium des Rechtes in Orléans und vielleicht Bologna
1279 bis 1283 bailli der Grafschaft Clermont in Beauvaisis. Zwischen 1280 und 1283
verfasst er Li livres des coustumes et des usages de Beauvoisins (Coutumes de
Beauvaisis), die teils das Bestehende bewahren, teils aber auch verändern.
Später erhält er hohe königliche Ämter.
Lit.: Köbler, DRG 103; Philippe de Beaumanoir,
Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd. 1f. 1899, Neudruck 1970; Actes
du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de Beauvaisis,
1283-1983, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Beaumont bei Reims ist die freie Siedlung,
mit deren Recht viele Orte im Westen des deutschen Reiches bewidmet werden.
→Loi de Beaumont
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 221; Bonvalot, E., Le tiers
état d’après la charte de Beaumont, 1884
Bebenhausen
Lit.: Das Bebenhäuser Urbar von 1356, bearb. v. Wille,
W. 2015
Bebenburg, Lupold von (Bebenburg in
Württemberg um 1297-Bamberg 28. 10. 1363), Reichsministerialensohn, wird nach
dem Studium des kirchlichen Rechtes in Bologna (1316) Kanoniker in Würzburg und
nach der Lösung (1351) des 1338 vom Papst ausgesprochenen Bannes 1353 Bischof
in Bamberg. In seinem kaiserfreundlichen (lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni
et imperii (1340) entwickelt er eine eigenständige Reichstheorie, in der er
einem Reichskaisertum ein auf göttliches Recht gegründetes Weltkaisertum
gegenüberstellt.
Lit.: Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963,
30
Beccaria, Graf Cesare Bonesana von (Mailand
15. 3. 1738-28. 11. 1794), nach dem Rechtsstudium (1754-1758) 1760-1771
Professor in Mailand, danach im Dienst der österreichischen Lombardei, verfasst
1764 zunächst anonym (it.) Dei delitti e delle pene (Von Verbrechen und
Strafen). Darin verlangt er die Durchsetzung des Grundsatzes (lat.) nulla poena
sine lege (keine Strafe ohne Gesetz), die regelmäßige Ersetzung der Todesstrafe
durch lebenslängliche Zwangsarbeit, die Abschaffung der Folter, die
Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung, das Verbot der Willkür bei
Strafverfolgung, die Beachtung der Nützlichkeit gegenüber der bloßen Vergeltung
sowie die Bekämpfung des Verbrechens durch aufgeklärte Bildung. Dies hat
Auswirkungen auf das Erzherzogtum Toskana des Habsburgers Leopolds II. Gegner
Beccarias ist Immanuel Kant.
Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/BeccariaCesareDeiDelittiEDellePene1764.htm;
Köbler, DRG 158; Beccatia, Gesamtausgabe in 16 Bänden, Bd. 1ff. 1984ff; Cesare
Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989; Weis, E., Cesare Beccaria (1738-1794),
1992; Beccaria et la culture juridique des lumières, hg. v. Porret, M., 1998;
Edizione nazionale delle opere di Cesare Beccaria, , Bd. 3 Scritti economici, hg.
v. Gaspari, G., 2014; Di Renzo Villata, G., Beccaria und die Anderen – Zur
Strafrechtswissenschaft der frühen Neuzeit, 2016
Bedarf (Wort 1616)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Bede ist im deutschen Mittelalter die im Hinblick auf eine
bestimmte Notlage von einem Herrn (durch Bitte) erbetene und von den
Betroffenen durch Zustimmung bewilligte, in ihrer Höhe vermögensabhängige
→Abgabe in Geld seit etwa dem 11. Jh. Innerhalb der als Einheit bedepflichtigen
Stadt trifft die B. als Umlage den Bürger. Später wird die B. von der Steuer
verdrängt (z. B. Bayern 1292, 1295, 1304, 1309).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Zeumer,
K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Waas, A., Vogtei und Bede, 1919; Erler,
A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schomburg, W., Lexikon der
deutschen Steuer- und Zollgeschichte, 1992
Bedingung (Wort 1302) ist
das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Folgen einer
menschlichen Erklärung abhängig gemacht werden. Die B. ist aufschiebend oder
auflösend bereits dem frühen römischen Privatrecht bekannt (lat. [F.]
→condicio). Mit diesem wird sie in weiten Teilen Europas seit dem
Mittelalter aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) folgt
dem von Windscheid (Die Wirkung der erfüllten Bedingung, 1851) eingenommenen
Standpunkt, dass die erfüllte aufschiebende Bedingung regelmäßig keine
rückwirkende Kraft hat und während der Schwebezeit eine Gebundenheit des
bedingt Verpflichteten zu Gunsten des bedingt Berechtigten für den Fall des
Eintritts der Bedingung besteht
Lit.: Kaser § 10; Schiemann, G., Pendenz und
Rückwirkung der Bedingung, 1973; Scheltema, A., De goederechtelijke werking van
de ontbindende voorwarde, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
beerbt (Adj.), mit einem (Abkömmling als)
Erben versehen
Beeskow
Lit.: Urkunden der Stadt Beeskow, bearb. v. Beck, F., 2003
Befangenheit ist das Fehlen der Unvoreingenommenheit
bzw. der sachlichen Einstellung unabhängig von persönlichen Neigungen.
Insbesondere von Richtern wird schon früh verlangt, dass sie unparteilich
vorgehen. Allgemein wird die B. erst im 18. Jh. erfasst.
Befestigung ist die künstliche Schutzvorrichtung (z. B. durch
Mauern) eines Ortes gegenüber anderen.
Lit.: vmbringt mit starcken turnen, murn. Ortsbefestigungen im
Mittelalter, hg. v. Wagener, O., 2010
Befestigungsrecht ist das bei den Franken vom König
beanspruchte Recht, einen Ort mit einer künstlichen Schutzvorrichtung (z. B.
Mauer) zu sichern. Mit der Entstehung des →Landes geht das B. vom König
auf den Landesherrn über (1220 bzw. 1231). Danach erwerben auch die Städte ein
B.
Lit.: Schrader, E., Das Befestigungsrecht in
Deutschland, 1909; Coulin, A., Befestigungshoheit und Befestigungsrecht, 1911;
Isenburg, G., Die Befestigung der mittelalterlichen Stadt, 1997; Mintzker, Y.,
The Defortification of the German City, 1689-1866, 2012
Begnadigung ist der auf Gnade beruhende
teilweise oder völlige Erlass der Strafe eines einzelnen Täters nach Eintritt
der Rechtskraft eines Strafurteils durch einen Herrn. Sie ist vermutlich
ähnlich alt wie die Strafe . Im 20. Jh. wird sie durch Gnadenordnungen zunehmend
verrechtlicht.
Lit.: Lueder, C., Das Souveränitätsrecht der Begnadigung,
1860; Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht, 1910; Köstler, R.,
Huldentzug als Strafe, 1919, Neudruck 1965; Grewe, W., Recht und Gnade, 1936;
Klees, K., Das Wesen der Gnade, 1953; Hupe, I., Das Gnadenrecht, 1954;
Waldstein, W., Untersuchungen zum römischen Begnadigungsrecht, 1964; Schätzler,
J., Handbuch des Gnadenrechts, 1976; Merten, D., Rechtsstaatlichkeit und Gnade,
1978; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Bauer, A., Das Gnadenbitten
in der Strafrechtspflege, 1996; Dimoulis, D., Die Begnadigung in vergleichender
Perspektive, 1996; Vrolijk, M., Recht door gratie, 2004; Rehse, B., Die
Supplikations- und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008
Begräbnis ist das Verbringen eines Toten
unter die Erdoberfläche. Es ist schon in frühen Zeiten an vielen Orten üblich.
Vielfach werden dem Begrabenen Beigaben für ein anderweitiges Fortwirken
mitgegeben. Im Anschluss an die jüdische Bibel begraben die Christen ihre Toten
im Hinblick auf die künftige Auferstehung des verklärten Leibes (1. Moses
38,24, 1. Korinther 15,42), wobei allmählich der Kirchhof zum wichtigsten
Begräbnisplatz wird. Mit der zunehmenden Verdichtung wird das B. verrechtlicht.
Die vom Christentum abgelehnte Verbrennung wird seit dem Ende des 18. Jh.s
bedeutsamer.
Lit.: Körner, A., Das kirchliche Beerdigungsrecht,
1906; Gaedke, J., Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1963, 6. A.
1992, 9. A. 2004, 10. A. 2010; Ili, M., Wohin die Toten gingen, 1992; Fischer,
N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Bestattungsbefunde in
ethnoarchäologischer Perspektive, hg. v. Noll, E. u. a., Ethnograph.-archäolog.
Zs. 38 (1997), 287ff.; Engels, J., Funerorum sepulcrorumque magnificentia,
1998; Hassenpflug, E., Das Laienbegräbnis in der Kirche, 1999
Begriff ist die von Sache und Wort zu
trennende Vorstellung des Menschen von einer Gegebenheit.
Lit.: Begriffsgeschichte, hg. v. Bödeker, H., 2002;
Koselleck, R., Begriffsgeschichten, 2006
Begriffsjurisprudenz (Jhering 1884) ist
die Richtung der Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass die Rechtsordnung
nicht eine zusammenhanglose Anhäufung einzelner Vorschriften ist, sondern ein
sinnvolles, zusammenhängendes Ganzes und damit aus einem lückenlos
geschlossenen System von Begriffen (Begriffspyramide) besteht, aus dem vor
allem unter Ausschluss aller außerrechtlichen politischen und gesellschaftlichen
Wertungen durch einen logischen Denkvorgang eine Lösung des gesetzlich nicht
eindeutig geregelten Einzelfalls ermittelt werden könne und Lücken durch
Begriffe und Grundsätze geschlossen werden, die aus dem Gesetz oder
Gewohnheitsrecht (z. B. aus den Regeln des römischen Rechtes über den Irrtum
bei dem Kauf) durch Abstraktion gewonnen werden (z. B. der Grundsatz, dass ein
Irrtum eine Willenserklärung nichtig macht). Sie beruht geschichtlich auf der
→historischen Rechtsschule (Savigny) und methodisch auf dem
→Naturrecht (Christian Wolff). Wichtigster Vertreter ist Georg Friedrich
→Puchta (1798-1846), der den Juristen auf ein hierarchisches System von
rein juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie
der Geschichte) gelösten Begriffen verpflichtet, aus dem nach vorgegebener,
den Naturwissenschaften verwandter geometrischer Art für jede Frage
konstruktiv die zutreffende Lösung gewonnen werden kann, ohne dass freilich auf
der Suche nach Gerechtigkeit andere Gesichtspunkte völlig ausgeschlossen sind.
Die B. wird in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s vor allem von Rudolf von Ihering
angezweifelt und danach allmählich von der →Interessenjurisprudenz
verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 188; Savigny,
F. v., Vorlesungen über juristische Methodologie 1802-1842, hg. v. Mazzacane,
A., 1993; Puchta, G., Cursus der Institutionen, 1841, Bd. 1, 9 A. 1881;
Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958;
Krawietz, W., Theorie und Technik der Begriffsjurisprudenz, 1976; Schlosser,
H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 10. A. 2005, § 4; Bohnert,
J., Über die Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Falk, U., Ein Gelehrter
wie Windscheid, 1989; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012;
Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die Begriffsjurisprudenz, 2004;
Henkel, T., Begriffsjurisprudenz und Billigkeit, 2004
Begründung →Urteilsbegründung
Lit.: Horak, F., Rationes decidendi, 1969; Gudian, G.,
Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und 15. Jahrhunderts, 1960;
Begründungen des Rechts, hg. v. Nembach, U. u. a., 1979; Köbler, G., Die
Begründung von Rechtssätzen im Hoch- und Spätmittelalter, Archival. Z. 75
(1979), 86; Köbler, G., Die Begründungen der Lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift
W. Ebel, 1982, 69; Hensche, M., Teleologische Begründungen, 1998; Die
Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v. Willoweit, D., 2000;
Hocks, S., Gerichtsgeheimnis und Begründungszwang, 2002; Ratio decidendi.
Guiding Principles of Judicial Decisions, hg. v. Bryson, W. u. a., 2006;
Wunderlich, S., Über die Begründung von Urteilen am Reichskammergericht im
frühen 16. Jahrhundert, 2010; Von der religiösen zur säkularen Begründung staatlicher
Normen, hg. v. Siep, L. u. a. 2012; Harke, J., Argumenta Iuventiana - Argumenta
Salviana - Entscheidungsbegründungen bei Celsus und Julian, 2012; Mysterium
„Gesewtzesmaterialien“, hg. v. Fleischer, H., 2013
Begünstigung ist die Hilfeleistung an einen
anderen, der eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der Absicht, ihm die
Vorteile der Tat zu sichern. Sie wird erst in der Neuzeit als solche
verselbständigt.
Lit.: Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und
unterlassene Verbrechensanzeige, 1980; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung
und Hehlerei, 2002
Behörde ist die organisatorisch
selbständige Stelle, die (als unselbständiges Organ des Staates oder sonstigen
selbständigen Verwaltungsträgers) Aufgaben öffentlicher →Verwaltung
wahrnimmt. Dementsprechend entstehen Behörden, sobald die Verwaltung eine
gewisse Größe überschreitet. Dies ist insbesondere seit der Entwicklung des
modernen Staates im Spätmittelalter der Fall. Frühe Ansatzpunkte sind Kanzlei,
Hofgericht, und Raitkammer. Im 19. Jh. erfolgt ein rational-bürokratischer
Aufbau aller Behörden, wobei monokratische und kollegiale Behörden möglich
sind. →Bürokratie
Lit.: Köbler, DRG 150, 197, 233, 258; Biedermann, H.,
Geschichte der landesfürstlichen Behörden in und für Tirol, Archiv f. Gesch.
Tirols 2 (1866); Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887,
Neudruck 1963; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation in
Württemberg, 1904; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen
Behördenorganisation, 1913; Walther, A., Die Ursprünge der deutschen Behördenorganisation
im Zeitalter Maximilians I., 1913; Bär, M., Die Behördenverfassung der
Rheinprovinz seit 1815, 1919; Freitag, D., Das schlesische Behördenwesen, Diss.
jur. Breslau 1937; Ohnsorge, W., Die Verwaltungsreform unter Christian, Neues
Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26ff.; Bernhard, W., Die Zentralbehörden des
Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, Bd. 1f. 1973; Histoire
comparée de l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. Bd. 1ff.1983ff.
Beichtstuhljurisprudenz ist die sich auf die spätantike
Ohrenbeichte (lat. [F.] paenitentia privata, private Beichte) gründende, in
Westeuropa seit dem 6. Jh. (Toledo 589, Irland E. 6. Jh., Châlon-sur-Saône
644-656) sichtbare, seit dem 12. Jh. an Gewicht gewinnende Lehre vom Verhalten
des christlichen Beichtvaters gegenüber einem Sünder hinsichtlich der
Entscheidung für und gegen die Lossprechung. Hierzu entstehen im
Frühmittelalter besondere Bußbücher (Columban, Liber paenitentiarum mensura
taxanda [Luxeuil um 573], Iudicia Theodori Cantuariensis [Canterbury? Ende 7.
Jh.]) und im Hochmittelalter Beichtsummen (lat. Summae [F.Pl.] confessorum)
wie z. B. die Summa de poenitentia des Raymund von Peñafort (vor 1238) oder die
Summa confessorum des Johannes von Freiburg (vor 1290?). Die auftretenden
Rechtsprobleme des sog. (lat.) →forum (N.) internum werden dabei nach den
Regeln des Rechtes bzw. der gelehrten Rechte behandelt. Am päpstlichen Hof
entwickelt sich die apostolische Poenitentiarie als für Gewissenssachen und
Gnadensachen zuständige Behörde. Während die Reformation dem Beichtvater die
Entscheidungsgewalt abspricht, stellt die katholische Kirche die Entscheidung
der Beichtväter (1551) einem Urteil gleich. Nach 1558 wird das Beichtverfahren
in die geistliche Gerichtsbarkeit überführt.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StintzingRoderichGeschichteDerPopulaerenLiteraturDesRoemisch-kanonischenRechtesInDeutschland1867.pdf;
Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962;
Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique et manuels de confession au moyen
âge, 1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,999; Trusen,
W., Zur Bedeutung des geistlichen forum internum und externum für die
spätmittelalterliche Gesellschaft, ZRG KA 76 (1991), 254ff.; Prosperi, A.,
Tribunali della coscienza, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v.
Reinhard, W., 2001; Alle origini del pensiero giuridico moderno, hg. v. Cavina,
M., 2004
Beichtsumme →Beichtstuhljurisprudenz
Lit.: Michaud-Quantin, P., Sommes de casuistique,
1962; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,1828
Beigeordneter ist in einigen Bundesländern Deutschlands
der vom zuständigen Organ einer kommunalen Körperschaft auf Zeit gewählte
führende →Beamte.
Lit.: Wolter, H., Der Beigeordnete, 1978
Beihilfe ist die Unterstützung eines
Menschen insbesondere bei einer Straftat oder hinsichtlich einer Entlohnung für
eine Tätigkeit. Zwischen Tätern und Gehilfen wird erst im Spätmittelalter
gelegentlich unterschieden. Danach wird die B. als allgemeine Erscheinung
erfasst. Die finanzielle B. entwickelt sich mit dem Ausbau des Rechtes der
→Beamten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 119; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.
Beil ist das aus metallener Klinge und hölzernem
Griff zusammengesetzte, hauptsächlich einhändig dem Zerkleinern von Holz
dienende Gerät. Es ist in Altertum und Mittelalter auch ein Kennzeichen für
herrschaftliche Gewalt und wird zum Vollzug von Todesstrafen und Leibesstrafen
verwendet. Seit dem 14. Jh. erscheint das Fallbeil, das in Frankreich 1792 nach
Vorschlag des Arztes J. Guillotin zur Guillotine weiterentwickelt wird.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Maisel, W.,
Rechtsarchäologie Europas, 1992
Beilager ist der Beischlaf bzw. die öffentliche
Beschreitung des Ehebetts als Voraussetzung für die vollzogene
→Eheschließung, deren rechtliche Notwendigkeit in der germanischen Zeit
in der Wissenschaft streitig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Eckhardt, K., Beilager und
Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Carlsson, L., Das
Beilager im altschwedischen Recht, ZRG GA 75 (1958), 348; Hemmer, R., Über das
Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 76 (1959), 292; Carlsson, L., Vom Alter
und Ursprung des Beilagers im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 310;
Hemmer, R., Nochmals über das Beilager im germanischen Recht, ZRG GA 78 (1961),
298
Beirut →Berytos
Beisasse ist (vor allem in der
mittelalterlichen Stadt) der nicht vollberechtigte Bewohner (Bürger).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980, 275ff.; Vits, B., Hüfner, Kötter und Beisassen, 1993
Beisitz ist eine mindere Form einer
Beteiligung. Im mittelalterlichen Recht bleibt nach dem Tode eines Hausvaters
die Witwe mit den Kindern in ungeteilter Vermögensgemeinschaft auf dem Gut
sitzen. Sie erzieht die Kinder und nutzt deren Vermögen durch B., bis dieser
durch Abschichtung, Wiederverheiratung oder Tod beendet wird. Mit der
Entwicklung des →Ehegattenerbrechts schwindet der noch im preußischen
Allgemeinen Landrecht (1794, II 1 § 645) enthaltene B.
Lit.: Hübner 693; Köbler, DRG 89; Brauneder, W., Die
Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973
Beisitzer →Assessor
Beispruch ist im älteren deutschen Recht die
Zustimmung des nächsten Erben des Veräußerers eines Gutes zur Veräußerung. Das
Beispruchsrecht beruht auf der ursprünglichen Familiengebundenheit von Grund
und Boden. Es ist zunächst ein vollständiges Recht auf Herausgabe der
veräußerten Sache (Rückrufsrecht), schwindet im Laufe des Mittelalters aber in
regionaler Verschiedenheit über ein Vorkaufsrecht allmählich gegenüber der
Verfügungsfreiheit des Eigentümers.
Lit.: Hübner 332; Fipper, C., Das Beispruchsrecht nach
altsächsischem Recht, 1879; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und
Erbenhaftung, ZRG GA 28 (1907), 69; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und
Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Forster, G., Mitwirkungsrechte, 1952
Beispruchsrecht →Beispruch
Belagerungszustand ist der seit dem 19. Jh. verrechtlichte Zustand
der (ursprünglich tatsächlichen) Belagerung (z. B. einer Stadt) durch einen
Feind, in dem bestimmte Rechte eingeschränkt und die Zuständigkeit von Gerichten
abgeändert werden kann.
Lit.: Schudnagies, C., Der Kriegs- oder Belagerungszustand während
des ersten Weltkriegs, 1994
Beleidigung ist die nach außen dringende
Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen. Sie ist im
altrömischen Recht in der (lat. [F.]) iniuria (Unrecht) des Zwölftafelgesetzes
mit der Folge der Leistung von 25 Pfund Kupfer enthalten, die im klassischen
römischen Recht zu einem Tatbestand erweitert wird, der jede bewusste
Missachtung der Persönlichkeit eines anderen in Wort und Tat umfasst. Im
Mittelalter hat die B. eher tatsächliche als rechtliche Folgen. Die peinliche
Gerichtsordnung Karls V. von 1532 erfasst nur einzelne Sonderfälle. Bei
Thomasius (1655-1728) werden Körperverletzung und tätliche B. voneinander
geschieden. Im preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) wird die B. als
Straftatbestand angesehen. Das frühe 19. Jh. sondert die Verleumdung von der
B., das Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 sieht B., Verleumdung und üble
Nachrede als B. in weiterem Sinn an.
Lit.: Köbler, DRG; Landsberg, E., Injuria und
Beleidigung, 1886; Thieme, K., Iniuria und Beleidigung, 1905; Bartels, K., Die
Dogmatik der Ehrverletzung in der Wissenschaft des gemeinen Rechts, Diss. jur.
Göttingen 1959; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
1981, 5. A. 2007; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998
Belgien ist das Gebiet zwischen der
kontinentalen Ärmelkanalküste und den Ardennen. Sein Name geht auf 51 v. Chr.
von Caesar unterworfene keltisch-germanische Mischstämme zurück, die
zusammenfassend als (lat. [M.Pl.]) Belgae bezeichnet werden. Sie geraten in der
Völkerwanderung unter den Einfluss der vom Niederrhein einströmenden
→Franken, die den nördlichen Teil sprachlich assimilieren
(altniederfränkisch, flämisch). 843/877 gelangt ein Teil an den Westen
(Frankreich), der übrige Teil an den Osten (Deutschland), 1384 das gesamte
Gebiet an →Burgund und über Maria von Burgund 1477 an Habsburg, für das
Karl V. 1531 die Aufzeichnung aller örtlichen Gewohnheitsrechte (coutumes)
binnen sechs Monaten anordnet ([1750] 691). Bei der Teilung im Hause Habsburg
(1521/1522/1526) fällt der Raum an →Spanien, ohne im Freiheitskampf der
→Niederlande mit diesen sich (tatsächlich 1571-1581 und rechtlich 1648)
aus der spanischen Herrschaft lösen zu können (spanische Niederlande). Nach dem
spanischen Erbfolgekrieg (1713) wird das Gebiet an das habsburgische
→Österreich gegeben (österreichische Niederlande), nach der Besetzung
durch das bald seine Kodifikationen von 1804ff. unter Aufhebung älterer
Gewohnheitsrechte und Gesetze einführende Frankreich (1793, 1795 Batavische
Republik, 1797 Teil Frankreichs) 1815 aber Österreich auch rechtlich entzogen
und mit den Niederlanden zum Königreich der Niederlande vereint. Unter der Einwirkung
der französischen Revolution des Jahres 1830 erklärt das teils wallonische
(romanische) Gebiet (im Südosten um [Brüssel,] Charleroi, Namur, Bastogne, 40
Prozent), teils flämische (niederländischsprachige) Gebiet (im Nordwesten um
Ostende, Brügge, Gent, Antwerpen, Mechelen, 60 Prozent) am 18. 11. 1830 seine
Unabhängigkeit. Die Verfassung vom 7. 2. 1831 legt eine konstitutionelle
Monarchie fest (Einheitsstaat). Das Recht ist deutlich von Frankreich geprägt.
Die 1831/1839 garantierte Neutralität ist seit 1914/1919 beendet bzw.
aufgehoben. Seit 1951/1952 ist B., in dem die sog. flämische Revolution die
Vorherrschaft französischer Kultur mehr und mehr durchbricht, Kernland
europäischer Einigung (1951/1952 Montanunion, 1957 Euratom, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft),
entwickelt sich als Folge des inneren sprachlichen Gegensatzes aber 1993 zu
einem Bundesstaat. →Europäische Union
Lit.: Recueil des anciennes ordonnances de la
Belgique; Recueil des anciennes coutumes de la Belgique; Pirenne, H., Histoire
de Belgique, Bd. 1ff. 1899ff., Neudruck 1975; Errera, P., Das Staatsrecht des
Königreichs Belgien, 1909; Niemeyer, T., Belgien und seine Neutralisierung,
1917, Neudruck 2013; Marez, G. des, Le droit privé à Ypres, 1927; Vercauteren,
F., Étude sur les civitates de la Belgique seconde, Mémoires publiés par
l’académie royale de Belgique 1934; Niermeyer, J., Onderzoekingen over Luikse en
Maastrichtse oorkonden, 1935; Dievoet, E. van, Het burgerlijk recht, 1943;
Algemene Geschiedenis der Nederlanden, 1949ff.; Standen en Landen, Bd. 1ff.
1950ff.; Génicot, L., L’économie rurale Namuroise, 1960; Verhulst,
A./Gysseling, M., Le compte général de 1187, 1962; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff. 3,1,1069, 3,2,2581, 3,3,3726,3794,3892,3973,4091; Ordonnances
et autres actes juridiques concernant le duché de Bouillon, Bd. 2 1977;
Gilissen, J., Introduction historique au droit, 1979; Smidt, J. de u. a.,
Chronologische Lijsten van de geentendeerde sententien, 1979; Gilissen, J.,
Historische Inleiding tot het recht, 1981; Liber sentenciarum van de
officialiteit van Brussel 1448-1459, hg. v. Vleeschouwers, C. u. a., 1982;
Cossart, A. v., Belgien, 1985; Dumont, G., Histoire de la Belgique, 1985;
Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux, 1987; Costumen van
de stad en van de kasselrij Kortrijk, hg. v. Monballyu, J., Bd. 2 1989;
Schilling, J./Täubrich, R., Belgien, 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur
Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20.
Jahrhundert, 1993; Hermsdörfer, W., Geschichte und Gegenwartsgestalt des
Verhältnisses von Staat und Kirche in Belgien, 1998; Cook, B., Belgium, 3. A.
2002ff.; Delpérée, F., Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000; Zedinger,
R., Die Verwaltung der österreichischen Niederlande in Wien (1714-1795), 2000;
Uyttendaele, M., Précis de droit constitutionnel belge, 2001; Geschiedenis van
de Belgische Kamer van Volksvertegenwoordigers, red. v. Gerard, E. u. a., 2003;
Koll, J., Die belgische Nation, 2003; Politieke en sociale geschiedenis van
justitie in Belgie, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2004; La Belgique, les petits
États et la construction européenne, hg. v. Dumoulin, M. u. a., 2003; Napoleons
nalatenschap, hg. v. Heirbaut, D. u. a., 2005; Heirbaut, D., Hadden/hebben de
Belgische ministers van Justitie een civielrechtelijk beleid?, 2005;
Schaepdrijver, S. de, La Belgique et la première guerre mondiale, 2005;
Heirbaut, D., Privaatrechtsgeschiedenis van de Romeinen tot heden, 2005;
Vesentini, F., Pratiques pénales et structures sociales, 2005; Lejeune, C., Die
Säuberung, Bd. 1ff. 2005ff.; Monballyu, J., Zes eeuwen strafrecht, 2006;
Dupont-Bouchat, M. u. a., La Belgique criminelle, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 971; Deferme, J., Uit de ketens van de vrijheid, 2007;
Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg.
v. Stevens, F., 2008; Heirbaut, D., Een beknopte geschiedenis van het sociaal,
het economisch en het fiscaal recht in Belgie, 2009; Horvat, S., De vervolging
van militairrechtelijke delicten tijdens Wereldoorlog I, 2009; Meinen, I., Die
Shoah in Belgien, 2009; Monballyu, J., De jacht op de flaminganten, 2010; Kakoschke,
A., Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010; Debaenst, B., Een Proces van Bloed, Zweet en
Tranen!, 2011; Stevens, W., Het leenhof van Dendermonde, 2013; Vandenbogaerde,
S., Vectoren van het recht – Geschiedenis van de Belgische juridische
tijdschriften, Diss. jur. Gent 2014; De Belle Epoque van het Belgische rechr
/1870-1914), hf. v. Debaenst, B., 2016; Wampach, C., Der Rechtsstreit um die
Verletzung der belgischen Neutralität im ersten Weltkrieg, ZRG GA 133 (2016),
404; Witte, E. u. a., Politieke geschiedenis van België, 2016; Spraul, G., Der
Franktireurkrieg 1914. 2016
Belial (hebr. Bosheit, Widersacher
Christi) ist in der Bibel (2. Kor. 6, 15) ein Teufel und im Spätmittelalter
eine Lehrschrift ([lat.] Processus [M.] Luciferi contra Jesum coram iudice
Salomone, Prozess Luzifers gegen Jesus vor dem Richter Salomo) des kanonistisch
geschulten Archidiakons Jacobus (Paladinus) de Theramo (Teramo, 1382
Archidiakon in Aversa, 1391 Bischof von Monopoli, später von Florenz) von 1382.
Ihre frühe deutsche Übersetzung ist ein Fall populärer, die Rezeption der
gelehrten Rechte beschleunigender Literatur.
Lit.: Hagemann, H., Der Processus Belial, FG M.
Gerwig, 1960, 55; Ott, N., Rechtspraxis und Heilsgeschichte, 1983
Beliebung →Dorfordnung, Siebenhardenbeliebung
Bellapertica →Petrus de
Bello, Andrés (1781-1865), der von 1810 an ein jahrelanges
Rechtsstudium in London betreibt, ist der Verfasser des auf dem europäischen
Kodifikationsgedanken und dem spanisch-römischen Sachmaterial eigenständig
aufgebauten (span.) Codigo civil (Bürgerliches Gesetzbuch) de la república de
Chile von 1855.
Lit.: Nelle, D., Entstehung und Ausstrahlungswirkung
des chilenischen Zivilgesetzbuches von Andrés Bello, 1988
Bellot, Pierre François (1776-1836), seit
1819 bzw. 1823 Professor in Genf, ist der Redaktor des Zivilgesetzbuchs und
Schöpfer des Prozessrechts in →Genf.
Lit.: Elsener, W., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975, 446
bellum (lat. [N.]) Krieg
Benedictus de Isernia ist ein in Benevent kurz vor 1200 geborener,
1252 in Neapel noch bezeugter Jurist (Glossen, Summen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 496
Benedictus Levita ist der selbstgewählte Name des
(unbekannten) Verfassers einer in drei Bücher mit 405, 436 und 478 (bzw.
insgesamt 1719 bzw. 1721) Kapiteln gegliederten, um 850 (vor 852?) wohl in der
Erzdiözese Reims (nach eigenen Angaben im Archiv der Kirche von Mainz) entstandenen,
zum Teil (mehr als drei Vierteln?) gefälschten oder verfälschten, zu einem
beträchtlichen Teil aber echten, auf sehr guten Vorlagen beruhenden,
vollständig nur durch zwei Handschriften überlieferten, nur mäßig erfolgreichen
Rechtssammlung, die Kapitularien aus der Sammlung des →Ansegis,
Bibeltexte, Kirchenväter, Kanones und andere Quellen kirchlichen wie weltlichen
Rechtes (von den Volksrechten nur die [lat.] Lex Baiwariorum, Volksrecht der
Bayern) ohne jede erkennbare Ordnung aneinanderreiht.
Lit.: Ganshof, F., Was waren die Kapitularien? 1961;
Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988ff.; Schmitz, G.,
Die Reformkonzilien von 813 und die Sammlung des Benedictus Levita, DA 56
(2000), 1; Fortschritt durch Fälschungen?, 2002; Lukas, V., Eine Sammlung von
Kapitularien Karls des Großen bei Benedictus Levita, ZRG KA 90 (2004), 1
Benedikt XIV. (Prospero Lambertini, Bologna
1694-1754), seit 1740 Papst, ist auf Grund seines Werkes (lat.) De synodo
dioecesana (Über die Diözesansynode) der früheste Vertreter einer
geschichtlichen Kirchenrechtswissenschaft.
Lit.: Haynes, R., Philosopher King. The Humanist Pope
Benedict XIV, 1970
Benediktiner ist der Angehörige des von Benedikt
von Nursia (um 480-547) zunächst in Subiaco und nach 529 in Montecassino (bei
Neapel) geleiteten ältesten abendländischen Mönchtums, der nach der von
Benedikt verfassten, sich im fränkischen Reich durchsetzenden Klosterregel
lebt. Bedeutende Klöster der B. sind neben Montecassino vor allem Luxeuil,
Cluny, Corbie, Fontenelle, Stablo, Malmédy, Bobbio, Farfa, Echternach, Prüm,
Hirsau, Reichenau, Sankt Gallen, Weißenburg im Elsass, Lorsch, Maria Laach,
Fulda, Corvey, Benediktbeuern, Wessobrunn, Beuron, Ettal, Tegernsee, Mondsee,
Gorze, Melk, Bursfeld, Sankt Blasien, Weingarten, Sankt Emmeram und Göttweig.
Als Zweigorden der B. lassen sich Kamaldulenser, Vallumbrosaner,
Zisterzienser, Silvestriner, Cölestiner und Olivetaner verstehen. In Frankreich
werden alle Klöster der B. 1789 aufgehoben, im Heiligen Reich alle Klöster 1803
säkularisiert, doch werden im 19. Jh. viele wiederbegründet. Seit 1893 gibt es
einen weltweiten Zusammenschluss mit derzeit 21 Kongregationen und rund 200
Klöstern.→regula Benedicti
Lit.: Hilpisch, S., Geschichte des benediktinischen
Mönchtums, 1929; Schmitz, P., Geschichte des Benediktinerordens, Bd. 1ff.
1947ff.; Holtz, L., Geschichte des christlichen Ordenslebens, 1986; Engelbert,
P., Geschichte des Benediktinerkollegs Sankt Anselm in Rom, 1988; Clark, J.,
The Benedictines in the Middle Ages, 2011; Dartmann, C., Die Benediktiner,
2014; Miegel, A., Kooperation, Vernetzung, Erneuerung, 2014; Die
benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Bayern, red. v. Hildebrandt, M.,
2014 (149 Beiträge)
Benediktinerregel →regula Benedicti
Benediktion
Lit.: Franz, A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, 1909
Beneficium (lat. [N.] Wohltat, gute Tat) ist
im römischen Recht jede (, vor allem kaiserliche) Gunst (z. B. Übertragung des
Rechtes an einer Sache [u. a. b. excussionis sive ordinis, b. divisionis, b.
cedendarum actionum, b. dationis in solutum, b. abstinendi, b. inventarii, b.
separationis bonorum, b. cessionis bonorum, b. competentiae]), im
Frühmittelalter unter anderem die besonders vorteilhafte →Leihe. Als
solche gilt jedenfalls seit 743/744 auch die Leihe (z. B. säkularisierten
Kirchenguts) gegen Leistung von Kriegsdienst. Später werden als b. auch Ämter
und in Anerkennung an spätrömische Vorbilder sogar Kirchen oder Pfründengüter
(Amtspfründen) verliehen. Im Süden Frankreichs spricht man seit dem Ende des
9. Jh.s auch von fevum, feodum, feudum, später allgemein volkssprachig von
→Lehen. Im 13. Jh. tritt in Deutschland das Wort b. ebenfalls zurück. Im
Rahmen des römischen Rechtes wird es mit dessen Aufnahme seit dem
Spätmittelalter wieder verwendet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Stutz, U.,
Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 1895, Neudruck 1972; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961,
6. A. 1983, 7. A. 1989; Wesener, G., Rechtswohltat, HRG Bd. 4 1986, 423;
Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Mönchtum - Kirche - Herrschaft, hg. v.
Bauer, D. u. a., 1998; Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007; Wolkenhauer,
J., Senecas Schrift De beneficiis und der Wandel im römischen Benefizienwesen,
2014
beneficium (N.) cedendarum actionum (lat.) Wohltat der abzutretenden
Ansprüche
Beneficium (N.) competentiae (lat.) (Rechtswohltat des
Notbedarfs) heißt seit dem 16. Jh. die schon im klassischen römischen Recht
vorhandene Möglichkeit, gewisse nahe Angehörige oder Mitgesellschafter nur zum
Geldwert eines zur Urteilszeit vorhandenen Vermögens zu verurteilen, um die mit
der Vollstreckung verbundenen Nachteile nicht eintreten zu lassen. Ein
gewohnheitsrechtlich entstandenes, auf Liber extra 3,23,3 gestütztes b. c.
genießt auch der Klerus, dem das zum standesgemäßen Unterhalt Notwendige zu
belassen ist.
Lit.: Kaser §§ 32 III, 85; Wünsch, O., Zur Lehre vom
beneficium competentiae, Diss. jur. Leipzig 1897; Zipperling, O., Das Wesen des
beneficium competentiae, 1907; Gildemeister, J., Das beneficium competentiae im
klassischen römischen Recht, 1986
beneficium (N.) divisionis (lat.) Wohltat der Teilhaftung
Beneficium (N.) emigrationis (lat.) (Wohltat der Auswanderung)
ist die nach der Reformation Martin →Luthers von Landesherren und durch
den Augsburger Religionsfrieden vom 25. 9. 1555 reichsrechtlich gewährte
Freiheit, in ein Land auszuwandern, in dem die vom eigenen Landesherrn nicht
geteilte Religion eines auswanderungswilligen Untertanen gilt. Voraussetzung
ist der Verkauf der Güter und die Entrichtung einer Nachsteuer sowie einer
möglichen Befreiungsabgabe.
Lit.: Zycha, A., Deutsche Rechtsgeschichte der
Neuzeit, 2. A. 1949, 55
beneficium (N.) excussionis (lat.) Wohltat (Einrede) der
Vorausklage
Lit.: Wurch, N., David Mevius und das lübische Recht –
dargestellt am Beispiel des „beneficium excussionis“, 2015
beneficium (N.) inventarii (lat.) Wohltat der
Inventarerrichtung
Beneš-Dekrete sind die von Edvard Beneš (28. 5.
1884-3. 9. 1948) als dem Präsidenten der zweiten tschechoslowakischen Republik
verfügten (insgesamt 143) Dekrete (Dekret des Präsidenten vom 19. Mai 1945
über die nationale Verwaltung [Enteignung) der Vermögenswerte von Deutschen und
Madjaren, Verrätern und Kollaborateuren, Dekret vom 19. Juni 1945 über die
Bestrafung der nazistischen Verbrecher, Verräter und ihrer Helfershelfer durch
außerordentliche Volksgerichte, Dekret vom 21. Juni 1945 über die Konfiskation
und Aufteilung des landwirtschaftlichen Vermögens der Deutschen, Madjaren u. s. w., [Bekanntmachung des
Finanzministers vom 22. Juni 1945 über die Sicherstellung des deutschen
Vermögens,] Dekret vom 20. Juli 1945 über die Besiedlung des
landwirtschaftlichen Bodens der Deutschen, Madjaren und anderen Staatsfeinde
durch Tschechen und Slowaken, Verfassungsdekret vom 2. August 1945 über den
Verlust der Staatsbürgerschaft der Deutschen und Madjaren, Dekret vom 19.
September 1945 über die Arbeitspflicht der ausgebürgerten Menschen (ohne Entlohnung und Lebensmittel), Dekret vom 18.
Oktober 1945 über die Auflösung der deutschen Universität Prag und der deutschen
technischen Hochschulen von Prag und Brünn, Dekret vom 25. Oktober 1945 über
die Konfiskation des feindlichen Vermögens, Dekret vom 27. Oktober 1945 über
die Einrichtung von Zwangsarbeitssonderabteilungen und Verfassungsdekret vom
27. Oktober 1945 über die Sicherstellung der als unzuverlässig angesehenen
Menschen (sowie Erlass des Innenministeriums vom 26. November 1945 über die
Aussiedlung der deutschen Antifaschisten in die sowjetische Besatzungszone
Deutschlands und Gesetz vom 6. Mai 1946 über die Rechtmäßigkeit aller mit dem
Kampf um die Wiedergewinnung der Freiheit der Tschechen und Slowaken zusammenhängenden
Handlungen [oder Straftaten]). Die B. entfalten noch in der Gegenwart
Wirksamkeit.
Lit.: Dokumente zur Diskussion über die Beneš-Dekrete,
hg. v. Slapnicka, H., 1999; Beneš, E., Benesovy dekrety, 2002; Mandler, E.,
Benesovy dekrety, 2002; Die Deutschen und Magyaren in den Dekreten des
Präsidenten der Republik. Studien und Dokumente 1940-1945, hg. v. Jech, K.,
2003; Perzi, N., Die Beneš-Dekrete, 2003; Bühler, K./Schusterschitz, G./Wimmer,
M., The Beneš-Decrees, Austrian Review of International and European Law 9
(2004), 1
Benin
Lit.: Harding, L., Das Königreich Benin, 2010 (Nigeria
um 1200, 1898 von Großbritannien erobert)
Bentham, Jeremy (London 15. 2. 1748-6. 6.
1832), Anwaltssohn, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in
Lincoln’s Inn (1763) für kurze Zeit Anwalt. 1789 veröffentlicht er als Privatgelehrter
(engl.) The Introduction of the Principles of Morals and Legislation
(Einführung in die Grundsätze von Moral und Gesetzgebung), welcher der Gedanke
zugrunde liegt, dass eine Handlung dann richtig und ein Gesetz dann gerecht
ist, wenn es das größte Glück der größten Zahl von Menschen fördere
(→Utilitarismus). Dazu strebt er eine Kodifikation an. 1817 tritt er in
(engl.) A Catechism on Parliamentary Reform (Bekenntnis zur Reform des
Parlaments) für jährliche Wahlen, einheitliche Wahlbezirke, Ausdehnung des
Wahlrechts und Geheimheit der Wahl ein. Er beeinflusst John →Austins
analytische Rechtswissenschaft. Die historische Rechtsschule nimmt ihn nicht
zur Kenntnis, doch gibt es einzelne Auswirkungen seiner Vorstellungen im
Prozess, Gefängniswesen und bei den Zinsen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Bent-hamJeremyMoralsandLegislation1789.pdf
Köbler, DRG 139, 179; Bentham, J., A Comment on the Commentaries, hg. v.
Everett, C., 1928; Vanderlinden, J., Code et codification dans la pensée de J.
Bentham, TRG 32 (1974); Campos Boralevi, L., Bentham and the oppressed, 1984;
Postema, G., Bentham and the Common Law Tradition, 1986; Luik, S., Die
Rezeption Jeremy Benthams, 2003; Kramer-McInnis, G., Der „Gesetzgeber der
Welt“, 2008
Bentheim
Lit.: Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Länder, 7. A.
2007; Finkemeyer, E., Verfassung und Verwaltung der Grafschaft Bentheim zur
Zeit der hannoverschen Pfandschaft 1753-1804, 1967; Veddeler, P., Die
territoriale Entwicklung der Grafschaft Bentheim bis zum Ende des Mittelalters,
1970; Marra, S., Allianzen des Adels, 2006
Benutzungszwang ist der öffentlichrechtliche Zwang
zur Benutzung einer öffentlichrechtlichen Einrichtung, wie er im 19. Jh. durch
die →Leistungsverwaltung durchgesetzt wird (z. B. Preußen 1868 bezüglich
der öffentlichen Schlachthäuser).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Deutsche Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983f.
Beratungshilfe ist die in Deutschland zusammen mit
der Prozesskostenhilfe das →Armenrecht 1980 ablösende Hilfe für die
Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens durch
Rechtsanwälte.
Lit.: Köbler, DRG 263; Engels, C., Beratungshilfegesetz/Prozesskostenhilfe,
1990; Kawamura, H., Die Geschichte der Rechtsberatungshilfe in Deutschland,
2014
Berber ist der Angehörige eines eine Berbersprache
sprechenden Volkes in Nordafrika (z. B. Tuareg, Kabyle, Wort vielleicht von gr.
barbaros?)
Lit.: Brandes, J., Geschichte der Berber, 2004
Bereicherung (Wort 1785, Bereicherungsanspruch 1893) ist die Vermehrung eines Vermögens.
Sie ist dann herauszugeben, wenn sie nicht rechtlich begründet ist. In diesem
Sinn kann bereits im klassischen römischen Recht eine nichtgeschuldete Leistung
(lat. indebitum [N.] solutum) wohl wegen der Ähnlichkeit mit einem Darlehen mit
der besonderen Begehrensform der →Kondiktion (lat. [F.] condictio) zurückverlangt
werden. Über die Nichtschuld hinaus gilt diese Folge auch für Fälle nicht
eingetretener Erwartung oder sittenwidrigen Leistungszweckes. Herauszugeben
ist grundsätzlich der erlangte bestimmte Gegenstand. In nachklassischer Zeit
wird im Osten die Herausgabe aus grundloser Vorenthaltung mit der allgemein philosophisch-christlichen
Überlegung gerechtfertigt, dass niemand aus dem Nachteil eines anderen
reicher (lat. locupletior) werden dürfe. Im Mittelalter versuchen die Glossatoren
erstmals, die Kondiktion mit dem Grundsatz der Beschränkung der Herausgabepflicht
auf die noch vorhandene B. zu verbinden. Dem folgt →Duaren (1509-1559).
Von Hugo →Grotius wird der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand,
der aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist,
herauszugeben hat, worum er reicher geworden ist. Er wird aber nicht in die
vernunftrechtlichen Kodifikationen aufgenommen. Im 19. Jh. setzt sich wohl
auf Grund der von Glück übernommenen Vorstellung die Ansicht durch, dass nur
die noch vorhandene B. herauszugeben ist. Otto von Gierke bewirkt, dass im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) die Grundlosigkeit des Habens als
Leitgedanke der Ansprüche auf Herausgabe der B. vorangestellt wird.
Lit.: Kaser § 48; Söllner § 9; Köbler, DRG 166, 215,
271; Coing, H., Zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung bei
Accursius, ZRG RA 80 (1963), 396; Schmitt, R., Die Subsidiarität der
Bereicherungsansprüche, 1969; Feenstra, R., Die ungerechtfertigte Bereicherung
in dogmengeschichtlicher Sicht, (in) Ankara Universitesi Hukuk Fakültesi
Dergise 29 (1972), 289; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke bei der Schenkung
unter Ehegatten, 1974; Schubert, W., Windscheid und das Bereicherungsrecht des
ersten Entwurfs des BGB, ZRG RA 92 (1995), 186; Bauer, K., Ersitzung und
Bereicherung im klassischen römischen Recht, 1988; Schartl, R.,
Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen des Mittelalters,
TRG 60 (1992), 109; Jakobs, H., Lucrum ex negotiatione, 1993; Unjust
Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Hallebeek, J., The Concept of unjust
enrichment, 1995; Schäfer, F., Das Bereicherungsrecht in Europa, 2001;
Wernecke, F., Abwehr und Ausgleich aufgedrängter Bereicherungen, 2004;
Grundstrukturen eines europäischen Bereicherungsrechts, hg. v. Zimmermann, R.,
2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Berg an der Dhün am Niederrhein ist im 11. Jh. der Sitz
eines Geschlechts von Grafen, deren Land 1614/1666 an Pfalz-Neuburg und 1777
mit der Pfalz an Bayern gelangt. 1805/1806 formt Napoleon hieraus und aus
anderen Gebieten das Großherzogtum Berg mit Verfassung und Verwaltung nach französischem
Vorbild. 1813/1814 werden die französischen Einrichtungen aufgehoben. 1815
fällt B. an Preußen, über das sein Gebiet (1946) zu →Nordrhein-Westfalen
kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Land im Mittelpunkt
der Mächte, 3. A. 1985; Kraus, T., Die Entstehung der Landesherrschaft der
Grafen von Berg, 1981; Francksen, M., Staatsrat und Gesetzgebung im
Großherzogtum Berg 1806-1813, 1982; Lohausen, H., Die obersten Zivilgerichte,
1995; Schmidt, C., Das Großherzogtum Berg, 1999; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Modell und Wirklichkeit, hg. v.
Dethlefs, G. u. a., 2008; Severin-Barboutie, B., Französische
Herrschaftspolitik und Modernisierung, 2008; Hentsch, C., Die Bergischen
Stahlgesetze, 2011; Berner, A., Kreuzzug und regionale Herrschaft, 2014;
Geschichte des Bergischen Landes, hg. v. Gorißen, S. u. a., Bd. 1f. 2014ff.
Berg, Günther Heinrich von (Schwaigern bei Heilbronn 27.
11. 1765-9. 9. 1843), Amtmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen
1793 außerordentlicher Professor in Göttingen und danach Hofrat (1800), Regierungspräsident,
Bundestagsgesandter, Oberappellationsgerichtspräsident und Staatsminister.
Sein bekanntestes Werk ist ein siebenbändiges Handbuch des
→Polizeirechts (1799ff.).
Lit.: Köbler, DRG 152
Bergbau →Bergrecht
Lit: Bader, K., Zur Geschichte des Eisenerzabbaues und des Hüttenwerks
zu Blumberg, 1938; Schmidtill, E., Zur Geschichte des Eisenerzbergbaues im
südlichen Fichtelgebirge, 1963; Valentinitsch, H., Das landesfürstliche
Quecksilberbergwerk Idria 1575-1659, 1981; Europäisches Montanwesen im
Hochmittelalter. Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a.,
1986; Paul, R., Vorstudien für ein Wörterbuch zur Bergmannssprache in den
sieben niederungarischen Bergstädten, 1987; Wiesemann, J., Steinkohlenbergbau
in den Territorien um Aachen 1334-1794, 1995; Krenz, H., Lütticher
Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Geschichte des deutschen Bergbaus,
hg. v. Tenfelde, K. u. a., Bd. 1ff. 2012ff.; Unter uns – Die Faszination des
Steinkohlebergbaus in Deutschland, hg. v. Müller, B., Bd. 1f. 2015f.; Jung, Y.,
Strukturwandel im sozialen Feld – Bergarbeiterfamilien im Ruhrgebiet 1945 bis
2000, 2015
Bergelohn ist die bei der Bergung eines in
Seenot und zugleich aus der Verfügungsgewalt der Schiffsbesatzung geratenen
Schiffes geschuldete Vergütung. Ursprünglich herrscht hier der Grundsatz des
Strandraubs, dem der Grundsatz des Strandregals des Landesherrn folgt. Seit dem
frühen Mittelalter (Rhodos 600-800 n. Chr., Hamburg 1270, Ordonnance de la
Marine 1681) wird dem Berger ein Anteil zugesprochen. Seit der zweiten Hälfte
des 19. Jh.s wird für den Berger wie den Hilfeleistenden ein gemäß den
Umständen nach billigem Ermessen zu bestimmender B. für richtig gehalten
(Strandungsordnung 1874, §§ 740ff. HGB, Brüsseler Übereinkommen 1910).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957
Bergen („Bergweide“) am Byfjord wird 1070
gegründet. Es ist seit dem 12. Jh. →Norwegens Krönungsstadt. Um 1343 eröffnet
dort die →Hanse eine Niederlassung.
Lit.: Bruns, F., Die Lübecker Bergenfahrer, 1900;
Bergen, hg., v. Friedland, K., 1971; Archiv der Bergenfahrerkompagnie zu
Lübeck, bearb. v. Asmussen, G. u. a., 2002; Ullrich, S., Untersuchungen zum
Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Berggericht
Lit.: Huffmann, F., Über die sächsische Berggerichtsbarkeit, 1935
Bergrecht ist das Berge betreffende Recht,
insbesondere das Recht des Bergbaus und damit der Gewinnung von Bodenschätzen
zunächst vor allem aus Bergen. Der dem antiken folgende, mittelalterliche
Bergbau beginnt um Goslar (Silber) im 9. Jh., an der Südseite des Erzgebirges
um 1140 und im Mansfelder Gebiet (Kupfer) um 1190. Ausgangspunkt ist die
Bergbaufreiheit des Grundeigentümers. Wohl bereits im Frühmittelalter
beansprucht aber der König die Herrschaft über den Bergbau, durch welche die
Stellung des Grundeigentümers beschränkt wird. 1158 verkündet Friedrich I.
Barbarossa zunächst für Italien in Roncaglia ([lat.] Constitutio [F.] de
regalibus, Gesetz über die königlichen Rechte) das Silberregal und das
Salzregal des Königs ([lat.] argentariae … et salinarum reditus, Abgaben aus
Silberwerken? und Salinen). Wenig später wird das B. erstmals ausführlicher
festgehalten (Trient 1185/1208, Iglau 1249, Goslar 1271, Freiberg 14. Jh.,
Schladming 1408). In der Folge darf auch gegen den Willen des Grundeigentümers
an jedem geeigneten Ort Bergbau betrieben werden (Bergfreiheit, Bergbaufreiheit,
Goldberg 1342), wobei der Finder Anspruch (Finderrecht) auf Verleihung der
Schürfrechte hat (Kulmer Handfeste 1233). 1356 geht das Bergregal des Königs
urkundlich auf die Kurfürsten und danach bis 1648 auf andere Reichsfürsten
über. Die Landesherren erlassen Bergordnungen (Kuttenberg 1300-1305 als
Vorläuferin, Schneeberg 1492, Annaberg 1509, Joachimsthal bzw. Joachimstal
1518, Jülich-Berg 1542, Henneberg 1566). Die Bergbauunternehmer arbeiten als
bergrechtliche Gewerkschaft (Genossenschaft) mit Kuxen als Anteilen.
Arbeitgeber ist zunächst der einzelne Gewerke für seine allmählich in
verschiedenen Hinsichten geschützten Arbeiter (Knappe). In der Mitte des 18.
Jh.s wandelt sich der Bergbau zur Industrie. Der Staat greift durch Gesetze ein
(Loi relative aux mines 28. 7. 1791, Code des mines 1810, Österreich 1854,
Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten 24. 6. 1865, Sachsen 16. 6.
1868), wobei an die Stelle des fürstlichen Bergregals die staatliche Berghoheit
tritt. Das Bundesberggesetz der Bundesrepublik Deutschland hebt die Gewerkschaften
alten Rechtes und die Gewerkschaften neuen Rechtes auf und verlangt eine Umwandlung
zum 1. 1. 1986.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Allge-meinesBerggesetzfuerdiepreussischenStaaten1865.pdf
Köbler, DRG 90, 97, 113, 167, 205, 218; Agricola, G. v., De re metallica libri
XII, 1556; Die Henneberger Bergordnung von 1566, hg. v. Lingelbach, G., 2002;
Achenbach, H., Das gemeine deutsche Bergrecht, 1871; Ermisch, H., Das
sächsische Bergrecht des Mittelalters, 1887; Abignente, G., La proprietà del
sottosuolo, 1888; Zycha, A., Das Recht des ältesten deutschen Bergbaues, 1899;
Zycha, A., Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, 1900; Arndt, A., Noch
einmal der Sachsenspiegel und das Bergregal, ZRG GA 23 (1902), 112; Arndt, A.,
Einige Bemerkungen zur Geschichte des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 59; Zycha,
A., Über den Ursprung der deutschen Bergbaufreiheit, ZRG GA 24 (1903), 338;
Arndt, A., Zur Frage des Bergregals, ZRG GA 24 (1903), 465; Arndt, A., Zur
Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. A. 1916;
Möllenberg, W., Das Mansfelder Bergrecht und seine Geschichte, 1914; Müller-Erzbach,
Das Bergrecht, 1917; Stolz, O., Die Anfänge des Bergbaues und Bergrechtes in
Tirol, ZRG GA 48 (1928), 207; Schönbauer, E., Beiträge zur Geschichte des
Bergbaurechts, 1929; Weizsäcker, W., Das alte Zinnbergrecht von Graupen im
Erzgebirge, ZRG GA 50 (1930), 233; Weizsäcker, W., Sächsisches Bergrecht in
Böhmen, 1929; Sehm, J., Der Silberbergbau zu Annaberg, (1934); Silberschmidt,
W., Zur Geschichte der Bergfreiheiten, Zeitschrift für Bergrecht 75 (1935),
260; Silberschmidt, W., Das schwedische Bergrecht, Zeitschrift für Bergrecht 75
(1935), 442, Krzyżanowski, J., Die Bergbaufreiheit in Polen, 1935
(polnisch); Sehm, J., Die Schreckenberger Bergordnung 1499/1500, 1936;
Büchsel, H., Rechts- und Sozialgeschichte des oberschlesischen Berg- und
Hüttenwesens 1750 bis 1806, 1941, Thieme, H., Die Funktion der Regalien im
Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Löscher, H., Die erste Annaberger
Bergordnung vom 11. Februar 1493, ZRG GA 68 (1951), 435; Isay, R.,
Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts, 1952; Schneider, H., Zur Geschichte
des Bergrechts und der Bergverfassung im Siegerland, Diss. jur. Bonn 1954;
Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnung in den jüngeren Berggesetzen, ZRG GA 72
(1955), 111; Schneider, H., Das ältere Siegerländer Bergrecht, 1956; Clauss,
H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Schrader, E., Zum
Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35, ZRG GA 74 (1957), 178;
Löscher, H., Vom Bergregal im sächsischen Erzgebirge, Freiberger
Forschungshefte D 22, 1957; Willecke, R., Grundriss des Bergrechts, 1958; Ebel,
W., Über das landesherrliche Bergregal, Zs. f. Bergrecht 109 (1968), 146;
Löscher, H., Zur Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959),
343; Willecke, R./Turner, G., Grundriss des Bergrechts, 2. A. 1970; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1767; Strätz, H., Bergmännisches
Abbaurecht, FS N. Grass, 1974, 533; Willecke, R., Die deutsche
Berggesetzgebung, 1977; Boldt, G./Weller, H., Kommentar zum Bundesberggesetz,
1984; Europäisches Montanwesen im Hochmittelalter.
Das Trienter Bergrecht 1185-1214, hg. v. Hägermann, D. u. a., 1986; Tubbesing,
G., Vögte, Froner, Silberberge, 1996; Steuer, H./Zettler, A., Der
mittelalterliche Bergbau und seine Bedeutung für Freiburg, 1996; Ecker, F., Die
Entwicklung des Bergrechts im Saarbrücker Steinkohlenrevier, 1997; Soestwöhner,
M., Bergschadensrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Bochum 1997; Kranz, H.,
Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, 2000; Pfeifer, G., Ius regale
montanorum, 2002; Thür, G., Gedanken zu Bergregal und Bergbaufreiheit in der
griechisch-römischen Antike, (in) Festschrift für Gernot Kocher, 2002, 317ff.;
Löscher, H., Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 1f.
2003ff.; Stadt und Bergbau, hg. v. Kaufhold, K. u. a., 2004
Bergregal →Bergrecht
Berlich(ius), Matthias (Schkölen bei Weißenfeld
9. 10. 1586-Leipzig 8. 8. 1638), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium des
Rechtes in Jena und Marburg (Promotion 1610) 1611 in Leipzig Anwalt. In seinen
(lat.) Conclusiones (F.Pl.) practicabiles (Praktische Schlüsse) (1615ff.)
stellt er das gemeine Recht nach der Ordnung der kursächsischen Konstitutionen
von 1572 dar. Auf seinem im Strafrecht eine genauere Beschreibung der
Straftatbestände anstrebenden Werk baut Benedikt Carpzov auf.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BerlichMatthiasConclusionumpracticabilium...liber4A1644Bd1.pdf;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1
1880, Neudruck 1957, 1978, 640, 736
Berlin erwächst aus zwei älteren (um 1200
geplanten?), beiderseits eines Übergangs über die untere Spree liegenden
Siedlungen (Cölln [dendrologische Daten um oder nach 1171, Ersterwähnung 1237],
Berlin [Sumpfort], slawische Besiedlung Berlins bis ins 10. Jh. nachweisbar?,
Ersterwähnung 1244), die um 1235 (Berlin um 1230?, 1253 an Frankfurt an der Oder
übertragen) Stadtrecht erhalten und 1307 organisatorisch (zu einer Union)
vereinigt werden. Am Ende des 14. Jh.s (1397) entsteht das Berliner Stadtbuch
(Berlin, Stadtarchiv, ohne Signatur), dessen Schöffenrecht hauptsächlich auf
dem →Sachsenspiegel aufbaut und durch die Glosse Johanns von Buch, durch
den Richtsteig Landrechts und durch das Sächsische Weichbildrecht beeinflusst
ist, aber auch brandenburgische Gewohnheiten und gelegentlich gelehrtes Recht
erkennen lässt. Unter den 1442/1448 den Widerstand der Stadt B. brechenden
Hohenzollern (1415) wird B. 1470 Residenz der Markgrafen von Brandenburg, die
hier 1516 das →Kammergericht einrichten und sich seit 1701 Könige in
Preußen nennen. 1709 wird aus B., Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt,
Friedrichstadt und einigen Vorstädten die einheitliche Königsstadt B. mit
einem Magistrat gebildet. 1810 erhält B. eine Universität. 1871 wird B.
Hauptstadt des Deutschen Reiches. 1878 findet dort ein internationaler Kongress
über die Staatsverhältnisse auf dem Balkan statt. 1912 wird der Zweckverband
Groß-Berlin geschaffen. Am 27. 4. 1920 wird aus 8 Städten, 59 Landgemeinden
und 27 Gutsbezirken die zweistufig gegliederte, in 20 Bezirke geteilte
Einheitsgemeinde B. gebildet. 1945 wird B. in vier Sektoren der Besatzungsmächte
aufgeteilt, 1948 in Westberlin und Ostberlin gespalten, von 1961 bis 1989 durch
eine Mauer mit Schießbefehl getrennt, 1990 aber wieder vereinigt und 1991 (mit
rund 890 Quadratkilometern Fläche und etwa 3,5 Millionen Einwohnern) statt Bonn
zur Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland bestimmt. Der Versuch der
Vereinigung mit Brandenburg scheitert bei einer Volksabstimmung am 5. 5. 1996.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 181, 245; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StadtbuchBerlin1397.pdf;
Berlinisches Stadtbuch, hg. v. Clauswitz, P., 1883; Das Stadtbuch des alten
Köln an der Spree, hg.v. Clauswitz, P., 1921; Gebhardt, P. v., Das älteste
Berliner Bürgerbuch 1453-1700, 1927; Seeboth, J., Das Privatrecht des Berliner
Stadtbuches, 1928; Die Bürgerbücher von Cölln an der Spree, hg. v. Gebhardt, P.
v., 1930; Latendorf, O., Die Entwicklung der städtischen Kassenorganisation
Berlins, 1931; Berliner Häuserbuch, bearb. v. Lüdicke, R., Bd. 1 1933; Steffen,
K., Das Berliner Stadtverfassungsrecht, 1936; Asen, J., Gesamtverzeichnis des
Lehrkörpers der Universität Berlin, Bd. 1 (1810-1945), 1955;
Berlin-Bibliographie, Bd. 1ff. 1965ff.; Schiedermair, H., Der völkerrechtliche
Status Berlins, 1975; Scholz, F., Berlin und seine Justiz, 1982; Festschrift
zum 125jährigen Bestehen der juristischen Gesellschaft zu Berlin, hg. v. Wilke,
D., 1984; Geschichte Berlins, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1f. 1987, 3. A. 2002;
Rechtsentwicklungen in Berlin, hg. v. Ebel, F. u. a., 1988; Geschichte der
Berliner Verwaltungsbezirke, hg. v. Ribbe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 61; Schultz, H., Berlin
1650-1800, 2. A. 1992; Fijal, A., Die Geschichte der juristischen Gesellschaft
zu Berlin in den Jahren 1859 bis 1933, 1991; Schubert, W., Die Vorträge von
Reinhold Johow in der Berliner Mittwochs-Gesellschaft (1881-1897), ZRG GA 110
(1993), 458; Schröder, R./Bär, F., Zur Geschichte der juridischen Fakultät,
Kritische Justiz 1996, 447; Spree-Insel, hg. v. Haspel, J. u. a., 1998; Raiser,
T., Schicksalsjahre einer Universität, 1998; Lösch, A. Gräfin v., Der nackte
Geist, 1999; Berlin. Die Hauptstadt, hg. v. Süß, W., 2000; Fritze, W./Schich,
W., Gründungsstadt Berlin, 2000; Städtebuch Brandenburg und Berlin, hg. v.
Engel, E. u. a., 2000; Ribbe, W., Die historische Kommission zu Berlin, 2000;
Berlin, hg. v. Schoeps, J., 2001; Ziolkowski, T., Berlin, 2002; Large, D.,
Berlin, 2002; Engler, H., Die Finanzierung der Reichshauptstadt, 2004; Die
Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. v. Bruch, R. vom u. a., 2005; Thies,
R., Ethnograph des dunklen Berlin, 2006; Regesten der Urkunden zur Geschichte
von Berlin/Cölln im Mittelalter (1237 bis 1499)., bearb. v. Huch, G. u. a.,
2008; Winter, A., Das Gelehrtenschulwesen der Residenzstadt Berlin, 2008;
Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010, hg. v. Bruch, R. vom u.
a., Bd. 1ff. 2010; Die Matrikel der Universität Berlin (1810-1850), hg. v.
Bahl, P. u. a., 2010; Die Berliner Universität im Kontext, hg. v. Bruch, R.
vom, 2010; Die Vorlesungen der Berliner Universität 1810-1834, hg. v. Virmond,
W., 2010; Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät der Humboldt-Universität
zu Berlin, hg. v. Grundmann, S., 2010; Kleibert, K., Die juristische Fakultät
der Humboldt-Universität zu Berlin im Umbruch, 2010; Pawliczek, A.,
Akademischer Alltag zwischen Ausgrenzung und Erfolg, 2011; Die Berliner
juristische Fakultät und ihre Wissenschaftsgeschichte von 1810 bis 2010, hg. v.
Schröder, R. u. a. 2011 (mit CD-ROM, 334 Dissertationen zwischen 1933 und 1945,
478 Dissertationen zwischen 1949 und 1989; Markovits, I., Juristen - böse
Sozialisten?, ZRG GA 129 (2012), 267; Berlin 1933-1945, hg. v. Wildt, M. u. a.,
2012; Haase, S., Die Berliner Universität und die nationale Bewegung 1800-1848,
2012; Geraubte Mitte - Die „Arisierung“ des jüdischen Grundeigentums, hg. v.
Nentwig, F., 2013; Reuss, E., Millionäre fahren nicht Fahrrad, 2013; Kraushaar,
F., Aufbruch zu neuen Ufern - Die privatrechtlichen und rechtshistorischen
Dissertationen der Berliner Universität im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts,
2014; Rudolph, H., Berlin, 2014; Beachy, R., Das andere Berlin, 2015; Lubini,
J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015;
Schenk, D., Als Berlin leuchtete – Kunst und Leben in den zwanziger Jahren,
2015; Ryan, C., Der letzte Kampf, 2015; Das rote Berlin, hg. v. Schumann, F.,
2015
Bern wird wohl unter Bezugnahme auf Verona 1191 vom Herzog
von Zähringen auf ursprünglichem Königsgut gegründet. 1218 gelangt es an das
Reich zurück (Berner Handfeste Kaiser Friedrichs II., in ihrer Echtheit
umstritten) und wird 1274 Reichsstadt. Danach erwirbt B. umfangreiche Güter, verbindet
sich 1353 mit der →Eidgenossenschaft der Schweiz und entwickelt sich
(1458 4500 Einwohner) zum größten Stadtstaat nördlich der Alpen, der mit 130000
qkm rund ein Drittel der heutigen Schweiz umfasst (etwa 100000 Untertanen).
Seit 1848 ist B. Hauptstadt der Schweiz. Am 9. 9. 1886 wird in B. die
völkerrechtliche Berner Übereinkunft des Urheberrechts geschlossen, die alle
Verbandsstaaten (nicht z. B. Vereinigte Staaten von Amerika) zur
Gleichbehandlung der Urheber aus Mitgliedstaaten mit Inländern verpflichtet.
Lit.: Mutach, A. v., Revolutionsgeschichte der
Republik Bern 1789-1815, hg. v. Wirz, H., 1934; Die Rechtsquellen des Kantons
Bern (Teil 1 Stadtrechte, Teil 2 Rechte der Landschaft), hg. v. Welti, E. u. a.
1902ff.; Welti, F. u. a., Das Stadrecht von Bern, Bd. 1ff. 1902ff., Bd. 1f. 2.
A. bearb. v. Rennefahrt, H., 1971; Stürler, R. v., Die vier Berner Landgerichte
Seftigen, Sternenberg, Konolfingen und Zollikofen, Diss. jur. Bern 1920; Die
historische Entwicklung der Leinwandweberei im Kanton Bern, Diss. staatswiss.
Bern 1920; Audétat, E., Verkehrsstraßen und Handelsbeziehungen Berns (Diss.
phil. Bern), 1921; Rennefahrt, H., Freiheiten für Bern aus der Zeit Friedrichs
II., Zeitschrift für schweizerisches Recht N. F. 46 (1927); Rennefahrt, H.,
Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte, Bd. 1-4 1928ff.; Däppen, O.,
Verfassungsgeschichte der Berner Landstädte, Archiv des historischen Vereins
des Kantons Bern 30 (1929), 1; Strahm, H., Studien zur Gründungsgeschichte der
Stadt Bern, 1935; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, Teil 2, Bd. 2 1937;
Schmid, B., War Bern in staufischer Zeit Reichsstadt?, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 20 (1940), 161; Feller, R., Geschichte Berns, 1946;
Roth, U., Samuel Ludwig Schnell und das Zivilgesetzbuch für den Kanton Bern von
1824-1830, 1948; Bader, K., Um Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste,
ZRG GA 72 (1955), 194; Sechshundert Jahre Inselspital (1354-1954), verf. v.
Rennefahrt, H. u. a., 1954; Dübi, A., Die Geschichte der bernischen
Anwaltschaft, 1955; Rennefahrt, H., Nochmals um die Echtheit der Berner
Handfeste, Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 6 (1956), 145; Häusler,
F., Das Emmental im Staate Bern bis 1798, Bd. 1f. 1958ff.; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,444, 3,2,1925; Soliva, C., Zur Berner Stadtrechtsreformation
von 1614, ZRG GA 92 (1975), 117; Bierbrauer, P., Freiheit und Gemeinde im
Berner Oberland 1300-1700, 1991; Gmür, R., Der alte bernische Stadtstaat
(1191-1798), ZRG GA 112 (1995), 366; Gerber, R., Gott ist Burger zu Bern, 2001;
Berns mutige Zeit, hg. v. Schwinges, R. 2003 Repertorium der Policeyordnungen
7, hg. v. Schott-Volm, C., 2006; Studer Immenhauser, B., Verwaltung zwischen
Innovation und Tradition, 2006; Rieder, K., Netzwerke des Konservativismus,
2008; 100 Jahre bernisches Obergericht in der vorderen Länggasse, hg. v.
Obergericht Bern, 2009
Bernardus Dorna ist ein aus der Provence stammender, zeitweise
in Bologna tätiger, 1222-1234 in Montpellier nachweisbarer Jurist ([lat.]
Summula [F.] de libellis et eorum compositione).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 302
Bernardus Papiensis (Pavia vor 1150-1213) wird nach
dem Studium in Bologna Lehrer des geistlichen Rechtes und 1187 Propst, 1198
Bischof von Pavia. Seine in fünf Bücher geteilte systematische
Dekretalensammlung (lat.) Breviarium (N.) extravagantium (Kurzfassung der
zusätzlichen [Dekretalen]) (1188/1190) wird (als [lat.] compilatio [F.] prima,
erste Sammlung) zum Vorbild aller späteren Gesetzessammlungen (Dekretalensammlungen)
des kanonischen Rechtes, das seit dem späten 12. Jh. als sich ständig
erneuernde Rechtsordnung in ihrem jeweils neuesten Stand auf den Universitäten
gelehrt wird.
Lit.: Landau, P., Die Entstehung der systematischen
Dekretalensammlungen, ZRG KA 65 (1979), 120
Berner, Albert Friedrich (Straßburg/Uckermark
30. 11. 1818-Berlin 13. 1. 1907), Justizratssohn, wird nach dem Studium von
Philosophie und Recht in Berlin (Savigny, Gans) 1848 außerordentlicher
Professor und 1861 ordentlicher Professor in Berlin. Sein vom Vergeltungszweck
geprägtes Lehrbuch des →Strafrechts erfährt 18 Auflagen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BernerAlbertFriedrichLehrbuchdesdeutschenStrafrechtes1857.pdf;
Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege,
1947, 3. A. 1965
Bernstein
Lit.: Die Bernsteinstraße, hg. v. Quast, D. u. a. 2013
Berthold von Henneberg →Henneberg
Beruf ist die auf Dauer angelegte, die
Arbeitskraft und Arbeitszeit überwiegend in Anspruch nehmende Betätigung, die
im allgemeinen mit dem Ziel betrieben wird, daraus den Lebensunterhalt zu
gewinnen, und die zugleich einen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung
erbringt (bloße gelegentliche Betrauung eines ausnahmsweise als ao. Prof.
titulierten Privatgelehrten mit einer gutachterlichen Tätigkeit ist kein B.).
Der B. entwickelt sich mit der Entstehung besonderer Tätigkeitsfelder.
Bedeutsam ist er bereits in der mittelalterlichen Stadt. Verfassungsrechtlich
geschützt wird der B. im späteren 20. Jh.
Lit.: Lange, H., Das Verbot der Berufsausübung im
Mittelalter, 1940; Richarz, M., Der Eintritt der Juden in die akademischen
Berufe, 1974; Henning, H., Die deutsche Beamtenschaft, 1984; Knörr, M., Die
Berufszulassung zum Handwerk, Diss. jur. Erlangen 1996; Eisenbach, U., Duale
Berufsausbildung in Hessen, 2010; Professionen, Eigentum und Staat, hg. v. Müller,
D. u. a., 2014
Berufsfreiheit ist die Freiheit der Berufswahl und
Berufsausübung, die erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s grundrechtliche
Bedeutung erlangt.
Lit.: Hege, H., Das Grundrecht der Berufsfreiheit,
1977
Berufsrichter ist der Richter, der seine
Tätigkeit als Beruf ausübt. Er tritt als gelehrter Offizial des Bischofs
vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner seit 1246 als
ständiger, ordentlicher und selbst entscheidender Einzelrichter der kirchlichen
Gerichtsbarkeit auf. Bis zum 19. Jh. setzt er sich unter Verdrängung des
ungelehrten, ehrenamtlich tätigen Schöffen auch im weltlichen Gericht durch,
ehe ihm dann durch den Liberalismus nach englischem (bzw. französischem)
Vorbild erneut ehrenamtliche Laienrichter zur Seite gestellt werden.
Lit.: Köbler, DRG 154, 234; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den braunschweig-wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte,
1974; Horn, N., Bologneser doctores und iudices im 12. Jahrhundert, ZHF 3
(1976), 221
Berufsschule ist die in Deutschland im 19. Jh. zur
Verbesserung der beruflichen Ausbildung entwickelte öffentliche Schule.
Lit.: Fischbach, R., Von der Sonntags- und Fortbildungsschule zur
Berufsschule, 2004
Berufsverbot (seit 1933) ist das Verbot, einen bestimmten
Beruf auszuüben. Ihm geht die nach Einführung der Gewerbefreiheit im 19. Jh.
geschaffene Möglichkeit voraus, ein aufgenommenes Gewerbe nachträglich zu
untersagen (Preußen Gewerbeordnung 1845, Norddeutscher Bund 1869, Deutsches
Reich 1872). Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher vom 24. 11.
1933 führt daneben als Maßregel der Sicherung und Besserung eine Untersagung
einer Gewerbeausübung im Rahmen eines Strafverfahrens bei Begehung einer
Straftat unter Missbrauch des Berufs ein (§ 42l StGB). Sie wird bald als B.
bezeichnet. Seit etwa 1970 wird auch das ablehnende Ergebnis einer politischen
Überprüfung von Bewerbern für die Einstellung in den öffentlichen Dienst B.
genannt.
Lit.: Reinhard, E., Die Entwicklung der Untersagung gewerblicher
Unternehmen seit 1869, Diss. jur. Heidelberg 1940
Berufung ist das seit 1877/1879 grundsätzlich
gegen Urteile des ersten Rechtzugs in Deutschland gegebene Rechtsmittel. Es
kommt sachlich mit der Aufnahme des römisch-kanonischen Prozessrechts im
Spätmittelalter als →Appellation an einen höheren Richter ins Reich und
verdrängt dort die ältere Urteilsschelte, die seit dem Ende des 13. Jh.s aber
schon in einem ziemlich allgemeinen Sinn B. genannt werden kann. Gleichzeitig
wird B. allmählich das allgemeine deutsche Wort für die bis 1877/1879 als
Rechtsmittel verwendete Appellation.
Lit.: Kaser § 65 IV; Köbler, DRG 116, 202, 235;
Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, 268;
Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976
Berytos (Beirut) ist der Sitz einer bereits
vor 238 n. Chr. berühmten Rechtsschule. Hier wie später in Konstantinopel
lehren besoldete Professoren (lat. [M.Pl.] antecessores) in einem festen
Studienplan in fünf Jahreskursen. Im ersten Jahr beginnt man (als dupondius)
mit den Institutionen des Gaius (Privatrecht, Prozessrecht). Es folgen vier
Teile (lat. libri singulares) zivilrechtlicher Schriften ([vielleicht aus
Ulpians Ad Sabinum libri] Mitgiftrecht, Vormundschaftsrecht, Testamentsrecht,
Vermächtnisrecht). Im zweiten und dritten Jahr (edictalis, Papinianista) wird
der Stoff des Jurisdiktionsedikts der römischen Privatrechtsmagistrate
(Stadtprätor, Provinzgouverneur bzw. Legat) behandelt. Im zweiten Jahr
studiert man wahrscheinlich nach Ulpians Ad edictum praetoris libri aus dem
Edikt (Buch 1-14) das Gerichtsverfassungsrecht und Anfänge des Zivilprozessrechts
(Allgemeines, Zuständigkeiten, Einleitung des Verfahrens, Wiedereinsetzung,
Haftung für Garantiezusagen, Sicherheitsleistung, danach in der zweiten
Jahreshälfte (Buch 15-25) Prozesseid, parteiliche Richter, wichtige dingliche
Ansprüche, einige deliktische Ansprüche), im dritten Jahr (Ediktsstoff Buch
26-32) Kreditverträge, Leihe, Verpfändung, Gehilfengeschäftehaftung,
Verwahrung, Treuhand, Auftrag, Gesellschaft, Kauf, Miete, Pacht,
Dienstvertrag, Werkvertrag), in der zweiten Hälfte des dritten Jahres die
(ersten 8 der 19) Responsen (Rechtsbescheide) Papinians. Im vierten Jahr
(lytes) und fünften Jahr (prolytes) beschäftigt man sich im Selbststudium mit
den Responsen des Paulus und den Konstitutionen der Kaiser (einschließlich des
Strafrechts und des sonstigen öffentlichen Rechtes), wobei bewusst die
klassischen Traditionen aufgegriffen werden. Erzeugnisse der Arbeit der Lehrer
sind nur vereinzelt überliefert. Justinian setzt 533 n. Chr. in erster Linie an
die Stelle der bisherigen Studientexte seine Institutiones und Digesten sowie
seinen Codex (im ersten Jahr Institutionen, Digesten 1-4 mit Rechtsphilosophie,
Rechtsgeschichte, Rechtsquellen, Grundbegriffe, Staatsrecht, Verwaltungsrecht,
Zivilprozessrecht, im zweiten Jahr Digesten 5-11 oder 12-19, Mitgift D. 23-29,
Vormundschaft D. 26-27, Testament D. 28-29, Vermächtnis D. 30-36, im dritten
Jahr vertragliches Schuldrecht D. 12-19 oder Gerichtsverfassung, Einleitung
eines Zivilprozesses, Sachenrecht aus Buch 5-11 der Digesten, dann Hypotheken
D. 20, Sach- und Rechtsmängel bei Marktkauf D. 21, Verzinsung, Seedarlehen,
Beweis und Irrtum D. 22, im vierten Jahr Mitgift, Vormundschaft, Testament,
Vermächtnis aus D. 24, 25, 27, 29 und 31-36 und im fünften Jahr den Codex
einschließlich von Wirtschaft, Verwaltung und Kirche).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Wieacker, F., Antecessores, FS H. Niederländer, 1991, 215
Besançon (mhd. Bisanz) am Doubs nördlich des Jura wird
1691 Sitz einer Universität (bis 1793).
Besatzung ist die zeitweise Übernahme der
Herrschaftsgewalt in einem fremden Gebiet durch einen an sich nicht zuständigen
Staat beispielsweise als Ergebnis eines Krieges (z. B. nach 1945 insgesamt 15
Millionen Soldaten und Angehörige der Vereinigten Staaten von Amerika im
Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland).
Lit.: Marx, T., Zwischen Schwert und Schild, 2004; Die besetzte res
publica, hg. v. Meumann, M. u. a., 2006; Löhnig, M., Zwischenzeit, 2011
Besatzungsstatut ist die 1949 von den drei
westlichen Besatzungsmächten Deutschlands einseitig erlassene Grundregelung des
Verhältnisses ihrer Hoheitsgewalt zu jener der Bundesrepublik Deutschland, die
dieser grundsätzlich die volle gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechende
Gewalt überträgt. 1951 überarbeitet, wird es am 5. 5. 1955 mit Inkrafttreten
der Pariser Verträge beseitigt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pollock, J., Besatzung und
Staatsaufbau nach 1945, hg. v. Krüger-Bulcke, I., 1994; Waibel, D., Von der
wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts, 1996; Deutschland unter
alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v. Benz, W., 1999
Besatzungsrecht →Besatzungszone
Lit.: Handbuch des Besatzungsrechts, hg. v.
Schmoller, G. v. u. a., 1957; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v. Schröder,
D., 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp, B. u.
a., 1996; Waibel, D., Von der wohlwollenden Despotie zur Herrschaft des Rechts,
1996; Die volle Macht eines souveränen Staates, hg. v. Haftendorn, H. u. a.,
1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch, hg. v.
Benz, W., 1999; Walton-Jordan, U., Die britische Gerichtsbarkeit in
Nordwestdeutschland 1945-1949, ZRG GA 117 (2000), 362; Rensmann, M.,
Besatzungsrecht im wiedervereinigten Deutschland, 2002; Zentz, F., Das
amerikanische Strafverfahren als Element der Besatzungspolitik, 2005
Besatzungszone ist das Gebiet (Zone), das einer
von mehreren Besatzungsmächten zugeteilt ist. 1945 werden das →Deutsche
Reich (und das davon wieder verselbständigte →Österreich) in je eine B.
der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs aufgeteilt (Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945). Den Einwohnern
werden von Frankreich täglich 900 Kalorien, von Großbritannien 1050, von der
Sowjetunion 1080 und von den Vereinigten Staaten von Amerika 1330 Kalorien
zugebilligt (in Berlin 900). Am 5. 5. 1955 erklären die westlichen Besatzungsmächte
die Bundesrepublik Deutschland für souverän, am 25. 3. 1954/20. 9. 1955 die
Sowjetunion die Deutsche Demokratische Republik. Das in den Besatzungszonen von
den alliierten Stellen unmittelbar oder durch deutsche Stellen mittelbar
gemeinsam oder einzeln in fünf unterscheidbaren Phasen (1941-8. 5. 1945, 5. 6.
1945-30. 3. 1948, 30. 3. 1948-1951, 1951-1955, 1955-1990ff., abschließende
Regelung in Bezug auf Deutschland 12. 9. 1990) erlassene (deutsche) Recht
(Besatzungsrecht zur Sicherung der Interessen der Besatzungsmächte, zur Entmilitarisierung,
Entnazifizierung und Bestrafung von Kriegsverbrechern sowie zum allmählichen
Wiederaufbau) gilt auch über die Beendigung des Besatzungsregimes hinaus bis zu
seiner Aufhebung oder Abänderung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh; Köbler, DRG 244, 245;
Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts, 1950; Overesch, M., Das besetzte
Deutschland, 1986, Neudruck 1992; Das geltende Besatzungsrecht, hg. v.
Schröder, 1990; Zwischen Kontinuität und Fremdbestimmung, hg. v. Diestelkamp,
B. u. a., 1996; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein Handbuch,
hg. v. Benz, W., 1999; Lehmann, A., Der Marshall-Plan und das neue Deutschland,
2000; Mußgnug, D., Alliierte Militärmissionen in Deutschland 1946-1900, 2001;
Kriegsende und Neubeginn, hg. v. Hoser, P. u. a., 2003; Behling, K., Spione in
Uniform, 2004; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer Besatzung
1945-1949, 2007; Zwischenzeit, hg. v. Löhnig, M., 2011
Bescheid
Lit.: ; Gemeine Bescheide, Teil 1 Reichskammergericht
1497-1805, hg. v. Oestmann, P., 2013, Teil 2 Reichshofrat, 2015
Beschlagnahme (Anfang 19. Jh.) ist
die zwangsweise Sicherstellung von Gegenständen zur Sicherung öffentlicher
oder privater Belange. Unterschiedliche Einzelfälle dieser Art sind bereits in
älteren Zeiten bekannt (z. B. römische [lat.] missio [F.] in bona, Gütereinweisung).
Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird die B. an gesetzlich geregelte Voraussetzungen
gebunden.
Lit.: Kaser §§ 85, 86; Mothes, R., Die Beschlagnahme
nach Wesen, Arten und Wirkungen, 1903; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Freyberg, R., Über die Beschlagnahme, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971
Beschreien der Wände ist die wahrnehmbare Lautgebung
eines neugeborenen Menschen. Das B. ist vom Sachsenspiegel (1221-1224) bis zum
preußischen Allgemeinen Landrecht (1794) bezeugt. Nach vielen Rechtsquellen ist
es ausreichende Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.
Lit.: Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes, ZRG GA 16 (1896),
63; Kuyk, I. van, Het schreiend Kind, TRG 2 (1920/1921), 63ff.
Beschwerde (lat. [N.] gravamen) ist die
Belastung, aus der sich ein verfahrensmäßiger Rechtsbehelf entwickelt (z. B.
Italien 12. Jh.). Im Verhältnis zu Rechtsmitteln wie Appellation bezieht sich
die B. in der jüngeren Vergangenheit auf Beschlüsse und Verfügungen. Eine neue
Sonderform ist die →Verfassungsbeschwerde in Deutschland.
→Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Kiefner,
H., Zur Divergenzjudikatur des Reichsgerichts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch
und seine Richter, 2000, 585; Suppliche e <<gravamina>>, hg. v.
Nubola, C., 2002
Beseitigung ist die Entfernung eines Umstands,
insbesondere die Entfernung einer Störung. Auf sie kann ein Anspruch bestehen.
Er ist von einem möglichen Schadensersatzanspruch unabhängig.
Lit.: Kawasumi, Y., Von der römischen actio
negatoria zum negatorischen Beseitigungsanspruch, 2001
Beseler, Georg (Rödemis bei Husum 2. 11.
1809-Bad Harzburg 28. 8. 1888), Kammerratssohn, wird nach dem Studium in Kiel,
München, Göttingen und Heidelberg mit der streng geschichtlich die Einrichtung
von den Anfängen bis zur Gegenwart verfolgenden, auch Urkunden
berücksichtigenden Lehre von den Erbverträgen in Heidelberg 1835 habilitiert
und nach Basel, Rostock (1837), Greifswald (1842) und Berlin (1859) berufen.
Sein System des gemeinen deutschen Privatrechts (1847ff.) versucht ein dem
gemeinen römischen Recht gegenüber gleichwertiges deutsches System (allen nicht
rein römischen Rechtes) zu entwickeln, in dem die Genossenschaft besonders
bedeutsam ist. Vor 1831 bzw. 1848ff. wirkt er auch politisch (rechtsliberal).
Lit.: Beseler, G., System des gemeinen deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1847, Bd. 2 1853, Bd. 3 1855, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1847Bd1.pdf,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1853Bd2.pdf,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeselerSystemdesgemeinendeutschenPrivatrechts1855Bd3.pdf,
Beseler, G., Erlebtes und Erstrebtes, 1884; Gierke, O., Georg Beseler, ZRG GA
10 (1889), 1; Kern, B., Georg Beseler, 1982 (mit Schriftenverzeichnis, 77
Titel); Kern, B., Georg Beselers Mitgliedschaft in der Berliner
Mittwochs-Gesellschaft, ZRG GA 113 (1996), 279
Besitz (10. Jh., Verb besitzen germanisch) ist die tatsächliche Gewalt einer
Person über eine Sache. Das römische Recht bezeichnet dies als (lat. [F.])
possessio, die auf die tatsächliche Gewalt (lat. [M.] usus) und auf das Sitzen
auf Land zurückgeht. Notwendig sind Gewalt über eine Sache ([lat.] corpus) und
(nicht notwendig rechtsgeschäftlicher) Wille zur Herrschaft ([lat.] animus).
Nach dem allgemeinen Recht (lat. ius [N.] civile) muss die tatsächliche Gewalt
auf einem Rechtsgrund beruhen, nach dem Amtsrecht (lat. ius [N.] praetorium)
wird der Besitz (Interdiktenbesitz) durch bestimmte Klagen gegen Entziehung
oder Störung geschützt (z. B. Eigenbesitzer [Besitzer mit <lat.> animus
<M.> domini, Eigenbesitzwillen wie Eigentümer oder Ersitzungsbesitzer]
und gewisse Fremdbesitzer [unter Anerkennung eines fremden Besitzrechts
besitzende Besitzer] wie Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger oder
Sequester). Nicht B. (im rechtlichen Sinne, sondern nur [lat.] possessio [F.]
naturalis, natürlichen B.) hat der bloße Innehaber (z. B. Mieter). Vom B.
streng geschieden ist das Eigentum. Justinian schränkt den B. auf den
rechtlichen B. mit Eigentümerbesitzwillen ein, nähert diesen B. aber einem
Recht an. Im deutschen Recht steht ursprünglich das schlichte Haben (ahd.
haben, aigan) im Vordergrund. Später entwickelt sich die besondere Figur der
→Gewere. Vielleicht aus dem kirchlichen Recht stammt die Anerkennung des
Besitzes auch bestimmter Innehaber (z. B. Mieter, Pächter u. s. w.). Mit der Aufnahme des römischen
Rechtes verdrängt das Wort B. (Lehnübertragung?) das Wort Gewere. Sachlich
kommt es zu einer gegenseitigen, ziemlich verwirrenden Beeinflussung. In den
naturrechtlichen Kodifikationen ist B. grundsätzlich der Eigenbesitz, doch
gewährt das preußische Allgemeine Landrecht (1794) auch dem Mieter, Pächter
oder Pfandgläubiger Besitzschutz (nicht dem Prekaristen). Savigny versteht
(1803) den B. als Tatsache, stellt ihn dem Eigentum (Recht) gegenüber, ordnet
ihn in das Deliktsrecht ein und verrätselt das Recht des Besitzes hinsichtlich
der Folgen als das Recht eines Faktums. Das (tatsächliche Gewalt und in § 309
Eigenbesitzwillen verlangende, von einem sehr weiten Begriff der Sache
ausgehende) Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) kennt
den Tabularbesitz des im Grundbuch Eingetragenen. Im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ist unter Bruch mit dem gemeinen Recht der unmittelbare B.
die tatsächliche Herrschaft über eine Sache (z. B. des Mieters oder Diebes),
neben welcher der durch ein Rechtsverhältnis (Besitzkonstitut) vermittelte
mittelbare B. (z. B. des Vermieters) steht. Die Innehabung ist grundsätzlich
beseitigt, der Gegensatz zum Eigentum betont.
Lit.: Kaser § 19; Hübner 221; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 25, 39, 60, 140, 162, 211; Savigny, F., Das Recht des Besitzes,
1803, 7. A. 1875, Neudruck 1990; Bruns, K., Das Recht des Besitzes, 1848;
Randa, A., Der Besitz nach österreichischem Recht, 1865, 4. A. 1895; Pflüger,
H., Die sogenannten Besitzklagen des römischen Rechts, 1890, Neudruck 2013;
Kaser, M., Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956;
Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und
Eigentumsübertragung, 1966; Benöhr, H., Der Besitzerwerb durch Gewaltabhängige,
1972; Wacke, A., Das Besitzkonstitut, 1974; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbs, 1977; Diurni, G., Le situazioni possessorie nel Medioevo,
età langobardo-franca, 1988; Schnatenberg, P., Die Entstehung der Regeln des
BGB über den mittelbaren Besitz, Diss. jur. Köln 1994; Ernst, W., Eigenbesitz
und Mobiliarerwerb, 1992; Link, M., Possession, possessio und das Schicksal des
common law, 2003; Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Choi, Y., Der Besitzerwerb des Erben, 2013
Besitzdiener ist der die tatsächliche Gewalt für einen
anderen (d. h. einen Besitzer) in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in
einem ähnlichen weisungsgeprägten Verhältnis Ausübende (z. B. Chauffeur). Er
ist nicht Besitzer. Er dient der Überbrückung der Verschiedenheit von
tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlicher Bewertung.
Besitzeinweisung (Wort 1696) ist die Einweisung eines Menschen
oder einer Person in den Besitz einer Sache.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzer (1290) ist die Besitz habende Person.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzerwerb ist der Erwerb des Besitzes (Wort
Besitzergreifung 1784). Er erfordert im römischen Recht die Begründung der
tatsächlichen Gewalt über eine Sache und den Willen, diese für sich zu
beherrschen. Er kann ursprünglich (originär) oder abgeleitet (derivativ)
erfolgen.
Lit.: Becker, E., De constituto possessionis, 1644; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzkonstitut (Wort 1888, Besitzmittlungsverhältnis, § 868
BGB) ist das Verhältnis zwischen einem unmittelbaren Besitzer (nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch z. B. Mieter) und einem mittelbaren Besitzer (z. B. Vermieter), in
dem bzw. durch das der ursprüngliche Besitzer (z. B. Vermieter) seinen
Eigenbesitzwillen bezüglich einer Sache durch Fremdbesitzwillen (für den
Erwerber) ersetzt und der neue Besitzer (z. B. Mieter) Eigenbesitzwillen
begründet.→Besitz
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzrecht →Besitz
Besitzschutz (Wort 1891) ist der dem zunächst rein
tatsächlichen Herrschaftsverhältnis (Besitz) zugeordnete Schutz der
Rechtsordnung gegen unrechtmäßige Entziehung oder Störung. Hierzu gewährt das
römische Recht besondere →Interdikte gegen unerlaubte Eigenmacht (lat. vi
[gewaltsam], clam [heimlich], precario [Zurückbehaltung bei bloßer Bittleihe])
zu Gunsten des verhältnismäßig rechtmäßigen Besitzers (Verbot der
Gewaltanwendung und Gebot zur richterlich überwachten Rückstellung zu Gunsten
von Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Faustpfandgläubiger und Sequester).
Das kanonische Recht des Mittelalters entwickelt dies zu einem vorläufigen
Besitzschutz weiter. Hierauf baut auch das Reichskammergericht (1495-1806)
auf, das aber bereits bei der vorläufigen Entscheidung nach einem bestandskräftigen
Ergebnis strebt. Die historische Rechtsschule erarbeitet einen rein possessorischen
Schutz der besonderen Besitzklagen, bei dem wie in Rom eine Einrede aus dem
Recht zum Besitz (z. B. Eigentum) ausgeschlossen ist. Er ist in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) übernommen.
Lit.: Kaser § 21; Söllner §§ 9, 23; Hübner 221ff.;
Kroeschell, DRG 1; Wieling, H., Grund und Umfang des Besitzschutzes, FG U. v.
Lübtow, 1980; Dedek, H., Der Besitzschutz, ZEuP 1997, 342; Jacobi, J.,
Besitzschutz vor dem Reichskammergericht, 1998; Beermann, C., Besitzschutz,
2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Besitzstand
(Wort 1787) ist
der rechtlich in gewisser Weise geschützte tatsächliche Stand der Verhältnisse,
insbesondere des Beitzes.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Besitzstörung (Wort 1831) ist die rechtswidrige
Störung des Besitzers im Besitz.
Lit.
:Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Besold, Christoph (Tübingen 22. 9.
1577-Ingolstadt 15. 9. 1638), aus einer Juristenfamilie
(Hofgerichtsadvokatensohn), nach dem Rechtsstudium (1599 Tübingen Promotion)
1610 Professor in Tübingen, 1636 in Ingolstadt, entwickelt als Reichspublizist
innerhalb der politischen Wissenschaft eigene Vorstellungen im Bereich des
neuen öffentlichen Rechtes (Vorbereitung der Lehre vom Bundesstaat).
Lit.: Meyer, F., Christoph Besold als Staatsrechtler,
Diss. jur. Erlangen 1957; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 120; Synopse der Politik, hg. v. Boehm, L., 2000,
291ff.
Besonderes Gewaltverhältnis ist das Verhältnis, das, im
Gegensatz zum allgemeinen Verhältnis des Inhabers von Hoheitsgewalt über den
Bürger, zusätzliche Einwirkungen ohne weitere Rechtsgrundlage ermöglicht (z. B.
Staat - Strafgefangener). Diese im 19. Jh. entwickelte Vorstellung wird im
letzten Drittel des 20. Jh.s zunehmend abgelehnt.
Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom
besonderen Gewaltverhältnis, 1982
Bessarabien (östlicher, zwischen 1806 und 1812 von Russland
der Türkei abgerungener Teil der Moldau zwischen Pruth und Dnjestr, in dem ab
1814 von Zar Alexander I. Deutsche angesiedelt wurden, 1918 Rumänien, 1940 in
das Deutsche Reich umgesiedelt, im Übrigen 1945 vertrieben)→Rumänien, Sowjetunion,
Moldawien
Lit.: King, C., The Moldovans, 2000; Schmidt, U., Die
Deutschen aus Bessarabien, 2003, 2. A. 2004, 3. A. 2006; Schröder, O., Die
Deutschen in Bessarabien 1914-1940, 2012
Besserung ist allgemein die Vermehrung der Güte eines
Zustands. Hierzu kann auch die wertsteigernde Aufwendung auf zur Leihe
überlassenem Land gezählt werden. Sie ist teilweise eigenständiges,
veräußerliches Gut.
Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den Städten, 1861;
Wolf, M., Der Bau auf fremden Gut, 1900; Stingel, M., Die bäuerliche Leihe im
Recht des Würzburger Benediktinerklosters Sankt Stephan in Würzburg, Diss. jur.
Erlangen 1962; Promnitz, C., Besserung und Sicherung, 2016
Bestand (Wort 1272) ist allgemein der Zustand,
Bestandkontrakt (1740) bzw. Bestandvertrag (1809) die deutsche Wiedergabe der
(lat.) locatio conductio, Bestandteil (1811) der zum Bestand einer Sache
gehörige Teil.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Bestechung ist die Gewährung eines Vorteiles
an einen Amtsträger für eine Dienstpflichtverletzung. Sie ist als
Wahlbestechung bereits dem römischen Recht bekannt. Besondere Bedeutung erlangt
sie mit der Entwicklung des Beamtentums.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kulesza, R., Die Bestechung im politischen
Leben Athens, 1995
Besthaupt ist das beim Tode eines Bauern
besonders in Grundherrschaften an einen Herrn abzuliefernde beste Stück Vieh.
Das B. begegnet in Flandern und Lothringen im 9. Jh. und ist im Hochmittelalter
weit verbreitet. Bereits zu dieser Zeit schwindet es aber in den Städten, wird
allgemein jedoch erst am Beginn des 19. Jh.s aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bodmann, F., Historisch-juristische
Abhandlung vom Besthaupte, 1794; Schultze, A., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA
38 (1917), 301; Mayer, E., Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301;
Stutz, U., Zweitbesthaupt, ZRG GA 40 (1919), 282; Müller, W., Die Abgaben von
Todes wegen in der Abtei Sankt Gallen, 1961
Bestimmtheitsgebot ist das Gebot (an den Gesetzgeber), einen
Rechtssatz insbesondere im Strafrecht so bestimmt zu fassen, dass der
Betroffene Tragweite und Anwendungsbereich erkennen kann. Es erwächst aus der Aufklärung.
Es setzt sich seit dem 19. Jh. durch.
Lit.: Schreiber, H., Gesetz und Richter, 1976; Krey, V., Keine Strafe
ohne Gesetz, 1983; Müller-Dietz, H., Abschied vom Bestimmtheitsgrundsatz im
Strafrecht? FS T. Lenckner, 1998, 179
Bet, Josef →Karo
Betäubungsmittel ist das der Betäubung der menschlichen Sinne
dienende Mittel (z. B. Opium, Morphium, Heroin, Kokain, Cannabis und
synthetische B.). Seit dem 16./17. Jh. wird die Sucht nach Betäubungsmitteln
als Krankheit erkannt, seit etwa 1850 breitet sich die Sucht allmählich, seit
etwa 1965 rasch aus. Mit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s beginnt die
gesetzliche Bekämpfung (Preußen, kaiserliche Verordnung vom 25. 3. 1872,
Opiumkonferenz von Schanghai 1909, Den Haag, Ausführungsgesetz von 1921, Opiumgesetz
vom 1. 1. 1930, Betäubungsmittelgesetz 1972).
Lit.: Wriedt, J., Von den Anfängen der Drogengesetzgebung bis zum
Betäubungsmittelgesetz vom 1. 1. 1972, 2006
Betreibung
Lit.: Malamud, S. u. a., Die Betreibungs- oder Eingewinnungsverfahren der
Stadt Zürich im Spätmittelalter, ZRG GA 116 (1999), 87
Betreuung ist in Deutschland seit 1. 1. 1992
die staatliche Fürsorge für die Person und das Vermögen eines volljährigen
Menschen, soweit er infolge einer Krankheit oder Behinderung seine Angelegenheiten
nicht selbst besorgen kann, durch einen vom zuständigen Vormundschaftsgericht
bestellten Betreuer. Die B. ersetzt die Entmündigung
Lit.: Köbler, DRG 268; Damrau, J./Zimmermann, W.,
Betreuungsgesetz, 1991; Müller, B., Rechtliche und gesellschaftliche Stellung
von Menschen mit einer geistigen Behinderung, 2001
Betrieb
Lit.: Jakobi, C., Die vieldeutige Betriebsgemeinschaft, 2013
Betriebsrat ist das Organ der Arbeitnehmer
einer Betriebs, das in bestimmten Angelegenheiten eines Betriebs mitwirkt und
mitbestimmt. Der B. entwickelt sich am Ende des 19. Jh.s (1905 Bergbau, 1916
Kriegswirtschaft). Nach dem Betriebsrätegesetz vom 4. 2. 1920 ist in Betrieben
mit 20 und mehr Beschäftigten ein B. zu bilden (Österreich 1919). Im Dritten
Reich wird der B. beseitigt, 1946 (in Österreich 1947) aber wieder eingeführt
und danach gestärkt (11. 10. 1952, 15. 1. 1972).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 241, 273;
Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Plumeyer, M., Die
Betriebsrätegesetze, Diss. jur. Hannover, 1992; Schaub, G., Der Betriebsrat,
1973, 7. A. 2002, 8. A. 2005; Raedel, C., Amtsenthebungen und Kündigungen von
Betriebsräten, 1999
Betriebsrisiko ist im Arbeitsrecht die im 20.
Jahrhundert verrechtlichte Gefahr des Erliegens bzw. Stillstands eines Betriebs
ohne Verschulden eines Beteiligten.
Lit.: Tamm, M., Die Entwicklung der Betriebsrisikolehre,
2001
Betriebsverfassung ist die Gesamtheit der Regeln,
welche die Rechte des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Organe im
Betrieb in Bezug auf das Betriebsgeschehen ordnen. Die B. wird in Deutschland
nach einzelnen Vorläufern des späten 19. Jh.s durch das Betriebsrätegesetz vom
4. 2. 1920 eingerichtet und (nach Beseitigung während der
nationalsozialistischen Herrschaft) durch Gesetz vom 17. 4. 1946
wiederhergestellt.
Lit.: Köbler, DRG 273; Adelmann, G., Quellensammlung
zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 1f. 1960ff.; Reichold, H.,
Betriebsverfassung als Sozialprivatrecht, 1995; Mitbestimmung und
Betriebsverfassung, hg. v. Pohl, H., 1996
Betriebswirtschaft ist die Wirtschaft des einzelnen
Betriebs (Privatwirtschaftslehre im Gegensatz zur Wirtschaft des gesamten
Volkes oder Staates), die seit 1898 (Leipzig, Aachen, Wien) wissenschaftlich
gelehrt wird und nach steilem Aufstieg (1922 Tübingen Curt Eisfeld, 1923 23
Orte, 1924 43, 1939 70) derzeit jährlich 100000 Studierende für mehr als 1000
Professoren findet..
Lit.: Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, hg.
v. Gaugler, E./Köhler, R., 2002; Burr, W./Wagenhofer, A., Geschichte des VHB,
2011
Betrug ist die durch Täuschung verursachte
Vermögensschädigung (z. B. der Universitätsassistent I. lässt sich im
öffentlichen Dienst jahrelang krank schreiben und betreibt in dieser Zeit
privatwirtschaftlich einen Verlag für Lügenbarone). Im römischen Recht erfassen
(lat. [N.]) falsum (Fälschung), stellionatus (M.) (Hinterhältigkeit) und (N.)
furtum (Wegnahme) einzelne Fälle des nicht als solcher zusammengefassten
Betrugs. Ähnlich verfährt auch das Mittelalter. Die durch Täuschung bewusst herbeigeführte
Vermögensschädigung findet sich seit dem 16. Jh., ohne dass sie aber von der
Fälschung bereits eindeutig geschieden werden kann. Erst in der Mitte des 19.
Jh.s bzw. 1871 gelingt unter dem Einfluss des Code pénal (1810) Frankreichs
eine klare Abgrenzung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 158; Köstlin, C.,
System des deutschen Strafrechts, Bd. 2 1858, Neudruck 1978, 124ff.; Mommsen,
T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1955; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 318ff.; Naucke, W., Zur Lehre vom
strafbaren Betrug, 1964; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus im römischen
und germanischen Recht bis zur Rezeption, Diss. jur. Marburg 1967; Kausch, W.,
Die Entwicklung des falsum, Diss. jur. Göttingen 1971; Schütz, S., Die
Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988; Roth, J./Sokolowsky, K., Lügner,
Fälscher, Lumpenhunde, 2000; Lügen und Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a.,
2000; Freller, T., Die Welt will betrogen sein, 2001; Die Autobiographie des
Betrügers Luer Meyer 1833-1855, 2010
Betteln ist das Bitten um unentgeltliche
Leistungen zum Lebensunterhalt. Es wird seit dem Hochmittelalter sichtbar.
Zeitweise wird es mit polizeilichen Mitteln entschieden bekämpft
(Bettelordnungen Nürnbergs von 1370, 1478, Reichspolizeiordnungen von 1530,
1548 und 1577, s. a. z. B. Graz 1996).
Lit.: Stamm, R., Theodor Konrad Hartleben (1770-1827)
und seine Allgemeine deutsche Justiz- und Polizey-Fama, ZGO 113 (1965), 45;
Goglin, J., Les miserables, 1976; Scherner, K., Arme und Bettler, ZNR 1988,
129; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995; Bindzus, D./Lange, J., Ist
Betteln rechtswidrig? JuS 1996, 482; Bräuer, H., . und hat seit hero gebetlet,
1996; Bettler in der europäischen Stadt der Moderne, hg. v. Althammer, B.,
2007; Wagner, A., Gleicherweiß als wasser, 2011; Bettler und Vaganten in der
Neuzeit, hg. v. Althammer, B. u. a., 2013 (eine kommentierte Quellenedition)
Betti, Emilio (Camerino 1890-1968), nach juristischen
Studien in Parma und philosophischen Studien in Bologna seit 1917 Professor für
römisches Recht in Camerino und in Macerata, Messina, Parma, Florenz, Mailand
und Rom, bemüht sich unter Verknüpfung von Dogmatik und Geschichte vor allem um
ein neues Verständnis der →Auslegung und der Hermeneutik insgesamt.
Lit.: Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methodik
der Geisteswissenschaften, 1962; L’ermeneutica giuridica di Emilio Betti, hg.
v. Frosini, V./Riccobono, F., 1994
Beunde (963 ahd. piunta) ist das dorfnahe, durch
Einzäunung („Bewindung“?) aus der Allmende ausgeschiedene landwirtschaftliche
Grundstück.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1 1957, Bd. 3 1973
Beutellehen ist das an einen Bürger oder Bauern
gelangende →Lehen (Bayern E. 13. Jh.), bei dem statt Kriegsdienst bei
Herrenfall und Mannfall eine erhöhte Abgabe in den Beutel des Herrn zu leisten
ist. Im 18. Jh. gibt es auch ritterliche B. Durch Gesetz vom 17. 12. 1862 wird
in Österreich das B. in Eigentum umgewandelt.
Lit.: Klein, H., Ritterlehen und Beutellehen, Mitteil.
d. Ges. f. Salzburger Landesk. 80 (1940), 87ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in
Deutschland, 2002, 2. A. 2009, 3. A. 2011
Beuterecht ist das Recht auf Aneignung
feindlichen Gutes im Krieg. Es besteht ursprünglich gegenüber der gesamten
gegnerischen Bevölkerung, wenn auch 1179 durch das dritte Laterankonzil unter
Christen die Versklavung verboten wird. Im 19. Jh. setzt sich für den Landkrieg
die Beschränkung auf das für Kriegszwecke verwendbare Staatseigentum des Feindes
durch (Haager Landkriegsordnung 1907).
Lit.: Redlich, F., De praeda militari, 1956; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Praeda, hg. v. Coudry, M. u. a.,
2009
bewegliche Sache (Wort 1784) →Sache
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Beweis ist die Darlegung der Richtigkeit
oder Unrichtigkeit einer Vorstellung durch ein Verhalten. Besondere Bedeutung
hat der B. in einem Streit zweier Personen. Im altrömischen und im klassischen
römischen Recht würdigt dabei der (lat. [M.]) iudex (Richter) frei die mit
beliebigen Mitteln vorgebrachten Beweisversuche. Demgegenüber dringt im
spätantiken römischen Recht die Bindung an feste Beweisregeln und
Beweislastregeln vor. Bei den Germanen erfolgt wahrscheinlich meist außerhalb
der Versammlung ein B. mit Eid, Zeugen oder Augenschein, wobei der Angegriffene
ein Recht zum B. vor allem durch Eid (mit Eidhelfern) hat. Im Frühmittelalter
kann der in einem zweizüngigen Urteil auferlegte B. auch im Gericht erbracht
werden, wobei der B. durch eine Urkunde vordringt. Wahrscheinlich unter
christlichem Einfluss gewinnt zeitweise das Gottesurteil dann Bedeutung, wenn
ein anderer B. nicht möglich ist. Der Kläger kann allmählich das Beweisrecht
dadurch an sich ziehen, dass er ein stärkeres Beweismittel als den Eid
anbietet. Möglich wird der Gegenbeweis. Im spätmittelalterlichen Strafverfahren
bemüht sich der Richter von sich aus um die Ermittlung der Wahrheit. Als
sicherstes Beweismittel gilt dabei das Geständnis (lat. [F.] confessio). Zu
seiner Erreichung ist die Folter zulässig, wobei seit der Peinlichen
Gerichtsordnung Karls V. (1532) ihre Anwendung nur bei Vorliegen bestimmter
Indizien (z. B. Aufenthalt in Tatnähe) gestattet wird. Hinzu kommen feste Beweisregeln.
Das Gottesurteil verschwindet. Mit dem über die Kirche schon seit dem
Spätmittelalter eindringenden gelehrten Zivilprozess gelten unbestrittene
Tatsachen als zugestanden. Bestrittene Tatsachen sind vom Kläger durch Zeugen,
Parteieid, Urkunden, Augenschein oder Sachverständige zu beweisen (Beweislast,
s. [lat.] onus [N.] probationis reo non incumbit, Die Beweislast trifft nicht
den Beklagten, Gratian um 1140), wobei feste Beweisregeln gelten. Bereits der
(lat.) usus (M.) modernus (Cocceji, Leyer) befasst sich vertieft mit den
entsprechenden Fragen. Nach französischem Vorbild (1791) setzt sich im 19. Jh.
die freie richterliche Beweiswürdigung wieder allgemein durch (Berlin 1846,
Preußen 1849), wobei es auf die Überzeugung des Richters ankommt. Die Beweislast
im Zivilprozess trägt grundsätzlich jede Partei für die ihr günstigen
Tatsachen, doch kehrt die Rechtsprechung zu Gunsten schwacher Parteien
verschiedentlich die Beweislast zu Lasten des Gegners um.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116, 155,
167; Savigny, C., Über Schwurgerichte und Beweistheorie, GA 6 (1858), 469;
Hänel, A., Das Beweissystem des Sachsenspiegels, 1858; Kries, A. v., Der Beweis
im Strafprozess des Mittelalters, 1878; Endemann, W., Die Entwicklung des
Beweisverfahrens im deutschen Civilprozess seit 1495, 1895; Haff, K.,
Beweisjury und Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38
(1917), 130; Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit nach älterem
deutschem Recht, 1921; Stutz, U., Die Beweisrolle im altdeutschen Rechtsgang,
ZRG GA 49 (1929), 1; Bechert, R., Recht oder Pflicht zur Beweisführung?, ZRG GA
49 (1929), 26; La preuve, 1963; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Nagel, H., Die Grundzüge des Beweisrechts im euopäischen Zivilprozess,
1967; Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters und ihre rechtliche
Funktion, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Langbein, J., Torture and the Law
of Proof, 1972; Walter, G., Freie Beweiswürdigung, 1979; Rechtsbehelfe, Beweis
und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1986;
Schmitt, B., Die richterliche Beweiswürdigung im Strafprozess, 1992;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1994; Allen, C., The Law of Evidence in Victorian England, 1997; Wißgott, V.,
Das Beweisantragsrecht im Strafverfahren, 1998; Macnair, M., The Law of Proof
in Early Modern Equity, 1999; Stürner, R., Geschichtliche Grundlinien des
europäischen Beweisrechts, FS A Söllner, 2000; Nehlsen-von Stryk, K., Die Krise
des irrationalen Beweises im Hoch- und Spätmittelalter, ZRG GA 117 (2000), 1;
Sauer, M., Die Entwicklung des Ablehnungsgrundes der Wahrunterstellung, Diss.
jur. Köln 2002; Perband, M., Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im
Zivilprozess (§ 286 ZPO), 2003; Lepsius, S., Von Zweifeln zur Überzeugung - Der
Zeugenbeweis im gelehrten Recht, 2003; Deppenkemper, G., Beweiswürdigung als
Mittel prozessualer Wahrheitserkenntnis, 2004; Bausteine eines europäischen
Beweisrechts, hg. v. Marauhn, T., 2007; Mentz, D., Die Beweislastumkehr in der
Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010; Repgen, T., Qui dicit probare debet,
ZRG GA 129 (2012), 76
Beweisinterlokut ist im gemeinen deutschen
Zivilprozessrecht eine gerichtliche Zwischenentscheidung über Beweislast,
Beweisthema und Beweisfrist. Es trennt den Prozess in zwei Teile und bildet den
Beginn des besonderen Beweisverfahrens. Dessen Ergebnis bindet den Richter.
Besonders ausgestaltet ist das B. im sog. sächsischen Prozess (so noch Hannover
1850). Im 18. Jh. dringt das B. allgemein in den gemeinen Prozess ein. Die
preußische allgemeine Gerichtsordnung von 1793 kennt aber schon kein B. mehr,
ebensowenig das französische Zivilprozessrecht (1806) und die davon
beeinflusste deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879.
Lit.: Planck, J., Die Lehre vom Beweisurteil, 1848
Beweislast →Beweis
Beweismittel →Beweis
Beweisurteil ist das →Urteil über eine
Beweisfrage. →Beweisinterlokut
Beyer, Georg (Leipzig 10. 9. 1665-Wittenberg 21. 8. 1714),
Aktuarssohn, wird nach den Studien von Philosophie und Recht in Leipzig
(Thomasius), Frankfurt an der Oder und Leipzig 1706 Professor in Wittenberg.
Dort hält er als einer der ersten eine Vorlesung über deutsches Recht, die als
Leitfaden des deutschen Rechtes ([lat.] Delineatio [F.] iuris Germanici, 1718)
nach seinem Tod veröffentlicht wird.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BeyerGeorgSpecimenIurisGermanici1718.pdf;
Köbler, DRG 144, 186, 205; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, III, 1
137f.
Beyerle, Franz (Konstanz 30. 1. 1885-Wangen 22. 10.
1977), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Austritt aus der katholischen Kirche
und dem Studium in Freiburg im Breisgau, Breslau (Konrad Beyerle) und Göttingen
(Promotion 1910, Frensdorff) sowie der Habilitation in Jena (1913, Rauch) 1918
Professor in Basel, 1929 Greifswald, 1930 in Frankfurt am Main, 1934 in Leipzig
und 1938 in Freiburg im Breisgau (bis 1953). Seine Arbeiten betreffen das
Stadtrecht Freiburgs, den Entwicklungsgang im Recht, die Treuhand und
Volksrechte.
Lit.: Dürselen, F., Franz Beyerle, 2005; Schützenmeister, A., Franz
Beyerle, 2008; Jocus regit actum, hg. v. Riosus, F., 2011
Beyerle, Konrad (Konstanz 14. 09. 1882-München 26. 4. 1933),
Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, der Promotion bei
Richard Schröder (1895) und der Habilitation bei Ulrich Stutz (1899) Professor
in Freiburg im Breisgau (1900), Breslau (1903), Göttingen (1906) und München
(1918). Als Abgeordneter der bayerischen Volkspartei wirkt er in der
verfassunggebenden Nationalversammlung (1919) und im Reichstag. (bis 1924).
Einzelne Arbeiten betreffen die Grundeigentumsverhältnisse in Konstanz, die
Lex Baiwariorum und die Kultur der Abtei Reichenau.
Lit.: Hense, T., Konrad Beyerle, 2002
Bezirk ist das abgegrenzte Gebiet. Preußen wird
zwischen 1808 und 1816 in (Provinzen und) Regierungsbezirke geteilt. Mit
österreichisch-kaiserlicher Entschließung vom 26. 6. 1849 (RGBl. 295) wird die
Einteilung der Kronländer in Kreise und darunter in Bezirke bestimmt, wobei an
der Spitze des Bezirks ein Bezirkshauptmann steht (1852-1868 Vereinigung der
Bezirkshauptmannschaften mit den Bezirksgerichten zu gemischten Bezirksämtern)
und der B. 1925 von einer Zentralstaatsbehörde zu einer Landesbehörde
umgestaltet wird. Die Deutsche Demokratische Republik ersetzt 1952 die Länder
(bis 1990) durch 15 Bezirke.
Bibel ([griech.] Buch] ist die Sammlung der für
Juden und Christen das Wort (ihres) Gottes enthaltenden Schriften. Diese sind
zwischen 1200 v. Chr. (10. Jh. v. Chr.) und dem 2. Jh. n. Chr. (50-120 n. Chr.)
entstanden. Die jüdische B. gliedert sich in Tora (Weisung), Propheten und
Schriften, die christliche B. ergänzt dieses alte, um die Zeitenwende in seinem
Bestand abgeschlossene Testament um das nachchristliche, im 4. Jh. weitgehend
abgeschlossene neue Testament. Die Übertragung der ursprünglich aramäischen
bzw. hebräischen Texte in das Griechische erfolgt zwischen 250 v. Chr. und 100
n. Chr. (Septuaginta), die Übersetzung in das Lateinische im 4. Jh. n. Chr.,
die Übersetzung in germanistische Volkssprachen seit dem ausgehenden 4. Jh.
n. Chr. Lateinisch enthält die von etwa 40 Verfassern hergestellte Bibel
vielleicht 738765 Wörter, deutsch 800890 Wörter. Das älteste erhaltene
Handschriftenbruchstück stammt von etwa 125 n. Chr. Die christliche B. ist das
am weitesten verbreitete und am häufigsten gedruckte Buch der Welt. Die B.
enthält umfangreiches →biblisches Recht.
Lit.: Thyen, J., Bibel und Koran, 1989, 2. A. 1993, 3. A. 2000, 4. A.
2015; Klauck, H., Die apokryphe Bibel, 2008; The Biblical Models of Power and
Law, hg. v. Biliarsky, I. u. a., 2008; Bibel und Exegese der Abtei Saint Victor
zu Paris, hg. v. Berndt, R., 2009; The Cambridge Companion to the Bible, 2. A.
hg. v. Chilton, B. u. a., 2008; Der Pentateuch, hg. v. Dozeman, T. u. a., 2011;
Schöpflin, K., Die Bibel in der Weltliteratur, 2011; Die Septuaginta und das
frühe Christentum, hg. v. Scott Caulley, T. u. a., 2011; Die Septuaginta - Entstehung,
Sprache, Geschichte, 2012; Jaroš, K., Die ältesten griechischen Handschriften
des Neuen Testaments, 2014 (weit mehr als 5000 Handschriften bekannt, hier 104
ediert); The Mew Cambridge History of the Bible, hg. v. Paget, H. u. a., 2013;
Bezzel, H., Saul, 2015; The Formation of the Pentateuch, hg. v. Gertz, J. u.
a., 2016; Die Septuaginta – Orte un d Intentionen, hg. v. Kreuzer, S. u. a.,
2016; Mugridge, A., Copying Early Christian Texts, 2016; Cline, E., Warum die
Arche nie gefunden wird – Biblische Geschichten archäologisc entschlüsselt,
2016; Tiwald, M., Die Logienquelle 2016 (Die in etwa 80 kurzen Bruchstücke
erschließbare Logienquelle Q von etwa 60 n. Chr. lag als nur indirekt
erhaltener Text den Evangelien nach Matthäus und Lukas als schriftliche Quelle
vor, verbindet Frühjudentum und Anfänge der Jesusbewegung und bildet die Brücke
zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem späteren Christentum)
Bibliothek ist die Sammlung von Büchern und das ihr
dienende Gebäude.
Lit.: Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs, 1996 (rund 475000
Bände);, Portale zu Vergangenheit und Zukunft, hg. v. Seefeldt, J. u. a., 2003,
2. A. 2003, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Rekonstruktion und Erschließung
mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2008; Jochum, U.,
Geschichte der abendländischen Bibliotheken, 2009; Zur Erforschung
mittelalterlicher Bibliotheken, hg. v. Rapp, A. u. a., 2009; Festschrift für
Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, D. u. a., 2010; Die Bibliothek des
Mittelalters als dynamischer Prozess, hg. v. Embach, M. u. a., 2012;
Huber-Frischeis, T. u. a., Die Privatbibliothek Kaiser Franz I. von Österreich
1784-1835, 2015
Biblisches Recht ist das aus den in der
jüdisch-christlichen →Bibel (vor allem in den Büchern Moses) enthaltenen
zahlreichen rechtlichen Sätzen gebildete Recht. Am bekanntesten hiervon sind
die zehn Gebote. Noch wichtiger ist vielleicht die grundsätzliche Beschreibung
des jüdisch-christlichen Gottes als eines Gottes des Rechtes, der die
Einhaltung von Recht gebietet und die Verletzung von Recht verbietet. Dieser
Grundgedanke beeinflusst die europäischen Rechte in nachhaltiger Weise.
Lit.: Collatio legum Mosaicarum et Romanarum, (in)
Fontes iuris Romani antejustiniani, Bd. 2 1940, 541; Hohenlohe-Schillingsfürst,
C. v., Der Einfluss des Christentums auf das Corpus Juris, 1937; Kisch, G.,
Sachsenspiegel and Bible, 1941; Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano, Bd.
1ff. 1952ff.; Verdam, P., Mosaic Law in Practice and Study throughout the Ages,
1959; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976; Welch, J., A
biblical law bibliography, 1990; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a.,
1994; Calvocoressi, P., Who´s who in der Bibel, 1992, 5. A. 1994, 16. A. 2009;
Brand, J., Bibel und altes Recht im Bauernkrieg, 1996; Campenhausen, H. v., Die
Entstehung der christlichen Bibel, Neudruck 2003; Ohler, A., dtv-Atlas Bibel,
2004; Kaden, D., Matthew, Paul, and the Anthropology of Law, 2016
Bielefeld
Lit.: Urkundenbuch der Stadt und des Stiftes Bielefeld, hg. v. Vollmer,
B., 1937; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld, 1990; Meineke,
B., Die Ortsnamen der Stadt Bielefeld, 2013; Bielefeld und die Welt, hg. v.
Büschenfeld, J. u. a., 2014; Linde, R. u. a., unglaublich bodenständig, 2014
Bienenrecht ist das die Bienen betreffende
Recht. Dabei darf der (unverzüglich) verfolgende Eigentümer (s)einen mit dem
Schwärmen herrenlos werdenden Bienenschwarm auch auf einem fremden Grundstück
einfangen (Aneignungsrecht). Im deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
gelten für das B. die §§ 961ff.
Lit.: Rieth, J., Das gesamte deutsche Bienenrecht,
1910; Schüßler, A., Deutsches Bienenrecht, 1934; Haff, K., Zum Bienenrecht in
den schwedischen und dänischen Landschaftsgesetzen, ZRG GA 60 (1940), 253;
Schulz, S., Die historische Entwicklung des Rechts an Bienen, 1990; Stripf, R.,
Honig für das Volk. Geschichte der Imkerei in Deutschland, 2019
Biener, Friedrich August (Leipzig 5. 2.
1787-Dresden 1861) wird nach Rechtsstudien in Leipzig und Göttingen 1810
Professor in Berlin.
Bier (vielleicht zu lat. bibere trinken) ist das aus
stärkehaltiger Substanz (z. B. Gerste, Weizen) durch alkoholische Gärung gewonnene
(gebraute) Getränk. Im Frühmittelalter wird es von Frauen hergestellt, später
entsteht in den Städten eine gewerbliche Produktion, die seit etwa 1300 Hopfen
als die Haltbarkeit erhöhenden Zusatz verwendet. In der frühen Neuzeit setzt
sich in Bayern ein auf das Jahr 1516 zurückgeführtes Reinheitsgebot (Malz,
Hopfen, Hefe, Wasser) durch.
Lit.: Moldenhauer, G., Das Göttinger Braurecht, Diss.
jur. Göttingen 1956; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in
München, 1981; Unger, R., A History of Brewing in Holland 900-1900, 2001;
Blanckenburg, C. v., Die Hanse und ihr Bier, 2001; Oliver, G., The Oxford
Companion to Beer, 2011; Hirschfelder, G. u. a., Bier – Eine Geschichte von der
Steinzeit bis heute, 2016
Biergelde oder Bargilde ist der im 8./9. Jh.
erscheinende (freie, aber trotzdem pflichtige) Mensch, der von der Forschung
teils mit Wehrsiedlung, teils mit Rodungssiedlung verbunden wird. Der Inhalt
des Wortes ist nicht völlig klar („Abgabenleister“?), obgleich die Biergelden
noch im →Sachsenspiegel (1221-1224) als besonderer Stand erfasst sind.
Lit.: Köbler, WAS; Metz, W., Zur Geschichte der
Bargilden, ZRG GA 72 (1955), 185; Hagemann, H., Die Stände der Sachsen, ZRG GA
76 (1959), 111; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983;
Springer, M., Die Sachsen, 2004
Bifang ist (im Mittelalter) das von einem
Berechtigten durch tatsächlichen Zugriff neu (stärker) genutzte, meist
eingefriedete Grundstück.
Lit.: Köbler, WAS; Bethge, O., Über Bifänge, VSWG 20
(1928), 139ff.; Sorhagen, I., Die karolingischen Kolonisationsprivilegien, 1976
Bigamie ist die weitere Eheschließung eines
bereits verheirateten Menschen in einer nur die Einehe zulassenden
Rechtsordnung. Das Christentum hält von Anfang an nur die Einehe für zulässig.
Als Folge der Christianisierung der römischen Gesellschaft ist die B. seit
Diokletian strafbar und als Folge der Christianisierung der Germanen wird die
bei ihnen erlaubte, tatsächlich aber wohl seltene Mehrehe von der Kirche
abgelehnt. Im Frühmittelalter ist die B. eine zunächst rein kirchliche Frage, für
die nur die kirchlichen Gerichte zuständig sind. Seit dem Hochmittelalter sehen
aber vor allem die Stadtrechte Enthaupten und Ertränken als peinliche Strafe
vor. Die →Constitutio Criminalis Bambergensis (1507, Art. 146) behandelt
unter dem Einfluss der augustinischen Ehebruchsgesetzgebung eine Frau bei B.
strenger als einen Mann, die →Constitutio Criminalis Carolina (1532, Art.
121) ordnet die B. stets als qualifizierten Ehebruch ein. Strafe ist zunächst
die Todesstrafe, nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 (II, 20 §§
1066ff.) und nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871 mehrjähriges
Zuchthaus (§ 171 StGB, 5 Jahre Zuchthaus). Privatrechtlich ist die B.
Ehehindernis.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 56; Hälschner,
H., Die Lehre vom Ehebruch und der Bigamie, Gerichtssaal 22 (1870), 401; His,
R., Geschichte des deutschen Strafrechts, 1928, 150f.; Erle, M., Die Ehe im
Naturrecht des 17. Jh.s, 1952; Buchholz, S., Der Landgraf und sein Professor,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Siebenhüner, K., Bigamie und
Inquisition in Italien 1600-1750, 2006
Bilanz ist die zusammengefasste Gegenüberstellung
der aktiven und passiven Vermögenswerte einer Person. Sie entwickelt sich im
spätmittelalterlichen Handelsgeschäft. Besonders seit dem ausgehenden 20. Jh.
werden die rechtlichen Vorschriften betreffend eine B. angesichts der
wachsenden Größe der Unternehmen immer dichter (1937 Richtlinien zur
Vereinheitlichung des Buchhaltungswesens der Wirtschaft, § 266 HGB).
Lit.: Brönner, H., Die Bilanz nach Handels- und
Steuerrecht, 2. A. 1940, 9. A. 1991, 10. A. 2011
Bild ist die sichtbare Wiedergabe eines Umstands (durch
menschliches Tun). Mittels der Augen und des Gehirns entstehen für den Menschen
während seines Bewusstseins zahllose sehr flüchtige Bilder. Vielleicht zuerst
in Höhlenmalereien versucht der Mensch die Vergänglichkeit dieser Eindrücke zu
bekämpfen. Dem folgen viele Malereien und andere Abbildungen auf weiteren
Stoffen. Zwischen 1835 und 1839 entwickelt der Maler Louis Jacques Mandé
Daguerre in Frankreich die Möglichkeit unter Nutzung des Lichtes
seitenverkehrte Abbildungen von körperlichen Gegebenheiten auf spiegelglatt
polierten Metalloberflächen herzustellen. Die Rechte an dem Verfahren werden
von Frankreich erworben. Aus der Daguerrotypie entwickelt sich die modernere
Fotografie.
Lit.: Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der
gewerblichen Bildzeichen in Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55
(1935), 216; Historische Bildkunde 2, 1935; Beyerle, F., Sinnbild und
Bildgewalt im älteren deutschen Recht, ZRG GA 58 (1938), 788; Troescher, G.,
Weltgerichtsbilder, Westdt. Jb. f. Kunstgeschichte 11 (1939), 139; Kisch, G.,
Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst, 1955; Brückner, W., Bildnis und
Brauch, 1966; Ebel, F. u. a., Römisches Rechtsleben im
Mittelalter, 1988; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Bild und Abbild, hg. v. Vavra, E., 1999; Schmoeckel, M., Auf der
Suche nach der verlorenen Ordnung, 2004; Zitzlsperger, P., Dürers Pelz und das
Recht im Bild, 2008; Poeschel, S., Handbuch der Ikonographie, 2005, 2. A. 2008,
3. A. 2009, 4. A. 2011, 5. A. 2014; Boehme-Neßler, V., BilderRecht, 2010;
Hayduk, H., Rechtsidee und Bild, 2011; Elkins, J., What Photography is, 2011;
Steinhauer, F., Das eigene Bild, 2013; Rechtsikonographie geistlicher und
weltlicher Macht, hg. v.
Gulczyński, A., 2012; Bild und Konfession im östlichen
Mitteleuropa, hg. v. Deiters, M. u. a., 2013; Büttner, N., Einführung in die frühneuzeitliche
Ikonographie, 2014; Poeschel, S., Starke Männer – schöne Frauen – Die
Geschichte des Aktes, 2014
Bilderhandschrift ist die mit sachlich auf den Text
bezogenen Bildern ausgestattete Handschrift. Die umfänglichsten rechtlichen
Bilderhandschriften sind mit bis zu 924 Bildstreifen zum Sachsenspiegel
überliefert (Vorbild eine bebilderte Willehalmhandschrift? [1300 Miniaturen],
1270?/vor E. 13. Jh. Harzvorland?, Stammhandschrift verloren, Anfang 14.
Jh./um 1300 Heidelberger B. [nur zu einem Drittel erhalten, Druck 1971],
vielleicht Meißen wohl 1347-1363/M. 14. Jh. Dresdener B. [Druck 1902, 2002],
drittes Viertel 14. Jh. Wolfenbütteler B. [Tochterhandschrift der Dresdener
Bilderhandschrift?, Druck 1993], 1336 Oldenburger B. [mittelniederdeutsch, nur
Landrecht bebildert, vielfach nur Vorzeichnungen, Druck 1995], insgesamt
mindestens sieben Bilderhandschriften anzunehmen). Die Bedeutung der Bilder
ist streitig. Mehr Bilderhandschriften als zum Sachsenspiegel gibt es zu dem
Decretum Gratiani.
Lit.: Köbler, DRG 103; Amira, K. v., Die Dresdener
Bilderhandschrift, Bd. 1ff. 1902ff.; Koschorreck, W., Die Heidelberger
Bilderhandschrift des Sachsenspiegels, 1970; Text – Bild – Interpretation, hg.
v. Schmidt-Wiegand, R., 1986; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 24; Katalog der deutschsprachigen illustrierten
Handschriften des Mittelalters, hg. v. Ott, N., 1991ff.; Got ist selber Recht.
Die vier Bilderhandschriften des Sachsenspiegels Oldenburg, Heidelberg,
Wolfenbüttel, Dresden, hg. durch Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1992; Scheele, F.,
die sal man alle radebrechen, 1992; Eike von Repgow Sachsenspiegel Die
Wolfenbütteler Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Bloh, U.
v., Die illustrierten Historienbibeln, 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels,
1995; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Die Heidelberger Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels als digitale Edition auf CD-ROM, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1999;
Lück, H., Über den Sachsenspiegel, 1999, 2. A. 2005; Brunschwig, C.,
Visualisierung von Rechtsnormen, 2001; Die Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels. Interimskommentar, hg. v. Lück, H., 2002; Der Dresdener
Sachsenspiegel. Faksimile-Ausgabe, 2002; Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als
Ausdruck pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003),
435ff.; http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg164; http://digital.slub-dresden.de/ppn272362328;
http://www.sachsenspiegel-online.de/cms; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die
Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164, hg. v. Kocher, G., u. a.,
2010; Rechtsikonographie geistlicher und weltlicher Macht, hg. v.
Gulczyński, A. 2012
Bildnisstrafe ist die am Bild vollzogene Strafe. Sie findet
sich für die Majestätsbeleidigung beispielsweise in Frankreich 1670 in
Dänemark und Norwegen 1683 und 1687, in Brandenburg 1688 und 1717, in Sachsen
1712, in Preußen 1721 und 1794, in Österreich 1768 und in Baden 1809, wird aber
nach 1848 beseitigt. Daneben bestehen verschiedene von der B. im engeren Sinn
verschiedene Einrichtungen.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 320
Bildung
Lit.: Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 5 1989, Bd. 2 18.
Jahrhundert 2005; Nonn, U., Mönche, Schreiber und Gelehrte, 2012; Bosse, H.,
Bildungsrevolution 1770-1830, hg. v. Ghanbari, N., 2012
Billigkeit ist die natürliche Gerechtigkeit
vor allem im einzelnen Fall. Sie erscheint in der römischen Antike teils als
(lat. [F.]) benevolentia des Kaisers, teils bei den nach der B. beurteilten
Klagen oder Schuldverhältnissen (lat. →bonae-fidei-iudicia [N.Pl.]). Im
frühen Mittelalter bewirkt die Kirche die Aufnahme des Gedankens der B. (lat.
→aequitas [F.] canonica), wobei Streit darüber besteht, ob der König nach
B. urteilen konnte. Danach greift insbesondere das Naturrecht verstärkt die B.
auf. Die B. steht grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis zur Gleichheit und
zur Rechtssicherheit.
Lit.: Kaser §§ 3, 33; Köbler, DRG 86; Rühl, P., Das
aequitatis iudicium im fränkischen Königsgericht, ZRG GA 20 (1899), 207; Stölzel,
A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Kirn, P.,
Über die angebliche Billigkeitsjustiz des fränkischen Königs, ZRG GA 47 (1927),
115; Wohlhaupter, E., Aequitas canonica, 1931; Kirn, P., Aequitatis iudicium,
ZRG GA 53 (1932), 53; Lange, H., Ius aequum und ius strictum bei den
Glossatoren, ZRG RA 71 (1954), 319; Erler, A., Aequitas in Sprüchen des
Ingelheimer Oberhofes FS G. Kisch, 1955, 53; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium,
1959; Schott, C., Billigkeit und Subjektivismus, FS M. Keller, 1989, 745;
Wesener, G., Aequitas naturalis, natürliche Billigkeit (in) Der Gerechtigkeitsanspruch
des Rechts, 1996, 81ff.; Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997;
Schröder, J., Aequitas und rechtswissenschaftliches System, ZNR 21 (1999),
29ff.; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14.
Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v.
Oestmann, P., 2009
Bill of Rights ist das englische Gesetz, das 1689
vom König angenommen und von einem ordentlichen Parlament bestätigt wird. In 13
Artikeln verbietet es katholische Thronfolge, Steuererhebung, Gesetze und Heer
ohne Zustimmung des Parlaments sowie geistliche Gerichte und gewährt
Redefreiheit, Petitionsrecht und das grundsätzliche regelmäßige
Geschworenengericht. In den Vereinigten Staaten von Amerika heißen B. o. R.
die zehn Artikel, die 1791 der Verfassung von 1787 hinzugefügt werden.
→Virginia Bill of Rights
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The complete Bill of Rights,
hg. v. Cogan, N., 1997
Billerbeck
Lit.: Geschichte der Stadt Billerbeck, hg. v. Freitag,
W., 2012
Binding, Karl (Frankfurt am Main 4. 6.
1841-Freiburg im Breisgau 7. 4. 1920), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem
Studium in Göttingen (1860-1863) Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht
und Staatsrecht in Heidelberg (1865), Basel, Freiburg im Breisgau, Straßburg
und Leipzig (1913 emeritiert). Er vertritt auf liberaler Grundlage ein formales
Vergeltungsstrafrecht zwecks Aufrechterhaltung staatlicher und gesetzlicher
Autorität und bekämpft abweichende Auffassungen (z. B. Franz von Liszt)
entschieden. Nach seiner Normentheorie geht der Rechtsregel eine Sozialnorm
voraus, deren Befehlswirkung der Täter missachtet, so dass er durch Bestrafung
unter die Macht des Staates gebeugt werden muss (Die Normen und ihre
Übertretung, Bd. 1ff. 1872ff.). Er lässt Analogie zu und befürwortet die
Vernichtung lebensunwerten Lebens (Binding, K./Hoche, A. Die Freigabe der Vernichtung
lebensunwerten Lebens, 1920, posthum).
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Geschichte des
burgundisch-romanischen Königreichs, 1868; Kaufmann, A., Lebendiges und Totes
in Bindings Normentheorie, 1954; Westphalen, D., Karl Binding, 1989;
Jerouschek, G., Carl Binding, JZ 2005, 514
Binnenmarkt ist der innere Markt, insbesondere der Markt
innerhalb der sich aus der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (seit 1957)
entwickelnden Europäischen Gemeinschaft und Europäischen Union (1992). In
ihm gibt es keine Grenzen und Binnenzölle, während der Außenhandel mit
Drittstaaten gemeinsam geregelt wird. In der Europäischen Union gelten
Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit
und Dienstleistungsverkehrsfreiheit.
Binnenschifffahrt ist die Schifffahrt auf den
schiffbaren Binnenwasserstraßen. Sie geht bereits weit in die Zeit der alten
Völker zurück, wobei nach römischem Recht alle größeren Flüsse als öffentliche
Sachen (lat. [F.Pl.] res publicae) von jedem Bürger zur Schifffahrt benutzt
werden dürfen. Im Mittelalter ist die B. durch Zölle stark belastet. Im 19. Jh.
sichern nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und dem Wiener Kongress
(1815) besondere Schifffahrtsakten die freie Schifffahrt (1821 Elbe, 1823
Weser, 1831/1868 Rhein, 1857/1948 Donau). In Deutschland ist die B. in der
Gegenwart in einem besonderen Gesetz (1896) geregelt.
Lit.: Eckert, C., Rheinschifffahrt im 19. Jahrhundert,
1900; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der Territorialgewässer, 1949; Wettstein,
L., Die Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein, Diss. jur. Mainz 1963; Gerber, S.,
Die Ordnung auf den Wasserwegen, Diss. jur. Würzburg 1975; Kischel, D., Die
Geschichte der Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Vortisch, O.,
Binnenschifffahrtsrecht, 4. A. 1991; Scherner, K., Handel, Wirtschaft und Recht
in Europa, 1999
Biographie ist die Lebensbeschreibung eines
Menschen. Aussagen über sich selbst (Autobiographien) begegnen in Griechenland
seit dem 7. Jh. v. Chr. (Hesiod, Xenophon, Isokrates, Platon, Augustinus),
wobei die Zeit um 300 v. Chr. für die griechische B. besonders wichtig ist. Im
deutschen Sprachraum entsteht seit der Mitte des 14. Jh.s eine umfangreiche
weltliche Autobiographik (z. B. Ulman Stromer, Nikolaus Muffel, Anton Tucher,
Elias Holl, Karl IV.).
Lit.: Berschin, W., Biographie und Epochenstil im
lateinischen Mittelalter, Bd. 1ff. 1986ff.; Varnhagen von Ense, K.,
Denkwürdigkeiten des eignen Lebens, hg. v. Feilchefeldt, K., Bd. 1ff. 1987;
Rüthers, B., Geschönte Geschichten – geschonte Biographien, 2001, 2. A. 2015;
Biographisches Lexikon zur Weltgeschichte, hg. v. Danckelmann, O., 2001;
Sonnabend, H., Geschichte der antiken Biographie, 2002; Meisterdenker der Welt,
hg. v. Grabner-Haider u. a., 2004; Biographisches Handbuch der deutschen
Politik, bearb. v. Jahn, B., Bd. 1ff. 2004; Antike Autobiographien, hg. v.
Reichel, M., 2005; Schmid, B., Schreiben für Status und Herrschaft, 2006;
Hageneier, L., Jenseits der Topik, 2004; The Limits of Ancient Biography, hg.
v. McGing, B. u. a., 2006; Handbuch Biographie, hg. v. Klein, C., 2009;
Henning, E., Selbstzeugnisse, 2012; Etzemüller, T., Biographien, 2012; Life
Writing and Political Memoir, hg. v. Brechtlen, M., 2012 (Sammelband)
Birkarecht (biaerkeraett, bjärköarätt)
→Schonen, →Schweden
Bischof (griech. episkopos [M.] Aufseher)
ist in der katholischen Kirche der Obere, der in einem bestimmten Teil der
Kirche als Nachfolger der Apostel in Einheit mit dem Papst das höchste Amt
ausübt. Er setzt sich als Leiter einer Gemeinde von Kleinasien aus allmählich
durch und hat im 3. Jh. auch das Amt als Richter inne, wobei zu innergemeindlichen
Aufgaben auch weltliche Aufgaben kommen (lat. [F.] episcopalis audientia).
Sein Sitz innerhalb seines Bistums ist grundsätzlich eine Stadt (lat. [F.]
civitas). Ausgewählt wird er an sich durch Klerus und Volk, tatsächlich aber im
Einzelfall vom Vorgänger, durch das Priesterkollegium der Bischofskirche, durch
die Gemeinde oder durch den Erzbischof. Im fränkischen Frühmittelalter wird
der B. wichtiger Berater des Königs, wird deshalb das Interesse des Adels an
dieser Stellung geweckt und beginnt der König allmählich mit der Einbeziehung
der Bischöfe in sein Herrschaftssystem durch Beauftragung der Bischöfe mit
weltlichen Aufgaben, weshalb neben die Wahl durch Klerus und Volk die
Einsetzung durch den König tritt (ottonisch-salisches Reichskirchensystem). Im
Investiturstreit (ab 1073) setzt die Kirche (1122) die Wahl durch Klerus und
Volk durch. Bis 1215 wird das Domkapitel zum Wahlgremium. Danach tritt neben
den B. der vor allem mit geistlichen Aufgaben betraute Weihbischof. Im Reich,
für dessen Gebiet sich zwischen 1198 und 2001 rund 5500 Diözesanbischöfe (und
seit der frühen Neuzeit Weihbischöfe und Generalvikare) nachweisen lassen, wird
der B. (seit dem Investiturstreit) geistlicher Reichsfürst (bis zur
Säkularisation 1803). Im evangelischen Kirchenwesen verdrängt der
Superintendent bis 1918 (teilweise) den B. Seit dem 19. Jh. sind Staat und
Kirche grundsätzlich getrennt, doch gewähren Konkordate (z. B. Österreich
1855, 1933) der Kirche noch verschiedene Einflussmöglichkeiten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56, 87, 115,
152; Friedberg, E., Der Staat und die Bischofswahlen in Deutschland, 1874,
Neudruck 2013; Stutz, U., Der neuste Stand des deutschen Bischofswahlrechts,
1909; Feine, H., Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921; Hofmeister, P., Bischof
und Domkapitel, 1931; Claude, D., Die Bestellung der Bischöfe im merowingischen
Reiche, ZRG KA 80 (1963), 1; Vescovi e diocesi, 1964; Ganzer, K., Papsttum und
Bischofsbesetzungen, 1968; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Kaiser, R., Bischofsherrschaft, 1981; Scheibelreiter, G., Der Bischof in
merowingischer Zeit, 1983; Die Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v.
Gatz, E., 1990; Landau, P., Der Papst und die Besetzung der Bischofsstühle, Z.
f. ev. Kirchenrecht 37 (1992), 241; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans
le royaume de Germanie, 1997; Die früh- und hochmittelalterliche
Bischofserhebung im europäischen Vergleich, hg. v. Erkens, F., 1998; Die
Bischöfe des Heiligen römischen Reiches, hg. v. Gatz, E., 2000; Die Bischöfe
der deutschsprachigen Länder 1945-2001, hg. v. Gatz, E., 2002; Freund, S., Von
den Agilolfingern zu den Karolingern, 2004; Die Wappen der Hochstifte, Bistümer
und Diözesanbischöfe im heiligen römischen Reich 1648-1803, hg. v. Glatz, E.,
2007; Norton, P., Episcopal Elections 250-600, 2007; Peltzer, J., Canon Law,
Carrers and Conquest, 2008; Patzold, S., Episcopus - Wissen über Bischöfe,
2009; Christopher, P., L’élection des évêques, 2009; Thier, A., Hierarchie und
Autonomie, 2011; Patterns of episcopal power, hg. v. Körntgen, L. u. a., 2011;
Jégou, L., L’évêque, juge de pais, 2011; Braun, B., Princeps et episcopus,
2012; Bode, T., König und Bischof in ottonischer Zeit, 2015; Kritzinger, P.,
Ursprung und Ausgestaltung bischöflicher Repräsentation, 2016
Bismarck, Otto von (Schönhausen/Altmark 1.
4. 1815-Friedrichsruh 30. 7. 1898) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft
(1832-1835) in Göttingen und Berlin und Tätigkeit im Staatsdienst Landwirt
(1839) und 1849 für die Konservative Partei Mitglied der zweiten preußischen
Kammer, Vertreter Preußens im Deutschen Bund (1851), Gesandter in Sankt
Petersburg (1859) und Paris (1862) und am 23. 9./8. 10. 1862 preußischer
Ministerpräsident. Im Deutschen Bund setzt er sich für Preußen und damit gegen
Österreich ein. Nach der Gründung des →Norddeutschen Bundes (1867) und
des (zweiten) Deutschen Reiches (1871) wird er bis 20. 3. 1890 Reichskanzler
(meist gleichzeitig Ministerpräsident und Außenminister Preußens) und betreibt
eine Bündnispolitik (1879 Zweibund mit Österreich-Ungarn, 1882 zum Dreibund mit
Italien erweitert, 1915 von Italien gekündigt). Besondere rechtliche
Verdienste gewinnt er durch die Herstellung der Rechtseinheit in Deutschland
und durch die Einführung der →Sozialversicherung. Im Mittelpunkt seines
Denkens und Handelns steht der von einem Erbmonarchen mit starker Bürokratie
gelenkte Staat, nicht die Nationsidee.
Lit.: Köbler, DRG 171, 177, 183, 194; Meyer, A.,
Bismarcks Kampf mit Österreich, 1927; Kober, H., Studien zur Rechtsanschauung
Bismarcks, 1961; Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus, 1969; Gall, L.,
Bismarck, 1980; Engelberg, E., Bismarck, 1985; Pflanze, O., Bismarck, Bd. 1f.
1997f.; Krockow, C., Graf v., Bismarck, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung
und Verfassung in der konstitutionellen Monarchie, 1999; Otto von Bismarck und
die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001; Schmidt. R., Otto von Bismarck
(1815-1898), 2004; Brunck, H., Bismarck und das preußische Staatsministerium
1862-1890, 2004; Otto von Bismarck im Spiegel Europas, hg. v. Hildebrand, K. u.
a., 2006; Gall, L., Bismarck, Preußen und die nationale Einigung, HZ 285
(2007), 355; Althammer, B., Das Bismarckreich 1871-1890, 2008; Bismarcks
Mitarbeiter, hg. v. Gall, L. u. a., 2009; Kolb, E., Bismarck, 2009; Haffer, D.,
Europa in den Augen Bismarcks, 2010; Thies, J., Die Bismarcks, 2013; Otto von
Bismarfck und die Wirtschaft, hg. v. Epkenhans, M. u. a., 2013; Kretschmann,
C., Bismarck, 2014; Kraus, H., Bismarck, 2015; Nonn, C., Bismack, 2015;
Bismarck, hg. v. Mayer, T., 2015; Bremm, K., 1866 – Bismarcks Krieg gegen die
Habsburger, 2016; Otto von Bismarck und das „lange 19. Jahrhundert“, hg. v.
Lappenküper, U., 2017; Lappenküper, U., Bismarck und Frankreich 1815 bis 1898,
2019
Bistum ist der kirchliche Herrschaftsbezirk des →Bischofs.
Seit dem 12. Jh. tritt ihm im Heiligen römischen Reich das weltliche Hochstift
bis 1803/1806 zur Seite. Neben dem Bischof steht im B. der Kathedralklerus (mit
Archidiakon, Archipresbyter, Propst, Offizial, Generalvikar).
Lit.: Hinschius, P., Das System des katholischen
Kirchenrechts, 1878; Gatz, E., Die Bistümer des Heiligen römischen Reiches,
2003; Die Bistümer der deutschsprachigen Länder, hg. v. Gatz, E., 2005;
Bistümer und Bistumsgrenzen, hg. v. Klueting, E. u. a., 2006
Bittleihe (lat. [N.] precarium) ist im römischen Recht
die unentgeltliche, widerrufliche Gebrauchsüberlassung einer Sache. Sie ist
kein Rechtsverhältnis und begründet keinen für eine Ersitzung ausreichenden
Besitz, wohl aber Schutz gegenüber Dritten.
Bizone ist die Bezeichnung für den Zusammenschluss
von amerikanischer und britischer Besatzungszone in Deutschland (1. 1. 1947-8.
4. 1949).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pünder, T., Das bizonale
Interregnum, 1966; Hubert, G., Die Diskussion um die rechtliche Natur der
Bizone, 1996
Bjärköarätt (N.) →Birkarecht,
→Schonen, →Schweden
Blackstone, Sir William (London 10. 7.
1723-14. 2. 1780, aus Handwerker- und Kaufmannsfamilie) wird nach Studien in
Oxford (als Fünfzehnjähriger 1738-1741) und einer Rechtsausbildung im Middle
Temple in London 1746 Anwalt (barrister) in London, 1753 Dozent und 1758
Professor für englisches Recht in Oxford, (eigenes Netz wichtiger Kontakte,
1759 The Great Charter, 1761-1770 Unterhaus, Anhänger des Hauses Hannover,
Gegner der Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien) 1763 solicitor general
to the Queen, 1766 Anwalt in London und 1770 Richter (Court of common pleas).
Seine vier, ihn als überzeugten Reformer ausweisenden Bände Commentaries on the
Laws of England (1765-1769, im letzten Kapitel eine Geschichte der Entwicklung des
englischen Rechtes) bieten (beeinflusst von Matthew →Hale, Burlamaquis,
Pufendorf, Locke und Montesquieu) in klarer verständlicher Sprache und
übersichtlicher Gliederung eine umfassende knappe Darstellung des englischen
Verfassungsrechts, Vermögensrechts, Schuldrechts und Strafrechts bzw.
Privatrechts, Staatsrechts, Prozessrechts und Strafrechts (common law und
equity), die sich in Anlehnung an ein Werk Hales in Personen, Sachen, Delikte
und Straftaten gliedert, früh in Göttingen und Frankreich bekannt wird und bis
in das 21. Jh. im angloamerikanischen Bereich von großer Bedeutung bleibt.
Lit.: http://koeblergerhard.de/Fontes/BlackstoneWilliamCommentariesOnTheLawsOfEnglandBand1.pdf;
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 12 1938, 702ff.; Benser, R., Die
Systematik des Privatrechts, 1938; Warden, L., The Life of Blackstone, 1938;
Simmonds, N., Reason, History an Privilege – Blackstone’s Debt to Natural Law,
ZRG GA 105 (1988), 200; Harman, C., Critical Commentaries on Blackstone, 2002;
Blackstone and his Commentaries, hg. v. Prest, W., 2009; Prest, W., William
Blackstone, 2009
Blasius de Morcono (in Morcone vielleicht zwischen 1283 und 1293
geboren, 1350 an Pest gestorben) ist der letzte Erläuterer des langobardischen
Rechtes als eines lebenden Rechtes (Tractatus de differentiis inter ius
Longobardorum et Romanorum, vielleicht zwischen 1323 und 1332 entstanden).
Lit.: Dom. Blasii de Morcono de differentiis inter ius Longobardorum et
ius Romanorum tractatus, cura Abignente, J., 1912;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 513
Blasphemie ist die Lästerung des christlichen
Gottes. Seit dem 13. Jh. erscheint die B. auch in weltlichen Strafrechtstexten.
Kirchliche wie weltliche Folgen sind vielfältig. Im 20. Jh. schwindet die
Bedeutung.
Lit.: Volker, G., History of the Crime of Blasphemy,
1928; Schwerhoff, G., Blasphemie vor den Schranken der städtischen Justiz, Ius
commune 25 (1998), 39; Cabatous, A., Geschichte der Blasphemie, 1999 (übersetzt
von Wilczek, B.); Schwerhoff, G., Zungen wie Schwerter, 2005; Saint Victor, J.
de, Blasphemie – Geschichte eines „imaginären Verbrechens“, 2017
Bleichgericht
Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen
Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345
Blendung (F.) ist das Ausstechen oder
Ausbrennen eines Auges oder beider Augen. B. ist eine Leibesstrafe in Altertum
und Mittelalter. Mit der Aufklärung wird sie beseitigt.
blickender Schein →Augenschein
Blijde Inkomst →Brabant
Blinder
Lit.: Laske, W., Zur Stellung des Blinden im Recht des Mittelalters,
ZRG GA 97 (1980), 27; Krüger,
J., Blindheit und Königtum, 1992
Blockade ist die Absperrung eines Gebiets von
anderen Gebieten vor allem im Seekrieg (aus it. [F.] bloccata). 1584 verwenden
die Holländer die B. als Kriegsmittel im Freiheitskampf gegen Spanien. Die
Pariser Seerechtsdeklaration vom 16. 4. 1856 und die nicht ratifizierte
Londoner Deklaration vom 26. 2. 1909 legen das Recht der B. fest, die Charta
der Vereinten Nationen lässt die B als kollektive Zwangsmaßnahme zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hogan, A., Pacific
blockade, 1908; Schenk, R., Seekrieg und Völkerrecht, 1958; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007, §§ 42, 48
Blume des Sachsenspiegels (Di blume ubir der Sachsen spigel
…) ist die in 8 bzw. 10 Handschriften überlieferte ungedruckte, ein Abecedar
(Incipiunt regulae juris Ad decus …) enthaltende Bearbeitung der →Blume
von Magdeburg durch Nikolaus →Wurm (um 1397).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 67; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des
Nikolaus Wurm, 1990
Blume von Magdeburg ist das von Nikolaus →Wurm
am Ende des 14. Jh.s (um 1390) nach dem Vorbild des Richtsteig Landrechts unter
Benutzung des Sachsenspiegels und des Magdeburger Weichbilds verfasste, in zwei
Teile gegliederte, in einer Handschrift überlieferte Werk, das Sachsenrecht
(Weichbildrecht) und gelehrtes gemeines Recht (lat. [FPl.] leges und canones)
verbinden will.
Lit.: Böhlau, H., Die Blume von Magdeburg, 1868;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 66; Leuchte,
H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990
Bluntschli, Johann Kaspar (Zürich 7. 3.
1808-Karlsruhe 21. 10. 1881) wird nach dem Studium in Zürich, Berlin
(1827-1829) und Bonn Gerichtsschreiber in Zürich (1830), dann Professor in
Zürich (1836), München (1848) und Heidelberg (1861). Auf der Grundlage seiner
Staats- und Rechtsgeschichte der Stadt und Landschaft →Zürich
(1838/1839, 2. A. 1856) führt er das in Personenrecht, Sachenrecht,
Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht gegliederte Privatrechtliche
Gesetzbuch für den Kanton Zürich zum Abschluss (1853-1855), das bis zum
Zivilgesetzbuch von 1907/1911 (auch in Schaffhausen, Thurgau und Zug) gilt.
Lit.: Zürich, Privatrechtliches Gesetzbuch von
Bluntschli, Johann Kaspar, Bd. 1ff. 1854ff.,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PrivatrechtlichesGesetzbuchfuerdenKantonZuerich1854Bd1.pdf Briefwechsel
Johann Kaspar Bluntschlis mit Savigny, Niebuhr, Leopold Ranke, Jakob Grimm und
Ferdinand Meyer, hg. v. Oechsli, W., 1915; Vontobel, J., Die
liberal-konservative organische Rechts- und Staatslehre Joh(ann) Caspar
Bluntschlis, Diss. jur. Zürich 1954; Schmidt, S., Die allgemeine Staatslehre
Johann Caspar Bluntschlis, 1968 (Diss.); Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Affentranger, M., Besitz und Besitzschutz im Züricher
Privatrechtlichen Gesetzbuch Johann Caspar Bluntschlis, 1987; Senn, M.,
Rassistische und antisemitische Elemente im Rechtsdenken von Johann Caspar
Bluntschli, ZRG GA 110 (1993), 372; Röben, B., Johann Caspar Bluntschli,
Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881, 2003; Cavallar, G.,
Johann Caspar Bluntschlis europäischer Staatenbund in seinem historischen
Kontext, ZRG GA 121 (2004), 504; Metzner, C., Johann Caspar Bluntschli, 2009
Blut ist die das Leben von Wirbeltieren sichernde
Körperflüssigkeit, auf die einzelne Rechtswörter (z. B. Blutbann, Blutrache,
Blutschande) und Rechtsregeln (Das Gut fließt wie das B.) Bezug nehmen.
Lit.: Strack, H., Das Blut im Glauben und Aberglauben, 7. A. 1900;
Schenda, R., Gut bei Leibe, 1998; Schury, G., Lebensflut, 2001
Blutbann ist die Zuständigkeit zur
Verhängung der Todesstrafe. →Hochgerichtsbarkeit
Blutrache ist die im älteren Recht erlaubte
eigenmächtige Vergeltung einer Verletzung (Tötung) durch eine neue Verletzung
(Tötung). Recht und Pflicht zur B. bzw. Fehde oder Selbsthilfe verschwinden bis
zur Neuzeit. Das Wort Bluträcher begegnet erstmals bei Martin Luther in der
ersten Hälfte des 16. Jh.s.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Heusler, A., Das
Strafrecht der Isländersagas, 1911; Vlavianos, B., Zur Lehre der Blutrache,
Diss. jur. München 1924; Zacharias, R., Die Blutrache im deutschen Mittelalter,
Z. f. d. A. 91 (1962), 167 (Diss. phil. Kiel 1961); Miller, W., Bloodtaking and
peacemaking, 1990; Diesselhorst, M., Die Fehde von Sichar und Chramnesind FS F.
Wieacker, 1991, 187ff.; Het recht in eigen hand, Tijdschrift voor Geschiedenis
123 (2010), Nummer 2; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache, 2011
Blutschande (Inzest) ist der Geschlechtsverkehr
zwischen nahen (leiblichen) Verwandten, der sowohl im Alten Testament wie auch
bei den Römern verboten ist. Vom christlichen Einfluss wird das Frühmittelalter
erfasst, das als Folge die Tötung, die Verknechtung, das Exil oder das
Gefängnis kennt. Häufiger erscheint die B. am Ende des Mittelalters wohl unter
dem Einfluss des römischen Rechtes (1507 [Constitutio Criminalis Bambergensis]
Enthauptung). Eine Einschränkung auf die Verwandten und Verschwägerten
aufsteigender und absteigender Linie bringt das preußische Strafgesetzbuch von
1851.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 165f.; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss. jur.
Berlin 1997
Bocksdorf, Dietrich (Theoderich) von
(Zinnitz bei Calau um 1405 (bzw. um 1410)-Zeitz 9. 3. 1466, auch Bocksdorff)
wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (1425, 1426 baccalaureus) und Perugia
(1436/1437, Dr. iur. utr.) Professor des kirchlichen Rechtes in Leipzig
(1443-1463) und 1463 Bischof von Naumburg. Er verfasst wissenschaftliche
Arbeiten zum →Sachsenspiegel (Informaciones 1433, 1451, Sippschaftsregeln,
Erbschaftsregeln, Remissorium, Weise des Lehnrechts), nicht dagegen die sog.
Bocksdorfsche Erweiterung der Glosse zum Sachsenspiegel.
Lit.: Köbler, DRG 103; Distel, T., Eine Rechtsunterweisung
Dittrich von Bocksdorfs, ZRG GA 4 (1833), 234; Kisch, G., Zur sächsischen
Rechtsliteratur der Rezeptionszeit, Bd. 1 Dietrich von Bocksdorfs
„Informaciones“, 1923; Verfasserlexikon, 2. A. Bd. 2 1980, 110 (Ulmschneider,
H.); Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz zwischen Rechtspraxis,
Universität und kirchlicher Karriere, 2012; Wejwoda, M., Sächsische
Rechtspraxis und gelehrte Jurisprudenz, 2012; Wejwoda, M., Dietrich von
Bocksdorf und seine Bücher, 2014
Bocksdorfsche Glosse ist die wohl von Tammo von
→Bocksdorf nur in einzelnen Besserungen veränderte Erweiterung der
buchschen Glosse des Sachsenspiegels.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 74
Bocksdorf, Tammo von (um 1385-nach 1460,
wohl Onkel Dietrich von Bocksdorfs), verfasst nach dem Rechtsstudium in Prag
als Domherr in Magdeburg 1426 ein →Remissorium zum Sachsenspiegel und
vielleicht die Bocksdorfschen (lat. [F.Pl.]) additiones (Zusätze) zur
Sachsenspiegelglosse.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 74; Wejwoda, M., Spätmittelalterliche Jurisprudenz
zwischen Rechtspraxis, Universität und kirchlicher Karriere, 2012
Böddeken
Lit.. Probus, J., Cronica monasterii beati Meynulphi
in Bodeken, hg. v. üthning, H., 2016
Bodenreform ist die Umwandlung von
Großgrundeigentum in bäuerliche Betriebe im Anschluss an staatliche Umwälzungen
teils liberalistischer, teils sozialistischer Zielsetzung (z. B. Sowjetunion
1929, 1945 sowjetische Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 121; Damaschke, A., Die
Bodenreform, 1902; Hedemann, J., Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, Teil 2 1930; Kippes, O., Die Bestrebungen der Bodenreform, 1933;
Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v. Kruse, J., 1988; Werner,
J., Die Bodenreform, 1997; Oppenheimer, F., Großgrundeigentum und soziale
Frage, 1998; Fikentscher, R./Schmuhl, B./Breitenborn, K., Die Bodenreform in
Sachsen-Anhalt, 1999; Zahnert, D., Das Recht der Bodenreform der sowjetischen
Besatzungszone, 2000; Kempen, B./Dorf, Y., Bodenreform 1945-1949, 2004; Die
rechtsstaatliche Bewältigung der demokratischen Bodenreform, hg. v. Kempen, B.,
2005; Küppers, J., Die wahre Wahrheit über die Bodenreform, 2014
Bodenregal ist das vom König im Frühmittelalter
grundsätzlich geltend gemachte →Regal an herrenlosem Grund und Boden, das
sich in Frankreich erhalten (domaine public) und in Deutschland zum
Aneignungsrecht des Staates (Fiskus) entwickelt hat.
Lit.: Köbler, DRG 90; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, § 27
Bodensee
Lit.: Stoffel, F., Die Fischereiverhältnisse des
Bodensees, 1906; Münch, W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter,
Diss. jur. Graz 1943; Gönnenwein, O., Die Rechtsgeschichte des Bodensees,
Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 69 (1950); Der Bodensee, hg.
v. Maurer, H., 1982
Bodin, Jean (Angers 1530?-Laon 1596), Kaufmannssohn, wird
nach dem Rechtsstudium (1548) und einer Lehrtätigkeit in Toulouse 1561 Advokat
am Parlament von Paris, 1571 Bediensteter des Herzogs von Alençon, 1576
Staatsanwalt in Laon und schließlich königlicher Prokurator. In seinem
empirisch entwickelten, für die politische Festigung Frankreichs gedachten
Hauptwerk (Les six livres de la République, 1576, Die sechs Bücher über die
Republik) beschreibt er rationalistisch das auf der von Gott gegebenen
Souveränität (Unteilbarkeit, Unbeschränktheit, Ständigkeit) aufbauende moderne
Staatswesen, in dem der Souverän zum Erlass des Gesetzes (lat. [F.] lex)
befugt ist, aber den göttlichen und natürlichen Gesetzen (lat. [N.] ius)
unterliegt. Die Monarchie kann für B. den Religionsfrieden und die
Staatsordnung am besten wieder herstellen. Hexerei ist B. das schwerste
Verbrechen (De la démonomanie des sorciers, 1580). Streitig ist, inwieweit B.
den →Absolutismus begründet.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BodinJeanLesSixLivresDeLaRepublique1576.pdf;
Köbler, DRG 148f.; Fickel, G., Der Staat bei Bodin, 1934; Schmitz, A., Staat
und Kirche bei Jean Bodin, 1939; Bodin, Jean, hg. v. Denzer, H., 1973;
Goyard-Fabre, S., Jean Bodin et le droit de la république, 1989; Spitz, J.,
Bodin et la souveraineté, 1998; Couzinet, M., Jean Bodin, 2001; Mayer-Tasch,
P., Jean Bodin, 2. A. 2011
Bodman
Lit.: Bodman. Dorf, Kaiserpfalz, Adel, hg. v. Berner, H., 1977
Bodmann, Franz Josef (Groß-Aura 3. 5. 1754-Mainz 21.
10. 1820) wird nach dem Studium des Rechtes in Würzburg und Göttingen (Johann
Stephan Pütter) 1780 außerordentlicher und 1783 ordentlicher Professor in Mainz
und von 1807 bis 1814 Konservator der ehemals kurfürstlichen Bibliothek und
Archivar. Er fälscht Quellen durch Änderung von Ort, Zeit und Namen (z. B. sog.
Rheingauer Landrecht). Wegen dieser seit 1903 aufgedeckten Fälschungen sind
alle nur durch ihn überlieferten Quellen verdächtig.
Lit.: Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen Franz Josef Bodmanns,
ZRG GA 69 (1952), 74ff., 77 (1960), 345ff.; Büttner, H., Zum Bodmann-Problem,
HJB 74 (1955), 363ff.
Bodmerei ist die hochverzinste Beleihung
eines Schiffes in der Form, dass mit seinem Verlust die Zahlungspflicht
entfällt und die Rückzahlung von der sicheren Ankunft des Schiffes abhängt
(seerechtliches Darlehen mit Gefahrtragung durch den Darlehensgeber, reine
Sachhaftung). Der B. geht das griechisch-römische Seedarlehen voraus (lat.
fenus [N.] nauticum), das möglicherweise durch indische oder babylonische
Vorläufer beeinflusst ist. Im Hochmittelalter wird auf Grund unbekannter
Entwicklung die Verpfändung des der Seegefahr ausgesetzten Schiffes oder
Schiffsteils (bodeme, Boden) vorausgesetzt (Rôles d’Oléron 2. H. 13. Jh.,
Lübeck 1387, 1418 Bodmereiverbot der Hanse, 1591 Zulassung). Später wird sie
durch die Seeversicherung verdrängt und auf die Notbodmerei des Schiffes (durch
den Kapitän in Notfällen) eingeschränkt (HGB 1897). Als Folge der
wirtschaftlichen und technischen Entwicklung wird die B. durch Gesetz vom 21.
6. 1972 im Handelsgesetzbuch Deutschlands ganz aufgehoben.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Mathiass, B., Das foenus nauticum und die geschichtliche
Entwicklung der Bodmerei, 1881; Schuster, S., Das Seedarlehen in den
Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Böhmen ist das nach den keltischen Boiern
(latinisiert Boiohaemum) benannte Land östlich des Bayerischen Waldes, in das
seit dem 6. Jh. Slawen eindringen. Seit 800 wird es christianisiert, wobei um
890 Herzog Boriwoi aus dem Geschlecht der →Przemysliden getauft wird. Vom
ottonischen König Heinrich I. wird B. unterworfen. Im 10. Jh. wird der bisher
nicht sicher gedeutete Name Čechy (Tschechen) erwähnt. 973 wird für das
zunächst kirchlich Regensburg unterstellte Gebiet das Bistum Prag, 975 das
Bistum Olmütz gegründet und Mainz unterstellt. B. entwickelt sich zum Herzogtum
(1085 Königstitel) im deutschen Reich (1114 Schenk, Reichserzschenk). Seit dem
12. Jh. wandern deutsche Siedler in den Randgebieten und in den Städten ein.
1198/1212 wird B. als Königreich ähnlich wie →Österreich im Reich
verhältnismäßig verselbständigt. Der Sachsenspiegel (1221-1224) zählt den König
von B. zu den Kurfürsten, lässt ihn aber bei der Königswahl als Nichtdeutschen
nicht wählen. Nach dem Aussterben der Babenberger in männlicher Linie in Österreich
(1246) wird Ottokar II. aus der Familie der Przemysliden (um 1232-26. 8. 1278)
1251 mit Zustimmung der Stände Herzog von Österreich (1252 Heirat mit der mehr
als 30 Jahre älteren Margarete von Babenberg, 1261 annulliert zwecks Heirat mit
möglicher Erbin Ungarns) und 1253 als Nachfolger seines Vaters König von
Böhmen. 1260 erzwingt er von Ungarn die Übergabe der Steiermark. 1269 erwirbt
er nach einem Erbvertrag die Herzogtümer Kärnten und Krain. 1273 unterliegt er
Rudolf von Habsburg bei der Wahl zum deutschen König. 1276 muss er auf seine
Erwerbungen verzichten und Böhmen und Mähren von Rudolf von Habsburg als
Reichslehen nehmen. Am 26. 8. 1278 wird er bei dem Versuch der gewaltsamen
Rückgewinnung dieser Güter im Zuge der Schlacht von Dürnkrut (Marchfeld)
getötet, wodurch Österreich als Reichslehen wieder frei wird. 1306 sterben die
Przemysliden aus (1307 Habsburg, 1311 Luxemburg, 1438-1457 Habsburg). 1314
gewinnt Johann von Luxemburg als König von B. das Nichtappellationsprivileg.
Die Markgrafschaft Mähren und Fürstentümer in Schlesien werden angegliedert.
1344 wird Prag Erzbistum. 1348 erhält die Stadt eine Universität. Kaiser Karls
IV. Plan eines böhmischen Landrechts (→Maiestas Carolina) scheitert
1355. !356 betrifft die Goldene Bulle auch das Kurfürstentum B. 1415 wird der
tschechische Religionserneuerer Jan Hus hingerichtet. Im 15. Jh. wird B. zur
Adelsherrschaft. 1495 entsteht mit den Neun Büchern über die Rechtsordnung des
Landes Böhmen das bedeutendste Werk der tschechischen spätmittelalterlichen
Rechtswissenschaft. 1526 ernennt der Adel Ferdinand I. von Österreich auf
Grund von Erbansprüchen zum König. 1527 gründet Ferdinand I. auf Drängen der
böhmischen Stände eine böhmische Hofkanzlei. 1547 wird das Königreich B. für
Habsburg erblich und verselbständigt sich danach mehr und mehr vom Reich. 1564
wird eine Landesordnung erlassen, die nach Niederschlagung der mit dem Prager
Fenstersturz (1618) verbundenen Reformationsbewegung (1620, Winterkrieg,
Schlacht am Weißen Berg, Verlegung der böhmischen Hofkanzlei nach Wien) 1627
absolutisierend als (v)erneuerte Landesordnung umgestaltet wird. In
beachtlichem Umfang wird römisch-kanonisches Recht aufgenommen. Im 17. Jh.
versucht Österreich eine Zentralisierung. 1707 wird Böhmen in die Halsgerichtsordnung
Josephs I. von 1707 einbezogen. Maria Theresia hebt die böhmische Hofkanzlei
1748/1749 auf (Directorium in publicis et cameralibus). 1761 entsteht die
böhmisch-österreichische Hofkanzlei für die innere Verwaltung der böhmischen
und österreichischen Erbländer. Joseph II. beseitigt die Leibeigenschaft in
Böhmen, Mähren und Schlesien. 1812 wird das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs auch in B. in Kraft gesetzt. Am 8. 4. 1848 verspricht der
österreichische Kaiser Ferdinand I. eine eigene Verfassung (Böhmische Charte),
bezieht B. aber tatsächlich in die Geltung der pillersdorfschen Aprilverfassung
ein. Die böhmisch-österreichische Hofkanzlei wird zum Innenministerium. 1918
löst sich das Kronland (Cisleithaniens) B., wie seit 1848 gefordert, in der
→Tschechoslowakei von Österreich. Am 15. 3. 1939 errichtet das Deutsche
Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigtes Protektorat Böhmen
und Mähren. zum 1. 1. 1993 teilt sich die im zweiten Weltkrieg aufgeteilte,
danach wiederhergestellte Tschechoslowakei in die Tschechische Republik
(Tschechien) und in die Slowakei auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95,
109, 129; Palacky, F., Geschichte Böhmens, Bd. 1ff. 1836ff.; Rössler, E.,
Deutsche Rechtsdenkmäler aus Böhmen und Mähren, 1845ff.; Schmidt von Bergenhold,
J., Geschichte der Privatrechtsgesetzgebung und Gerichtsverfassung, 1866; Codex
juris municipalis regni Bohemiae, 1886; Werunsky, E., Die Maiestas karolina,
ZRG GA 9 (1888), 64; Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre Boemie, ZRG GA 10
(1889), 98; Grünberg, C., Die Bauernbefreiung in Böhmen, Bd. 1 1895; Lippert,
J., Sozialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit, 1896ff.; Schreuer, H.,
Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte der böhmischen Sagenzeit, 1901; Codex
diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae, hg. v. Friedrich, G. u. a., Bd.
1ff. 1904ff.; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, 1912; Köster, A.,
Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen
Kaisern, 1912; Stieber, M., Böhmische Staatsverträge, 1912; Zycha, A., Über den
Ursprung der Städte in Böhmen, 1914; Peterka, O., Rechtsgeschichte der
böhmischen Länder, Bd. 1f. 1923ff., Neudruck 1965; Perels, E., Zur Geschichte
der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Weizsäcker, W., Die Fremden im
böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; Weizsäcker, W., Nárok und sok im
böhmisch-mährischen Landrecht, ZRG GA 53 (1933), 300; Stanka, R., Die
böhmischen Konföderationsakte von 1619, 1932; Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht
in Böhmen, Mähren und Schlesien, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung
der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Wegener, W., Die
Přemysliden, 1957; Klabouch, J., (Die Rechtslehren des Aufklärungszeitalters
in den böhmischen Ländern), 1958; Wegener, W., Böhmen/Mähren und das Reich im
Hochmittelalter, 1959; Das böhmische Staatsrecht in den deutsch-tschechischen
Auseinandersetzungen des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. v. Birke, E. u. a.,
1960; Nový, R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Markov,
J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum 17.
Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 144; Cultus pacis, hg. v. Vaněček, V.,
1966; Siedlung und Verfassung Böhmens in der Frühzeit, hg. v. Graus, F./Ludat,
H., 1967; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd.
1ff. 1967ff.; Russocki, S., Protoparlamentaryzm Czech do
początku XV wieku (Der Protoparlamentarismus Böhmens bis zum Beginn des
15. Jahrhunderts), 1973; Procházka, R. Frhr. v., Genealogisches Handbuch erloschener
böhmischer Herrenstandsfamilien, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,429; Hlavaček, I. u. a. Nichtbohemikale Originalurkunden in
den böhmischen Ländern, 1977; Eberhard, W., Konfessionsbildung und Stände in
Böhmen 1478-1530, 1981; Sasse, B., Die Sozialstruktur Böhmens in der Frühzeit,
1982, Hassenpflug-Elzholz, E., Böhmen und die böhmischen Stände, 1982; Prinz,
F., Böhmen im mittelalterlichen Europa, 1984; Eberhard, W., Monarchie und
Widerstand, 1985; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 3. A. 1997; Seltenreich, R.,
Das römische Recht in Böhmen, ZRG GA 110 (1993), 496; Čechura, J., Die
Struktur der Grundherrschaften im mittelalterlichen Böhmen, 1994; Rentzow, L.,
Die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der Vernewerten Landesordnung für das
Königreich Böhmen von 1627, 1998; Kadlecová, M., Verneuerte Landesordnungen,
ZRG GA 120 (2003), 150; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und das Reich,
2003; Himl, P., Die armben Leüte und die Macht, 2003; Malý, K., Die böhmische
Konföderationsakte und die verneuerte Landesordnung, ZRG GA 122 (2005), 285;
Untertanen, Herrschaft und Staat in Böhmen und im alten Reich, hg. v. Cerman,
M. u. a., 2005; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas,
2005; Votypka, V., Böhmischer Adel, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 973; Kejř,
J., Die mittelalterlichen Städte in den böhmischen Ländern, 2010; Schelle, K.,
Recht und Verwaltung im Protektorat Böhmen und Mähren, 2009; Böhmen und das
Deutsche Reich, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2009;
Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Höbelt, L., Böhmen,
2012; Religion und Politik im frühneuzeitlichen Böhmen - Der Majestätsbrief
Kaiser Rudolfs II. von 1609, hg. v. Hausenblasová, J. u. a., 2014; Deutschland
und das Protektorat Böhmen und Mähren, hg. v. Mund, G., 2014; Grant, J., For
the Common Good. The Bohemian Land Law and the Beginning of the Hussite
Revolution, 2015
Böhmer, Johann Friedrich (Frankfurt am Main 22. 4.
1795-Frankfurt am Main 22. 10. 1863), begüterter Kanzleidirektorssohn, wird
nach dem Studium des Rechtes in Heidelberg und Göttingen (1817 Promotion),
Privatgelehrter, Stadtarchivar und Stadtbibliothekar in Frankfurt am Main, als
welcher er das Urkundenbuch Frankfurts (Codex Diplomaticus
Moeno-Francofurtanus), deutsche Kaiserurkunden und die (lat. [N.Pl.] Regesta
imperii (1831ff.) herausgibt.
Lit.: Jansen, J., Böhmers Leben, 1863; Kleinstück, E., Johann Friedrich
Böhmer, 1959; Frankfurter Biographie 1, 1994, 84ff.
Böhmer, Justus Henning (Hannover 29. 1.
1674-Halle 23. 8. 1749) wird nach dem Studium in Jena (1693-1695) Anwalt in
Hannover und Hofmeister, seit 1698 Lizentiat in Halle, dann 1701
außerordentlicher und 1711 ordentlicher Professor. Hier verfasst er 1704 das
beste Lehrbuch des römischen Rechtes im 18. Jh. ([lat.] Introductio [F.] in ius
digestorum, Einführung in das Recht der Digesten, 14. A. 1791), 1710 eine Einführung
in das allgemeine öffentliche Recht bzw. Staatsrecht (lat. Introductio [F.] in
ius publicum universale) und 1714-1737 eine umfassende geschichtlich-dogmatische
Gesamtdarstellung des protestantischen Kirchenrechts ([lat.] Ius [N.]
ecclesiasticum protestantium, z. T. 5. A. 1756ff.). Er präsidiert 139 Dissertationen,
die mit der Einschränkung des Vorrangs protestantischer Bekenntnisschriften
auch der Übertragung des (lat.) modernus usus (M.) pandectarum auf das
Kirchenrecht dienen. Sein zivilrechtliches Werk umfasst 175 Titel in 50 Bänden.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoehmerJustusHenningIntroductioInIusDigestorum1704.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoehmerJustusHenningIntroductioInIusPublicumUniversale1710.pdf;
Köbler, DRG 144, 159; Rütten, W., Das zivilrechtliche Werk Justus Henning Böhmers,
1981; Landau, P., Kanonistischer Pietismus bei Justus Henning Böhmer, (in) Vom
mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, 1994, 317; Wall,
H. de, Zum kirchenrechtlichen Werk Justus Henning Böhmers, ZRG G‚KA 87 (2001),
455ff.; Schulze, R., Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner
Schüler, 2009
Boissonade de Fontarabie, Gustave Emile (1825-1910), nach
dem Rechtsstudium seit 1864 Lehrer des römischen Rechtes in Grenoble und 1867
Paris, wechselt 1873 nach →Japan, wo er als Berater der Regierung
französisches Recht lehrt und 1880 ein Strafgesetzbuch und eine
Strafprozessordnung sowie 1890 einen nicht Gesetz gewordenen Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuchs erarbeitet.
Lit.: Carbonnier, J. u. a., Boissonade et la réception
du droit français au Japon, Revue internationale du droit comparé 43 (1991),
327
Bologna ist die auf etruskischen und
römischen Grundlagen ruhende Hauptstadt der oberitalienischen Landschaft Emilia
am südöstlichen Rand der Po-Ebene, die sich seit 1115 von den vom deutschen
König eingesetzten Grafen von B. zu lösen vermag (und aus der für das elfte Jh.
478 Urkunden und für die Zeit bis 1150 etwa 1300 städtische Urkunden erhalten
sind). In B. wird vielleicht auf der Grundlage einer im 11. Jh. bezeugten
Artistenschule und wegen des Wissensbedarfs zahlreicher Notare und Investitoren
(1057) als Rechtsschule (lat. [N.] studium) eine der ältesten Universitäten
Europas gegründet. Ihr bekanntester Lehrer ist (nach Albertus [1067], Arianus,
Geminianus und Pepo) zunächst →Irnerius mit der von ihm geprägten Schule
der →Glossatoren (Bulgarus, Martinus, Jacobus, Hugo und viele andere bis
Accursius). Um 1140 kommt das Studium des kirchlichen Rechtes hinzu. Die
fremden Studenten gründen am Ende des 12. Jh.s als Mehrheit aus zwei (lat.
[F.Pl.]) universitates eine →universitas. Ihre Zahl wird zu dieser Zeit
auf etwa 1000 beziffert. Bruchstücke von Statuten der Universität sind aus dem
Jahre 1252 überliefert. Zwischen 1265 und 1425 lassen sich rund 3600 deutsche,
fast ausschließlich geistliche Rechtsstudenten in B. nachweisen (durchschnittlich
23 Erstnennungen im Jahr mit rückläufiger Tendenz).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 106, 159;
Fitting, H., Die Anfänge der Rechtsschule von Bologna, 1888; Dallari, U., I
Rotuli dei lettori, legisti e artisti dello studio bolognese dal 1384 al 1799,
1888ff.; Knod, G., Deutsche Studenten in Bologna (1289-1562), 1899; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973,
39; Zanella, G., Bibliografia (in) Studi e memorie per la storia
dell’università di Bologna N. S. 5, 1985; Wandruszka, N., Die Oberschichten
Bolognas, 1993; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Schmutz,
J., Juristen für das Reich, 2000; Le carte bolognesi del secolo XI, a cura di
Feo, G., 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Le carte bolognesi
del secolo XI, Appendice hg. v. Modesti, M., 2005; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 32; Bologna nel Medioevo, hg. v.
Capitani, O., 2007; Behle, T., Der Magister Walfred von Bologna, 2008; Wray,
S., Communities and Crisis, 2009; Blanshei, S., Politics and Justice in Late
Medieval Bologna, 2010; I libri iurium del comune di Bologna, hg. v. Trombetti
Budriesi, A. u. a., 2010; Bologna e il secolo XI, hg. v. Roversi Monaco, F.,
2011
Bolschewismus ist die bis etwa 1953 übliche
Bezeichnung des Kommunismus in der Sowjetunion (zu Bolschewiki, russ., Mehrheitler).
Lit.: Köbler, DRG 226; Lösche, P., Der Bolschewismus
im Urteil der deutschen Sozialdemokratie, 1967; Rogalla von Bieberstein, J.,
Jüdischer Bolschewismus, (2. A.) 2010
Bonae-fidei-iudicium (lat. [N.], Klage nach Treu und
Glauben) ist im klassischen römischen Recht die nach der →Billigkeit
beurteilte freiere Klage bzw. das freier beurteilte Schuldverhältnis (z. B.
Kauf, Miete, Leihe, Pacht, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft, Auftrag,
Geschäftsführung ohne Auftrag, Verwahrung, Bruchteilsgemeinschaft [lat.
fiducia], Vormundschaft bzw. Tutel, Treuhandschaft, Mitgiftrückgabe, Pfand,
Innominatkontrakt). Bei einem b. ist zu leisten, was nach guter Treue (lat. ex
fide bona) geschuldet wird. Für die diesbezügliche Feststellung hat der (lat.)
iudex (Richter) auf Grund der Klagformel des Gerichtsmagistrats einen
Ermessensspielraum. Er muss Nebenpflichten aus Abreden, Schutzpflichten und
Treuepflichten beachten und Arglist auch ohne Einrede des Beklagten
berücksichtigen. Der Gegensatz zum b. ist das (lat.) iudicium
(N.) stricti iuris (strengrechtliche Klage, z. B. →condictio).
Lit.: Kaser § 33; Wieacker, F., Zum Ursprung der
bonae-fidei-iudicia, ZRG RA 80 (1963) 1; Honsell, H., Quod interest im
bonae-fidei-iudicium, 1969; Platschek, J., Zur Rekonstruktion der bonae fidei
iudicia, ZRG RA 127 (2010), 275
Bona fides (lat. [F.] gute Treue) ist im
klassischen römischen Recht zunächst die Pflicht zum Worthalten und danach ein
Maßstab, nach dem der Richter das betreffende Rechtsverhältnis zu beurteilen
hat. Für den Inhalt des Schuldverhältnisses findet dabei neben der formlosen
Vereinbarung auch die Verkehrssitte Anwendung. Bei der Ersitzung ist b. f.
(Gutgläubigkeit hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Erwerbs) des Erwerbers
([lat.] bonae fidei possessor [M.]) im Zeitpunkt des Erwerbs nötig ([lat.] mala
fides superveniens non nocet, nachträgliche Bösgläubigkeit schadet nicht).
Lit.: Kaser § 33; Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Köbler, DRG
40, 42; Köbler, LAW; Lombardi, L., Dalla fides alla bona fides, 1961;
Hausmaninger, H., Die bona fides des Ersitzungsbesitzers im klassischen
römischen Recht, 1965
Bonaparte (Buonaparte) s. Napoleon
Bonellus de Barulo, Andreas ist
ein wohl vor 1250 in Barletta bei Bari geborener, vor oder nach 1291 verstorbener
neapolitanischer Jurist ([lat., N. .Pl.] Commentaria super postremis libris
codicis, commentaria in leges Longobardorum, Glossen zu den constitutiones
Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 502
Bönhase ist seit dem 15. Jh. die im Mittelniederdeutschen
entstandene Bezeichnung für den unzünftigen, bereits vereinzelt seit dem 14.
Jh. von den Zünften bekämpften Handwerker (wie ein Hase auf dem Boden
arbeitend?, heimlich auf dem Dachboden arbeitend?, außerhalb der „Hanse“
arbeitend?).
Lit.: Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks Recht
und Gewohnheit, 1928, 2. A. 1981; Ennen, R., Zünfte und Wettbewerb, 1971
Boni homines (lat. [M.Pl.], Sg. bonus homo) oder
auch (lat.) probi homines (M.Pl., frz. prud’hommes) sind (in Frankreich,
Spanien, Italien, dem Alpenraum und dem späteren Heiligen römischen Reich) im
Frühmittelalter (seit Anfang des 7. Jh.s) und bis ins 13. Jh. Zeugen,
Gerichtsbeisitzer, Schätzer oder Vermittler, die Freiheit, guten Leumund sowie
meist Grundeigentum und Ansässigkeit als Voraussetzung ihrer jeweiligen
Tätigkeit erfüllen, aber sich nicht einem bestimmten Stand zuweisen lassen und
kein bestimmtes Amt haben. Seit Ende des 12. Jh.s treten sie in den
oberitalienischen Städten als Vertreter der Konsuln auf.
Lit.: Köbler, LAW; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines des frühen Mittelalters, 1981
Bonifatius bzw. Wynfreth (Wessex 672/675-bei Dokkum 5. 6.
754), aus niederem Adel, im Kloster Exeter erzogen, wird zunächst Lehrer und 718
Missionar im fränkischen Reich. In Rom am 30. 11. 722 zum Bischof geweiht,
missioniert er unter einem Schutzbrief Karl Martells von 723 bis 732 in
Thüringen und Hessen (u. a. Fällung der Donareiche bei Geismar und Gründung der
Zelle Fritzlar). 732 wird er Erzbischof ohne besonderen Sitz, 737/738 Legat für
Germanien. 738/739 erneuert er die Bistümer Regensburg, Passau, Salzburg und
Freising. 741/742 gründet er die Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt (später
Eichstätt), 744 das Kloster Fulda. 754 wird er in Friesland erschlagen.
Lit.: Schieffer, T., Winfrid-Bonifatius, 2. A. 1972; Schipperges, S.,
Bonifatius ac socii sui, 1996; Padberg, L. v., Bonifatius, 2003; Heidrich, I.,
Fälschung aus gelehrtem Eifer, DA 67 (2011), 625; Clay, J., In the Shadow of Death,
2010
Bonifatius VIII (Benedetto Caetani, Anagni um 1235-Rom 11. 10.
1303) wird nach dem Studium vermutlich des kirchlichen Rechtes in Todi, Spoleto
und Bologna am 23. 1. 1295 Papst. 1298 lässt er die päpstlichen Dekretalen ab
1234 im (lat.) Liber (M.) sextus decretalium (sechsten Buch der Dekretalen)
zusammenfassen. In der Dekretale (lat.) Unam sanctam (eine heilige) vom 18. 11.
1302 fordert er die Unterordnung der weltlichen Gewalt unter den Papst, wird
aber am 7. 9. 1303 in Anagni verhaftet.
Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960;
Schmidt, T., Der Bonifaz-Prozess, 1989; Politische Reflexion der Welt des
späten Mittelalters, hg. v. Kaufhold, M., 2004, 129ff.
bonitarisch auf (lat.) in bonis esse, „in den Gütern sein“
beruhend, im Gegensatz zu zivil (z. B. die im römischen Recht durch bloße
Übergabe einer mancipium-Sache statt Manzipation seitens des Eigentümers
erlangte, vom Prätor geschützte Stellung des Erwerbers)
Bonn (Bonna 12-9 v. Chr.) am
Rhein gegenüber der Einmündung der Sieg ist ein auf keltisch-römischer
Grundlage entstandener Ort, der im 11. Jh. (von den Ezzonen) an das Erzstift
→Köln gelangt. Im 16. Jh. wird er dessen Hauptort und erhält 1777/1786
eine 1797 aufgehobene, 1815/1816 jedoch wiedererrichtete Universität, in der
1928 die Staatswissenschaften fast vollständig aus der philosophischen Fakultät
in die juristische Fakultät übergeführt werden. Vom 1. 9. 1948 bis 23. 5. 1949
tagt in B. der Parlamentarische Rat zur Vorbereitung der Bundesrepublik
Deutschland, weshalb das →Grundgesetz auch als Bonner Grundgesetz
bezeichnet wird. 1949 wird B. bis zum Beitritt der Deutschen Demokratischen
Republik zur Bundesrepublik Deutschland (1990) vorläufige Hauptstadt der
Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wiedemann, A.,
Geschichte Godesbergs und seiner Umgebung, 1920; Niessen, J./Ennen, E.,
Geschichte der Stadt Bonn, 1956ff.; Eisenhardt, U., Die weltliche
Gerichtsbarkeit der Offizialate, 1966; Hübinger,
P., Das historische Seminar, 1963; Schäfer, K.,
Verfassungsgeschichte der Universität Bonn 1818 bis 1960, 1969; Meier, J., Der
Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987;
Geschichte der Stadt Bonn, hg. v. Höroldt, D. u. a., 1989ff.; 150 Jahre
Landgericht Bonn, hg. v. Fassbender, H., 2000; Die Juristen der Universität
Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004; 75-Jahr-Feier der rechts-
und staatswissenschaftlichen Fakultät, 2004; Schmoeckel, M. u. a., Stätten des
Rechts in Bonn, 2004; Schmoeckel, M., Das Juridicum, 2016; Schadow, S.,
Rechtswissenschaft und praktische Bedürfnisse – Johann Christian Hasse
1779-1830, 2016; Sachsse, R., Bonn, 2016 (Fotografien 1850-1970)
Bonorum possessio (lat. [F.] Güterbesitz,
Nachlassbesitz) ist im klassischen römischen Erbrecht die Stellung, die der
→Prätor auf Antrag dem zuweist, den er im Fall des Todes eines Erblassers
am ehesten für berechtigt hält. Der damit erreichte Schutz und die damit
gewonnene Zuständigkeit für den Bereich des prätorischen Rechtes können sich
durch Ersitzung in Eigentum nach zivilem Recht wandeln.
Lit.: Kaser §§ 65, 71, 73; Söllner § 25; Köbler, DRG
38; Ankum, H. u. a., Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis
alicuius esse, ZRG RA 107 (1990), 155
bonum (N.) commune (lat) gemeines Wohl, Allgemeinwohl
bonus homo →boni homines
Boppard
Lit.: Heyen, F., Reichsgut im Rheinland, 1956
Borgarthingsbók ist ein norwegisches Rechtsbuch.
→nordisches Recht
Lit.: Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings
und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, R., 1942
Börse (zu lat. [F.] bursa, Beutel, Kasse?) ist die
regelmäßig an einem bestimmten Ort stattfindende, nur von Kaufleuten besuchte
Veranstaltung zum Zweck des Abschlusses von Gattungskäufen vertretbarer Sachen.
Geldbörsen entstehen seit dem 12. Jh. in Oberitalien und Südfrankreich, eine Warenbörse
ohne anwesende Waren ist in Antwerpen um 1500 bezeugt. Wichtige Börsen
bestehen in Antwerpen, Lyon, Amsterdam, Paris, London, Frankfurt am Main,
Berlin und Wien, später auch in New York oder Tokio. 2012 untersagt die
Europäische Kommission die Verbindung von Deutscher Börse und New York Stock
Exchange.
Lit.: Deutsche Börsengeschichte, hg. v. Pohl, H., 1992; Blumentritt,
J., Die privatrechtlich organisierte Börse, 2003
Börsengesetz ist das am 22. 6. 1896 geschaffene,
das Recht des Wertpapierhandels an der Börse (Vorformen im 15. Jh. in Sevilla,
Cadiz und Lissabon [16. Jh.]) regelnde deutsche Gesetz.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Boersengesetz1896.htm;
Meier, J., Die Entstehung des Börsengesetzes, 1992; Schulz, W., Das deutsche
Börsengesetz, 1994
Bösgläubigkeit ist das Wissen oder grobfahrlässige
Nichtwissen um einen rechtlich bedeutsamen Umstand. →guter Glaube
Bosnien ist die östlich der mittleren Adria
gelegene Landschaft, die 9 n. Chr. von den Römern erobert wird (Dalmatia) und
bei der Reichsteilung des 4. Jh.s an Ostrom gelangt. Zu Beginn des 7. Jh.s
siedeln sich Südslawen an. Das dort entstehende Königreich (1377) gerät mit
Herzegowina 1463/1482 durch Eroberung unter die Herrschaft der Osmanen. Seit
1878 erlebt B. unter dem Einfluss (Besetzung und Verwaltung) Österreichs (1883
HGB, ZPO, Wechselgesetz u. a.) einen Aufschwung. 1908 wird B. von
→Österreich-Ungarn annektiert und als weitere pragmatische Angelegenheit
von Österreich und Ungarn gemeinsam verwaltet (1909 von der Türkei anerkannt).
1918 wird es Teil →Jugoslawiens (1941-1945 Kroatiens). Nach der
Erklärung der Souveränität (1992) und einem Bürgerkrieg wird es 1995/1996 als
Bosnien-Herzegowina (zwischen Kroatien, Serbien, Monenegro und Adria, 4,3
Millionen Einwohner, 51129 Quadratkilometer, bosniakisch-kroatische Föderation
und serbische Republik) verselbständigt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,5,332; Balic, S., Das unbekannte Bosnien, 1992; Dzaja, S.,
Bosnien-Herzegowina, 1994; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Babouna,
A., Die nationale Entwicklung der bosnischen Muslime, 1996; Haselsteiner, H.,
Bosnien-Hercegovina, 1996; Lovrenovic, I., Bosnien und Herzegowina, 1998;
Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina
1878, 2003; Classen, L., Der völkerrechtliche Status von Bosnien-Herzegowina,
2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Bote (lat. [M.] nuntius) ist ein Mensch, der für einen
anderen ohne eigene Willensbildung eine Erklärung (wie ein Brief) empfängt oder
abgibt.
Lit.: Kaser § 11; Kroeschell, DRG 2
Bourbone ist der nach Bourbon-l’Archambault
im heutigen Departement Allier benannte Angehörige einer durch Graf Ludwig I.
von Clermont (1270-1342, 1327 Herzog von Bourbon) begründeten Seitenlinie der
→Kapetinger. Die jüngere Linie Bourbon-Vendôme erlangt von 1589 bis 1792
und von 1814 bis 1830 bzw. in der 1660 abgespaltenen Nebenlinie Orléans von
1830 bis 1848 das Königtum in →Frankreich. In Spanien wird die Linie
Bourbon-Anjou 1700 Königsgeschlecht (ausgenommen 1808-1814, 1868-1875, 1931-1975).
Sie herrscht auch von 1735 bis 1860 in Neapel-Sizilien sowie von 1748 bis 1802
und von 1847 bis 1859/1860 in Parma-Piacenza.
Lit.: Legual, A., Histoire du Bourbonnais, 1960;
Malettke, K., Die Bourbonen 1589-1848, Bd. 1ff. 2008f.
Bourges ist die auf keltischen Grundlagen
(Avaricum) beruhende zentralfranzösische Stadt am Zusammenfluss von Yèvre und
Auron. Ihre Universität ist zu Beginn des 16. Jh.s Ausgangspunkt des →mos
Gallicus (lat. [M.], gallische Art) der Rechtswissenschaft. →Budé
Lit.: Devailly, G. u. a., Histoire du Berry, 1980
Boutillier, Jehan (Pernes/Pas-de-Calais vor
1350-Tournai [vor?] 24. 1. 1396) verfasst als Berater des französischen Königs
in Nordfrankreich (Tournai) wohl kurz vor 1396 das (französische) Rechtsbuch
→Somme rural.
Lit.: Köbler, DRG 143; Dievoet, G. van, Jehan
Boutillier en de Somme rural, 1951
Boykott ist die nach dem englischen
Gutsbesitzer Charles Boycott (Irland 1880) benannte Ablehnung aller
Rechtsbeziehungen zu einem möglichen Vertragspartner, dem dadurch die Möglichkeit
zur Teilnahme am Rechtsverkehr abgeschnitten wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ahlheim, H., Deutsche,
kauft nicht bei Juden, 2011
Boyneburg
Lit.: Diehl, T., Adelsherrschaft im Werraraum, 2010;
Eckhardt, W., Reichsministerialen der Boyneburg, ZRG GA 129 (2012), 377
Bozen
Lit.: Die Bozner Handelskammer vom Merkantilmagistrat bis zur
Gegenwart, 1981; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu Bozen von 1420, bearb.
v. Schneider, W., 2003; Obermair, H., Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit
und urkundliche Überlieferung, Bd. 1 2005
Brabant ist das aus dem fränkischen Gau
Bracbantum im Nordwesten (um Brüssel) unter den Grafen von Löwen (um 1188
Herzöge von B.) entstandene, sich vom Reich verselbständigende (1349 Goldene
Bulle von Brabant), den Einwohnern in der Blijde Inkomst 1356 die Rechte des
Fürsten begrenzende Herzogtum, das nach Johanna von B. (1355-1406) 1390/1430 an
→Burgund und nach Maria von Burgund 1477 an →Habsburg (Spanien)
kommt. Nach dem spanischen Erbfolgekrieg gelangt es 1723 an Österreich. Nach
Ende der 1775 erfolgten Annexion durch Frankreich wird es 1815 Teil der
→Niederlande, 1830 mit seinem südlichen Gebiet Teil →Belgiens.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Moll, W., De
rechten van den Heer van Bergen op Zoom, 1915; Lousse, E., Les deux chartes
romanes brabançonnes du 12 juillet 1314, Bulletin de la Commission royale
d’histoire 96 (1932), 1; Sturler, J. de, Les relations politiques et les
échanges commerciaux entre le duché de Brabant et l’Angleterre, 1936; Willem
van der Tanerijen, Boec van der loopender praktijken der raidtcameren van
Brabant, hg. v. Strubbe, E., 1952; Ganshof, F., Brabant, 1938; Middeleeuwe
rechtsbronnen van stad en heerlijkheid Breda, hg. v. Cerutti, F., Bd. 1f.
1956ff.; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen
Verfassung in Geldern und Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985;
Geschiedenis van Noord-Brabant, hg. v. Van den Eerenbeemt, H., Bd. 1ff. 1996f; Godding,
P., Le Conseil de Brabant sous le règne de Philippe le Bon (1430-1467), 1999;
Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004;
Geschiedenis van Brabant, hg. v. Van Uytven, R. u. a.,2004; Tigelaar, J.,
Brabants historie ontvouwd, 2006
bracchium (N.) saeculare (lat.) (der Staat als) weltlicher Arm (der
Kirche) (kirchlicher Anspruch auf staatliche Unterstützung 1983 aufgegeben)
Bracton, Henry de (Bratton Fleming in
Devon 1210-Exeter 1268) ist nach Ausbildung zum Priester unter William Raleigh
(und dem Studium des weltlichen und kirchlichen Rechtes wohl an der Domschule
von Exeter) seit etwa 1229 Schreiber (clerk) eines Richters, seit 1245
reisender Richter, von 1247 bis 1257 Richter am Gericht Coram rege (Court of
King’s Bench) und seit 1264 Domkanzler in Exeter. Sein vielleicht nach 1230 von
ihm verfasstes oder auch von ihm nur überarbeitetes, durch 48 Handschriften
überliefertes, unvollendetes Werk (lat.) →De legibus et consuetudinibus
Angliae (Über Gesetze und Gewohnheiten Englands) bietet auf Grund einer
Sammlung von etwa 2000 am ehesten in die Jahre zwischen 1220 und 1240
gehörenden Urteilen (precedents) des Königsgerichts die beste Darstellung des
englischen →common law des Mittelalters. Der Traktat gliedert sich nach
Personen, Sachen und Klagansprüchen. Im dritten Teil behandelt er an Hand der
verschiedenen Klageformeln (writs) das Privatrecht, Strafrecht und Lehnrecht.
Eine gezielte Romanisierung des englischen Rechtes durch B. ist nicht
erweislich.
Lit.: Bractons Note Book, hg. v. Maitland, F., 1887;
Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2 4. A. 1936, 230; Peter H.,
Actio and writ, 1957; Fesefeldt, W., Englische Staatstheorie des 13.
Jahrhunderts, 1962; Richardson, H., Bracton, the problem of his text, 1965;
Bracton, hg. v. Woodbine, G., übers. v. Thorne, S., 1968; Thorne, S., Henry de
Bracton 1268-1968, 1970
Brand von Tzerstede (Lüneburg um 1400-Lünenburg 3. 10. 1451),
Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in Leipzig (1414, 1417
baccalaureus) Ratsherr in Lüneburg. Er verfasst die in zwei Handschriften und
einem Fragment überlieferte, 1442 abgeschlossene Glosse zur Vorrede des Sachsenspiegels
von der Herren Geburt und nach eigener Angabe weitere Glossierungen.
Lit.: Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht Buch’sche Glosse, hg. v.
Kaufmann, F., 2002, 124ff.
Brandenburg ist die nach der slawischen
Brennaburg (928/929, 948 Bistum, 983 Slawenaufstand) benannte Mark ([3. 10.]
1157) östlich der Elbe. Nach den Askaniern (1134-1319, 1165 Wiederbegründung
des Bistums), Wittelsbachern, Luxemburgern (1375 Landbuch der Mark Brandenburg)
gelangt es als Kurfürstentum (1356) an die Hohenzollern (1411/1417). 1473 legt
die →Dispositio Achillea des Markgrafen Albrecht Achilles die
Unteilbarkeit fest (1506 Universität Frankfurt an der Oder, 1516 Kammergericht
in Berlin). 1614 fallen Kleve, Mark und Ravensberg an, 1618 →Preußen als
Lehen Polens. Seit 1701 tritt B. hinter den Namen Preußen zurück. 1947 wird
Preußen aufgelöst. Der 1945 unter Verwaltung Polens gestellte Teil Brandenburgs
östlich der Oder und Neiße wird 1990 Polen zugeteilt. Der Versuch der
Vereinigung des Bundeslands B. mit Berlin scheitert bei einer Volksabstimmung
am 5. 5. 1996.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stölzel, H.,
Brandenburg-Preußens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung, Bd. 1f. 1888;
Urkundliches Material aus den Brandenburger Schöppenstuhlsakten, hg. v.
Stölzel, A., 1901; Stölzel, A., Die Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung,
1901f.; Spangenberg, H., Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im
Mittelalter, 1908; Perels, K., Die allgemeinen Appellationsprivilegien für
Brandenburg-Preußen, 1908; Altmann, W., Ausgewählte Urkunden zur
brandenburgisch-preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 2. A.
1914; Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980;
Caemmerer, H. v., Die Testamente der Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Luck,
W., Die Prignitz, 1917; Werminghoff, A., Ludwig von Eyb der Ältere (1417-1502),
1919; Gley, W., Die Besiedlung der Mittelmark, 1926; Acta Brandenburgica, Bd.
1ff. 1927ff.; Tschirch, O., Geschichte der Chur- und Hauptstadt Brandenburg an
der Havel, 1928; Schulze, B., Brandenburgische Landesteilungen, 1928; Schulze,
B., Die Reform der Verwaltungsbezirke in Brandenburg und Pommern 1809-1918,
1931; Erläuterungen zur brandenburgischen Kreiskarte von 1815, v. Schulze, B.,
1933; Die alten und neuen brandenburgischen Kreise nach dem Stande von 1815,
bearb. v. Curschmann, F. u. a., 1933; Brandenburgische Ämterkarte, bearb. v.
Schulze, B., 1935; Schulze, B., Besitz- und siedlungsgeschichtliche Statistik
der brandenburgischen Ämter und Städte, 1935; Das Landregister der Herrschaft
Sorau von 1381, hg. v. Schultze, J., 1936; Oestreich, G., Der brandenburgisch-preußische
geheime Rat, 1937; Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der
Regierung Friedrich Wilhelms II., 1937; Das Landbuch der Mark Brandenburg von
1375, hg. v. Schultze, J., 1940; Buchda, G., Über die verlorenen hallischen
Konstitutionen zum Landrecht der Kurmark Brandenburg (1714), ZRG GA 69 (1952),
385; Die Mark Brandenburg, hg. v. Schultze, J., Bd. 1ff. 1961, 2. A. 1989, 3.
A. 2004, 4. A. 2010; Schultze, J., Forschungen zur brandenburgischen und
preußischen Geschichte, 1964 (Aufsätze); Hoppe, W., Die Mark Brandenburg,
Wettin und Magdeburg, 1965 (Aufsätze); Engel, E./Zientara, B., Feudalstruktur,
Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg, 1967; Geschichte
von Brandenburg und Berlin, Bd. 3, hg. v. Herzfeld, H., 1968; Harnisch, H., Die
Herrschaft Boitzenburg, 1968; Schmidt, E., Markgraf Otto I. von Brandenburg,
ZRG GA 90 (1973), 1; Schmidt, E., Die Mark Brandenburg unter den Askaniern,
1973; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594, 1973;
Podehl, W., Burg und Herrschaft in der Mark Brandenburg, 1975; Ein sonderbares
Licht in Teutschland, hg. v. Heinrich, G., 1990; Brandenburgische Geschichte,
hg. v. Materna, I./Ribbe, W., 1995; Justiz in Stadt und Land Brandenburg, hg.
v. Clavée, K., 1998; Geschichte der brandenburgischen Landtage, hg. v. Adamy,
K. u. a., 1998; Pohl, D., Justiz in Brandenburg 1945-1955, 2001; Das Domstift
Brandenburg und seine Archivbestände, bearb. v. Schößler, W., hg. v. Neitmann,
K., 2005; Beck, F., Regesten der Urkunden Kurmärkische Stände (Rep. 23 A),
2006; Partenheimer, L., Die Entstehung der Mark Brandenburg, 2007; Scheffczyk,
F., Der Provinzialverband der preußischen Provinz Brendenburg 1933-1945, 2008;
Baumgart, P., Brandenburg-Preußen unter dem Ancien régime, hg. v. Kroll, F.,
2009; Wie die Mark entstand, hg. v. Müller, J., 2009; Müller, M., Besiegelte
Freundschaft - Die brandenburgischen Erbeinungen, 2010; Winkelmann, J., Die
Mark Brandenburg des 14. Jahrhunderts, 2011; Lubini, J., Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015; Enders,
L., Die Altmark, 2. A. 2016; Radtke, W., Brandenburg im 19. Jahrhhundert
(1815-1914/18), 2016; Andresen, Suse, In fürstlichem Auftrag – Die gelehrten
Räte der Kurfürsten von Brandenburg, 2017
brandenburgischer Landrechtsentwurf →Köppen
Brandileone, Francesco (Buonabitacolo
1858-Neapel 1929) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Neapel
Professor für italienische Rechtsgeschichte in Macerata, Sassari, Parma,
Bologna und Rom.
Brandmarken ist das schon den Römern (für
Sklaven und Abhängige, Verbot der B. ins Gesicht durch Kaiser Konstantin)
bekannte Kennzeichnen eines Täters durch Brandzeichen auf die Hand oder in das
Gesicht (oder Verstümmeln), das sich 726 bei den Langobarden (für rückfällige
Diebe) und trotz Ablehnung durch die Aufklärung noch 1787 in Österreich, 1813
in Bayern und 1810 und 1832 in Frankreich findet (Verbot in England 1829,
Frankreich 1834, Frankfurter Paulskirchenverfassung 1849 § 139). Vielleicht
hängt das Wort hirnverbrannt mit dem B. zusammen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 495; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 530, Neudruck 1964; Chen, Y., Probleme der Strafe der
Brandmarkung, 1948; Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954; Cate, C. ten, Tot
glorie der gerechtigheit, 1975; Hattenhauer, H., Die Brandmarkung in das
Gesicht, 1994
Brandstiftung ist das Inbrandsetzen einer
(fremden) Sache. Die B. ist in Rom eine Straftat, auf die der Feuertod steht.
Im Mittelalter wird sie wegen ihrer Bedeutung in der →Fehde eher gering
gebüßt. Gottesfrieden (z. B. 1083) und Landfrieden lehnen sie ab. Der
Sachsenspiegel (1221-1224) kennt Enthauptung oder (bei Mordbrand) Rädern als
ihre Strafen (ähnlich sog. Treuga He[i]nrici von 1224), die (lat.) Constitutio
(F.) Criminalis Carolina (1532, Art. 126) Feuertod (bei boshaftiger B.), das
preußische Allgemeine Landrecht (1794) Enthauptung und Feuertod. Die
fahrlässige B. wird schon früh gesondert behandelt. Seit dem 19. Jh. werden
allgemein unterschiedliche Begehungsformen unterschieden.
Lit.: Kaser §§ 36, 50; Kroeschell, DRG 1, 2;
Osenbrüggen, E., Die Brandstiftung, 1854; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2
1935, 348; Geerds, F., Die Brandstiftungsdelikte, 1962; Timcke, G., Der
Straftatbestand der Brandstiftung, Diss. jur. Göttingen 1965; Spicker-Beck, M.,
Räuber, Mordbrenner, umschweifendes Gesind, 1995; Birklbauer, A. u.,a., Die
Entwicklung der Strafpraxis bei Brandkriminalität, 2010
Brant, Sebastian (Straßburg 1457/1458-Straßburg 10. 5.
1521), Gastwirtssohn, wird nach dem Rechtsstudium (1477) in Basel Professor
(1489 Dr. iur. utr.), lehrt seit 1483 römisches Recht, kirchliches Recht und
Poetik, wechselt aber als Folge der Annäherung Basels an die Eidgenossen 1501
als Syndicus (bzw. 1503 Stadtschreiber) nach Straßburg. Neben (lat. [F.Pl.])
Expositiones [1490, Ausstellungen, ein Anfängerlehrbuch], 36 Auflagen)
veröffentlicht er im Rahmen der populären Literatur eine Bearbeitung von
Tenglers →Laienspiegel von 1495 (1509) und des →Klagspiegels
(Conrad Heydens, † 1443/1444) (Neuausgabe 1516) sowie die Satire Narrenschiff
(1494).
Lit.: Köbler, DRG 143; Staehelin, A., Sebastian Brant,
(in) Professoren der Universität Basel, 1960, 18; Trusen, W., Anfänge des
gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962, 127; Knape, J., Dichtung, Recht und
Freiheit, 1992; Sebastian Brant, hg. v. Wilhelmi, T., 2002
Brasilien ist der portugiesischsprachige und größte
Staat Südamerikas. Sein Recht ist stark durch die Kodifikationen Frankreichs beeinflusst.
2002 wird ein neues Zivilgesetzbuch geschaffen, welches das Handelrecht
einbezieht, das Verbraucherschutzrecht ausgliedert und einen Allgemeinen
Teil voranstellt.
Lit.: Schmidt, J., Zivilrechtskodifikation in Brasilien, 2009; Prutsch,
U. u. a., Brasilien – Eine Kulturgeschichte, 2013
Brauchtum ist die Gesamtheit der tatsächlich
innerhalb einer Menschenmehrheit geübten sozialverträglichen Verhaltensweisen.
Das B. weist viele Beziehungen zum Recht auf (z. B. Weistümer). Insbesondere
kann das Recht das B. beeinflussen.
Lit.: Köbler, DRG 5; Sartori, P., Sitte und Brauch,
1910; Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und Hochzeit, 1914; Künßberg,
E. Frhr. v., Rechtsbrauch und Kinderspiel, 1920 (SB Heidelberg), 2. A. 1952;
Künßberg, E. v., Rechtliche Volkskunde, 1936; Becker, A., Frühlingsbrauch und
Sonnenkult, 1937; Fehrle, E., Deutsche Hochzeitsbräuche, 1937; Zipperer, F.,
Das Haberfeldtreiben, 1938; Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939;
Müller, G., Der Umritt, 1941; Dörrer, A., Brotspenden als Verlöbnis und
Gemeinschaftsbrauch, ZRG GA 74 (1957), 266; Erler, A., Burschenbrauchtum vor
den Schranken des Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 79 (1962), 254; Schädler, K.,
Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962; Brückner, W., Bildnis und Brauch,
1966; Cromberg, H., Die Knabenschaftsstatuten der Schweiz, (um 1976); Schieder,
E., Das Haberfeldtreiben, 1983; Deimling, B., Ad rufam ianuam, ZRG GA 115
(1988), 498; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und Feste, 2000; Althoff,
G., Die Macht der Rituale, 2003; Rechtssymbole und Wertevermittlung, hg. v.
Schulze, R., 2004
Brauen ist das Herstellen von Bier aus Getreide und
Wasser(, 12. Jh. Hopfen und in der Neuzeit Hefe). Es ist bereits dem Altertum
bekannt und findet sich in den Grundherrschaften seit dem Frühmittelalter (1040
Bischof von Freising für Weihenstephan). In der hochmittelalterlichen Stadt
entwickelt es sich zum verrechtlichten Gewerbe. Die Herzöge von Bayern beschränken
die Bierherstellung auf Gerste, Hopfen und Wasser (1493/1516, Reinheitsgebot,
vgl. 1906 Biersteuergesetz § 9 I). Seit der Einführung der Gewerbefreiheit im
frühen 19. Jh. entstehen Bierfabriken, die als Großbrauereien die
Hausbrauereien verdrängen.
Lit.: Brinkmann, H., Das Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt
Goslar, 1925; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München,
1981; Heckel-Stehr, K., Brauwesen in Bayern, 1988; Blanckenburg, C. v., Die
Hanse und ihr Bier, 2001
Braunschweig an der Oker wird 1031 erstmals
erwähnt und wächst aus fünf älteren Siedlungen (Altstadt, Neustadt E. 12. Jh.,
Sack 2. H. 13. Jh., Hagen um 1160, Altenwiek) zusammen. Schon früh steht der
Ort unter der Herrschaft der Welfen, deren Reichsfürstentum von 1235 nach B.
und Lüneburg benannt wird. Die zeitweise ziemlich selbständige Stadt, die 1227
das Hagenrecht und das sog. Ottonianum (mnd.) aufzeichnet, 1402 den Rechtsstoff
neu ordnet und 1532 ihre Statuten einer 1675 aufgehobenen Reformation
unterzieht, geht 1671 an das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel über und
gelangt, wirtschaftlich mehr und mehr von Hannover und Magdeburg überholt, 1946
mit dem Land B. an Niedersachsen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der
Stadt Braunschweig, bearb. v. Dolle, J. u. a., Bd. 1ff. 1874ff. (Bd. 5 1994,
Bd. 8 1388-1400 2008); Hanselmann, L., Die ältesten Stadtrechte Braunschweigs,
Hans. Geschbll. 1892, 3; Frensdorff, F., Das braunschweigische Stadtrecht bis
zur Rezeption, ZRG GA 26 (1905), 195; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes
mit dem einheimischen Rechte in Braunschweig-Lüneburg, 1904; Fahlbusch, O., Die
Finanzverwaltung der Stadt Braunschweig, 1913; Busch, F., Beiträge zum
Urkunden- und Kanzleiwesen der Herzöge zu Braunschweig und Lüneburg, 1921;
Hüttebräuker, L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Wolters, G., Das Amt
Friedland und das Gericht Leineberg, 1927; Meier, P., Der Streit Herzog
Heinrichs des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel mit der Reichsstadt
Goslar, 1928; Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt Braunschweig, 1929;
Willecke, R., Das eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929;
Timme, F., Die wirtschafts- und verfassungsgeschichtlichen Anfänge der Stadt
Braunschweig, 1931; Germer, H., Die Landgebietspolitik der Stadt Braunschweig,
1937; Spieß, W., Die Heerstraßen auf Braunschweig, 1937; Spieß, W., Die
Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 1940; Querfurth, H., Die
Unterwerfung der Stadt Braunschweig im Jahre 1671, 1953; Beiträge zur
Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig, hg. v. Spieß, W., 1954;
Piper, H., Testament und Vergabung von Todes wegen, 1960; Diestelkamp, B., Die
Städteprivilegien Herzog Ottos des Kindes, 1961; Moderhack, R., Hundert Jahre
Stadtarchiv und Stadtbibliothek, 1961; Spieß, W., Geschichte der Stadt
Braunschweig im Nachmittelalter, 1966; Kleinau, H., Geschichtliches
Ortsverzeichnis des Landes Braunschweig, 1967, 1968 (2425 Namen); Pitz, E.,
Landeskulturtechnik, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,3,2903; Garzmann, M., Stadtherr und Gemeinde in Braunschweig, 1976; Lockert,
M., Die niedersächsischen Stadtrechte, 1978; Petersen, W., Verzeichnis der
Einblattdrucke und Handschriften, 1984; Rat und Verfassung im mittelalterlichen
Braunschweig, 1986; Bringmann, W., Die braunschweigische Thronfolgefrage,
1988; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im Justizstaat, 1995; Hanse - Städte -
Bünde, hg. v. Puhle, M., 1996; Hackel, C., Der Untergang des Landes
Braunschweig, 2000; Die braunschweigische Landesgeschichte, hg. v. Jarck, H. u.
a., 2000; Ohm, M., Das Braunschweiger Altstadtrathaus, 2002; Justiz und
Anwaltschaft in Braunschweig, hg. v. Isermann, E. u. a., 2004; Die Wirtschafts-
und Sozialgeschichte des braunschweigischen Landes vom Mittelalter bis zur
Gegenwart, hg. v. Leuschner, J. u. a., 2008; Weglage, S., Menschen und
Vermächtnisse, 2011; Gudladt, K., Rechtswissenschaften an der Technischen
Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 2013
Braurecht ist das das Brauen betreffende Recht.
Lit.: Peterka, O., Die bürgerlichen Braugerechtigkeiten in Böhmen,
1917; Schlosser, H., Braurechte, Brauer und Braustätten in München, 1981
Braut (8./9. Jh.) ist
zunächst die neuvermählte junge Frau und erst in jüngerer Zeit die durch ein
Heiratsversprechen erst zur Eheschließung verpflichtete Frau.
Lit.: Köbler, WAS; Opet, O., Brauttradition und
Konsensgespräch, 1910; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Brautkind ist das Kind einer (unverheirateten) Braut.
Es ist unehelich, kann aber innerhalb der unehelichen Kinder eine bessere
Rechtsstellung haben.
Brautlauf ist die im 13. Jh. im Deutschen
erloschene Bezeichnung für die Hochzeit.
Lit.: Krogmann, W., Brautlauf und Braut, Wörter und
Sachen 16 (1934), 81
Bregenz
Lit.: Helbok, A., Die Bevölkerung der Stadt Bregenz, 1912
Breisach
Lit.: Beyerle, Franz, Das älteste Breisacher Stadtrecht, ZRG GA 39
(1918), 318; Haselier, G., Geschichte der Stadt Breisach am Rhein, 1969
Bremen (782) südlich
der Wesermündung wird 787/789 Sitz eines Bischofs bzw. 845/864 eines
Erzbischofs. Im 13. Jh. löst sich B. von der Herrschaft des Bischofs.
Wahrzeichen wird der Roland. B. wird Mitglied der Hanse. 1303/1304 wird das
Recht aufgezeichnet. 1541/1646 wird die Reichsfreiheit erlangt, die sich in
der Stellung als Mitglied des Deutschen Bundes (1815) und als Land im Deutschen
Reich (1871) und in der Bundesrepublik Deutschland (1949) fortsetzt. 1970
entsteht in B. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StadtrechtBremen13031308.htm;
Bremisches Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1873ff.; Kühtmann, A., Die Romanisierung des
Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Kühtmann, A., Geschichte der
bremischen Stadtvogtei, 1900; Rehme, P., Über das älteste bremische Grundbuch
(1438-1558), 1908; Gattjen, B., Der Rentenkauf in Bremen, 1928; Eckhardt, K.,
Die mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, 1931; Das bremische
Stadtrecht von 1303/08, hg. v. Eckhardt, K., 1931; Haase, C., Untersuchungen
zur Geschichte des Bremer Stadtrechts, 1953; Hinte, P., Die hannoversche
Gerichtsbarkeit in der Stadt Bremen von 1720-1803, Diss. jur. Göttingen 1957;
Merker, O., Die Ritterschaft des Erzstifts Bremen im Spätmittelalter, 1969; 2;
Lorenz, G., Das Erzstift Bremen und der Administrator Friedrich, 1969; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2905; Schwarzwälder, H., Geschichte der
freien Hansestadt Bremen, Bd. 1ff. 1975ff.; Barkhausen, W., Erzbischof Adaldag
und König Harald Gormsson, ZRG GA 111 (1994), 363; Kessler, A., Die Entstehung
der Landesverfassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1996; Bremer Freiheiten,
bearb. v. Gerstenberger, H., 1997; Schwarzwälder, H., Das große Bremen-Lexikon,
2000; 700 Jahre Bremer Recht 1303-2003, hg. v. Elmshäuser, K., 2003; Kähler,
J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den
Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Elmshäuser, K.,
Geschichte Bremens, 2007; Rehder, A., Die Verfassung der freien Hansestadt
Bremen von 1920, 2016
Bremgarten
Lit.: Bürgisser, E., Geschichte der Stadt Bremgarten, 1937
Breslau an der Oder erscheint im 10. Jh.
als befestigte Siedlung und wird 1000 Sitz eines Bischofs. Seit 1163 ist es in
Niederschlesien Sitz eines Herzogs aus der Familie der Piasten. 1225 erhält es
eine Marktsiedlung nach deutschem Recht, 1241 deutsches Recht. (1261
Magdeburger Recht). 1335 gelangt B. an Böhmen. In der Mitte des 14. Jh. wird
ein zunächst unsystematisches, gegen 1370 systematisiertes Stadtrechtsbuch
zusammengestellt. Am Ende des 15. Jh. entstehen die Rechtsbücher Der rechte
Weg und Remissorium. B. wird Oberhof für mindestens 65 Städte. 1505 missglückt
eine Universitätsgründung. 1526 fällt B. mit Böhmen an Österreich. 1702 wird
eine Universität eingerichtet (1811 zur Schlesischen Universität umgestaltet).
1741 wird B. von Preußen erobert. Am Anfang des Jahres 1933 waren an der
juristischen Fakultät tätig Eugen Rosenstock-Huessy, Ernst Cohn, Hans Albrecht
Fischer, Theodor Süss, Walter Schmidt-Rimpler, Johannes Nagler, Arthur Wegner,
Hans Helfritz, Heinrich Pohl, Ludwig Waldecker (Axel Freiherr von
Freytagh-Loringhoven und Friedrich Schöndorf). Über Preußen gelangt B. nach
1945 an Polen. →Breslauer Landrecht
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer
systematische Schöffenrecht, 1863; Breslauer Urkundenbuch, hg. v. Korn, G.,
1870; Goerlitz, T., Die Übertragung liegenden Gutes, 1906; Rehme, P., Über die
Breslauer Stadtbücher, 1909; Pfitzner, J., Besiedlungs-, Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte des Breslauer Bistumslandes, 1926; Pfeiffer, G., Das
Breslauer Patriziat, 1929; Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher des 14.
Jahrhunderts, ZRG GA 59 (1939), 136; Lindgren, E., Die Breslauer
Strafrechtspflege, 1939; Hermann, E., Das Abgabenrecht der Stadt Breslau, 1941,
Goerlitz, T., Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau, hg. v. Petry,
L., 1962; Rabe, C., Alma mater Leopoldina, 1999; Encyklopedia Wroclawia
(Enzyklopädie Breslaus), hg. v. Harasimowicz, J., 2000; Der rechte Weg, hg. v.
Ebel, F., 2000; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702 bis
1811, hg. v. Conrads, N., 2002; Davies, N. u. a., Die Blume Europas, 2002;
Eschenloer, P., Geschichte der Stadt Breslau, hg. v. Roth, G., 2003; Thum, G.,
Die fremde Stadt, 2003; Quellenbuch zur Geschichte der Universität Breslau 1702
bis 1811, hg. v. Conrads, N. u. a., 2004; Ditt, T., Die Stoßtruppfakultät
Breslau, 2010; Garber, K., Das alte Breslau, 2014; Mühle, E., Breslau, 2015;
Friedla, K., Juden in Breslau/Weocław 1933-1949, 2015
Breslauer Landrecht ist die durch König Johann von
Böhmen veranlasste, in 351 Kapitel mit 13 Anhangskapiteln gegliederte, im
Fürstentum Breslau und Teschen gebrauchte Bearbeitung des Landrechts des
→Sachsenspiegels (1346/1356).
Lit.: Köbler, DRG 103; Gaupp, E., Das schlesische
Landrecht, 1828, Neudruck 1966,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GauppErnstTheodorDasschlesischeLandrechtodereigentlichLandrechtdesFuerstentumsBreslauvon135618281966.pdf;
Goerlitz, T., Die Breslauer Rechtsbücher, ZRG 59 (1934), 155; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 30
Bretagne ist die schon früh von Kelten
besiedelte westliche Halbinsel Westeuropas, die 56 v. Chr. von Caesar unter die
Herrschaft der Römer gebracht wird. Vom 5. Jh. n. Chr. an wandern keltische
Briten von Britannien aus ein, die unter die Herrschaft der Franken geraten. Um
845/846 wird die B. vom fränkischen Reich unabhängig, steht bald aber wieder
unter französischer und seit 1113 englischer Lehnsherrschaft. Zwischen 1312 und
1325 wird die (franz.) Très ancienne coutume de B. (Sehr alte Gewohnheit der
B.) aufgezeichnet. 1515 wird die B. Krondomäne Frankreichs.
Lit.: La très ancienne coutume de Bretagne, hg. v.
Planiol, M., 1896; Poisson, H., Histoire de la Bretagne, 1966; Fleuriot, L.,
Les origines de la Bretagne, 1980
Breviarium (N.) Alarici (lat.) ist die vom Westgotenkönig
Alarich II. vor 507 geschaffene Kurzfassung des nachklassischen römischen
Rechtes, die für die Romanen im westgotischen Reich gilt und bis in das Hochmittelalter
Bedeutung behält. →Lex Romana Visigothorum
Lit.: Söllner § 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53,
82; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
Brevium exempla (lat. [N.Pl.]) ist die moderne
Bezeichnung eines frühmittelalterlichen Güterverzeichnisses (825-850) für
königliche Güter in Staffelsee, Weißenburg und bei Lille.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Metz, W., Das karolingische
Reichsgut, 1960, 18
Briand-Kellogg-Pakt →Kellogg-Pakt
Brief (aus lat. breve, kurze [Mitteilung]) ist die (kurze) schriftliche,
später durch einen Umschlag verschlossene Mitteilung. In Hessen wird 1831 das
Briefgeheimnis erstmals durch die Verfassung geschützt. Die unerlaubte Öffnung
eines fremden Briefes ist ein Straftatbestand.
Lit.: Die Tegernseer Briefsammlung des 12.
Jahrhunderts, hg. v. Plechl, H., 2002; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis
zur Briefsammlung des Petrus de Vinea, 2002; Furger, C., Briefsteller, 2009;
Garfield, S., Briefe, 2015
Briefadel ist der durch Urkunde erlangte
Adelsstand und die Gesamtheit der durch Urkunde in den →Adel erhobenen
Menschen. B. ist seit 1346 unter französischem Einfluss möglich (bis 1918).
Lit.: Köbler, DRG 98
Briefgeheimnis ist die Geheimheit der in einem
Brief (Schriftstück) niedergeschriebenen Gedanken eines Menschen. Bereits im
römischen Recht (Lex Cornelia) ist das unbefugte Öffnen von Urkunden mit Strafe
bedroht. Mittelalterliche Botenordnungen und frühneuzeitliche Landesordnungen
(Tirol 1532) schützen Briefe. II 10 § 1370 ALR (1794) stellt das unerlaubte Eröffnen
von Briefen überhaupt unter Strafe. Der verfassungsrechtliche Schutz des
Briefgeheimnisses ist eine Errungenschaft des 19. Jh.s (Kurhessen 1831 § 38).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Geschichte der deutschen Post, hg. v. Sautter, K., Teil 1ff. 1928ff.;
Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Vellusig, R., Geschichte des
Briefes, 2000
Briefmarke ist das als Quittung für vorausgezahlte
Postbeförderungsgebühr verkaufte aufklebbare Wertzeichen. Die B. ist Inhaberpapier
(Josef Kohler, § 807 BGB), wobei streitig ist, ob sie amtliches
→Wertzeichen (§ 148 StGB) ist. Rechtstatsächlich werden am 21. 9. 1847
die ersten (blauen) Briefmarken der britischen Kornkolonie Mauritius
ausgegeben, deren beide Exemplare für 1
Penny und 2 Pence 1993 für etwa 5 Millionen Euro versteigert werden.
Lit.: Weipert, S., Die Rechtsnatur der Briefmarke, Diss.
jur. Kiel 1996; Bohnert, J.,
Briefmarkenfälschung, NJW 1998, 2879; Gezähnte Geschichte – Die Briefmqarke als
historische Quelle, hg. v. Smolarski, P. u. a., 2019
Bringschuld ist die am Wohnsitz des Gläubigers
zu erbringende Schuld. Da Abgaben in der Regel beim Berechtigten abzuliefern
sind, ist die B. schon im Frühmittelalter weit verbreitet. Ihre Bedeutung
wächst nach dem Aufkommen der Geldwirtschaft.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, § 28
Brinz, Alois Ritter von (Weiler im Allgäu 25. 2.
1820-München 13. 9. 1887), Sohn eines Landgerichtsaktuars, wird nach dem
Studium von Sprachen und Recht in München und Berlin 1851 außerordentlicher
Professor und 1854 ordentlicher Professor in Erlangen, Prag (1857), Tübingen
(1866) und München (1871). Sein wichtigstes Werk ist ein Pandektenlehrbuch
(1857ff.), in dem er die juristische Person als Zweckvermögen versteht.
Lit.: Rascher, J., Die Rechtslehre des Alois von
Brinz, 1975
Britannien →Brite
Brite ist der Angehörige eines
keltischen, die britischen Inseln bewohnenden Volkes, das 409 n. Chr. von
römischer Herrschaft frei wird, aber wenig später aus nicht im Einzelnen
feststellbaren Gründen (Ausrottung bzw. Akkulturation?) gegenüber der Bedrohung
durch Angeln, Sachsen und Jüten in die →Bretagne bzw. nach Wales,
Cornwall und Schottland zurückweicht.
Lit.: Ross, A., Pagan Celtic Britain, 2. A. 1974;
Brodersen, K., Das römische Britannien, 1998; A Companion to Roman Britain, hg.
v. Todd, M., 2004; Birley, A., The Roman Government of Britain, 2005;
Creighton, J., Britannia, 2006; Britons in Anglo-Saxon England, hg. v. Higham,
N., 2007; Kleinschmidt, H., Migration und Identität, 2009; Hobbs, R./Jackson,
R., Das römische Britannien, 2011
Brite →England, Großbritannien,
Kelte
Britische Zone ist die 1945 Großbritannien
zugeteilte →Besatzungszone Deutschlands. Sie geht am 1. 1. 1947 in der
→Bizone auf. Von 1948 bis 1950 kennt sie einen Obersten Gerichtshof.
Lit.: Trittel, G., Die Bodenreform in der britischen
Zone 1945-1949, 1975; Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die britische
Zone, ZNR 3 (1981), 158
Brixen
Lit.: Fajkmajer, K., Studien zur Verwaltungsgeschichte des Hochstiftes
Brixen im Mittelalter, Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und
Vorarlbergs 6 (1909); Schwüppe, H., Das Bürger- und Inwohnerbuch der Stadt
Brixen 1500-1709, Diss. phil. Innsbruck 1955 (masch.schr.); Kustatscher, E.,
Die Städte des Hochstifts Brixen im Spätmittelalter, 2007
Brocarda oder Brocardica (lat. [F.],
Herkunft streitig, zu Burchard?, zu pro - contra?, zu mlat. broccus, Adj.,
hervorstehend, roman. Spieß?) ist im Hochmittelalter die in der Kompilation
Justinians noch nicht enthaltene, gelehrte Rechtsregel, aus der man durch
logisches Schließen Rechtsfolgen ableiten kann (Pilius, Damasus Boemus um
1215).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Meyer, E., Brocardica, ZRG KA
69 (1952), 453; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Brücke ist die auf Dauer angelegte Verbindung zweier
Landgebiete über ein Gewässer durch ein überirdisches Bauwerk. Sie ersetzt die
natürliche Furt und die nach Bedarf verkehrende Fähre. Bereits die Römer hatten
eine hoch entwickelte Brückenbaukunst.
Lit: Cooper, A., Bridges, Law and Power in Medieval England, 2006
Bruderschaft (F., ahd.) ist der dem Verhältnis
von Brüdern nachgebildete Verband von Priestern oder Handwerkern
Lit.: Hinojosa, E. de., La fraternidad artificial en
España, Revista de Archivos 1905; Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften
1906; Le mouvement confraternel, 1987; Einungen und Bruderschaften in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Johanek, P., 1993; Rosenplenter, K.,
Saeculum pium, 2003; Mittelalterliche Bruderschaften in europäischen Städten,
hg. v. Escher-Apsner, M., 2009; Laqua, B., Bruderschaften und Hospitäler
während des hohen Mittelalters, 2011
Brügge in Flandern wird trotz römischer
Vorläufersiedlung erst im 11. Jh. als Sitz flämischer Grafen bedeutsam. 1127
erhält es Stadtrechte. Im Hochmittelalter wird es durch Handel reich. Trotz
wirtschaftlichen Niedergangs wird es 1559 Bischofssitz.
Lit.: Van Houtte, J., De geschiedenis van Brugge, 1982; Murray, J.,
Bruges, Cradle of Capitalism, 2005
Brünn in Südmähren ist der seit 800
erscheinende, im Hochmittelalter von Deutschen aufgesiedelte Ort, der 1243 das
Stadtrecht von →Iglau erhält. Brünner Schöffenbuch ist ein von einem
Stadtschreiber Johann(es) (von Gelnhausen) (1343-1387) in Brünn um 1350 verfasstes,
sachlich-alphabetisch von (lat. [F.Pl.]) actiones (Klagansprüche) bis vulnera
(Wunden) geordnetes →Rechtsbuch in 730 Artikeln, das (etwa mit der
Wendung lex dicit, das Gesetz besagt) in das einheimische deutsche Recht
einzelne römisch-rechtliche Zutaten einfügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bretholz, B., Geschichte der
Stadt Brünn, 1911, Schubart-Fikentscher, G., Das Brünner Schöffenbuch, DA 1
(1937), 457; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch,
ZRG GA 65 (1947), 86; Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der
Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953), 125; Flódr, M., Právni kniha
města Brna z poloviny 14. století 1 (Das Rechtsbuch der Stadt Brünn aus
der Mitte des 14. Jahrhunderts 1), 1990ff.; Der Brünner Todesmarsch 1945, hg.
v. Hertl, H. u. a., 1998; Lexikon bedeutender Brünner Deutscher, hg. v. Fehige,
C. u. a., 2000; Pfeifer, C., Jus regale Montanorum, 2002; Sulitková, L., Vyvoj
mestskych knih v Brne, 2004; Flodr, M., Nálezy Brněnského městského
práva, 2007; Jan z Gelnhausenu, Příručka práva městského
(Manipulus vel directorium iuris civilis). K vydání připravil Flodr,
Miroslav [Johann von Gelnhausen, Handbuch des Stadtrechts >Manipulus vel
directorium iuris civilis<, hg. v. Flodr, M., 2008
Brunnemann, Johann (Cölln bei Berlin 7. 4. 1608-Frankfurt
an der Oder 15. 12. 1672), Pfarrerssohn wird nach dem Studium der Theologie in
Wittenberg (1627) und in Frankfurt an der Oder (1632) dort 1636 ordentlicher
Professor der Logik. 1638 promoviert er zum Dr. iur. utr. und wird 1640
Professor der Institutionen, dann der Pandekten, des Codex und der Dekretalen
und 1653 Ordinarius. Bedeutsam ist sein Pandektenkommentar (1670).
Kennzeichnend ist sein Übergang von der exegetischen zur synthetisch-praktischen
Stoffdarstellung. Nachhaltige Wirkung erzielt er mit seinem (lat.) Tractatus
(M.) iuridicus de inquisitionis processu (Rechtlicher Traktat über den
Inquisitionsprozess) von 1648.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BrunnemannJohannTractatusiuridicusdeinquisitionisprocessu1648.pdf;
Hornung-Grove, M., Beweisregeln im Inquisitionsprozess, Diss. jur. Göttingen 1974
Brunnen ist die meist eingefasste Stelle zur Entnahme
(möglichst reinen) Wassers. An Brunnen können unterschiedliche Rechte bestehen.
Seit dem 19. Jh. sind die einzelnen B. allmählich weitgehend durch öffentlich
verwaltete Wasserleitungen ersetzt.
Lit.: Spindler, H., Der Brunnen im Recht, Diss. jur. Heidelberg 1938;
zum allgemeinen statt nutzen, hg. v. Rippmann, D. u. a., 2008
Brunner, Heinrich (Wels 21. 6. 1840-Bad
Kissingen 11. 8. 1915) wird nach dem Rechtsstudium in Wien (1864
Institutsprüfungsarbeit über das gerichtliche Exemtionsrecht der Babenberger,
1865 Habilitation über Zeugen und Inquisitionsbeweis der karolingischen Zeit)
Professor in Lemberg (ao. 1866, o. 1868), Prag (1870), Straßburg (1872) und
Berlin (1873, Nachfolge Homeyer). Unter genauer Quellenkenntnis durchdringt er
den geschichtlichen Stoff juristisch und legt nach zahlreichen Einzelarbeiten
(z. B. über Schwurgericht, Urkunde, Landschenkung) 1887 den ersten Band seiner
die germanische und fränkische Zeit umfassenden deutschen Rechtsgeschichte vor.
Lit.: Köbler, DRG 221; Brunner, H., Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechtes, 1894; Festschrift Heinrich
Brunner, 1910; Brunner, H., Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte, 8. A.
1930; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., 1931;
Stutz, U., Heinrich Brunner, ZRG GA 36 (1915), IX; Liebrecht, J., Brunners
Wissenschaft, 2014
Brunner, Otto (Mödling/Niederösterreich 21. 4. 1898-Hamburg
12. 6. 1982) wird nach dem Studium der Geographie und Geschichte in Wien 1931
Professor und nach Erscheinen seines die Bedeutung des geltenden Staatsrechts
für das Mittelalter zurückdrängenden, auf Quellenbegriffe setzenden Werkes
Land und Herrschaft (1939, 5. A. 1965) von 1942 bis 1945 Leiter des Instituts
für österreichische Geschichtsforschung. 1954 wechselt er nach Hamburg.
Gemeinsam mit W. Conze und R. Koselleck veröffentlicht er seit 1972
Geschichtliche Grundbegriffe.
Lit.: Algazi, G., Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten
Mittelalter, 1996; Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, hg. v. Schulze,
W. u. a., 1999; Alteuropa oder frühe Moderne?, hg. v. Schorn-Schütte, L., 1999;
Kortüm, H., Otto Brunner über Otto den Großen (in) HZ 299 (2014) 297
Brüssel an der Zenne erscheint am Ende des
7. Jh.s. Es entwickelt sich zum Vorort der burgundischen Niederlande. 1830 wird
es Hauptstadt des neuen Königreichs →Belgien. 1834 erhält es eine
Universität. Innerhalb der europäischen Gemeinschaften bzw. der Europäischen
Union ist die mehrheitlich frankophone Stadt Sitz der Europäischen Kommission.
Lit.: Favresse, F., Le conseil de Bruxelles 1282-1521,
Revue Belge de Philologie 9 (1930), 139; Godding, P., Le droit foncier á
Bruxelles, 1960; Histoire de Bruxelles, hg. v. Martens, M., 2. A. 1979;
Majerus, B., Occupations et logiques policières, 2008; Coppein, B. u. a.,
Histoire du barreau de Bruxelles - Geschiedenis von de balie van Brussel
(1811-2011, 2012
buccellarius (lat. [M.]) „Bissennehmer“, freier
[grundsätzlich erblicher] Anhänger eines Herrn (Codex Euricianus [um 475?] 310,
Lex Visigothorum [7. Jh.?] V, 3. 1)
Lit.: Claude, D., Adel, Kirche und Königtum im Westgotenreich, 1971;
Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
Buch ist das zu einem Band zusammengefasste Schriftstück.
Sein Inhalt kann alle Lebensbereiche erfassen. Rechtlich bedeutsam sind etwa
Achtbuch, Gesetzbuch, Grundbuch, Lehrbuch, Rechtsbuch oder Stadtbuch. Bereits
in der Antike entstehen Buchsammlungen oder Bibliotheken mit bis zu einer
halben Million katalogisierter Schriftrollen (Alexandria um 300 v. Chr., um 350
n. Chr. vielleicht 30 öffentliche Bibliotheken in Rom). Mit dem Übergang (von
der vielfach in ausgeliehenen Lagen oder [lat.] peciis) abgeschriebenen
Handschrift zur Drucktechnik mit beweglichen Lettern (Johannes Gensfleisch
genannt Gutenberg [Mainz um 1400-Mainz 3. Februar 1468] in Mainz zwischen 1440
und 1454, 1448?, Beginn mit Kalenderblättern und Sibyllenweissagungen, ab 1451
42zeilige Bibel mit 48 erhaltenen von ursprünglich 180 mit Hilfe 20er
Mitarbeiter gedruckten Exemplaren zu je 1282 Seiten in Mons, Kopenhagen,
Aschaffenburg, Berlin, Frankfurt am Main, Fulda, Göttingen, Kassel, Leipzig,
Mainz, Mainz, München, Rendsburg, Schweinfurt, Stuttgart, Trier, Paris, Paris,
Paris, Saint Omer, Cambridge, Edinburgh, Eton, London, London, London, Manchester,
Oxford, Vatikan, Vatikan, Tokio, Wien, Pelplin/Polen, Lissabon, Moskau, Moskau,
Cologny/Schweiz, Burgos, Sevilla, Austin/Texas, Cambridge/Massachusetts, New
Haven/Connecticut, New York, New York, New York, New York, Princeton, San Marino/Kalifornien,
Washington D. C., nach einem Brief Enea Silvio Piccolominis vom 12. März 1455
und dem Rubrikatorenvermerk in dem Pariser Exemplar der Gutenbergbibel
Vollendung des ersten gedruckten Buches – Europas? - zwischen Frühjahr 1455 und
Sommer 1456) wird es (nach Erstdrucken der Clementinae Mainz 1460, des Liber
Sextus Mainz 1465, der Institutiones Mainz 1468, des Liber Extra Straßburg
1468/1471, des Decretum Straßburg 1471, des Sachsenspiegels Landrecht Basel
1474, des Codex Mainz 1475, des Digestum vetus Rom 1476 und des Infortiatum,
Digestum novum 1476) zur Massenware (um 1500 im deutschen Reich 62 Druckorte,
rund 29000 Titel in Europa - davon 6000 lateinisch, mit vielleicht 17 Millionen
Exemplaren, davon etwa 520000 erhalten -, darunter viele Nachdrucke und
Neuauflagen), wobei seit 1473 Bücherverzeichnisse geschaffen werden
(Vocabularius juris utriusque [1473], Bertachinus, J., Repertorium, 1481),
seit etwa 1500 Auflagen sich im Inhalt unterscheiden (sog. Inkunabeln, Wiegendrucke)
und im 16. Jahrhundert (um 1525 Schwerpunktverlagerung nach Lyon, Paris, 1550
Basel, 1570 Frankfurt am Main, Venedig) bereits 70 bis 90 Millionen einzelne
Bücher (d. h. fast eine Million einzelne Bücher im Jahr) im deutschen
Sprachraum (durch [im 16. und 17. Jahrhundert] mehr als 2662 Buchdrucker in 381
Druckorten mit rund 130000-150000 Drucken, seit 1530 Titelblatt mit Drucker und
Druckort durch den Augsburger Reichstag vorgeschrieben, seit 1548 Angabe des
Verfassers) hergestellt werden. Zur Sicherung gegen (billigere) Nachdrucke
erstreben die Drucker Privilegien von Landesherren mit strafbewehrten Verboten
gegen den unerlaubten Nachdruck. Der große Erfolg des Buches verstärkt seit
der Reformation (1517) Martin Luthers (1521) die im 13. Jh. beginnende Zensur
(Vorzensur, im Heiligen römischen Reich durch einen Bücherkommissar, in
Frankfurt am Main 1579, ab etwa 1700 in Leipzig). Die Zahl der Drucke des 17.
Jahrhunderts wird auf 250000 geschätzt, die des 18. Jahrhunderts auf 600000,
die des 19. Jahrhunderts auf rund 1,5 Millionen, so dass man mit 17,5 Millionen
deutschsprachigen Drucken seit dem 15. Jahrhundert (bis 2007) rechnet. 1871
werden im Deutschen Reich etwa 10750 Bücher und Karten verlegt. Von 1913 bis
2010 erscheinen rund 15 Millionen Drucke, wobei (in Deutschland) 1901 27998
Neuerscheinungen veröffentlicht werden, 1990 45000 und 2007 96479. Die Zahl
der Einzelexemplare beträgt dabei im Jahr 2005 rund 981 Millionen. Die Zahl
allein der rechtswissenschaftlichen Monographien steigt zwischen 1952 und
2002 von 667 auf 3634 pro Jahr. Der 15. Dezember 1946 gilt als Geburtsstunde
der Rowohlts-Rotations-Romane, durch die das bereits vor dem zweiten Weltkrieg
durch die Verlage Penguin in England (1935, mit Vertrieb über Woolworth),
Goldmann und Scherz verwendete Taschenbuch (handliches Format und
Fächer-Klebebindung, aber geringe Gewinnspanne) zum Erfolg geführt wurde (z. B.
Dornenvögel, BGB-Text).
Lit.: Schottenloher, K., Bücher bewegten die Welt -
Eine Kulturgeschichte des Buches, Bd. 1f., 1951f. 2. A. 1968; Bieber, H., Die Befugnisse
und Konzessionierungen der Münchner Druckereien und Buchhandlungen, Diss. jur.
München 1956; Hagemann, H., Rechtswissenschaft und Basler Buchdruck, ZRG GA 77
(1960), 241; Fischel, L., Bilderfolgen im frühen Buchdruck, 1963; Eisenhardt,
U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970;
Holthöfer, E., Funktionsweisen gemeinrechtlicher Kommunikation, 1972; Presser,
H., Buch und Druck, 1978; Eisenstein, E., The Printing Press as an Agent of
Change, Bd. 1f. 1979; Röhring, H. Wie ein Buch entsteht, 1983, 8. A. 2008, 9.
A. 2011; Lexikon des gesamten Buchwesens, hg. v. Corsten, S., 2. A. 1987;
Hoffmann, H., Buchkunst und Königtum, 1986; Bülow, M., Buchmarkt und
Autoreneigentum, 1990; Giesecke, M., Der Buchdruck in der frühen Neuzeit, 1991;
Rationalisierung der Buchherstellung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit,
1994; Janzin, M./Güntner, J., Das Buch vom Buch, 1995; Laienlektüre und
Buchmarkt im späten Mittelalter, hg. v. Kock, T. u. a., 1997; Neddermeyer, U.,
Von der Handschrift zum gedruckten Buch, 1998; Geschichte der Buchkultur, Bd.
1ff., hg. v. Mazal, O. u. a., 1999; Füssel, S., Gutenberg und seine Wirkung,
1999; Zimmer, D., Die Bibliothek der Zukunft, 2000; Osler, D., Catalogue of
Books printed, 2000; Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20.
Jahrhundert, hg. v. Jäger, G. u. a., 2001ff.; Haegen, P. van der, Der frühe
Basler Buchdruck, 2001; Soetermeer, F., Utrumque ius in peciis, 2002; Casson,
L., Bibliotheken in der Antike, 2002; Antike Bibliotheken, hg. v. Hoepfner, W.,
2002; Hiller, H./Füssel, S., Wörterbuch des Buches, 6. A. 2002, 7. A. 2007;
Juristische Buchproduktion im Mittelalter, hg. v. Colli, V., 2002; Handbuch der
historischen Buchbestände in Deutschland, Handbuch der historischen
Buchbestände in Österreich, Handbuch deutscher historischer Buchbestände in
Europa, 1992ff., CD-ROM-Edition 2003; Agati, M., Il libro manoscritto, 2003;
Darnton, R., Die Wissenschaft des Raubdrucks, 2003; Meyer, S., Bemühungen um
ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004; Wadle, E., Goethes Wünsche
zum Nachdruckschutz, ZRG GA 122 (2005) 301; Reclams Sachlexikon des Buches, hg.
v. Rautenberg, U., 2. A. 2003; Haus- und Familienbücher in der städtischen
Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006; Verbergen – Überschreiben – Zerreißen,
hg. v. Körte, M. u. a., 2007; Reske, C., Die Buchdrucker des 16. und 17.
Jahrhunderts im deutschen Sprachgebiet, 2007; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008; Löhr, I., Die
Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Mintzel, A., Von der schwarzen
Kunst zur Druckindustrie, 2011; Eichacker, T., Die rechtliche Behandlung des Büchernachdrucks
im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, 2013; Hauschild, S. Skriptorium - Die
mittelalterliche Buchwerkstatt, 2013; Hoffmann, G. u. a., Neue juristische
Bibliographien und andere Informationsmittel, 2013; A Companion to the Early
Printed Book in Britain 1476-1558, hg. v. Gillespie, V. u. a., 2014; Ochs, H.,
Gutenberg und sine frunde, 2014; Völker, D., Das Buch für die Massen –
Taschenbücher und ihre Verlage, 2014; Jochum, U., Bücher – Vom Papyrus zum
Ebook, 2015; Adam, C., Der Traum vom Jahre Null – Autoren, Bestseller, Leser _
Die Neuordnung der Bücherwelt in Ost und West nach 1945. 2016; Textkünste, hg.
v. Schneider U., 2016
Buch, Johann von (um 1290-nach 1356), aus einer seit 1194
als Herren von Buch (bei Tangermünde) bezeugten altmärkischen ritterlichen
Familie, ist nach dem Studium in Bologna (1305) Ratgeber und Richter des
Markgrafen von Brandenburg (1332 Hauptmann der Mark, 1336 [lat.] capitaneus
[M.] generalis, Generalhauptmann, zwischen 1321 und 1356 in zahlreichen
Urkunden belegt). Er teilt das Landrecht des →Sachsenspiegels in drei
Teile, versieht es mit einer die Übereinstimmung mit dem römischen und kirchlichen
Recht darlegenden Glossierung (buchsche Glosse, Konkordanzliteratur) und
verfasst um 1335 den →Richtsteig Landrechts.
Lit.: Steffenhagen, E., Die Entwicklung der
Landrechtsglosse des Sachsenspiegels, SB. d. Akad. Wien 114 (1887), 309;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 29; Kannowski,
B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken des Johann
von Buch, ZRG 123 (2006), 110
Buchau
Lit.: Die Urkunden des Stifts Buchau. Regesten
819-1500, bearb. v. Seigel, R. u. a., 2009
Buchda, Gerhard ([Stadt]Roda/Thüringen 22. 10.
1901-Stadtroda/Thüringen 20. 12. 1977), Verwaltungsamtmannssohn, wird nach kaufmännischer
Lehre und Studium der Rechtswissenschaft in Jena (1923-1926) 1930 promoviert
(Das Privatrecht Immanuel Kants) und 1934 habilitiert (Geschichte und Kritik
der deutschen Gesamthandslehre, betreut von Rudolf Hübner). 1937 wird er zum
außerordentlichen Professor an die Universität Halle-Wittenberg berufen und
1939 zum ordentlichen Professor ernannt, 1945 entlassen. 1949 wird er nach
Jena berufen, wo er 1967 emeritiert wird.
Lit.: Lieberwirth, R., Nachruf ZRG GA 95 (1978), 492; Gedächtnisschrift
für Gerhard Buchda, hg. v. Krahner, L. u. a., 1997
Bücherkommissar ist der mit der Bücherzensur
beauftragte Amtsträger (Universität Köln 1479), dem päpstliche Beauftragte seit
dem 13. Jh. (Paris 1323) vorausgehen. 1579 wird für das Reich ein ständiges
Bücherkommissariat (Reichsfiskalprokurator am Reichskammergericht) in
Frankfurt am Main eingerichtet (um 1725 dem Reichshofrat angegliedert), das
ohne geringe tatsächliche Bedeutung bis 1792 wirkt.
Lit.: Widmann, F., Geschichte des Buchhandels, 1952;
Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht über Buchdruck, Buchhandel und Presse,
1970
Buchführung →Buchhaltung
Buchhaltung ist die Aufzeichnung von
Geschäftsvorfällen eines Unternehmers in Büchern zur Erlangung von Übersicht.
Älteste Versuche in dieser Richtung finden sich bereits im 3. vorchristlichen
Jahrtausend im vorderen Orient. Im Mittelalter erscheinen die ersten Anfänge
unter byzantinisch-arabischem Einfluss in Venedig im 10. Jh. (Genua 1157,
Bologna, Lübeck 13. Jh., Regensburg 14. Jh.). Das älteste erhaltene
Kaufmannsbuch Oberdeutschlands ist das Schuldbuch der Familie Holzschuher
(Nürnberg 1304). Im 14. Jh. entwickelt sich die doppelte Buchführung mit
doppelter Eintragung unter Soll und Haben (Genua 1327). Lehrwerke der B.
erscheinen seit 1494 (Pacioli, Luca in Venedig). In Frankreich schreiben
Ordonnance du commerce (1673) und Code de commerce (1807) Art und Weise der B.
vor. Im 19. Jh. führt die Industrialisierung zur technischen Verfeinerung und
greift der Staat ordnend ein. Hinter dem privaten Kaufmann bleibt dabei die
öffentliche Verwaltung (kameralistische B., Österreich 18. Jh.) jeweils
deutlich zurück. Auf Grund Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften wird in
Deutschland mit dem Bilanzrichtliniengesetz ein eigenes Buch des Handelsgesetzbuchs
für das Buchführungsrecht und Bilanzrecht geschaffen. Daneben finden
internationale Grundsätze vielfache Anerkennung (Generally accepted accounting
principles, International Accounting Standards, International Financial
Reporting Standards).
Lit.: Jäger, E., Beiträge zur Geschichte der
Doppelbuchführung, 1874; Penndorf, B., Geschichte der Buchhaltung in
Deutschland, 1913; Sykora, G., System und Methoden der Buchführung, 1952;
Melis, F., Aspetti della vita economica medievale, 1962; Thomson, H. u. a.,
Foreign Books in Bookkeeping and Accounts, 1968; Edwards, J., A History of
Financial Accounting, 1989; Weiss, S., Buchhaltung und Rechnungswesen des
Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Gleeson-White, J., Soll und Haben –
Die doppelte Buchführung und die Entstehung des modernen Kapitalismus, 2015
Bückler, Johannes →Schinderhannes
Budaeus →Budé
Budapest an der Donau entsteht 1872 durch
Zusammenlegung der auf antiken Grundlagen ruhenden, 1148 erstmals erwähnten
Städte Buda (Ofen) und Pest (kurz nach 1230 deutsche Gründung), die 1526 bzw.
1541 von den Osmanen erobert werden (bis 1686). 1635 wird eine Universität
eingerichtet. 1872 wird B. Hauptstadt der transleithanischen Reichshälfte
Österreich-Ungarns, 1918 Hauptstadt Ungarns.
Lit.: Das Ofner Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959;
Mesterházi, L., Tausendjähriges Budapest, 1970;
Blazovich, L. u. a., Buda város jogkönyve, 2001; Juristenausbildung in
Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Budé (Budaeus), Guillaume (Paris 26. 1. 1468-23. 8. 1540)
tritt nach dem Rechtsstudium in Orléans (1483-86) in die Dienste des Königs
von Frankreich. Nach einer Plutarchübersetzung aus dem Spanischen (1503) legt
er 1508 (lat.) Annotationes (F.Pl.) in pandectas (Anmerkungen zu den Pandekten)
vor, in denen er die Pandekten philologisch-historisch untersucht und das
erste Beispiel des (lat.) →mos (M.) Gallicus (gallische Art) gibt. Die
Anwendbarkeit der in sich uneinheitlichen Rechtssammlung auf seine Gegenwart
verneint er.
Lit.: Köbler, DRG 143; Delaruelle, L., Guillaume Budé,
1970
Buer 1003 erstmals erwähnt, 1911 Stadtrecht, 1928
mit Horst in Gelsenkirchen eingemeindet
Lit.: Buer 1911, hg. v. Goch, s. u. a. 2013
Budgetrecht ist das Recht, Einnahmen und
Ausgaben im Staatshaushalt (Budget, zu lat. bulga, F., Tasche) durch Gesetz
festzulegen. Es geht im 19. Jh. vom Landesherrn an das →Parlament über
(Preußen 1850).
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004
Büdingen
Lit.: Philippi, H., Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen, 1954
Bugenhagen, Johannes (Wollin/Pommern 24. 6.
1485-Wittenberg 19. 4. 1558) wird nach artistischem Studium in Greifswald 1504
Rektor der Ratsschule in Treptow an der Rega, wird zum Priester geweiht und
amtet als Notar. 1517/1518 verfasst er die erste auf Quellen gestützte
Geschichte Pommerns. 1521 schließt er sich der Reformation Martin Luthers in
Wittenberg an und verfasst von Braunschweig (1528) aus Kirchenordnungen für
Hamburg (1528/1529), Lübeck (1530/1532), Pommern (1534/1535), Dänemark
(1537/1539), Holstein, Braunschweig-Wolfenbüttel und Hildesheim (1542).
Lit.: Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen, 1ff. 1911ff.;
Johannes Bugenhagen, hg. v. Leder, H., 1984; Leder, H., Johannes Bugenhagen,
2002; Lorentzen, T., Johannes Bugenhagen als Reformator der öffentlichen
Fürsorge, 2008; Leder, H., Johannes Bugenhagen Pomeranus, hg. v. Gummelt, V.,
2002
Bukarest erscheint auf antiken Siedlungsspuren
im 13. Jh. als Marktflecken. 1862 wird es Hauptstadt Rumäniens. 1864 erhält B.
eine Universität.
Bukowina (Buchenland) am
Osthang der Karpaten ist im Altertum von Dakern und Bastarnen, seit dem 7. Jh.
von Slawen besiedelt. Über das Reich von Kiew, und das Fürstentum
Halitsch-Wolhynien kommt das Gebiet seit dem 14. Jh. zum Fürstentum Moldau, das
ab 1512 unter den Einfluss des osmanischen Reiches gerät. 1775 gelangt die B.
nach Besetzung (1774) durch Vertrag an →Österreich (Teil Galiziens), wo
sie 1849 eigenes Kronland wird. 1919 fällt B. an →Rumänien, 1940 im
Norden an die Sowjetunion, nach deren Auflösung 1991 an die Ukraine.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Röskau-Rydel, I.,
Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Scharr, K., Die Bukowina, 2007; Scharr, K.,
Die Landschaft Bukowina, 2010; ; Der franziszeische Kataster im Kronland
Bukowina, hg. v. Rumpler, H. u. a., 2015
Bulgarien südlich der unteren Donau ist
anfangs von Thrakern besiedelt, die im 5. Jh. v. Chr. unter die Herrschaft der
Makedonier, im 2. Jh. v. Chr. der Römer kommen. Im 7. Jh. entsteht aus Slawen,
Thrakern, Awaren und Turkvölkern das Volk der Bulgaren, das 681 und 1185 zu
einem eigenen Reich findet. 1393/1396 fällt B. an die Osmanen (Türken).
1877/1878 löst sich B. teilweise, 1908 als eigenes Zarenreich vollständig von
der türkischen Herrschaft. 1892 wird eine juristische Fakultät in Sofia
gegründet. 1945 wird B. kommunistisch. Sein Recht ist entsprechend dieser
Entwicklung römisch, slawisch, osmanisch, westlich (französisch, deutsch, aber
auch russisch), sozialistisch (1951 Außerkraftsetzung aller vor 1944
verabschiedeten Gesetze) und nach 1990 demokratisch geprägt. 2007 wird B.
Mitglied der Europäischen Union.
Lit.: Angelov, D. u. a., Istorija na bulgarskata
feodalna darzhava i pravo, 1972; Stefanov, I. u. a., Bulgarien, 1975; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,243; Revolution auf Raten – Bulgariens Weg
zur Demokratie, hg. v. Höpken, W., 1996; Knaus, G., Bulgarien, 1997; Crampton,
R., A Concise History of Bulgaria, 1997; Härtel, H. u. a., Bulgarien, 1998; 100
Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M. u. a., 1998; Manolova, M., Istorija
na darzhvata i pravoto, 2001; Tokuschev, D., Istorija na novobulgarskata
darzhava i pravo, 2001; Öffentlichkeit ohne Tradition, hg. v. Heppner, H.,
2003; Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2006; Köbler, G.,
Rechtsbulgarisch, 2006; Brunnbauer, U., Die sozialistische Lebensweise, 2007;
Ziemann, D., Vom Wandervolk zur Großmacht, 2007; Stepanov, C., The Bulgars,
2010; Draganova, V., Recht durch Transfer – Der Anfang des bulgarischen
Rechtssystems 1878-1920, 2015; Konflikt und Koexistenz, hg. v. Stolleis, M. u.
a., 2015
Bulgarus (Bologna? vor 1100?-1. 1. 1166?) ist ein
Glossen zu allen Teilen der justinianischen Kompilation, einen Apparat zu De
regulis iuris, einen Tractatus de iudiciis, Quaestiones, Summulae, Distinktionen,
Casus Codicis und anderes verfassender Glossator.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 162
Bulle ist die ein Siegel umschließende
Kapsel, das (vorwiegend päpstliche) Siegel (meist aus Gold oder Blei) sowie die
mit ihm versehene Urkunde (zwischen [lat. F.Pl.] litterae und [N.] privilegium
bzw. einfachem Brief und feierlichem Privileg). Aus Byzanz kommt die Bleibulle
im 6. Jh. in die päpstliche Kanzlei und von dort am Ende des 8. Jh.s an den
fränkischen Hof (1226 Goldene Bulle von Rimini, 1356 →Goldene Bulle Karls
IV.). In der B. Unam sanctam begründet Papst Bonifaz VIIII. einen Anspruch des
Papstes auf Universalherrschaft auch in weltlichen Angelegenheiten (Es ist zum
Heile für jedes menschliche Wesen durchaus unerlässlich, dem römischen Papst
unterworfen zu sein).
Lit.: Eitel, A., Über Blei- und Goldbullen im
Mittelalter, 1912; Ewald, W., Siegelkunde, 1914; Die Goldene Bulle Kaiser Karls
IV. 1356, bearb. v. Müller, K., 1970; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000;
Stieldorf, A., Basiswissen Siegelkunde, 2004
Bund ist die (gewollte) Verbindung von Menschen zu einer
übergeordneten Einheit. Politisch bedeutsam ist beispielsweise der
→Deutsche B. Im Bundesstaat kann auch der Gesamtstaat als B. bezeichnet
werden.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 582;
Bünde - Städte - Gemeinden, hg. v. Freitag, W. u. a., 2009
Bundesakte →Deutsche Bundesakte
Bundesarbeitsgericht ist das oberste Gericht der
Bundesrepublik Deutschland in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Sitz in
Kassel bzw. Erfurt (1996).
Lit.: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hg. v. Gamillscheg,
F. u. a., 1975; Grunsky, W., Arbeitsgerichtsgesetz, 6. A. 1990; 50 Jahre
Bundesarbeitsgericht, hg. v. Oetker, H. u. a., 2004; Dieterich, T., Ein
Richterleben im Arbeits- und Verfassungsrecht, 2016
Bundesexekution ist im Deutschen Bund die Ausführung
der Bundesakte, der Bundesbeschlüsse und gerichtlicher und gerichtsähnlicher
Entscheidungen durch den Deutschen Bund gegenüber einem Bundesglied (z. B.
1830 gegen Braunschweig, 1834 gegen Frankfurt, 1864 gegen Dänemark sowie
formlos 1866 gegen Preußen).
Bundesfinanzhof ist seit 1950 das oberste Gericht
der Bundesrepublik Deutschland in Finanzstreitigkeiten mit Sitz in München.
Der B. ist Nachfolger des zum 1. 10. 1918 eingerichteten Reichsfinanzhofes.
Lit.: Offerhaus, K., Der Bundesfinanzhof, 3. A. 1993;
60 Jahre Bundesfinanzhof, hg. v. Bundesfinanzhof, 2010
Bundesgerichtshof ist seit 1. 10. 1950 als Nachfolger
des Reichsgerichts das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit der
Bundesrepublik Deutschland mit Sitz (nicht wie von der Regierung Konrad
Adenauer gewünscht in Köln, sondern) in Karlsruhe (Präsidenten 1950 Hermann
Weinkauff, [zwischen 1954 und 1964 mehr als 70 Prozent aus der Zeit vor 1945
übernommene Richter und Staatsanwälte,] 1960 Bruno Heusinger, 1968 Robert
Fischer, 1977 Gerd Pfeiffer, 1988 Walter Odersky 1996 Karlmann Geiß, 2000
Günther Hirsch. 2008 Klaus Tolksdorf). Wichtige Entscheidungen betreffen die
Strafbarkeit der Kuppelei, die Anerkennung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, die Anerkennung der finalen Handlungslehre, die
Anerkennung des Anwartschaftsrechts und des Sicherungseigentums, die
Anerkennung der Produzentenhaftung).
Lit.: Möhring, P., 25 Jahre Bundesgerichtshof, NJW
1975, 1820; 25 Jahre Bundesgerichtshof, hg. v. Krüger-Nieland, G., 1975; Otto, J., Bibliothek des Bundesgerichtshofs,
1996 (rund 475000 Bände); Pieper, K., Palais im Park, 1999; Medicus,
D., Entscheidungen des BGH als Marksteine für die Entwicklung des allgemeinen
Zivilrechts, NJW 2000, 2921; Die Praxis des Bundesgerichtshofes im deutschen
Rechtsleben, hg. v. Canaris, C. u. a., Bd. 1ff. 2000; Schubert, W./Glöckner,
H., Vom Reichsgericht zum Bundesgerichtshof, NJW 2000, 2971; Fortitudo
temperantia - Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim Bundesgerichtshof,
hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälte, 2000;
Geiß, K., Fünfzig Jahre Bundesgerichtshof, 2001; Ohe, A. v. d., Das
Gesellschaftsbild des Bundesgerichtshofs, 2010
Bundesgerichtshof (in Österreich) ist das ab 15. 7. 1934 den Verfassungsgerichtshof
und den Verwaltungsgerichtshof ersetzende Gericht, das 1938 durch den
Anschluss seine verfassungsgerichtliche Zuständigkeit verliert, durch
Verordnung vom 11. 1. 1940 in Verwaltungsgerichtshof in Wien umbenannt wird
und 1941 im Reichsverwaltungsgericht (bis 1945) aufgeht.
Bundesgesetzblatt ist das Gesetzblatt für Bundesgesetze (z. B.
in Deutschland oder in Österreich).
Bundesintervention ist im Deutschen Bund (1815-1866) die
Möglichkeit des Eingreifens des Bundes in die inneren Angelegenheiten eines
Mitgliedstaats zur Wahrung der inneren Sicherheit auf Ersuchen oder bei
Handlungsunfähigkeit der Regierung.
Bundeskanzler ist der politische Führer der
Regierung in Deutschland (1949, Richtlinienkompetenz) und Österreich (1920,
seit 1929 durch Bundespräsidenten ernannt) sowie die Amtsbezeichnung Otto von
Bismarcks im Norddeutschen Bund (von 1867 bis 1870/1871).
Lit.: Die Bundeskanzler und ihre Ämter, hg. v. d.
Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland u. a., 2006; Milde,
G., Entscheidungsprozesse von Spitzenpolitikern, 2016
Bundeskartellamt ist das 1957 in Deutschland gegründete
Bundesamt für Kartellangelegenheiten.
Lit.: 50 Jahre Bundeskartellamt, 2007
Bundesoberhandelsgericht ist das für Handelssachen durch
Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 12. 6. 1869 gegründete und in Leipzig
eingerichtete, nationalliberal besetzte Gericht (Präsident Heinrich Eduard Pape
1816-1888). 1871 wird es zum auch die süddeutschen Staaten erfassenden
Reichsoberhandelsgericht, das 1879 im →Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Köbler, DRG 195; Behrend, J., Das
Bundesoberhandelsgericht, Z. f. Gesetzgebung und Rechtspflege in Preußen, 3,
200; Müller, K., Der Hüter des Rechts, 1997; Weiss, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das
Bundesoberhandelsgericht und das spätere Reichsoberhandelsgericht, 2001; Henne,
T., Rechtsharmonisierung durch das „Reichsgericht“ in den 1870er Jahren, 2005
Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt in
Deutschland (1949, Wahl durch besondere Bundesversammlung) und Österreich
(1920, Wahl durch den Nationalrat, seit 1929 Wahl durch das Volk).
Bundesrat ist (von 1867 bis 1870/1871 im
→Norddeutschen Bund [eigentlich eher ein Fürstenhaus] und) im Deutschen
Reich von 1871 das die Mitwirkung der Einzelstaaten am Bundesgeschehen
ermöglichende Organ, das als Träger der obersten Gewalt den Gesamtstaat als
Einheit repräsentiert (Staatenhaus der gescheiterten Reichsverfassung von
1848/1849). Von seinen 58 Stimmen entfallen 17 auf Preußen (Möglichkeit der
Verhinderung jeder Verfassungsänderung), 24 auf 7 mittlere Staaten und je eine
auf die übrigen 17 Länder. Mit dem →Reichstag erlässt der B. Gesetze. Im
Februar 1919 wird dieser B. durch den Staatenausschuss und vom August 1919 an
durch den Reichsrat ersetzt, der 1934 aufgelöst wird. Auch die Bundesrepublik
Deutschland kennt einen B. als (weisungsgebundene) Vertretung der (11 bzw.
1990) 16 Länder, ebenso Österreich (Art. 24 Bundes-Verfassungsgesetz,
mindestens drei Mitglieder für jedes Bundesland, Abstimmung regelmäßig nach
Parteizugehörigkeit, bei Berührung von Länderinteressen absolutes Vetorecht
gegenüber Beschlüssen des Nationalrats).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 174, 195, 220,
248, 257; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Maunz,
T., Der Bundesrat in Vergangenheit und Gegenwart, Hist. Jb. 74 (1955), 446;
Ziller, G. u. a., Der Bundesrat, 10. A. 1998; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat,
1974; Scholl, Udo, Der Bundesrat in der deutschen Verfassungsentwicklung, 1982;
Vierzig Jahre Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1989; Klein, E., Die Rolle des
Bundesrates und der Länder, 1998; Lilla, J., Föderalismus in
historisch-vergleichender Perspektive, 2014 (725 Kurzbiographien)
Bundesrecht ist das vom Bund der Bundesrepublik
Deutschland geschaffene bzw. übernommene Recht, im weiteren Sinn das Recht
jeden Bundes.
Lit.: Zachariä, H., Deutsches Staats- und Bundesrecht,
Bd. 1f. 3. A. 1867; Bluntschli, J., Geschichte des schweizerischen
Bundesrechts, 1875
Bundesregierung ist die Regierung eines
Bundesstaats.
Lit.: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, hg.
v. Booms, H., 1953ff.; Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierunjg, hg. v.
Bundesarchiv, Bd. 1ff. Die Mitglieder der Bundesregierungen, hg. v. Kempf, U.
u. a., 2000; Kanzler und Minister 1949-1998, hg. v. Kempf, U., 2001
Bundesrepublik ist die föderalistische Republik
(z. B. Österreich, Deutschland).
Bundesrepublik
Deutschland ist
der nach der Niederlage der Achsenmächte Deutsches Reich, Italien und Japan
gegen die Alliierten (Vereinigte Staaten von Amerika, Sowjetunion,
Großbritannien und Frankreich) im zweiten Weltkrieg (8. Mai 1945 Kapitulation
des deutschen Reichs), nach der Wiederverselbständigung des sich 1938 an das
Deutsche Reich anschließenden Österreich und nach der Einteilung des Deutschen
Reichs in vier Besatzungszonen aus den Besatzungszonen der Vereinigten Staaten
von Amerika, Großbritanniens und Frankreichs über die Bizone der Vereinigten
Staaten von Amerika und Großbritanniens (1946 bzw. 1. 1. 1947) und die Trizone
(einschließlich der Besatzungszone Frankreichs 8. 4. 1948) auf Grund einer
Londoner Konferenz 1949 gebildete deutsche Bundesstaat mit (1948) den Ländern
Baden (bis 1951/1952), Württemberg (bis 1951/1952, dann Baden-Württemberg),
Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen,
Hamburg, Schleswig-Holstein und (West-Berlin sowie ab 1. 1. 1957) Saarland und
(ab 1990) (Berlin,) Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt
sowie Thüringen. Seine Verfassung ist das auf Aufforderung der westlichen
Besatzungsmächte (über die Ministerpräsidenten der westlichen Länder) von
einem Verfassungskonvent in Herrenchiemsee (1948) und einem parlamentarischen
Rat (ab 1. 9. 1948) erarbeitete, am 23. 5. 1949 verkündete Grundgesetz., dem
gegenüber ein Besatzungsstatut wichtige Bereiche den Besatzungsmächten
vorbehält (eingeschränkt durch Deutschlandvertrag von 1955, beendet 1990). Auf
Grund des Gewichts des Verhältniswahlrechts im gemischten Wahlrechtssystem
stehen sich Bundesregierung und Koalitionsparteien einerseits und Oppositionsparteien
andererseits gegenüber. Jedes Gesetz kann vom Bundesverfassungsgericht auf
seine Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Seit 1951 verbindet sich die B.
mit Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg sowie später
weiteren europäischen Staaten zu europäischen Gemeinschaften (für Kohle und
Stahl, 1957 für Atomwesen und Wirtschaft), zur Europäischen Gemeinschaft bzw.
zur Europäischen Union. Nach dem Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 treten B.
D. und Deutsche Demokratische Republik 1973 den Vereinten Nationen bei. Am 3.
10 1990 tritt die.Deutsche Demokratische Republik auf Grund (des Vertrags über
die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. 5.
1990 und) des Einigungsvertrags vom 31. 8. 1990 der B. bei. Die Übertragung des
bundesdeutschen Sozialstaats auf die neuen Bundesländer ist alternativlos,
verschärft aber die latente Krise des Sozialstaats, Die Finanzierung belastet
besonders die unteren und mittleren Bevölkerungsschichten. Die sozialpolitisch
begründete Erhöhung der Entgelte verschlechtert die Wettbewerbsfähigkeit.
Innerhalb der B. wird das Recht vielfach verändert.
Lit.: Schwarz, H., Vom Reich zur Bundesrepublik, 1966;
Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1ff. 1976ff.;
Bewegt von der Hoffnung aller Deutschen, hg. v. Benz, W., 1979; Rupp, H.,
Politische Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1979, 4. A. 2009;
Roßnagel, A., Die Änderungen des Grundgesetzes, 1981; Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Bracher, K., Bd. 1ff. 1982ff.; Benz, W., Von
der Besatzungsherrschaft zur Bundesrepublik, 1984; Morsey, R., Die Bundesrepublik
Deutschland, 4. A. 2000; Schröder, J., 40 Jahre Rechtspolitik im freiheitlichen
Rechtsstaat, 1989; 40 Jahre Bundesrepublik, hg. v. Nörr, K, 1990; Thränhardt,
D., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2. A. 1996; Kröger, K.,
Einführung in die Verfassungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1993;
Geschichte der deutschen Einheit, Bd. 1ff. 1997ff.; Birke, A., Die
Bundesrepublik Deutschland, 1997, 2. A. 2011; Ritter, G., Über Deutschland,
1998; Schäfer, J., Deutsche Geschichte (CD-ROM), 1998; ZEIT-Geschichte der
Bonner Republik, hg. v. Dönhoff, M. u. a., 1999; Görtemaker, M., Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 1999; Nörr, K., Die Republik der Wirtschaft, Teil 1
1999, Teil 2 2007; Fünfzig Jahre Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Conze, E.
u. a., 1999; Frei, N., Vergangenheitspolitik, 1999; Baring, A., Es lebe die
Republik, 1999; Dippel, H., Die Konstitutionalisierung des Bundesstaats, (in)
Der Staat, 1999, 221; Deutschland unter alliierter Besatzung 1945-1949/55. Ein
Handbuch, hg. v. Benz, Wolfgang, 1999; Rupp, K., Politische Geschichte der
Bundesrepublik Deutschland, 3. A. 2000; Kielmannsegg, P. Graf, Nach der
Katastrophe, 2000; Recker, M., Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 2002;
Utz, F., Preuße, Protestant, Pragmatiker - Der Staatssekretär Walter Strauß und
sein Staat, 2003; Rödder, A., Die Bundesrepublik Deutschland 1969-1990, 2004;
Die Bundesrepublik Deutschland. Staatshandbuch, 2003; Wolfrum, E., Die
Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Book, A., Die Justizreform in der
Frühzeit der Bundesrepublik, 2005; Lappenküper, U., Die Außenpolitik der
Bundesrepublik Deutschland 1949 bis 1990, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte,
2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009 Ritter, G., Wir sind das Volk,
2009; Weizsäcker, R., Der Weg zur Einheit, 2009; Benz, W., Auftrag Demokratie,
2009; Pierson, T., 1968 und das Recht, ZRG 128 (2011), 391; Gehler, M.,
Deutschland, 2010; Hesse, E., Systemwechsel in Deutschland, 2010;
Rechtsentwicklungen im vereinten Deutschland, hg. v. Weiß, N., 2011; Staat und
Recht in Teilung und Einheit, hg. v.
Krüper, J. u. a., 2011; Fichtner, T. u. a. Dutschkes Deutschland, 2011;
Reform und Revolte, hg. v. Löhnig, M. u. a., 2012; Hilpert, D., Wohlfahrtsstaat
der Mittelschichten?, 2012; Schwarz, P., Helmut Kohl, 2012; Heumann, H.,
Hans-Dietrich Genscher, 2012;I,grund, B. 101 deutsche Orte die man gesehen
haben muss, 2012. 4. A: 2014; Herold, M., Die rechtliche Entstehung der
Bundesländer, 2012; Schwarz, H., Helmut Kohl, 2012Rigoll, D., Staatsschutz in
Westdeutschland, 2013; Michels, E., Guillaume, der Spion, 2013; Wolfrum, E.,
Rot-Grün an der Macht. Deutschland 1998-2005, 2013; Wiegeshoff, A., Wir müssen
alle etwas umlernen, 2013; Die Rosenburg - Das Bundesministerium der Justiz
und die NS-Vergangenheit, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 2013, 2. A. 2013;
Koerfer, D., Diplomatenjagd, 2013; Ritter, G., Hans-Dietrich Genscher, 2013;
Radkau, J., Theodor Heuss, 2013; Intellektuelle in der Bundesrepublik
Deutschland, hg. v. Kroll, T. u. a., 2013; Buchna, K., Ein klerikales
Jahrzehnt?, 2014; Gehler, M., Modellfall für Deutschland? Die Österreichlösung
mit Staatsvertrag und Neutralität 1945-1955, 2014; Vogel, H. u. s. Was
zusammengehört – Die SPD und die deutsche Einheit 1989/90, 2014; Creuzberger,
S., Willy Brandt und Michail Gorbatschow, 2015; Schmidt, H., Was ich noch sagen
wollte, 2015; Möller, H., Franz Josef Strauß, 2015; Die Einheit, hg. v. Möller,
H. u. a., 2015; Rupps, M., Der Lotse. Helmut Schmidt, 2015; Der halbierte
Rechtsstaat, hg. v. Begalke, S. u. a., 2015; Zick, A., Wut, Verachtung,
Abwertung – Rechtspopulismus in Deutschland, 2015; Jaggi, S., The 1989
Revolution in East Germany and its Impact on Unified Germany’s Constitutional
Law, 2016; Lambertz-Pollan, R., Auf dem Weg zu Souveränität und Westintegration
(1948-1955) – Der Beitrag des Völkerrechtlers und Diplomaten Wilhelm Grewe,
2016; Deutschland einig Vaterland? Eine Bilanz nach 25 Jahren, hg. v. Müller,
R., 2016; Spohr, K., Helmut Schmidt, 2016 (sieht einen Lenker einer Weltmacht,
der tatsächlich aber nur ein bedeutender Bundeskanzler war); Sälter, G.,
Phantome des kalten krieges – Die Organisation Gehlen, 2016; Nowack, S.,
Sicherheitsrisiko NS-Belastung, 2016; Lambertz-Pollan, R., Auf dem Weg zu
Souveränität und Westintegration (1948-1955) – Der Beitrag des Völkerrechtlers
und Diplomaten WilhelmGrewe, 2016; Die Ämter und ihre Vergangenheit –
Ministerien und Behörden im geteilten Deutschland 1949-1972, hg. v.
Creuzberger, C. u. a., 2018; Jakob, K., Assu is gween, 2018; Mehring, R., Die
neue Bundesrepublik, 2019
Bundessozialgericht ist das am 11. 9. 1954 eröffnete
oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland mit
Sitz in Kassel.
Lit.: Grundlagen und Herausforderungen des
Sozialstaats – Denkschrift 60 Jahre Bundessozialgericht, hg. v. Masuch, P. u.
a., 2014
Bundessozialhilfegesetz s. Sozialhilfe
Bundesstaat ist der Zusammenschluss (Bund) von
Staaten zu einem neuen Staat (z. B. [Vorformen Städtebünde, Heiliges römisches
Reich, holländische Generalstaaten, theoretische Begründung durch Althusius
[1563-1638], Leibniz [1646-1717], Vereinigte Staaten von Amerika 1787, Schweiz
1848, Norddeutscher Bund 1867, Deutsches Reich 1871, Österreich 1920,
Russland). Die staatlichen Aufgaben, Rechte und Pflichten sind jeweils zwischen
Gesamtstaat (Oberstaat) und Gliedstaaten (z. B. Bundesland, Kanton, Land)
aufgeteilt. Nach dem Subsidiaritätsprinzip hat die kleinere Einheit
grundsätzlich den Vorrang vor der größern Einheit. Die Gliedstaaten sind zwar
Staaten, haben aber nur in den von der Verfassung eingeräumten Ausnahmefällen
Souveränität. Gegensatz des Bundesstaats ist der Einheitsstaat (z. B.
Frankreich, Italien, Ungarn, Österreich 1862-1918, Deutsches Reich 1933-1945),
doch nähern sich beide in der Wirklichkeit einander an (z. B. Österreich
stärker zentralisiert).
Lit.: Grzeszick, B., Vom Reich zur Bundesstaatsidee,
1996; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im Wandel (1867-1933), 2002; Baier,
C., Bundesstaat und europäische Integration, 2006; Fassbender, B., Der offene
Bundesstaat, 2007; Brandt, P., Mit anderen Augen, 2013
Bundestag ist allgemein die Versammlung der
Mitglieder eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 in Frankfurt am Main),
insbesondere das Parlament der Bundesrepublik Deutschland (1949ff.), aber auch
Österreichs zwischen 1934 und 1938.
Lit.: Schäfer, W., Der Bundestag, 4. A. 1982; Vierzig
Jahre Deutscher Bundestag, hg. v. Neske, G., 1989; Ismayr, W., Der deutsche
Bundestag, 1992; Die Mitglieder des Deutschen Bundestages, 1998; Der Deutsche
Bundestag 1949-1999, hg. v. Deutschen Bundestag, 1999; Schindler, P.,
Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949–1999, 1999; Reker,
S., der Deutsche Bundestag, 1999; M. d. B. Volksvertretung im Wiederaufbau
1946-1961, hg. v. Schumacher, M., 2000; Biographisches Handbuch der Mitglieder
des deutschen Bundestages 1949-2002, hg. v. Vierhaus, R. u. a., 2002f.; Becker,
M., Max von Seydel und die Bundesstaatstheorie des Kaiserreichs, 2009
Bundesverfassungsgericht ist das nach dem vorangehenden
Verfassungsgerichtshof Bayerns am 7. 9. 1951 mit Sitz in Karlsruhe errichtete
Verfassungsgericht (des Bundes) der Bundesrepublik Deutschland (, erste
Entscheidungen 9. 9. 1951, bis 2001 132000 Verfahren, davon 127000
Verfassungsbeschwerden).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257, 261; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GesetzueberdasBundesverfassungsgericht1951.pdf;
Schlaich, K./Korioth,
S., Das Bundesverfassungsgericht, 6. A. 2004, 7. A. 2007;
Häußler, R., Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer
Führung, 1994, Neudruck 2014; Haltern, U., Verfassungsgerichtsbarkeit,
Demokratie und Misstrauen, 1998; Das Bundesverfassungsgericht, hg. v. Limbach,
J., 2000; Limbach, J., Das Bundesverfassungsgericht, 2001; Limbach, J., Das
Bundesverfassungsgericht und der Grundrechtsschutz in Europa, NJW 2001, 2913;
Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, hg. v. Badura, P. u. a., 2001;
Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004; Wesel, U.,
Der Gang nach Karlsruhe, 2004; Das Bundesverfassungsgericht im politischen
System, hg. v. Ooyen, R. van u. a., 2006; Lembcke, O., Hüter der Verfassung,
2007; Das entgrenzte Gericht. Eine kritische Bilanz nach sechzig Jahren
Bundesverfassungsgericht, hg. v. Jestaedt, M. u. a., 2011; Rüthers, B., Die
heimliche Revolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, 2014;
Doering-Manteuffel, A. u. a., Der Brokdorf-Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts 1985, 2015; Lübbe-Wolff, G., Wie funktioniert das
Bundesverfassungsgericht?, 2015; Doering-Manteuffel, A. u. a., Der
Brokdof-Beschluss des Bundesverfasssungsgerichts 1985, 2015; ; Gehrig, S.,
Recht im Kalten Krieg, HZ 303 (2016),64; Darnstädt, T., Verschlusssache Karlsruhe
– Die internen Akten des Bundesverfassungsgerichts, 2019
Bundes-Verfassungsgesetz (1920) ist das von Hans Kelsen wesentlich
geprägte, von der konstituierenden Nationalversammlung beschlossene Gesetz
zur Einrichtung der Republik Österreich als Bundesstaat vom 1. Oktober 1920
(B-VG, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird,
Staatsgesetzblatt 1920, 450, authentisch kundgemacht unter BGl. 1920, 1, ohne
Präambel, Staatszielbestimmungen oder Grundrechte). 1925 wird die mittelbare
Bundesverwaltung eingeführt und werden Zuständigkeiten des Bundes erweitert.
1929 wird die unmittelbare Volkswahl des Bundespräsidenten festgelegt. Danach
wird das B. in der Fassung von 1929 kundgemacht (BGBl. 1930, 1). 1934 wird es
durch Verordnung der Regierung Dollfuß außer Kraft gesetzt und eine neue
Verfassung (Maiverfassung) erlassen. Auf Grund des zweiten Verfassungs-Überleitungsgesetzes
von 1945 (StGBl, 1945, 232) tritt es nach dem Stand vom 5. 3. 1933 wieder in
Kraft. 1981 wird die Volksanwaltschaft eingefügt, 1988 der unabhängige
Verwaltungssenat. 1994 wird das Bundes-Verfassungsgesetz neu gefasst.
Lit.: Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920, hg. i. V. m. Froelich,
G./Merkl, A. v. Kelsen H., 1922, hg. v. Walter, R., 1903, Neudruck 2010;
Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik, 1992
Bundesversammlung ist die Versammlung von Mitgliedern
eines Bundes (z. B. Deutscher Bund 1815-1866 mit Sitz in Frankfurt am Main,
Art. 38ff. Bundes-Verfassungsgesetz Österreich, Maiverfassung 1934 Österreich
in jeweils besonderer Zusammensetzung mit jeweils besonderer Zuständigkeit). In
der Bundesrepublik Deutschland wählt eine B. den Bundespräsidenten.
Lit.: Dublin-Honegger, J., Die Anfänge der schweizerischen
Bundesversammlung, Diss. jur. Basel 1978; Moldenhauer, R., Aktenbestand und
Geschäftsverfahren der deutschen Bundesversammlung, Archival. Z. 1978, 35
Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der
Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungsstreitigkeiten mit Sitz in (Berlin
[1952] bzw. seit 1997) Leipzig.
Lit.: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg.
v. Schmidt-Aßmann, E., 2003
Bundeswehr ist das (rund 13000 Offiziere der
Wehrmacht des Deutschen Reiches übernehmende) Heer der Bundesrepublik
Deutschland seit 1955.
Lit.: 50 Jahre Bundeswehr, hg. v. Clement, R. u. a.,
2005; Die Bundeswehr 1955 bis 2005, hg. v. Nägler, Frank, 2007; Loch, T., Das
Gesicht der Bundeswehr, 2008; Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr,
2009; Bundeswehr und Gedenkstätten des NS-Unrechts, hg. v. Wrochem, O. v. u.
a., 2009; Pauli, F., Wehrmachtsoffiziere in der Bundeswehr, 2010; Militärische
Aufbaugeneration der Bundeswehr 1955 bis 1970, hg. v. Hammerich, H. u. a.,
2010; Auslandseinsätze der Bundeswehr, hg. v. Chiari, B. u. a., 2010;
Streitkräfte im Nachkriegsdeutschland, hg. v. Bücking, H. u. a., 2011; 60 Jahre
Bundeswehr (Auswahlbibliographie), erarb. Lehmann, C. u. a., 2015; Kilian, D.,
Generale und Admirale der Bundeswehr 1955-2015, 2015
Bündnis ist der politische
Zusammenschluss.
Lit.: Rauch, G., Die Bündnisse deutscher Herrscher mit
Reichsangehörigen, 1966; Verosta, S., Theorie und Realität von Bündnissen,
1971; Frehland-Wildeboer, K., Treue Freunde? Das Bündnis in Europa 1714-1914,
2010 (114 früh veröffentlichteVertragstexte)
Bündnisrecht ist das Recht, Bündnisse mit
anderen einzugehen. Ursprünglich jedem Inhaber herrschaftlicher Gewalt offen,
wird es in England und Frankreich durch den Staat beseitigt. Im deutschen Reich
eröffnen es die Goldene Bulle (1356) und der Westfälische Friede von Münster
und Osnabrück (1648) für die Reichsstände, sofern es sich nicht gegen Kaiser
und Reich richtet. Im →Deutschen Bund ist es nur durch die Verpflichtung
beschränkt, die Sicherheit des Bundes oder einzelner seiner Glieder nicht zu beeinträchtigen.
Allmählich engt sich in der späteren Neuzeit das B. auf souveräne Staaten ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bezold, F. v., Das Bündnisrecht,
1904; Böckenförde, E., Der Westfälische Friede und das Bündnisrecht der
Reichsstände, Der Staat 8 (1969), 449
Bundschuh →Bauernkrieg
Bunge, Friedrich Georg von (Kiew 13. 3.1802-Wiesbaden 9. 4.
1897) begründet als Professor für Provinzialrecht in Dorpat (1831, 1840
entlassen, Stadtsyndikus Revals, 1864 Gotha) die baltische Rechtsgeschichte und
bearbeitet den 1864 veröffentlichten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich
geprägten Band 3 des Provinzialrechts der Ostseegouvernements Russlands (Liv-,
Est- und Curländisches Privatrecht), der in Lettland bis 1937 und in Estland
bis 1945 als Zivilgesetzbuch gilt.
Lit.: Recke, J./Napiersky, C., Allgemeines Schriftsteller-
und Gelehrtenlexikon, 1827, 303, 1859, 112; Küpper, H., Einführung in die
Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Burchard von Ursberg
Lit.: Wulz, W., Der spätstaufische Geschichtsschreiber Burchard von
Ursberg, 1982
Burchard von Worms (965-Worms 20. 8. 1025), aus dem
Hause der Grafen von Reichenbach-Ziegenhain (Güter bei Fritzlar und
Frankenberg?), wird nach seiner Erziehung in Koblenz aus der Nähe Erzbischof
Willigis’ von Mainz durch Kaiser Otto III. 1000 Bischof von Worms. Sein wohl
zwischen 1008 und 1012 verfasstes, eigenständige Ansätze enthaltendes Handbuch
([lat., N.] Decretum) in 20 Büchern und 1785 Kapiteln (davon 163 noch herkunftmäßig
ungeklärt, 45 Prozent der Texte gegenüber den Vorlagen inhaltlich geändert, vor
allem in den Rubriken) ist die wichtigste vorgratianische Kanonessammlung. Sie
beruht auf der (lat.) Collectio (F.) Anselmo dedicata (dem Anselm gewidmete
Sammlung), dem (lat.) Liber (M.) de synodalibus causis (Buch über
Synodalsachen) des →Regino von Prüm und einzelnen Kanones und Dekretalen
sowie Bußbüchern und Kirchenschriften. Sie stellt gegenüber den
Vorgängerarbeiten einen erheblichen Fortschritt dar und erreicht mit dem Ziel
einer durch Auswahl der Quellen (Bibel, Dekrete der Konzilien und Päpste,
Schriften siebener Kirchenväter, 3 Bußbücher) in sich konsistenten widerspruchsfreien
Sammlung autoritativer Texte für die kirchenrechtliche Praxis die Schwelle zu
wissenschaftlicher Kanonistik. Burchards (lat.) Lex (F.) familiae Sancti Petri
(1023-1025) ist ein frühes Beispiel eines grundherrschaftlichen Hofrechts.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DecretorumlibriXX1548.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LexFamiliae1023-1025.pdf;
Meyer, G., Überlieferung und Verbreitung des Dekrets des Bischofs Burchard von
Worms, ZRG KA 55 (1935), 141; Theuerkauf, G., Frühmittelalterliche Studien, Bd.
2, 1968; Metz, W., Zur Herkunft und Verwandtschaft, Hess. Jb. f.
Landesgeschichte 26 (1976), 27ff.; Kerner, M., Studien zum Dekret des Bischofs
Burchard von Worms, Diss. phil. Aachen 1971; Hoffmann, H./Pokorny, R., Das
Dekret, 1991; Bischof Burchard von Worms 1000-1025, hg. v. Hartmann, W., 2000;
Corbet, P., Autour de Burchard de Worms, 2001; Bischof Burchard I, in seiner
Zeit, hg. v. Müller, T. u. a., 2001; Austin, G., Law, Theology and „Forgery“
around the year 1000, 2005; Austin, G., Shaping Church Law around the Year
1000, 2009
Bure
Lit.: Bossenbroek, M., Tod am Kap. Geschichte des
Burenkriegs, 2016
Burg ist der befestigte Ort, der anfangs wohl nur der
Zuflucht dient (Fluchtburg). Im Frühmittelalter wird auch die antike Stadt oder
das Kastell als B. bezeichnet. Vielleicht nach deren Vorbild entstehen an
vielen Stellen (vor allem im 12. und 13. Jh.) Burgen, von denen nur ein Teil
auch urkundlich belegt ist. Wohl seit dem 11. Jh. sondern sich B. (mit Graben,
Wall, Ringmauer, Turm, Tor und Wohnbauten wie Kemenate oder Palas) und Stadt.
Seit dem 15. Jh. bzw. in der Neuzeit ersetzt der Adel die B. durch das Schloss
oder auch die Festung. In der Gegenwart sind 50 Prozent aller namentlich
bekannten mitteleuropäischen Burgen verschwunden, vom Restbestand drei Viertel
nur noch Ruinen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 79, 96;
Merz, W., Mittelalterliche Burganlagen und Wehrbauten des Kantons Aargau, 1906;
Koehne, C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Fischer, H.,
Burgbezirk und Stadtgebiet im deutschen Süden, (1956); Burgen, Schlösser und Burgherrengeschlechter
der Ostschweiz, hg. v. Meili, H., 1970; Jäschke, K., Burgenbau und Landesverteidigung
um 900, 1975; Die Burgen im deutschen Sprachraum, hg. v. Patze,
H., 1976; Binding, G. u. a., Burg, Lexikon des Mittelalters, Bd. 2 1983, 927;
Streich, G., Burg und Kirche, 1984; Allen Brown, R., Castles, Conquest &
Charters, 1989; Biller, T., Die Adelsburg in Deutschland, 1993, 2. A. 1998;
Burg – Burgstadt - Stadt, 1994; Burgen im Spiegel der Überlieferung, hg. v.
Ehmer, H., 1998; Burgen in Mitteleuropa, hg. v. Böhme, H. u. a., 1999; Spazier,
I., Mittelalterliche Burgen zwischen mittlerer Elbe und Bober, 1999; Pfälzisches
Burgenlexikon, hg. v. Keddigkeit, J. u. a., Bd. 1 1999; Krahe, F., Burgen und
Wohntürme, 2002; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser und
Festungen, 2004; Zur Sozial- und Kulturgeschichte der mittelalterlichen Burg,
hg. v. Clemens, L. u. a., 2009; Die Burg, hg. v. Großmann, G., 2010;
Befestigungen und Burgen am Rhein, hg. v. Felten, F., 2011; Die Burg im 15.
Jahrhundert, hg. v. Zeune, J., 2011; Burgen im Breisgau, hg. v. Beck, E. u. a.,
2012; Burgen Perspektiven, hg. v. Südtiroler Burgeninstitut, 2013; Großmann,
U., Die Welt der Burgen, 2013; Raumstrukturen und Raumausstattung auf Burgen in
Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Schmid, C. u. a., 2015
Burg (Stadt nordwestlich Magdeburgs,
bäuerlich-ländliches Landrecht [burges lantrecht, Erbrecht, Ehegüterrecht,
Sachenrecht, Friedensrecht, Verfahrensrecht] auf elf Seiten in einer
mittelniederdeutsch-elbostfälisch gehaltenen Sammelhandschrift des frühen 15.
Jahrhunderts [1310-1330] überliefert, vielleicht auf flämischen Siedlern des
12. Jh.s beruhend)
Lit.: Das Burger Landrecht hg. v. Markmann F. u. a., 1938; Zimmer, K.,
Das Burger Landrecht, 2003; Das Burger Landrecht und sein rechtshistorisches
Umfeld, hg. v. Pötschke, D. u. a., 2014
Bürge (Wort um 750 belegt) ist, wer sich durch Vertrag mit
einem Gläubiger eines Dritten verpflichtet, dem Gläubiger gegenüber für die
Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Das Rechtssprichwort
Bürgen muss man würgen, aber nicht an den Leib reden, bringt zum Ausdruck, dass
nach römischem Recht der Bürge zwar haften muss, aber bei Nichtleistung von
Strafen verschont bleiben soll. →Bürgschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 44, 74, 128;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Burgenland ist das ursprünglich meist zu
Ungarn gehörige, seit dem 11. Jh. zunehmend von Deutschen besiedelte, durch
viele Burgen gekennzeichnete Gebiet (Deutsch-Westungarn mit Pressburg,
Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg) an der Grenze zwischen Österreich und
Ungarn, das 1919 (trotz Widerstands Ungarns) (ohne Ödenburg/Sopron [Mehrheit
von 64 Prozent für Verbleib]) →Österreich als Bundesland zugesprochen,
im November von Ungarn 1921 besetzt, aber dann kampflos zurückgegeben wird
(1939-1945 zwischen Niederdonau/Niederösterreich und Steiermark aufgeteilt).
Lit.: Urkundenbuch des Burgenlandes, Bd. 1ff. 1955ff.;
Burgenland 1938, 1988; Ernst, A., Geschichte des Burgenlandes, 2. A. 1991
Bürger ist der Bewohner der →Stadt.
Ihm entspricht lateinisch vor allem civis (M.), das ursprünglich hauptsächlich
den Angehörigen des römischen Volkes im Gegensatz zum Nichtrömer und zum
Sklaven meint. Im deutschen Frühmittelalter engt sich der weitere Begriff des
ahd. burgari, Burgbewohner, wohl seit dem 11. Jh. auf den B. ein. Er hat
→Bürgerrecht und ist trotz unterschiedlicher ständischer Herkunft meist
oder grundsätzlich frei (Stadtluft macht frei), wenn auch seiner Stadt
verpflichtet. In der Neuzeit wird B. dagegen jeder, der nicht zum Adel oder zu
den Bauern gezählt wird (Preußen 1794, II, 8, § 1). Er ist der Vorläufer des
modernen Staatsbürgers.
Lit.: Maurer,
G., Geschichte der Städteverfassung in Deutschland, Bd. 2 1879, 191ff.; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers
und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger
Recht, ZRG GA 56 (1936), 150; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980, 251ff.; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Struck, W., Die
Neubürger von Großalsleben 1604-1874, 1962; Köbler, G., Civis und ius civile im
deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 672; Felser, R., Herkunft und soziale Schichtung der
Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte, 1977; Über Bürger, Stadt und
städtische Literatur im Spätmittelalter, hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980;
Res publica, Bürgerschaft in Stadt und Staat, hg. v. Dilcher, G., 1988;
Bürgertum im 19. Jahrhundert, hg. v. Kocka, J., 1995; Dilcher, G., Bürgerrecht
und Stadtverfassung, 1996; Bürgertum und bürgerlich-liberale Bewegung, hg. v.
Gall, L., 1997; Ruppert, K., Bürgertum und staatliche Macht in Deutschland
zwischen französischer und deutscher Revolution, 1997; Haupt, H./Crossick, G.,
Die Kleinbürger, 1998; Reidegeld, E., Bürgerschaftsregelungen, Freizügigkeit,
Gewerbeordnung und Armenpflege, ZRG 116 (1999), 87; Sozial- und
Kulturgeschichte des Bürgertums, hg. v. Lundgreen, P., 2001; Neubürger im
späten Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2002; Bürgertum in Thüringen,
hg. v. Hahn, H. u. a., 2001; Lässig, S., Jüdische Wege ins Bürgertum, 2004;
Schulz, A., Lebenswelt und Kultur des Bürgertums im 19. und 20. Jahrhundert,
2005; Roeck, B., Lebenswelt und Kultur des Bürgertums in der frühen Neuzeit, 2.
A. 2010; Bürgertum nach dem bürgerlichen Zeitalter, hg. v. Budde, G. u. a.,
2010; Breustadt, S., Inklusion und Exklusion – Die Rechtsstellung der Bürger
und Beisassen, Einwohner und Auswärtigen im spätmittelalterlichen Frankfurt am
Main, ZRG GA 133 (2016), 110
Bürgerbuch ist das die →Bürger der
mittelalterlichen Stadt verzeichnende, älteren Listen folgende →Buch (z.
B. Köln 1130-1140, Rostock 1258, Lübeck 1259, insgesamt 228 Bürgerbücher aus
dem deutschen Reich bekannt, dazu 82 Bürgerlisten).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Andernacht, D./Stamm, O., Die
Bürgerbücher der Reichsstadt Frankfurt, 1955; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest, hg. v. Rothert, H., 1958; Taschenbuch für Familiengeschichtsforschung,
hg. v. Ribbe, W., 12. A. 2001, 186ff.; Neubürger im späten Mittelalter, hg. v.
Schwinges, R., 2002; Morita, N., Wie wurde man Stadtbürger?, 2008
Bürgerlehen ist das →Lehen eines
→Bürgers. Es entsteht meist durch Verkauf durch den Adel. Der älteste
Beleg für das B. reicht bis in das 11. Jh. (Regensburg 1072/1073). Bis in das
15. Jh. nimmt die Zahl der B. zu, dann infolge des Widerstands des
landständigen Adels ab. Zumindest im Nordosten des Heiligen römischen Reiches
scheint das B. dem ritterlichen Lehen nicht völlig gleichwertig gestellt zu
sein. Die in der Neuzeit noch bestehenden B. gleichen sich an Miete und Pacht
an.
Lit.: Frensdorff, F., Die Lehnsfähigkeit der Bürger,
1895; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet, Diss. phil.
Frankfurt am Main 1957; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im
Spätmittelalter, 1979; Schwarz, U., Bürgerlehen und adlige Lehen der Herzöge
von Braunschweig-Grubenhagen, Braunschweigisches Jahrbuch 66 (1985), 9ff.Wer Tod ist der rechtliche Tod (zivile
Tod, fingierte Tod, lat. mors ([F.] civilis, Johannes Teutonicus, Glosse
mortuus zu C 16 q. 1 c. 8) im Gegensatz zum natürlichen Tod. Er bewirkt den
Verlust der bürgerlichen Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, Eigentümer zu sein, eine
Ehe einzugehen oder aufrechtzuerhalten, zu schenken, zu testieren, Vormund zu
sein, Zeuge zu sein u. s. w.). Er ist wohl aus unterschiedlichen Wurzeln (Acht,
Exkommunikation, Infamie) entstanden (16. Jh. mort civile als Bezeichnung
bestimmter Kapitalstrafen mit Bürgerrechtsverlust). Im 17. Jh. ist er die
Folge des Gerichtsungehorsams, im 18. Jh. die Folge jedes Urteils auf
Todesstrafe und vieler lebenslänglicher Strafen (vgl. § 7 StGB Bayern 1813). In
der Mitte des 19. Jh.s tritt der bürgerliche Tod zurück (Bayern 1849, Preußen
1850, Frankreich 1854). Ähnliche Folgen wie der bürgerliche Tod zieht zeitweise
auch die Ablegung des klösterlichen Armutsgelübdes (Klostertod) nach sich.
Lit.: Hübner 56; Weithase, F., Über den bürgerlichen
Tod als Straffolge, Diss. jur. Berlin (FU) 1966; Borgmann, B., Mors civilis,
1969; Borgmann, B., Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81; Hubmann, V.,
L’image de la mort, 1990
Bürgerliches Gesetzbuch (Wort 1786, bürgerliches Recht
1349, bürgerlich 1338) ist allgemein das vom politischen Bürgertum im 18. Jh.
zur gesetzlichen Regelung des Privatrechts geforderte Gesetzbuch. Es wird in
Frankreich 1804 (Code civil), in Österreich 1811/1812 (Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch) und in Sachsen 1863 (Bürgerliches Gesetzbuch) verwirklicht, während
es andernorts nur zu Entwürfen kommt (Preußen 1842, Hessen-Darmstadt 1842,
Bayern 1861/1864). In Deutschland erreichen nach vergeblichen Gesetzgebungsanträgen
der Jahre 1867-1872 die nationalliberalen Abgeordneten Miquel und Lasker am 20.
12. 1873 ([lat.] lex Miquel-Lasker), dass die Gesetzgebungszuständigkeit des
Deutschen Reiches vom Schuldrecht auf das gesamte bürgerliche Recht (sowie das
gerichtliche Verfahren) ausgedehnt wird. Auf ein Gutachten des Handelsrechtlers
Goldschmidt und den Vorschlag einer später sog. Vorkommission (28. 2. 1874,
Levin Goldschmidt, Franz Philipp von Kübel, Anton von Weber, Hermann von
Schelling) vom 15. 4. 1874 wird eine (erste) Kommission (17. 9. 1874) mit 11
Mitgliedern (Eduard Pape Vorsitzender, Albert Gebhard Allgemeiner Teil, Franz
von Kübel Schuldrecht, Reinhold Johow Sachenrecht, Gottfried Planck
Familienrecht, Gottfried von Schmitt Erbrecht, Gustav Derscheid, Karl
Kurlbaum, Anton von Weber, Paul von Roth, Bernhard Windscheid [bis 1883])
eingesetzt. Seit 1. 10. 1881 berät sie Teilentwürfe. Ihr am 27. 12. 1887 mit
Motiven vorgelegter, 1888 veröffentlichter Entwurf wird von verschiedenen
Seiten (u. a. Anton Menger, Otto von Gierke) vor allem als zu wenig
volkstümlich und zu wenig sozial angegriffen (insgesamt rund 700 Beiträge).
Daraufhin wird nach Vorbereitung durch eine interne Vorkommission des
Reichsjustizamts 1890 eine zweite Kommission (25 Juristen, u. a. Gottlieb
Planck, Karl von Jacubezky, Alexander Achilles, Heinrich Börner, Hermann
Struckmann, Arbeitsbeginn 1. 4. 1891) mit der Umarbeitung beauftragt, die nach
einigen Veränderungen 1895 den zweiten Entwurf mit Protokollen dem Bundesrat
vorlegt. Der nach Umarbeitung durch das Reichsjustizamt 1896 im Reichstag mit
einer Denkschrift eingebrachte dritte Entwurf wird nach drei Lesungen am 1. 7.
1896 (u. a. mit 53 der 97 Stimmen der ihre gesellschaftspolititsch relevanten
Grundlagen wahrenden konservativen Parteien) beschlossen, am 14. 7. 1896 vom
Bundesrat gebilligt, am 18. 8. 1896 ausgefertigt, am 24. 8. 1896 verkündet und
zum 1. 1. 1900 in Kraft gesetzt (2385 Paragraphen mit etwa 130000 Wörtern),
wobei flankierend das Handelsgesetzbuch, die Reichsjustizgesetze, die Grundbuchordnung
und das Zwangsversteigerungsgesetz angepasst bzw. erlassen werden. Das die
Geltung des preußischen Allgemeinen Landrechts, des Code civil und des gemeinen
Rechtes in Deutschland beendende Gesetzbuch ist ein für neue Anforderungen
durchaus offenes, recht begriffliches, ziemlich abstraktes, nach den
Erscheinungsformen des subjektiven Rechtes und vom Allgemeinen zum Besonderen
fortschreitend in fünf Bücher nach dem sog. Pandektensystem gegliedertes
Erzeugnis technisch geschulter Juristen (ohne eine einzelne überragende
schöpferische Persönlichkeit). Inhaltlich überwiegen die den bürgerlichen
Kreisen angemessenen und vorteilhaften liberalen Züge, zu denen
patriarchalisch-konservative und soziale, dem Schutz des Schwächeren dienende
Elemente hinzukommen. Das Bürgerliche Gesetzbuch beeinflusst das Privatrecht
vieler Länder (Japan 1898, Schweiz 1907, Österreich 1914, 1915, 1916, China
1912, Brasilien 1916, Thailand 1925, (Türkei 1926,) Peru 1936, Griechenland
1940/1946, Italien 1942, Frankreich, Portugal 1966). Sein Inhalt ist inzwischen
vor allem im Familienrecht erheblich verändert (Erbbaurechtsverordnung vom 15.
1. 1919, Ehegesetz vom 6. 7. 1938, positive Vertragsverletzung, Wegfall der Geschäftsgrundlage,
Arbeitsrecht, Wohnungsmietrecht, Verbraucherschutz, Schuldrechtsreform
2001/2002, allgemeines Persönlichkeitsrecht, Verkehrssicherungspflichten,
Wohnungseigentum, Gleichberechtigungsgesetz 18. 6. 1957,
Mietrechtsänderungen, 1969 Dienstvertragsrecht, Nichtehelichengesetz 19. 8.
1969, Eherechtsreformgesetz vom 14. 6. 1976 mit Zerrüttungsprinzip, allgemeine
Geschäftsbedingungen, Reisevertrag, Betreuungsrecht, Namensrecht, Kindschaftsrechtsreform,
1. 1. 2002 Aufnahme des Gesetzes über die allgemeinen Geschäftsbedingungen,
des Haustürgeschäftswiderrufsrechts, des Verbraucherkreditgesetzes, des
Teilzeit-Wohnrechtegesetzes und des Fernabsatzgesetzes sowie Änderung des
Leistungsstörungsrechts durch das von Richtlinien der Europäischen Union
veranlasste Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 2001/2002).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBDR18961900.htm;
Söllner §§ 1, 16, 25; Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
181, 182, 207, 212; Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuchs für
das deutsche Reich, Bd. 1ff. 1888; Zusammenstellung der gutachtlichen
Äußerungen zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches, gefertigt im Reichsjustizamt,
Bd. 1ff., 1890f.; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des
Reichstags .. 1895/1996; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des
Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Bd. 1ff. 1897ff.; Gradenwitz, O.,
Wörterverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Bürgerliches Gesetzbuch,
hg. v. Palandt, O., 1939, 75. A. 2016, 76. A. 2017; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Gmür, R., Das
schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über
Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Brandt, D., Die politischen Parteien und
die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im Reichstag, 1975 (Diss.); Die Beratung
des BGB in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, hg.
v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorentwürfe der Redaktoren zum
BGB, hg. v. Schubert, W., 1980ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste
Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg.
v. Schubert, W., 1981ff.; Behn, M., Der Generalbericht der badischen Kommission
zur Begutachtung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche
Reich, ZRG GA 99 (1982), 113; Caroni, P., Liberale Verfassung und bürgerliches
Gesetzbuch im 19. Jahrhundert, 1988; John, M., Politics and the Law in the late
nineteenth century Germany. The Origins of the Civil Code, 1989; Schroeder, K.,
Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA 109 (1992), 152; Muscheler,
K., Die Rolle Badens in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuches, 1993; Schmoeckel, M., 100 Jahre BGB, NJW 1996, 1697;
Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die Entstehung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, 1995; Schulte-Nölke, H., Die schwere Geburt des Bürgerlichen
Gesetzbuches, NJW 1996, 1784; Knieper, R., Gesetz und Geschichte, 1996; Die
Sozialdemokratie und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v.
Vormbaum, T., 1996; Bürgerliches Gesetzbuch 1896-1996, hg. v. Schlosser, H.,
1997; Schubert, W., Das Bürgerliche Gesetzbuch im Urteil französischer Juristen
bis zum ersten Weltkrieg, ZRG GA 114 (1997), 128; Das deutsche Zivilrecht 100
Jahre nach Verkündung des BGB, 1997; Kern, B., Der preußische BGB-Entwurf von
1842, 1998; BGB-Synopse 1896-1998, hg. v. Strätz, H., 1998; Eiffler, S., Die
Feuertaufe des BGB, ZNR 1998, 238; Horn, N., Ein Jahrhundert Bürgerliches
Gesetzbuch, NJW 2000, 40; Schwab, D., Das BGB und seine Kritiker, ZNR 22
(2000), 325ff.; Gast, B., Der Allgemeine Teil und das Schuldrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuches im Urteil von Raymond Saleilles, 2000; Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, hg. v. Falk, U. u. a., 2000; Kramer,
E., Der Einfluss des BGB auf das schweizerische und österreichische
Privatrecht, AcP 200 (2000), 365; Wolters, M., Die Zentrumspartei und die
Entstehung des BGB, 2000; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen Staat und
Kirche. Mitwirkung der Zentrumspartei, 2001; Dittmann, M., Das Bürgerliche
Gesetzbuch aus der Sicht des Common Law, 2001; Repgen, T., Die soziale Aufgabe
des Privatrechts, 2001; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt.
Privatrechtsmethode und Privatrechtsleitbilder bei Heinrich Lehmann
(1876-1963), 2002; Das BGB im Wandel der Epochen, hg. v. Sellert, W. u. a.,
2002; Historisch-kritischer Kommentar zum BGB, hg. v. Schmoeckel, M./Rückert,
J./Zimmermann, R., Bd. 1 2003, Bd. 2 2007, Bd. 3 (§§ 433-853) 2013; Thiessen,
J., Das unsoziale BGB, 2003; Die soziale Dimension des Zivilrechts, hg. v.
Peer, G. u. a., 2004; Staudinger, J. v., Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
– Eckpfeiler des Zivilrechts, 2005, Neubearb. 2011; Symposion Hundert Jahre
BGB, hg. v. Hamza, G., 2006; Hensel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie,
2006; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann und Frau, 2008; Zrenner, P., Die
konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008;
Weller, A., Die Einführung des BGB im französischen Rechtsgebiet der
preußischen Rheinprovinz, 2011; Boente, W., Nebeneinander und Einheit im Bürgerlichen
Recht, 2013; Finkenauer, T., Karl Jacubezky und das BGB, ZRG 131 (2014), 325;
Festschrift Palandt, 2015; Haferkamp, H., Das Bürgerliche Gesetzbuch während
des Nationalsozialismus und in der DDR (in) Festschrift 30 Jahre Kölner
Juristische Gesellschaft, 2015
Bürgerliches Recht (Wort 1349 belegt) ist das von den
Bürgern in der Französischen Revolution (1789) als Recht einer egalitären
Gesellschaft errungene Privatrecht. Es leitet sich sprachlich von (lat.) ius
(N.) civile ab. Neben ihm steht beispielsweise das Handelsrecht (wie in
Frankreich neben dem Code civil der Code de commerce).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schack, H. u. a., Das Bürgerliche
Recht, 2011; Pokrovskij, Josif A., Grundprobleme des bürgerlichen Rechts
(1917), hg. v. Avenarius, M. u. a., 2015
Bürgermeister ist seit der Mitte des 13. Jh.s
(Köln 1258, Basel 1261) der Vorsitzende des kollegialen Verwaltungsorgans und
Repräsentant der Gemeinschaft zunächst in der →Stadt, dem ein etwas
älterer lateinischer →magister (M.) civium (Köln) bzw. magister civilis
(Hildesheim-Dammstadt 1196) vorausgehen. Der B. wird teils gewählt, teils
eingesetzt. Er hat sowohl verwaltende wie auch richterliche Aufgaben und
Befugnisse. An vielen Orten gelingt ihm ein allmählicher Ausbau seiner
Stellung. Oft finden sich mehrere B. nebeneinander. →Selbstverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 41; Köbler, DRG 111, 198;
Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980, 323; Rabus,
K., Der Ulmer Bürgermeister bis 1548, Diss. jur. Tübingen 1952; Rörig, W., Die
Entwicklung der rheinischen Bürgermeistereiverfassung, Diss. jur. Mainz 1957;
Stemmler, G., Die Amtskette des Bürgermeisters, 2002; Weil, F., Entmachtung im
Amt, 2004
Bürgerrecht ist die Mitgliedschaft in der
Gemeinschaft der →Bürger. Schon in Rom vermittelt die in erster Linie
durch Geburt erlangbare Stellung als civis (M.) Romanus ([lat.] römischer
Bürger) ein Bündel von Rechten (Stimmrecht in der Volksversammlung, passives
Wahlrecht für Ämter, Berufungsrecht gegen Todesstrafe, gültige Ehe,
Rechtsgeschäfte nach Zivilrecht, Legisaktionenverfahren) und Pflichten (Steuerpflicht,
Wehrdienstpflicht), weil nur für den civis Romanus das römische (lat.)
→ius (N.) civile gilt. In gleicher Weise sondert das B. den Bürger
zunächst der →Stadt (seit dem Hochmittelalter) aus der Allgemeinheit
aus. Der Erwerb des Bürgerrechts erfolgt dabei meist durch Geburt, daneben
durch einen besonderen Akt der Aufnahme. →Grundrecht, Menschenrecht
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 58; Söllner § 12; Kroeschell,
DRG 1, 2; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Köbler,
G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Hartung, F./Commichau, G.,
Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 5. A. 1985; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Deeters, J.,
Das Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Menschen- und
Bürgerrechte, hg. v. Klug, U., 1988; Dilcher, G., Bürgerrecht und
Stadtverfassung, 1996; Migration und Bürgerrecht in der hellenistischen Welt,
hg. v. Günther, L., 2012; Citizenship and Empire in Europe 200-1900, hg. v.
Ando, C., 2016
Burgfriede ist im Hochmittelalter der in der Burg zu
wahrende Friede.
Burggraf (seit 10./11. Jh.) ist der eine Burg (und
damit anfangs auch eine Stadt) verwaltende Graf (z. B. Regensburg 970, Köln,
Mainz, Trier, Straßburg, Worms, Speyer, Utrecht, Toul, Cambrai, Augsburg,
Würzburg, Magdeburg, B. von Nürnberg).
Lit.: Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit,
1905; Peterka, O., Das Burggrafentum in Böhmen, 1906; Brünneck, W. v., Das
Burggrafenamt und Schultheißentum in Magdeburg und Halle, 1908; Sander, P.,
Stadtfestungen und Burggrafenamt im früheren Mittelalter, HV 13 (1910), 70ff.;
Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163; Helbig, H., Der
wettinische Ständestaat, 1955, 204
Burghausen
Lit.: Leidl, G., Rechtsgeschichte der Stadt Burghausen an der Salzach,
1960
Burglehen ist das eine Burg betreffende Lehen, das den
Burgmann zur Burghut verpflichtet. Es findet sich vom 12. bis zum 15. Jh. Der
sich festigende Territorialstaat drängt das B. zurück.
Lit.: Klebel, E., Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960;
Spiess, K., Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978
Burgrecht erscheint seit der ersten
Jahrtausendwende als Lehnübersetzung (ahd. burgreht) des lateinischen ius (N.)
civile. In Süddeutschland bezeichnet es seit 1167 eine Landleihe zu freiem
Erbzins (und in Österreich auch den Rentenkauf). Daneben findet es sich etwas
später als Benennung des →Stadtrechts und des →Bürgerrechts.
Lit.: Köbler, DRG 104; Winiarz, A., Erbleihe und
Rentenkauf in Österreich im Mittelalter, 1906; Fischer, H., Burgbezirk und
Stadtgebiet im deutschen Süden, 1956; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss.
jur. Göttingen 1964; Illichmann, E., Recht und Besitz der Bauern und
Hintersassen des Mittelalters in Österreich, 1983
Bürgschaft (Wort 950 belegt) ist
der einseitig verpflichtende Vertrag zwischen einem Gläubiger eines Dritten und
einem →Bürgen, in dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger des Dritten
verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.
Bei den Römern ist die B. das wichtigste Mittel zur Sicherung einer Forderung.
Vermutlich verbürgen sich dabei (lat. [M.]) vas bzw. praes zunächst noch nicht
für die Leistung des Schuldners, sondern übernehmen nur eine Haftung dafür, den
Schuldner (oder eine Sache) zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zu stellen
(Gestellungsbürge). Erst aus der Verschmelzung dieser Einrichtung mit einem
Leistungsversprechen (lat. [F.] sponsio) erwächst der (Leistungs-)Bürge (lat.
[M.] adpromissor, sponsor, fidepromissor, fideiussor [1. Jh. v. Chr.]). Die
Verpflichtung des Bürgen als eines Nebenschuldners ist vom Bestand der
Hauptschuld abhängig. Für das deutsche Recht steht ebenfalls die Herkunft der
B. nicht sicher fest (Pfandrecht?, Gestellung zwecks Vermeidung der Festnahme
des Schuldners?). Im späten Mittelalter tritt die B. gegenüber dinglichen
Sicherheiten zurück. Teils haftet der Bürge dem Gläubiger ausschließlich, teils
haftet auch der Schuldner. Verschiedentlich haften beide gesamtschuldnerisch.
Zuerst begegnet die heutige Gestaltung, dass der Schuldner primär und der Bürge
grundsätzlich nur subsidiär haftet (Einrede der Vorausklage), in Norddeutschland.
Während nach dem Code civil Frankreichs von 1804 und dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 die Bürgschaftserklärung keiner
Form bedarf, verlangen das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das
Obligationenrecht der Schweiz (1881) und das Bürgerliche Gesetzbuch
Deutschlands (1900, vgl. §§ 1346ff. ABGB) Schriftform der Bürgschaftserklärung.
Aus dem Recht des leistenden Bürgen gegen den Gläubiger auf Abtretung der
Hauptforderung im gemeinen Recht (lat. beneficium [N.] cedendarum actionum,
Wohltat der abzutretenden Klagansprüche) entsteht ein gesetzlicher Forderungsübergang
(Legalzession).
Lit.: Kaser §§ 50, 57; Hübner 508; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 44, 74, 128; Beyerle, F., Der Ursprung der Bürgschaft, ZRG GA 47
(1927), 567; Kaufmann, E., Die Bürgschaft im Recht des Ingelheimer Oberhofes,
ZRG GA 74 (1957), 199; Martin, R., Das Bürgschaftsrecht Nord- und
Ostdeutschlands, Diss. jur. Frankfurt am Main 1960; Eggert, R., Die Bürgschaft
im süddeutschen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Mückenheim, U., Die
Bürgschaft in den Lübecker Ratsurteilen, Diss. jur. Hamburg 1964; Ogris, W.,
Die persönlichen Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140ff.;
Reimer, K., Treuhandbürgschaft und Sicherungsbürgschaft, ZRG GA 85 (1968),
194; Les sûretés personelles, 1971; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht in
historischer Sicht, 1974; Feenstra, R., Die Bürgschaft, Rec. Soc. J. Bodin 28
(1974), 295; Walliser, P., Die Amtsbürgschaft im schweizerischen Recht, ZRG GA
96 (1979), 100; Maier, K., Die Bürgschaft in süddeutschen und schweizerischen
Gesetzbüchern des 16.-18. Jahrhunderts, 1980; Hoppe, C., Die Bürgschaft im
Rechtsleben Hamburgs, 1997; Jenks, S., Die Bürgschaft im mittelalterlichen
englischen Strafrecht, Diss. phil., Berlin 1998; Kowolik, Y., Interzessionen
von Nahbereichspersonen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Burgund (franz. Bourgogne) ist zunächst die von den
→Burgundern in der Völkerwanderung besiedelte Landschaft (zwischen 400
und 436 Mainz bis Worms, nach 436 [Niederlage gegen Römer oder Hunnen?] bzw.
443 um Genf und Lyon). 534 gelangt B. an die Franken und ist zweitweise ein
fränkisches Teilreich. 843 wird das Gebiet entlang der Saône zwischen westfränkischem
Reich und lotharischem Reich geteilt. 879 entsteht ein Königreich B.
(Niederburgund), das von dem 888 errichteten Königreich B. (Hochburgund) um
931/933 bzw. 950 aufgesogen wird und mit diesem einschließlich der Grafschaft
B. (Franche-Comté) 1032/1033 an das Deutsche Reich fällt. Das westlich der
Saône entwickelte, 963 an die →Kapetinger gelangte Herzogtum B. gewinnt
im 14. und 15. Jh. große Bedeutung (1363 Philipp der Kühne, Erweiterung um
Flandern, Artois, Rethel, Nevers, Freigrafschaft, Brabant, Limburg, Hennegau,
Holland, Seeland), bis es über Maria von B. 1477/1482 großteils (Niederlande,
Franche-Comté) an die →Habsburger kommt (und dort von 1512 bis 1806 den
burgundischen Reichskreis bildet), in seinem Kern (Herzogtum B. und Pikardie)
aber 1493 →Frankreich zugeschlagen wird. Das übrige B. wird zwischen 1674
und 1678 (Freigrafschaft) von Frankreich erobert. 1459 werden die Coutumes
générales du Comté de Bourgogne aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 76, 129; Köbler, Historisches
Lexikon; Seignobos, C., Le régime féodal en Bourgogne, 1882; Stouff, L., Les
origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en 1469, 1901;
Poupardin, R., Le royaume de Bourgogne (888-1038), 1907; Walther, A., Die
burgundischen Zentralbehörden, 1909; Chaume, M., Les origines du duché de
Bourgogne, Bd. 1ff. 1925ff.; Richard, J., Les ducs de Bourgogne, 1954; Hoke,
R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79 (1962), 106; Vaughan, R., Philip the
Bold, 1962, 2. A. 1979, 3. A. 2002; Vaughan, R., Philip the Good, 1970, 2. A.
2002; Boehm, L., Geschichte Burgunds, 1971, 2. A. 1979 bzw. 1998; Vaughan, R.,
Charles the Bold, 1973, 2. A. 2002; Rompaey, J. van, De grote raad van de
hertogen van Borgondië, 1973; Die Urkunden der burgundischen Rudolfinger,
bearb. v. Schieffer, T., 1977; Jeanclos, Y., L’arbitrage en Bourgogne et en
Champagne, 1977; Bart, J., La liberté ou la terre, 1984; Pridat, H., Nicolas
Rolin, 1995; Esders, D., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum,
1997; Schnerb, B., L’état bourguignon 1363-1477, 1999; Ehm, P., Burgund und das
Reich, 2002; Gresser, P./Richard, J., La gruerie du comté de Bourgogne aux XIV
et XVe siècles, 2004; Hofordnungen der Herzöge von Burgund, hg. v. Kruse, H. u.
a., Bd. 1 2005; Godding, P., La législation ducale en Brabant sous le règne de
Philippe le Bon, 2006; Oschema, K., Freundschaft und Nähe im
spätmittelalterlichen Burgund, 2006; Kamp, H., Burgund, 2007; Kraume, H.,
Glanzvolles Burgund, 2010; Bourgondië
vorbij – De Nederlanden 1250-1650, hg.v. Damen, M. u. a., 2010; Karl
der Kühne von Burgund, hg. v. Oschema, K. u. a., 2012; Paravicini, W., Colleoni
und Karl der Kühne, 2014; Berlin, A., Magie am Hofe der Herzöge von Burgund –
Aufstieg und Fall der Grafen von Étampes, 2016
Burgunder oder Burgunde ist der Angehörige
eines (vielleicht) von der Ostsee (vielleicht Bornholm) über die Oder und
Weichsel (um 57 n. Chr. bei Plinius dem Älteren und um 150-170 n. Chr. bei
Ptolemäus erwähnt) an den mittleren Rhein gelangten ostgermanischen Volkes. Das
Recht der B. ist in der →Lex Burgundionum bzw. →Lex Romana
Burgundionum überliefert. Von der vielleicht im 7. oder 8. Jahrhundert untergegangenen
Sprache ist möglicherweise außer dem Namen nichts sicher bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 57, 75, 86; Jahn,
A., Geschichte der Burgundionen und Burgunder, 1874; Saleilles, R., De
l’établissement des Burgundes, 1891; Kienast, W., Studien über die
französischen Volksstämme des Frühmittelalters, 1968, 23; Perrin, O., Les
Borgondes, 1968; Favrod, J., Les Burgondes, 2002; Kaiser, R., Die Burgunder,
2004
Burgundio von Pisa ist ein seit 1136 erwähnter Übersetzer
griechisch geschriebener Digestenstellen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 242
Burgus (M.) bezeichnet als lateinisches
Lehnwort wohl aus dem Germanischen (str.) seit dem 2. Jh. n. Chr. ein kleines
Kastell, danach (5. Jh.) allgemeiner eine Siedlung. Im frühen Mittelalter ist
es teils die an eine (lat. [F.]) civitas angelehnte, teils unabhängige Siedlung.
Im Reich erscheint b. 1120 (Mühldorf am Inn). Der Bewohner heißt (lat. [M.])
burgensis (Frankreich 10. Jh., Spanien 11. Jh., Freiburg im Breisgau 1120).
Streitig ist, inwieweit b. oder burgum die Marktsiedlung und burgensis eine
besondere Art von →Bürger anzeigt. Im 14. Jh. schwindet b. wieder.
Lit.: Beyerle, F., Zur Typenfrage in der Stadtverfassung,
ZRG GA 50 (1930), 1ff,.; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt,
1953, 3. A. 1981; Schlesinger, W., Burg und Stadt, (in) Mitteldeutsche
Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2 1963, 124; Köbler, G.,
Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964; Werveke, H. van, Burgus, 1965
Burgward (lat. burgward[i]um, 961) ist vor allem in der
frühhochmittelalterlichen Zeit der Ostsiedlung das Gebiet um die befestigte
Siedlung (→Burg) als Verteidigungsbereich und Verwaltungsbereich (z. B.
Biederitz, Möckern, Magdeburg, Frohse, Barby, Calbe an der Saale, Haldensleben,
Wanzleben, Unseburg, 1. H. 11. Jh. Merseburg, Ritteburg, Wallhausen, Sulza).
Lit.: Knüll, B., Die Burgwarde, Diss. phil. Tübingen
1895; Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke, (in) Mitteldeutsche Beiträge zur
deutschen Verfassungsgeschichte, 1961, 158; Billig, C., Die Burgwardorganisation
im obersächsisch-meißnischen Raum, 1989
Burgwerk ist im Frühmittelalter die Verpflichtung zur
Unterhaltung von Burgen und ähnlichen Befestigungsanlagen. Im Hochmittelalter
begegnet hauptsächlich die Befreiung hiervon.
Lit.: Schlesinger, W., Burgen und Burgbezirke (in Mitteldeutsche
Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 158ff.
Bürokratie (F.) ist die durch hauptberuflich
tätiges, fachlich ausgebildetes Personal bzw. durch Trennung von Amt und Person
bzw. durch Regelgebundenheit und durch Schriftlichkeit aller wesentlichen
Amtsvorgänge gekennzeichnete Verwaltungsgestaltung. Sie wird gedanklich in
der Mitte des 18. Jh.s erfasst. Der frühe Liberalismus lehnt die B. ab, Max
Weber versachlicht die Bedeutung des Wortes.
Lit.: Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 5. A. 1986;
Wunder, B., Geschichte der Bürokratie in Deutschland, 1986; Süle, T.,
Preußische Bürokratietradition, 1988; Treichel, E., Der Primat der Bürokratie,
1991; Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Herrschaftsverdichtung,
Staatsbildung, Bürokratisierung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2011
Burschenschaft (1791) ist
der im frühen 19. Jh. (1813/1815) neben die älteren Landsmannschaften tretende,
national und liberal ausgerichtete Zusammenschluss (Verbindung) der Studenten
(1811 Jahn, F./Friesen, K., Ordnung zur Einrichtung von Burschenschaften, in
dem Gasthaus Grüne Tanne an der Saale in Jena 12. 6. 1815 unter Niederlegung
der landsmannschaftlichen Fahnen Urburschenschaft mit Einsatz für einen
deutschen Einheitsstaat, 1819 Verbot der Burschenschaften, geheime
Wirksamkeit, 1848/1849 150 Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung
Burschenschaftler, 1935 erzwungene Selbstauflösung der Deutschen B., 1950 wieder
begründet, im Jahre 2015 rund 1000 studentische Verbindungen).
Lit.: Bayer, E., Die Entstehung der deutschen
Burschenschaft, 1883; Quellen und Darstellungen zur Geschichte der
Burschenschaft, hg. v. Haupt, H., Bd. 1ff. 1910ff.; Brunck, H., Die deutsche
Burschenschaft, 1999; Roeseling, S., Burschenehre und Bürgerrecht, 1999; ein
großes Ganzes, hg. v. Brunck, H. u. a., 2011; Schermaul, S., Der Prozess gegen
die Leipziger Burschenschaft 1835-38, 2015; Deutschland immer gedient zu haben
ist unser höchstes Lob. Zweihundert Jahre deutsche Burschenschaften. Eine
Festschrift, hg. v. Lönnecker, H., 2015
Bursprake ist in Norddeutschland im Hochmittelalter und
Spätmittelalter (im Mittelniederdeutschen) die Versammlung der Nachbarn in
Stadt und Land. B. kann auch das dort verlesene oder geschaffene Recht
bezeichnen (z. B. Lübeck, Wismar). Verschiedentlich gewinnt die B.
gerichtliche Befugnisse.
Lit.: Bolland, J., Zur städtischen Bursprake im hansischen Raum, ZLGA
36 (1956), 96
Bußbuch ist das ein System kirchlicher
→Bußen für Sünden enthaltende Buch ([→lat.] →Paenitentiale,
liber paenitentialis). Es erscheint seit dem 6. Jh. in Irland und England
([lat.] Iudicia [N.Pl.] Cummeani, Kolumban, (lat.) Liber [M.] de poenitentiarum
mensura taxantium, Theodor von Canterbury, [lat.] Canones [M.Pl.]), bald danach
mit der irischen Mission auf dem Festland (rund 400 Handschriften, u. a. Buch
19 von →Burchard von Worms, Decretum). Im 13. Jh. tritt an die Stelle des
Bußbuchs die (lat.) Summa (F.) confessorum (Summe der Bekenner) der
→Beichtstuhljurisprudenz.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wasserschleben, E., Die
Bußordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, H., Die Bußbücher und
die Bußdisziplin der Kirche, 1888; Schmitz, H., Die Bußbücher und das
kanonische Bußverfahren, 1898; Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuarienses, 1929; Spindler, E., Das altenglische Bußbuch, 1934; Bieler, L.,
The Irish Penitential, 1963; Vogel, C., Les libri poenitentiales, 1978; Kottje,
R., Die Bußbücher Halitgars von Cambrai und des Hrabanus Maurus, 1980;
Körntgen, L., Studien zu den Quellen der frühmittelalterlichen Bußbücher, 1993;
Kottje, R., Bußbücher in mittelalterlichen Bibliotheksverzeichnissen, Sacris
erudiri 45 (2006), 305ff.; Meens, R., Penance in Medieval Europe 600-1200, 2014
Buße ist ursprünglich der Ausgleich eines Unrechtserfolges
durch eine Leistung an den Verletzten zum Zweck der Besserung seiner Lage. Sie
ist dem römischen Recht als die Geldsumme bekannt, mit der anfangs (in festen
Sätzen) das vergeltende Racherecht des Verletzten etwa bei Körperverletzung
oder Sachbeschädigung abgelöst wird (lat. [F.] poena). Die (lat. [F.] lex
Aquilia stellt auf den Wert der beschädigten Sache ab. In der
jüdisch-christlichen Kirche ist die Buße die Abwendung von einer sündhaften
Vergangenheit. Tacitus bezeugt sie für die Germanen, bei denen ein Teil der B.
auch an die Allgemeinheit fällt. In den →Volksrechten des
Frühmittelalters wird ein ganzes System von mehreren Zielen dienenden Bußen
(lat. compositiones) festgehalten (→Kompositionensystem), zu dem
insbesondere auch das →Wergeld gehört. Ihnen entsprechen die Bußen der
→Bußbücher. Dieses Bußensystem wird seit dem Hochmittelalter durch die
→Strafe zurückgedrängt, wobei die öffentliche Buße etwa im Bistum
Konstanz noch im 15. und frühen 16. Jh. erkennbar ist. (vgl. auch noch § 1497
sächsisches BGB von 1863). Die Leistung an den Verletzten wird mehr und mehr
als →Schadensersatz verstanden. B. wird aber teils als an den Verletzten,
teils als an den Staat (für Ordnungswidrigkeiten) zu erbringende Geldleistung
weiter fortgeführt, wobei eine an eine Gemeinschaft zu leistende B. öfter gemeinsam
vertrunken wird. Das Reichsstrafgesetzbuch des deutschen Reiches von 1871
kennt (neben der Strafe) die Zahlung einer B. für Beleidigungen und Körperverletzungen
in den §§ 188, 231 StGB (in der Deutschen Demokratischen Republik bis 1968, in
der Bundesrepublik Deutschland bis 1974). Ähnliche Regeln enthalten das Urhebergesetz,
das Patentgesetz und das Markenschutzgesetz bis 1965/1974.
Lit.: Kaser §§ 35, 50; Söllner § 8; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 43ff., 2, 207ff.; Waechter, C. v., Die Buße bei Beleidigungen
und Körperverletzungen, 1874; Dochow, A., Die Buße im Strafrecht und
Strafprozess, 1875; Dohna, A. zu, Die Stellung der Buße im reichsrechtlichen
System des Immaterialgüterschutzes, 1902; Pappenheim, M., Scheinbuße und
Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; His, R., Geschichte des deutschen
Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967, 95; Weisweiler, J., Buße,
ZRG GA 51 (1931), 541; Vogel, C., Le pécheur et la pénitence, 1969; Rüping, H.,
Geldstrafe und Buße, Z. f. s. ges. StW 85 (1973), 672; Hattenhauer, H., Über
Buße und Strafe, ZRG GA 100 (1983), 53; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und
zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1ff.; Mansfield, M., The
Humiliation of Sinners, 1995; Hamilton, S., The Practice of Penance, 2001;
Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, 2003 (ungedr.
Habilitationsschrift); Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Bußgeld ist in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s die an den Staat zu erbringende Geldleistung für eine Ordnungswidrigkeit.
Bussi, Emilio (13. 4. 1904-Rom 14. 11. 1997) wird
nach dem Studium des Rechtes 1940 Professor in Cagliari, 1958 in Modena und
widmet sich zunächst dem gemeinen Recht (La formazione dei dogmi di diritto nel
diritto comune, Bd. 1f. 1937ff.), danach dem Heiligen Römischen Reich der
frühen Neuzeit (Il diritto pubblico del Sacro Romano Impero, Bd. 1f. 1957ff.
Lit.: Dilcher, G., Nachruf ZRG GA 116 (1999), 707ff.
Buteil ist im Frühmittelalter die
grundherrschaftliche Abgabe beim Erbfall. Sie besteht teils in der Hälfte des
Viehs, teils im →Besthaupt. Sie schwindet schon am Ende des
Frühmittelalters.
Lit.: Hübner 676; Kroeschell, DRG 1, 2
Büttel ist der gebietende Mensch, insbesondere
der Gerichtsdiener. Er lädt, verhaftet, pfändet und vollstreckt häufig auch
eine Strafe. Wegen des niedrigen Ansehens wird die Bezeichnung im 19. Jh.
aufgegeben. →Gerichtsvollzieher
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Angstmann, E., Der Henker
in der Volksmeinung, 1928; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953; Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991; Metzke, H.,
Zur lokalen und sozialen Mobilität der Amts- und Gerichtsdiener im 17./18.
Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 412; Pauser, J., Der Zwettler Gerichtsdiener,
2002
Butzbach
Lit.: Bachmann, B., Die Butzbacher Stadtrechnungen im
Spätmittelalter, 2011
Bützow ist von 1760 bis 1789 Sitz einer von Rostock
abgeteilten Universität.
Lit.: Asche,
M., Von der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen
Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008
Buxtehude
Lit.: Schindler, M., Buxtehude, 1959
Bynkershoek (Bijnkershoeck), Cornelis van (Middelburg/Seeland
29. 5. 1673-Den Haag 16. 4. 1743) wird nach dem Rechtsstudium in Franeker
Anwalt in Den Haag und 1704 Richter des Hoge Raad van Holland en Zeeland (1723
Präsident). In seiner Dissertation (lat.) De dominio maris (1703, Über das
Eigentum am Meer) begründet er für den Landesherrn das Eigentum vor der
jeweiligen Küste, soweit es mit Waffen beherrscht wird. Seine (lat.) Observationes
(F.Pl., Beobachtungen) zu vielen Verfahren sind seit 1923 veröffentlicht.
Lit.: Star Numan, O., Cornelis van Bynkershoek, 1869;
Krikke, A./Faber, S., Cornelis van Bynkershoek, (in) Zestig juristen, 1987,
141; Bergh, C. van den, Der Präsident Cornelis van Bijnkershoek, Zs. f. europ.
Privatrecht 3 (1995), 423
Byzantinisches Recht ist das in Ostrom (Byzanz) gepflegte römische
Recht in griechischer Sprache auf der Grundlage der Kompilationstätigkeit
Kaiser Justinians (527-565). Wichtigste Werke sind Theophils Paraphrase der
Institutionen, Nomos georgikos, Nomos nautikos (Ende 9. Jh.s), Eisagoge,
Prochiron 907, eparchikon biblion (nach 907), Ekloge ton nomon (941), 113
Novellen Kaiser Leon VI., Basiliken (888?) mit Scholien (11. Jh.) und
Kurzfassungen (z. B. synopsis Basilicorum 10. Jh.), Peira (M. 11. Jh.),
Nomokanones, Tipukitos (12. Jh.), Hexabiblos (14. Jh., endgültig erst durch das
Zivilgesetzbuch Griechenlands von 1946 abgelöst).
Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal, H. v., Bd.
1ff. 1856ff.; Zachariae von Lingenthal, H. v., Geschichte des
griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Jus Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J.
u. a., Bd. 1ff. 1931ff.; Wenger. L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953;
Simon, D., Rechtsfindung am byzantinischen Reichsgericht, 1973; Beck, H.,
Nomos, Kanon und Staatsräson in Byzanz, 1981; Van der Wal, N. u. a., Historiae
iuris graeco-romani delineatio, 1985; Schminck, A., Studien zu
mittelbyzantinischen Rechtsbüchern, 1986; Simon, D., Die Epochen der
byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73ff.; Das Eparchenbuch
Leons des Weisen, hg. v. Koder, J., 1991; Burgmann, L. u. a., Repertorium der
Handschriften des byzantinischen Rechts, Bd. 1f. 1995ff.; Letsios, D., Nomos
Rhodiôn nautikos, 1996; Burgmann, L., Das byzantinische Recht und seine
Einwirkung auf die Rechtsvorstellung der Nachbarvölker, Südosteuropa-Jahrbuch
26 (1996), 277ff.
Byzanz ist die nach einem sagenhaften
Gründer Byzas benannte, 326/330 von dem römischen Kaiser Konstantin von
Byzantion in Konstantinopel umbenannte Stadt am Bosporus, die 395 Hauptstadt
des östlichen Teiles des römischen Weltreichs wird und damit zugleich für das
von hier aus beherrschte (oströmische) Reich. Der von Kaiser Justinian
(527-565) unternommene Versuch, die weströmischen Gebiete zurückzugewinnen,
bleibt ohne nachhaltige Wirkung in dem seit Herakleios (610-41) verstärkt
griechisch geprägten Land. Vielmehr wird das byzantinische Reich, das um 800
etwa 10 Millionen Einwohner gehabt haben könnte, in der Folge von Persern,
Arabern und Bulgaren nachhaltig bedroht und verliert nach der kirchlichen
Trennung der griechisch-orthodoxen Kirche von der katholischen Kirche (1054)
1176 im Kampf gegen die Rum-Seldschuken seine Stellung als Großmacht. Nach der
Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer (1203/4) wird das byzantinische
Reich unter die Venezianer und die übrigen Kreuzfahrer aufgeteilt. Osmanen,
Serben und Bulgaren bedrohen den verbleibenden Rest von mehreren Seiten. Mit
der Eroberung Konstantinopels am 29. 5. 1453 durch die Osmanen endet B. bzw.
das Byzantinische Reich.
Lit.: Zachariae von Lingenthal, K., Geschichte des
griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892; Neudruck 1955; Krumbacher, K.,
Geschichte der byzantinischen Literatur, 1897; Ball, H., Byzantinisches Christentum,
hg. v. Wacker, B., 2011; Karajannis, C., Die Zentralverwaltung des
mittelbyzantinischen Reiches, 1949; Ohnsorge, W., Das Zweikaiserproblem im
früheren Mittelalter, 1947; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes,
1953; Pieler, P., Byzantinische Rechtsliteratur, (in) Handbuch der
Altertumswissenschaft, XII, 5, 2, 1978, 343; Ohnsorge, W., Abendland und
Byzanz, 1979 (Aufsätze); Beck, H., Das byzantinische Jahrtausend, 2. A. 1994;
Winkemann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985; Simon, D., Epochen
der byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Schreiner, P.,
Byzanz, 2. A. 1994, 3. A. 2007, 4. A. 2011; Simon, D., Die Epochen der
byzantinischen Rechtsgeschichte, Ius commune 15 (1988), 73; Wirth, P.,
Grundzüge der byzantinischen Geschichte, 2. A. 1989; Ostrogorsky, G.,
Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, 3. A. 1996; Cutler, A./Spieser, J., Das
mittelalterliche Byzanz, 1997; Haldon, J., Byzantium in the Seventh Century,
1997; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Norwich, J., Byzanz, 1998;
Lilie, R., Byzanz, 1999; Avenarius, A., Die byzantinische Kultur und die
Slawen, 2000; Matschke, K./Tinnefeld, F., Die Gesellschaft im späten Byzanz,
2000; Matschke, K. u. a., Die Gesellschaft im späten Byzanz, 2001; Haldon, J., Das
byzantinische Reich, 2002; Brandes, W., Finanzverwaltung in Krisenzeiten, 2002;
Regesten der Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v.
Dölger, F., 2. A. 2003; Lilje, R., Byzanz, 2003; Lilie, R., Byzanz und die
Kreuzzüge, 2004; Der Beitrag der byzantinischen Gelehrten zur abendländischen
Renaissance des 14. und 15. Jahrhunderts, hg. v. Konstantinou, E., 2006; Lilie,
R., Einführung in die byzantinische Geschichte, 2007; Encyclopaedic
Prosopographical Lexicon of Byzantine History and Civilisation, hg. v.
Savvides, A. u. a., 2007ff.The Cambridge History of the Byzantine Empire, hg.
v. Shepard, J., 2008; The Oxford Handbook of Byzantine Studies, hg. v.
Jeffreys, 2008; Meier, N., Anastasios I. Die Entstehung des byzantinischen
Reiches, 2009; Sommer, A., Die Münzen des byzantinischen Reiches 491-1453,
2010; Schreiner, P., Byzanz zwischen Systematisierung und Atomisierung, HZ 292
(2011), 425; Trade and Markets in Byzantium, hg. v. Morrion, C., 2012;
Authority in Byzantium, hg. v. Armstrong, P., 2013; Byzanz, hg. v. Damals,
2014; Schreiner, P., Prosopographie und Gesellschaft (in) HZ 300 (2015) 103
C
Caccialupus,
Johann Baptista
ist ein in San Severino in der Mark Ancona um 1420 geborener, in Perugia
ausgebildeter, seit 1452 in Siena lehrender Jurist (Tractatus de modo studendi
in utroque iure, De modis arguendi, consilia).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 849
Caemmerer, Ernst von (Berlin 17. 1.
1908-Freiburg im Breisgau 23. 6. 1985), Historikerssohn, wird nach dem Studium
des Rechtes in München und Berlin und der Promotion (1931, Martin Wolff)
Assistent und Referent am Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales
Privatrecht in Berlin (Ernst Rabel) sowie nach der Habilitation in Frankfurt am
Main (1946 Walter Hallstein) 1947 Professor in Freiburg im Breisgau. Er wird
sehr bedeutsam für die Rechtsvergleichung.
Lit.: Festschrift Ernst von Caemmerer, 1978
Caepolla,
Bartholomäus ist
ein in Verona um 1420 geborener, in Bologna und Padua ausgebildeter, 1445
promovierter, in Padua, Ferrara, Verona und Padua lehrender, 1475 oder 1477
verstorbener Jurist (De servitutibus, cautelae Caepollae, De contractibus
emptionum et locationum, De imperatore militum deligendo, consilia).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 843
Caesar (Cäsar), Gaius Iulius (Rom 13. 7.
100–Rom 15. 3. 44 v. Chr.), Neffe des Marius, wird nacheinander Quästor, Ädil,
Prätor und Konsul. Zwischen 58 und 51 v. Chr. erobert er Gallien, wobei er auch
den Rhein überschreitet und auf die britischen Inseln übersetzt. Nach einem
erfolgreichen Bürgerkrieg wird er im Februar 44 Diktator auf Lebenszeit. An den
Iden des März wird er ermordet. Durch ihn endet die römische Republik.
Literarisch bedeutsam sind seine Kommentare über den gallischen Krieg, die auch
über die Germanen berichten.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CaesarGaiusIuliusCommentariiDeBelloGallicoLiberI.htm;
Köbler, DRG 32, 66; Caesar, Der gallische Krieg - Bellum Gallicum - lateinisch-deutsch
6. A. 2011; Caesar, Der Gallische Krieg, hg. v. Schönberger, O., 4. A.
2013;Gelzer, M., Caesar, 1921, Neudruck 1983, m. Einführung v. Baltrusch, E.,
2008; Walser, G., Caesar und die Germanen, ZRG GA 57 (1974), 275; Meier, C.,
Caesar, 1982; Julius Caesar, 1992; Christ, K., Caesar, 1994; Jehne, M., Caesar,
1997; Etienne, R., Jules César, 1997; Canfora, L., Caesar, 2001; Zecchini, C.,
Cesare e il mos maiorum, 2001; Baltrusch, E., Caesar und Pompeius, 2004, 2. A.
2010; Dahlheim, W., Julius Cäsar, 2005, 3. A. 2011; Caesar, hg. v. Baltrusch,
E., 2007; Will, W., Veni, vidi, vici. Caesar und die Kunst der
Selbstdarstellung, 2008; Will, W., Caesar, 2009; Jehne, M., Der große Trend,
2009; Meier, M., Caesar und das Problem der Monarchie in Rom, 2014; Meier, C.,
Die Ohnmacht des allmächtigen Dictators Caesar, 2015; Strauss, B., Die Iden des
März, 2016; Schauer, M., Der gallische Krieg, 2016
Cahier (M.) de doléances ist das vielleicht schon auf
hochmittelalterliche Ansatzpunkte zurückgehende, seit 1427 in ersten Anfängen,
1484 in gedruckter Form erkennbare „Beschwerdeheft“ der ständischen Delegierten
der Generalstände (états généraux) in Frankreich.
Lit.: Marion, M., Dictionnaire des institutions de la
France, 1923, 66
Calenberg ist ein sächsisch-welfisches
Teilfürstentum Braunschweig-Lüneburgs, das in verwickelten Nachfolgen im Land
→Hannover und damit über Preußen (1866) in Niedersachsen (1946) aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Spieß, W., Die
Großvogtei Calenberg, 1933; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960; Das
Calenberger Hausbuch von 1592, bearb. v. Lathwesen, H., 1980
Calonius →Turku
Calvin, Johannes (Jean) (Noyon 10. 7.
1509-Genf 27. 5. 1564) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans und Bourges
(1528-1532) und dem Lizentiat in Paris Anhänger der Reformation Martin
→Luthers (1533 Flucht aus Frankreich) und beeinflusst von Genf aus Europa
von Schottland bis Siebenbürgen. Sein Hauptwerk ist die (lat.) Institutio (F.)
religionis christianae (Einrichtung der christlichen Religion, 1536, Endfassung
1559). Der von ihm begründete Calvinismus wirkt sich vor allem wegen der
Verbindungen mit dem Humanismus und der positiven Haltung gegenüber der humanistischen
Ethik (über Hugo Donellus und Dionysius Gothofredus) auf die Entstehung des
weltliche Machtansprüche der Kirche und die Unterscheidung von Klerikern und
Laien ausschließenden öffentlichen Rechtes und auf Gedanken der
→Demokratie und des →Widerstandsrechts sowie subjektiver Rechte auf
Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und Achtung der Menschenwürde
bedeutsam aus.
Lit.: Köbler, DRG 153; Schulthess-Rechberg, G. v.,
Luther, Zwingli und Calvin in ihren Ansichten über das Verhältnis von Staat und
Kirche, 1909; Bohatec, J., Calvin und das Recht, 1934; Müller, W., Church and
State in Luther and Calvin, 1954; Pfisterer, E., Calvins Wirken in Genf, 1957;
Staedtke, J., Johannes Calvin, 1969; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Die Schüler Calvins in der Diaspora, hg. v. Lüthi, K.
u. a., 1989; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v. Schaab, M., 1993; Naphy,
W., Calvin, 1994; Spijker, W. v., Calvin, 2001; Heise, V., Der calvinistische
Einfluss auf das humanistische Rechtsdenken, 2004; Persecution and Pluralism,
hg. v. Bonney, R. u. a., 2006; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2007; Calvin
Handbuch, hg. v. Selderhuis, H., 2008; U., Der Fall Servet, 2014
Cambacérès, Jean-Jacques-Regis de (Montpellier
1753-1824), Bürgermeisterssohn, legt nach Tätigkeiten als Anwalt und Richter im
Zuge seiner Mitgliedschaft im Konvent (1792) bzw. im Wohlfahrtsausschuss (1794)
der französischen Revolution drei Entwürfe (1793, 1794, 1796/1797) für einen
→Code civil vor, die sich auch wegen seiner engen Verbindung zu Napoleon
maßgeblich auf den 1804 entstandenen Code civil Frankreichs auswirken.
Lit.: Papillard, F., Cambacérès, 1961
cambium (lat. [N.]) →Wechsel
Cambrai
Lit.: Meijers, E./Blécourt, A., Le droit coutumier de Cambrai, Bd. 1f.
1932ff.; Hüttebräuker, Cambrai, Deutschland und Frankreich 1308-1378, ZRG GA 59
(1939), 88
Cambridge am Fluss Cam ist seit 1066 Vorort
einer Grafschaft. Seit 1209 erwächst in C. aus der Abwanderung von Lehrern und
Studenten aus →Oxford eine Universität. In ihr entstehen 1284 weltliche
Studien. Kennzeichnend für den Grundsatz der Bildung durch persönlichen Umgang
sind die zahlreichen Colleges (1997 27, ca. 12000 Studenten).
Lit.: Emden, A., A biographical register of the
University of Cambridge, 1963; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; A
History of the University of Cambridge, hg. v. Leader, D. u. a., Bd. 1ff.
1988ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge, 2003
camerarius (lat. [M.]) →Kämmerer
Canon (lat.-griech. [M.], Regel,
Richtschnur, Norm) ist die einzelne Vorschrift in kirchlichen Rechtsquellen.
Hiervon leitet sich die Bezeichnung →kanonisches Recht ab.
Lit.: Köbler, LAW; Zechiel-Eckes, K., Die Concordia
canonum des Cresconius, 1992; Fowler-Magerl, L., Kanones. Ausgewählte
Kanonessammlungen außerhalb Italiens zwischen 1000 und 1140, 1998 (CD)
Canossa →Investiturstreit
Lit.: Weinfurter, S., Canossa, 2006; Canossa 1077, hg. v. Stiegemann,
C., 2006; Fried, J. Canossa, 2012; Canossa, hg. v. Hasberg, W. u. a., 2012;
Fried, J., Canossa - Entlarvung einer Legende, 2012 (Frieds Hypothese von
Stefan Weinfurter und Wilfried Hartmann als völlig abwegig eingestuft)
Cantiuncula (Chansonette), Claudius (Metz um 1490-Ensisheim
1549) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen und Basel von 1518 bis 1524 in Basel
Professor des weltlichen Rechtes und übernimmt danach verschiedene
Verwaltungsaufgaben und Gerichtstätigkeiten. Seine Schrift (lat.) De ratione
studii legalis paraenesis (1522) bietet erstmals einen Plan zur Verbesserung
des Rechtes in Deutschland nach den Grundsätzen des →Humanismus.
Lit.: Wieacker, F., Gründer und Bewahrer, 1959, 44;
Kisch, G., Die Anfänge der juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962,
355; Kisch G., Claudius Cantiuncula, 1970
Capella (F.) regia (lat. Hofkapelle) ist zunächst die
seit etwa 650 den Merowingerkönigen eigene Reliquie des Mantels des heiligen
Martin, danach der Gebetsraum der Königspfalz und schließlich die Gesamtheit
der mit dem König ziehenden Geistlichen (capellani [M.Pl.] Kapellane, bald auch
bei anderen Großen). Im ostfränkischen Teilreich wird 965 der Erzbischof von
Mainz Erzkaplan und die Hofkapelle zum personalen Ausgangspunkt des
ottonisch-salischen →Reichskirchensystems. Mit dem →Investiturstreit
verliert die c. r. ihre darauf gegründete Bedeutung, bleibt aber als solche bis
1806 bestehen.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, Bd. 1f. 1959ff.
Capitaneus (lat. [M.], zu lat. [N.] caput,
Haupt) ist allgemein eine Bezeichnung für eine hervorragende Person, die z. B.
in Oberitalien (Lombardei bis Toskana) am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.)
für höhere (städtische) Adlige Verwendung findet (daneben auch in Schwaben,
Friesland oder Brandenburg).
Lit.: Köbler, LAW; Meyer, K., Die capitanei von
Locarno im Mittelalter, 1916; Stahl, B., Adel und Volk im Florentiner Dugento,
1968; Kamp, N., Konsuln und Podestà, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und
städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; La vassallità maggiore del Regno Italico, hg. v. Castagnetti, A., 2001
capitis deminutio (lat. [F.]) Herabsetzung der
Rechtspersönlichkeit abgestuft bezüglich der Freiheit, des römischen
Bürgerrechts oder der Familienzugehörigkeit im römischen Recht
capitula (lat. [N.Pl.]) Kapitel (N.Pl.)
Capitula (N.Pl.) Angilramni sind die mit mehr als 230 Zitaten in zwei
Dutzend der wichtigsten Kirchenrechtssammlungen zwischen etwa 850 und 1150 am
stärksten rezipierte Fälschung Pseudoisidors und bilden eine wichtige Grundlage
für das kirchliche Strafprozessrecht bis zur Gegenwart.
Lit.: Schon, K., Die Capitula Angilramni. Eine prozessrechtliche
Fälschung Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt
Pseudoisidors. Die Collectio Danieliana, 2006
Capitula (N.Pl.) Remedii (lat.) sind die im Südwesten des
fränkischen Reiches um 800 erfolgte verkürzende Aufzeichnung des spätrömischen
Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 81; Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953
capitulare →Kapitular
Capitulare (N.) de villis (lat.), Kapitular über Königshöfe,
ist das in einer Handschrift des zweiten Viertels des 9. Jh.s abschriftlich
überlieferte, in 70 Kapitel eingeteilte (berühmteste) Kapitular Karls des
Großen aus dem letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, das zur Beseitigung von
Missständen die Verwaltung der Königshöfe des gesamten fränkischen Reiches
ordnen will (Forst, Ackerbau, Viehzucht, Weinbau, Gärten, Handwerk,
Haushaltung, Rechnungslegung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Capitularedevillis795deutsch.htm;
Dopsch, A., Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1;
Mayer, T., Das Capitulare de villis, ZRG GA 79 (1962), 1; Brühl, C., Capitulare
de villis, 1971; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes,
1971; Tautscher, A., Betriebsführung und Buchhaltung in den karolingischen
Königsgütern, Vierteljahrschrift f. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 61
(1974), 1ff.
Capitulare (N.) Haristallense (lat., Kapitular von Herstal bei Lüttich) ist
das im März 779 auf einer Reichsversammlung geschaffene, in vielen jüngeren
Abschriften überlieferte, sich erstmals als (lat.) Capitulare (N.) bezeichnende
Kapitular. Es enthält kirchliche und weltliche Bestimmungen. Es versucht die
Einschränkung der Fehde.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareHaristallense779latein.htm;
Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte, DA 23 (1967),
273; Mordek, H., Karls des Großen zweites Kapitular von Herstal, DA 61 (2005),
1
Capitulare (N.) Saxonicum (lat., sächsisches Kapitular) ist
das nach streitiger Ansicht die →Capitulatio de partibus Saxoniae
mildernde, in zwei Handschriften überlieferte Kapitular Karls des Großen für
Sachsen vom 28. 10. 797.
L.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulareSaxonicum.htm;
Theuerkauf, G., Lex, Speculum, Compendium iuris, 1968; Springer, M., Die
Sachsen, 2004
Capitulatio (F.) de partibus Saxoniae (lat.) ist die in einer Handschrift
überlieferte, in Kapitel gegliederte, (nach?) 782 entstandene Anordnung Karls
des Großen gegenüber den unterworfenen, noch heidnischen Bräuchen (Verbrennen
der Hexe, Verbrennen der Leiche [archäologisch für das 8. Jh. kaum
nachgewiesen], Menschenopfer [nicht nachgewiesen]) anhängenden →Sachsen,
die auffälligerweise sehr häufig die →Todesstrafe androht. Vielleicht ist
ihr zweiter Teil erst 803 entstanden.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CapitulatiodepartibusSaxoniae.htm;
Die Eingliederung der Sachsen in das Frankenreich, hg. v. Lammers, W., 1970;
Schubert, E., Die Capitulatio pro partibus Saxoniae (in) Geschichte in der
Region, 1993, 3ff.; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Häßler, H., 1999;
Springer, M., Die Sachsen, 2004
Cappenberg
Lit.: Die Viten Gottfrieds von Cappenberg, hg. v.
Niemeyer, G. u. a., 2005
Capua
Lit.: Le pergamene di Capua, hg. v. Mazzoleni, J, Bd.
1f. 1957ff.
Carbonaria silva (lat. [F.] Kohlenwald, Erstbeleg 388 n. Chr.
bei Sulpicius Alexander) ist der im Frühmittelalter als Grenze bedeutsame Wald
von südlich der Sambre bis etwa der Gegend von Löwen. Aus den im (lat.) Pactus
(M.) legis Salicae (Tit. 47) genannten unterschiedlichen Fristen wird
geschlossen, dass die Aufzeichnung erst nach 507 erfolgt ist, weil erst zu
dieser Zeit das Gebiet jenseits der Loire Teil des Reiches der Franken wird. Im
8. Jh. verliert der Wald auch durch Rodungen seine Bedeutung.
Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1997
Cardiff am Taff in Wales ist 75 n. Chr.
Sitz eines römischen Lagers. 1350 gewinnt es Stadtrecht. 1883 erhält es eine
Universität.
Carmer, Johann Heinrich Casimir von (Bad
Kreuznach 29. 12. 1721-Gut Rützen im Kreis Guhrau 23. 5. 1801), reformierter
Hofratssohn aus ursprünglich niederländischer Familie, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena und Halle 1749 Kammergerichtsreferendar in Preußen, 1763
Präsident der Oberamtsregierung Breslau, 1768 Chefpräsident sämtlicher
Oberamtsregierungen in Schlesien und 1779 als Folge der Müller-Arnold-Prozesse
Großkanzler und Erster Minister des Justizdepartements (bis 1795). Infolge
seines Wirkens wird 1781 das Prozessrecht im (lat.) →Corpus (N.) iuris
Fridericianum ([Friedrichsches Rechtskorpus,] Erstes Buch, 1793 überarbeitet in
der Form der Allgemeinen Gerichtsordnung) neu geordnet und vor allem durch
Svarez die Entstehung des →Allgemeinen Landrechts entscheidend gefördert.
Lit.: Köbler, DRG 140; Thieme, H., Die preußische
Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 362; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Houwald, G. Frhr. v., Ahnen und Enkel des Johann
Heinrich Casimir Graf von Carmer, 1977
Carolina (lat. [F.]) →Constitutio
Criminalis Carolina
Carpzov, Benedikt (Wittenberg 27. 5.
1595-Leipzig 30. oder 31. 8. 1666), Sohn eines gleichnamigen Professors der
Rechte in Wittenberg, wird nach dem Rechtsstudium in Jena, Leipzig und
Wittenberg (Wittenberg 1618 Promotion) 1620 Mitglied des Leipziger
Schöffenstuhls, 1644 Hofrat in Dresden, 1644/1645 Professor in Leipzig und 1653
Geheimer Rat in Dresden. In seiner auf sächsische Urteile wie gemeinrechtliche
Lehre gegründeten (lat.) Practica (F.) nova imperialis Saxonica rerum
criminalium (1635, 9. A. 1695, 12. A. 1751, Neue kaiserlich-sächsische Praxis)
bietet er die erste systematische Darstellung des (deutschen) Strafrechts unter
Bemühung um Abgrenzung der harten ordentlichen Strafen von den im Ermessen des
Gerichts stehenden arbiträren Strafen. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) Romano
Saxonica secundum ordinem Constitutionum D. Augusti Electoris Saxoniae (1638,
8. A. 1721, Römisch-sächsische Rechtswissenschaft nach den kursächsischen
Konstitutionen) erklärt die kursächsischen Konstitutionen an Hand der
entschiedenen Fälle. Die (lat.) Iurisprudentia (F.) ecclesiastica
consistorialis (1649, 8. A. 1721, konsistorialkirchliche Rechtswissenschaft)
ordnet einheitlich erstmals das Recht der protestantischen Kirche.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktIurisprudentiaEcclesiasticaConsistoralis1649(1652).pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktIurisprudentiaRomanoSaxonica1638(9A1703).pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CarpzovBenediktPracticaNovaImperialisSaxonicaRerumCriminalium1635(1684).pdf
;Köbler, DRG 144; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Köckritz, S. v., Die Bedeutung des Willens
für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Schieckel, H., Benedict I.
Carpzov (1565-1624) und die Juristen unter seinen Nachkommen, ZRG GA 83 (1966),
310; Schieckel, H., Alexander Graf zu Dohna als Nachkomme von Benedikt I.
Carpzov, ZRG GA 89 (1972), 212; Benedikt Carpzov, hg. v. Schild, W., 1997;
Benedict Carpzov, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000; Wilde, M., Die Zauberei-
und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003
Carta, charta (lat. [F.] Blatt, Urkunde) ist die Urkunde,
vor allem die (vom Veräußerer) subjektiv gefasste (und unterschriebene)
Geschäftsurkunde (Verfügungsurkunde) des frühmittelalterlichen Rechtsverkehrs
(z. B. des Klosters Sankt Gallen) im Gegensatz zur (lat. [F.] notitia)
Beweisurkunde. Seit dem 9. Jh. schwindet die c. Ihre Aufgabe übernimmt im 12.
Jh. die Siegelurkunde.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW; Brunner, H.,
Zur Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880,
Neudruck 1961; Zeumer, K., Cartam levare, ZRG GA 4 (1883), 113; Redlich, O.,
Die Privaturkunden des Mittelalters, 1911; Steinacker, H., Die antiken
Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1951; Classen, P.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977, 190; Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977
cartularius (lat. [M.]) mittels Urkunde (lat. carta)
Freigelassener
Lit.: Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten
und Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991
case-law (engl. [N.]) →Fallrecht
Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius Senator
(Bruttium vor 490-nach 580), aus in Kalabrien begüterter Familie senatorischen
Ranges, 507 (lat.) quaestor, 514 (lat.) consul, 523-527 (lat.) magister
officiorum, 533-537 (lat.) praefectus praetorio, ist einer der bedeutendsten
Schriftsteller der Spätantike, der auf Grund seiner vorangehenden
Verwaltungstätigkeit in seinen Variae (lat. [F.Pl.] [epistulae] verschiedene
[Briefe]) die ostgotische Herrschaftspraxis in Italien bis 537 erkennen lässt
(um 555 Rückzug in das von ihm gegründete Kloster Vivarium).
Lit.: O‘Donnell, J., Cassiodor, 1979; Krautschick, S.,
Cassiodor und die Politik seiner Zeit, 1983; Meyer-Flügel, B., Das Bild der
ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor, 1992; Stüven, A., Rechtliche
Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich, 1995; Kakridi, C., Cassiodors
Variae, 2005
Cassius, Longinus (1. Jh.), aus alter
senatorischer Familie, wird als Schüler des →Sabinus Haupt der römischen
Rechtsschule der Sabinianer oder Cassianer. Seine (mindestens 10 Bücher
umfassenden) Libri (M.Pl.) iuris civilis (Bücher des römischen Rechtes) sind
nur mittelbar durch Auszüge überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
casum sentit dominus (lat.). Den (Fall bzw.) Zufall
fühlt der Eigentümer (d. h. seinen Schaden trägt grundsätzlich jeder selbst).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
casus (lat. [M.] Fall, Zufall
caupo (lat. [M.]) Schankwirt
causa (lat. [F.]) Grund, Ursache, Fall
Lit.: Kaser §§ 19, 24, 25, 27, 33, 40, 48; Söllner §
8; Köbler, DRG 44, 61; Fuchs, J., Justa causa traditionis, 1952; Bremkamp, T.,
Causa. Der Zweck als Grundpfeiler des Privatrechts, 2008; Fu, G., Das
Causaproblem im deutschen Bereicherungsrecht, 2010
causae (F.Pl.) civiles (lat.) bürgerliche Sachen
causae (F.Pl.) criminales (lat.) Strafsachen
causae (F.Pl.) maiores (lat.) wichtigere Angelegenheiten
causae (F.Pl.) minores (lat.) mindere Angelegenheiten
Cautela (lat. [F.], Vorsicht) ist die von
dem magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld 1350 deutsch (mit lateinischen
Zitaten) verfasste, handschriftlich seit 1382 belegte (8 Handschriften bis
1483) kleine Sammlung von Anweisungen zum vorsichtigen Verhalten vor Gericht
(14 Zeilen Vorrede, 97 Zeilen Text, 11 Zeilen Nachrede). →Premis
Lit.: Unger, F., Des Richtes Stig, 1847; Homeyer, C.,
Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RichtsteigLandrechtnebstCautelaundPremis1857.pdf;
Ovesfelde, H. v., Die Cautela, 1939; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
cautio (lat. [F.]) Sicherheitsleistung
bzw. das als Stipulation für den Fall eines künftigen Schadens aus einem
bestimmten Umstand (z. B. Einsturz eines Gebäudes) abgegebene
Leistungsversprechen des römischen Rechtes
Lit.: Kaser § 7; Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Köbler,
LAW; Salmen-Everinghoff, C., Zur cautio damni infecti, 2009
cautio (F.) Muciana (lat.) mucianische
→Sicherheitsleistung, →Mucius Scaevola
Celle (nach Erhebung des Fürstentums
Calenberg-Grubenhagen zum Kurfürstentum 1692 Notwendigkeit eines Oberappellationsgerichts,
das als Ausgleich für den Verlust als
Residenz eines Teilherzogtums in C. 1711 eröffnet wird)
Lit.: Figge, R., Altes Recht in Celle, 1938; Jessen, P., Der Einfluss
von Reichshofrat und Reichskammergericht auf die Entstehung und Entwicklung des
Oberappellationsgerichts Celle, 1986; Rüping, H., Rechtsanwälte im Bezirk Celle,
2006; Stodolkowitz, S., Das Oberappellationsgericht Celle, 2011; Dreihundert
Jahre Oberlandesgericht Celle, 2011; Rohde, R. u. a., Celle im
Nationalsozialismus, 2012
Celsus, Iuventius (pater) (1. Jh.) ist
der als ein Haupt der Prokulianer und als Vater des →Celsus (filius)
bekannte klassisch-römische Rechtskundige.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 137
Celsus, Iuventius Publius (filius) (2.
Jh.), Sohn des Iuventius Celsus (pater), ist der bedeutende Vertreter des
hochklassischen römischen Rechtes (u. a. [lat.] Libri [M.Pl.] digestorum,
Bücher der Digesten) der Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n. Chr.), von dem etwa
die lateinischen Wendungen Ius est ars boni et aequi (Das Recht ist die Kunst
des Guten und Gerechten) und Scire leges non hoc est verba earum tenere, sed
vim ac potestatem (Gesetze kennen bedeutet nicht, ihre Worte zu wahren, sondern
ihren Sinn und Zweck) und das (lat.) Senatusconsultum (N.) Iuventianum (129) mit
einer Bevorzugung des gutgläubigen Bereicherungsschuldners im Erbrecht stammen.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 146; Hausmaninger, H., Publius Iuventus Celsus,
(in) Prescriptive formality, 1994
Centena (lat. [F.]) ist im
frühmittelalterlichen Franken und Alemannien eine Verwaltungseinheit
streitigen Inhalts (Erstbeleg 511/558).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Dannenbauer, H.,
Hundertschaft, centena und huntari, Hist. Jb. 62-69 (1949), 155; Metz, W., Zur
Geschichte der fränkischen centena, ZRG GA 74 (1957), 234; Schulze, K., Die
Grafschaftsverfassung in den Gebieten östlich des Rheins, 1974; Murray, A.,
From Roman to Frankish Gaul, Traditio 44 (1988), 59ff.
Centenarius (lat. [M.]) ist in der römischen
Spätantike der kaiserliche Beamte mit 100000 Sesterzen Jahresgehalt, im
Frühmittelalter bei Westgoten, Langobarden, Bayern, Franken und Alemannen ein
niederer königlicher Amtsträger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krug, H., Untersuchungen zum
Amt des centenarius - Schultheiß, ZRG GA 87 (1970), 1, 88 (1971), 29 (Diss.
phil. Wien 1968); Murray, A., From Roman to Frankish Gaul, Traditio 33 (1988),
59ff.
Cessante ratione legis cessat ipsa lex (lat.). Fällt der Sinn eines
Gesetzes weg, fällt das Gesetz selbst weg.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse zu Digesten 35, 1, 72, § 6); Krause, H., Cessante causa cessat lex, ZRG
KA 46 (1960), 81
cessio (lat. [F.]) Abtretung (einer
Forderung) →Zession
Chamave →Ewa Chamavorum
Chambéry in den Voralpen gelangt 1232 an
Savoyen. 1761 erhält es eine Universität.
Champagne ist die südwestlich vor den
Ardennen liegende Landschaft. Sie fällt 486 n. Chr. von den Römern an die
Franken und wird 814 Grafschaft. Diese wird 1314/1361 Krondomäne Frankreichs.
Unter Rückgriff auf eine um 1253 entstandene Sammlung der Usages de C. und
Einfügung verschiedener höchstgerichtlicher Urteile der Jahre 1270 bis 1295
verfasst wahrscheinlich Guillaume de Châtelet zwischen 1295 und 1300 den Ancien
coutumier de C.
Lit.: Portejoie, P., L’ancien coutumier de Champagne,
1956; Bur, M., La formation du comté de Champagne, 1977
Chancengleichheit ist die in der zweiten Hälfte des
20. Jh.s aus dem Gleichheitsgrundsatz entwickelte Vorstellung, dass in
bestimmten Wettbewerbslagen C. hergestellt werden müsse.
Lit.: Bender, R./Schumacher, R., Erfolgsbarrieren vor
Gericht, 1980
Charisma (N.) Heil, Ausstrahlungskraft
Lit.: Das Charisma, hg. v. Rychterova, P., 2008
Charivari (N.) Durcheinander, Wirrwarr, Katzenmusik
(Volksbrauch)
Charta der Grundrechte der Europäischen
Union ist die mit dem
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 in ihrer überarbeiteten
Fassung vom 12. 12. 2007 den Gemeinschaftsverträgen der europäischen
Gemeinschaften bzw. der Europäischen Union rechtlich gleichgestellte und damit
rechtsverbindliche, neben den ungeschriebenen, als allgemeine
Rechtsgrundsätze des Unionsrechts fortgeltenden Unionsgrundrechten geltende
Charta der Grundrechte in der Europäischen Union im Sinne eines formellen
Systems europäischer Wertnormen. Diese objektive europäische Werteordnung nimmt
am Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts Teil. Die letzverbindliche Kontrollzuständigkeit
hat der Europäische Gerichtshof.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ChartaderGrundrechtederEU2010.pdf
Charta der
Vereinten Nationen →Vereinte Nationen
Charte constitutionelle (frz. [F.] Verfassungsurkunde) ist
die oktroyierte(, bis Juli 1830 geltende) Verfassung des Jahres 1814 in
Frankreich.
Chartepartie (aus [lat.] carta [F.] partita,
geteilte Urkunde) ist im Seehandelsrecht seit dem Hochmittelalter die Urkunde
über die (teilweise) Befrachtung eines Schiffes (vgl. ADHGB von 1861).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 1883; Wattenbach, W.,
Das Schiffswesen im Mittelalter, 1896, Neudruck 1958; Scrutton, T., The
contract of affreightment, 1939; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der
Ordonnance de la marine von 1681, 1996; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse
(1365-1614), 2003
checks and balances Kontrollen und Ausgleiche durch
Gewaltenteilung in der Verfassung
Chemie
Lit.: Priesner, C., Chemie – Eine illustrierte Geschichte, 2015
Chemnitz →Hippolithus a Lapide
Lit.: Das Chemnitzer Bleichgericht und die dortigen
Bleichen vor 500 Jahren, ZRG GA 25 (1904), 345; Schlesinger, W., Die Anfänge
der Stadt Chemnitz, 1952
China (u. a. 1983/1984 in Zhangjiashan
im Grab M 247 mehr als 1000 Bambusleisten aus dem 2. Jh. v. Chr. entdeckt mit
70 Prozent Rechtstexten und 227 Bambusleisten mit einem Textkorpus Zouyanshu)
(1271-1291 Aufenthalt Marco Polos aus Venedig im mongolischen China, um 1900
starker Einfluss des deutschen Rechtes) (1978 offizielle Übernahme
westeuropäischen Rechtes begonnen, anfangs angloamerikanisch, später auch
deutsch)
Lit.: Senger, H. v., Kaufverträge im traditionellen
China, Diss. jur. Zürich 1970; Köbler, G., Rechtschinesisch, 2001; Recht und
Rechtsgeschichte Chinas, 2002; Lexikon der chinesischen Literatur, hg. v.
Klöpsch, V. u. a., 2004; Seyock, B., Auf den Spuren der Ostbarbaren, 2004; Kim,
C., Deutscher Kulturimperialismus in China, 2004; Yangwen, Z., The Social Life
of Opium in China, 2005; Falkenhausen, L. v., Chinese Society in the Age of
Confucius, 2006; Dabringhaus, S., Geschichte Chinas 1279-1949, 2. A. 2009;
Schoettli, U., China, 2007; China, hg. v. Staiger, B. u. a., 2006;
Schmidt-Glintzer, H., Kleine Geschichte Chinas, 2008; Höllmann, T., Das alte
China, 2008; Schmieder, F., Marco Polo (1254-1324), 2009; Weiers, M.,
Geschichte Chinas, 2009; Lei, Y., Auf der Suche nach dem modernen Staat, 2010;
Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Kangying, L., The Ming
Maritime Policy in Transition. 2010; Kroll, S., Normgenese durch Re-Interpretation.
China und das europäische Völkerrecht, 2012; Zhang, Q., The Constitution of
China, 2012; Simon, K-. Civil Society in China, 2013; Pantsov, A. u. a., Mao,
2014Yang, R., Die Rezeption der europäischen Privatrechte in China und die
konfuzianische Tradition – Das Beispiel des Deliktsrechts, 2015; Brook, T., Wie
China nach Europa kam – Die unerhörte Karte des Mr. Selden, 2015; Leese, D.,
Die chinesische Kulturrevolution 1966-1976, 2016; Dikötter, F., Mao und seine
verlorenen Kinder – Chinas Kulturrevolution, 2017; Hecheng, T., The Killing
Wind, 2017; Lee, K., AI Superpowers China, Silicon Valley and the New World
Order, 2018
Chirographum (lat.-gr. [N.] Handgeschriebenes)
ist in der römischen Antike die (eigenhändig geschriebene, subjektiv gefasste)
Papyrusurkunde. Von England (Mitte 9. Jh.) aus wird c. später zur Bezeichnung
für die in zwei Ausfertigungen auf einem danach zerschnittenen Blatt
hergestellte Urkunde über ein mehrseitiges Rechtsgeschäft (854/855?, Saint
Bertin 944, Trier 967). Seit dem 14. Jh. wird das c. bei siegelführenden
Beteiligten durch die Siegelurkunde, im Übrigen durch die Urkunde öffentlicher
Notare zurückgedrängt, bleibt aber bis zum 18. Jh. in Gebrauch.
→Chartepartie
Lit.: Kaser §§ 7, 40; Köbler, DRG 43; Köbler, LAW;
Redlich, O., Die Privaturkunde des Mittelalters, 1911; Bresslau, H., Handbuch
der Urkundenlehre, Bd. 1, 2. A. 1912, 699; Trusen, W., Chirographum und
Teilurkunde im Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 233; Parisse, M., Remarques
sur les chirographes, AD 32 (1986), 546ff.; Anglo-Saxon Manuscripts and their
Heritage, hg. v. Pulsiano, P. u. a., 1998
Chlodwig (Chlodowech, 466-511), merowingischer König der
Franken (482-511)
Lit.: Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 3. A. 1997;
Chlodwigs Welt, hg. v. Meier, M. u. a., 2014
Chorbischof (Landbischof) ist im oströmischen
Reichsteil der ursprünglich gleichberechtigte Gehilfe des städtischen Bischofs
für das Landgebiet der Diözese. Seit der Mitte des 8. Jh.s erscheint unter
angelsächsischem Einfluss ein C. im Westen, der seit dem 9. Jh. aber wieder
schwindet (Konzil von Metz 888).
Lit.: Gottlob, T., Der abendländische Chorepiskopat,
1928, Neudruck 1963; Müller, J., Gedanken zum Institut der Chorbischöfe , FS K.
Pennington, 2006, 77ff.
Chorherr ist der (Kanoniker bzw.) Kleriker,
der Mitglied eines an einer Kirche bestehenden Kapitels (mit Sitz im Chor) ist.
Ansätze zu einer solchen Gemeinschaft zeigen sich schon bei Bischof Eusebius
von Vercelli (um 283-371). Das Frühmittelalter entwickelt hierfür besondere
Regeln bzw. canones (z. B. Chrodegang von Metz um 755 regula canonicorum,
Konzil von Aachen 816). Die frühhochmittelalterliche Kirchenreform führt zur
stärkeren Regulierung (gregorianische Reform). Im 12. Jh. werden Empfehlungen
des heiligen Augustinus besonders aufgegriffen (Augustinerchorherr).
Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln in
Deutschland, 1976; Lawrence, C., Medieval Monasticism, 2. A. 1989, 163;
Crusius, I., Studien zum weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, 1985; Die
Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2003
Chrenecruda (afrk. „reine Erde“?) ist die in
Titel 58 des salfränkischen Volksrechts (Pactus legis Salicae) erwähnte, den
leistungsunfähigen Wergeldschuldner betreffende →malbergische Glosse,
die sich auf ein vielleicht neu geschaffenes, nur kurze Zeit bezeugtes oder
vielleicht auch aus einer magischen Zauberhandlung übernommenes Formalverhalten
bezieht.
Lit.: Gierke, J., Chrene cruda und Spatenrecht, ZRG GA
28 (1907), 290; Goldmann, E., Chrenecruda-Studien zum Titel 58 der Lex Salica,
1931; Schmidt-Wiegand, R., Chrenecruda, FS G. Schmelzeisen, 1980, 252
Christentum ist die Gesamtheit des christlichen
Glaubens und seiner (in der Gegenwart etwa 2,2 Milliarden) Anhänger. Unter
Fortführung jüdischer Vorstellungen des alten Testaments geht das C. davon aus,
dass sein Stifter Jesus Christus (um 4 v. Chr. – um 30 n. Chr.) als Sohn Gottes
durch seinen Tod am Kreuz die Menschen von ihrer Sündigkeit erlöst hat. Die daran
anknüpfenden Gedanken (Urchristentum 30-150 n. Chr.) breiten sich im römischen
Reich so rasch aus, dass der Staat seit dem 2. Jh. und entschieden seit der
Mitte des 3. Jh.s das C. verfolgt, ohne dass der gewollte Erfolg erreicht wird.
Durch das Toleranzedikt Kaiser Konstantins (311) wird das C. gleichberechtigter
Kult, durch Kaiser Theodosius I. 380 Staatsreligion. Seit dem Ausgang des
Altertums greift das C. vor allem auf die germanischen Völker über (im 5. und
6. Jh. Bischofskirchen in den Bischofsstädten, während z. B. im Rheinland die
Zeugnisse für die ländlichen Gebiete noch spärlich bleiben (Flonheim
nordwestlich Alzeys) und Belege für Heidentum noch reichlich zu finden sind.
Spaltungen (1054 und 1517) führen zu den besonderen Bekenntnissen der Katholiken,
Orthodoxen und Protestanten. In der Neuzeit verbreitet sich das C. mit der
Entdeckung neuer Länder und der Gewinnung von Kolonien über die ganze Erde,
doch bedeutet die französische Revolution von 1789 eine Wende zu
Säkularisierung.. Bereits kurz nach seiner Entstehung entwickelt das C. in
Anlehnung an römisches Recht ausgeprägte rechtliche Regeln (→kirchliches
Recht), die in vielen Hinsichten das weltliche Recht mitgestalten.
Lit.: Söllner §§ 19, 20, 21; Köbler, DRG 51, 68, 99,
146; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972, 772; Bultmann, R., Das
Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, 1949, 4. A. 1976, 6. A. 1998;
Moeller, B., Geschichte des Christentums in Grundzügen, 1965,, 10. A. 20118. A.
2004; Biondi, B., Il diritto romano cristiano, 1952ff.; Plöchl, W., Geschichte
des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 1953ff., 2. A. 1960ff.; Christentum, Säkularisation
und modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Deschner, K.,
Kriminalgeschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1988ff (Band 10 2013).; Die
Geschichte des Christentums, hg. v. Mayeur, J. u. a., Bd. 8 1992, Bd. 10 1999;
Geschichte des Christentums, hg. v. McManners, J., 1993; Andresen, C./Ritter,
A., Geschichte des Christentums, Bd. 1ff. 1993ff.; Crossan, J., Der historische
Jesus, 1994; Drobner, H., Lehrbuch der Patrologie, 1994, 2. A. 2004, 3. A.
2011; Fontes christiani, hg. v. Brox, N. u. a., 1995ff.; Winkelmann, F.,
Geschichte des frühen Christentums, 1996; Glaser, F., Frühes Christentum im
Alpenraum, 1997; Barton, P., Geschichte des Christentums in Österreich und
Südostmitteleuropa, 1997; Padberg, L. v., Die Christianisierung Europas, 1998;
Lang, B., Heiliges Spiel, 1998; Gnilka, J., Die frühen Orden, 1999; Lexikon der
christlichen Antike, hg. v. Bauer, J. u. a., 1999; Metzler Lexikon christlicher
Denker, hg. v. Vinzent, M., 2000; Die Geschichte des Christentums, hg. v.
Pietri, L., Bd. 3 2000; Lee, A., Pagans and Christians in Late Antiquity, 2000;
Mission und Christianisierung am Hoch- und Oberrhein, hg. v. Berschin, W. u. a.
2000; Lüdemann, G., Das Urchristentum, 2002; Jensen, A., Frauen im frühen
Christentum, 2002; Die Alemannen und das Christentum, hg. v. Lorenz, S. u. a.,
2003; Koch, S., Rechtliche Regelung von Konflikten im frühen Christentum, 2003;
Tamcke, M., Das orthodoxe Christentum, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt
und das Christentum, 2004; Zschoch, H., Die Christenheit im Hoch- und
Spätmittelalter, 2004; Hasenfratz, H., Die antike Welt und das Christentum,
2004; Bonifatius, hg. v. Felten, F., 2004; The Spread of Christianity in the
first four Centuries, hg. v. Harris, W., 2005; Angenendt, A., Toleranz und
Gewalt, 2006; Markschies, C., Das antike Christentum, 2006; Seebaß, G.,
Geschichte des Christentums, Bd. 3 2006; Engberg, J., Impulsore Chresto, 2007;
Terrien, M., La christianisation de la région rhénane du IVe au milieu du VIIIe
siècle, 2007; Fonti per la storia della cristianizzazione dei Germani, hg. v.
Mico, N. de u. a., 2007; Judge, E., The First Christians in the Roman World,
2008 (Aufsätze); Habermas, R., Mission im 19. Jahrhundert, HZ 287 (2008), 629;
Gender and Christianity in Medieval Europe, hg. v. Bitel, L., 2008; The Oxford
Handbook of Early Christian Studies, hg. v. Ashbrook, S. u. a., 2008; Koch, D.,
Bilder aus der Welt des Urchristentums, 2009; Cook, J., Roman Attitudes Toward
the Christians, 2010; Erinnerungsorte des Christentums, hg. v. Markschies, C.
u. a., 2010; Athanasius Handbuch, hg. v. Gemeinhardt, P., 2011; Hume, D., The
Early Christian Community, 2011; Wendt, H., Die missionarische Gesellschaft, 2011;
Lange, C., Eine kleine Geschichte des Christentums, 2012; Leppin, V.,
Geschichte des mittelalterlichen Christentums, 2012; Brunner, K., In Freiheit
glauben, 2013; Schwertmission, hg. v. Kamp, H. u. a., 2013; Koch, D.,
Geschichte des Urchristentums, 2013 (ca. 30 n. Chr.-150 n. Chr.), 2. A. 2014;
Schlögl, R., Alter Glaube und moderne Welt - Europäisches Christentum im
Umbruch 1750-1850, 2013; Schieffer, R., Christianisierung und Reichsbildungen –
Europa 700-1200, 2013; Credo – Christianisierung Europas im Mittelalter, Bd.
1f. hg. v. Stiegemann, C. u. a., 2013; Holzem, A., Christentum in Deutschland
1550-1850), 2014; Lauster, J., Die Verzauberung der Welt – Eine
Kulturgeschichte des Christentums, 2014, 3. A: 2015; Tiwald, M., Das
Frühjudentum und die ersten Christen, 2015; Schnelle U., Die ersten 100 Jahre
des Christentums, 2015; Kermani, D., Ungläubiges Staunen, 2015, 2. A: 2015;
Holzem, A., Christentum in Deutschland 1550-1850), 2015; Geelhaar, T.,
Christianitas, 2015; The Routledge History of Medieval Christianity, hg. v.
Swanson, R., 2015; Wolter, M., Theologie und Ethos im frühen Christentum, 2016;
Barnes, T., Early Christian Hagiography and Roman History, 2016; Öhler, M.,
Geschichte des frühen Christentums, 2017.
Chronik (F.) zeitlich geordnete Aufzeichnung (Eusebius
[um 325], Hieronymus [um 378], Paulus Orosius [417], Isidor von Sevilla [um
627], Regino von Prüm, Frutolf von Michelsberg, Kaiserchronik [1140/1150], Otto
von Freising, sächsische Weltchronik [um 1230?], Magdeburger Weichbildchronik
[1235-1250], Martin von Troppau)
Lit.: Schmidt, H., Die deutschen Städtechroniken, 1958; Krüger, K., Die
Universalchronik, 1976ff.; Schwäbische Chroniken der Stauferzeit, 1978;
Schmale, F., Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung, 1985;
Sprandel, R., Chronisten als Zeitzeugen, 1994; Van Houts, E., Local and
Regional Chronicles, 1995; Naß, K., Die Reichschronik des Annalista Saxo, 1996;
Hauptwerke der Geschichtsschreibung, hg. v. Reinhardt, V., 1997; Goetz, H.,
Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter, 1999;
Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit,
2000; Die Chroniken Bertholds von Reichenau und Bernolds von Konstanz
1054-1100, hg. v. Robinson, I., 2003; Hessische Chroniken zur Landes- und
Stadtgeschichte, hg. v. Menk, G., 2003; Ebendorfer, Thomas, Chronica regum
Romanorum, hg. v. Zimmermann, H., 2003; Von Fakten und Fiktionen, hg. v.
Laudage, J., 2003; Die Reichschronik des Annalista Saxo, hg. v. Naß, K., 2006;
Encyclopedia of thje Medieval Chronicle, hg. v. Dunphy, G., Bd. 1f. 2010; Nuhn
(von Hersfeld), J., Die „Wallensteiner Chronik“, hg. v. Krafft, O., 2013;
Posselt, B., Konzeption und Kompilation der Schedelschen Weltchronik, 2015
Chronologie (F.) ist das geordnete Wissen um die Zeit
(Zeitkunde). In
der C. wird die Zeit der Jahre vielfach von einem mythischen Beginn an gezählt
(z. B. von der Schöpfung an oder vom angeblichen Gründungsdatum Roms [753 v.
Chr.]). Julius Caesar geht dabei (46 v. Chr.) von drei Jahren zu 365 Tagen und
einem Jahr von 366 Tagen, einem Jahresbeginn am 1. Januar und 12 Monaten aus.
Die Rechnung der Jahre nach Christi Geburt leitet sich von Eusebius von
Caesarea (frühes 4. Jh.) oder von den Ostertafeln des Dionysius Exiguus (525)
her, die sich zu Beginn des 8. Jh.s in England durchsetzt und von dort auf das
Reich der Franken übergreift. Regino von Prüm datiert ab Christi Geburt und
wendet damit als erster in der Weltgeschichtsschreibung die durchgehende
Zählung nach Inkarnationsjahren an. Wegen der 11 Minuten und 14 Sekunden das
Sonnenjahr überschreitenden tropischen Jahres des julianischen Kalenders (ein
Tag in 128 Jahren), folgt in der Reform des Jahres 1582 (gregorianische
Kalenderreform mit einer fehlerhaften Abweichung von einem Tag in 3323 Jahren)
auf den 4. Oktober der 15. Oktober. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden auch die
vorchristlichen Jahre nach Christi Geburt gezählt. Eine internationale
Standardiserung geht in der Gegenwart von der Schreibweise Jahr, Monat, Tag (z.
B. 2007-09-30) aus.
Lit.: Grotefend, H., Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der
Neuzeit, 1891ff., Neudruck 1970; Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung,
1898, 14. A. 2007; Rühl, F., Chronologie des Mittelalters und der Neuzeit,
1897; Mahler, E., Handbuch der jüdischen Chronologie, 1919, Neudruck 1967;
Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der
Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Brincken, A. v. d.,
Historische Chronologie des Abendlandes, 2000; Bäbler, B., Archäologie und
Chronologie, 2004; Gutmann, A., Die Schwabenkriegschronik des Kaspar Frey, 2010
Chur
Lit.: Casparis, H., Der Bischof von Chur als Grundherr, 1910; Jecklin,
F., Die Churer Waisenpflege, 1920; Deplazes, L., Reichsdienste und
Kaiserprivilegien, 1973
Cicero, Marcus Tullius (Arpinum 3. 1.
106-bei Formiae 7. 12. 43 v. Chr.), aus der Ritterschicht (eques) seines
Geburtsorts stammender, 104 v. Chr. nach Rom gelangender und dort
römisch-griechisch erzogener Schüler des Mucius augur und des Mucius Scaevola,
ist nicht nur ein machtbewusster und ehrgeiziger, beweglicher, aber mit
Vorsicht zu benutzender und kaum an die tatsächliche Macht gelangter Politiker
(63 v. Chr. Konsul), sondern in erster Linie der bedeutendste Gerichtsredner
und politische Schriftsteller der römischen Antike, der vor allem das
griechische Rechtsdenken aufgreift und weitergibt. Insbesondere der Schrift De
officiis (Von Pflichten) gelingt die Vermittlung der Naturrechtsidee an die
spätere Zeit.
Lit.: Söllner §§ 7, 9, 11, 12; Köbler, DRG 17;
Wieacker, F., Cicero als Advokat, 1965; Gelzer, M., Cicero, 1969, 2. A. 2014;
Mitchell, T., Cicero, 1991; Fuhrmann, M., Cicero und die römische Republik,
1989, 4. A. 1997; Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, hg. v. Fuhrmann, M.,
1997; Kurczyk, S., Cicero und die Inszenierung der eigenen Vergangenheit, 2006;
Res publica und Demokratie, hg. v. Richter, E. u. a., 2007; Fox, M., Cicero’s
Philosophy of History, 2007; Lintott, A., Cicero as Evidence, 2008; Bringmann,
K., Cicero, 2010, 2. A: 2014; Pina Polo, F., Rom, das bin ich, 2010; Pflüger,
H., Ciceros Rede pro Q. Roscio comoedo, 2013; Schermann, E., Cicero und das
Geld, 2015
Cinus (de Sighibuldis) da Pistoia
(Pistoia 1270-1336/1337), Sohn eines Notars, wird nach dem Studium des
weltlichen Rechtes in Bologna Anhänger des deutschen Königs Heinrich VII. Nach
der Promotion (1314) schließt er sich der päpstlichen Partei an und wird
Professor in Siena (1321-1323, 1324-1326), Perugia (1326-1330, 1332-1333),
Neapel (1330-1331) und Bologna (1333-1334). Sein Hauptwerk ist der um 1312 bis
1314 verfasste Kommentar zum Codex, neben dem Glossen, quaestiones, consilia
und ein Traktat De successione ab intestato stehen.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes
im Mittelalter, 2. A. 1834ff., 6, 7; Chiapelli, L., Vita e opere, 1881;
Libertini, V., Cino da Pistoia, 1974; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 633
Cisleithanien ist die nichtamtliche Bezeichnung der Länder
Österreichs diesseits des Flusses Leitha (Niederösterreich, Oberösterreich,
Steiermark, Kärnten, Krain, Küstenland, Dalmatien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg,
Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien und Bukowina [im Gegensatz zu
Transleithanien]), die bis 1915 als die im Reichsrate vertretenen Königreiche
und Länder umschrieben und dann als Kaisertum Österreich benannt werden.
Lit.: Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988
Civilian ist im englischen Recht die
Bezeichnung für den im römischen Recht (civil law) ausgebildeten Juristen.
Lit.: The Civilian Tradition and Scots Law, hg. v.
Carey Millar, D. u. a., 1997
civis (lat. [M.]) Bürger
Lit.: Kaser; Köbler, G., Civis und ius civile im
deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964
civis (M.) Romanus (lat.) römischer →Bürger
civitas (lat. [F.]) Völkerschaft,
Bürgerschaft
Lit.: Rietschel, S., Die civitas auf deutschem Boden,
1894, Neudruck 1978; Brühl, C., Palatium und civitas, 1975
civitas [F.] imperii (mlat.) Reichsstadt
clam (lat.) heimlich
clausula (lat. [F.]) Klausel
clausula (lat. [F.]) arbitraria Ermessensklausel des
römischen Rechtes (z. B. auf Herausgabe einer Sache) in der Klageformel
Clausula (F.) rebus sic stantibus (lat.) ist die für Einzelfälle
bereits im Altertum angesprochene, im Hochmittelalter auf dieser Grundlage zum
Ausdruck gebrachte Vorbehaltsklausel der unveränderten Sachlage (Augustin von
Leyser [1683-1752] omne pactum rebus sic stantibus intelligendum est, jeder
Vertrag muss unter gleichbleibenden Voraussetzungen betrachtet werden). Sie
geht im 20. Jh. in der Lehre vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage
auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dießelhorst, M., Die
Geschäftsgrundlage, (in) Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, 1980, 153;
Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985;
Köbler, R., Die clausula rebus sic stantibus, 1991; Gieg, C., De tacita
conditione rebus sic stantibus, Diss. jur. Würzburg 1991; Rummel, M., Die
clausula rebus sic stantibus, 1991
Clementinen (Clementinae) sind
die von Papst Clemens V. (1305-1314) unter Verzicht auf Ausschließlichkeit
gesammelten, meist auch von ihm erlassenen, von Papst Johannes XXII.
(1316-1334) am 23. 10. 1317 (Bulle Quoniam nulla) in 106 Kapiteln
herausgegebenen →Dekretalen, die den letzten Teil des (lat.)
→corpus (N.) iuris canonici bilden (Zitierweise Clem. 2. 11. 2). Die 1326
abgeschlossene Bearbeitung durch Johannes Andreae wird zur (lat.) glossa (F.)
ordinaria (ordentlichen Glosse).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Clementinae1314.pdf;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 102; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Tarrant, J., Constitutiones Clementinae, ZRG KA 70 (1984),
67ff., 71 (1985), 76ff.
clientes (lat. [M.Pl.]) Klientel, geschützte Abhängige,
Anhänger, Dienstleute
Lit.: Patronage in Ancient Society, hg. v. Wallace-Hadrill, A., 1990
Cluny (nordwestlich Mâcons) in
Burgund ist die vom Herzog von Aquitanien am 11. 9. 910 gegründete
Benediktinerabtei, die im 10. Jh. zum Mittelpunkt einer kirchlichen
Reformbewegung (kluniazensische Kirchenreform) mit rund 300 angeschlossenen
Männerklöstern und Frauenklöstern wird. Mit der Umformung zum Orden und der
Einführung von Generalkapiteln verliert C. um 1200 seine besondere Stellung.
Das Kloster wird 1790 im Zuge der französischen Revolution aufgehoben. Die
Kirche wird anschließend bis auf einen Querhausarm abgerissen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hallinger, K., Gorze-Kluny,
Bd. 1f. 1950, Neudruck 1971; Cluny im 10. und 11. Jahrhundert, hg. v. Wollasch,
J., 1970; Kohnle, A., Abt Hugo von Cluny (1049-1100), 1993; Wollasch, J.,
Cluny, 1996; Les plus anciens documents originaux, hg. v. Atsma, H. u. a.,
1997ff.; Racinet, P., Crises et renouveau, 1997; Poeck, D., Cluniacensis ecclesia,
1998; Die Cluniazenser in ihrem politisch-sozialen Umfeld, hg. v. Constable, G.
u. a., 1998; Prat, D., Études clunisiennes, 2002; Baud, A., Cluny, 2003;
Barret, S., La mémoire et l’écrit, 2004; Rosé, I., Construire une société
seigneuriale, 2008;Lamke, F., Cluniacenser am Oberrhein, 2009; Hurel, O./Riche,
D., Cluny, 2010
Coburg
Lit.: Das älteste Coburger Stadtbuch 1388-1453, bearb. v.
Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977
Cocceji, Samuel von (Heidelberg 20. 10.
1679-Berlin 4. 10. 1755), Sohn des Völkerrechtsprofessors Heinrich von Cocceji
(Bremen 25. 3. 1644-Frankfurt an der Oder 18. 8. 1719), wird nach dem
Rechtsstudium in Frankfurt an der Oder dort (1702) Professor, tritt aber wenig
später in den Justiz- und Verwaltungsdienst Preußens (1711-1713 Delegierter
Preußens am Reichskammergericht in Wetzlar, 1713 Präsident des Kammergerichts
in Brandenburg, 1727 Etatminister, 1731 Präsident des Oberappellationsgerichts,
1. Juni 1738 chef de justice, Justizminister), wo er 1747 Großkanzler wird. Auf
ihn gehen die 1747/1748 erschienenen Gerichtsordnungen (Projekt des Codicis
Fridericiani Pomeranici, Projekt des Codicis Fridericiani Marchici) zurück
(1746 Abschaffung der Aktenversendung), während der Versuch einer Neuordnung
des materiellen Rechtes auf der Grundlage der dem römischen Recht entnommenen
naturrechtlichen Grundsätze (Projekt des Corpus juris Fridericiani,
Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung
verloren) im Ergebnis scheitert. Von beachtlichem Erfolg gekrönt ist die
praktische Vereinheitlichung der bestehenden Gerichtsverfassung (u. a. feste
Richterbesoldung, 1755 Justizprüfungskommission, Verbot der Aktenversendung,
geordneter dreistufiger Instanzenzug).
Lit.: Köbler, DRG 140; Codex Fridericianus Marchicus,
2000 (Einführung durch Mohnhaupt, H.); Trendelenburg, F., Friedrich der Große
und sein Großkanzler Samuel von Cocceji, 1964; Neufeld, H., Die
fridericianische Justizreform, Diss. jur. Göttingen 1910; Springer, M., Die
Coccejische Justizreform, 1914; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Weill, H., Frederick the Great and Samuel von Cocceji, 1961
Code civil ist das (am 24. 3.) 1804
geschaffene Bürgerliche Gesetzbuch Frankreichs. Nach ersten vergeblichen
Versuchen unter König Heinrich III. (1574-1589), das hinsichtlich einer Linie
Bordeaux-Lyon-Genf südliche droit écrit (Schriftrecht römischer bzw.
westgotischer bzw. burgundischer Herkunft) mit dem nördlichen droit coutumier
(Gewohnheitsrecht überwiegend fränkischer Herkunft) zu verbinden, greift die
französische Revolutionsbewegung trotz Fehlens von Vorarbeiten auch die
Forderung nach bürgerlicher Neuordnung des Rechtes auf und bestimmt in der
Verfassung des Jahres 1791, dass ein Code des lois civiles communes à tout le
royaume (Buch der dem gesamten Königreich gemeinsamen bürgerlichen Gesetze)
geschaffen werden soll (il sera fait). Nach vier erfolglosen Entwürfen (1793
[719 Artikel, Gleichberechtigung der Ehegatten, einfache Scheidung,
Zersplitterung der Erbschaft durch gesetzliche Erbfolgeteilung, Adoption], 1794
[297 Artikel] und 1796 [Projet de Code civil] durch Cambacérès, 1798-1799 durch
Target) wird hierfür am 12. 8. 1800 eine von der Regierung abhängige Kommission
(vier ehemalige Rechtsanwälte Tronchet, Portalis [römisches Recht], Bigot de
Préameneu, Maleville [römisches Recht, traditionell]) eingesetzt, die in vier
Monaten einen Entwurf anfertigt. Napoleon selbst nimmt an 59 bzw. 55 von 102
bzw. 107 Sitzungen des Staatsrats teil, bezieht zu 89 Themenbereichen Stellung
und setzt sich in 59 Fragen durch. Die nach Beratung seit 1803 erscheinenden 36
Einzelgesetze (Verordnungen) fasst ein Gesetz vom 21. 3. 1804 (unter
Abschaffung des alten Rechtes) als Code civil des Français zusammen (1807 Code
Napoléon, 1816 Code civil, 1852 Code Napoléon, 1870 Code civil). Der C. c.
umfasst 2281 Artikel ([2010] 2285), die in (einen Titre préliminaire und
ausgehend vom Institutionensystem in) drei Bücher (Personen [keine Bestimmungen
über juristische Personen], Güter und Eigentumsabwandlungen, Eigentumserwerbsgründe
(u. a. Erbrecht, Schuldrecht]) geteilt sind. Die Bestimmungen verwirklichen
antifeudalistische, egalitäre und zentralistische Grundsätze der Revolution,
bewahren aber auch in gewissem Umfang fränkisches bzw. germanisches Gedankengut
(Grundwerte Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Laizität, kennzeichnend
sind Säkularisierung des Zivilstands und der Ehe, beschränkte
Scheidungsfreiheit, starke väterliche Gewalt, ungleiche Stellung unehelicher
Kinder, Verbot der Vaterschaftsuntersuchung, Eigentum, Vertragsfreiheit,
Deliktshaftungsgeneralklausel, Gleichheit der Erbschaft, großer Pflichtteil).
Sie treten außer in Belgien, Genf, Piemont, Italien (bis 1813) und Holland
sowie im Großherzogtum Warschau (später Königreich Polen) und kurzfristig im
Villacher Kreis und in Osttirol auch in den linksrheinischen Annexionsgebieten
in Kraft, sowie überwiegend nur kurzzeitig 1810 (13. 12. 1810/29. 5. 1811-1.
10. 1814 [Oldenburg], 27. 5. 1814 [Hamburg], 4. 5. 1814 [Lübeck], 13. 8. 1814
[Bremen]) im Lippe-Departement und im Hansischen Departement, 1808 im
Königreich Westphalen (1. 1. 1808-9. 9. 1814), 1810 im Großherzogtum Berg (1.
1. 1810), 1808 in Aremberg (1. 7. 1808-11. 9. 1814), 1810 in Baden (1. 1.
1810), 1811 in Frankfurt am Main (1. 10. 1811-1. 2. 1814) und Anhalt-Köthen (1.
3. 1811-1. 1. 1812), 1812 in Nassau (1. 1. 1812-1. 1. 1814) und 1808 in Danzig
(21. 7. 1808-1815). Bis zum 31. 12. 1899 bleibt der C. c. in Geltung
(linksrheinisch) in der preußischen Rheinprovinz, in Rheinhessen, Birkenfeld,
Rheinbayern, (rechtsrheinisch) in Berg und in Baden (1/6 des Reichsgebiets mit
ca. 8 Millionen Einwohnern). Darüber hinaus beeinflusst der C. c. mehr oder
weniger stark die gesamte spätere privatrechtliche Gesetzgebung vieler Länder
(Luxemburg, Belgien 1830, Niederlande bis 1838, Italien 1865-1940, Schweiz,
Spanien 1889, Portugal 1867, Südamerika und Mittelamerika [Haiti 1825,
Mexiko-Oaxaca 1828, Bolivien 1830, Costa Rica 1841, Peru 1852, Chile 1855,
Mexiko 1870, Argentinien 1871, Brasilien 1916, Peru 1936], Louisiana 1808,
1825, Rumänien 1863/1865, Ägypten 1865, Quebec 1866, französische Kolonien in
Afrika). Wichtige Kommentare stammen von Charles-Bonaventure Toullier und
Alexandre Duranton. Im Vordergrund steht im 19. Jh. die Exegese des Gesetzeswortlauts
mit Hilfe der Gerichtspraxis. Durch Novellen ist der C. c. an geänderte
Vorstellungen angepasst (z. B. 1807 Majorat, 1816 Verzicht auf die Scheidung,
1819 Streichung des Erbverbots für Ausländer, dann Aufhebung des bürgerlichen
Todes und des körperlichen Zwanges, 1884 Ehescheidung, 1896 und 1912
Verbesserung der Rechtsstellung unehelicher Kinder, 1907 Recht der Ehefrau auf
Arbeitslohn, 1938 Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit der Ehefrau,
Familienrecht, Gleichheitsgrundsatz, 1999 pacte civil de solidarité, 200 Jahre
nach Inkrafttreten noch etwa die Hälfte des ursprünglichen Textes in manchmal
destrukturierter Fassung in Kraft), durch neue Codes (z. B. Code de la
propriété intellectuelle, Code de consommation, Code de assurances) in seiner Bedeutung
geschwächt. 2002 wird ein viertes Buch für das Überseegebiet Mayotte angefügt,
das 2006 nach Schaffung eines vierten Buches über Sicherheit zum fünften Buch
wird.
Lit.: Söllner §§ 1, 16; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
141, 180, 184, 205; Zachariae von Lingenthal, K., Handbuch des französischen
Civilrechts, 1808, 8. A. 1894; Fenet, P., Recueil complet des travaux
préparatoires du Code civil, 1827; Mitteis, H., Die germanischen Grundlagen des
französischen Rechts, ZRG GA 69 (1943), 137; Böhmer, G., Der Einfluss des Code
civil auf die Rechtsentwicklung in Deutschland, AcP 151 (1950/1), 289;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm,
W., Gesetzgebung und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967), 241;
Arnaud, A., Les origines doctrinales du Code civil français, 1969; Arnaud, A.,
Essai d’analyse structurale du Code civil français, 1973; Fehrenbach, E.,
Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W.,
Französisches Recht in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1977;
Theewen, E., Napoleons Anteil am Code civil, 1991; Gross, N., Der Code Civil in
Baden, 1993; Bürge, A., Das französische Privatrecht im 19. Jahrhundert, 2. A.
1995; Halpérin, J., Le Code civil, 1996, 2. A. 2003; Code Napoléon. Badisches
Landrecht, bearb. v. Müller-Wirth, C. u. a., 1997; Caroni, P., Saggi sulla
storia della codificazione, 1998; Bürge, A., Zweihundert Jahre Code civil des
Français, ZeuP 2004, 5; Le Code civil 1804-2004. Livre du bicentenaire, 2004;
Le code civil 1804-2004. Un passé, un présent, un avenir, hg. v. Lequette, Y.,
2004; Les Français et leur Code civil. Bicentenaire du Code civil 1804-2004,
2004; Code civil (Text imprimé). Les défis d’un nouveau siècle, 2004; Witz, C.
u. a., Der französische Code civil, NJW 2004, 3757; Le Code Napoléon, hg. v.
Beauthier, R., 2004; Richterliche Anwendung des Code civil in seinen
europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, hg. v. Dölemeyer, B. u.
a., 2006 (S. 21 Angabe der Übersetzungen ins Deutsche); Zweihundert (200) Jahre
Code civil, hg. v. Schubert, W. u. a., 2006; Le Bicentenaire du Code civil, hg.
v. Witz, C., 2006; Geyer, S., Den Code civil richtiger auslegen, 2008
Code de
commerce ist das
den Code Savary (Ordonnance) von 1673 und die Ordonnance de la marine von 1681
verwendende, von Gorneau, Vital Roux und Morgues redigierte, 1807 geschaffene
Handelsgesetzbuch Frankreichs.
Code de procédure civile ist das die ersten den gemeinsamen
römisch-kanonischen Prozess seit 1667 durch mündliche Verfahren und integriertes
Beweisverfahren reformierenden königlichen Gesetze (ordonnances) verstärkende
Zivilprozessgesetzbuch Frankreichs von 1806 (öffentliches, mündliches
Verfahren, Verhandlungsmaxime, passive Rolle des Richters, unmittelbare Beweisaufnahme,
Anwaltszwang, Prinzip zweier Instanzen, obligatorischer Vergleichsversuch,
Notwendigkeit der Urteilsbegründung, in Kraft 1807), das 1958 tiefgreifend
verändert und 1976/1981 durch einen Nouveau Code de procédure civile mit
erheblichen Erweiterungen der richterlichen Befugnisse ersetzt wird.
Lit.: Köbler, DRG 141; Boncenne, P., Théorie de la
procédure civile 1828; Endres, P., Die französische Prozessrechtslehre, 1985;
Conod, P., Le Code de procedure civile vaudois, Diss. jur. Lausanne 1986; 1806
- 1976 – 2006; De la commémoration d’un code à l’autre, hg. v. Cadiet, L. u.
a., 2006
Code
d’instruction criminelle
ist das seit 1801 geplante Strafprozessgesetzbuch Napoleons für Frankreich
vom 16. 11. 1808 (in Kraft getreten am 1. 1. 1811), das 1958 durch den Code de
procédure pénale ersetzt wird.
Lit.: 200 Jahre Code d’instruction criminelle, hg. v.
Jung, H. u. a., 2010
Code Napoléon ist der zu Ehren Napoleons
vergebene, kurzzeitig (1807-1811, 1852-1870) gültige Name des →Code
civil.
Lit.: Köbler, DRG 141; Andreas, W., Die Einführung des
Code Napoléon in Baden, ZRG 31 (1910), 182; Astuti, G., Il „Code Napoléon“ in
Italia, ASD 14-17 (1970-3), 1; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des
Code Napoléon in den Rheinbundstaaten, 1973; Cabanis, A./Cabanis, D., Code Napoléon
et Code Civil vaudois, (in) Mélanges dédiés à Marty, G., 1978; Gross, N., Der
Code Napoléon in Baden, 1997
Code pénal ist das (einem Code pénal von 1791
und des Jahres IV sowie einem Entwurf eines Code criminel von 1804 folgende)
Strafgesetzbuch Frankreichs von 1810 (in Kraft getreten zum 1. 1. 1811), das
seit 1989 erneuert wird (neuer Code pénal 1992/1994).
Lit.: Köbler, DRG 141; Brandt, C., Die Entstehung des
Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002
codex (lat. [M.] Klotz, Scheit Holz, von Holzbrettchen
umschlossener Beschreibstoff, Beschriftungstafel für Schriftrollen, Tafel,
verbundene Mehrheit von Tafeln oder Pergamentstücken, Buch (als günstiger
Alternative zur Schriftrolle, bereits im 2. Jh. n. Chr. in der christlichen
Literatur ziemlich verbreitet, für Texte von Rechtskundigen vielleicht seit
Anfang des 4. Jh.s, etwa seit dieser Zeit weitgehend durchgesetzt).
Lit.: Codex im Diskurs, hg. v. Haye, T. u. a., 2014
Codex (lat. [M.]) ist allgemein das
umfassende Buch von Gesetzen bzw. Konstitutionen (Gesetzbuch) im Gegensatz zum
Einzelgesetz (lat. [F.] constitutio). Im Besonderen ist C. das kompilatorische,
(römischrechtliche) Buch der Gesetze (Konstitutionen) (Gesetzbuch) des oströmischen
Kaisers →Justinian (527-565). Dieser lässt ab 13. 2. 528 (Konstitution
[lat.] De novo codice componendo, Über den neu zusammenzustellenden C.) von
einer zehnköpfigen Kommission unter der Leitung Tribonians aus dem Codex
Gregorianus, dem Codex Hermogenianus und dem Codex Theodosianus die als noch
brauchbar angesehenen Konstitutionen (Gesetze) der römischen Kaiser (ab
Hadrian) unter Tilgung von Widersprüchen in einem nur im Index der
Titelrubriken und Inskriptionen von Buch 1, 11-16 (im Papyrus Oxy 15, 1814) und
im Übrigen nicht erhaltenen Codex (Iustinianeus) (vetus) (veröffentlicht unter
dem 7. 4. 529) zusammenstellen und 534 durch Tribonian, Dorotheus und drei
Anwälte überarbeiten (Codex repetitae praelectionis, Gesetzbuch der
wiederholten Vorlesung, 16. 11. 534). Dieser durch Bruchstücke eines
Palimpsests des 6. oder 7. Jh.s und jüngere, ebenfalls jeweils unvollständige
Handschriften (Ende 11. Jh.) fast vollständig handschriftlich überlieferte C.
enthält, eingeteilt in 12 Bücher (Buch 1 Kirche, Staat, Verfahren, Bücher 2-8
Privatrecht, Buch 9 Strafe, Bücher 10-12 Verwaltung) und (insgesamt 763 bzw.
765) Titel (zitiert als C. nach Buch, Titel [in Ediktsordnung] und Konstitution
sowie gegebenenfalls Paragraph, z. B. C. 6, 30, 1) in chronologischer
Reihenfolge ungefähr 4600 Konstitutionen hauptsächlich Diokletians (284-305,
1200, der Severerkaiser 880, Konstantins 200, Theodosius’ I. und Theodosius’
II. 550, Justinian 400) mit insgesamt etwa 400000 (407860?) Wörtern. Im
Mittelalter werden als C. nur die ersten neun Bücher gezählt, während das
übrige zum →Volumen (parvum) gerechnet wird.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Söllner § 15;
Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Codex und Geltung, hg.
v. Heinzer, F. u. a., 2015
Codex (M.) Austriacus (lat.) (1704, 1748, 1752, 1777)
ist die erste noch private und unvollständige Gesetzessammlung für
→Österreich (unter und ob der Enns).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexaustriacus1704bd1.pdf
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexaustriacus1704bd2.pdf Köbler, DRG
145; Baltl/Kocher; Guarient, F. v., Codex Austriacus, Bd. 1f. 1704
Codex (M.) Euricianus (lat.) ist das möglicherweise nach
älteren Einzelgesetzen um 475/476 unter dem westgotischen König Eurich
entstandene, in einer Palimpsesthandschrift erhaltene Gesetzbuch der
Westgoten, das formal wie inhaltlich vom römischen Recht beeinflusst ist.
→Lex Visigothorum
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Gaudenzi, A.,
Nuovi frammenti, Rivista italiana per le scienze giuridiche 6 (1888); Schiller,
F., Das erste Fragment des Codex Euricianus, ZRG GA 30 (1909), 18; Buchner, R.,
Die Rechtsquellen, 1953; El codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Codex (M.) Fridericianus Marchicus s. Project des Codicis Fridericiani Marchici
Codex (M.) Gregorianus (lat.) ist die vermutlich von
einem Amtsträger Gregorius (Leiter der Kanzlei a libellis von 284 bis 287 und
von 289 bis 290?) privat erstellte, in Bücher und Titel gegliederte, dort
chronologisch gereihte, nur bruchstückweise (in den fragmenta Vaticana und in
Auszügen in der Lex Romana Visigothorum) erhaltene, bis Mai 291 reichende
Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) der römischen Kaiser von Hadrian
(117-138) bis Diokletian (284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a.
→Codex [Justinians]) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner
§§ 19, 22; Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) Hammurapi →Hammurapi
Codex (M.) Hermogenianus (lat.) ist die vermutlich von
einem Amtsträger (Leiter der Kanzlei a libellis im Osten von 293 bis 295 und
vielleicht auch im Westen 291 und von 295 bis 298) und bekannten Rechtskundigen
namens →Hermogenian privat erstellte, in Titel gegliederte, später
ergänzte, nur bruchstückweise erhaltene, die Jahre 293 und 294 erfassende
Sammlung von Konstitutionen (Gesetzen) des römischen Kaisers Diokletian
(284-305). Der C. ist in späteren Werken (u. a. →Codex) verwertet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19,
22; Köbler, DRG 52, 80
Codex (M.) iuris Bavarici criminalis (lat.) ist das von
→Kreittmayr in deutscher Sprache geschaffene, am 7. 10. 1751 für
→Bayern veröffentlichte Gesetzbuch des Strafrechts (Teil 1) und
Strafprozessrechts (Teil 2). Der C. beseitigt zwar die Rechtszersplitterung,
hält aber an Ketzerei, Zauberei, Hexerei und Aberglauben als Straftaten, an
grausamen Strafen und an der Folter fest. Er gilt bis 1813.
Lit.: Pfeitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Schütz, S., Die Entwicklung des Betrugsbegriffs, 1988
Codex (M.) iuris Bavarici iudiciarii (lat.) ist das von
→Kreittmayr in deutscher Sprache aus bayerischem Recht (meist von 1616)
und gemeinem Recht (z. B. über Klage, Provokationsprozess, Wirkungen der
Ladung, Urheberbenennung, Rechtskraft, Restitution, Syndikatsklage, Immission)
geschaffene, gegenüber einem Entwurf deutlich veränderte, 1753 in Kraft
gesetzte, klare und fast lückenlose, Prozesse erfolgreich abkürzende
Zivilprozessgesetzbuch →Bayerns, das sich um eine Abkürzung des gemeinen
Zivilprozesses bemüht und bis 1. 7. 1870 gilt.
Lit.: Schwartz, J., 400 Jahre deutsche
Civilprozessgesetzgebung, 1898, 254; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954;
Schöll, W., Der Codex iuris bavarici iudiciarii, Diss. jur. München 1965; Codex
iuris Bavarici judiciarii, hg. v. Schubert, W., 1993; Seuffert, J. u. a.,
Kommentar über die bayerische Gerichtsordnung, Bd. 1ff. 2. A. 1853ff., Neudruck
1993
Codex (M.) iuris canonici (lat.) ist das im 20. Jh.
geschaffene Gesetzbuch der katholischen Kirche. Von Papst Pius X. 1904 durch
→Gasparri in die Wege geleitet und von einer Kommission ausgearbeitet,
wird es am 27. 5. 1917 zum 18./19. 5. 1918 in fünf Büchern (allgemeiner Teil,
Personenrecht, Sachenrecht, Prozessrecht, Strafrecht) in Kraft gesetzt. Hieran
schließt sich (25. 1. 1983 promulgiert, 27. 11. 1983 in Kraft) 1983 eine seit
1959 vorbereitete Neufassung an (allgemeine Normen, Kirchenverfassung,
Verkündigungsdienst der Kirche, Sakramente, Kirchenvermögen, Strafen, Prozess).
Daneben steht für 29 katholische Ostkirchen der am 18. 10. 1990 promulgierte
und am 1. 10. 1991 in Kraft getretene (lat.) Codex (M.) canonum ecclesiarum
orientalium (Gesetzbuch der Bestimmungen der östlichen Kirchen).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/codexiuriscanonici1917.htm
Söllner § 16; Köbler, DRG 205, 266; Codex iuris canonici, hg. v. Gasparri, P.,
1917; Stutz, U., Der Geist des Codex iuris canonici, 1918; Codicis iuris
canonici fontes, cura Gasparri, P., Bd. 1ff. 1923ff.; Le droit et les
institutions de l’église catholique latine de la fin du XVIIIe siècle a 1878,
1981; Codex des kanonischen Rechtes, hg. im Auftrag der deutschen und Berliner
Bischofskonferenz, 1983, 2. A. 1984; Zapp, H., Codex iuris canonici,
Stichwortverzeichnis, 1986
Codex (M.) Iustinianeus →Codex
Codex (M.) Maximilianeus Bavaricus
civilis (lat.) ist
das von →Kreittmayr auf der Grundlage des vorangehenden Landrechts
Bayerns und des gemeinen Rechtes in Zusammenwirken mit der Ständevertretung und
den Justizbehörden in München, Landshut, Burghausen, Straubing und Amberg in
deutscher Sprache geschaffene, am 2. 1. 1756 veröffentlichte, alle zur bürgerlichen
Rechtsgelehrsamkeit gehörigen Materien samt Jagdrecht, Fischereirecht,
Forstrecht und Gewerberecht nach gemeinrechtlichen und statutarischen Rechtsgrundsätzen
zusammenfassende Gesetzbuch („neu verbessertes und ergänztes kurbayerisches
Landrecht“, Kompilation). Der C. gliedert sich nach Personen, Sachen und
Ansprüchen in vier Teile (Personenrecht, Sachenrecht, Erbrecht, Vertragsrecht).
Er löst das bayerische Landrecht von 1616 ab, lässt das gemeine Recht subsidiär
fortgelten, wird auf die 1815 erworbenen Gebiete (außer Rheinpfalz) erstreckt
und wird zum 31. 12. 1899 durch das →Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen
Reiches abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; (Kreittmayr, W. Frhr. v.,)
Anmerkungen zum Codex civilis Maximilianeus Bavaricus, Bd. 1ff. 1758ff.,
Neudruck; Friedl, H., Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, Diss. jur.
Erlangen 1934; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A.
1967; Pöppel, P., Quellen und System des Codex Maximilianeus Bavaricus civilis,
1967; Zimmermann, K., Die Monita zum Entwurf des Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis, 2008
Codex (M.) Theodosianus (lat.) ist das 429 in einem
umfassenden, nur teilweise verwirklichten Plan (eines C. T. aus Konstitutionen
und Schriften von Rechtskundigen) in Angriff genommene, 435 begonnene, am 15.
2. 438 veröffentlichte und am 1. 1. 439 in der östlichen Hälfte des römischen
Reiches in Kraft gesetzte sowie von Kaiser Valentinian am 25. 12. 439 auch für
die westliche Hälfte verkündete (amtliche) Buch der Gesetze (Gesetzbuch) Kaiser
Theodosius’ II. (408-450) mit vielleicht 294054 Wörtern. Der dem Vorbild des
(lat.) Codex (M.) Gregorianus und Codex Hermogenianus folgende C. enthält
ungefähr 2500 kaiserliche Konstitutionen (Gesetze) von 313 (Konstantin) bis 437
(Theodosius II.) aufgeteilt in etwa 3250 Stücke. Er gliedert sich in der
Ordnung des Edikts in 16 Bücher (1,1-1,4 Rechtsquellen, 1,5-1,35
Staatsverfassung Gerichtsverfassung, 1,1-18a Verfahren, 1,19-5 Privatrecht, 6
Standesrecht, 7 Militärrecht, 8,1-11 Subalternbeamte, 8,12-19 unentgeltlicher
Erwerb, 9 Strafrecht mit Strafverfahren und Strafvollstreckung, 10 Fiskalrecht,
11,1-28 Steuerrecht, 11,29-39 Verfahren, 12 Gemeinderecht, 13 Berufskörperschaften,
14 Sozialleistungen in Großstädten, 15 Lustbarkeiten, 16 Kirchenrecht bzw. 1,
6-8,11, 10-15 Verwaltung, 2-5 und 8,12-19 Privatrecht, 9 Strafe, 16 Kirche)
sowie insgesamt rund 450 (systematisch angeordnete?) Titel und ist innerhalb
dieser Titeleinteilung zeitlich geordnet. Die Bücher 1 bis 5 sind mit etwa 400
Konstitutionen hauptsächlich durch das (lat.)→Breviarium (M.) Alaricianum
(506, „Kurzbuch“ des Alarich) auszugsweise überliefert (ein Drittel?), die
Bücher 6-16 durch zwei frühe Handschriften (Rom, Biblioteca Vaticana, Vat. reg.
886, Paris, Bibliothèque Nationale Cod. 9643) und Papyri (P. Oxy 15, 1913 u.
a.). Der C. T. wird in Ostrom ab 527-534 von den Kompilationen Kaiser Justinians
(Codex) verdrängt, in den westgotischen Gebieten durch das Breviar Alarichs II.
(lat. [N.] Breviarium Alaricianum)
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 42; Söllner §§ 19,
21, 22; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 80; Theodosiani libri XVI, ed. Mommsen,
T., 1905; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Rechtes, 1888, 2. A. 1912; Seeck, O., Regesten der Kaiser und Päpste für die
Jahre 311 bis 476 n. Chr., 1919; Codex Theodosianus, hg. v. Krüger, P., 1923
(etwas vollständiger durch im Codex Justinians übernommene, veränderte
Stellen); Gradenwitz, O., Heidelberger Index zum Theodosianus, 1925,
Ergänzungsband 1929; The Theodosian Code and novels, and the Sirmondian
constitutions, übers. v. Pharr, C., 1952; Gaudemet, J., La formation du droit
séculier et du droit de l’Église aux IVe et Ve siècles, 2. A. 1979; Dilger, A.,
Herkunft und Rechtsnatur einer Handschrift aus dem theodosianischen Gesetzbuch,
ZRG GA 94 (1977), 184; Archi, G., Theodosio II e il suo tempo, 1978; Dilger,
A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99 (1982), 298; Voß, W.,
Recht und Rhetorik in den Kaisergesetzen der Spätantike, 1982; Moscati, L.,
Nuovi studi sul codice teodosiano, 1983; The Theodosian Code, hg. v. Harries,
J. u. a., 1993; Dovere, E., Ius principale e catholica lex, 1995; Matthews, J.,
Laying down the law, 2000; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002;
Sirks, A., The Theodosian code, 2007
Codex (M.) Theresianus (lat.) ist der Entwurf eines
einheitlichen österreichischen Gesetzbuchs (Privatrecht, Zivilprozessrecht,
ohne Strafrecht) unter Maria Theresia (vom 25. 11. 1766 mit mehr als 8000
Bestimmungen, 115114 Wörtern, 23145 Wortformen, 10682 Lemmata). Er beruht auf
der Arbeit einer zum 14. 2. 1753 eingesetzten Kompilationskommission, die ein
auf natürliche Billigkeit gegründetes volkstümliches Recht schaffen und dabei
die einzelnen Provinzialrechte, das gemeine Recht und die Gesetze anderer
Staaten heranziehen soll. Das von Josef Azzoni (1712-1760) und Johann Bernhard
von Zencker geförderte, hauptsächlich 1766 in Brünn tätige Unternehmen endet
1776 wegen seiner Dickleibigkeit, erleichtert aber als wertvolle Vorarbeit das
→Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811/1812.
Lit.: Codex Theresianus, hg. v. Harras von
Harrasowsky, P., Bd. 1ff. 1883ff.; Höslinger, R., Die gemeinrechtlichen Quellen
des Codex Theresianus, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 1 (1950), 72;
Wesener, G., Die Rolle des usus modernus pandectarum im Entwurf des Codex
Theresianus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexTheresianus.htm,
dazu Wortformenliste und Lemmaliste
Codex Urnammu ist der 1948 entdeckte sumerische
Rechtstext des Königs Urnammu von Lagusch (Ur) (um 2100 v. Chr.), von dem
wenigstens 40 Bestimmungen (über Mord, Raub, falsche Anschuldigung, Ehebruch,
Vergewaltigung, Ehe, Scheidung, Hexerei, Körperverletzung, Miete,
Arztbehandlung, Darlehen, Erbe, Sklaven, Wasserdiebstahl und Vernachlässigung
von Land) in fünf Abschriften in Nippur, Ur und Sippar erhalten sind.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexUrNamu.pdf;
Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Codice civile →Italienisches Recht
Codicillus (lat. [M.] Büchlein, grundsätzlich
Plural codicilli verwendet) ist im klassischen römischen Recht die letztwillige
Verfügung, die entweder als Bestandteil eines →Testaments zählt oder
(außerhalb eines Testaments) nur Fideikommisse und fideikommissarische
Freilassungen (nicht dagegen Erbeinsetzungen und Enterbungen) enthalten darf.
Durch die so genannte Kodizillarklausel eines Testaments kann der Erblasser
bestimmen, dass eine als Testament unwirksame Erklärung wenigstens als c.
gelten soll.
Lit.: Kaser § 68; Söllner §§ 15, 17; Köbler, DRG 38
Código (M.) civil (span.) ist das spanische
Zivilgesetzbuch von 1888/1889, das maßgeblich von Manuel Alonso Martínez
(1827-1891) geprägt wird. Es vereinheitlicht das Privatrecht, belässt aber mit
dem Mittel seiner Subsidiarität landschaftliche, auf den Foralrechten (fueros)
beruhende Unterschiede im Verhältnis zu →Kastilien.
Código (M.) de comercio (span.) →Handelsgesetzbuch
Código (M.) do processo civil (portug.) ist das portugiesische
Zivilprozessgesetzbuch des Jahres 1939, das maßgeblich von José Alberto dos
Reis geprägt wird.
Coemptio (lat. [F.]), Zukauf, ist im römischen Recht
eine der (lat. [F.]) Manzipation nachgeformte Handlung zur Begründung der
Hausgewalt (lat. [F.] manus) des Hausvaters über die Frau unter Zahlung eines
symbolischen Kaufpreises zwecks Eheschließung.
Coercitio (lat. [F.]) ist im altrömischen
Recht die allgemeine, Unrechtstaten verfolgende magistratische Zuchtgewalt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 6; Köbler,
DRG 18, 20
cognati (lat. [M.Pl.]) Blutsverwandte,
→Verwandte
cognitio (F.) Erkenntnis →cognitio
(F.) extra ordinem
Cognitio (F.) extra ordinem (lat., Erkenntnis außer der
Ordnung) ist im klassischen römischen Recht das außerordentliche Verfahren, das
durch allmähliche behördliche Verfestigung die altrömische Gerichtsverfassung
und das zugehörige Formularverfahren ersetzt. →Kognitionsverfahren
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler,
DRG 34; Köbler, LAW
cognitor (lat. [M.]) Prozessvertreter
→Stellvertreter
Coimbra am Mondego beruht auf römischer
Grundlage (Conimbriga bzw. Aeminium). 878/1064 wird es den Mauren entzogen (im
12./13. Jh. Hauptstadt →Portugals). Die 1290 in Lissabon gegründete
Universität wird 1308 nach C. verlegt (1338-1354, 1377-1537 nochmals Lissabon).
Lit.: Almeida, A./Brandao, M., A Universidade de
Coimbra, 1937; Merêa, P., Sôbre as origens do concelho de Coimbra, Revista
Portuguesa de história 1 (1940), 49
Coing, Helmut (Celle 28. 02. 1912-Kronberg im Taunus 15. 08. 2000)
wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Kiel, München, Göttingen und
Lille in Göttingen 1935 promoviert (Wolfgang Kinkel) und in Frankfurt am Main
1938 habilitiert (Erich Genzmer). 1940 wird er außerordentlicher Professor in
Frankfurt am Main, nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft 1948 ordentlicher
Professor. Von 1964 bis 1980 ist er Direktor des von Erich Genzmer (für das
Mittelalter) geplanten Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte in
Frankfurt am Main.
Lit.: Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Coing, H.,
Die Rezeption des römischen Rechtes in Frankfurt am Main, 1939; Studien zur europäischen
Rechtsgeschichte, hg. v. Wilhelm, W., 1972; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschicht, hg. v. Coing, H., 1973ff.;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Helmut Coing,
(in) Juristen im Portrait, 1988, 215ff.; Simon, D., Zwischen Wissenschaft und
Wissenschaftspolitik, NJW 2001, 1029ff.; Coing, H., Für Wissenschaften und
Künste – Lebensbericht eines europäischen Rechtsgelehrten, hg. v. Feldkamp, M.,
2014
Coke, Sir Edward (Mileham/Norfolk 1. 2. 1552-Stoke Poges
3. 9. 1634), Norfolker Landadligensohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Cambridge (Trinity College) und der praktischen Ausbildung in Clifford’s Inn
und Inner Temple in London 1578 Anwalt, 1589 Parlamentsmitglied, 1592 Kronanwalt
und 1594 Justizminister (Attorney General, Generalstaatsanwalt). Zunächst
entschiedener Anhänger des Königs, behauptet er seit 1606 als Chief Justice of
the Court of Common Pleas (1613 Privy Councillor, Vorsitzender von King’s
Bench) die Unterordnung des Monarchen (bzw. dessen Chancery, Star Chamber und
High Commission) unter das (von der Vernunftkonzeption geprägte) common law und
wird deswegen schließlich 1616 entlassen. Seit 1620 verstärkt er aus dem
Parlament heraus den Widerstand gegen den König (1622/1623 in Haft, am 7. 6.
1628 Annahme der Beschwerden des Parlaments wegen rechtswidriger
Besteuerungen, Zwangsanleihen und Verhaftungen durch den König). Daneben
veröffentlicht er nach einer umfassenden Sammlung von Entscheidungen (Reports,
1600-1615, Ausgangspunkt der doctrine of precedent) und einer Sammlung von
Einträgen (A Book of Entries, 1614) seit 1628 seine vierbändigen Institutes,
die das erste Lehrbuch des neuzeitlichen →common law bilden. Davon stellt
das als Commentary upon Littleton(´s Tenures) gestaltete erste Buch (Coke upon
Littleton) eine Rechtsgrundlegung (Enzyklopädie) dar. Die weiteren drei
Bücher (1641) begründen verfassungsmäßig den Vorrang von Parlament und Recht
im Staat (im Wege der Politiserung des Rechtes und der Verrechtlichung der
Politik). Im Ergebnis verdrängen Cokes Reports und Institutes in kurzer Zeit
die in Law French abgefassten älteren Year Books (Jahrbücher) und
Rechtsdarstellungen.
Lit.: Johnson, C., Life of Sir E. Coke, 1837; Block,
H., E. Coke, 1929, Neudruck 1992; Mosse, G., The Struggle for Sovereignty in
England, 1950; Thorne, S., Sir Edward Coke, 1957; Bowen, C., The Lion and the
Throne, 1957; Beauté, J., Un grande juriste anglais, 1975; Hostettler, J., Sir
E. Coke, 1997; Boyer, A., Sir E. Coke and the Elizabethan Age, 2003
Collatio (F.) bonorum (lat., Vergleich der Güter) ist im
klassischen römischen Recht die Verrechnung des Vorausempfangs (Abfindung,
Mitgift) eines Hauserben mit seinem Erbteil vor dem Prätor.
Lit.: Kaser § 65, 73; Köbler, DRG 37, 59
Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum (lat., Benennung im 16. Jh.)) ist
die spätantike, unter dem Titel (lat.) lex (F.) Dei quam praecepit Dominus ad
Moysen (Gesetz Gottes, das der Herr Moses gebot,) in drei Handschriften
überlieferte Schrift eines unbekannten Verfassers (des späten 4. Jh.s?), die
Stellen der Bibel mit Stücken des →Gaius, der Spätklassiker, des
→Codex Gregorianus und des →Codex Hermogenianus mit dem Ziel des
Nachweises der Übereinstimmung vergleicht.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CollatiolegumMosaicarumetRomanorum390.htm;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Söllner §§ 5, 16; Schulz, F., Geschichte der
römischen Rechtswissenschaft, 1961, 394; Frakes, R., Compiling the Collatio
Legum Mosaicarum et Romanorum, 2011
Collectio (F.) Anselmo dedicata ist die vielleicht in Mailand (oder Reims) um
900 von einem unbekannten Verfasser geschaffene, fast 2000 Kapitel (vor allem
aus den pseudoisidorsichen Dekretalen) enthaltende, systematische Sammlung von
Kirchenrecht.
Lit.: Zechiel-Eckes, K., Quellenkritische Anmerkungen zur Collectio
Anselmo deidicata, (in) Recht und Gericht in der Kirche und Welt, hg. v.
Hartmann, W., 2007
Collectio (F.) Danieliana ist eine in einer Berner, früher François
Daniel gehörigen Handschrift überlieferte Kirchenrechtssammlung, die eine
Frühform der Capitula Angilramni enthält.
Lit.: Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt Pseudoisidors. Die
Collectio Danieliana, 2006
Collectio Francofurtana ist eine wohl am Ende des 12. Jh.s im
nördlichen Frankreich (Champagne) entstandene, mehr als 700 Kapitel umfassende
in vier Handschriften bezeugte Dekretalensammlung.
Lit.: Die Collectio Francofurtana, hg. v. Landau, P./Drossbach, G.,
2008 (Edition hat ziemliche Mängel)
Collectio (F.) vetus Gallica ist eine in Lyon um 600 entstandene
kirchenrechtliche Sammlung, die bis in die Zeit um 800 auf Einteilung und
Themen kirchenrechtlicher Werke einwirkt.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform im Frankenreich, 1975
Collegantia
Lit.: Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937
colonia (lat. [F.]) gegründete, später auch erhobene
römische Stadt außerhalb Roms (z. B. colonia Agrippinensis, Köln)
Colonus (lat. [M.]) ist im spätantiken
römischen Recht der erblich an die Scholle gebundene Landpächter.
Lit.: Kaser § 16; Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 27, 50, 57; Köbler, LAW; Schipp, O., Der weströmische Kolonat, 2010
Comecon (engl. Council for Mutual Economic
Assistance) ist die am 25. 1. 1949 in Moskau von der Union der sozialistischen
Sowjetrepubliken, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien
gegründete, mehrfach erweiterte Organisation zur wirtschaftlichen Vereinigung
Osteuropas innerhalb der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung (Rat
für gegenseitige Wirtschaftshilfe).
Lit.: Ribi, R., Das Comecon, 1970; Uschakow, A.,
Integration im RGW, 1983
comenda (lat. [F.]) →commenda
Comes (lat. [M.]) ist in der Spätantike
der Begleiter und Amtsträger des Kaisers und im Frühmittelalter der
→Graf.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 84; Köbler, LAW;
Sprandel, R., Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41;
Ebling, H., Prosopographie der Amtsträger, 1974; Borgolte, M., Die Grafen
Alemanniens, 1986; Scharf, R., Comites, 1994; Comitatus, hg. v. Winterling, A.,
1998
Comitia (lat. [N.Pl.]) ist im altrömischen
Recht die unterschiedlich gegliederte Volksversammlung.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 18
Comitia (N.Pl.) curiata (lat.) ist die nach Kurien
gegliederte römische Volksversammlung.
Comitatus (lat. [M.]) Begleitung
→comes, (mlat.) Grafschaft
Lit.: Wagner, G., Comitate um den Harz,
Harzzeitschrift 1 (1948), 1; Wagner, G., Comitate im karolingischen Reich,
1952; Wagner, G., Comitate in Franken, Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte
und Kunst 6 (1954), 3; Wagner, G., Comitate im Bistum Paderborn, Westfälische
Zeitschrift 103/104 (1954), 221; Wagner, G., Comitate zwischen Rhein, Main und
Neckar, ZGO 103 (1955), 1; Mascher, K., Reichsgut und Komitat am Südharz, 1957;
Claude, D., Untersuchungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 81 (1964), 1;
Sprandel, R., Bemerkungen zum frühfränkischen Comitat, ZRG GA 82 (1965), 288;
Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994
Commenda (lat. [F.]), comenda, ist eine
mittelalterliche Vorform der Kommanditgesellschaft.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Silberschmidt, W., Die italienische Commendaforschung der
jüngsten Zeit, Studi in memoria di Aldo Ekbertoni 3, 1936; Pryor, J., The
Origins of the commenda contract, Speculum 52 (1977), 5
Commendatio (lat. [F.]) ist im Mittelalter die
Handlung, mit der sich der Lehnsmann dem Lehnsherrn anvertraut.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW
Commentaries on the Laws of England (1765ff.) ist die auch
naturrechtlich beeinflusste Zusammenfassung des →englischen Rechtes durch
→Blackstone (1723-1780).
Commercium (lat. [N.]) ist im altrömischen
Recht die dem Fremden durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im
Verkehrsrecht.
Lit.: Kaser § 3, 68; Söllner § 12; Köbler, DRG 21
commixtio (lat. [F.]) Vermengung
Commodatum (lat. [N.]) ist die im jüngeren
klassischen römischen Recht anerkannte →Leihe (Realkontrakt).
Lit.: Kaser § 39 II; Köbler, DRG 45, 63; Berndt, B.,
Das commodatum, 2005
Common law (engl., gemeines Recht) ist in
England das für alle einheitlich geltende Recht im Gegensatz zum örtlich oder
persönlich unterschiedlichen Recht bzw. das in England seit dem Hochmittelalter
entwickelte Recht im Gegensatz zu dem aus dem römischen Recht entwickelten
Recht bzw. das von Gerichten in England geschaffene Recht im Gegensatz zum
gesetzten Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Plucknett, T., A Concise History of the Common
Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Caenegem, R.
van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988; Simpson, A.,
Biographical Dictionary of the Common Law, 1984; The Reception of Continental
Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Martinez-Torron, J.,
Anglo-American Law and Canon Law, 1998; Baker, J., The Common Law Tradition.
Lawyers, Books and the Law. 2000; Rudolph, J., Common Law and Enlightenment in
England, 2013; Potter, H., Law, Liberty and the Constitution, 2015
Commonwealth (engl.) gemeinsamer Reichtum,
Weltreich
Communio (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die →Gemeinschaft (z. B. mehrerer Erben), in der jeder
Gemeinschafter einen rechnerischen Anteil hat, über den er verfügen kann.
Lit.: Kaser § 23; Kroeschell, DRG 1
communis opinio (lat. [F.]) gemeinsame Meinung,
öffentliche Meinung (z. B. c. o. doctorum [der Rechtslehrer] vor allem vom
16.-18. Jh. als Argument für die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit einer
Auffassung)
Lit.: Schröder, J., Communis opinio, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,G., 1987, 404
Como
Lit.: Campiche, C., Die Comunalverfassung von Como, 1929
compendium (N.) iuris (lat.) Rechtshandbuch
Lit.: Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium juris,
1968
Compensatio (lat. [F.]) ist die im klassischen
römischen Recht grundsätzlich nur im Verfahren oder bei Einverständnis wirksame
Verrechnung mit einer Gegenforderung. →Aufrechnung
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 62; Dernburg, H.,
Die Compensation nach römischem Rechte, 1854; Dernburg, H., Geschichte und
Theorie der Compensation, 2. A. 1868, Neudruck 1965; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Compilación de Leyes (Ordenanzas reales de Castilla)
ist die erste, 1480 von Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) zusammengestellte
Sammlung kastilischer Vorschriften in 8 Büchern (ordenamiento von 1484). Ihr
folgen Sammlungen von (1485,) 1567 und 1805. →Libro do Leyes
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
1,558,674
Compilatio (F.) maior (lat.) ist die nach justinianischem
Vorbild in neun Bücher gegliederte Sammlung des aragonesischen Rechtes durch
Vidal de Canellas († 1252) in aragonesischer Sprache.
Lit.: Pérez Martìn, A., Einleitung zu Fori Aragonum,
1979, 1
Compositio (lat. [F.]) ist in den lateinischen
Texten des Frühmittelalters die →Buße. →Kompositionensystem
Lit.: Köbler, DRG 65, 91; Köbler, LAW; Jaekel, H.,
Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 107
Conchyleus →Coquille
concilium (lat. [N.]) Zusammenrufung?, Vereinigung, Versammlung
(z. B. der Plebejer in Rom),
→Konzil
conclusio (lat. [F.]), Schluss, Folgerung
Conclusum (N.) imperii (lat., Reichsschluss) ist seit dem
Spätmittelalter das vom Kaiser des Heiligen römischen Reichs angenommene
Reichsgutachten der Reichsstände, das noch der Verkündung bedarf, um Gesetz zu
werden.
Lit.: Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16.
Jahrhundert, 1905
Concordia (F.) discordantium canonum (lat.) ist der Titel des
→Decretum Gratiani (Dekret Gratians).
concussio (lat. [F.]) →Erpressung
condemnatio (lat. [F.]) Verurteilung (im römischen Recht
grundsätzlich auf Leistung von Geld, bei der Noxalhaftung wahlweise auf Geld
oder Preisgabe des Schädigers)
Condicio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die →Bedingung.
Lit.: Kaser §10; Willvonseder, R., Die Verwendung der
Denkfigur der condicio sine qua non, 1984; Effer-Uhe, D., Die Wirkung der
condicio im römischen Recht, 2008
Condictio (lat. [F.]) ist im
Formularverfahren des klassischen römischen Rechtes die strengrechtliche
Klagformel (lat. actio in personam) auf Übereignung einer bestimmten Sache oder
Geldsumme (z. B. aus Darlehen, Litteralkontrakt, Diebstahl), die im spätantiken
römischen Recht besonders mit dem Fall grundloser Vorenthaltung (z. B. des auf
eine Nichtschuld Geleisteten) verbunden wird. →Kondiktion
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 38, 39, 40, 48, 83; Söllner §
9; Köbler, DRG 33, 45, 67; Koschembahr-Lyskowsky, I. v., Die condictio als
Bereicherungsklage, Bd. 1f. 1903ff.; Schwarz, F., Die Grundlage der condictio,
1952
condictio (F.) causa data causa non secuta (lat.) Bereicherungsanspruch wegen
nicht (geschuldeter, erwarteter und nicht) erbrachter Gegenleistung,
→Bereicherung
condictio (F.) ex lege (lat.) Bereicherungsanspruch aus
gesetzlicher Obligation, →Bereicherung
condictio (F.) furtiva (lat.) Bereicherungsanspruch
gegen den Dieb auf einfachen Sachwert, →Bereicherung
condictio (F.) indebiti (lat.) Bereicherungsanspruch
wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld, →Bereicherung
condictio (F.) ob causam datorum (lat.) Bereicherungsanspruch
wegen nicht entstandenen Rechtsgrunds, →Bereicherung
condictio (F.) ob causam finitam (lat.) Bereicherungsanspruch
wegen weggefallenen Rechtsgrunds, →Bereicherung
condictio (F.) ob turpem vel iniustam causam (lat.) Bereicherungsanspruch wegen
eines sittenwidrigen oder unzulässigen Rechtsgrunds, →Bereicherung
condictio (F.) sine causa (lat.) Bereicherungsanspruch
wegen rechtsgrundloser Leistung, →Bereicherung
conditio (lat. [F.]) Bedingung (z. B. c. sine qua
[non], Bedingung ohne die nicht wie z. B. Schaden für Schadensersatzanspruch)
condominium (lat. [N.] Miteigentum, Mitherrschaft (z. B.
condominium plurium in solidum [17. Jh.] ohne ideellen Anteil am Gesamtgut,
Verfügung nur durch Gesamtheit)
conductio (lat. [F.]) Miet-, Pacht-, Dienst-
und Werkvertrag, s. locatio conductio
Lit.: Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956
Confarreatio (lat. [F.]) ist die altrömische Eheschließung
unter Speltbrotopferung (für Patrizier?).
Confessio est regina probationum (lat.). Das Geständnis ist die
Königin der Beweise (als Grundsatz des Beweisrechts des Inquisitionsprozesses
in den Quellen nicht wirklich belegt).
Lit.: Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches Recht in
deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Kleinheyer, G., Zur Rolle des
Geständnisses (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 367ff.; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
confin →Militärgrenze
Confoederatio (lat. [F.]) cum principibus
ecclesiasticis
(Bündnis mit den geistlichen Fürsten) ist die im 19. Jh. aufgekommene
lateinische Bezeichnung für das in einem Original und 5 Abschriften
überlieferte, 11 Artikel umfassende, wohl nur die bereits eingetretene
Rechtswirklichkeit anerkennende Privileg König Friedrichs II. für die geistlichen
Reichsfürsten vom 26. 4. 1220 als Gegenleistung für die Wahl Heinrichs (VII.)
zum König am 23. 4. 1220 (z. B. Verzicht auf den Nachlass bzw. das Spolienrecht
und Regalien bei den geistlichen Reichsfürsten, Verzicht auf neue Zollstätten
und Münzstätten, Testierfreiheit, Verfügungsfreiheit über Kirchenlehen, Verstärkung
des Kirchenbanns durch Reichsacht). Am 12. 3. 1275 und am 9. 11. 1292 wird
die C. erneuert.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Confoederatiocumprincipibusecclesiasticis1220.htm;
Kroeschell, DRG 1; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg.
v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982, 420; Eickels, K. v./Brüsch, T., Kaiser Friedrich
II., 2000
confusio (lat. [F.]) Zusammengießung, Vermischung z. B.
zweier gleichartiger Flüssigkeiten verschiedener Eigentümer, von Gläubigerstellung
und Schuldnerstellung in einer Person oder von Eigentum und Inhaberschaft an
einem beschränkten dinglichen Recht in einer Person
Lit.: Kiess, P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
coniunctio (lat. [F.]) Verbindung (z. B. vom Erblasser
durch testamentarische Verfügung geschaffene Verbindung einzelner Erben oder
Vermächtnisnehmer)
Lit.: Lösch, S., Die coniunctio in testamentarischen Verfügungen des
klassischen römischen Rechts, 2013
coniuratio (lat. [F.]) gemeinschaftlicher Schwur,
Verschwörung, Schwurgemeinschaft, usurpatorische Verbrüderung (z. B. Cambrai
1076, Köln 1114)
Lit.: Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Dilcher, G., Die Entstehung der
lombardischen Stadtkommune, 1967; Körner, T., Juramentum und frühe
Friedensbewegung, 1977; Kolmer, L., Promissorische Eide im Mittelalter, 1989;
Distler, E., Städtebünde, 2006
Connan, François (Paris 1508-Paris 1. 9.
1551), Sohn eines maître des comptes, wird nach dem Studium in Paris und dem
Rechtsstudium (1529) in Orléans und Bourges (mit Bekanntschaft zu Calvin) um
1533 Parlamentsadvokat und 1539 königlicher Rat. In einer Gesamtdarstellung des
geltenden Rechtes in zehn Büchern ([lat.] Commentariorum iuris civilis libri
[M.Pl.] X, 1553ff. Zehn Bücher Kommentare des weltlichen Rechtes) versucht er
die tatsächliche Ordnung der Rechtsquellen durch ein wissenschaftliches System
(lat. [F.] ars) zu ersetzen. Bei diesem wenig erfolgreichen Bemühen deutet er
die römischrechtliche (lat. [F.]) →actio als ein rechtserhebliches
Verhalten und legt damit einen ersten Grund für den Gedanken der
→Willenserklärung.
Lit.: Bergfeld, C., Franciscus Connanus, 1968
Conrad, Hermann (Köln 21. 10. 1904-Bonn 18. 3. 1972)
wird nach dem Studium des Rechtes in Köln promoviert (F. Gescher, Kanonist) und
habilitiert (Hans Planitz). Nach Lehraufträgen in Rostock, Köln, Freiburg im
Breisgau, Lausanne, Genf und Breslau wird er 1941 nach Marburg und 1948 nach
Bonn berufen. Er versucht eine unvollendet gebliebene Gesamtdarstellung
deutscher Rechtsgeschichte.
Lit.: Kleinheyer, G., In memoriam, ZRG GA 90 (1973), 487ff.;
Gedächtnisschrift Hermann Conrad, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 1979
(Schriftenverzeichnis 621-634)
Conring, Hermann (Norden 9. 11.
1606-Helmstedt 12. 12. 1681), aus gelehrter ostfriesischer Familie, geboren und
aufgewachsen in einem Pfarrhaus, wird nach dem 1620 begonnenen Studium von
Medizin und Politik in Helmstedt und Leiden (seit 1625) 1632 Professor für
Naturphilosophie (Physik und Rhetorik) bzw. Medizin (1637) und Politik (1650)
in Helmstedt. Er hält auch juristische Vorlesungen und erstattet
Rechtsgutachten. In seinem im Ergebnis bereits 1635 feststehenden Buch (lat.)
De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des deutschen Rechtes) widerlegt
er die Ansicht, dass das römische Recht in Deutschland 1135 durch ein Gesetz
Kaiser Lothars III. von Süpplingenburg in Kraft gesetzt worden sei (sog.
→lotharische Legende) und erfasst im Blick auf Erkenntnis der Gegenwart
damit deutsche Rechtsgeschichte.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConringHermannDeorigineiurisGermanici1643.pdf;
Köbler, DRG 139, 142, 186; Dahl, F., Zu den Beziehungen Conrings zu Dänemark,
ZRG GA 37 (1916), 507; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Conring, H.,
De origine iuris germanici (deutsche Übersetzung), hg. v. Stolleis, M., 1994; Oestmann,
P., Kontinuität oder Zäsur, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 191;
Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004; Jori, A., Hermann Conring
(1606-1681), 2006
Consensus (lat. [M.] Zustimmung, Willensübereinstimmung)
ist seit dem klassischen römischen Recht Voraussetzung des Konsensualvertrags.
Lit.: Kaser §§ 8, 38, 58; Köbler, LAW; Hannig, J.,
Consensu fidelium, 1982
Consensus (M.) facit nuptias (lat.). Die Willensübereinstimmung
bewirkt die Eheschließung(, gilt als Grundsatz bereits in Rom, kann aber
gegenüber den vom Vertrag zwischen Brautvater und Bräutigam ausgehenden
Vorstellungen der Germanen und germanistischen Nachfolgevölker erst im
Frühmittelalter von der Kirche durchgesetzt werden, wobei bei Beschränkung auf
die bloße Willensübereinstimmung Beweisprobleme bestehen, denen die katholische
Kirche 1563 auf dem Konzil von Trient [Decretum Tametsi] mit Formvorschriften
in Gestalt der notwendigen Mitwirkung eines Geistlichen und zweier Zeugen
begegnet).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Julian um 100-um 170 n. Chr.); Freisen, J., Geschichte des kanonischen
Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Brundage, J., Law, Sex and
Christian Society in Medieval Europe, 1987; Weigand, R., Liebe und Ehe im
Mittelalter, 1993; Weber, I., Consensus facit nuptias, ZRG KA 118 (2001), 31
consilium (lat. [N.]) Rat, Gutachten, span.
consejo, it. consiglio, als c. principis (Rat des Prinzeps) fallweise
beratendes Gremium in Rom seit Kaiser Augustus (31 v. Chr.-14 n. Chr.)
Lit.: Kaser § 2; Söllner §§ 6, 9, 12, 15; Köbler, DRG
18, 106; Kisch, G., Consilium, 1970; Consilia im späten Mittelalter, hg. v.
Baumgärtner, I., 1995; Falk, U., Consilia. Studien zur Praxis der
Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 395; Lange, H., Recht und Macht,
2010
Consolat del Mar (Llibre del C. d. M.) ist die nach
dem Seekonsulat von Barcelona (1282 consules del mar) benannte,
mittelalterliche, in Barcelona zwischen 1266 und 1268 begonnene, später
andernorts erweiterte und 1348 vom Seekonsulat in Barcelona eingeführte Zusammenfassung
des mittelmeerischen Seegewohnheitsrechts. →Seerecht
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Wagner, R., Beiträge zur Geschichte des Seerechts, ZHR 29
(1884), 413; Valls i Taberner, F., Consolat de Mar, 1930ff.; García, A., Llibre
del Consolat, Bd. 1ff. 1981ff.; Hernández Izal, S., Els costums marítims de
Barcelona, Bd. 1f. 1986ff.
Consortium (lat. [N.] Gemeinschaft) ist im
altrömischen Recht der Zusammenschluss von Erben nach der Nachlassteilung zu
einer vereinbarten →Gemeinschaft.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 22, 47
constitutio (lat. [F.]) Beschluss, Gesetz
Lit.: Les constitutions des Sévères, hg. v. Coriat,
J., 2014 (nicht problemlos)
Constitutio (F.) Antoniniana (lat.) ist das in einem stark
zerstörten, in Gießen aufbewahrten Papyrus überlieferte Gesetz (constitutio)
Kaiser (Marcus Aurelius) Antoninus Caracallas aus dem Jahre 212, in dem er zur
Ausdehnung der Steuerpflicht allen freien Bewohnern des römischen Reiches das
römische Bürgerrecht gibt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConstitutioAntoniniana212(FragmentGiessen).htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConstitutioAntoniniana212(deutsch).htm;
Kaser § 3; Söllner §§ 14, 18; Köbler, DRG 35; Sasse, C., Die Constitutio
Antoniniana, 1958; Wolff, H., Die Constitutio Antoniniana und Papyrus Gissensis
40 I, Diss. jur. Köln 1976; Citizenship and Empire in Europe, hg. v. Ando, C.,
2016
Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (lat.) →Bamberger
Halsgerichtsordnung (1507)
Constitutio (F.) Criminalis Carolina (lat., Des Kaisers Karl V. und des
Heiligen Römischen Reiches Gerichtsordnung, Strafgesetz[buch] Karls V.) ist
die (deutsch verfasste) reichseinheitliche Peinliche Gerichtsordnung Karls V.
von 1532 (31. 7. 1532). Sie geht auf in einem Gutachten des 1495 errichteten
Reichskammergerichts festgehaltene Missstände und Beschwerden über die sich häufenden
ungerechten Strafverfahren, die ihrerseits die Antwort auf die im Mittelalter
vor allem infolge des Bevölkerungswachstums, der Urbanisierung und
Emanzipierung von der herkömmlichen Ordnung sowie wohl auch der Verstärkung der
Staatlichkeit anschwellende Kriminalität sind, vor dem Reichstag (von Lindau
1496/1497) zurück. Dieser setzt in Freiburg im Breisgau 1497/1498
(Reichsabschied § 34) zum Zweck der Besserung des Strafverfahrens (eine) von
1503 bis 1517 untätige, danach vier Entwürfe (Worms 1521, Nürnberg 1524, Speyer
1529, Augsburg 1530) vorlegende Kommission(en) ein (u. a. Reichsregiment). Sie
übernimmt im Wesentlichen den Inhalt der vom Vorsitzenden des Hofgerichts des
Bischofs von Bamberg, Johann Freiherr von →Schwarzenberg, auf Grund
seiner Kenntnisse der praktischen Probleme und unter Einarbeitung des aus
Oberitalien kommenden römisch-kanonischen Strafprozessrechts geschaffenen (lat.)
Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis (→Bamberger Halsgerichtsordnung)
von 1507 in ihre 219 Artikel. Sie will wegen des Widerstands einzelner Reichsglieder
(z. B. Sachsen, Brandenburg, Pfalz) grundsätzlich nur subsidiär gegenüber den
alten wohlhergebrachten, rechtmäßigen und billigen Gebräuchen gelten (sog.
salvatorische Klausel), kommt aber tatsächlich allgemein zur Anwendung. Sie
beherrscht das gesamte Strafverfahrensrecht und Strafrecht (Art. 104-180) des
Reiches bis in das von der Aufklärung bestimmte 18. Jh., in dem noch die (lat.)
Constitutio (F.) criminalis Theresiana Maria Theresias für die deutschen (d. h.
nichtungarischen) Erbländer Österreichs einschließlich Böhmens (1768) von der
C. beeinflusst ist. Die C. geht vom Anklageprozess (Akkusationsprozess) aus
(Art. 11ff.), demgegenüber der Inquisitionsprozess (Art. 6ff.) die Ausnahme
darstellt, doch setzt sich wegen der hohen Belastungen des möglichen Anklägers
praktisch der Inquisitionsprozess durch, in dem der Richter Ankläger und Entscheider
(Art. 81) zugleich ist. Der geheimen Inquisition (Untersuchung) folgt der
endliche Rechtstag als öffentliche, aber inhaltlich fast bedeutungslose Formalhandlung.
Besonders bedeutsam sind die Lehre von den für die Anwendung der →Folter
von nun an gegenüber einem Tatverdächtigen erforderlichen →Indizien
(Anzeichen, z. B. blutige Kleider, sog. Indizienlehre) und die Ansätze zu
allgemeinen Lehren (Schuld, Teilnahmeformen, Notwehr, Versuch).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PeinlicheGerichtsordnungKarlsV.pdf;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 136, 156; Güterbock, Die Entstehungsgeschichte
der Carolina, 1878; Dargun, L., Die Rezeption der peinlichen
Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. in Polen, ZRG GA 10 (1889), 168; Die
Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff. 1900ff.,
Neudruck 1968; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina, Diss.
jur. Heidelberg, 1904; Kantorowicz, H., Goblers Karolinen-Kommentar, 1904;
Saueracker, K., Wortschatz der Peinlichen Gerichtsordnung Karls V., 1929;
Schmidt, E., Die Carolina, ZRG GA 53 (1933), 1; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Kusch, G., Der
Indizienbeweis des Vorsatzes im gemeinen Strafverfahrensrecht, Diss. jur.
Hamburg 1963; Schmidt, G., Sinn und Bedeutung der Constitutio Criminalis
Carolina, ZRG GA 83 (1966), 239; Dreisbach, H., Der Einfluss der Carolina auf
die Rechtsprechung norddeutscher Oberhöfe, Diss. jur. Marburg 1969; Kleinheyer,
G., Zur Rolle des Geständnisses im Strafverfahren, Gedächtnisschrift H. Conrad,
1969, 367ff.; Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a.
1984
Constitutio (F.) Criminalis Theresiana (lat.) ist das unter Maria
Theresia am 31. 12. 1768 (zum 1. 7. 1770) zwecks Vereinheitlichung für die
österreichischen Erbländer (außer Ungarn) erlassene, 1082 Paragraphen umfassende
(deutsch gefasste) Strafgesetzbuch (und Strafverfahrensgesetzbuch) (Allgemeine
peinliche Gerichtsordnung) mit etwas verbesserter Stellung des Beschuldigten,
Inquisitionsverbot, freier richterlicher Beweiswürdigung, festen
Tatbestandsbeschreibungen (u. a. Zauberei, Hexerei), Möglichkeit der Analogie
von Straftatbeständen und Folter (bis 1796), das aber bereits am 13. 1. 1787
durch ein Allgemeines Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung
ersetzt wird (für das Militärstrafrecht 1855). Die auch als (lat.-griech.)
nemesis Theresiana (Rache Maria Theresias) bezeichnete C. C. T. beruht auf
einer von der →Constitutio Criminalis Carolina von 1532 geprägten
Halsgerichtsordnung Josephs I. von 1707.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Constitutio%20Criminalis%20Theresiana1768_komplett.pdf;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 142, 157; Baltl/Kocher; Maasburg, M. v., Zur
Entstehungsgeschichte der theresianischen Halsgerichtsordnung, 1880;
Kwiatkowski, E. v., Constitutio Criminalis Theresiana, 1903; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich, 1968; Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht,
1973;; Grundlegende Strafrechtsquellen, hg. v. Reiter, I., 1996; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Constitutio (F.) de expeditione Romana (lat.), Gesetz über den Romzug, ist eine um
1158 als Gesetz König Karls des Großen von 790 ausgegebene, auf der Reichenau
entstandene Fälschung (Privatarbeit). Sie beschreibt Rechte und Pflichten von
Reichsfürsten auf dem Romzug des Königs. Sie begünstigt die Reichsfürsten
gegenüber dem König.
Lit.: Constitutiones, Bd. 1, hg. v. Weiland, L., 1893, 661, Nr. 447
(MGH); Klapeer, G., Zur Überlieferung der Constitutio de expeditione Romana,
MIÖG 35 (1914), 725ff.
Constitutio (F.) Joachimica (lat.), Joachimisches Gesetz, ist
die verhältnismäßig kurze, auf Erbrecht beschränkte, römisches Recht zu Lasten
sächsischen Rechtes übernehmende „Constitution, Wilkoer und Ordnung der
Erbfelle und anderer Sachen“ des Markgrafen Joachim I. von Brandenburg
(1499-1535) vom 9. 10. 1527 (Reformation des Landrechts, Erstdruck Frankfurt an
der Oder 1528).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ConstitutioJoachimica1527.htm;
Heydemann, L., Die Elemente der Joachimischen Konstitution von 1527, 1841,
Neudruck 1972; Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf von 1594,
1973
Constitution
(N., zu lat. [F.]
constitutio, Festsetzung, Gesetz) wird in England seit dem 17. Jh. zur
Bezeichnung des Zustands eines Staates (bodie politique), im 18. Jh. zur Bezeichnung
der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen.
Constitution,
Wilkoer und Ordnung der Erbfelle und anderer Sachen (1527) s. Constitutio Joachimica
constitutum (lat. [N.]) →Beschluss, Festsetzung
constitutum (N.) debiti (lat.) Schuldzusage
constitutum (N.) possessorium (lat.) →Besitzkonstitut
Consuetudo (lat. [F.]) ist die Gewohnheit. In
der römischen Spätantike wird sie zur Rechtsquelle erklärt. Die gute c. ist
auch im späten ius commune Italiens eine beliebte und praktisch-relevante
Rechtsquelle. →Gewohnheitsrecht
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 52; Köbler, LAW; Garré, R., Consuetudo, 2005
Consul (lat. [M.]) ist im altrömischen
Recht der Republik der Höchstmagistrat. Zwei gleichzeitige Konsuln (consules,
Kollegialität) erlangen die Führung des Gemeinwesens durch eine Wahl auf
Vorschlag ihrer Vorgänger hin für jeweils ein Jahr (Annuität), wobei seit 367
v. Chr. (lex Licinia) auch Plebejer c. werden können. Einzelne Aufgaben (z. B.
Gerichtsbarkeit) sind anderen Magistraten (z. B. Prätoren) zugeteilt. Mit dem
Ende der Republik (27 v. Chr.) gehen die Aufgaben der Konsuln auf den Prinzeps
bzw. Kaiser über, doch werden consules bis 534 im Westen und bis 541 im Osten
fortgeführt. Seit dem ausgehenden 11. Jh. (1090) ist c. der städtische
Ratsherr.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner §§ 6, 11,
14, 23; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 111; Köbler, LAW; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die
Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Consuls and
Res Publica, hg. v. Beck, H. u. a., 2011; Squaitamatti, L., Der spätantike
Konsulat, 2012
Consultatio (F.) cuiusdam veteris iuris
consulti (lat.)
ist die am Ende des 5. Jh.s oder im 6. Jh. vermutlich in Gallien entstandene,
durch einen Druck des 16. Jh.s überlieferte Sammlung von Rechtsgutachten mit
Zitaten aus den Paulussentenzen, dem →Codex Gregorianus, dem →Codex
Hermogenianus und dem →Codex Theodosianus.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Schulz, F.,
Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 408
Contempt of court (engl., Missachtung des Gerichts)
ist im angloamerikanischen Recht die gewohnheitsrechtlich als rechtswidrig
(crime bzw. tort) anerkannte Störung der Gerichtstätigkeit.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Contius →Le Conte
Contractus (lat. [M.], Zusammengezogenes) ist
im klassischen römischen Recht der Vertrag, aus dem eine Obligation (Schuld)
entsteht. Er kann Realkontrakt, Verbalkontrakt, Litteralkontrakt oder
Konsensualkontrakt sein. Dagegen ist das für sich allein unverbindliche (lat.
[N.]) pactum kein c. Seit dem Hochmittelalter wird in der Kirche auch das bloße
(lat. [N.]) pactum klagbar (pacta sunt servanda), so dass sich ein allgemeiner
Begriff des (Kontrakts oder) Vertrags entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 5, 38; Kroeschell, DRG 1; Wunner, S.,
Contractus, 1964; Wieacker, F., Contractus und obligatio im Naturrecht zwischen
Spätscholastik und Aufklärung, (in) Scholastica 1973, 223; Feenstra,
R./Ahsmann, M., Contract, 1980; Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A.,
1998
Contractus mohatrae (lat. [M.] Wagnisvertrag, zu arab.muchâtarah,
Gefahr, Wagnis) ist der Vertrag, bei dem eine (meist unvertretbare) Sache zum
Verkauf übergeben wird und der Empfänger bei Verkauf den erhaltenen Preis als
Darlehen haben soll. Der c. m. dient im Mittelalter der Umgehung des kanonischen
Zinsverbots.
contrarius consensus (lat. [M.]) Aufhebungsvertrag
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968
contrat (M.) social (franz.) Gesellschaftsvertrag
Contumacia (lat. [F.]) ist im klassischrömischen
Kognitionsverfahren die Prozessweigerung (Ladungsungehorsam), die in einem
Versäumnisverfahren dazu führen kann, dass der Geladene gemäß dem
Klagebegehren verurteilt wird.
Lit.: Kaser § 87; Kroeschell, DRG 1, 2
Conubium (lat. [N.]) ist im altrömischen
Recht die (allen Römern untereinander zustehende,) dem Fremden (Nichtrömer)
durch Verleihung zu eröffnende Teilrechtsfähigkeit im Eherecht.
Lit.: Kaser §§ 3, 58, 60
conventio (lat. [F.]) Zusammenkunft, Vereinbarung, Willensübereinstimmung,
Einigung über den Zweck einer Sachhingabe, stillschweigend (tacitus) möglich
copula (lat. [F.]) Verbindung, Band, Vereinigung (z.
B. copula carnalis, fleischliche bzw. körperliche Vereinigung der Ehegatten)
copy right →Urheberrecht
Coquille (Conchyleus), Guy (Decize
1523-1603), Sohn eines adligen Salzrichters, wird nach dem Rechtsstudium in
Padua (1539) und Orléans (Du Moulin) Anwalt. In posthum veröffentlichten
Schriften stellt er das Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) nach dem
Vorbild der Institutionen Justinians dar (Institutions au droit des François,
1607).
Lit.: Maumigny, J., Étude sur Guy Coquille, 1910,
Neudruck 1971
Cork im Südosten Irlands wird im 9. Jahrhundert von
Normannen bei einem Kloster des 6. Jahrhunderts gegründet. 1172 wird es unter
der Herrschaft Englands Stadt. 1845 erhält es eine Universität.
Cornberg
Lit.: Urkunden und Regesten des Klosters Cornberg, hg.
v. Burkardt, J., 2010
corpore (lat.) durch tatsächliche
Sachherrschaft, →Besitz, →corpus, →possessio
corpus (lat. [N.]) Körper
Lit.: Groten, A., corpus und universitas, 2015
Corpus (N.) catholicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit
die Gesamtheit der katholischen →Reichsstände. →corpus evangelicorum
Corpus (N.) delicti (lat.) ist der Gegenstand der Straftat,
mit dem sich die gemeine Prozessrechtswissenschaft allgemein befasst.
Lit.: Hall, A., Die Lehre vom corpus delicti, 1933
Corpus (N.) evangelicorum (lat.) ist in der frühen Neuzeit
die Gesamtheit der evangelischen →Reichsstände. →corpus catholicorum
Lit.: Schauroth, E., Vollständige Sammlung aller
conclusorum des corpus evangelicorum, Bd. 1ff. 1751ff.; Belstler, U., Die
Stellung des corpus evangelicorum, Diss. jur. Tübingen 1968; Kalipke, A.,
Verfahren im Konflikt, 2015 (nichts wirklich Neues)
Corpus (N.) iuris (lat.) Körper des Rechtes, Gesamtheit der
Rechtsordnung, s. Codex Justinians 5. 13. 1)
Corpus (N.) iuris canonici (lat.) ist die um 1500 von dem
Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis erstmals benützte und von Papst Gregor
XIII. (1572-1585) am 1. 7. 1580 (Cum pro munere pastorali) amtlich verwendete
Bezeichnung für die anerkannten, 1582 gemeinsam herausgegebenen 4 (bzw. 6)
Rechtsquellen der (katholischen) Kirche. Das c. i. c. besteht aus dem Decretum
Gratiani (Dekret Gratians, Concordantia discordantium canonum, um 1140), den
auf Antrag Papst Gregors IX. von seinem Kaplan Raymundus de Penyafort von 1230
bis 1234 in 5 Büchern gesammelten, alle nicht aufgenommenen Stücke
ausschließenden päpstlichen →Dekretalen (→Liber [decretalium] extra
[decretum]), den auf Veranlassung Papst Bonifaz’ VIII. 1298 zusammengestellten
Dekretalen (→Liber sextus [in Bezug auf die fünf Bücher des Liber extra])
und den →Clementinen (Texte Papst Clemens V., vorgelegt 1317) (sowie
privat gesammelten Extravaganten Papst Johannes XXII. und Extravagantes communes).
Es gilt - in der 1582 veröffentlichten Gestalt der sog. (lat.) editio (F.)
Romana (römischen Ausgabe) - bis zum Inkrafttreten des →Codex iuris
canonici am 19. 5. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Corpus
iuris canonici, ed. Friedberg, E., Bd. 1f. 1879ff., Neudruck 1955, 1959, 2. A.
1995; Stickler, A., Historia iuris canonici latini, 1950; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; Gaudement, J., Les
sources du droit canonique, 1993; Bellomo, M., The Common Legal Past of Europe,
1995; Brundage, J., Medieval canon law, 1995; Dickehof-Borello, E., Ein Liber
septimus für das corpus iuris canonici, 2002; Ordnungskonfigurationen im hohen
Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006
Corpus (N.) iuris civilis (lat.) ist die Gesamtheit der von
dem oströmischen Kaiser Justinian (527-565) zwischen 527 und 534 in Kraft
gesetzten Rechtsquellen einschließlich seiner nachfolgenden Novellen. Er
besteht aus dem →Codex (repetitae praelectionis) von 534, den
→Digesten oder →Pandekten (533) und den →Institutionen von
533 sowie den privat gesammelten →Novellen. In Byzanz wird um 900 n. Chr.
die Hauptmasse dieser Texte in die griechische Sprache übersetzt (Basilika,
Basiliken), wobei seit dem 11. Jh. Handschriften hergestellt werden, die am
Rand Ausschnitte aus Lehrbüchern und Vorlesungsschriften enthalten (Scholien).
Die Bezeichnung c. entspricht dem Namen (lat.) →corpus (N.) iuris
canonici für die kirchlichen Rechtsquellen. Sie wird seit der Gesamtausgabe der
justinianischen Gesetzgebungswerke durch Dionysius Gothofredus (1583) üblich.
Auf dem c. i. c. beruhen der Universitätsunterricht im römischen Recht und die
Rezeption des römischen Rechtes, wobei sich ein (lat. [M.] ) usus modernus
(moderner Gebrauch) pandectarum (der Pandekten) durchsetzt. Mit den Kodifikationen
Allgemeines Landrecht (Preußen 1794), Code civil (Frankreich 1804) und Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich 1811/1812) wird das c. i. c. grundsätzlich
abgelöst.
Lit.: Kaser § 1; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
137, 142; Corpus iuris civilis, hg. v. Krüger, P. u. a., Bd. 1ff. z. T. 22. A.
1973; Corpus iuris civilis Iustinianei, hg. v. Fehus, J., Bd. 1ff. 1672ff.,
Neudruck 1966 (mit Glosse); Spangenberg, E., Einleitung in das römisch-justinianische
Rechtsbuch, 1817, Neudruck 1970 (mit Bibliographie der älteren Ausgaben);
Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A.
1834; Wenger, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953, 562; Ochoa, X./Diez,
A., Indices titulorum et legum corporis iuris civilis, 1965; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Thilo, R., Drucke des
Corpus iuris civilis im deutschen Sprachraum, Gutenberg-Jahrbuch 59 (1984), 52
Corpus (N.) iuris feudalis (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen des Lehnsrechts im 18. Jh.
Lit.: Lünig, J., Corpus iuris feudalis Germanici, Bd.
1ff. 3. A. 1727
Corpus
(N.) juris Fridericiani
ist der gescheiterte Versuch einer materiellrechtlichen Gesetzgebung Preußens
(Kabinettsordre vom 31. Dezember 1746 für ein Teutsches Allgemeines Landrecht)
unter Samuel von Cocceji. Der König will ein Werk, das sich „bloß auf die
Vernunft und Landesverfassungen gründet, damit einmal ein gewisses Recht im
Lande etabliret und die unzähligen Edikte aufgehoben werden mögen“. 1749
erscheint ein Entwurf des Personenrechts, 1751 ein Entwurf des Sachenrechts.
Das Manuskript des dritten Teils (Obligationenrecht) geht (1753) im
Postversand verloren. Der Tod Samuel von →Coccejis (1755) und die Wirren
des siebenjährigen Krieges beenden die Arbeiten. Das zweite und dritte Buch
des ersten Teiles über das Eherecht und das Vormundschaftsrecht erlangen in
einigen Landesteilen Gesetzeskraft, obwohl sie sehr dem römischen Recht
verhaftet sind.
Lit.: Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der
Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von
17841810,2006;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf
Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.), Erstes Buch, ist das nach
dem Müller-Arnold-Prozess (1779) und einer Kabinettsordre vom 14. 4. 1780 am
26. April 1781 in Preußen in Kraft gesetzte Prozessrechtsgesetzbuch
Friedrichs des Großen bzw. seines Großkanzlers Johann Casimir von
→Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in den Zivilprozess einführt,
die Advokaten durch Assistenzräte ersetzt und die Beendigung aller Prozesse
innerhalb eines Jahres anstrebt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CorpusIurisFridericianum1781.pdf,
Kroeschell, DRG 3; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982
Corpus (N.) iuris militaris (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen militärrechtlicher Vorschriften zwischen 1632 und 1723.
Lit.: Dangelmaier, E., Geschichte des
Militärstrafrechts, 1891; Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, hg. v.
militärgeschichtlichen Forschungsamt, Bd. 1 1979
Corpus (N.) iuris publici (lat.) ist die Bezeichnung für
private Sammlungen des öffentlichen Rechtes des Heiligen römischen Reiches im
18. Jh.
Lit.: Schmauss, J., Corpus iuris publici Sancti Romani
imperii academicum, 1722
Corpus (N.) iuris Saxonici (lat.) ist die Bezeichnung für
eine private Sammlung des sächsischen Rechtes.
Lit.: Lünig, J., Codex Augusteus oder neuvermehrtes
corpus iuris Saxonici, Bd. 1f. 1724
corpus (lat. [N.]) possidendi Herrschaftsgewalt über eine Sache durch
Übergabe einer beweglichen Sache oder Betreten einer unbeweglichen Sache oder
bei originärem Erwerb durch deutliche Kundgabe
Corrigere (lat.) ist ein Ausdruck, der unter
Kaiser Trajan (98-117) in das römische Strafverfahren eindringt. Danach geht es
dort darum, Unrecht wieder recht zu machen. Diese Vorstellung steckt auch
hinter dem germanistischen „richten“.
Lit.: Köbler, DRG 34, 46; Köbler, G., Richten, Richter
und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 59
Cortes ist die den König beratende Versammlung
der Geistlichen, Adligen und Städtevertreter in Kastilien, León, Portugal,
Aragón und Navarra seit der 2. Hälfte des 12. Jh.s.
Lit.: Gonzáles Antón, L., Las Cortes de Aragón, 1978;
Procter, E., Curia and cortes, 1980
Corvey
Lit.: Krüger, H., Höxter und Corvey, 1931; Prinz, J.,
Die Corveyer Annalen, 1982; Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen
und Corvey, 1992
Court of Chancery ist das Gericht des Kanzlers
(chancellor) des →englischen Rechtes. Es geht darauf zurück, dass der
zunächst geistliche Kanzler schon im 13. Jh. Bitten hilfesuchender Engländer an
den König hinsichtlich der Möglichkeit der Bildung neuer Klageformeln
begutachtet und im 15. Jh. in Einzelfällen Rechtsschutz gewährt, wenn das
→common law zu unangemessenen Ergebnissen führt. Die seit 1529 tätigen
weltlichen Kanzler führen das fort und begründen bald ein System anerkannter
Sätze des positiven Rechtes, das an der Billigkeit (→equity) ausgerichtet
ist.
Lit.: Jones, W., The Elizabethan Court of Chancery,
1967; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3.
A. 1990, 4. A. 2002; Harbecke, D., Modernisation through Process – The Rise of
the Court of Chancery in the European Perspective, 2018
Court of Common Pleas ist das seit 1234 sicher belegte,
für Zivilsachen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in
Westminster mit einem Oberrichter und 3 nachgeordneten Richtern.
Lit.: Hastings, M., The Court of Common Pleas, 1947
Court of Exchequer ist das für Verwaltungsangelegenheiten
und Finanzsachen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in
Westminster.
Court of King‚s Bench ist das für Strafsachen und
Appellationen zuständige königliche Gericht des →englischen Rechtes in
Westminster.
Coutume (franz. [F.] Gewohnheit) ist die
rechtlich bedeutsame Gewohnheit (lat. [F.] consuetudo), die auch in einer
Abgabe oder Leistung bestehen kann. Die c. als eine Mehrheit von rechtlich
bedeutsamen Gewohnheiten erlangt in Frankreich seit dem 10./11. Jh. Gewicht und
wird im Norden seit Beginn des 13. Jh.s mit örtlichen Bezügen auf Grund der
Aussagen von Sachkennern in Rechtsbüchern (nichtamtliche coutume, amtliche
coutumiers) schriftlich aufgezeichnet, wobei sich eine Trennung in das
nördliche Gebiet des droit (M.) coutumier (Nordfrankreich, Belgien,
Niederlande, Genf, Waadt, Neuenburg, Fürstbistum Basel) und das südliche Gebiet
des (römischen) droit (M.) écrit (Südfrankreich) bildet und wobei
Entscheidungen, Gesetze (Ordonnanzen) und teilweise auch römisches Recht und kirchliches
Recht in die coutumiers einbezogen werden ([ursprünglich lateinisch] Très
ancien coutume [bzw. coutumier] de Normandie [lat. Statuta et consuetudines
Normanniae] 1199/1200 bzw. 1220 bzw. 1200/1204 [nach 1220 in das Französische
übersetzt], Grand coutumier de Normandie 1254-1258 [Summa de legibus Normanniae
in curia laicali], Conseil à un ami [im Vermandois] des Pierre de Fontaine für
Philipp III. 1253 bzw. 1254-1258, Livre de justice et de plet [um] 1260 [Gegend
von Orléans], Facet von Saint Armand-en-Prévèlet/Belgien 1265, Etablissements
de Saint Louis um 1270 [Tourraine-Anjou, Orléanais], Coutumes de Beauvaisis
[nördlich von Paris] 1283 des Philippe de Beaumanoir [Philippe de Rémi
Beaumanoir], Ancien coutumier de Champagne des Guillaume du Châtelet 1295-1300
[auf der Grundlage von Usages de Champagne von etwa 1253], Recht von
Uccle/Brüssel/Belgien 1300, Très ancienne coutume de Bretagne 1312/1316-1325,
Stilus curie Parlamenti des Guillaume du Breuil um 1330, Grand coutumier [de
France bzw. Ile de France] des Jacques d’Ableiges um 1388, Somme rural des
Jehan Boutillier vor 1395, Vieux coutumier de Poitou/Poictou 1417, insgesamt
schätzungsweise 360 verschiedene coutumes). 1454 befiehlt König Karl VII.
wegen zahlreicher Streitigkeiten hinsichtlich des Bestehens behaupteter
Rechtssätze in der Ordonnance von Montils-les-Tours die amtliche Aufzeichnung
aller coutumes jeder bailliage mit anschließender Inkraftsetzung, was bis 1545
zu 20 redigierten coutumes und bis 1750 zu 681 coutumes, von denen 88 vom König
gebilligt sind, führt. Auf der Grundlage der Coutume de Paris (1510 bzw. 1580)
entwickelt sich (hieraus) mit Hilfe der vom König dem Parlement de Paris
übertragenen Prüfungszuständigkeit ein gemeines Gewohnheitsrecht (franz. droit
commun coutumier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nouveau coutumier général,
hg. v. Bourdot de Richebourg, C., Bd. 1ff. 1724ff.; Brunner, H., Die coutumiers
der Hamiltonsammlung, ZRG GA 4 (1883), 232; Favey, J., Le coutumier de Moudon
de 1577, 1924; Declareuil, J., Histoire générale du droit français, 1925, 851;
Filhol, R., Le premier président Christoffe de Thou et la réformation des
coutumes, 1937; Olivier-Martin, F., Le roi de France et les mauvaises coutumes
au moyen âge, ZRG GA 58 (1938), 108; La rédaction des coutumes, 1962; Poudret,
J., Enquêtes sur la coutume du pays de Vaud, 1967; La coutume de Vaudémont, hg.
v. Centre Lorrain, 1970; Le style de Vaudémont, hg. v. Centre Lorrain, 1972;
Gräfe, R., Das Eherecht in den coutumiers des 13. Jahrhunderts, 1972; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 1,633,2,2,200; Gouron, A./Terrin, O.,
Bibliographie des coutumes de France, 1975; Les coutumes de l’Agenais, hg. v.
Ourliac, P./Gilles, M., 1976; La coutume, hg. v. Gilissen, J., 1982; Walkens,
L., La théorie de la coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Olivier-Martin, F.,
Histoire du droit français, 1992; Gouron, A., Droit et coutume en France aux
XIIe et Xiiie siècles, 1993; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Coutumes de Beauvaisis sind das bedeutendste Rechtsbuch
des mittelalterlichen Frankreich. Die C. d. B. stammen von Philippe de
→Beaumanoir. Er bemüht sich um eine Darstellung des Gewohnheitsrechts in
Beauvaisis, verwendet dazu aber auch Sätze der Coutumes von Champagne,
Vermandois, Artois, Normandie und Paris, die Rechtsprechung des Parlaments de
Paris, königliche Verordnungen, römisches Recht und kirchliches Recht. Die
systematisierende, vor eigenen Lösungen nicht zurückschreckende Privatarbeit,
die der Rechtswirklichkeit nicht vollständig entspricht, bleibt trotz hohen
gedanklichen Wertes von geringem Einfluss auf die Rechtspraxis.
Lit.: Coutumes de Beauvaisis, hg. v. Salmon, A., Bd.
1f. 1899f., Neudruck 1970, Bd. 3; Commentaire historique, hg. v. Hubrecht, G.,
1974; Actes du colloque international Philippe de Beaumanoir et les coutumes de
Beauvaisis 1283-1293, hg. v. Bonnet-Laborderie, P., 1983
Coutumier (franz. [M.]) ist die private
Aufzeichnung der →coutume im mittelalterlichen Frankreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Le vieux coustumier de
Poictou, hg. v. Filhol, R., 1956; Petitjean, M. u. a., Le coutumier bourguignon
glosé, 1982; Poudret, J., Coutumes et coutumiers, 1998
Covarubias y Leyva, Diego de (1512-1577) wird nach
dem Rechtsstudium 1533 Professor für kirchliches Recht in Salamanca, 1565
Bischof von Segovia und 1574 Präsident des Staatsrates. Auf ihn geht die
strafrechtliche Vorstellung des bedingten Vorsatzes (lat. dolus [M.]
indirectus) zurück.
Lit.: Merzbacher, F., Azpilcueta und Covarruvias, (in)
Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche, hg. v. Köbler, G. u. a., 1989, 275;
Peressa, V., Diego de Covarubias, 1957
Cowell, John (1554-1611), nach dem
Studium des römischen Rechtes in Cambridge 1594 Professor in Cambridge, versucht
1605 eine erfolglose Darstellung des englischen Rechtes nach dem Aufbau der
Institutionen Justinians ([lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris Anglicani,
Einrichtungen des englischen Rechtes) und muss wegen seiner in seinem
erfolgreichen Wörterbuch The Interpreter (1607) vertretenen
absolutismusfreundlichen und parlamentsfeindlichen Haltung 1611 seine
Professur aufgeben.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd.
1ff. 1903ff., Bd. 5, 20
creditor (lat. [M.]) →Gläubiger
Crimen (lat. [N.]) ist im römischen Recht
das Verbrechen im Gegensatz zu (lat.) delictum (N.). Für die crimina (N.Pl.)
entwickelt sich das besondere Strafrecht und Strafprozessrecht. Schon früh
wird dabei das c. (publicum) mit der von der Allgemeinheit (mit dem Beil)
vollstreckten Todesstrafe geahndet. Zu den lange noch durch den Verletzten
mittels Strafe zu vergeltenden crimina zählen Mord (lat. [N.] parricidium),
Brandstiftung, handhafter Diebstahl, nächtliches Abweiden eines fremden Feldes
und falsches Zeugnis.
Lit.: Kaser §§ 32, 41, 50; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 12; Köbler, DRG 65; Köbler, LAW
Crimen (N.) laesae maiestatis (lat.) ist im älteren römischen
Recht die Verletzung des Ansehens zunächst der plebejischen Magistrate. Seit
Augustus geht die (lat. [F.]) maiestas vom römischen Volk und seinen
Magistraten auf den Prinzeps und damit später den Kaiser über. Seit den Kaisern
Arcadius und Honorius kann zum Schutz des Kaisers und seiner Günstlinge jeder
politische Vorwurf mit der Todesstrafe und der Vermögensentziehung verfolgt
werden. Diese Vorstellung übernimmt das Frühmittelalter allmählich mit
gewissen Abwandlungen. Im weiteren Verlauf findet das c. l. m. Eingang in den
→Mainzer Reichslandfrieden von 1235, die →Goldene Bulle (1356), die
→Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und die →Constitutio
Criminalis Carolina (1532). Erst Carpzov (1635) schränkt differenzierend ein.
Danach wird Inhalt des c. l. m. die Beleidigung des Monarchen als Regenten, die
1918 ihren Bezugspunkt verliert.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 20; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck
1967 113; Kellner, O., Das Majestätsverbrechen, Diss. phil. Halle 1911; Tietz,
K., Perduellio und maiestas, Diss. jur. Halle 1935; Hageneder, O., Das crimen
maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Crimen (N.) magiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit
das Verbrechen der Zauberei. →Hexerei
Lit.: Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902
Criminal Code (1879) ist der an dem 1860
verfassten indischen Strafgesetzbuch (Indian Penal Code) ausgerichtete Entwurf
eines englischen Strafgesetzbuchs, der vom Parlament nicht angenommen wird.
Criminal Law Consolidation Acts (1861) ist die das Strafrecht
betreffende Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im
→englischen Recht.
Cui bono? (lat.) Wem zum Guten? Wem nützte
die Tat? ist ein von Cicero (106-43 v. Chr.) geprägtes lateinisches
Rechtssprichwort.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Cuius regio eius religio (lat., wessen Gebiet, dessen
Religion) ist die von dem Greifswalder protestantischen Kirchenrechtler J.
Stephani (1544-1623) (in seinen [lat.] Institutiones [F.Pl.] iuris canonici von
1599 mit dem Satz [lat.] ut cuius sit regio, hoc est ducatus, principatus seu
ius territorii, eius etiam sit religio, hoc est ius episcopale seu iurisdictio
spiritualis) geschaffene Formulierung für die der Sache nach bereits im
→Augsburger Religionsfrieden von 1555 angewandte geistliche
Gerichtsbarkeit des reichsunmittelbaren Landesherrn im Heiligen römischen
Reich ([lat.] ubi unus dominus, ibi una
religio, wo ein Herr, da eine Religion). Der ihr zugrunde liegende Gedanke wird
danach von den protestantischen Reichsständen beansprucht, in der
Gegenreformation auch von den katholischen Reichsständen. Insgesamt fördert und
ermöglicht der dann auf das Normaljahr 1624 abstellende Satz zu Lasten der
Untertanen die Wahrung der Reichseinheit und der monarchisch-aristokratischen
Verfassung sowie die Ausbildung des Territorialstaatskirchenrechts und damit
des →Absolutismus und der →Souveränität.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Heckel, M.,
Staat und Kirche nach den Lehren der evangelischen Juristen Deutschlands, ZRG
KA 42 (1956), 117, 43 (1957), 202; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Schneider, B., Der Westfälische Friede in
der Deutung der Aufklärung, 1989; Schneider, B., Ius reformandi, 2001
Cujas, Jacques (Toulouse 1522?-Bourges 4. 10. 1590) wird
nach dem Rechtsstudium in Toulouse zunächst dort Rechtslehrer (1547-1554),
danach in Cahors, Bourges (1555-1557, 1559-1566, 1575-1590), Valence
(1567-1575) und Turin (1566-1567). Er vertieft die Verwendung humanistischer
Methoden im Recht in seinen Textausgaben (J. Pauli receptae sententiae, 1559,
Institutiones Justiniani, 1585) und seinen zahlreichen exegetischen
Einzelarbeiten. In seinen (lat.) Paratitla (N.Pl.) in libros digestorum (1570,
kurze Erklärungen zu den Büchern der Digesten) stellt er eine gegliederte
Ordnung von Klagen und Rechtsbehelfen dar.
Lit.: Spangenberg, E., Jacob Cujas und seine Zeitgenossen,
1822, Neudruck 1967; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Troje, H., Graeca leguntur, 1971, 108
Culpa (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die Schuld oder Nachlässigkeit, die vorsätzliches wie
fahrlässiges Handeln erfasst. C. ist ausgeschlossen bei Geisteskranken
(furiosi) oder Kindern (infantes). Bei c. des Geschädigten wird die c. des
Schädigers aufgehoben (Kulpakompensation).
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Köbler, DRG 44,
49, 61, 216; Köbler, LAW
culpa (lat. [F.]) in concreto, Verletzung der Sorgfalt, die in eigenen
Angelegenheiten beachtet würde, durch den Schuldner
Culpa (F.) in contrahendo (lat., Wort 1857 bei Brinz) ist
das von Rudolf von Ihering (Jhering, 1818-1892) 1861 als Haftungsgrund herausgearbeitete,
vom Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) nicht besonders
berücksichtigte Verschulden bei Vertragsschluss (2002 § 311 II BGB).
Lit.: Ihering, R., Culpa in contrahendo, Jb. f. d. Dogmatik
4 (1861) 1; Medicus, D., Zur Entdeckungsgeschichte der culpa in contrahendo,
FS M. Kaser 1986, 189; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf von Ihering,
1988; Giaro, T., Culpa in contrahendo, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und
seine Richter, 2000, 113; Keller, M., Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung,
2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Benedikt, J., Culpa in Contrahendo, Bd. 1 2014
culpa (F.) in eligendo (lat.) Auswahlverschulden
culpa (F.)
lata (lat.) grobe
→Fahrlässigkeit
culpa (F.) levis (lat.) leichte
→Fahrlässigkeit
culpa (F.) levissima (lat.) leichteste
→Fahrlässigkeit
Lit.: Hoffmann, H., Die Abstufung der Fahrlässigkeit
in der Rechtsgeschichte, 1968
Cura (lat. [F.]) ist im klassischen römischen Recht die bei
Geisteskranken ([lat., M.Pl.] furiosi), Verschwendern ([lat., M.Pl.] prodigi),
Tauben, Stummen, Altersschwachen, (Leibesfrüchten bzw. nascituri) sowie
gegebenenfalls Unmündigen und Frauen, auf Antrag auch bei Mündigen unter 25
Jahren ([lat., M.Pl.] minores XXV annis), mögliche →Pflegschaft, bei
welcher der Pflegling für eigene Handlungen der Zustimmung des Pflegers (lat.
[M.] curator) bedarf.
Lit.: Kaser §§ 4, 11, 44, 58, 62, 64, 82; Söllner § 8;
Köbler, DRG 36, 57; Rosa, A. dalla, Cura et tutela, 2014
curator (lat. [M.]) Pfleger →cura
curia (lat. [F.]) Hof, Herrscherhof,
Hofrat
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Fleckenstein,
J., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1965; Lalinde Abadía, J., El curia o
cort, Anuario de estudios medievales 4 (1967), 169; Bournazel, E., Le
gouvernement capétien, 1975; Loyn, H., The Governance of Anglo-Saxon-England,
1984; Hillen, C., Curia regis, 1999
curtis (lat. [F.]) Hof, Herrenhof
Lit.: Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger,
W., Nd. 2 1975; Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
curtis (F.) dominica (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) indominicata (mlat.) Herrenhof
curtis (F.) salica (mlat.) Herrenhof
cursus (M.) honorum (lat.) Ämterlaufbahn der römischen Republik
(Quästor, Ädil, Prätor, Konsul
Cusanus →Nikolaus von Kues
Custodia (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die Aufsicht. Wer eine Sache eines Gläubigers in Händen hat (z.
B. Verwahrer, Entleiher, Mieter, Werkunternehmer, Pfandgläubiger,
möglicherweise Verkäufer), haftet danach für das Abhandenkommen der Sache (z.
B. durch Diebstahl) und solche Schäden, die gerade bei unzureichender Aufsicht
üblicherweise entstehen können. Nur in bestimmten Sonderfällen (höhere Gewalt)
wird er von der Haftung frei.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 45, 63; Köbler, LAW
Cyprianus ist ein in Florenz geborener, am Ende des 12.
Jh.s verstorbener Glossator mit Glossen zu allen Teilen der justinianischen
Kompilation.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 236
Czernowitz am Pruth wird 1408 als Zollstätte
des Fürstentums Moldau erstmals erwähnt. Über die Osmanen gelangt es 1774/1775
an Österreich (Galizien, Bukowina), wo es 1875 eine Universität erhält (u. a.
Eugen Ehrlich). 1918 fällt es an Rumänien, 1940 an die Sowjetunion bzw. danach
an die Ukraine.
Lit.: Jüdisches Städtebild Czernowitz, hg. v.
Corbea-Hoisie, A., 1998; Czernowitz, hg. v. Heppner, H., 2000; Yavetz, Z.,
Erinnerungen an Czernowitz, 2007
D
Da mihi factum, dabo tibi ius (lat.). Gib mir den Tatbestand,
ich werde dir das Recht geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Alexander III. 1100-1181, Dekretalen 2, 1, 6)
Dabelow, Christoph Christian Frhr. v.
(Neubuckow bei Wismar 19. 7. 1768–Dorpat 27. 4. 1830), Justizratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Rostock und Jena 1787 Advokat, 1791 außerordentlicher
Professor, 1792 ordentlicher Professor in Halle (bis 1806 bzw. 1809), 1811
Staatsrat in Anhalt-Köthen (bis 1813) und 1819 Hofrat und Professor in Dorpat.
Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4 685
Dacheriana ist die nach ihrem ersten
Herausgeber (d’Achery † 1685) benannte, um 800 in Lyon entstandene
systematische Kirchenrechtssammlung mit etwa 400 canones.
Lit.: Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975, 259
Dahn, Felix (Hamburg
9. 2. 1834-Breslau 3. 1.1912), Sohn eines deutsch-französischen
Schauspielerehepaars, wird nach dem Studium der Philosophie und des Rechtes in
München und Berlin 1857 mit Studien zur Geschichte der germanischen
Gottesurteile in München habilitiert. 1863 wird er Professor in Würzburg, 1872
in Königsberg und 1888 in Breslau. Sein größter literarischer Erfolg ist der in
30 Auflagen (1900) veröffentliche Roman Ein Kampf um Rom (1876ff.), während das
zwölfbändige Hauptwerk Die Könige der Germanen (1861ff.) weniger Anerkennung
findet.
Lit.: Meyer, H., Friedrich Dahn, 1913; Wohlhaupter, E.,
Dichterjuristen, Bd. 3 1957, 285
Dalberg, Karl Theodor Reichsfreiherr von (Herrnsheim
bei Worms 10. 2. 1744-Regensburg 8. 2. 1817) wird nach dem Studium des Rechtes
in Heidelberg 1768 Priester, 1772 Statthalter des Erzbischofs von Mainz in
Erfurt, 1780 Rektor der Universität Würzburg, 1787 Koadjutor in Mainz, 1788
Koadjutor in Konstanz, 1800 Bischof von Konstanz, 1802 Erzbischof von Mainz und
1806 Fürstprimas von Deutschland (im Rheinbund). Im Reichsdeputationshauptschluss
erhält er 1803 Regensburg, Aschaffenburg und Wetzlar, 1806 Frankfurt am Main
und 1810 Fulda und Hanau. 1803 muss er abdanken, bleibt aber Erzbischof von
Regensburg.
Lit.: Färber, K., Kaiser und Erzkanzler, 1988; Carl von Dalberg, hg. v.
Färber, K. u. a., 1994; Carl von Dalberg, hg. v. Hausberger, K., 1995; Hein,
N., Der Staat Karl Theodor von Dalbergs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1996;
Hömig, H., Karl-Theodor von Dalberg, 2011
Dalloz, Désiré (1795-1869) wird
nach dem Rechtsstudium Anwalt und 1814 Mitarbeiter am (franz.) Journal des
audiences de la cour de cassation et des cours d’‘appel (1824 Jurisprudence
générale du royaume). Danach veröffentlicht er bis 1832 in einem Répertoire de
jurisprudence générale (allgemeinen rechtswissenschaftlichen Repertorium) nach
Materien geordnet in alphabetischer Reihenfolge wichtige Entscheidungen mit
Anmerkungen. Dieses Werk legt er von 1845 bis 1870 in verbesserter und
erweiterter Fassung neu auf. Sein Name lebt in dem Verlagshaus fort, das als
den „Dalloz“ eine fortlaufende Sammlung von Entscheidungen, Gesetzen und
wissenschaftlichen Stellungnahmen vertreibt.
Lit.: Papillard, F., Désiré Dalloz (1795-1869), 1964
Dalmatien ist das zunächst von Dalmatern besiedelte
Ostufer der Adria mit den davorliegenden Inseln, das 9. n. Chr. zur römischen
Provinz Dalmatia wird. Seit dem Ende des 6. Jh.s dringen Slawen und Awaren ein,
seit dem 11. Jh. bemüht sich Venedig um die 1420 erreichte Herrschaft. Im 16.
Jh. fällt ein Teil Dalmatiens an die Türken. Über Venedig (Auflösung der
Republik 1797) bzw. (nach Auflösung der illyrischen Provinzen Napoleons) über
den Wiener Kongress (1815) erlangt →Österreich das 1816 zum Königreich
erhobene D. 1920 wird es →Jugoslawien zugeteilt, aus dem es 1991 vor
allem an →Kroatien fällt.
Lit.: Mayer, E., Die dalmatisch-istrische
Munizipalverfassung im Mittelalter und ihre römischen Grundlagen, ZRG GA 24
(1903), 211; Stanic, M., Dalmatien, 1984; Steindorf, L., Die dalmatischen
Städte, 1984; Clewing, C., Staatlichkeit und nationale Identitätsbildung, 2000;
Cetnarowicz, A., Die Nationalbewegung in Dalmatien im 19. Jahrhundert, 2008
Damasus ist ein um 1210 bis 1220 in Bologna wirkender
Lehrer des kirchlichen Rechtes.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 300
Damme →Vonnisse von Damme
Damnationslegat ist das bereits dem jüngeren
altrömischen Recht bekannte Vermächtnis, bei dem vielleicht der treuhänderische
Vermögenskäufer (lat. familiae emptor [M.]) dem oder den Bedachten für eine
bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23
Damnum (lat. [N.]) (iniuria datum) ist im
klassischen römischen Recht der rechtswidrig zugefügte Schaden, zu dessen
Ausgleich bereits 286 v. Chr. die (lat.) lex (F.) Aquilia de damno (aquilisches
Gesetz über den Schaden) ergeht.
Lit.: Kaser § 51; Köbler, DRG 65
Danelaw ist eine Bezeichnung für das vom
späten 9. Jh. bis 1066 vom Recht der Dänen beherrschte Gebiet →Englands
(z. B. Northumbria, Ostanglien).
Lit.: Loyn, H., The Vikings in Britain, 1977
Däne →Dänemark
Dänemark ist der im Norden an Deutschland
grenzende skandinavische Staat. Die Festigung einer eigenständigen Herrschaft
über die Dänen (6. Jh.) durch einen König gelingt in der ersten Hälfte des 10.
Jh.s unter Gorm dem Alten (ab etwa 940 ununterbrochene Königsreihe). Wenig
später setzt sich das Christentum in D. durch. Zeitweise herrschen die Könige
Dänemarks über große Teile Englands (Knut der Große 1018-1035), der Ostsee
(Waldemar der Große 1157-1182) und →Norwegen, →Schweden sowie
→Finnland (Margarete I. 1387/1389-1412). Um 1200 wird erstmals das Recht
(für Schonen [kurz nach 1200, dänisch, lateinisch als Liber legis Scaniae,
Rechtsbuch Schonens Erzbischof Andreas Sunesens], Seeland [Waldemar, Erik] und
Jütland [März 1241 unter König Waldemar II.] erhalten) schriftlich
aufgezeichnet, wobei kirchlicher Einfluss nachweisbar ist. Dementsprechend wird
bereits im 13. Jh. inhaltlich ergänzend gelehrtes Recht erkennbar. 1479 wird in
Kopenhagen eine Universität gegründet. Seit dem 16. Jh. wird in Einzelfällen
die Folter verwendet. 1536 wird unter dem Hause Oldenburg (1448-1863) die
lutherische Reformation durchgeführt. Vom Einfluss der katholischen Kirche
befreit beherrscht der König zusammen mit dem Adel das Land. Im Gefolge des
Dreißigjährigen Kriegs wird D. von Schweden zurückgedrängt, wobei die Ostgebiete
an Schweden fallen. 1660 erzwingen Bürger und Bauern gegen den Adel die
Umwandlung Dänemarks in eine Erbmonarchie (mit einem 1661 eingerichteten
Höchstgericht), die sich 1665 (durch lat. [F.] lex regia, königliches Gesetz)
dem Grundsatz des Absolutismus zuwendet und 1683 unter Christian V. das
dänische Recht (Danske Lov 15. 4. 1683, Prozessrecht, Kirchenrecht, Ständerecht
mit Eherecht und Unmündigenrecht, Seerecht, Schuldrecht, und Sachenrecht,
Strafrecht, 6 Bücher, ersetzen jütisches, seeländisches und schonisches Recht,
im 19. Jh. weitgehend aufgehoben, eine Reihe von Grundnormen aber noch in
Kraft, ähnlich 1687 für das von 1380 bis 1814 mit D. verbundene Norwegen) in
einem Buch (Gesetzbuch?) zusammenfasst. Im 18. Jh., in dem 1736 eine
juristische Prüfung eingeführt wird und innerhalb der erwachsenden
Rechtswissenschaft die Rechtsgeschichte erfasst wird (Peder Kofod Ancher, En
Dansk Lov-Histoire 1789ff.), dringt mit Aufklärung und Naturrecht die Lehre von
der Gewaltenteilung ein und wird das Strafrecht gesetzlich geändert. 1788
beginnt die Befreiung der Bauern. 1814 gelangt Norwegen an Schweden. 1849 wird
die absolute Monarchie unter Einführung einer Verfassung (Entwurf einer
Verfassungsurkunde für das Königreich D. und die Herzogtümer Schleswig und
Holstein von Anfang 1848, Danmarks Riges Grundlov 5. Juni 1849) nach dem
Vorbild Belgiens bis 1866 durch eine konstitutionelle Monarchie abgelöst. 1864
gehen Schleswig, Holstein und Lauenburg an den →Deutschen Bund bzw.
Preußen verloren (ein Drittel der Einwohner, zwei Fünftel des Gebiets). 1866
wird die Verfassung verändert. Seit 1872 arbeitet D. mit den anderen nordischen
Ländern trotz Sonderung des Westnordischen vom Ostnordischen vereinheitlichend
zusammen. 1866/1930 wird das Strafrecht, 1916/1919 das Prozessrecht geändert.
Ab 1891 wird die Sozialversicherung eingeführt. 1901 setzt sich der Gedanke
der parlamentarischen Kontrolle durch. 1915 wird erneut die Verfassung
verändert. 1920 kehrt nach einer Volksabstimmung Nordschleswig zu D. zurück.
1953 ermöglicht ein Thronfolgegesetz die weibliche Erbfolge in der Erbmonarchie
mit demokratisch-parlamentarischer Regierungsform, die sich zum Sozialstaat
wandelt. Das Einkammersystem wird eingeführt. 1960 tritt D. der Europäischen
Freihandelszone bei, 1973 der Europäischen Gemeinschaft (bzw. 1993
Europäischen Union). 1979 erhält →Grönland Autonomie.
Lit.: Hasse, P., Die Quellen des Ripener Stadtrechts,
1883; Repertorium diplomaticum regni Danici mediaevalis, hg. v. Christensen, W.
u. a., 1894ff.; Haandværksskik i Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Danske vider
og vegtægter eller gamle landsbylove, hg. v. Bjerge, P. u. a., 1904ff.; Haff,
K., Die Theorie des dänischen Grundregals, ZRG GA 30 (1909), 290; Haff, K., Die
dänischen Gemeinderechte, 1909; Haff, K., Beweisjury und Rügeverfahren im
fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130; Scriptores minores
historiae danicae medii aevi, rec. Gertz, M., 1917ff.; Dahl, F., Juridiske
profiler, 1920; Danemarks gamle lanskabslove med kirkelovene, hg. v.
Brøndum-Nielsen, J., 1920f.; Annales Danici medii aevi, neu hg. v. Jørgensen,
E., 1920; Dahl, F., Frederik VI og Anders Sandøe Ørsted, 1929; Dahl, F.,
Hovedpunkter af den danske retsvidenskabs historie, 1937; Dänische Rechte,
übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1938; Juul, S., Fællig og hovedlod, 1940;
Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940; Jørgensen, P.,
Dansk Retshistorie, 1940, 2. A. 1947; Fussing, H., Herremand og Fæstebonde,
1942, Olsen, G., Traehesten, hundehullet og den spanske kappe, 1960; Højesteret
1661-1961, 1961; Imhof, A., Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Fenger,
O., Fejde og mandebod, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,991, 2,2,506,1005, 3,4,21; Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung
in Dänemark, 1976; Sprandel-Krafft, L., Rechtsverhältnisse in
spätmittelalterlichen Städten am Beispiel Viborgs (Dänemark), ZRG GA 93 (1976),
257, 94 (1977), 20; Tamm, D., Fran lovkyndighed til retsvidenskab, 1976;
Kroman, E., Dänemarks alte Rechte – Ihr Alter und ihre Verwandtschaft, ZRG GA
94 (1977), 1; Riis, T., Les Institutions Politiques Centrales du Danemark
1100-1332, 1977; Danmarks historie, Bd. 1ff. 1977ff.; Dübeck, I., Købekoner og
konkurrence, 1978; Ekbom, C., Ledung och tidig jordtaxering i Danmark, 1979;
Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1983; Tamm, D., Retsopgøret
efter besættelsen, 1984; Thygesen, F., Das Verhältnis zwischen dänischem und
deutschem Recht, ZRG GA 105 (1988), 289; Den Danske rigslovgivning 1397-1513,
hg. v. Andersen, A., 1989; Tamm, D., Laerebog i Dansk retshistorie, 1989; Tamm,
D., Retshistorie 1 Dansk retshistorie, 1990; Tamm, D., Med lov skal land
bygges, 1990 (Aufsätze); Den Danske rigslovgivning 1513-1523, hg. v. Andersen
A,. 1991, Jyske Lov i 750 år, 1991; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992;
Danmark i senmiddelalderen, hg. v. Ingesman, P. u. a., 1994; Stevnsborg, H.,
Besaßen die dänischen Könige der vorchristlichen Zeit Gesetzgebungsgewalt, ZRG
GA 112 (1995), 423; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Bohn, R., Dänische Geschichte, 2001; Hammerslev, O., Danish
judges in the 20th century, 2003; Andersen, S., Danmark I det tyske Storrum,
2003; Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation, hg. v.
Asche, M. u. a., 2003; Geiger, T., Die dänische Intelligenz von der
Reformationszeit bis zur Gegenwart, 2005; Tamm, D., Retshistorie, 2005;
Bellamy, M., Christian IV and his Navy, 2006; Repertorium der Policeyordnungen
der frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D.,
2008; Quellen zur dänischen Rechts- und Verfassungsgeschichte (12.-20.
Jahrhundert), hg. v. Tamm, D. u. a., 2008; Zwischen Grenzkonflikt und
Grenzfrieden, hg. v. Henningsen, L., 2011; Andersen, P., Legal Procedure and
Practice in Medieval Denmark, 2011; Loebert, S. u. a., Die Entstehung der
Verfassungen der dänischen Monarchie (1848-1849)., 2012; Greßhake, F.,
Deutschland als Problem Dänemarks, 2013; Liedegaard, B., Die Ausnahme - Oktober
1943 - Wie die dänischen Juden, 2013; Findeisen, J., Christian IV., 2014; Bohn,
R., Werner Best und die deutsche Besatzungsherrschaft in Dänemark 1940-1945
(in) HZ 300 (2015) 416
Daniels, Heinrich Gottfried Wilhelm (Köln 25. 12.
1754-Köln 28. 3. 1827), wird nach dem Studium der Mathematik und des Rechtes in
Köln 1770 in der Philosophie und 1775 in der Rechtswissenschaft promoviert.
1776 wird er Advokat bei dem Hofrat des Erzbischofs von Köln, 1783 ordentlicher
Professor der Universität Bonn und 1792 Richter am kurkölnischen Appellationsgerichtshof
in Bonn. Nach dem Verlust aller Ämter infolge des Einmarschs Frankreichs lehrt
er seit 1798 Gesetzgebung an der neuen Zentralschule in Köln, wird aber 1804
Substitut de Procureur Général am Kassationshof in Paris, 1813 Generalprokurator
am Appellationshof in Brüssel, 1817 geheimer Staatsrat in Berlin und 1819
erster Präsident des rheinischen Appellationsgerichtshofs in Köln.
Lit.: Weisweiler, W., Geschichte des rheinpreußischen Notariats, Bd. 2
1925; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram, J. u. a.,
1969; Reisinger-Selk, N., Heinrich Gottfried Daniels, 2008; Daniels, H.,
Vorlesungen, hg. v. Becker, C., 2009
Dank
Lit.: His, R., Dank, ZRG GA 57 (1937), 474
Danzig an der Weichselmündung in die
Ostsee wird am Ende des 10. Jh.s (997) als (pommerellische) Burg genannt. Seit
dem ausgehenden 12. Jh. bringen deutsche Zuwanderer, die sich hauptsächlich
beiderseits der Langgasse niederlassen, →lübisches Recht (1263) mit.
Nach Zerstörung der Stadt (1236 civitas Danczik) durch den Deutschen Orden in
Kämpfen um die Erbfolge im Herzogtum Pommerellen im Jahre 1308 erhält D. vom
Hochmeister des Deutschen Ordens 1342/1343 →Kulmer Recht. 1454 löst sich
das in vier Teile gegliederte D. vom Deutschen Orden und unterstellt sich
Polen, wofür es verschiedene Vorrechte erhält. 1792 kommt D. bei der zweiten
Teilung Polens an Preußen, Nach dem Versailler Vertrag vom 20. 6. 1919 wird es,
um Polen einen Ostseehafen zu sichern, am 15. 11. 1920 Freie Stadt (400000
Einwohner, 5 Prozent Polen, 1966 qkm), in der weiter deutsche Gesetze gelten.
Diese freie Stadt D. ist ein Staatsgebilde mit beschränkter Souveränität ohne
Staatsoberhaupt, aber mit Regierungsoberhaupt. Am 1. 9. 1939 wird D. in das
Deutsche Reich eingegliedert. 1945/1990 fällt es an Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Simson, P.,
Geschichte der Danziger Willkür, 1904; Keyser, E., Geschichte Danzigs, 1921;
Keyser, E., Die Entstehung von Danzig, 1924; Loening, O., Untersuchungen zum
ältesten Recht von Danzig, ZRG GA 46 (1926), 206; Keyser, E., Der Streit um ein
Danziger Aufwertungsgesetz am Ende des 18. Jahrhunderts, ZRG GA 46 (1926), 383;
Keyser, E., Das älteste Danziger Stadtrecht, ZRG GA 48 (1928), 194; Methner,
A., Zwei alte Danziger Rechtssymbole, ZRG GA 57 (1937) 456; Hahlweg, W., Das
Kriegswesen der Stadt Danzig, 1937; Gierke, J. v., Danzigs deutsches Recht, ZHR
107 (1940), 161; Samsonowicz, H., Untersuchungen über das Danziger
Bürgerkapital in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1969; Ruhnau, R.,
Danzig, 1971; Lingenberg, H., Die Anfänge des Klosters Oliva und die Entstehung
der deutschen Stadt Danzig, 1982; Ruhnau, R., Die Freie Stadt Danzig, 1979, 2.
A. 1988; Wittreck, F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen
Normenkontrolle in Deutschland, ZRG GA 121 (2004), 415; Das Danziger Pfundzollbuch
der Jahre 1409 und 1411, bearb. v. Jenks, S., 2012
dare (lat.) geben
Darjes, Joachim Georg (1714-1791),
Schüler Christian Wolffs, bemüht sich in Jena und Frankfurt an der Oder um eine
systematische Gliederung des Privatrechts und entwickelt auf römischrechtlicher
Grundlage systematisch (1740) das erbrechtliche Parentelensystem.
→Parentel
Lit.: Köbler, DRG 159, 162; Gärtner, F., Joachim Georg
Darjes und die preußische Gesetzesreform, 2007; Lötzsch, U., Joachim Georg
Darjes (1714-1791), 2016
Darlehen (Wort 1507) ist
ein je nach Gestaltung entweder einseitig verpflichtender Vertrag oder ein
gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil (Darlehensnehmer)
verpflichtet, Geld oder andere vertretbare Sachen in gleicher Art, Güte und
Menge, wie er sie von dem anderen Teil (Darleiher) (zu Eigentum) erhält,
zurückzuerstatten. Das D. ist in der Form des (lat. [N.]) →nexum wohl
bereits dem altrömischen Recht bekannt (Selbstverpfändung für ein D.). Daneben
besteht das formfreie (lat. [N.]), grundsätzlich unentgeltliche →mutuum
als →Realkontrakt, aus dem der Gläubiger die (lat. [F.])
→condictio als abstrakte Klage erhält, wobei Zinsen besonders vereinbart
werden müssen. Im weitgehend geldlosen frühmittelalterlichen Recht ist D. nur
ein Fall der allgemeineren →Leihe. Gegen das Nehmen eines Entgelts für
das D. wendet sich schon in karolingischer Zeit die christliche Kirche (Lukas
6,35 [lat.] mutuum date nihil inde sperantes, gebt D. ohne etwas davon zu
erhoffen). Gegen den Widerstand der Kirche setzt sich aber mit der
Geldwirtschaft das D. durch. Es wird zunächst für Juden, dann auch für andere
insofern bevorrechtigte Personen, schließlich 1654 durch den jüngsten
Rechtsabschied sogar allgemein erlaubt, wobei römisches Recht des Darlehens
(lat. [N.] mutuum) unter Abänderung aufgenommen wird. Allerdings werden
Höchstzinssätze (oft 6%) festgesetzt und wird die Berechnung von Zinseszinsen
verboten. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) trennt das D. eindeutig von
der Leihe (lat. [N.] commodatum). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs (1811/1812) versteht das D. als Realvertrag, doch entwickelt sich
daneben auch ein konsensualer Darlehensvertrag. Im Gefolge des Liberalismus
fallen im 19. Jh. die Zinsschranken (ADHGB, 1861), doch bewirkt ein
wuchermäßiges Verhalten Unwirksamkeit einer Vereinbarung. 2002 wird in
Deutschland das D. (Gelddarlehen, 488 BGB) vom D. anderer vertretbarer Sachen
(Sachdarlehen) getrennt.
Lit.: Kaser §§ 6, 31, 32, 38, 39; Söllner §§ 9, 16,
18; Hübner 591; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 27, 45, 125, 127, 166, 213,
120, 241; Lübtow, U. v., Die Entwicklung des Darlehensbegriffs, 1965; Schulz,
H., Darlehen und Leihe, Diss. jur. Göttingen 1922; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Dehesselles, T., Policey, Handel und Kredit im
Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1999; Sturm, B., wat ich schuldich war -
Privatkredit im frühneuzeitlichen Hannover (1550-1750), 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Daseinsvorsorge (Forsthoff, E., Der totale Staat, 1933, Die
Verwaltung als Leistungsträger, 1938) ist
die vorausplanende Gestaltung menschlichen Seins. Sie wird seit der zweiten
Hälfte des 19. Jh.s zunehmend Gegenstand der öffentlichen
Verwaltung.→Leistungsverwaltung
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 197, 259; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd.
1ff. 1983ff.; Scheidemann, E., Der Begriff Daseinsvorsorge, 1991; Hermes, G.,
Staatliche Infrastrukturverantwortung, 1998; Laak, D. van, Der Begriff
Infrastruktur, Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), 280; Kersten, J., Die
Entwicklung des Konzepts Daseinsvorsorge im Werk von Ernst Forsthoff, Der Staat
44 (2005); Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur, 2006;
Ringwald. R., Daseinsvorsorge als Rechtsbegriff, 2008
Datenschutz ist der Schutz der Daten einer Person
vor Missbrauch durch eine andere Person. Er entwickelt sich in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s als Folge der Verbreitung der elektronischen
Datenverarbeitung, wobei das weltweit erste Datenschutzgesetz 1972 in Hessen
erlassen wird. Zu seiner Ausführung sind besondere staatliche Datenschutzbeauftragte
bestellt (Hessen 18. 6. 1975-22. 10 1991 Spiros Simitis).
Lit.: Köbler, DRG 260; Vierzig Jahre Datenschutz in
Hessen, hg. v. Kartmann, N. u. a., 2012
datio (lat. [F.]) Gabe, Hingabe (z. B. bei Leihe,
Verwahrung, Pfand)
Datio (F.) in solutum (lat.) ist die Leistung an
Erfüllungs Statt. Bei ihr wird schon im klassischen römischen Recht der
Schuldner nur befreit, wenn sie der Gläubiger als Erfüllung anerkennt.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 62
Dauer
Lit.: Krause, H., Dauer und Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht,
ZRG GA 75 (1958), 206
DDR (Deutsche Demokratische Republik)
Decemviri (lat. [M.Pl.]) ist im altrömischen
Recht ein Ausschuss von 10 Männern zur Erledigung allgemeiner Angelegenheiten
(z. B. →Zwölftafelgesetz).
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 17, 19
De Chasseneuz, Bartholomaeus (1480-1541)
veröffentlicht nach dem Rechtsstudium in Dôle, Poitiers, Turin (1497) und Pavia
(1499-1502) als Kronanwalt in Autun 1517 (lat.) Commentaria (N.Pl.) in
consuetudines ducatus Burgundiae, den ersten großen Kommentar zum partikularen
Gewohnheitsrecht (franz. droit coutumier) in Frankreich.
Lit.: Pignot, J., Bartholomaeus de Chasseneuz, 1880,
Neudruck 1970; Dugas della Boissony, C., Bartholomaeus de Chasseneuz, Diss.
jur. Dijon 1977
Deciani, Tiberio (Udine 1509-Padua 1582),
Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1523-1529) Anwalt in
Udine und Venedig (1544). In seinem posthum veröffentlichten (lat.) Tractatus
(M.) criminalis (1590, Straftraktat) entwickelt er ansatzweise einen
allgemeinen Teil des Strafrechts mit einem allgemeinen Straftatbestand.
Lit.: Schaffstein, F., Tiberio Deciani, Dt. Recht 3
(1938), 121
Decius, Philippus ist ein in Mailand 1454 geborener, in Pavia
und Pisa ausgebildeter, 1475 promovierter, dort, 1484 in Pisa, 1487 in Siena,
1487 in Pisa, 1502 in Padua und später in Pavia und Pisa lehrender, vielleicht
in Siena 1536 verstorbener Jurist (lectura zu Digesten 50, 17, commentaria zu
den Digesten, consilia).
L.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 875
Déclaration (F.) des droits de l‚homme et du
citoyen (franz.)
ist die von der Nationalversammlung in Frankreich 1789 angenommene Erklärung
der Menschenrechte bzw. Bürgerrechte, die 1791 der Verfassung vorangestellt
wird.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ErklaerungderMenschenundBuergerrechte1789.pdf;
Zur Geschichte der Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 1964
Declaratio (F.) voluntatis (lat.) ist die in der frühen
Neuzeit (seit Connan 1508-1551) allmählich ausgebildete allgemeine Grundfigur
der →Willenserklärung.
Lit.: Köbler, DRG 164; Wesenberg, G./Wesener, G.,
Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Declaration of Rights (England 1689)
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ofRights1689.htm
decreta (lat. [N.Pl.]) (z. B. sog. decreta
Tassilonis oder decretum Tassilonis von 756?-772?, 45 bayerische Synodalbestimmungen
aus Aschheim, Dingolfing und Neuching), Entscheidungen →Dekret, decretum
Lit.: Hartmann, W., Die Synoden der Karolingerzeit,
1989
Decretio (F.) Childeberti (lat., auch decretus, decretum)
ist ein spätestens am 1. 3. 596 verkündetes, vielleicht in verschiedenen Teilen
aus verschiedenen Jahren stammendes, in 24 Textzeugen durch 21 noch greifbare
Handschriften überliefertes Dekret (Kapitular) des fränkischen Königs
Childebert II. für Austrasien mit gemischten Inhalten (z. B. Eintrittsrecht der
Enkel, mehrfach Todesstrafe), das überwiegend mit der für Neustrien bezeugten
Lex Salica überliefert ist.
Lit.: Eckhardt, W., Die Decretio Childeberti und ihre
Überlieferung, ZRG GA 83 (1966), 1; Woll, I., Untersuchungen zu Überlieferung und
Eigenart der merowingischen Kapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca
capitularium regum Francorum manuscripta, 1995; Liebs, D., Römische
Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kölzer, T., Die merowingischen Kapitularien in
diplomatischer Sicht (in) Scientia veritatis, 2004, 16ff.
Decretum (lat. [N.]) ist im römischen
Prinzipat die Entscheidung (Urteil) des Prinzeps, mit der er unmittelbar Recht
setzt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32
Decretum (N.) Burchardi (lat.) ist die wohl zwischen 1008
und 1012 verfasste Kanonessammlung →Burchards von Worms.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Decretum (N.) Gratiani (lat.) ist die zwischen 1125 und
1140 (erste, durch vier bzw. fünf Handschriften überlieferte, eher lehrbuchartige
Fassung um 1140 [1139?] mit 1860 canones, zweite, stärker quellensammelnde und
rechtlich argumentierende aber keine Texte aus bisher nicht verwendeten
Sammlungen aufnehmende oder Ergänzungen aus schon benutzten Quellen einfügende
Fassung um 1144/1145?, erste gesicherte Benutzung 1158, insgesamt mehr als 600
mittelalterliche Handschriften, noch ältere Vorstufe „Rohfassung“
möglicherweise in Handschrift Sankt Gallen, Stiftsbibliothek MS 673) in Bologna
von dem nicht näher bekannten Mönch →Gratian auf Grund zahlreicher
älterer Sammlungen zusammengestellte (lat.) Concordia discordantium canonum
(Übereinstimmung widersprüchlicher Regeln). Das in seinen rund 450000 Wörtern
Quellensammlung und Lehrbuch in sich vereinende D. G. stellt ohne strenge
Systematik bzw. in schwer verständlicher Systematik die bis zum dritten
lateranischen Konzil (1139) entstandenen kirchlichen Rechtssätze
(Konsilscanones, päpstliche Dekretalen, Texte von Kirchenvätern [etwa 25%?],
Auszüge aus Bußbüchern, römische Rechtssätze sowie biblische Sätze, insgesamt
3945 [lat. M.Pl.] canones oder [lat. N.Pl.] capitula) zusammen. Sein erster
Teil enthält 101 in Kapitel (c.) geteilte Distinktionen (D.) oder allgemeine
Bestimmungen über allgemeine Rechtslehre und Kleriker. Der zweite Teil befasst
sich mit 36 in Untersuchungen (lat. [F.Pl.] quaestiones) und Kapitel (lat.
[N.Pl.] capitula) gegliederten (fiktiven) Fällen oder (lat.) causae (C.), die
beispielsweise das Prozessrecht, Strafrecht, kirchliche Vermögensrecht, Recht
der Mönche, Eherecht (C. 27ff.) oder die Buße (C. 33, quaestio 3 als Traktat
ausgestaltet) betreffen. Der dritte, wohl erst in der zweiten Fassung
eingefügte Teil stellt in 5 Distinktionen (und Kapiteln) unter der Überschrift
(lat.) De consecratione (Von der Weihe) das Recht der Weihe und anderer
Sakramente dar. Kommentiert wird die Konzilskanones und päpstliche Dekretalen
bereits aus dem 4. Jh. enthaltende Sammlung durch die Dicta Gratiani. Materielle
Quellen sind Konzilskanones (davon rund 400 Kapitel aus den pseudoisidorischen
Fälschungen), päpstliche Dekretalen, etwa 1200 Texte der Kirchenväter,
vielleicht erst spät eingefügtes weltliches, vor allem römisches Recht (aus der
justinianischen Kompilation) und Texte der (lat.) Glossa ordinaria des 12. Jh.s
zur Bibel. Eine wichtige unmittelbare Quelle sind die Sammlungen des Ivo von
Chartres (Panormia, nach 1095, Tripartita um 1100), ein bedeutsames Vorbild
Alger von Lüttichs (lat.) De misericordia et iustitia (Von Barmherzigkeit und
Gerechtigkeit, um 1100). Hinzu kommen Anselm von Lucca (um 1083), Sententiae
magistri A. (um 1110), Sammlung Polycarpus (um 1111) und Drei-Bücher-Sammlung
(um 1120). Um 1150 beginnt die europäische Verbreitung, die bis 1160 das
gesamte damals bekannte Abendland erreicht. An das D. G. schließt sich bald (in
Bologna um 1145? [Paucapalea], vor 1150?) eine wissenschaftliche Behandlung
(Dekretistik in der Form von Glossen und Summen z. B. Huguccio von Pisa) an,
deren Glossen →Johannes Teutonicus um 1215 zu einer (lat.) glossa (F.)
ordinaria zum D. G. zusammenfasst (um 1245 von Bartholomaeus Brixiensis
überarbeitet). Später bildet das D. G. den ersten Teil des (lat.) →corpus
(N.) iuris canonici. Vielleicht stammt die Gliederung in Distinktionen von dem
auch Zusätze verfassenden Schüler Paucapalea. Zitierweisen sind seit der
Nummerierung der Kapitel in der Ausgabe Charles Dumoulins von 1553/1554 (nicht
mehr die lateinischen Textanfänge der Stellen, sondern) z. B. für den ersten
Teil D. (Distinktion) 20. C. (Kapitel) 2, für den zweiten Teil C. (Causa) 9 q.
(quaestio) 3 c. (capitulum) 11 und für den dritten Teil De cons. D.
(Distinktion) 1 c. (Kapitel) 5.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Studia
Gratiana, Bd. 1ff. 1953ff.; Gaudemet, J., Das römische Recht in Gratians
Dekret, Österreich. Archiv f. Kirchenrecht 12 (1961), 177; Kuttner, S., Gratian
and the Schools of Law, 1983; Landau, P., Forschungen zu vorgratianischen
Kanonessammlungen und den Quellen des gratianischen Dekrets, Ius commune 11
(1984), 81; Winroth, A., The Two Recensions of Gratian’s Decretum, ZRG KA 83
(1997); Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Landau, P., Kanones und
Dekretalen, 1997; Beyer, A., Lokale Abbreviationen des Decretum Gratiani, 1998;
Larrainzar, C., El borrador de la „Concordia“ de Graciano – Sankt Gallen
Stiftsbibliothek MS 673, Ius Ecclesiae 11 (1999), 593; Winroth, A., The Making
of Gratian’s Decretum, 2000; Larrainzar, C., La formacion del Decreto de
Graciano par etapas, ZRG KA 87 (2001), 67; Winroth, A., Recent Work on the
Making of Gratian’s Decretum, Bulletin of Medieval Canon Law 26 /2004-2006), 2;
Décret de Gratien. Causes 27 à 36 Le mariage, hg. v. Werckmeister, J., 2011
decretum (lat. [N.]) principis Entscheidung des (römischen) Kaisers in
Zivilprozessen und Strafprozessen
Decretum (N.) Tassilonis (lat.) ist die Bezeichnung für die
Beschlüsse der Synoden (Versammlungen) von Aschheim, Dingolfing und Neuching,
die unter Herzog Tassilo III. von Bayern (748-788) um 756, um 770 und 771 zur
Regelung kirchenrechtlicher Fragen stattfinden.
Lit.: Barion, H., Die Verfassung der bayerischen
Synoden des 8. Jahrhunderts, Röm. Quartalschrift 38 (1930), 90; Hartmann, W.,
Die Synoden der Karolingerzeit, 1989; Landau, P., Kanonessammlungen in Bayern,
FS K. Reindel, 1995, 137
Decurio (M.) de gradus (lat.) ist eine spätantike (6./7.
Jh.?), systematische, an unbekanntem Ort geschaffene, relativ reich und
erheblich unterschiedlich überlieferte, etwa eine Seite umfassende Übersicht
über ein staatliches Ämterwesen (Kommandos, Staatsämter und Herrscher, Hofämter
und städtische Ämter, soziale Klassen und grundherrliche Amtsträger
[Ämtertraktat]), die vielleicht nur Lehrzwecken dient und keiner bekannten
Wirklichkeit vollständig entspricht.
Lit.: Conrat, M., Ein Traktat über
romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 29 (1908), 239; Beyerle, F., Das
frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; Barnwell,
P., Epistula Hieronimi de gradus Romanorum, Historical Research 64 (1991), 77;
Baumann, A., Freiheitsbeschränkungen der Dekurionen in der Spätantike, 2014
Dediticius (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der gewaltunterworfene Reichsangehörige (str.).
Lit.: Kaser §§ 3, 13, 16; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §
30; Köbler, DRG 35, 57
Defensor (M.) pacis (lat. Verteidiger des Friedens)
(1324) ist die wichtigste staatsrechtliche Schrift des →Marsilius von
Padua, in der er von der Herrschaft des Kaisers über die christliche Kirche
ausgeht.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Defensorpacis1324(1522).pdf;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Segall, H., Der „Defensor pacis“ des
Marsilius von Padua, 1959
Definition (F.) ist die Inhaltsbestimmung
eines (zu bestimmenden und insofern als verhältnismäßig unbekannt angesehenen)
Begriffs. Sie erfolgt durch (bestimmende) Angabe des übergeordneten
Gattungsbegriffs und des innerhalb der Gattung aussondernden oder
kennzeichnenden Einzelmerkmals (z. B. Frau ist [innerhalb] der [Gattung]
Mensch, der [welcher der Art nach] weiblich ist, F = Mw).
Insbesondere seit dem 18. Jh. werden diese Anforderungen präzisiert.
Lit.: Schröder, J., Definition und Deskription, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Forgó, N., Omnis definitio in iure
civili periculosa est, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 23
Deichrecht ist die Gesamtheit der den Deich
(als die gegen Fluten vorgenommene Erdaufschüttung) betreffenden Rechtssätze,
wie sie sich seit dem 10. oder 11. Jh. vor allem an der Nordsee entwickeln.
Dazu bildet sich zunächst teils freiwillig, teils herrschaftlich ein
Deichverband als Zwangsgenossenschaft der durch den Deich unmittelbar
geschützten Grundstücksberechtigten. Der Deichverband ist Eigentümer des
Deiches und verwaltet ihn durch eigene Organe (Deichgraf, Deichschöffe,
Deichgericht), sofern hierfür nicht die Gesamtheit zuständig ist. Der Deich ist
in Teile (Kabeln, Pfänder, Lose) zerlegt, für die ein jeweiliges Grundstück (d.
h. sein Nutzer oder Eigentümer) zu sorgen hat (Deichlast als Art Reallast). Wer
sein Kabel nicht ordnungsgemäß unterhält, muss mit dem Verlust seines
Grundeigentums rechnen (Wer nicht kann deichen, muss weichen bzw. wer nicht
will deichen, darf weichen). Seit dem 16. Jh. wird der Deichverband zur
Staatsanstalt, die Deichbaupflicht zur öffentlichen Last gegenüber dem
Deichregalträger. Es werden Deichordnungen aufgezeichnet oder auch erlassen
(Kleve 1448, Eiderstedt 1592, Hamburg 1639, Wursten 1661, Braunschweig-Lüneburg
1664, Bremen 1693). Das 19. Jh. kehrt zur Selbstverwaltung der Deichverbände
zurück (Preußen Deichgesetz 1848). Bei der Schaffung der deutschen
Rechtseinheit durch das Bürgerliche Gesetzbuch (1896/1900) wird das D. dem
Landesgesetzgeber überlassen. Seit dem preußischen Wassergesetz des Jahres 1913
werden die Deichverbände als Wassergenossenschaften behandelt.
Lit.: Schrader, C., Systematische Übersicht über das
Deichrecht, 1805; Harnisch, R., Deichgesetzgebung, 1886; Gierke, J. v., Die
Geschichte des deutschen Deichrechts, Teil 1f. 1901ff., Neudruck 1967;
Beckmann, A., Dijk- en Waterschapsrecht, Bd. 1f. 1905ff.; Gierke, J., Chrene
cruda und Spatenrecht, ZRG GA 28 (1907), 290; Bochalli, A.,
Wassergenossenschafts- und Deichrecht nach dem preußischen Wassergesetz, 2. A. 1925;
Fockema Andreae, S., Het hoogheemraadschap van Rijnland, 1934; Felkes, E., Die
geschichtliche Entwicklung der Deichlast in Nordfriesland, 1937; Albers, E.,
Das Deichrecht im Amt Ritzebüttel, 1938; Römer, H., Die Rechtsgeschichte der
Koogs- und Deichverbände, 1938; Winsemius, J., De historische ontwikkeling van
het waterstaatsrecht in Friesland, 1947; Linden, H. van der, De Cope, 1955;
Obreen, H., Dijkplicht en Waterschappen aan Frieslands Westkust, (1956);
Buijtenen, M. u. a., Westergo’s Ysselmeerdijken, 1956; Djuren, H., Das
Deichrecht im Lande Wursten, Diss. jur. Göttingen (um 1960); Ostfriesland im
Schutze des Deiches, hg. v. Ohling, J., 1969; Blok, D., Wie alt sind die
ältesten niederländischen Deiche, (in) Probleme der Küstenforschung 15 (1984),
1; Gottschalck, M., Deich- und Wasserbau, 1985; Petersen, S., Deutsches
Küstenrecht, 1989; Ehrhardt, M., Ein guldten Bandt des Landes, 2003; Fischer,
N., Wassersnot und Marschengesellschaft, 2003; Nawotki, K., Die schleswigsche
Deichstavengerechtigkeit, 2004
Dei gratia (lat. [F.]) ist eine von Karl dem
Großen 768 nach biblischem und auch kirchlichem Vorbild (6. Jh.) aufgegriffene,
zunächst nur religiös zu verstehende Formel, mit welcher der irdische Herrscher
zum Ausdruck bringen will, dass seine Stellung von Gottes Gnade herrührt. Ob
die Vermittlung durch den Papst erfolgen muss, ist zeitweise streitig.
Lit.: Köbler, DRG 83; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980; Schmitz, K., Ursprung
und Geschichte der Devotionsformeln, 1913; Körntgen, L., Königsherrschaft und
Gottes Gnade, hg. v. Goetz, H. u. a., Bd. 2 2000
Dekalog sind die zehn Gebote, die Moses auf
dem Sinai (von Gott) empfängt (2. Moses 20,2-17, 5. Moses 5,6-21). Der D.
enthält klare Regeln für wichtige gesellschaftliche Störungen. Die
zugehörigen, den Nichtjuden durch das Christentum vermittelten Lösungen
beeinflussen das weltliche Recht großer Teile der gesamten Menschheit bis in
die Gegenwart.
Lit.: Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der
Verbrechenssystematik, FS W. Sauer, 1949, 44; Hossfeld, F., Der Dekalog, 1982
Dekan (M., zu lat. decem, Num. Kard.,
zehn) ist ein kirchlicher wie weltlicher Amtsträger.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972
Dekret ist allgemein die obrigkeitliche
Entscheidung. Im Kirchenrecht ist D. das (lat.) →Decretum (N.) Gratiani.
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 102; Dekrete der
ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.
Dekretale ist die seit dem 4. Jh. n. Chr.
(385 n. Chr. [lat.] Directa ad decessorem, Papst Siricius an Bischof Himerius
von Tarragona) sichtbare, vor allem in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts
mit rund 1100 erhaltenen Zeugnissen zahlenmäßig sehr häufige Entscheidung des
Papstes in einem einzelnen Fall sowie später der sie verkündende feierliche
Erlass. Sammlungen von Dekretalen sind beispielsweise die Sammlung des
Dionysius Exiguus, die pseudoisidorischen Fälschungen, die (lat.) Collectio
(F.) Wigorniensis (um 1173/1174, noch unsystematisch), der (lat.) Appendix (M.)
concilii Lateranensis III (England um 1183, bereits systematisch nach Titeln
geordnet und teilweise auch in einzelne Blöcke zerlegt), die Collectio
Britannica oder die zwischen 1187 und 1226 (bzw. 1188/1190 und 1226)
entstandenen sog. compilationes antiquae (lat. [F.Pl.] alte Sammlungen, später
sog. compilatio prima [= Breviarium extravagantium, geteilt in fünf Bücher
iudex, iudicium, clerus, conubia, crimen h. h. Richter, Gericht, Klerus, Ehe,
Verbrechen] 1188-1191 bzw. um 1188/1190 Bernardus Balbi von Pavia bzw.
Bernardus Papiensis [vor allem Dekretalen Alexanders III.] in 5 Büchern,
compilatio secunda des Johannes Galensis 1210-1212 [Dekretalen zwischen 1191
und 1198], compilatio tertia 1209/1210 [Papst Innozenz III. durch] Petrus
Beneventanus bzw. Petrus Collivaccinus [erste authentische Sammlung, Dekretalen
Papst Innozenz’ III.], compilatio quarta 1216 Johannes Teutonicus (mit Texten
insbesondere des vierten Laterankonzils, von Papst Innozenz III.
zurückgewiesen), compilatio quinta 1226 [Papst Honorius III. 1216-1227 durch]
Tancred bzw. Tancredus Bononiensis). Sie werden auf Grund eines von Papst
Gregor IX. (1227-1241) 1230 erteilten Auftrags von dem spanischen
Kirchenrechtler →Raymundus de Penyafort (1180-1275) zu einer neuen
ergänzten Dekretalensammlung (mit 2139 Kapiteln zwischen 1140 und 1234)
vereinigt, die am 5. 9. 1234 als (lat.) Liber (M.) (decretalium) extra
(Decretum Gratiani) veröffentlicht wird. Sie gliedert sich in fünf Bücher
(Richter, Gericht, Klerus, Ehe, Verbrechen). Sie ersetzt alle älteren
Sammlungen der Dekretalen. Eine zugehörige (lat.) glossa (F.) ordinaria stammt
von Bernardus Parmensis († 1266) bzw. →Johannes Andreae († 1348). Die
bedeutendste Summe ist die 1253 abgeschlossene, seit 1477 so bezeichnete (lat.
[F.]) Summa aurea (goldene Summe), die wichtigste Kommentierung die zwischen
1262 und 1265 entstandene (lat.) Lectura (F.), Lesung, des Hostiensis (Heinrich
von Segusia, Susa vor 1200-Lyon 1270). Zitiert wird dieser Liber extra z. B.
als X 1. 2. 13.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102, 108;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Landau, P., Die
Entstehung der systematischen Dekretalensammlungen, ZRG KA 66 (1979), 120;
Kuttner, S., Medieval Councils, Decretals and Collections, 1980; Landau, P.,
Kanones und Dekretalen, 1997; Landau, P., Rechtsfortbildung im Dekretalenrecht,
ZRG KA 117 (2000), 86; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal letters in the early
middle ages, 2001; Zechiel-Eckes, K., Die erste Dekretale - Der Brief Papst
Siricius’ an Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255), 2013
Dekretalist ist der die →Dekretalen (1234
nach Erscheinen des Liber extra) bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Johannes
Andreae, Tancred, Innozenz IV., Hostiensis [Summa aurea, goldene Summe],
Durantis, Baldus, Zabarella, Nikolaus de Tudeschis [Panormitanus]). Die
Gesamtheit der Dekretalisten wie die Tätigkeiten der Dekretalisten werden als
Dekretalistik bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kuttner, S., Gratian and the
Schools of Law, 1983
Dekretist ist der das →Dekret Gratians
bearbeitende Kirchenrechtler (z. B. Paucapalea, Rufinus, Stephan von Tournai,
Huguccio, Johannes Teutonicus).
Lit.: Kuttner, S., Gratian and the Schools of Law,
1983
delatura (lat. [F.], Anzeigelohn?) →dilatura
De laudibus legum Angliae (lat., Über die Vorzüge des
englischen Rechtes) ist eine 1470 vom Richter Sir John →Fortescue
verfasste Darstellung des →englischen Rechtes im Vergleich zum
festländischen Recht.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
delegatio (lat. [F.]) Anweisung
Delegation ist die Übertragung einer Aufgabe
oder Zuständigkeit auf einen oder mehrere andere. Sie ist bereits der römischen
Kaiserzeit bekannt. Im Mittelalter erfolgt die D. weltlicher oder geistlicher
Gerichtsbarkeit seit dem 11./12. Jh. (lat. iurisdictio [F.] delegata). Im
Heiligen römischen Reich wird die D. wegen des damit verbundenen
Zuständigkeitsverlusts des Delegierenden seit der Errichtung des Reichskammergerichts
eingeschränkt, in der Kirche seit den Konzilen von Konstanz (1414-1418), Basel
(1431-1437) und Trient (1545-1563), in den deutschen Ländern seit dem 18. Jh.
Trotzdem ist die D. als Übertragung einer Zuständigkeit eines staatlichen
Organs auf ein anderes, das danach die Zuständigkeit neben dem oder statt des
Delegierenden ausübt, möglich. In Österreich sind die Delegationen 1867 ein 120
Mitglieder umfassendes Gesetzgebungsorgan für die pragmatischen
Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, das rechtstatsächlich
auf die Erstellung des entsprechenden Haushaltsplans beschränkt ist.
Lit.: Kaempfe, W., Die Begriffe der Jurisdictio
Ordinaria, Quasiordinaria, Mandata und Delegata, 1876; Canstein, R.? v.,
Jurisdictio delegata und mandata im justinianischen und kanonischen Rechte, ZRG
13 (1878), 491; Kümpel, J., Begriff und Abstufung der iurisdictio ordinaria und
delegata, 1922; Triepel, H., Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942,
Neudruck 1995; Endemann, W., Der Begriff der delegatio, 1959; Müller, H.,
Päpstliche Delegationsgerichtsbarkeit in der Normandie, 1997; Reichard, I.,
Delegation und Novation im klassischen römischen Recht, 1998;
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der
österreich-ungarischen Monarchie, 2001; Pfeiffer, U., Untersuchungen zu den
ANfängen der päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit im 13. Jahrhundert, 2011
De legibus et consuetudinibus regni
Angliae (lat.)
(Treatise on the Laws and Customs of England, Über die Gesetze und Gewohnheiten
des Königreichs England) ist eine kurze, in lateinischer Sprache abgefasste
Darstellung des englischen Rechtes (common law) des 12. Jh.s (1187-1189?) auf
der Grundlage der Rechtsprechung der königlichen Gerichte (ausgenommen das
siebente, Erbrecht behandelnde Buch). Als Verfasser gilt Ranulf de →Glanvill.
Ein Einfluss des römischen Rechtes ist nur in terminologischer Hinsicht
zweifelsfrei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Delictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die den Einzelnen, seine Familie oder sein Vermögen verletzende Tat (zu lat.
delinquere, V., zurücklassen ausgehen, fehlen, sich vergehen, z. B. Diebstahl,
Sachbeschädigung, Persönlichkeitsverletzung). Voraussetzung ist
Rechtswidrigkeit und regelmäßig Vorsatz. Rechtsfolge ist anfangs die Vergeltung
am Täter selbst (z. B. Tötung, Körperverletzung), später die an die Stelle des
Racherechts tretende Buße in Geld (lat. [F.] poena), die entweder in einem
bestimmten Metallwert oder in einem Vielfachen des Wertes des betroffenen
Gegenstands bestehen kann. Hinzukommen können sachverfolgende Klagen. In der
Spätantike wird im Westen seit dem 4. Jh. zwischen Verbrechen und →Delikt
begrifflich nicht mehr unterschieden und das Ziel des nichtkriminellen Verfahrens
mehr und mehr als Schadensersatz verstanden. Justinian hält demgegenüber
strenger am klassischen Gedankengut fest, setzt aber je nach Nützlichkeit der
Angelegenheit für den Handelnden für die Ersatzpflicht meist einen der
verschiedenen Grade von Schuld voraus.
Lit.: Kaser § 50; Köbler, DRG 26, 48, 65; Köbler, LAW;
Jentsch, H., Die Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur
Generalnorm, 1939; Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum
hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1964, 49
Delikt (Wort 1559, Lehnwort zu [lat., N.] delictum) ist die rechtswidrige schuldhafte
Tat. Ihr folgt teils →Strafe, teils Buße. Dabei wird mit der Aufnahme des
römischen Rechtes auch die Figur des (lat. [N.]) →delictum übernommen. Im
Strafrecht ist D. die mit öffentlicher Strafe bedrohte Handlung, im Privatrecht
die unerlaubte, zu Schadensersatz verpflichtende Handlung (§§ 823ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 48, 65, 166, 264; Jentsch, H., Die
Entwicklung von den Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939;
Caemmerer, E. v., Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen
des Deutschen Juristentages, 1964, 49; Kötz, H., Deliktsrecht, 1976, 9. A.
2001, 10. A. 2006; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996; Zimmermann,
R./Verse, D., Die Reaktion des Reichsgerichts auf die Kodifikation des
deutschen Deliktsrechts, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter,
2000, 319; Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; La faute et sa
punition dans les sociétés orientales, hg. v. Furand, J. u. a., 2012
Deliktsfähigkeit ist die Fähigkeit, für eine unerlaubte Handlung
zur Verantwortung gezogen werden zu können. Sie fehlt schon im römischen Recht
den Geisteskranken (lat., M.Pl., furiosi) und Kindern (lat., M.Pl., infantes).
Für das ältere deutsche Recht ist die tatsächliche Handhabung im Einzelfall
eher unklar. Mit der Rezeption wird die Mündigkeit (Vollendung des 14.
Lebensjahrs) maßgeblich für die D.
Demagoge (M.) Volksführer, Volksverführer
Demagogenverfolgung ist die staatliche Verfolgung
„revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ durch den
→Deutschen Bund auf Grund der am 20. 9. 1819 vom Deutschen Bundestag
einstimmig angenommenen →Karlsbader Beschlüsse mit Hilfe einer in Mainz
eingesetzten Zentraluntersuchungskommission. Die D. besteht beispielsweise in der
Aufhebung der Zensurfreiheit von Universitätsprofessoren, in der Beseitigung
von Rechtshindernissen für die Entlassung von Geistlichen und in der Schaffung
von Rechtsgrundlagen für die Entfernung von Studenten von der Universität. In
diesem Zusammenhang werden in Preußen 1836 192 Studenten verurteilt, davon
einige zur Todesstrafe. Bekannte Verfolgte sind Friedrich Ludwig Jahn, Ernst
Moritz Arndt, Joseph von Görres, Karl Friedrich Eichhorn, Friedrich Schleiermacher
oder E. T. A. Hoffmann.
Lit.: Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit und
akademische Freiheit, 1979; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5.
A. 2005, § 30; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Mann, C., Die
Demagogen und das Volk, 2007
Demokratie (Lehnwort zu demokratia, griech., F.,
Volksherrschaft) ist die erstmals in →Athen
unter Kleisthenes (508 v. Chr.) in gewisser Weise verwirklichte Herrschaft des
Volkes in einem Gemeinwesen, die von Aristoteles als Entartung der Herrschaftsform
Politie (griech., F., politeia) angesehen wird. Nach der Antike gewinnt die D.
trotz Erwähnung bei Martin Luther (1539 für Schweiz und Dithmarschen), Samuel
Pufendorf (1667 als Gegensatz zum Reichstag) oder Johann Stephan Pütter (1787
für Reichsstädte) erst wieder seit der französischen Revolution des Jahres 1789
tatsächliche Bedeutung. Dabei wird teils auf die vollständige Gleichheit und
Beteiligung aller an der Herrschaft abgestellt, teils auf die Volkssouveränität,
teils auf Gewaltenteilung, Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Repräsentativsystem.
Im Einzelnen sind die Formen der verwirklichten D. dementsprechend verschieden
(z. B. 1919 im Deutschen Reich eine mit plebiszitären Merkmalen angereicherte
parlamentarische D. mit vom Volk gewähltem Reichspräsidenten, 1949
Volksdemokratie der Deutschen Demokratischen Republik).
Lit.: Köbler, DRG 256; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 1 1972, 821; Blumer, J., Staats- und Rechtsgeschichte der schweizerischen
Demokratien, 1850ff.; Schmitt, C., Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen
Parlamentarismus, 2. A. 1926; Kelsen, H., Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2.
A. 1929; Schefold, D., Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966;
Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie, HZ 216
(1973), 553; Tormen, W., Zwischen Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951;
Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie im Weimarer Regierungssystem, 1971;
Bleicken, J., Die athenische Demokratie, 1986, 4. A. 1995; Biographisches
Lexikon zur Geschichte der demokratischen und liberalen Bewegungen in
Mitteleuropa, hg. v. Reinalter, H. u. a., Bd. 1 1992; Kurz, A., Demokratische
Diktatur?, 1992; Lepsius, M., Demokratie in Deutschland, 1993; Die athenische
Demokratie, hg. v. Eder, W., 1995; Hansen, M., Die athenische Demokratie, 1995;
Demokratie in Rom?, hg. v. Jehne, M., 1995; Rudolph, K., Bibliographie zur
Geschichte der Demokratiebewegung, 1997; Kirchgässner, G. u. a., Die direkte
Demokratie, 1999; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Riethmüller,
J., Die Anfänge des demokratischen Denkens in Deutschland, 2001; Die Anfänge
des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich 1830-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2002; Fisahn, A., Demokratie und
Öffentlichkeitsbeteiligung, 2002; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie,
Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18.
Jahrhunderts, 2002; Wegbereiter der Demokratie, hg. v. Asendorf, M., 2006;
Canfora, L., Eine kurze Geschichte der Demokratie, 2006; Raaflaub, K. u. a.,
Origins of Democracy, 2007; Verachtet, verfolgt, verdrängt - Deutsche
Demokraten, hg. v. Bockhofer, R., 2007; Nippel, H., Antike oder moderne
Freiheit?, 2008; Robinson, E., Democracy beyond Athens, 2011Nolte, P., Was ist
Demokratie?, 2012; Braunschweig, C., Die demokratische Krankheit, 2012;
Gesichter der Demokratie, hg. v. Hein, B., 2012; Postnationale Demokratie,
Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013; Kämper, H.,
Wörterbuch zum Demokratiediskurs 1967/68, 2013; Postnationale Demokratie,
Postdemokratie, Neoetatismus, hg. v. Heinig, H. u. a., 2013; Talmon, J., Die
Geschichte der totalitären Demokratie, hg. v. Backes, U., 2013; Biographisches
Lexikon der demokratischen und liberalen Bewegungen in Mitteleuropa 1770 bis
1848/49, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2015; Alexis de Tocqueville – Analytiker
der Demokratie, hg. v. Bluhm, H. u. a., 2015; Die Wiedergewinnung des Menschen
als demokratische Projekt, hg. v. Rixen, S., 2015; Politik des Zusammenhalts –
Über Demokratie und Bürokratie, hg. v. Kersten, J. u. a., 2019
Demolombe, Jean Charles Florent (1804-1887)
verfasst als Zivilrechtslehrer in Caen einen 31bändigen, unvollendeten
Kommentar (Cours) zum →Code civil (1845ff.).
Lit.: Jouen, L., Demolombe et ses œuvres, 1888
Demonstration (F.) Aufzeigung, Protestzug
Lit.: Dostal, C., 1968 – Demonstranten vor Gericht, 2006
Demoskopie (F.) Volksbefragung, Meinungsforschung
Lit.: Kruke, A., Demoskopie in der Bundesrepublik Deutschland, 2007
Denarius (lat. (M.) Zehner, zehn As) ist eine römische,
im Mittelalter sprachlich weitergeführte Münze.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex Salica, 1910;
Reverchon, A., Metzer Denare, 2006
denegatio actionis (lat.) Verneinung des Klaganspruchs
Denkmalsrecht ist die Gesamtheit der die überlieferten
Zeugnisse eines Vorgangs oder einer Erscheinung betreffenden Rechtssätze.
Vorformen des modernen Denkmalrechts gibt es vereinzelt bereits im Altertum und
im Mittelalter. Die eigentliche Denkmalpflege beginnt wohl erst mit der
Einsetzung Raffaels (1483-1520) als Leiter der Ausgrabungen Roms durch Papst
Leo X. (1513-1521) 1516 und umfassende gesetzliche Regelungen gehören erst der
jüngeren Neuzeit an.
Lit.: Hammer, F., Die geschichtliche Entwicklung des
Denkmalrechts in Deutschland, 1995; Wolf Di Cecca, C., Belege für
denkmalpflegerische Gesetze und Maßnahmen in Antike und Mittelalter, ZRG GA 112
(1995), 440; Denkmalpflege, hg. v. Huse, N., 1996; Speitkamp, W., Die
Verwaltung der Geschichte, 1996; Mieth, S., Die Entwicklung des Denkmalrechts
in Preußen, 2005
Denuntiatio (F.) evangelica (lat.) ist die lateinische
Bezeichnung des auf Matthäus 18,15-17 zurückgehenden kirchlichen
Anzeigeverfahrens über ein Fehlverhalten. Dieses setzt seit Innozenz III.
(1160/1161-1216, 1199/1209) ein Verhalten gegen die Interessen der Kirche
voraus, das der Vorgesetzte nach vergeblichen Ermahnungen anzeigen darf, wobei
der Anzeigende weder nachweisen noch Kosten tragen muss. Die Auferlegung einer
Buße erfolgt in einem freien Verfahren. Gegen Ende des 17. Jh.s verliert die d.
e. als besonderes Verfahren ihre Bedeutung wieder.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972, 439; Sauerland, K., 30 (Dreißig) Silberlinge, 2000
Denunziation ist allgemein die Mitteilung oder Anzeige.
Ausgehend von der (lat.) →denuntiatio (F.) evangelica wird im gemeinen
Strafrecht (Clarus, Practica criminalis, 1578) darunter die Strafanzeige mit
dem Ziel der Wahrheitsermittlung verstanden, wobei Vorteile und Gefahren der D.
durchaus gesehen und erörtert werden. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s,
verstärkt in der ersten Hälfte des 19. Jh.s, entwickelt sich unter dem Einfluss
der Aufklärung und des Liberalismus die Bedeutung der böswilligen,
hinterlistigen und verräterischen Anzeige an die Polizei.
Lit.: Denunziation, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 1997; Sauerland, K.,
30 Silberlinge, 2000; Koch, A., Denunciatio, 2006; Nolte, J., Demagogen und
Denunzianten, 2007; Böske, S., Denunziationen in der Zeit des
Nationalsozialismus, Diss. jur. Bielefeld 2008; Hornung, E., Denunziation als soziale
Praxis, 2010; Sauerland, K., Dreißig Silberlinge - Das Phänomen Denunziation,
2012; Hinter vorgehaltener Hand – Studien zur historischen
Denunziationsforschung, hg. v. Krätzner, A., 2015
Depositio (lat. [F.]) ist die
→Hinterlegung an einer bestimmten öffentlichen Stelle, die bereits im
klassischen römischen Recht bei Gläubigerverzug dem Schuldner bestimmte
Erleichterungen verschafft.
Lit.: Kaser § 53 I; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Depositum (lat. [N.] Verwahrung) ist im
römischen Recht die →Hinterlegung einer beweglichen Sache, die der
Verwahrer zurückzugeben hat, sobald es der Hinterleger verlangt. Gibt der Verwahrer
nicht zurück, so hat nach dem Zwölftafelgesetz der Hinterleger eine Klage wegen
Unterschlagung auf das Doppelte. Später entwickelt sich hieraus eine Klage aus
Vertrag auf grundsätzlich nur den einfachen Wert. Depositum irregulare
(unregelmäßige Verwahrung) ist die Verwahrung, bei welcher der Verwahrer das
verwahrte Geld gebrauchen darf, aber zur Rückzahlung desselben Betrags und
gegebenenfalls vereinbarter Zinsen verpflichtet ist.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 45
Depot (N.) (Verwahrung, Verwahrungsort)
Depotgesetz ist das für Deutschland 1896
geschaffene Gesetz über die Verwahrung von Wertpapieren.
Lit.: Buxbaum, C., Anlegerschutz zwischen
Bankbedingungen und Rechtsnormen, 2002
Deputat (N.) Zugeschriebenes,
Arbeitsentgelt in Sachleistung
Derby (ae. Northworthige) am Derwent geht
auf das römische Lager Derventio zurück. 1204 erlangt es Stadtrecht. 1841 wird
es Sitz einer Universität.
Lit.: Wright, S., The Derbyshire Gentry, 1983
Der Ältere teilt, der Jüngere wählt ist ein bereits bei Seneca (1-65 n. Chr.),
Controv. 6, 3 ([lat.] maior frater dividat patrimonium, minor eligat, der größere
Bruder soll das Vatergut teilen, der kleinere aus den Teilen auswählen),
Augustinus (354-430), De civitate Dei cap. 20 ([lat.] quando terrenorum aliquid
partiendum est, maior dividat, minor eligat, wenn etwas Irdisches zu teilen
ist, soll der Größere bzw. Ältere teilen und der Kleinere bzw. Jüngere wählen)
und im Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221-1224, Wo zwei zur Erbschaft
kommen, soll der Ältere teilen und der Jüngere wählen) belegter Satz. Hinter
ihm steht die Einsicht, dass der Teilende nur dann so gut wie möglich teilen
wird, wenn er befürchten muss, dass eine ungleiche Teilung durch das Wahlrecht
des anderen sich gegen ihn wenden kann. Dementsprechend wird nur ein
hinterhältiger, skrupelloser Betrüger (z. B. ein E. in einem Lügenreich) als Jüngerer
z. B. eine Zahl von Prüflingen absichtlich (z. B. nach den Anfangsbuchstaben
der ungleich auf das Alphabet verteilten Familiennamen der Prüflinge) ungleich
teilen, wahrheitswidrig die Gleichheit der offensichtlich grob ungleichen
Teile behaupten und sich selbst den größeren Teil nehmen.
Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36
(1915), 478
Der Hehler ist nicht besser als der
Stehler.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 170 (Graf/Dietherr 1864)
Der König ist gemeiner Richter überall.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 211 (Sachsenspiegel, 1221-1224, Landrecht
III 26 § 1)
Der
rechte Weg
Lit.: Der rechte Weg. Ein Breslauer Rechtsbuch des 15.
Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F., 2000
Der
Schlüssel des sächsischen Landrechts
ist eine (in 17 Handschriften und Fragmenten überlieferte), 1421 vorliegende
Gesamtverarbeitung des in Sachsenspiegel, Sachsenspiegelglosse und
Schwabenspiegel enthaltenen Rechtsstoffs in alphabetischer Reihenfolge durch
einen unbekannten Verfasser.
Lit.: Sinauer, E., Der Schlüssel des sächsischen
Landrechts, 1928
Derelictio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die Aufgabe von →Eigentum und →Besitz durch einen bisherigen
Eigentümer ohne Zuwendung an einen neuen Eigentümer. Das Eigentum erlischt nach
den Sabinianern mit der Preisgabe, nach den Prokulianern mit der Aneignung durch
einen anderen. Nachfolgender ursprünglicher Erwerb von Eigentum und Besitz
durch jedermann sind grundsätzlich rechtmäßig.
Lit.: Kaser § 26; Meyer-Collings, J., Derelictio,
1932; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985; Hoyer, H., Die
Dereliktion von Liegenschaften , FS Wilhelm Brauneder, 2008, 181
Dereliktion (1774) ist die bewusste und
gewollte Aufgabe des Eigentums und Besitzes einer Person an seiner Sache (ohne
abgestimmten Erwerb des Eigentums und Besitzes durch einen anderen.)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Derivat (N.) Abgeleitetes
Lit.. Derivate und Finanzstabilität - Erfahrungen aus
4 Jahrhunderten, hg. v. Institut für bankhistorische Forschung e. V: , 2013
derivativ (abgeleitet)
derivativer Erwerb, abgeleiteter
→Eigentumserwerb (im römischen Recht z. B. durch mancipatio, in iure
cessio oder traditto, in der Gegenwart durch Übereignung)
Dernburg, Heinrich (Mainz 3. 3. 1829-Berlin
23. 11. 1907), Sohn eines jüdischen, 1841 getauften Gießener Rechtsprofessors,
wird nach dem Studium in Gießen und der Habilitation in Heidelberg (1852,
Vangerow) Professor in Zürich, Halle (1862) und Berlin (1872) und Mitglied des
Herrenhauses Preußens. 1871 veröffentlicht er ein dreibändiges Lehrbuch des preußischen
Privatrechts, 1884 ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts und 1898 ein
dreibändiges Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes des Deutschen Reiches und
Preußens.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DernburgHeinrichPandekten1884Band1.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DernburgHeinrichDasbuergerlicheRechtdesDeutschenReichsundPreussensBand13A1906.pdfSüss,
W., Heinrich Dernburg, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 231
Descartes (Cartesius), René (La Haye 31. 3.
1596–Stockholm 11. 2. 1650), wird nach dem Besuch der Jesuitenschule La Flèche
Mathematiker und Philosoph, mit dessen (lat.) Meditationes (Betrachtungen)
eine neue Epoche der Philosophie beginnt. Als einzige Gewissheit gilt ihm die
Selbstgewissheit im Denken (lat. cogito, ergo sum, ich denke, also bin ich).
Hieraus entwickelt er durch vernunftbezogene Ableitung (deduktiv) das
systematische Gedankengebäude des Rationalismus, der die Aufklärung fördert.
Lit.: Röd, W., Die Genese des Cartesianischen
Rationalismus, 3. A. 1995; Schütt, H., Die Adoption des Vaters der modernen
Philosophie, 1998; Descartes im Diskurs der Neuzeit, hg. v. Niebel, W. u. a.,
1999; Schultz, U., Descartes, 2001; Descartes und Deutschland, hg. v. Ferrari,
J. u. a., 2009; Herrmann, F., Descartes’ Meditationen, 2011; Kellerer, S.,
Zerrissene Moderne, 2012
Desertion (F.) Fahnenflucht (zwischen 1939
und 1945 in der deutschen Wehrmacht etwa 30000 Todesurteile wegen D.,
Wehrkraftzersetzung u. s. w., davon rund 20000 vollstreckt)
Lit.: Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Salisch, M.
v., Treue Deserteure, 2008; Wolff, C., Deserteurs et transfuges dans l’armée
romaine, 2009; Deserteure, Wehrkraftzersetzer und ihre Richter, hg. v.
Kirschner, A., 2010
Design
Lit.: Schmelzer-Ziringer, B., Mode Design Theorie,
2015; Zentek, S., Geschichte des Designschutzes, 2016
Designation (Bezeichnung) ist
die (während einer Amtszeit erfolgende) Berufung eines Menschen in ein Amt oder
eine Herrschaft (als Nachfolger). Sie kann dort stattfinden, wo Erblichkeit
nicht gilt oder grundsätzlich mehrere Erben nebeneinander berechtigt sind.
Bedeutung erlangt die D. in der Form der Einigung des Königs mit den Großen
insbesondere für das Königtum im fränkisch-deutschen Reich zwischen dem 9. und
13. Jh. (z. B. Bestimmung Ludwigs des Frommen zum Mitkaiser Karls des Großen
813, Bestimmung Lothars I. zum Mitkaiser Ludwigs des Frommen 817).
Lit.: Heinze, O., Designation, Diss. phil. Göttingen
1913; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck
1965, 1981, 36; Schreyer, B., Zum Begriff der Designation bei Widukind, ZRG GA
67 (1950), 407; Wolf, G., Designation und designare bei Widukind von Corvey,
ZRG GA 73 (1956), 372; Wolf, G., Über die Wort- und Rechtsbedeutung von
„designare“, ZRG GA 75 (1958), 367; Giese, W., Zu den Designationen, ZRG GA 92
(1975), 174; Giese, W., Designative Nachfolgeregelungen in germanischen Reichen
der Völkerwanderungszeit, ZRG GA 117 (2000), 39; Giese, W., Untersuchungen zur
Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzogtümern und Fürstentümern, ZRG GA
119 (2002), 44; Giese, W., Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger,
DA 64 (2008), 437; Giese, W., Ein zweiter Versuch, ZRG GA 131 (2014), 1
Deszendent (M.) Abkömmling, Verwandter in absteigender
Linie wie z. B. Tochter, Enkel, Urenkelin, Gegensatz Aszendent
detentio (lat. [F.]) →Innehabung
detentor (lat. [M.]) Inhaber,
→Innehabung
Deutsch ist ein zu ahd. diot, F., Volk (bzw.
vielleicht schon in der Völkerwanderungszeit zu germ. *theuda, F., Volk, idg.
*teuto, F., Volk) gebildetes Adjektiv (diotisk), das zunächst in seinen
ältesten Belegen (8. Jh.) den sprachlichen Gegensatz der Volkssprache zum
Lateinischen zum Ausdruck zu bringen scheint und erst gegen Ende des Frühmittelalters
auf ein neues, aus Alemannen, Bayern, Franken, Sachsen, Thüringern und Friesen
entstandenes, einheitliches Volk bezogen wird. Die deutsche Sprache gliedert
sich in hochdeutsch im (hohen) Süden und niederdeutsch im (niederen) Norden
und in die zeitlichen Abschnitte Altdeutsch (Althochdeutsch 500-1065, daneben
Altsächsisch, Altniederfränkisch), Mitteldeutsch (Mittelhochdeutsch
1065-1500, Mittelniederdeutsch) und Neudeutsch (Neuhochdeutsch ab 1500 bzw.
1350, Neuniederdeutsch als Schriftsprache nicht mehr wirklich entwickelt). Seit
dem 18. Jahrhundert löst es in seinem Bereich Latein als Wissenschaftssprache
ab. Nach dem ersten Weltkrieg (1918) wird D. als internationale Wissenschaftssprache
auf Betreiben der alliierten Siegermächte boykottiert, nach dem zweiten
Weltkrieg verliert es sein bisheriges Gebiet nahezu vollständig an das Angloamerikanische.
Die aus anderen Sprachen in das Deutsche aufgenommenen Wörter (Fremdwörter,
Lehnwörter) verzeichnet das 1913 von Hans Schulz begonnene, später von Otto
Basler fortgeführte, 1988 abgeschlossene und seit 1990 für die Buchstaben von A
bis O neu in Bearbeitung genommene, bis 2010 bis hysterisch vorangekommene
Deutsche Fremdwörterbuch (http://www.ids-mannheim.de/Lexik/fremdwort/). Ein
den Wortschatz des Deutschen der Gegenwart korpusgestützt dokumentierendes Online-Informationssystem
(Wörterbuch) ist elexiko (http://www.ids-mannheim.de/lexik/elexiko).
Lit.: Köbler, DRG 76; Köbler, WAS; Schmidt, E.,
Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter polnischer Herrschaft, 1904;
Kaindl, R., Geschichte der Deutschen in Galizien bis 1772, 1907; Aubin, H., Von
Raum und Grenzen des deutschen Volkes, 1938; Deutsch als Wissenschaftssprache,
hg. v. Kalverkämper, H. u. a., 1986; Thomas, H., Der Ursprung des Wortes
theodiscus, HZ 247 (1988), 295; Ammon, U., Die internationale Stellung der
deutschen Sprache, 1991; Jarnut, J., Teotischiis homines (a. 816), MIÖG 104
(1996), 26; Jacobs, H., Theodisk im Frankenreich, 1998; Goblirsch, K., Lautverschiebungen
in den germanischen Sprachen, 2005; Schmidt, W., Geschichte der deutschen
Sprache, 10. A. 2006; Reinbothe, R., Deutsch als internationale Wissenschaftssprache,
2006; Schneider, R., Die Anfänge der deutschen Geschichte, ZRG GA 124 (2007),
1; Casemir, K. u. a., Deutsch, 2013; Vogel, R., Einführung in die Morphologie
des Deutschen, 2013; Hill, E., Einführung in die historische Sprachwissenschaft
des Deutschen, 2013; Paronymwörterbuch Projekt elexiko, Sprachreport 2014, 1ff.
(Institut für deutsche Sprache); Die Wörterbücher des Deutschen, hg. v. Calañas
Continente, J. u. a., 2015; Pichler, I., Bundesdeutsches Wortgut in der
österreichischen Pressesprache – Von Abitur bis Zicken-Zoff, 2015; Die
Wörterbücher des Deutschen, hg. v. Calañas Continente, J. u. a., 2015;
Kaehlbrandt, R., Logbuch Deutsch, 2015
Deutschböhmen s. Böhmen
Deutsche Arbeitsfront (DAF) der Unternehmer und Lohnabhängigen
ist die 1933 die Gewerkschaft ersetzende nationalsozialistische Einrichtung
des Arbeitswesens, die 1936 rund 20 000 000 (freiwillige) Mitglieder hat.
Lit.: Köbler, DRG 242
Deutsche Bank ist die führende Aktiengesellschaft
des Bankwesens in Deutschland.
Lit.: Gall, L. u. a., Die Deutsche Bank 1870-1995,
1995; James, H., Die Deutsche Bank und die Arisierung, 2001; James, H., Die
Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Bakrai, A., Oscar Wassermann und die
Deutsche Bank, 2005; Hetzer, W., Ist die Deutsche Bank eine kriminelle
Vereinigung?, 2015 (ohne überzeugende Antwort)
Deutsche Bundesakte (8. 6. 1815) ist die auf
völkerrechtlicher Vereinbarung beruhende Grundlage (Verfassung) des
→Deutschen Bundes, deren Grundrechte aber nur die Staaten und ihre
Regierungen zur Beachtung verpflichten.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DeutscheBundesakte1815.htm
Deutsche Demokratische Republik (DDR) ist der am 7. 10. 1949 durch
Beschluss des Volkskongresses aus der sowjetisch besetzten Ostzone des Deutschen
Reiches als Volksrepublik nach sowjetischem Muster entstandene, von der
Sowjetunion gegen einen Volksaufstand vom 17. 6. 1953 gewaltsam gesicherte, mit
der Deklaration der Regierung der Sowjetunion vom 25. 3. 1954 formell aus dem
Besatzungsstatus in die Souveränität entlassene, vertraglich und tatsächlich
aber an die Sowjetunion gebundene, nach dem Mauerbau seit 13. 8. 1961 künstlich
abgeschlossene, mit einer reinen Binnenwährung wirtschaftende und dadurch vom
Weltmarkt abgeschottete, aber wegen der Einfuhr wettbewerbsfähiger westlicher
Industrieanlagen 1981/1982 mit rund 23 Milliarden D-Mark (1985 15,5 Milliarden)
im Westen verschuldete, nach Protesten des Volkes durch Öffnung der Mauer am 9.
11. 1989 wieder frei zugängliche, (nach Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990) zum
3. 10. 1990 durch Beitritt in der Bundesrepublik Deutschland aufgegangene
deutsche Staat. Die DDR ist von der 1946 aus Kommunistischer Partei und
Sozialdemokratischer Partei hervorgegangenen Sozialistischen Einheitspartei
Deutschlands (SED) beherrscht (24. 1. 1950 Beschluss zur Gründung eines eigenen
Kabinettsressorts für Staatssicherheit, 1989 91000 Mitarbeiter, 173000
informelle Mitarbeiter, 110000 politische Häftlinge). Die Wirtschaft ist
(anfangs noch nicht vollständig) zentralistische Planwirtschaft (1970 noch 15
Prozent mittlere und kleinere Privatunternehmen, 1972 noch 11400 zumindest
teilweise private Betriebe), die Gesellschaft egalitär und die Geisteshaltung
materialistisch ausgerichtet. Die äußerlich konservative, an die
→Weimarer Reichsverfassung von 1919 angelehnte, gesamtdeutsch geplante,
aber weder Gewaltenteilung (stattdessen Gewalteneinheit) noch Opposition
(stattdessen Blocksystem der Parteien) kennende, einen Einparteienstaat ohne
freie Wahlen bewirkende Verfassung vom 7. 10. 1949 wird durch eine zweite, die
sozialistischen Errungenschaften absichernde, am 7. 10. 1974 die Vorstellung
einer deutschen Nation preisgebende Verfassung abgelöst. Wichtigste
Staatsorgane sind (seit 1960) Staatsrat (9 Mitglieder), Ministerrat (7
Mitglieder), Volkskammer (sowie Sekretariat des Zentralkomitees der
Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Politbüro des Zentralkomitees
der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands mit den zusätzlichen Einrichtungen
Nationaler Verteidigungsrat, Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, Gesellschaft
für deutsch-sowjetische Freundschaft und Präsidium des Nationalrats der
Nationalen Front). Die Verwaltung kennt weder Föderalismus noch kommunale
Selbstverwaltung noch Berufsbeamtentum. Die in das Oberste Gericht,
Bezirksgerichte und Kreisgerichte gegliederte Gerichtsbarkeit entbehrt einer
Verfassungsgerichtsbarkeit und einer Verwaltungsgerichtsbarkeit, ist aber von
besonderen gesellschaftlichen Gerichten ergänzt. In den ersten zehn Jahren des
Bestands des Staates fliehen 2,7 Millionen Einwohner in den Westen. Zwischen
1963 und 1989 werden 31755 Menschen für rund 2,5 Milliarden Deutsche Mark von
der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Das Reichsstrafgesetzbuch des
Jahres 1871 wird von einem eigenen Strafgesetzbuch (12. 1. 1968) abgelöst, das
bis 1987 an der 1981 letzmals vollstreckten Todesstrafe festhält. Das
Bürgerliche Gesetzbuch, dessen Bedeutung durch die Aussonderung des
Vertragsrechts und des Wirtschaftsrechts verringert wird, wird zum 1. 1. 1976
durch ein vereinfachendes, nur 480 Paragraphen umfassendes Zivilgesetzbuch
(19. 6. 1975, ohne allgemeinen Teil und ohne Abstraktionsprinzip) ersetzt, in
dem Vertrag, Eigentum und Erbrecht von geringer Bedeutung sind (Versorgungsrecht
für die Bürger). Das Familienrecht ist durch ein Familiengesetzbuch vom 20.
12. 1965 geordnet, das Arbeitsrecht durch ein Arbeitsgesetzbuch (12. 4. 1961).
Für den Zivilprozess wird 1975 eine neue Zivilprozessordnung geschaffen
(Amtsermittlungsgrundsatz). Aus rechtsstaatlicher Sichtweise wird die D.
insgesamt sehr kritisch, wenn auch günstiger als die nationalsozialistisch
beherrschte Zeit zwischen 1933 und 1945 beurteilt. Dem wohl noch im Sommer 1989
trotz teuerer Nachrichtendienste von niemandem vorhergesehenen Ende der
Deutschen Demokratischen Republik, die nach dem Wissen des Jahres 2014
ineffizient und nicht konkurrenzfähig herstellte, zunehmend von der Substanz
und westlichen Krediten lebte und bereits ab etwa 1980 praktisch zahlungsunfähig
war und allmählch vor dem unausweichlichen Zusammenbruch stand, geht seit Mai
1989 der von Ungarn aus Kostengründen vorgenommene Abbau der
Grenzsicherungsanlagen zu Jugoslawien und Österreich voraus, während dessen die
Außenminister Österreichs (Mock) und Ungarn (Horn) am 27. Juni 1989 vor Kameras
dramatisierend den Stacheldraht mit Eisenscheren durchschneiden und am 19.
August 1989 im Rahmen eines Europapicknicks nordwestlich Ödenburgs bzw. Soprons
fast 700 kaum zufällig dorthin gelangte Urlauber aus der Deutschen
Demokratischen Republik wenig behindert aus Ungarn nach Österreich wechseln. Im
Herst 1989 läuft die Sanduhr des Getriebes ab, obwohl trotz des Verfals der
Häuser und der Schwäche der Wirtschaft die greise Führung den lähmenden
Stillstand noch immer als Erfolg preist. Unter dem Eindruck der Veränderungen
in Polen, in Ungarn und in der Sowjetunion unter Michail Gorbatschow gründen –
auch Wendehälse bergende - Oppositionelle Vereinigungen wie Neues Forum,
Demokratie Jetzt, Vereinigte Linke, Demokratischer Aufbruch oder
Sozialdemokratische Partei. Während noch am 7. Oktober Erich Mielke
Staatssicherheit und Polizei auf erst Hunderte und dann Tausende Demonstranten
auf den Straßen hetzt und viele Festgenommene entwürdigenden Behandlungen
unterziehen lässt, wagen er und seine Genossen wegen des schnell um sich greifenden Schwundes der Loyalität
der Bevölkerung am 9. Oktober gegen 70000 Demonstranten in Leipzig trotz 11000
bestens ausgerüsteter Soldaten des Wachregiments und 91000 hauptamtlicher Mitarbeiter
der Staatssicherheit keine Gewalt mehr, so dass am 17. Oktober 1989 Erich
Honecker gehen muss, am 7. November 1989 Politbüro und Regierung mit Erich
Mielke zrücktreten, am 9. November 1989 die Mauer fällt, am 1. Dezember 1989
die Volkskammer die führende Rolle der Sozialistischen Partei aus der
Verfassung tilgt, das seinen Namen in Amt für nationale Sicherheit ändernde
Ministerium für Staatssicherheit mit der hektischen Vernichtung von Beweisen
seiner Verbrechen beginnt, bis mutige Bürger zwecks Sicherung die Dienststellen
besetzen und am 18. März 1990 die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik
nach 40 Jahren Diktatur ihre erste freie Volksvertretung wählten.
Strafrechtlich werden nach rund 75000 Ermittlungsverfahren gegen rund 100000
Beschuldigte am Ende 753 Angeklagte als Täter verurteilt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
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politischen Strafrechts in der DDR bis 1968, 1980; BRD und DDR. Die beiden
deutschen Staaten im Vergleich, hg. v. Jesse, E., 1981; Staats- und
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KSZE-Prozess 1972-1985, 2012; Bastian, A., Repression, Haft und Geschlecht,
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Leben - Vier Mal Deutschland, 2013; Burdumy, A., Sozilpolitik und Repression in
der DDR, 2013; Walter Ulbricht, hg. v. Krenz, E., 2013; Keller, I., Die
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(Dokumentensammlung); Maurer, J., Halt – Staatsgrenze! Alltag, Dienst und
Innenansichten der Grenztruppen der DDR, 2015; Lindner, S., Zwischen Öffnung
und Abgrenzung – Die Geschichte des innerdeutschen Kulturabkommens 1973-1986,
2015; Alexis, P., Das Politbüro der DDR vor Gericht, 2015; Rick, S., Die
Entwicklung der SED-Diktatur auf dem Lande, 2016; Sabrow, M., Erich Honecker –
Das Leben davor 1912-1945, 2016 (zeigt, wie Honecker Brüche und Nebenwege
seiner Entwicklung verdeckt); Gerland, K., Politische Jugend im Umbruch von
1988/1989, 2016; Wandel und Kontinuität, hg. v. Hirscher, G., 2016; Bispinck,
H., Die DDR im Blick der Stasi 1956, 2016; Heidemeyer, H., „Akten-Einsichten“,
2016; Herbstritt, G., Entzweite Freunde – Rumänien, die Securitate und die
DDR-Staatssicherheit, 2016; Bienert, M., Zwischen Opposition und Blockpolitik,
2016; Boeger, P. u. a., Stasi in Sachsen-Anhalt, 2016; Engelmann, R. u. a.,
Anatomie der Staatssicherheit, 2016; Kaminsky, A., Frauen in der DDR, 2016
(Ausbeutung ohne inhaltliche Gleichheit); Gehler, M./Steininger, R., 17. Juni
1953 – Der unterdrückte Volksaufstand, 2018; Deutsche Diktatorische
Rechtsgeschichten? Perspektiven auf die Rechtsgeschichte der DDR, hg. v.
Haferkamp, H. u. a., 2018; Weichert, M., Kunst und Verfassung in der DDR, 2018
Deutsche Nationalgesetzgebung →Kodifikationsstreit,
→Allgemeine Deutsche Wechselordnung, →Allgemeines Deutsches
Handelsgesetzbuch
Deutschenspiegel ist das durch eine einzige
vollständige, aus dem frühen 14. Jh. stammende, aus Neustift bei Brixen
kommende Handschrift (Universitätsbibliothek Innsbruck cod. 922) und einige
verstreute Artikel (in 18 Handschriften des sog. Schwabenspiegels)
überlieferte, mittelbayerische Rechtsbuch, das sich selbst als spiegel aller
tiuscher liute benennt. Der (von Julius Ficker so genannte) D. beruht
wahrscheinlich auf einer mitteloberdeutschen Übersetzung einer Handschrift der
Klasse Ib des →Sachsenspiegels (und vielleicht einer weiteren, wohl im
mit Magdeburg eng verbundenen Minoritenkonvent in Augsburg erfolgten
Bearbeitung des Sachsenspiegels), wobei die Artikel 1 bis 109 des Landrechts
unter Verwendung der Kaiserchronik, des Buchs der Könige und zweier Gedichte
des Strickers, der (römischrechtlichen) Institutionen, der (kirchenrechtlichen)
Summa Raymundi (von Penyafort) und des Mainzer Reichslandfriedens, zweier
Reichsgesetze vom 19. 2. 1274 sowie vor allem Augsburger Gewohnheitsrechts
umgestaltet sind, die Art. 110ff. und das Lehnrecht dagegen im Wesentlichen
unbearbeitet ihre Vorlage(n) übernehmen, aber jeweils Sachsen durch deutsche
Lande oder deutsche Leute ersetzen. Als Quelle werden statt der guten Vorfahren
die Könige mit weiser Meister Lehre genannt. Vermutlich ist der D. 1275/1276 in
Augsburg als Privatarbeit (eines Minoriten) entstanden. Das Verhältnis zwischen
D. und Schwabenspiegel ist streitig geworden. →Schwabenspiegel
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Spiegel%20Deutscher%20Leute_Ficker.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Deutschenspiegel-Eckhardt-Huebner.pdf;
Köbler, DRG 103; Der Spiegel deutscher Leute, hg. v. Ficker, J., 1859; Müller,
E. Frhr. v., Der Deutschenspiegel, 1908; Pfalz, A., Die Überlieferung des
Deutschenspiegels, 1919; Eckhardt, K., Heimat und Alter des Deutschenspiegels,
ZRG GA 45 (1925), 13; Eckhardt, K., Der Deutschenspiegel, 1924; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien 1, 1927; Eckhardt, K., Zur Schulausgabe des
Deutschenspiegels, ZRG GA 50 (1930), 115; Deutschenspiegel mit Augsburger
Sachsenspiegel und ausgewählten Artikeln der oberdeutschen
Sachsenspiegelübersetzung, hg. v. Eckhardt, K./Hübner, A., 1930; Schwerin, C.
Frhr. v., Zum Problem des Deutschenspiegels, ZRG GA 53 (1932), 260; Hübner, A.,
Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen);
Deutschenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1971; Trusen, W., Die Rechtsspiegel und
das Kaiserrrecht, ZRG GA 102 (1985), 12ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher
des Mittelalters, Bd. 1 1990, 33
Deutsche Rechtsgeschichte ist allgemein die Geschichte des
in Deutschland geltenden Rechtes einschließlich der Geschichte seiner Wurzeln
(oder bei engerer Betrachtungsweise die Geschichte des aus germanistischer
Wurzel stammenden Rechtes) (in Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992
Deutscher Bund ist der als unauflöslich geplante
völkerrechtliche Zusammenschluss (Verein, Staatenbund, aber mit einigen
bundesstaatlichen Zügen) von (nach der Deutschen Bundesakte vom 8. 6. 1815 38)
souveränen deutschen Einzelstaaten (34 Fürstentümer, 4 freie Städte mit einem
Gebiet von 630100 Quadratkilometern und einer Bevölkerung von 29,2 Millionen,
Österreich etwa 31 Prozent, Preußen etwa 26 Prozent) auf der Grundlage der
→Deutschen Bundesakte (8. 6. 1815, Wiener Kongressakte 9. 6. 1815) und
der Wiener Schlussakte (15. 5. 1820). Er folgt auf die Erkenntnis, dass mit der
Niederlegung der Krone des →Heiligen römischen Reiches durch Kaiser Franz
II. am 6. 8. 1806 das Reich auch rechtlich untergegangen ist und eine
Restauration wegen der egoistischen Interessen der damit souverän gewordenen
deutschen Fürsten (vor allem Österreich, Preußen, Sachsen, Hannover, Baden,
Württemberg, Bayern) und der außerdeutschen Staaten Europas (Frankreich,
England, Russland) ebensowenig Aussicht auf Erfolg hat wie das Streben der
überwiegend bürgerlichen deutschen Nationalbewegung nach einem
national-deutschen Einheitsstaat. Deswegen schließen sich 38 (1817 39 [Hessen-Homburg],
dann 41, 1863 35, 1864 nur noch 34) weltliche Mitgliedstaaten (Österreich und
Preußen mit ihren 1803 zum Reich gehörigen Gebieten, 1848 für Preußen geändert,
Bayern, Sachsen, England wegen Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen,
Großherzogtum Hessen, Dänemark wegen Holstein, Niederlande wegen Luxemburg,
Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Coburg, Sachsen-Meiningen,
Sachsen-Hildburghausen, Braunschweig, Nassau, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Holstein-Oldenburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg,
Anhalt-Köthen, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt,
Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Liechtenstein, Reuß ältere
Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Waldeck und die 4
selbständig gebliebenen Städte (Reichsstädte bzw. freien Städte) Lübeck,
Frankfurt, Bremen und Hamburg) in einer Art Zwischenstufe auf dem Weg zu einem
für Europa annehmbaren deutschen Bundesstaat zum Deutschen Bund als einem
Staatenbund mit bundesstaatlichen Merkmalen zusammen. Als seine Ziele sind
festgelegt die Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und
der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Sein
Organ ist der selbständige Bundestag (Bundesversammlung, Gesandtenkongress)
in Frankfurt am Main (Palais Thurn und Taxis) (vom 12. 7. 1848 bis September
1850 ohne Befugnisse). In dessen selten zusammentretendem Plenum hat jeder
Staat mindestens eine, höchstens aber vier Stimmen, im engeren Rat führen die
elf größten Staaten je eine Stimme, die anderen 27 Staaten die übrigen 6
Stimmen. Den Vorsitz übt →Österreich aus. Der Deutsche Bund hat
grundsätzlich nur sehr geringe gesetzgebende, vollziehende und richterliche
Gewalt, doch wirken seine Mitglieder vereinzelt in Gesetzgebung (Urheberrecht,
Wechselrecht, Handelsrecht, gescheitert im Schuldrecht, Patentrecht und
Verfahrensrecht), Vollzug (z. B. Karlsbader Beschlüsse) und Rechtsprechung
(Austrägalgerichtsbarkeit, Dreistufigkeit der Gerichtsbarkeit) zusammen. Nach
den revolutionären Unruhen um 1848 geraten Österreich und Preußen 1850/1851 in
verstärkten Gegensatz, doch einigt man sich auf den Dresdener Konferenzen (23.
12. 1850-15. 5. 1851) auf eine Fortführung des Deutschen Bundes. An der
Verwaltung des durch Bundesexekution vom 1. 2.-1. 8. 1864 Dänemark abgewonnenen
Schleswig-Holsteins entzündet sich dann wegen der Einberufung des holsteinischen
Landtags (am 8. 4. 1866) ein Streit, der damit endet, dass Preußen Holstein am
9. 6. 1866 besetzt, Österreich ohne förmliche Bundesexekution die Mobilmachung
des Bundesheers gegen Preußen erwirkt, Preußen den Deutschen Bund für erloschen
erklärt, Österreich nach militärischer Niederlage des Deutschen Bundes (Österreichs
und Sachsens) gegen Preußen bei Königgrätz bzw. Sadowa (3. 7. 1866) am 26. 7.
1866 die Auflösung des Deutschen Bundes anerkennt und auf Holstein (und
gegenüber Italien auf Venetien) verzichtet und die Bundesversammlung am 24. 8.
1866 letztmals tagt. Allgemein anerkannt wird die friedensichernde Wirkung des
Deutschen Bundes.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 169, 192, 196;
Acten des Wiener Kongresses, hg. v. Klüber, J., Bd. 1ff., 1815ff.; Protocolle
der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1850-1866; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1ff. 1957ff.; Heßler, R., Das
Durchzugsrecht innerhalb des Deutschen Bundes, Diss. jur. Berlin (FU) 1966;
Darmstadt, R., Der Deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971;
Gruner, W., Der Deutsche Bund, 1982; Deutscher Bund und deutsche Frage, hg. v.
Rumpler, H., 1990; Fehrenbach, E., Verfassungsstaat und Nationsbildung
1815-1871, 1992; Die Dresdener Konferenz und die Wiederherstellung des
Deutschen Bundes 1850/1851, bearb. v. Müller, J., 1996; Quellen zur Geschichte
des Deutschen Bundes, Bd. 1ff. 1996ff.; Der Deutsche Bund zwischen Reaktion und
Reform 1851-1858, bearb. v. Müller, J., 1998; Die Entstehung des Deutschen
Bundes 1813-1815, hg. v. Treichel, E., 2000; Kotulla, M., Die Entstehung der
Kriegsverfassung des Deutschen Bundes, ZRG GA 117 (2000), 122; Steinmetz, C.,
Deutscher Bund und europäische Friedensordnung, 2002; Angelow, J., Der Deutsche
Bund, 2003; Bieker, E., Die Interventionen Frankreichs und Großbritanniens
anlässlich des Frankfurter Wachensturms 1833, 2003; Ham, R., Bundesintervention
und Verfassungsrevision, 2004; Müller, J., Deutscher Bund und deutsche Nation
1848-1866, 2005; Müller, J., Der Deutsche Bund 1815-1866, 2006; Werner, E., Die
Märzministerien, 2009; Doering-Manteuffel, A., Die deutsche Frage und das
europäische Staatensystem 1815-1871, 3. A. 2010; Hahn, H. u. a., Reformen,
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2011 (3. 4. 1833); Gruner, W., Der Deutsche Bund 1815-1866), 2012; Jansen, S.,
Die Souveränität der Gliedstaaten im Deutschen Bund, 2014; Weber, C., Der
Wiener Frieden von 1864, 2015; Treichel, E., Organisation und innere
Ausgestaltung des Deutschen Bundes 1815-1819, 2016; 1866 – Vom Deutschen Bund
zum Deutschen Reich, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 2017; Der
preußisch-österreichische Krieg 1866, hg. v. Heinemann, W. u. a., 2018
Deutscher Juristentag ist der 1860 auf Vorschlag der
juristischen Gesellschaft zu Berlin gegründete, früh Nationsbildung durch
Rechtsvereinheitlichung und Rechtsvereinheitlichung durch Nationsbildung
anstrebende Verein deutscher Juristen mit dem Zweck, auf wissenschaftlicher
Grundlage die Notwendigkeit von Änderungen und Ergänzungen der deutschen
Rechtsordnung (bürgerliches Recht, Handelsrecht, Wechselrecht, Strafrecht,
Prozessrecht, 1906 Verwaltungsrecht, 1921 Verfassungsrecht) zu untersuchen
bzw. seit 1921 das Recht parteipolitisch unabhängig fortzubilden. An seine
Stelle tritt 1933 der 1928 gegründete Bund nationalsozialistischer deutscher
Juristen, 1936 der nationalsozialistische Rechtswahrerbund. 1949 wird der
deutsche Juristentag wieder tätig. Seit 2001 führen deutscher Juristentag,
österreichischer Juristentag und Schweizer Juristenverein einen europäischen
Juristentag (in Nürnberg, Athen, Wien, Genf, Budapest, Luxemburg u. s. w.) durch.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960,
(in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der
deutsche Juristentag 1960 bis 1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen
und der nationalsozialistische Juristentag 1933, 1996; Conrad, H. u. a., Der
Deutsche Juristentag 1860-1994, 1997; Hartwich, E., Der deutsche Juristentag,
2008; Festschrift 150 Jahre deutscher Juristentag, hg. v. Deutschen
Juristentag, 2010
Deutscher
Orden ist die im
Februar 1199 (durch Papst Innozenz III. unter Verleihung der Johanniterregel
für die karitativen Aufgaben und der Templerregel für die militärischen
Tätigkeiten) aus einer Lübeck-Bremer Spitalsbruderschaft (erster Ansatzpunkt
Marienhospital in Jerusalem zwischen 1118 und 1127, [fortgeführt?] 1190 Hospital
vor Akkon, September 1190 Privileg König Guidos von Jerusalem, Februar 1191
päpstlicher Schutz, Juli 1191 Hospital in der rückeroberten Stadt) zu einem
geistlichen (Ritter-)Orden mit Sitz in Montfort bei Akkon umgeformte
Vereinigung. Von 1211 bis 1225 wirkt der Deutsche Orden auf Anforderung König
Andreas’ II. von Ungarn in Siebenbürgen (Burzenland). 1225/1226 ruft Herzog
Konrad von Masowien den Deutschen Orden gegen die heidnischen Pruzzen zu Hilfe
und überlässt ihm dafür 1230 das Kulmer Land (zwischen 1228 und 1309 590 Brüden
in Preußen nachweisbar). Der 1226 mit reichsfürstlichen Rechten begabte
Deutsche Orden, der nach dem Verlust Akkons 1291 seinen Sitz nach Venedig, 1309
nach Marienburg in Westpreußen und (nach der Niederlage bei Tannenberg/Grunwald
1410) 1457 nach Königsberg verlegt, erreicht durch umfangreiche Eroberungen zu
Beginn des 15. Jh.s die größte Ausdehnung, muss aber 1466 durch seinen
Hochmeister die Schirmherrschaft des Königs von →Polen anerkennen. Die
Güter im Mittelmeerraum gehen verloren. 1525/1561 wird das Deutschordensgebiet
in Preußen in das Herzogtum Preußen und Kurland umgewandelt, das 1618/1619 mit
Brandenburg in Personalunion vereinigt und 1657/1660 vertraglich von der
Lehnshoheit Polens befreit wird. 1803 bleibt der Deutsche Orden im Reich, wo er
durch zahlreiche einzelne Gaben zu beträchtlichen, vom Deutschmeister (1494
Reichsfürst) verwalteten Gütern gekommen war, bestehen. 1809 wird das 1805 aus
dem Deutschen Orden geschaffene Fürstentum Mergentheim von Napoleon beseitigt,
so dass dem Deutschen Orden unter dem Hochmeister Anton Viktor von Österreich
nur die Häuser im Habsburgerreich verbleiben. 1834 wird in Österreich der
Deutsche Orden unter Erzherzögen als Hoch- und Deutschmeistern wiederbelebt.
Nach Ende der Herrschaft der Habsburger in Österreich (1918) wird 1923 der
Ritterbruderzweig abgeschafft, während die geistliche und karitative Tätigkeit
fortgeführt wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Müller, G., Die Ursachen der Vertreibung des deutschen
Ordens aus dem Burzenlande und Kumanien, Korrespondenzblatt des Vereins für
siebenbürgische Landeskunde 48 (1925), 41; Stengel, E., Hochmeister und Reich,
ZRG GA 58 (1938), 178; Milthaler, F., Die Großgebietiger des deutschen Ritterordens
bis 1440, 1940; Schmidt, G., Die Handhabung der Strafgewalt gegen Angehörige
des deutschen Ordens, 1954; Hofmann, H., Der Staat des Deutschmeisters, 1964;
Forstreuter, K., Der Deutsche Orden am Mittelmeer, 1967; Wunder, H., Siedlungs-
und Bevölkerungsgeschichte der Komturei Christburg, 1968, Kisch, G.,
Forschungen und Quellen zur Rechts- und Sozialgeschichte des
Deutschordenslandes, 1973; Tumler, M./Arnold, U., Der Deutsche Orden, 1974, 4.
A. 1986; Boockmann, H., Johannes Falkenberg, 1975; Sperling, F.,
Gerichtsorganisation und Prozesspraxis des Mergentheimer Stadtgerichts unter
dem Deutschen Orden von 1780-1801, 1981; Boockmann, H., Der Deutsche Orden,
1981, 4. A. 1994; Neitmann, K., Die Staatsverträge des Deutschen Ordens in
Preußen 1230-1449, 1986; Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus
Marburg, 1989; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold,
U., 1998; Militzer, K., Von Akkon zur Marienburg, 1999; Zimmermann, H., Der
Deutsche Orden im Burzenland, 2000; Demel, B., Der Deutsche Orden im Spiegel
seiner Besitzungen und Beziehungen in Europa, 2004; Militzer, K., Die
Geschichte des Deutschen Ordens, 2005; Demel, B., Unbekannte Aspekte der
Geschichte des Deutschen Ordens, 2006; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007;
Ehlers, A., Die Ablasspraxis des Deutschen Ordens im Mittelalter, 2007; Morton,
N., The Teutonic Knights in the Holy Land, 2009; Salch, D., Vestis Alba et Crux
Nigra, 2010; Demel, B., 1190-2010 - 820 Jahre Deutscher Orden, 2011;
Radzimiński, A., Kirche und Geistlichkeit im Mittelalter – Polen und der
Deutsche Orden in Preußen, 2011; Dorna, M,, Die Brüder des Deutschen Ordens in
Preußen 1228-1309. Eine prosopographische Studie, 2012 (590, dabei 456 Ritter,
116 Kleriker, 19 Sarianten, vor allem aus Thüringen, dem Südwesten und
Westfalen2004 polnisch erschienen); Generalprobe Burzenland, hg. v. Gündisch,
K., 2013; Die Marienburg, hg. v. Hucker, B. u. a., 2013; Schaal, K., Zwischen
geistlichem Auftrag und Politik – Der Deutsche Orden in Hessen 1207-1809, 2014
Deutscher Rechtshistorikertag ist die auf Anregung Heinrich Mitteis‘ in
Heidelberg 1927 erstmals zusammengetretene Versammlung der deutschsprachigen
oder an der Rechtsgeschichte Deutschlands interessierten Rechtshistoriker.
Diesem Treffen folgen Tagungen in Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934,
Tübingen 1936, (Marburg 1947,) Heidelberg 1949, Wien 1951, Würzburg 1952,
Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz
1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Nürnberg-Erlangen 1972,
Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz 1984,
Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen/Nijmegen 1990, Köln 1992,
Bern 1994, Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004,
Halle 2006, Passau 2008, Münster 2010, Luzern 2012 und Tübingen 2014. Seit 1994
gibt es auch ein jährlich tagendes europaweites Forum junger Rechtshistoriker
zwecks wissenschaftlichen Austauschs.
Deutscher Richterbund ist eine privatrechtliche
Vereinigung der deutschen Richter.
Lit.: Wrobel, H., Der Deutsche Richterbund im Jahre
1933, Krit. Justiz 1982, 323
Deutsches Privatrecht ist allgemein das in Deutschland
geltende Privatrecht und herkömmlicherweise eingeengt das ältere aus
germanistischer, also nicht aus römischrechtlicher oder kirchenrechtlicher
Wurzel stammende, vor Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900)
auch ohne gesetzgeberischen Akt unmittelbar geltende Privatrecht in
Deutschland. In diesem engeren Sinn wird es als wissenschaftlich erfassbare
Einheit vielleicht seit dem Spätmittelalter (z. B. Lüneburg 1401) gesehen,
jedoch insgesamt erst anerkannt, als Hermann →Conring (1635/1643) den
Ursprung des deutschen Rechtes (De origine iuris Germanici) erörtert und 1649
eine geschlossene Darstellung des gesamten tatsächlich im Heiligen römischen
Reich geltenden Rechtes fordert, wie sie etwa Georg Adam Struves Iurisprudentia
Romano-Germanica (Römisch-deutsche Rechtswissenschaft, 1670) oder Joachim
Hoppes Commentatio succincta zu den Institutionen Justinians (1715) bieten. In
Gegenüberstellung zu dem durch gewohnheitsrechtlichen Vorgang aufgenommenen
gemeinen römischen (Privat-)Recht wird das gemeine deutsche Privatrecht zuerst
1675 durch Johann →Schilter (1632-1705) erfasst und seit 1701 bzw. 1705
durch Christian →Thomasius (1655-1728), der in seinen 1713 erschienenen
(lat. [F.Pl.]) Notae ad singulos Institutionum et Pandectarum titulos
(Bemerkungen zu den einzelnen Titeln der Institutionen und Pandekten) alles
nichtrezipierte römische Recht ausscheidet, auf Grund der Reichsgesetze und
deutschen Gewohnheiten behandelt und vorgetragen (lat. [F.Pl.] Institutiones
iuris Germanici, Einrichtungen des deutschen Rechtes) und nach Vorlesungen
seit 1707 erstmals von Georg →Beyer (1665-1714) in einem posthum von Michael
Heinrich Gribner veröffentlichten Leitfaden (nach der romanistischen Systematik
der Institutionen) dargestellt (z. B. Recht des Adels, der Kaufleute und Handwerker,
Leibeigene, morganatische Ehe, Einkindschaft, Hand muss Hand wahren,
Erbvertrag, Gerade, Morgengabe, Musteil, Leibgedinge, Versicherungsvertrag,
Retraktrecht, Verlobung, Ehe, Adoption, Emanzipation, Einlager, Majorat,
Fideikommiss, Ganerbschaft, Gesellschaft, Emphyteuse, Überbau, Schenkung).
Danach wird es im 18. Jh. teils antiquarisch, teils praktisch ausgerichtet
(vgl. z. B. Heineccius, Johann Gottlieb [1681-1741], Elementa iuris Germanici
1735ff., Pütter, Johann Stephan [1725-1807], Elementa iuris Germanici privati
hodierni, Elemente des heutigen deutschen Privatrechts, 1756, Runde, Justius
Friedrich [1741-1807] 1791, weiter später Eichhorn [1823], Mittermaier [1821]
Reyscher [1837ff.], Beseler [1847ff.], Gerber [1848f.], Stobbe [1871], Gierke
[1895ff.] u. a.) Als wissenschaftliches Prinzip des deutschen Privatrechts
gilt dabei zunächst die (ungefähre) Übereinstimmung (unterschiedlichster)
partikulärer Rechtssätze (z. B. Pütter), dann die aus den Rechtsverhältnissen
vermöge der natürlichen Vernünftigkeit abstrahierte Regel (Natur der Sache, z.
B. Runde) und danach die gemeinsame Nationaleigentümlichkeit und Volkssitte
(z. B. Eichhorn). Der Ansicht Carl Friedrich →Gerbers (1846), dass das
auf Freiheit und Fehderecht zu gründende deutsche Privatrecht nur eine
wissenschaftlich gewonnene, nicht unmittelbar anwendbare Summe von Rechtssätzen
sei, widersprechen Georg →Beseler (Volksrecht) und Otto von →Gierke
(gemeindeutsche Gewohnheiten). Mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1900) hat diese, nicht durch einen überzeugenden Nachweis einer einheitlichen
Quelle eines gemeinen deutschen Privatrechts entschiedene Streitfrage ihre
praktische Bedeutung verloren. Mehr und mehr wird das geschichtliche
Privatrecht in seiner tatsächlichen Vielfalt sinnvollerweise insgesamt in die
allgemeine Rechtsgeschichte eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 205; Gerber, C., Das
wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen Privatrechts, 1846; Gierke, O.
v., Deutsches Privatrecht, Bd. 1ff. 1895ff.; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 3. A. 2016; Luig, K., Die
Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius Commune 1 (1967), 195;
Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems aus
römisch-deutschem Rechtsstoff, (in) Wissenschaft und Kodifikation, 1974, 217;
Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom gemeinen
deutschen Privatrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation 1974, 249; Rückert,
J. A. L. Reyschers Leben und Rechtstheorie 1801-1880, 1974; Schlosser, H., Das
wissenschaftliche Prinzip der germanistischen Privatrechtssysteme,
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981; Kroeschell, K., Verfassungsgeschichte und
Rechtsgeschichte, Der Staat Beiheft 6 1983, 47; Dilcher, G./Kern, B., Die
juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die Fachtradition der
deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Luig, K., Die sozialethischen
Werte des römischen und germanischen Rechts in der Privatrechtswissenschaft des
19. Jahrhunderts, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 281; Luig,
K., Begriff und Aufgabe des deutschen Privatrechts in der Sicht von Heinrich
Mitteis, (in) Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, 1991, 91; Scherner, K., Das
deutsche Privatrecht und seine Darstellbarkeit, ZRG GA 118 (2001), 346; Dannhorn,
W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe, 2003; Christian Thomasius
(1655-1728), hg. v. Lück, H., 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008
Deutsches Recht ist allgemein das in Deutschland
geltende Recht (Gesetzesrecht, Richterrecht, Gewohnheitsrecht) und in einem
engeren Sinn das aus germanistischer Wurzel stammende Recht in Deutschland (vor
allem in Gegensatz zu dem aus römischer Wurzel stammenden Recht in
Deutschland), wobei mit Savigny teilweise das rezipierte römische Recht nach
seiner Rezeption (im Sinne eines entlehnten Rechtes) (auf Grund des natürlichen
Rechtsgefühls und der analogen Heranziehung römischrechtlicher Quellen) als d.
R. angesehen wird. Wissenschaftsgeschichtlich haben sich um d. R. besonders
Hermann Conring (1643), Johann Schilter (1672), Christian Thomasius (1701),
Johann Heinrich Christian von Selchow und Johann Stephan Pütter (1770) verdient
gemacht.
Lit.: Deutsches Recht, 1934; Halban, A. v., Zur
Geschichte des deutschen Rechtes in den Gebieten von Tschernigow und Poltawa,
ZRG GA 19 (1898), 1; Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten,
ZRG GA 40 (1919), 275; Merk, W., Vom Werden und Wesen des deutschen Rechtes, 3.
A. 1935; Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine, 1942; Kötzschke, R.,
Die Anfänge des deutschen Rechtes in der Siedlungsgeschichte des Ostens (Ius
teutonicum), 1941 (SB Leipzig); Dahm, G., Deutsches Recht, 1951; Ebel, W.,
Deutsches Recht im Osten, 1952; Getz, H., Die deutsche Rechtseinheit im 19.
Jahrhundert als rechtspolitisches Problem, 1966; Fließ, W., Die Begriffe
germanisches Recht und deutsches Recht bei den Rechtshistorikern des 19. und
20. Jahrhunderts, Diss. Freiburg im Breisgau 1968 (masch.schr.); Krause, H.,
Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS 1970,
313; Gudian, G., Zur Situation der Germanistik, ZRG GA 89 (1972), 215; Keller,
O., Forschungsbericht - deutsches Recht im Osten, ZRG GA 129 (2012), 376
Deutsches Rechtswörterbuch ist das 1896 von einer Kommission der
preußischen Akademie der Wissenschaften (Amira, Heinrich Brunner, Frensdorff,
Gierke, Richard Schröder, Ernst Dümmler, Karl Weinhold) vorgeschlagene,
alphabetisch geordnete Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache (der vor
1815 belegten Grundwörter und der vor 1700 belegten Zusammensetzungen), das von
Heidelberg (Richard Schröder) aus seit 1914 erscheint, seit etwa 2000
(retro)digitalisiert ist und in 16 Bänden mit 120000 Stichwörtern bis 2036 abgeschlossen
sein soll (Band 1 Aachenfahrt-Bergkasten 11224 Artikel 1914-1932, Band 2
Bergkaue-entschulden 12314 Artikel 1932-1936, Band 3 entschuldigen –
Geleitleute 9897 Artikel 1935-1938, Band 4 geleitlich – Handangelobung 7559
Artikel 1939-1951, Band 5 Handanlegen – Hufenweizen 9635 Artikel 1953-1960,
Band 6 Hufenwirt – Kanzleizehnt 7368 Artikel 1961-1972, Band 7 Kanzlei –
Krönung 5684 Artikel 1974-1983, Band 8 Krönungsakt – Mahlgenosse 5531 Artikel
1984-1991, Band 9 Mahlgericht – Notrust 6155 Artikel 1992-1996, Band 10 Notsache
– Raeswa 5858 Artikel 1997-2001, Band 11 Rat – Satzzettel 5060 Artikel
2003-2007, Band 12 Sau – schwedisch 5299 Artikel 2009-2013, Band 13 Schwefel –
Stegrecht 2014ff., bisher insgesamt 97196 Artikel). Dabei umfasst das
Quellenheft von 1912 vielleicht schätzungsweise 4386 Siglen, das
Quellenergänzungsheft von 1930 vielleicht weitere 1012 Siglen, das
Quellenergänzungsheft von 1953 697 und das Quellenergänzungsheft von 1970
zusätzliche 1692 Siglen, was zu einer Gesamtsumme von rund 7800 Siglen führt, die
bis 2000 durch einzelne Änderungen und Neuaufteilungen von Sammelsiglen in
Einzelsiglen zu einer Zahl von rund 8000 und bis 2018 zu einer geschätzten
Gesamtzahl von 8500 Siglen bzw. einem Quellencorpus von 8500 Titeln führt, die
aber nicht alle exzerpiert sind. Von den 2018 97196 Artikeln haben anscheinend
7292 keinen hochdeutschen Beleg, so dass für sie ein hochdeutsches
Konstruktlemma gebildet ist und das deutsche Rechtswörterbuch vielleicht in
etwa dieser Größenordnung um nichtdeutsche westgermanische Elemente bereichert
sein könnte. info@metzlerverlag.de
Lit.: Wissenschaftliches Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, ZRG GA
18 (1897), 211; Lemberg, I./Speer, H., Bericht über das deutsche Rechtswörterbuch,
ZRG GA 114 (1997), 679; Speer, H., Rechtssprachlexikographie und neue Medien,
(in) Das Wort, 2002, 89; http;//www.deutsches-rechtswoerterbuch.de; Das
Deutsche Rechtswörterbuch - Perspektiven, hg. v. Deutsch, Andreas, 2010
Deutsches Reich ist eine Bezeichnung für
verschiedene verfassungsrechtliche Organisationsformen der Deutschen. Dabei
wird als erstes D. R. das aus dem fränkischen Reich im Laufe des 10. Jh.s
erwachsene ostfränkische Königreich verstanden, das gegen die Jahrtausendwende
anscheinend von Italien (Chronicon Venetum, Brixener Urkunde Heinrichs II. von
1020, Miracula Severi) ausgehend (lat.) regnum (N.) Teutonicum (D. R.) genannt
wird. Es wird seit der Mitte des 12. Jahrhunderts (Lothar III., Konrad III.)
hauptsächlich als römisches Reich, alsbald auch als heiliges Reich und 1474 als
→Heiliges römisches Reich
bezeichnet und führt diesen Namen 1512 erstmals auch offiziell.
Demgegenüber wird die frühere Benennung als D. R. erst wieder gegen sein Ende
(1806) hin allgemein üblich. (Zweites) D. R. nennt sich danach ebenfalls der
1848/1849 vergeblich angestrebte, am Widerstand der partikularen Fürsten
gescheiterte deutsche Nationalstaat. Für den Namen (zweites) D. R. entscheiden
sich dann auch im Dezember 1870 die Staaten des Norddeutschen Bundes bei der
Benennung des nach dem Sieg des Norddeutschen Bundes über Frankreich im
deutsch-französischen Krieg vom 19. 7. 1870 bis 26. 2. 1871 (Kriegserklärung
Frankreichs am 19. 7. 1870 wegen der Ablehnung eines öffentlichen Verzichts auf
eine Thronfolge in Spanien für die Zukunft durch Preußen) auf Betreiben Otto
von Bismarcks am 15., 23. und 25. 11. 1870 mit Bayern, Württemberg, Baden und
Hessen(-Darmstadt) auf neuen Grundlagen vereinbarten, am 1. 1. 1871 ins Leben
tretenden bzw. erweiterten (str.) Bundesstaats (, dem Österreich, Luxemburg,
Limburg und Liechtenstein fernbleiben). Dieses Deutsche Reich (540742 qkm,
56,37 Mill. Einwohner) umfasst (25 Bundesstaaten, darunter die 22 monarchischen
Staaten) Preußen (65 Prozent oder fast zwei Drittel des Reichsgebiets, 62
Prozent oder mehr als 3/5 der Reichsbevölkerung, tatsächliche Vorrangstellung,
seit etwa 1895 gegenüber der Reichsverwaltung allmählich schwindend), Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg—Strelitz, Sachsen-Weimar-Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Anhalt,
Schaumburg-Lippe, Lippe, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha,
Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie,
Reuß jüngere Linie, (die drei Stadtrepubliken) Bremen, Hamburg, Lübeck sowie
(das am 10. 5. 1871 von Frankreich gewonnene, durch Gesetz vom 9. 6. 1871
vereinigte Reichsland) Elsass-Lothringen und seit 1884 als Nebenländer die
überseeischen deutschen →Schutzgebiete (Kolonien) Südwestafrika, Togo,
Kamerun u. s. w. Nach seiner am 16. 4.
1871 in Kraft tretenden Verfassung ist (in dieser eingeschränkten Monarchie)
der Kaiser (König von Preußen) der (erbliche) Inhaber der Präsidialrechte.
Träger der Souveränität ist die Gesamtheit der Fürsten und freien Städte
(Bundesrat), die ihre starke Stellung aber auf dem Wege zu einem unitarischen
Bundesstaat infolge der Reichsgesetzgebung allmählich verliert. Der Kaiser
regiert durch den von ihm frei ernannten und entlassenen Reichskanzler
(1871-1890 Otto von Bismarck), der jedoch alle Anordnungen gegenzeichnen muss
und dadurch die Verantwortung übernimmt (und dem die obersten Reichsbehörden
bzw. Reichsämter untergeordnet sind). (Nach Ländergröße gewichteter) Bundesrat
und Reichstag (allgemeine, unmittelbare, geheime Wahl wie in Frankreich und
Griechenland und später auch anderen Staaten) beschließen (gleichrangig) die
Gesetze, die dann der Kaiser ausfertigt und verkündet. Höchstes Gericht ist das
Reichsgericht in Leipzig. Nach Entlassung des auf Ausgleich bedachten
Reichskanzlers Bethmann Hollweg entsteht eine Art Kriegsdiktatur
(Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, Stellvertreter Erich Ludendorff),
bis am Ende des Oktober 1918 General Erich Ludendorff gestürzt wird. Am 9. 11.
1918 wird am Ende des ersten Weltkriegs ein Verzicht des Kaisers auf den Thron
bekanntgegeben und von Philipp Scheidemann im Rahmen des bestehenbleibenden
Deutschen Reiches die Republik (Weimarer Republik) ausgerufen, die Adolf Hitler
nach seiner Ernennung zum Reichskanzler (30. 1. 1933) rasch in das
nationalsozialistische, totalitäre →Dritte (Deutsche) Reich (zentralistischer
Einheitsstaat, nach dem Anschluss Österreichs 1938 inoffiziell, 1943
offiziell Großdeutsches Reich) umgestaltet. Am 8. 5. 1945 bricht dieses
Deutsche Reich mit der vollständigen Kapitulation gegenüber den alliierten
Siegermächten des zweiten Weltkriegs zusammen. Nach herrschender Ansicht setzt
die Bundesrepublik Deutschland das Deutsche Reich fort, ist also mit ihm
rechtlich identisch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 76, 172, 196, 220, 256; Jahrbücher des deutschen Reiches, Bd. 1ff. 1862ff.;
Acta imperii, hg. v. Kern, F., 1911; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen
Reiches, 1887, 5. A. 1911ff.; Constitutiones et acta publica imperatorum et
regum (MGH), Band 1ff. 1893ff. (2013 bis 1359); Brandenburg, E., Die Reichsgründung,
2. A. 1924, Neudruck 2005; Handbuch des deutschen Staatsrechts, hg. v.
Anschütz, G. u. a., 1930; Anschütz, G., Die Verfassung des deutschen Reiches
vom 11. August 1919, 14. A. 1933; Herding, O., Das römisch-deutsche Reich in
deutscher und italienischer Beurteilung, 1937; Tellenbach, G., Die Entstehung
des deutschen Reiches, 1940, 2. A. 1942; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 3 1963; Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970;
Brühl, C., Die Anfänge der deutschen Geschichte, 1972; Dokumente zur Geschichte
des deutschen Reiches und seiner Verfassung 1349, hg. v. d. Akad. d. Wiss. d.
DDR, 1974ff.; Eggert, W., Das ostfränkisch-deutsche Reich, 1975; Töpfer,
B./Engel, E., Vom staufischen Imperium zum Hausmachtkönigtum, 1976; Bracher,
K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Hanisch, W., Als weit das Römische
reiche in allen den egenanten Tewtschen landen begriffen ist, ZRG GA 101
(1984), 47; Schilling, Heinz, Höfe und Allianzen. Deutschland 1648-1763, 1989;
Duchhardt, H., Altes Reich und europäische Staatenwelt, 1990; Ehlers, J., Die
Entstehung des deutschen Reiches, 1994, 2. A. 1998, 3. A. 2010, 4. A. 2012;
Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994; Das Deutsche Reich im Urteil der
großen Mächte, hg. v. Hildebrand, K., 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Reitemeier, A., Außenpolitik im
Spätmittelalter, 1999; Berghahn, V., Das Kaiserreich 1871-1914, 2003; Frie, E.,
Das deutsche Kaiserreich, 2004; Frotscher, W./Pieroth, B.,
Verfassungsgeschichte, 10. A. 2011, 11. A. 2012, 13. A. 2014; Mertens, E.,
Römisches Reich im Besitz der Deutschen, HZ 282 (2006), 1; Zachau, P., Die
Kanzlerschaft des Fürsten Hohenlohe 1894-1900, 2007; Hildebrand, K., Das
vergangene Reich, 2008; Röhl, W., Wilhelm II., Bd. 3 2008; Stalmann, v., Fürst
Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst 1819-1901, 2009; Politische Versammlungen
und ihre Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009; Wilhelm, U., Das deutsche Kaiserreich
und seine Justiz, 2010; Obst, M., Einer nur ist Herr im Reiche - Kaiser Wilhelm
II. als politischer Redner, 2010; Canis, C., Der Weg in den Abgrund, 2011;
Winzen, P., Im Schatten Wilhelms II., 2011 (schwaches Werk); Kaiser Friedrich
III. Tagebücher 1866-1888), hg. v. Baumgart, W., 2012 (sehr schwacher
Herrscher); Hirschfeld, M., Die Bischofswahlen im Deutschen Reich 1887 bis
1914, 2012; Kroll, F., Geburt der Moderne, 2013; Conze, E., Das Auswärtige Amt,
2013; Machtaqn, L., Prinz Max von Baden – Der letzte Kanzler des Kaisers, 2013;
Andriessen, H. u. a., Het proces tegen Wilhelm II., 2016; Friedrich Wilhelm von
Loebell, Erinnerungen, hg. v. Winzen, P., 2016; 1866 – Vom Deutschen Bund zum
Deutschen Reich, hg. v. Heidenreich, B. u. a., 2017; Fuhrmann, B., Deutschland
im Mittelalter, 2017; Fenske, H., Auf dem Weg zur Demokratie – Das Streben nach
deutscher Einheit 1792-1871, 2018; Machtan, L., Kaisersturz, 2018
Deutschland ist eine wohl im 14. Jh. durch
Zusammenziehung aus (mhd.) daz diutsche lant entstandene allgemeine Bezeichnung
für das Gebiet des →Deutschen Reiches bzw. das von Deutschen überwiegend
besiedelte Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gebhardt, B.,
Handbuch der deutschen Geschichte, 1891f., 3. A. 1906, 4. A. 1910, 5. A. 1913,
6. A. 1922f., 7. A. 1930, 8. A. 1954ff., 9. A., hg. v. Grundmann, H., 1970;
Andreas, W., Deutschland vor der Reformation, 1932; Keyser, E.,
Bevölkerungsgeschichte Deutschlands, 1938; Kienast, W., Deutschland und
Frankreich in der Kaiserzeit (900-1270), 1974f.; Raumer, K. v. u. a., Deutsche
Geschichte im 19. Jahrhundert, 1980; Deutschlands Grenzen, hg. v. Demandt, A.,
3. A. 1993; Haverkamp, A., Aufbruch und Gestaltung, Deutschland 1056-1273,
1984; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985;
Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat, ZRG GA
107 (1990), 19; Nipperdey, T., Deutsche Geschichte 1866-1918, Bd. 1f. 1990ff.;
Brühl, C., Deutschland – Frankreich, 1990; Baum, W., Reichs- und
Territorialgewalt, 1994; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994;
Steininger, R., Deutsche Geschichte seit 1945, 1996ff.; Ritter, G., Über
Deutschland, 1998; Schulze, H., Kleine deutsche Geschichte, 1998; Staatliche
Vereinigung – fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg.
v. Brauneder, W., 1998; Reich oder Nation?, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1998;
Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Institut für Länderkunde, Bd.
1ff. 1999ff.; Stürmer, M., Das Jahrhundert Deutschlands, 1999; Dirlmeier, U. u.
a., Deutsche Geschichte, 1999; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt, JuS
2000, 1; Winkler, H., Der lange Weg nach Westen, Bd. 1f. 2000; Seibt, F., Das
alte böse Lied, 2000; Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der
Reformation bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Langewiesche, D. u. a., 2000;
Kielmannsegg, P. Graf, Nach der Katastrophe, 2000; Küsters, H., Der
Integrationsfriede, 2000; Green, A., Fatherlands – State Building and
Nationhood in Nineteenth Century Germany, 2001; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat
im Wandel (1867-1933), 2001; Laufs, A., Ein Jahrhundert wird besichtigt –
Rechtsentwicklungen in Deutschland im 20. Jahrhundert, ZRG GA 118 (2001), 1;
Kocka, J., Das lange 19. Jahrhundert, 2001; Köhler, H., Deutschland auf dem Weg
zu sich selbst, 2002; Fenske, H., Deutsche Geschichte, 2002; Schabert, T., Wie
Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit, 2002; Plato,
A. v., Die Vereinigung Deutschlands, 2002; Lexikon der deutschen Geschichte von
1945 bis 1990, hg. v. Behnen, M., 2002; Holste, H., Der deutsche Bundesstaat im
Wandel, 2002; Deutschland 1949-1989, hg. v. Elvert, J. u. a., 2003; Wolfrum,
E., Die Deutschen im 20. Jahrhundert, 2004; Goertz, H., Deutschland 1500-1648,
2004; Grigoleit, K., Bundesverfassungsgericht und deutsche Frage, 2004;
Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Ehmer,
J., Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1800-2000, 2004;
Weichlein, S., Nation und Region, 2004; Rexroth, F., Deutsche Geschichte im
Mittelalter, 2005; Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, hg. v. Schildt, A.,
2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der Bundesrepublik, 2005;
Wolfrum, E., Die Bundesrepublik Deutschland (1949-1990), 2005; Helm, I. u. a.,
Die Geschichte Norddeutschlands, 2005; Driftmann, M., Die Bonner
Deutschlandpolitik 1989/1990, 2005; Weber-Fas, R., Epochen deutscher
Staatlichkeit, 2006; Kühne, J., Zu Veränderungsmöglichkeiten der
Oder-Neiße-Linie nach 1945, 2006, 2. A. 2008; Glaser, R. u. a., Geographie
Deutschlands, 2007; Wagner, A., Die Entwicklung des Lebensstandards in
Deutschland zwischen 1920 und 1960, 2008; Langewiesche, D., Reich, Nation,
Föderation, 2008; Das Deutsche Kaiserreich in der Kontroverse, hg. v. Müller,
S. u. a., 2009; Rödder, A., Deutschland einig Vaterland, 2009; Uhl, M.,
Die Teilung Deutschlands, 2009; Gehler, M., Deutschland, 2010; Staat und Recht
in Teilung und Einheit, hg. v. Krüper, J. u. a., 2011; Müller, C., US-Truppen
und Sowjetarmee in Deutschland, 2011; Mittler, G., Geschichte im Schatten der
Mauer, 2011; Stangel, M., Die Neue Linke und die nationale Frage, 2013; Wien,
B., Weichensteller und Totengräber – Ludendorff, von Hindenburg und Hitler
1914-1927, 2013; Herbert, U., Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, 2014;
Möglich, M., Deutschland überall, 2015; Die physische Geographie Deutschlands,
hg. v. Zöller, L., 2017
Deutschlandvertrag ist der das Besatzungsstatut der
westlichen alliierten Siegermächte für ihre Besatzungszonen aufhebende Vertrag
der Westmächte mit der Bundesrepublik Deutschland vom 26. 5. 1952/5. 5. 1955.
Er löst die →Alliierte Hohe Kommission auf und schreibt der Bundesrepublik
Deutschland die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und
äußeren Angelegenheiten zu.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Die Rechtsstellung
Deutschlands, hg. v. Rauschning, D., 1985; Kohl, H., Ich wollte Deutschlands
Einheit, 1996
Deutschösterreich ist (im 19. Jh. die inoffizielle
Bezeichnung für die deutschsprachigen Gebiete Österreich-Ungarns und danach)
die am 30. Oktober 1918 (str., Staatsgründungsbeschluss) entstandene, am 12.
11. 1918 (Beschluss über die republikanische Regierungs- und Staatsform) von
der provisorischen Nationalversammlung der deutschsprachigen Teile
→Österreichs ausgerufene Republik, die ein Bestandteil der Deutschen
Republik sein und nach dem Grundsatz der Selbstbestimmung das geschlossene
Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrat Österreichs
vertretenen Königreiche und Länder umfassen soll (einschließlich
Deutschsüdmähren, Deutschsüdböhmen, Sudetenland, Brünn, Iglau, Olmütz). Der am
10. 9. 1919 zwischen Österreich und den alliierten Mächten geschlossene
Friedensvertrag von Saint Germain-en-Laye schließt dies auf Grund der
Interessen der nichtdeutschen Mächte in Art. 88 aus bzw. macht es von der
Zustimmung des Völkerbunds abhängig. Das Deutsche Reich anerkennt im
Friedensvertrag von Versailles vom 28. 6. 1919 notwendigerweise die
Unabhängigkeit Österreichs. Mit Gesetz vom 21. 10. 1919 ändert Österreich
seinen Namen in Republik Österreich und lehnt die Rechtsnachfolge nach der
Monarchie (nochmals) ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 220;
Baltl/Kocher; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919;
Brauneder, W., Eine Republik entsteht, 1999; Brauneder, W., Deutsch-Österreich
1918, 2000; Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen
Österreich und Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003
Deutschtirol ist im Gegensatz zu Welschtirol der
deutschsprachige Teil der verschiedensprachige Gebiete unter einer Herrschaft
zusammenfassenden Grafschaft Tirol. D. reicht südlich bis zur Salurner Klause.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wopfner, H.,
Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im
Mittelalter, 1903; Stolz, O., Deutschtirol, 1910; Riedmann, J., Geschichte
Tirols, 1983, 2. A. 1988, 3. A. 2001
Devestierung ist im kirchlichen Recht die das
Gegenstück zur sichtbar gemachten Bekleidung (Investierung oder Investitur) mit
einem Amt bei dessen Übertragung bildende, ebenfalls sichtbar gemachte
Entkleidung von dem Amt bei dessen Entzug (z. B. Papst Formosus 897, Petrus
Leonis 1139, Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil 1414-1418, Alfred Dreyfus
Frankreich 1894). In der Gegenwart wird die D. nicht mehr durchgeführt.
Lit.: Kober, F., Die Deposition und Degradation, 1867
Devolution ist der Übergang eines Rechtes von
einer Person auf eine andere, insbesondere in der Kirche der Übergang des
Rechtes zur Verleihung eines Amtes auf den nächsthöheren Oberen, wenn der an sich
zuständige Berechtigte sein Recht nicht oder nicht rechtmäßig ausübt. Die D.
findet sich bereits bei Justinian. Seit dem 13. Jh. schränkt die Kirche den
Anwendungsbereich ein.
Lit.: Ebers, G., Devolutionsrecht, 1906, Neudruck
1965; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 343
Dezemberverfassung ist in →Österreich eine
Gesamtheit von sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die
Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung
[Novellierung des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus,
Abgeordnetenhaus, kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungsrecht],
Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des
Hausrechts aus dem Jahr 1862], Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines
Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche und verwaltungsgerichtliche
Zuständigkeiten des Reichsgerichts), Staatsgrundgesetz über die richterliche
Gewalt [Trennung von Rechtspflege und Verwaltung, Unabhängigkeit des
Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren, Geschworenengerichte,
Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs], Staatsgrundgesetz über die Ausübung
der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z. B. Bindung an die Gesetze],
Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen der österreichischen und der
ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum gemeinsamen Monarchen), die
einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, Grundrechte in 19 Artikeln,
ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof, Trennung von Verwaltung und
Justiz u. a. vorsehen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeDezember1867.doc;
Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Haider, B., Die Protokolle des
Verfassungsausschusses des Reichsrates von 1867, 1997
Dezennalrezess ist der zehn Jahre laufende
Steuerbewilligungsbeschluss der Landstände, den Maria Theresia seit 1749 (außer
in Kärnten) in ihren Ländern politisch erzwingt.
Dezision (F.) Entscheidung, Urteil
Diakon (Lehnwort aus dem Griechischen, „Diener,
Helfer“) ist in
der Antike ein dem Bischof untergeordneter Diener oder Gehilfe, danach eine
Vorbereitungsstufe (Weihegrad) auf dem Weg zur Priesterschaft. In der protestantischen
Kirche gewinnt der D. seit dem 19. Jh., in der katholischen Kirche seit dem
zweiten Vatikanischen Konzil an Bedeutung. Hier ist der D., der auch
verheiratet sein kann, ermächtigt, viele liturgische Handlungen selbständig
vorzunehmen (ausgenommen Eucharistie und Bußsakramenterteilung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Reynolds, R., The Ordinals of Christ, 1978;
Der Diakon, hg. v. Plöger, J. u. a., 1980; Landau, P., Officium und libertas
christiana, 1991; Will, J., Die Rechtsverhältnisse zwischen Bischof und Klerus
im Dekret des Bischofs Burchard von Worms, 1992; Handbuch Geschichte der
deutschen evangelischen Diakonie, hg. v. Kaiser, J., 2000; Schmuhl, H. u. a.,
Diakonie in der Diaspora, 2015
Dialogus (M.) de scaccario (lat.) des Schatzmeisters Richard
von Ely (um 1178) ist ein Lehrgespräch (Dialog) zwischen Lehrer und Schüler
über die vom Schatzamt (lat. [N.] scaccarium, engl. exchequer) in Finanzangelegenheiten
angewandten Rechtssätze des englischen Rechtes.
Lit.: Busz, H., Zur Entstehungsgeschichte des
Scaccarium, ZRG GA 35 (1914), 437; Richard von Ely, Dialog über das Schatzamt,
übers. v. Siegrist, M., 1963; Dialogus de Scaccario, hg. v. Carter, F. u. a.,
1983
Diät ist ursprünglich die geregelte Lebensweise oder der
Aufenthaltsort. Diäten sind seit dem 20. Jahrhundert die Entschädigung des Abgeordneten
für die von ihm für politische Arbeit aufgewandte Zeit (Gesetz des Deutschen
Reiches vom 21. 5. 1906).
Lit.: Butzer, H., Diäten und Freifahrt, 1999; Urban,
N., Die Diätenfrage, 2003
Dichterkrönung ist die von 1315 (Albertino Mussato Universität
Padua) bis 1804 (Karl Reinhard) nachweisbare Ehrung von Dichtern durch Krönung
seitens der Päpste und Fürsten.
Lit.: Broadus, E., The Laureateship, 1921; Konrad Celtis und Nürnberg,
hg. v. Fuchs, F., 2004
Dictatus (M.) papae (lat.) sind fünf im ersten und
zweiten Buch des Registers der Briefe Papst Gregors VII. als D. p. bezeichnete
Stücke bzw. genauer 27 undatierte Sätze Gregors VII. (1073-1085), die zwischen
zwei Briefen vom 3. und 4. März 1075 in das Register eingetragen sind und ohne
erkennbare Ordnung Vorrang und Vorrechte der römischen Kirche und des Papstes
betonen, jedoch keine zeitgenössische Wirksamkeit entfalten.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Dictatuspapae1073-1085(latein).htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Dictatuspapae1073-1085(deutsch).htm;
Kroeschell, DRG 1; Caspar, E., Das Register Gregors VII., (in) Monumenta
Germaniae Historica, Epistolae selectae Bd. 2,1 1920, 201; Hofmann, K., Der
Dictatus papae, 1933; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Hoffmann, H., Zum Register und zu den Briefen Papst Gregors VII., DA 32 (1976),
86; Fuhrmann, H., Papst Gregor VII. und das Kirchenrecht, Studi Gregoriani 13
(1898), 123
Dieb ist der Täter des →Diebstahls.
Lit.: Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten,
2001; Siciliano, D., Das Leben des fliehenden Diebes, 2003, 2. A. 2013
Diebstahl ist die Wegnahme einer fremden
beweglichen Sache in der Absicht, sich (oder einem Dritten) dieselbe
rechtswidrig zuzueignen (bzw. ganz allgemein eine Form von
Vermögensschädigung). Im altrömischen Recht hat die Sachentziehung (lat. [N.]
furtum) grundsätzlich die Leistung des Doppelten des Wertes und die Infamie zur
Folge. In der klassisch-römischrechtlichen Zeit wird der D. zunehmend
öffentlich verfolgt und mit Strafe geahndet. Justinian betont daneben den
Ausgleich mit dem Doppelten. Im Mittelalter wird zunächst der D., dessen
Kennzeichen die Heimlichkeit ist, mit einer →Buße geahndet. Mit der
Landfriedensgesetzgebung wird der große D. mit der →Todesstrafe (Hängen),
der kleine D. mit der →Leibesstrafe (Haut und Haar) bedroht, wobei die
Grenze zwischen groß und klein an unterschiedlichen Orten und zu
unterschiedlichen Zeiten verschieden gesetzt wird. Die →Constitutio
Criminalis Carolina (1532) scheidet D., Raub und Unterschlagung, doch setzt
sich dies nicht vollständig durch und werden D. und rezipiertes (lat. [N.])
furtum vielfach vermengt. Erst in der ersten Hälfte des 19. Jh.s wird der D.
endgültig eingeengt und die Todesstrafe für D. allmählich beseitigt. 1851 wird
in Preußen auch die Trennung von großem D. und kleinem D. aufgegeben.
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 27, 48, 65, 86, 119, 158; Hälschner, H., System des preußischen
Strafrechts, 1868, 2, 388ff.; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter,
1931, 459ff.; Fischer, H., Der Diebstahl in den Volksrechten, 1942; Janßen, H.,
Der Diebstahl, Diss. jur. Göttingen 1969; Hagemann, H., Vom Diebstahl im
altdeutschen Recht, FS H. Krause 1975, 1; Wirtz, H., Versuch und Vollendung
beim einfachen Diebstahl in Rechtsprechung und Dogmatik der Partikularrechte,
Diss. jur. Kiel 1976; Stackmann, N., Die Rechtsprechung des preußischen
Obertribunales zum Diebstahl, Diss. jur. München 1989; Schnyder, S., Tötung und
Diebstahl, 2010; Gehrlach, A., Diebe, 2016
Dienst (Wort germanisch) ist die Tätigkeit eines Menschen
für einen anderen. Die Grundlage hierfür ist verschieden, kann aber in einem
→Dienstvertrag bestehen.
Lit.: Steuern, Abgaben und Dienste, hg. v. Schremmer,
E., 1994; Biographisches Handbuch des deutschen auswärtigen Dienstes 1871-1945,
hg. v. Auswärtigen Amt, Bd. 1ff. 1999ff.; Concepts and Patterns of Service in
the Later Middle Ages, hg. v. Curry, A. u. a., 2000; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bartmann, C., Die Rückkehr
der Diener, 2016
Dienstadel ist der durch Dienst für einen
Herren entstehende Adel z. B. der zunächst unfreien Dienstmannen aber auch
ursprünglich Freier im ausgehenden Frühmittelalter.
Lit.: Bosl, K., Die Reichsministerialität, 1950/1;
Witzel, W., Die fuldischen Ministerialen, 1989; Derschka, H., Die Ministerialen
des Hochstiftes Konstanz, 1999; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen
Mittelalter, 2005
Dienstbarkeit (Wort 1307, Wiedergabe von Servitut) ist
das beschränkte dingliche Recht an einer Sache, das den Eigentümer in einzelnen
Beziehungen in der Benutzung der Sache oder in der Ausübung seiner Rechte zu
Gunsten eines anderen oder des Berechtigten eines anderen Sache beschränkt. In
dieser Beziehung kennt das altrömische Recht bereits (lat. [N.]) iter (Pfad),
(M.) actus (Trift), (F.) via (Weg) und (M.) aquaeductus (Wasserleitung), die
als handgreifbare Sachen (lat. [F.Pl.] res mancipi) behandelt werden. Dabei
werden eine in einem Tun bestehende D., eine D. an einer eigenen Sache und die
Ersitzung einer D. abgelehnt. Spätestens Justinian (527-565) lässt auch die
Personalservitut zu. Nach diesen römischen (F.Pl.) servitutes finden sich
verschiedene beschränkte dingliche Nutzungsrechte vor allem an Liegenschaften
seit dem Hochmittelalter auf unterschiedlicher Grundlage. Seit dem
Spätmittelalter werden die römischen Regeln über Servituten in abgeänderter
Form aufgenommen. Danach kann jede Nutzung beliebiger Art Gegenstand einer D.
sein, auch ein Tun (sog. deutschrechtliche D.). Sie kann sogar dem Eigentümer
der Sache zustehen. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs
(1811/1812) folgt weitgehend dem römischen Recht.
Lit.: Kaser § 28; Hübner; Köbler, DRG 26, 125, 163;
Naendrup, H., Zur Geschichte deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Birzer, B.,
Altrechtliche Dienstbarkeit in der Oberpfalz, Diss. jur. Regensburg 1998;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Dienstleistung ist die Leistung eines Dienstes für einen
anderen durch einen.
Lit.: Dienstleistungen, hg. v. Gilomen, H. u. a., 2007
Dienstmann ist im Mittelalter der durch Dienst
allmählich in den Adel aufsteigende Unfreie. Dies ist sowohl im Dienst des
Königs (Reichsdienstmann) wie auch im Dienst eines anderen Herrn möglich. Im 19.
Jh. ist D. die Bezeichnung eines amtlich angestellten Gepäckträgers.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loesch, H. v., Das kürzere
Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Haendle, O., Die Dienstmannen
Heinrichs des Löwen, 1930; Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A.
1977; Jendorff, A., Verwandte, Teilhaber und Dienstleute, 2003
Dienstrecht ist das für eine Diensttätigkeit
geltende Recht. Im Mittelalter gibt es für die Dienstmannen eines Herrn
verschiedentlich ein besonderes, manchmal schriftlich niedergelegtes Recht (z.
B. Limburg 1035, Bischof von Bamberg [1057-64], St. Maximin bei Trier, Grafen
von Ahr, Erzbischof von Köln [um 1154], Bischof von Basel, Grafen von
Tecklenburg), das mit dem Aufstieg der Dienstmannen in den niederen Adel im allgemeinen
Lehnrecht aufgeht. In der jüngeren Neuzeit ist unter D. vor allem das Recht des
öffentlichen d. h. staatlichen Dienstes zu verstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Loesch, H.
v., Das kürzere Kölner Dienstmannenrecht, ZRG GA 44 (1924), 298; Stech, L., Die
Dienstrechte von Magdeburg und Hildesheim, Diss. jur. Göttingen 1965
Dienstvertrag (Wort 1794) ist der gegenseitige Vertrag, in
dem sich der eine Teil (Dienstverpflichteter) zur Leistung vereinbarter
Dienste irgendeiner Art, der andere Teil (Dienstberechtigter) zur Entrichtung
der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Im klassischen römischen Recht gehört
dieser Vertrag zu der Gruppe von Verhältnissen, die in dem in seiner
Vorgeschichte unklaren Konsensualkontrakt (lat.) →locatio conductio ([F.]
Hinstellung - Mitführung) zusammengefasst sind (→locatio conductio operarum,
locator ist Dienstnehmer, conductor ist Dienstgeber, grundsätzlich auf
bestimmte Zeit gegen Entgelt). Er hat deswegen nur einen geringen
Anwendungsbereich, weil die häufigen Dienste der Sklaven auf Grund des
Sklavenstatus erbracht werden und höhere Dienste (lat. artes [F.Pl.] liberales)
nicht durch Entgelt entlohnt, sondern durch Ehrengaben (lat. [N.] honorarium)
anerkannt werden. Auch im Frühmittelalter werden Dienste am ehesten auf Grund
grundherrschaftlicher Abhängigkeit oder lehnsrechtlicher Verbindung geleistet.
Diese personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnisse werden nur in der
hochmittelalterlichen Stadt durch den D. ersetzt (Gesinde, Gesellen). In der frühen
Neuzeit werden auch höhere Dienste entgeltlich. Das 19. Jh. hebt die personenrechtlichen
Abhängigkeitsverhältnisse auf, regelt den D. im Wesentlichen römischrechtlich
und erhofft sich vom freien Spiel der Kräfte den gerechten Ausgleich (z. B. §§
611ff. BGB). Da dieser wegen der ungleichen Gewichtigkeit von Dienstgeber und
Dienstnehmer ausbleibt, entwickelt sich der besondere →Arbeitsvertrag für
das abhängige, fremdbestimmte Dienstverhältnis, so dass der D. sich auf wenige
Anwendungsfälle beschränkt.
Lit.: Kaser § 42; Söllner §§ 10, 17; Hübner; Köbler,
DRG 45, 127, 166, 215, 240, 271; Gierke, O., Die Wurzeln des Dienstvertrags, FS
H. Brunner, 1914, 37; Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im deutschen
Mittelalter, 1934; Schmelzeisen, G., Die Arbeitsordnungen in den jüngeren
Berggesetzen, ZRG GA 72 (1955), 111; Schröder, R., Zur Arbeitsverfassung des
Spätmittelalters, 1984; Amann, P., Abgrenzung und Anwendungsbereich von Dienstvertrag,
Werkvertrag und Auftrag in der Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, Diss. jur. Bielefeld 1987; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010: Stähler, M., Der freie
Dienstvertrag in der Rechtsprechung seit 1900, 2010
Diepholz
Lit.: Moormeyer, W., Die Grafschaft Diepholz, 1938
Dies interpellat pro homine (lat., der Termin mahnt für den
Menschen) ist eine Regel des Rechtes des Verzugs, die sich für das klassische
römische Recht nicht nachweisen lässt. Nach mittelalterlichem deutschem Recht
muss der Schuldner eine Verbindlichkeit, deren Fälligkeit durch eine Zeitangabe
bestimmt ist, an diesem Zeitpunkt erfüllen. Hieraus bildet der (lat.)
→usus (M.) modernus pandectarum den Satz d. i. p. h., der jedoch nicht
überall anerkannt wird. Der Code civil (1804) lehnt ihn ab.
Lit.: Kaser § 37 II; Hübner 556ff.; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gregor IX. um 1170-1241, Dekretalen 3,
18, 4, am Ende)
Die Tat tötet den Mann (d. h. der äußere Erfolg
entscheidet, nicht die innere Einstellung).
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schildt, B., Die Tat
tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Dietrich von Bern →Theoderich
Dietrich von Bocksdorf →Bocksdorf, Dietrich von
Dietrich
von Nieheim
Lit.: Dietrich von Nieheim, Viridarium imperatorum et
regum Romanorum, hg. v. Lhotsky, A. u. a., 1956
Differentienliteratur ist die ansatzweise schon in der
Spätantike vorhandene, dann von den Glossatoren verbreitete Vergleichsliteratur
zwischen den unterschiedlichen, gleichen Gerechtigkeitsgehalt ermöglichenden
Lösungen verschiedener Rechte. Dabei wird insbesondere das römisch-weltliche
Recht mit dem kirchlichen Recht oder mit den einheimischen Partikularrechten
verglichen (z. B. Berhard Walther 1516-1584, Johann Baptist Suttinger 1662
[Consuetudines Austriacae], Nikolaus Beckmann 1634-1689, Johann Weingärtler
1674, Benedikt Finsterwalder).
Lit.: Köbler, DRG 143; Fontana, A., Amphitheatrum
legale, 1688, Neudruck 1961, Teil III, 13; Stintzing, R., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 1,345
Differenzgeschäft ist das auf der Preisdifferenz
zweier zu unterschiedlicher Zeit geschlossener Rechtsgeschäfte beruhende
Rechtsgeschäft.
Lit.: Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft
(§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007
Digesten (Durchgearbeitetes) (oder Pandekten)
sind (allgemein Gesamtdarstellungen [des römischen Rechtes] und besonders)
die (9142 bzw. 9950 Fragmente) Auszüge aus (mehr als 200 von fast 2000 noch
vorhandenen) Schriften bzw. 1528 Büchern (wahrscheinlich 39) klassischer
Rechtskundiger des römischen Rechtes, die (im Umfang von vielleicht 1000354
Wörtern) der oströmische Kaiser Justinian 530/533 unter Beseitigung der
unmittelbaren Geltung aller nicht erfassten Texte zum als Kompilation
entstandenen Gesetz erhebt (16. 12. 533 [Constitutio Tanta] bzw. 30. 12. 533).
Sie werden von einer Kommission vorbereitet, welcher der Rechtskundige und
Justizminister Tribonian vorsitzt und welcher die vier Professoren Dorotheus
und Anatolius aus Berytos (Beirut) sowie Theophilus und Cratinus aus
Konstantinopel, der magister officiorum und elf Anwälte angehören. Über die
erstaunlich rasche Arbeitsweise besteht keine völlige Klarheit, doch wird seit
Bluhme (1820) davon ausgegangen, dass die Kommission in (4) Untergruppen
einzelne Stoffmassen (Sabinusmasse aus den Kommentaren zum ius civile,
Ediktmasse aus den Ediktskommentaren, Papinianmasse aus den Werken der
Spätklassiker, Appendixmasse) vielleicht auf Grund schon vorhandener
vergleichender Literatur verwertet und dabei mehr als 2000 Schriften (mit
3000000 versus [Zeilen]) zumindest mittelbar berücksichtigt. Im Vordergrund
stehen Rechtskundige der klassischen Zeit (Ulpian [2/5], Paulus [1/5],
Papinianus, Gaius und Modestinus [zusammen 1/5]). Vermutlich sind etwa 5-7%
(bzw. 5-10%) dessen aufgenommen, was zur Zeit Justinians von den Schriften der
Rechtskundigen noch vorhanden ist. Die Reihenfolge schließt sich an das
prätorische Edikt an. Das Gesamtwerk ist in 50 Bücher (mit 432 Titeln und
150000 versus) gegliedert (Buch 1 Rechtsquellen, Bücher 2 bis 46 das Privatrecht,
Bücher 47, 48 Strafrecht, Buch 49 Appellation Buch 50 Verwaltungsrecht und
Bedeutung von Wörtern). Die sachlichen, teilweise allerdings schon vor
Justinian erfolgten Eingriffe in die Schriften werden in der Neuzeit als
→Interpolationen bezeichnet, deren Umfang streitig ist. Die wohl wegen
ihrer Schwierigkeit zwischen 603 und 1076 (erste Wiedererwähnung) im Westen
kaum genannten D. sind in (zwei) Handschriften des 6. oder frühen 7. Jh.s (907
Blätter umfassende, in zwei Bände 1-29 und 30-50 getrennte, vermutlich in Konstantinopel/Byzanz
im 6. oder frühen 7. Jahrhundert zweispaltig geschriebene, spätestens im 9.
oder 10. Jh. in Italien liegende, im späteren 11. Jh. in Süditalien wiederentdeckte,
wahrscheinlich 1155 von Amalfi nach Pisa – littera Pisana –, 1406 von Pisa nach
Florenz gebrachte [Codex Florentinus] und 1553 erstmals gedruckte Handschrift)
und 11. Jh.s (verlorene, von der Florentina abhängige, aber nach einer von
dieser unabhängigen Vorlage durchkorrigierte, vielleicht in der zweiten Hälfte
des 11. Jh.s möglicherweise in Süditalien geschaffene Stammform [Codex
Secundus] der in drei Teile geteilten Vulgathandschriften) sowie drei
Fragmenten des 7./8. Jh.s und zwei Fragmenten des 9. Jh.s (insgesamt
dreigeteilt in Digestum vetus 1-24,2, Digestum infortiatum 24,3-38,2 und
Digestum novum 39-50) überliefert. Diese Quellen ermöglichen die Aufnahme
(Rezeption) der Gedankenwelt der römischen Rechtskundigen im Mittelalter.
Zitiert werden die D. nach Buch, (meist) Titel, Fragment (oder Gesetz) (lat.
[F.] lex) und Anfang (lat. [N.] principium = eigentlich Paragraph 1) bzw.
Paragraph (der zweite Abschnitt wird als § 1 gezählt) (z. B. D. 8,3,23,2,
früher [als ff.] nach Titelrubrik und Anfangsworten der Fragmente). Bekannte
Drucke stammen von 1523, 1553 Lelio Torelli in Florenz und 1583
Lit.: Kaser §§ 1, 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Söllner §§ 22, 23; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 50, 53, 105; Digestorum
seu pandectarum libri quinquaginta, hg. v. Haloander, G., 1529, Neudruck 2004;
Digestorum seu Pandectarum libri quinquaginta, 1553, Neudruck 2004; Digesta et
Institutiones, rec. Gebauer, G./Spangenberg, G., 1776, Neudruck 2004; Bluhme,
F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, ZRG 4 (1818), 257;
Kantorowicz, H., Über die Entstehung der Digestenvulgata, ZRG RA 30 (1909),
183ff., 31 (1910), 14ff.; Schulz, F., Einführung in das Studium der Digesten,
1916; Krüger, H., Die Herstellung der Digesten Justinians, 1922; Schindler, K.,
Justinians Haltung zur Klassik, 1966; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970;
Honoré, T., Tribonian, 1978; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung,
SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 1979; Digesten 1-10, übersetzt v. Behrends, O. u.
a., 1995, 11-20 1999, 21-27 2005, 28-34 2012; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Troje, H., Crisis digestorum. Studien zur historia
pandectarum, 2011; Reinoso-Barbero, F., Modus allegandi textus qui in pandectis
continentur, 2013; Martín Minguijón, A., Digesto, 2013
Digestum (N.) infortiatum (lat., gestärktes bzw. geschwächtes
bzw. unter Verschluss gehaltenes bzw. in Kraft gesetztes Durchgearbeitetes)
sind die Bücher 24,3 bis 38 der Vulgatafassung der →Digesten, wobei das
in D. 38, 2, 82 beginnende Schlussstück tres partes (lat. [F.Pl.] drei Teile)
heißt.
Lit.: Accursii Glossa in Digestum vetus, in Digestum
infortiatum, in Digestum novum, in Codicem, in Volumen, 1487ff.; Wouw, H. van
de, Zur Textgeschichte des Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231; Whitman,
J., A Note on the medival Division, TRG 59 (1991), 269
Digestum (N.) novum (lat., neues Durchgearbeitetes)
sind die Bücher 39-50 der Vulgatafassung der →Digesten.
Digestum (N.) vetus (lat., altes Durchgearbeitetes)
sind die Bücher 1-24,2 der Vulgatafassung der →Digesten.
Dijon ist als gallorömisches Divio im 2.
Jh. n. Chr. nachweisbar. 1182 erlangt es unter den Herzögen von Burgund
Stadtrecht. 1477 gelangt es an Frankreich und erhält 1737 eine Universität.
Lit.: Humbert, F., Les finances municipales de Dijon,
1961; Didier, P., Les statuts de métier à Dijon aux 14e et 15e siècles, ZRG GA
94 (1977), 63; Histoire de Dijon, hg. v. Gras, P., 1981
Diktatur ist im altrömischen Recht das Amt
eines von einem →Konsul in einer Notlage für eine streng befristete Zeit
ernannten außerordentlichen Magistrats (Diktators) (ohne kontrollierenden
Kollegen, z. B. T. Larcius 501 v. Chr., von Sulla und Caesar ohne zeitliche
Beschränkung ausgeübt, 44 v. Chr. abgeschafft). Im Anschluss hieran entwickeln
sich verschiedene Formen unbeschränkter Herrschaft eines Einzelnen oder einer
Personengruppe. Diese D. zeigt vielfach totalitäre Züge (z. B. unter Adolf
→Hitler, Josef Stalin). Der Begriff D. wird in der Renaissance
wiederbelebt. Von 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union weisen 17
Erfahrungen mit Diktaturen auf.
Lit.: Söllner §§ 6, 13; Köbler, DRG 222; Kautsky, Z.,
Die Diktatur des Proletariats, 1918; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1 1972,
900; Schmitt, C., Die Diktatur, 1928, 6. A. 1994; Arendt, H., Elemente und
Ursprünge totaler Herrschaft, 1957, 13. A. 2011; Bracher, K., Die deutsche
Diktatur, 1973, 7. A. 1993; Korporativismus in den südosteuropäischen
Diktaturen, hg. v. Mazzacane, A. u. a., 2005; Diktaturüberwindung in Europa,
hg. v. Hofmann, B. u. a., 2010; Erinnerung und Gesellschaft, hg. v. Assmann, W.
u. a., 2011; Kellerhoff, S., Aus der Geschichte lernen, 2013
Dilatura (lat. [F.], delatura, zu mlat.
dilatura, F., Verzögerung, Aufschub) ist eine besondere frühmittelalterliche
Buße bei Vermögensverletzung (Weigerungsbuße?).
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H./Schwerin, C., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 2 2. A. 1928, § 138; Goldmann, E., Zum Problem der
dilatura, ZRG GA 53 (1932), 43
Diligentia (lat. [F.]) ist im spätrömischen
Recht die dem sorgsamen Familienvater angemessene Sorgfalt, deren Einhaltung
Schuld ausschließt, deren schuldhafte Verletzung aber eine Nachlässigkeit
bedeutet.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 63; Köbler, LAW
diligentia quam in suis (rebus) (lat.) (Beachtung der) Sorgfalt wie in eigenen
Angelegenheiten (schließt Verschulden etwa bei unentgeltlicher Verwahrung,
Gesellschaft oder Miteigentum aus)
Dillingen an der Donau ist von 1549/1554 bis 1804 Sitz
einer Universität.
Ding (älter thing, zu idg. *tenkos, Zeit) ist im
Mittelalter und vielleicht schon vorher die (zu einer bestimmten Zeit
stattfindende) Versammlung (der erwachsenen freien Männer ursprünglich eines
Stammes, im fränkischen Reich wohl bald nur noch kleinerer Gebiete), in der
über verschiedene Angelegenheiten gesprochen und verhandelt werden kann.
Dementsprechend ist D. die wichtigste Bezeichnung für das Gericht.
Unterschieden werden dabei (bei Franken und Sachsen) echtes (ungebotenes, an
festen Zeitpunkten in einer Grafschaft alle sechs Wochen und damit an jeder der
3 oder vier Gerichtsstätten einer Grafschaft zweimal oder dreimal im Jahr
stattfindendes) D. und (je nach Bedarf besonders) gebotenes D. Das durch die
besondere Hegung eröffnete D. wird (unter freiem Himmel auf Hügeln oder
Malbergen oder auch bei großen Bäumen oder Steinen am Tag) vom König, Grafen
oder von sonstigen (zunächst Thunginen, seit karolingischer Zeit) Richtern
geleitet. Die inhaltlichen Entscheidungen werden vom Umstand
(Dinggenossenschaft) oder besonderen Urteilern (Rachinburgen, Schöffen)
gefällt. Diese Aufgabenteilung wird auch von den kirchlichen Sendgerichten
übernommen. Dagegen erscheint seit dem 13. Jh. in der Kirche der berufsmäßige
Einzelrichter, der seit dem frühen 15. Jh. die Laienurteiler verdrängt. Im 16.
Jh. tritt dementsprechend die Verwendung von D. im Sinne von Gericht zurück,
hält sich aber in ländlichen Weistümern bis in das 18. Jh. In der
Umgangssprache bleibt D. in blasser, allgemeiner Bedeutung (Sache,
Angelegenheit) erhalten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 116;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879,
Neudruck 1973; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu Magdeburg, ZRG
GA 28 (1907), 437, 29 (1908), 337; Buchwald, G., Das thüringische Hegemahl, ZRG
GA 28 (1907), 444; Loening, O., Die Gerichtstermine im Magdeburger Stadtrecht,
ZRG GA 30 (1909), 37; Amira, K. v., Die Dingzeiten des Schultheißen zu
Magdeburg, ZRG GA 30 (1909), 310; Rietschel, S., Nochmals die Dingzeiten des
Magdeburger Schultheißen, ZRG GA 30 (1909), 313; Stölzel, A., Geding und
Appellation, 1911:;Weber, M., Wirtschaft und Gesellschaft, 1921; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Karg-Gasterstädt, E.,
Althochdeutsch Thing - neuhochdeutsch Ding, Verh. d. Sächs. Akad. d. Wiss.
104,2, 1958; Landwehr, G., Urteilfragen und Urteilfinden, ZRG GA 96 (1979), 1;
Weitzel, J., Über Oberhöfe, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht,
1985
Dingfriede ist der im →Ding
einzuhaltende →Friede.
dinglich (Wort um 1000), das Ding oder die Sache
betreffend
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Dinglicher Vertrag ist der im 19. Jh. von Friedrich
Carl von Savigny entwickelte, 1872 im preußischen Eigentumserwerbsgesetz anerkannte,
sachenrechtliche Rechtsveränderungen betreffende Vertrag (Einigung über den
Rechtsübergang oder die Rechtsentstehung an einem Gegenstand z. B. bei Übereignung
oder Verpfändung) im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kauf,
Schenkung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgenträger, W., Friedrich
Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927
Dingliches Recht ist (seit dem 16. Jh., 1548,
bisheriger Erstbeleg kurmärkische Ständeakten 1551) das eine Sache
(körperlichen Gegenstand) betreffende, gegen jedermann wirkende Recht (z. B.
[Besitz,] Eigentum, Pfand, Dienstbarkeit[, Reallast, Bergwerkseigentum,
Erbbaurecht, früher vielleicht auch Bodenleihe, Lehen, Untereigentum]) im
Gegensatz zum (persönlichen Sachenrecht bzw. zum) schuldrechtlichen. nur im
Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner wirkenden Recht (z. B. Kaufpreisforderung).
Lit.: Köbler, DRG 212; Wiegand, W., Numerus clausus
der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 623; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Dingpflicht ist die Anwesenheitspflicht im
mittelalterlichen →Ding. In welchem Umfang sie jeweils bestanden hat,
lässt sich nicht sicher bestimmen. Jedenfalls verringert Karl der Große in
seiner zwischen 770 und 780 vorgenommenen Reform ihren Umfang auf jährlich drei
Dinge und sind verfolgte Fälle ihrer Verletzung nicht bekannt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Dinus de Rossonis Mugellanus ist ein bei Florenz um 1250 geborener Jurist
in Bologna (commentaria, additiones, glossae contrariae, tractatus z. B. de
successionibus ab intestato, de modis arguendi, ordo iudiciorum, erste
erhaltene umfangreiche – 53 – Sammlung von consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 445
Dionysius Exiguus (Skythien um 475?-Rom um 545) ist
ein skythischer Mönch, der in Rom nach dem 21. 11. 496 als Übersetzer
griechische Kultur dem lateinischen Westen vermittelt und eine klar geordnete
lateinische Sammlung der griechischen Quellen des Kirchenrechts (lat. [M.Pl.]
canones) und der Konzilsakten (lat. [N.Pl.] decreta) herstellt ([lat.] Liber
[M.] canonum und Liber decretorum). Seine vielfach abgeänderte Sammlung ist
durch zahlreiche Handschriften überliefert. 774 überreicht Papst Hadrian Karl
dem Großen die sog. Dionysio-Hadriana. Bei der Übernahme der alexandrinischen
Berechnung des Osterdatums führt D. E. (nach Eusebius von Caesarea) die Jahreszählung
von Christi Geburt an (um 5 bzw. 4 Jahre zu spät) ein.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Strewe, A., Die
Canones-Sammlung des Dionysius Exiguus, 1931; Wurm, H., Studien und Texte zur
Dekretalensammlung des Dionysius Exiguus, 1939; Peitz, W., Dionysius Exiguus
als Kanonist, 1945; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Mordek, H., Kirchenrecht und Reform, 1975
Diözese (F.) Amtsgebiet
eines Bischofs (der katholischen Kirche)
Diplom (lat. [N.] diploma, Verdoppeltes)
ist im römischen Altertum zunächst die durch Falten doppelt gelegte Urkunde,
danach die vom Senat, einem höheren Magistrat oder vom Kaiser ausgestellte
Urkunde. Das Mittelalter nennt Urkunden (lat.) charta, instrumentum, litterae,
pagina, testamentum u. s. w. Seit dem
17. Jh. (Jean Mabillon 1632-1707) ist D. die Herrscherurkunde, die nach dem
Ausstellerwillen dauernde Rechtskraft haben soll. In der Gegenwart ist D. der
Abschluss einer höheren Ausbildung und die darüber erteilte Urkunde.
Lit.: Monumenta Germaniae Historiaca, Diplomata;
Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunden des Mittelalters, 1907, 181, 238;
Classen, W., Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Kölzer, D.,
Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.
Diplomat ist der (durch Diplom ausgewiesene, geschickt
handelnde) Vertreter des Staates in politischen Angelegenheiten.
Lit.: Le diplomate au travail, hg. v. Babel, R., 2005; Wohlan, M., Das
diplomatische Protokoll im Wandel, 2013; Widmer, P., Diplomatie, 2014; Rack,
K., Unentbehlriche Vertreter – Deutsche Diplomaten in Paris 1815-1870, 2017
Diplomatik ([im 17. Jh. entwickelte]
Urkundenlehre [zwecks Unterscheidung echter und gefälschter Urkunden an Hand
äußerer und innerer Merkmale]) →Diplom, Urkunde
Lit.: Mabillon, J., De re diplomatica, 1681; Bresslau,
H., Handbuch der Urkundenlehre, 1889, 2. A. 1912ff.; Rosenmund, R., Die
Fortschritte der Diplomatik seit Mabillon, 1897; Diplomatik im 21. Jahrhundert,
A. f. Diplomatik 52 (2006), 233; Digitale Diplomatik, hg. v. Vogeler, G., 2009
Diplomjurist ist in der Gegenwart der seine
wissenschaftliche Berufsvorbildung mit einem Diplom abschließende Jurist (z.
B. in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, an Fachhochschulen
oder seit 2001 auch an einigen juristischen Fakultäten der Bundesrepublik
Deutschland).
Lit.: Kutschke, T., Diplom-Jurist für jedermann, JuS
2003, 205
Diplovatacio, Tommaso (Korfu 25. 5. 1468-Pesaro
29. 5. 1541) verfasst nach dem Studium in Salerno, Neapel, Padua (Jason de
Mayno), Perugia und Ferrara (1490) bis 1511 einen unvollständig geschriebenen
(lat.) Tractatus (M.) de praestantia doctorum (Abhandlung über den Vorrang der
Doktoren), in dem er die bedeutendsten Rechtskundigen des Altertums und
Juristen des Mittelalters beschreibt (De claris iuris consultis).
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 172
Directorium (N.) in publicis et
cameralibus ist die nach Vorstufen
(seit 1744 Repräsentationen und Kammern, 1748 dem Herrscher unmittelbar
unterstellt) 1749 unter Maria Theresia für Österreich geschaffenene Behörde, in
der unter Ausschluss der Stände die innere Verwaltung und die Finanzverwaltung
für alle Erbländer vereinigt werden. Zugleich werden die Hofkanzleien aufgelöst
und ihre verbliebenen Zuständigkeiten der obersten Justizstelle übertragen.
1761 wird das D. zerschlagen (z. B. Verwaltungsrechtspflege an oberste Justizstelle,
Anderes an Böhmisch-Österreichische Hofkanzlei), von 1792 bis 1797 unter anderem
Namen nochmals kurzfristig hergestellt.
Lit.: Walter, F., Die österreichische Zentralverwaltung, 1938
direkt, Adj., unmittelbar (z. B. direkte, ohne
abgeordnete, repräsentierende Organe bestehende Demokratie)
Dispens (M. bzw. auch F., zu lat. [F.] dispensatio,
Abwiegen, Zuteilen) ist die Befreiung, insbesondere im
katholischen Kirchenrecht die durch die zuständige Autorität auf Grund
Billigkeit erteilte Befreiung von der Geltung eines Rechtssatzes im begründeten
Sonderfall.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Hove, A. van, De
privilegiis et dispensationibus, 1939; Bindschedler, U., Die Dispensation,
1958; Mussgnug, R., Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, 1964; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995; May,
G., Die Auseinandersetzungen zwischen den Mainzer Erzbischöfen und dem Heiligen
Stuhl um die Dispensbefugnis im 18. Jahrhundert, 2007
Dispensehe ist die auf Grund eines (evtl.
weltlichen) Dispenses von einem kirchenrechtlichen Ehehindernis (z. B.
bestehende Ehe) geschlossene Ehe (z. B. seit 1919 Dispense einzelner
sozialistischer Länderregierungen österreichischer Bundesländer [z. B.
Niederösterreich] vom Ehehindernis der bestehenden unauflöslichen Ehe,
woraufhin bis 1938 mehr als 50000 Dispensehen entstehen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Dispositio (lat. [F.]) Anordnung, Verfügung
Dispositio (F.) Achillea (lat., achillische Verfügung) ist
die Verfügung bzw. das Hausgesetz (str.) des Markgrafen Albrecht Achilles von
Brandenburg (1414-1486) vom 24. 2. 1473, das nur noch höchstens drei regierende
Linien (Brandenburg, Franken, Obergebirg um Kulmbach) zulässt und 1791 zum
Rückfall der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an die Hauptlinie Preußen der
Hohenzollern führt.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstentümer, Bd. 3 1883; Caemmerer, H. v., Die Testamente der
Kurfürsten von Brandenburg, 1915; Ulshöfer, W., Das Hausrecht der Grafen von
Zollern, 1969
Dispositionsmaxime ist der Grundsatz der
Verfügungsfreiheit der Parteien im Zivilprozess. Die D. stammt aus dem kirchlichen
Prozessrecht, aus dem sie in den Prozess vor dem Reichskammergericht übergeht.
Lit.: Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Disputation (F.) Erörterung
Lit.: Horn, E., Disputationen und Promotionen an den
deutschen Universitäten, 1893; Mommsen, K., Katalog der Basler juristischen
Disputationen 1558-1818, hg. v. Kundert, W., 1978; Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, Programme und Reden, hg. v. Kundert, W., 1984; Die
Kunst der Disputation, hg. v. Bellomo, M., 1997; Ahsmann, M., Collegium und
Kolleg, 1998; Leinsle, U., Dilinganae Disputationes, 2006
disseisin (mengl.) Besitzentzug →novel
disseisin
Dissens ist die fehlende Übereinstimmung
zweier Willenserklärungen bei einem Vertragsschluss. Schon im klassischen
römischen Recht kommt dabei ein Vertrag dann nicht zustande, wenn der
Vertragsinhalt mehrdeutig ist oder wenn er zwar eindeutig ist, aber ein Teil ihn
nachweislich einseitig missdeutet hat. Zwischen Irrtum und D. wird dann dabei
auch im älteren gemeinen Recht nicht unterschieden.
Lit.: Kaser § 8 II; Hübner; Wesenberg, G./Wesener, G.,
Neue deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985 § 18; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Dissertation ist die wissenschaftliche Erörterung
einer Frage, die seit dem Mittelalter Prüfungsverfahren wissenschaftlicher
Befähigung wird. Die Zahl juristischer Dissertationen in Deutschland bzw. im
Heiligen römischen Reich steigt dabei im 17./18. Jh. auf durchschnittlich
mindestens 500 im Jahr (120000 zwischen 1600 und 1800 nachweisbar, abzüglich
Doubletten u. s. w. möglicherweise
40000, davon rund 40 % Zivilrecht, 20 % Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht,
15 % Verfahrensrecht, 5 % Strafrecht, 5 % Lehnrecht, 3% Kirchenrecht, 12 %
Gemischtes, Grundherrschaft, Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Rechtsquellen).
Später nimmt sie infolge der Einführung der Staatsprüfung im Verhältnis zur
Zahl der Studierenden ab. Vermutlich wirkt sich auch die Entstehung
juristischer Fachzeitschriften nachteilig aus, weil die Professoren damit neue
Veröffentlichungsmöglichkeiten erlangen. Am Ende des 20. Jh.s gewinnt sie
wegen der schwierigen Arbeitsmarktlage für Juristen wieder an Bedeutung (fast
2000 pro Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 143; Horn, E.,
Die Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten, 1893,
Neudruck 1968; Bibliographisches Verzeichnis von Universitäts- und
Hochschuldrucken, hg. v. Wickert, K., Bd. 1ff. 1936ff.; Schubart-Fikentscher,
G., Untersuchungen zur Autorschaft von Dissertationen im Zeitalter der
Aufklärung, 1970; Dissertationen in Wissenschaft und Bibliotheken, hg. v. Jung,
R. u. a., 1979; Juristische Dissertationen deutscher Universitäten 17.-18.
Jahrhundert, zusammengestellt von Ranieri, F., 1986; Katalog juristischer
Dissertationen, hg. v. Tsuno, R., 1988; Härter, K., Ius publicum und
Reichsrecht in den juristischen Dissertationen mitteleuropäischer Universitäten
der frühen Neuzeit (in) Science politique et droit public dans les facultés de
droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008, 485; Kraushaar, F., Aufbruch
zu neuen Ufern – Die privatrechtlichen und rechtshistorischen Dissertationen
der Berliner Universität im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, 2014
Distinktion (F.) (Unterscheidung, Aufteilung,
Unterschied, Auszeichnung) ist die schon der Antike bekannte, als Ergebnis
eines Aneignungsvorgangs antiker Bildung in Nutzung von Kenntnissen des
Triviums im 12. Jh. zum Kennzeichen der Wissenschaften, insbesondere der
Kanonistik, werdende Untersuchungsweise.
Lit.: Söllner §§ 3, 16; Lange H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Meyer, C., Die Distinktionstechnik in der Kanonistik
des 12. Jahrhunderts, 2000
Disziplinarverfahren ist das außerstrafrechtliche
Verfahren bei fehlerhaftem Verhalten eines Beamten(, Soldaten, Klerikers,
Studenten, Schülers oder Vereinsmitglieds). Es wird im 19. Jh. vom Strafrecht
geschieden (Preußen 1841). 1850 sieht die Verfassung Preußens bei D. in der
Justiz eine gerichtliche Entscheidung vor, seit 1873 können auch D. gegen
andere Beamte des deutschen Reiches disziplinargerichtlich überprüft werden.
Die Disziplinarmaßnahmen reichen vom Verweis bis zur Entfernung aus dem Dienst.
Deswegen muss das Verfahren rechtsstaatlichen Anforderungen genügen und darf
nicht von Rechtsbrechern zur Unterdrückung der Aufdeckung ihrer Missstände
missbraucht werden. Das 1967 errichtete Bundesdisziplinargericht Deutschlands
in Frankfurt am Main ist unter Übertragung seiner Aufgaben auf die
Verwaltungsgerichte der Länder zum 31. 12. 2003 wieder aufgelöst.
Lit.: Wunder, B., Privilegierung und Disziplinierung,
1978
Dithmarschen ist die zwischen Nordsee, Elbemündung und
Eidermündung gelegene Landschaft, deren Recht erstmals 1447 nach einer
Landesversammlung aus dem Gewohnheitsrecht (mit Wergeldern, ohne Strafen für
Tötungen) aufgezeichnet, 1483 gedruckt und 1539 revidiert sowie 1567
wissenschaftlich gefasst wird (Dithmarscher Landrecht).
Lit.: Sammlung altdithmarscher Rechtsquellen, hg. v. Michelsen, A.,
1842, Neudruck 1969; Hoppe, J., Das Strafensystem des Dithmarscher Rechts im
Mittelalter, 1933; Boie, K., Die mittelalterlichen Geschlechter Dithmarschens,
1937; Carstens, C., Bündnispolitik und Verfassungsentwicklung in Dithmarschen,
Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 66 (1938),
1; Carstens, W., Geschlecht und Beweisrecht in den Dithmarscher Landrechten,
Zs. d. Gesellschaft f. schleswig-holsteinische Geschichte 60 (1941), 1; Stoob,
H., Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951; Das Dithmarscher Landrecht,
hg. v. Eckhardt, K., 1960; Eickmeyer, G., Das Strafverfahren in Dithmarschen
von 1447 bis 1559, 1963; Witt, R., Die Privilegien der Landschaft Norderdithmarschen,
1975; Alberts, K., Friede und Friedlosigkeit nach den Dithmarscher Landrechten
von 1447 und 1539, 1978; Eggers, P., Das Prozessrecht nach dem Dithmarscher
Landrecht von 1567, 1986
Divisio regnorum (lat. [F.] Teilung der Reiche) ist die in Diedenhofen
am 6. 2. 806 auf einem Reichstag festgelegte, in vier Handschriften und einem
Erstdruck überlieferte Nachfolgeordnung Karls des Großen für seine drei
ehelichen Söhne, die infolge des Todes Pippins (810) und des ältesten Sohns
Karl (811) keine unmittelbare Wirkung entfaltet.
Lit.: Capitularia, hg. v. Boretius, A. u. a., Bd. 1 1883, 126;
Schieffer, R., Die Karolinger, 1992
Divortium (lat. [N.]) ist die im altrömischen
Recht noch nicht rechtlich geregelte Scheidung der Ehe, für die der Wille des
Mannes oder beider Eheleute (die Ehe zu beenden) und ein dies begründender
Anlass (z. B. Ehebruch der Frau, Kinderlosigkeit) bestehen muss.
→Ehescheidung
Lit.: Kaser § 58; Köbler, DRG 22
Doctor (lat. [M.]) ist seit dem 12. Jh.
der auch als (lat. [M.]) magister oder professor bezeichnete Lehrer,
insbesondere der wissenschaftlich gebildete Lehrer an der Universität (z. B.
quattuor doctores 1158). Im Recht ist der d. dabei meist doctor legum (Lehrer
des weltlichen Rechtes) oder doctor decretalium (Lehrer des kirchlichen
Rechtes). Seit dem späten 13. Jh. erscheint in Orléans und Italien der doctor
utriusque iuris (Doktor beider Rechte d. h. des →ius civile und des
→ius canonicum). Der Titel folgt auf das Lizentiat und wird in einer
kostspieligen Feier verliehen. Der Grad berechtigt grundsätzlich zum Abhalten
von Lehrveranstaltungen und sichert gesellschaftliche Wertschätzung. Am Ende
des Mittelalters gerät er in Verfall. Seit dem 18./19. Jh. wird deswegen die
Habilitation als Voraussetzung der Lehrbefugnis entwickelt, deren regelmäßige
Notwendigkeit am Beginn des 21. Jh. gesetzlich beseitigt wird. Zwischen 1933
und 1945 wird im Deutschen Reich in rund 2000 Fällen der Doktorgrad aberkannt
(davon etwa 70 Prozent jüdische oder jüdisch versippte Emigranten, häufig aber
auch wegen Straftaten, in München nur wenige Juristen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, LAW; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1 1973; Fischer, A., Das österreichische Doktorat der Rechtswissenschaften
und die Rechtsanwaltschaft, 1974; Horn, N., Bologneser Doctores und Judices,
ZHF 3 (1976); Lange, H., Vom Adel des doctor, (in) Das Profil des Juristen,
1980, 279; Lemberg, M., … eines deutschen akademischen Grades unwürdig, 2002;
Harrecker, S., Degradierte Doktoren, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
doctor (M.) iuris (lat.) →Rechtsgelehrter
doctor (M.) iuris utriusque (lat.) Doktor beider Rechte
doctor (M.) legum (lat.) Doktor des weltlichen
Rechtes
Dogma (N.) Lehrsatz, Lehrmeinung, Grundsatz
Lit.: Parent, J., La notion de dogme, 1932;
Piano-Mortari, V., Dogmatica e interpretazione, 1976; Herberger, M., Dogmatik,
1981; Dogmatisierungsprozesse in Recht und Religion, hg. v. Essen, G. u. a., 2011;
Bumke, C., Rechtsdogmatik, 2017
Doktor →doctor
Doktorgrad →doctor
Doktrin (F.) Lehre, Festlegung
Dolmen (zu bret. tol, Tisch, men, Stein) ist die
Bezeichnung für das in Europa zwischen 4000 v. Chr. und dem Frühmittelalter
nachweisbare, bis zu 168 Meter lange, mittels Steinen gebildete Grab.
Lit.: Körn, W., Megalithkulturen, 2005
Dolo facit, qui petit, quod restiturus
est bzw. quod
restituere oportet eundem (lat.). Arglistig handelt, wer fordert, was er
demnächst zurückgibt bzw. was er selbst zurückerstatten muss.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 44, 4, 8, pr.)
Dolus (lat. [M.]) ist im römischen Recht
die Arglist, nach Anerkennung einer Haftung für fahrlässiges Verhalten der
→Vorsatz, dolus malus. Das durch Arglist herbeigeführte oder beeinflusste
Rechtsgeschäft ist zwar an sich gültig. Auf Anregung des Rechtskundigen Gaius
Aquilius Gallus gibt der Prätor im 1. Jh. v. Chr. aber dem, der durch Arglist
beeinträchtigt ist, dann, wenn keine andere Klage gegeben ist, einen
Klaganspruch (lat. actio [F.] de dolo) auf den einfachen Schadensbetrag.
Gegenüber einer möglichen Verpflichtung (stricti iuris) kann der Verpflichtete
eine Einrede erheben (lat. exceptio [F.] doli).
Lit.: Kaser §§ 8 V, 33, 36, 37; Söllner §§ 9, 15;
Köbler, DRG 42f., 61, 63, 65; Köbler, LAW
Dom (zu lat. [F.] domus, Haus) ist meist die
Hauptkirche des Bistums.
Lit.: Schieffer, R., Die Entstehung von Domkapiteln, 1976
Domäne (im 16./17. Jh. aus dem Französischen
aufgenommen) ist in der Spätantike das
kaiserliche Grundeigentum. Die D. ist Vermögen des Kaisers und geht auf den
jeweiligen Nachfolger über. Sie wird getrennt von den Staatseinkünften (vom
(lat. M.] comes rerum privatarum) verwaltet. Mit dem Untergang des
weströmischen Kaisertums fällt die D. vor allem im Herrschaftsbereich der
Franken an den König (→Königsgut). Infolge umfangreicher Vergabungen
gelangt dieses Gut bis zum 13. Jh. in großem Ausmaß an die Landesherren. In
Preußen umfassen die Domänen dabei schließlich etwa ein Drittel des Landes. In
Hessen -Kassel bzw. Kurhessen versorgen die etwa 300 zwischen 1600 und 1866
nachweisbaren Domänen den Hof mit Lebensmitteln, sichern die Mitglieder des
Fürstenhauses wirtschaftlich ab und dienen der fürstlichen Agrarpolitik ebenso
wie der Finanzierung lokaler und
zentraler Behörden. Seit dem 18. Jh. wird im Land das Staatsgut vom fürstlichen
Hausgut getrennt, wobei die Domänen überwiegend dem Staatsgut und nur in
geringerem Maß dem Hausgut zugeteilt werden, der Landesherr aber die Nutzungen der
D. als Einkunft erhält. Der Höhe nach betragen die Einkünfte dabei fast die
Hälfte der gesamten Staatseinkünfte. Im 19. Jh. erlangen vor allem die
deutschen Fürstentümer Rechtspersönlichkeit, die staatliches Domäneneigentum
kennen. In den Fürstentümern ohne staatliches Domäneneigentum haben die Stände
das Steuerbewilligungsrecht und gelegentlich bereits vor 1848 ein
Ausgabenbewilligungsrecht hinsichtlich der aus Steuern zu tätigenden Ausgaben
im Gegensatz zu den Ausgaben der fürstlichen Kammer. Seit dem Ende der
Monarchie (Deutschland 1918) fließen die Einkünfte aus den Domänen dem Staat
zu. 1945 werden in der sowjetischen Besatzungszone die Domänen fast ganz
aufgeteilt. In der Bundesrepublik Deutschland (vor allem in Niedersachsen)
umfassen sie nur noch weniger als 0,5 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wendt, E., Die
staatliche Selbstbewirtschaftung von Domänen, 1925; Corsten, S., Das
Domanialgut im Amt Heinsberg, 1953; Abel, W., Geschichte der deutschen Landwirtschaft,
1962; Hoffmann, R., Die Domänenfrage in Thüringen, 2006; Klein, W., Die
Domänenfrage im deutschen Verfassungsrecht des 19. Jahrhunderts, 2007; Ebert,
J., Domänengüter im Fürstenstaat, 2013
Domat, Jean (Clermont-Ferrand 30. 11. 1625-Paris 14. 3.
1696), Notarssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges 1645 Anwalt, 1655
Kronanwalt und 1683 Privatgelehrter. Sein 1689 veröffentlichtes, →Grotius
verpflichtetes Hauptwerk ([franz.] Les lois civiles dans leur ordre naturel,
Die weltlichen Gesetze in ihrer natürlichen Ordnung) ordnet das römische Recht
und das dieses ergänzende französische Recht in der Art eines Lehrbuchs des
Naturrechts nach den grundlegenden Sätzen D. verselbständigt das Erbrecht innerhalb
des Sachenrechts und verwendet erstmals den Ausdruck ésprit des lois.
Lit.: Voeltzel, R., Jean Domat (1625-1696), 1936;
Baudelot, B., Un grand jurisconsulte du 17e siècle, 1938
Domesdaybook ist eine zweibändige,
unvollständige Landesaufnahme Englands (Bd. 1 31 Grafschaften, Bd. 2 Essex,
Norfolk, Suffolk) auf der Grundlage von Angaben der Grundstücksberechtigten von
1066 und 1086. Das D. dient dem König als Grundlage seiner Herrschaft. Von 596
im D. genannten Familien sind im Jahre 1166 noch 437 in den Cartae baronum
erwähnt.
Lit.: Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A.
1907; Galbraith, V., The Making of Domesday Book, 1961; Darby, H., Domesday
England, 1978; Baker, J., An Introduction to English Legal History, 1971, 2. A.
1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Domesday names, compiled by Keats-Rohan, K. u.
a., 1997; Fleming, R., Domesday Book and the Law, 1998; Keats-Rohan, K.,
Domesday People, 1999; Roffe, D., Domesday, 2000; Keats-Rohan, K., Domesday
Descendants, 2002; Roffe, D., Decoding Domesday, 2007
Dominat ist (nach Mommsen) die vom Kaiser
als absolutem Herrn und Gott (lat. [M.] dominus et deus) bestimmte
Herrschaftsform der römischen Spätantike seit Diokletian (284-313/316).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Söllner § 19;
Köbler, DRG 55; Bleicken, J., Prinzipat und Dominat, 1978
Dominikalland (N.) Herrenland, vom Grundherrn selbst
bewirtschaftetes Land
Lit.: Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft, 1964, 2.
A. 1998
Dominikaner ist (seit dem 15. Jh.) der
Angehörige des von dem Spanier Dominikus (Caleruega nach 1170-Bologna 1221, aus
dem Geschlecht der Guzmán) in Toulouse 1215 begründeten, am 22. 12. 1216 vom
Papst unter seinen Schutz gestellten (Bettel-)Ordens (lat. [M.] ordo
praedicatorum, in Frankreich Jakobinerorden) der Prediger, dem von Papst Gregor
IX. 1232 die Inquisition übertragen wird und dem 1990 677 Klöster mit 6775
Mitgliedern bzw. 226 Dominikanerinnenklöster mit 4225 Schwestern (2004 626
Klöster, 6262 Mitglieder, 227 Frauenklöster, 3488 Mitglieder) angehören.
Lit.: Altaner, B., Der heilige Dominikus, 1922; Walz,
A., Wahrheitskünder, 1960; Hinnebusch, W., The History of the Dominican Order,
1966ff.; Hertz, A., Domenikus und die Dominikaner, 1981; Vicaire, M., Histoire
de Saint Dominique, 1982; Springer, K., Die deutschen Dominikaner in Widerstand
und Anpassung, 1999; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2003, 156;
Schütz, J., Hüter der Wirklichkeit – Der Dominikanerorden in der
mittelalterlichen Gesellschaft Skandinaviens, 2014
Dominium (lat. [N.]) ist im römischen Recht
(wie proprietas) das Eigentum, wobei das (lat.) d. ex iure Quiritium
(quiritisches Eigentum) römischen Bürgern vorbehalten und nur an beweglichen
Sachen und italischen Grundstücken möglich ist (d. dormiens, ruhendes Eigentum
z. B. an einem fremden Balken während des Bestands des ihn aufnehmenden
Gebäudes). Nach Ernst Levy verfällt dieses klassische d. in der Spätantike,
doch ist diese Ansicht inzwischen wieder streitig geworden. Im Mittelalter
bezeichnet d. (ahd. giwaltida, herskaf, hertuom) die Herrschaft (oder Gewalt
über ein Gebiet einerseits und die Herrschaft über einzelne Sachen
andererseits). Zugleich wird von Italien ausgehend ein (lat.) d. directum
(Obereigentum z. B. des Lehnsherrn) von einem d. utile (Untereigentum z. B.
des Lehnsmanns) geschieden. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes dringen
römischrechtliche Vorstellungen durch und werden insbesondere gewisse ältere
Bindungen des Eigentums (z. B. gegenüber Erben oder Nachbarn) aufgegeben und
D., beschränkte dingliche Rechte sowie Besitz von einander klar geschieden,
wird freilich im 20. Jh. das Eigentum auch wieder einer sozialen Bindung
unterworfen.
Lit.: Kaser § 22 II; Hübner 241ff.; Köbler, LAW;
Schmidt, C., Der prinzipielle Unterschied zwischen dem römischen und
germanischen Recht, Bd. 1 1853, 223; Lautz, K., Entwicklungsgeschichte des
dominium utile, Diss. jur. Göttingen 1916; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5.
A. 1965; Willoweit, D., Dominium und proprietas, Hist. Jb. 94 (1974), 131; Köbler,
G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Mayer-Maly, T., Das
Eigentumsverständnis der Gegenwart, FS H. Hübner, 1984, 145; Kriechbaum, M.,
Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14. Jahrhunderts, 1996;
Diestelkamp, B., Frühe urkundliche Zeugnisse für dominium directum und
dominium utile im 13. Jahrhundert, (in) Grundlagen des Rechts = FS P. Landau,
2000, 391ff.; Vandendriessche, S., Possessio und Dominium im postklassischen
römischen Recht, 2006
dominium (N.) directum (lat.) Obereigentum
→dominium, Eigentum
dominium (N.) plurium in solidum (lat.) Gesamteigentum
→Miteigentum
dominium (N.) utile (lat.) (vielleicht erstmals bei
Johannes Bassianus am Ende des 12. Jh.s belegt, 1204 Bischof Huguccio von
Ferrara) Nutzungseigentum →dominium, Eigentum
dominus (lat. [M.]) Herr (über jemanden oder etwas),
Eigentümer
dominus (M.) terrae (lat.) →Landesherr
Dominus imperator in territorio suo (lat.). Der Landesherr ist Kaiser
in seinem Land.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Eyben 1660)
Domkapitel (Wort neuzeitlich) ist
das seit der zweiten Hälfte des 8. Jh.s aus dem verpflichtend werdenden
gemeinschaftlichen klösterlichen Leben der Geistlichen einer Domkirche
erwachsene, seit der Mitte des 9. Jh.s gegenüber dem Bischof autonom werdende
Gremium von Geistlichen, das den Bischof unterstützt und nach seinem Tod das
Bistum vorübergehend verwaltet und den neuen Bischöf wählt (lat. [N.] capitulum
[10. Jh.] in domo episcopi). Es erlangt seit dem 9. Jh. Güter (z. B. Bamberg
1007) und wird im Hochmittelalter Verbandsperson. Es enthält eine Reihe von
Ämtern (Dompropst, Domdekan, Domscholaster, Kantor, Kustos). Der Sicherung des
Unterhalts dient das in Pfründen geteilte Kapitelsgut. Das D. steht bis in das
19. Jh. grundsätzlich nur Adligen offen. In den Hochstiften erlangen die D.
vielfach die Stellung von Landständen. Die Säkularisation von 1802/1803
bewirkt einen deutlichen Einschnitt. Bis dahin gibt es in der Neuzeit 74 D. in
Augsburg, Bamberg, Basel, Brandenburg, Bremen, Breslau, Brixen, Brünn, Budweis,
Cammin, Chiemsee, Chur, Corvey, Eichstätt, Ermland, Freising, Fulda, Görz,
Gradisch, Graz, Gurk, Halberstadt, Hamburg, Havelberg, Hildesheim, Köln,
Königgrätz, Konstanz, Kulm, Laibach, Lausanne, Lavant, Lebus, Leitmeritz,
Leitomischl, Leoben, Linz, Lübeck, Lüttich, Magdeburg, Mainz, Meißen,
Merseburg, Metz, Minden, Münster, Naumburg, Olmütz, Osnabrück, Paderborn,
Passau, Pomesanien, Prag, Ratzeburg, Regensburg, Salzburg, Samland, Sankt
Pölten, Schleswig, Schwerin, Seckau, Sitten, Speyer, Straßburg, Toul, Trient,
Trier, Utrecht, Verden, Verdun, Wien, Wiener Neustadt, Worms und Würzburg.
Danach wird das D. zu einem kirchlichen, vom Staat dotierten Gremium mit
geringeren Rechten und Aufgaben, wobei das Erfordernis des Adels abgeschafft
wird. Nach dem geltenden Kirchenrecht haben die D. der Diözesen Deutschlands,
Salzburgs, Churs, Sankt Gallens und Basels gegenüber dem
Bischofsernennungsrecht des Papstes ein Beteiligungsrecht.
Lit.: Gehring, G., Die katholischen Domkapitel
Deutschlands als juristische Personen, 1851; Kisky, W., Die Domkapitel der
geistlichen Kurfürsten, 1906; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter
Preußens, 1924, Neudruck 1964; Hofmeister, P., Bischof und Domkapitel, 1931;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Trippen, N., Das
Domkapitel und die Erzbischofswahlen in Köln, 1972; Schieffer, R., Die
Entstehung von Domkapiteln in Deutschland, 1976; Hersche, P., Die deutschen
Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1984; Maier, K., Das Domkapitel
von Konstanz, 1990; Haas, R., Domkapitel und Bischofsstuhlbesetzungen in
Münster 1813-1846, 1991; Jüsten, E., Das Domkapitel nach dem Codex Iuris
Canonici von 1983, 1993; Miele, M., Sui capitoli cattedrali in Italia, 1999;
Burkhard, D., Staatskirche, Papstkirche, Bischofskirche, 2000; Krüger, T.,
Leitungsgewalt und Kollegialität. Vom benediktinischen Beratungsrecht zum
Konstitutionalismus deutscher Domkapitel und des Kardinalkollegs (ca.
500-1500), 2013; Thaler, M., Die Domkapitel der Reichskirche vom Wiener
Konkordat bis zur Säkularisation (1448-1803), 2017
Domscholaster (M.) Leiter der Domschule (seit 816, seit der
Neuzeit allmählich, z. B. Österreich 1787, aufgegeben)
Donatio (lat. [F.] →Schenkung) ist im
römischen Recht die unentgeltliche Zuwendung oder Gabe. Sie ist zunächst nur
ein Rechtsgrund, der einen Zuwendungsvorgang rechtfertigt. Erst unter Kaiser
Konstantin (337-361) wird die d. zu einem eigenen Geschäft. Besondere Fälle
sind die d. mortis causa (Schenkung von Todes wegen), die d. post obitum (Gabe
nach dem Tod), die d. propter nuptias (Ehegabe, Widerlage) und die d. reservato
usufructu (Gabe unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts).
Lit.: Kaser § 47; Köbler, DRG 41, 37; Köbler, LAW;
Cappon, C., Eine donatio post obitum mit Treuhändern – die Schenkung von
Dietrich von Ulft zugunsten des Klosters Camp (um 1138), ZRG GA 112 (1995),
245; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001
Donau ist der auf fast 3000 Kilometern vom
Schwarzwald zum Schwarzen Meer fließende Fluss, der für die Römer einen Teil
ihrer Nordgrenze bildet und seit dem 19. Jh. zunehmend europäischen
Rechtsregeln (Pariser Friede 1856, internationale Donaukommission 1922,
NAIDES-Aktionsprogramm der Europäischen Kommission) unterworfen ist.
Lit.: Wegener, W., Die internationale Donau, 1951; Neweklowsky, E., Die
Schifffahrt und Flößerei im Raume der oberen Donau, 1952ff.; Weithmann, M., Die
Donau, 2000
Donaumonarchie (F.) die dem Einzugsbereich der Donau
weitgehend entsprechende Monarchie Österreich-Ungarn
Doneau (Donellus), Hugo (Chalon-sur-Saône
23. 12. 1527-Altdorf 4. 5. 1591), aus patrizischer Familie, wird nach dem
Rechtsstudium in Toulouse (1544) und Bourges (1546) dort Professor (1551). Als
Calvinist flieht er 1572 nach Genf, geht 1572 nach Heidelberg, 1579 nach Leiden
und 1588 nach Altdorf. In seinem Hauptwerk (lat. [M.Pl.] Commentarii de iure
civili, Kommentare zum weltlichen Recht, 1589ff.) ordnet er das überlieferte
römische Recht losgelöst von der Reihenfolge der Digesten nach einem aus ihm
selbst gewonnenen System, um durch die innere Ordnung die verstreuten
Einzelsätze besser zu verstehen, wobei er als einer der ersten das Recht der
Obligationen im Allgemeinen zu erfassen sucht und vielleicht das Erfordernis
der Kausalität von Verpflichtungen begründet. Dabei gelingen über die
Darstellung hinaus weiterführende Erkenntnisse (z. B. Ausdehnung des Satzes
[lat.] impossibilium nulla est obligatio, zu Unmöglichem besteht keine Pflicht,
Beiträge zur Entwicklung des subjektiven Rechtes, des Besitzrechts, des
Vertragsrechts und des Persönlichkeitsrechts).
Lit.: Eyssell, A., Donellus, 1860; Bergfeld, C.,
Savigny und Donellus, Ius commune 8 (1980), 24; Cannata, C., Systématique et
dogmatique dans le Commentarii iuris civilis des Hugo Doneau, (in) Jacques
Godefroy, 1991, 217; Schermaier, M., Die Bestimmung des wesentlichen Irrtums,
2000, 102f.; Heise, V., Der calvinistische Einfluss auf das humanistische
Rechtsdenken, 2004
Donellus →Doneau
Doping (N.) Rauschmittelgebrauch zwecks
Leistungssteigerung vor allem im Sport
Lit.: Engel, R., Doping in der DDR, 2010
Dorf ist
die aus einer nicht ganz geringen Zahl von beieinander liegenden Häusern
gebildete, landwirtschaftlich geprägte Siedlung. Das D. setzt die Sesshaftwerdung
voraus. Sein zeitliches Verhältnis zu Einzelhaus bzw. kleiner Hausgruppe
(Weiler, Drubbel) steht nicht sicher fest. Örtlich findet sich das D. in
Deutschland im gesamten Gebiet, ausgenommen den Nordwesten, den Schwarzwald
und das Alpengebiet. Vorherrschend ist das Haufendorf, doch prägen auch
Marschhufendorf und Waldhufendorf kleinere Räume. Das D. kann vor allem
Nutzungsverband oder auch Gerichtsverband (mit Richter und Schöffen) sein,
wobei am Nutzungsverband meist nur die Inhaber vollbäuerlicher Hofstellen
berechtigt sind. Der Dorfvorsteher und evtl. neben ihm stehende Gremien sind
unterschiedlich strukturiert und bezeichnet, die juristische Persönlichkeit
lange Zeit nur undeutlich ausgeprägt. Seit dem 19. Jh. werden D. und Stadt grundsätzlich
einheitlich als →Gemeinde im Sinne eines staatlichen Verwaltungsbezirks
(1935 Deutsche Gemeindeordnung) angesehen, zu dem allerdings örtliche
Selbstverwaltungszüge hinzutreten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; Frey, K.,
Wollmatingen, 1910; Mayer, E., Dorf-Geschlechtsverband, ZRG GA 41 (1920), 375;
Bolleter, E., Geschichte eines Dorfes (Fisibach, jetzt Bachs, Kanton Zürich),
1921; Maßberg, K., Die Dörfer der Vogtei Groß-Denkte, 1930; Steinemann, H.,
Geschichte der Dorfverfassungen im Kanton Zürich, 1932; Dinklage, K., Fünfzehn
Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte, 1935; Ganahl, K., Langen-Erchingen
(Langdorf), ZRG GA 58 (1938), 389; Bader, K., Entstehung und Bedeutung der
oberdeutschen Dorfgemeinde, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 1
(1937), 265; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes, 1947;
Zimmermann, F., Die Rechtsnatur der altbayerischen Dorfgemeinde und ihrer
Gemeindenutzungsrechte, 1950; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff. (Bd. 2 Dorfgenossenschaft und
Dorfgemeinde, 1962, Bd. 3 Rechtsformen und Schichten der Liegenschaftsnutzung
im mittelalterlichen Dorf, 1973); Buijtenen, M., Het friese dorp, 1961; Die
Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Tütken,
H., Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Lippert, W.,
Geschichte der 110 Bauerndörfer in der nördlichen Uckermark, 1968; Ardelt, R.,
Das Dorf Edelbruck im Mühlviertel, 1972; Ossfeld, W., Obergrombach und
Untergrombach, 1975; Zeller, G., Rechtsgeschichte der ländlichen Siedlung,
1975; Das Dorf der Eisenzeit und des frühen Mittelalters, hg. v. Jankuhn, H.,
1977; Donat, P., Haus, Hof und Dorf, 1980; Arnold, K., Niklashausen 1476, 1980;
Wunder, H., Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Schildt, B., Bauer,
Gemeinde, Nachbarschaft, 1996; Troßbach, W. u. a., Die Geschichte des Dorfes,
2006; Grüne, N., Dorfgesellschaft, 2011; Krauß, J., Ländlicher Alltag und Konflikt
in der späten frühen Neuzeit – Lebenswelten erzgebirgischer Rittergutsdörfer,
2012; Hagner, U., Zwischen Heimbürge und Schultheiß, 2014
Dorfgericht ist das in einem →Dorf und
häufig auch nur für Angelegenheiten des Dorfes meist unter der Linde (Gerichtslinde,
Dorflinde) tätige Gericht. Es ist in vielen Fällen ein Gericht des Grundherrn
und grundsätzlich nur Niedergericht. Spätestens in der Mitte des 19. Jh.s
verschwindet es zugunsten des Amtsgerichts oder Bezirksgerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Müller, K., Das Gericht
zu Ottendorf, ZRG GA 44 (1924), 168; Mitter, F., Die Grundlagen der
Gerichtsverfassung und das Eheding der Zittauer Ratsdörfer, 1928; Frölich, K.,
Alte Dorfplätze, 1938; Herrmann, W./Schründer, H., Greven an der Ems, 1938;
Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Fried, P., Grundherrschaft und Dorfgericht im spätmittelalterlichen
Herzogtum Bayern, (in) Vorträge und Forschungen 27 (1983), 277; Kroeschell, K.,
Dorfgerichtsplätze, FS K. Bader, 1986, 1
Dorfordnung ist die das Dorf betreffende Ordnung, wie sie
als Rechtsquelle seit dem Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit erscheint. S.
Dorfrecht, Weistum
Lit.: Stöhr, K., Erläuterungen und Anlagen zur
Altenburger Dorfordnung vom 13. Juni 1876, 1885; Robert, H., Als sich die
Eberstädter eine Dorfordnung gaben, 1982; Kunz, R., Die Dorfordnung von
Schwanheim, 1985; Rheinheimer, M., Die Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig,
1999
Dorfrecht ist das besondere Recht eines
→Dorfes bzw. subjektiv die besondere Mitgliedschaft in einer
Dorfgemeinde. Das beispielsweise durch den →Sachsenspiegel (Landrecht
III, 79, 2) bezeugte besondere D. entsteht teils durch Gewohnheit, teils durch
Anordnung oder Satzung mit der Territorialisierung bzw. Lokalisierung des
Rechtes im Hochmittelalter und verschwindet mit der staatlichen
Vereinheitlichung in der Neuzeit, in der es freilich auch vielfach erst
aufgezeichnet wird (zeitlicher Schwerpunkt in Schleswig-Holstein 1675-1774).
Überliefert ist es hauptsächlich im →Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Alberti, W., Der Rheingauer
Landbrauch von 1643, 1913; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1 1917;
Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996; Rheinheimer, M., Die
holsteinischen Dorfordnungen, ZRG 115 (1998), 529; Rheinheimer, M., Die
Dorfordnungen im Herzogtum Schleswig, Bd. 1f. 1999
Dorpat (estnisch 1919 Tartu) wird 1030 erstmals
erwähnt, 1224 als (lat. [N.] castrum tarbatum) durch den Deutschen Orden
erobert, gelangt 1558 an Russland, 1582 an Polen, 1625 bzw. 1629 an Schweden,
erhält neben einem Obergericht 1632 durch König Gustav Adolf von Schweden eine
Universität (Akademie mit deutsch-lateinischer Unterrichtssprache und schwedisch-finnischen
Lehrern) (1656 geschlossen, 1690-1710 als deutschbaltische Anstalt in Pernau),
die 1802 (nach der Angliederung Livlands an Russland im Jahre 1721) als einzige
deutschsprachige Universität Russlands von Deutschbalten neu gegründet, ab
1867 allmählich und 1893 entschieden russifiziert (Jurév) und unter Besatzungsregime
des Deutschen Reiches erfolglos regermanisiert wird (Rechtslehrer Johann Ludwig
von Müthel, Karl Friedrich Meyer, Christian Daniel Rosenmüller, Friedrich
Kasimir Kleinenberg, Johann Georg Neumann, Karl Schröter, Walter Friedrich
Clossius, Friedrich von Bunge, Gustav Bröcker, Otto Karl von Madai, Karl Eduard
von Otto, Eduard Osenbrüggen, Alexander von Reutz, Ewald Tobien, Johannes
Engelmann, Karl von Rummel, Viktor Ziegler, August von Bulmerincq, Karl
Bergbohm, Ottomar Meykov, Karl Erdmann, Woldemar von Rohland, Alexander [Axel]
Baron von Freytagh-Loringhoven, Vladimir Grabar, Michail Djakonov, Aleksej
Guljaev, Evgenij Passek, Peter Pustoroslev, Ivan Ditjatin, Alexander Filippov,
Lev Schalland, Alexander Nevzorov) und erhält 1919 in Estland den Namen Tartu.
Lit.: Gernet, A. v., Verfassungsgeschichte des Bistums Dorpat, 1896;
Lemm, R., Dorpater Ratslinie, 1960; Luts, M., Eine Universität für unser Reich,
ZRG GA 117 (2000), 607; Juristenausbildung in Osteuropa bis
zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Donnert, E., Die Universität
Dorpat-Jurév 1802-1918, 2007
Dorstadt (Augustinerchorfrauenstift)
Lit.: Urkundenbuch des Augustinerchorfrauenstifts Dorstadt, hg. v.
Ohainski, U., 2011 (324 Urkunden 1143-1660)
Dortmund wird 880-884 (Throtmanni, Siedlung am
gurgelnden Wasser?, nach Udolph 2009/2010 zu mons, lat., M., Berg?, „Berg mit
einem Einschnitt?“) erstmals erwähnt, erhält im 10. Jh. eine königliche Pfalz,
wird Reichsstadt (Privilegien Konrads III., Friedrichs I., Friedrichs II. [1236
bzw. 1220]) und Mitglied der Hanse und kommt mit etwa 4000 Einwohnern 1802 an
die Fürsten von Oranien-Nassau und 1815 an Preußen, in dem es zur industriell
geprägten Großstadt heranwächst.
Lit.: Rübel, K., Dortmunder Urkundenbuch, Bd.1ff. 1881ff.; Frensdorff,
F., Dortmunder Statuten und Urtheile, 1882; Meininghaus,
A., Die Grafen von Dortmund, 1905; Meininghaus, A., Die Dortmunder Freistühle
und ihre Freigrafen, Beiträge zur Geschichte Dortmunds 19 (1910); Stahm, G.,
Das Strafrecht der Stadt Dortmund, 1910; Rübel, K., Geschichte der Grafschaft
und der freien Reichsstadt Dortmund, Bd. 1 1917; Winterfeld, L. v.,
Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, 1917; Meininghaus, A.,
Die Entstehung von Stadt und Grafschaft Dortmund, 1920; Berken, R. von den,
Dortmunder Häuserbuch von 1700 bis 1850, 1927; Winterfeld, L. v., Geschichte
der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 1934; Luntowski, G. u. a.,
Geschichte der Stadt Dortmund, 1994; Ferne Welten, freie Stadt. Dortmund im
Mittelalter, hg. v. Ohm, M. u. a., 2006; Dortmund und die Hanse, hg. v. Schilp,
T. u. a., 2012; Franke, B. u. a., Dortmund entdecken, 2016
Dos (lat. [F.], zu lat. dare, geben) ist bereits im
altrömischen Recht die vom Hausvater der Frau bei der Verehelichung dem Ehemann
grundsätzlich gegebene, der Unterhaltssicherung dienende →Mitgift, die
nach dem Tod der Frau oder einer auf ihrer Seite schuldlosen Scheidung aus dem
Vermögen des Mannes an den ursprünglichen Geber zurückfällt. Im Jahre 18 v.
Chr. verbietet die (lat.) lex (F.) Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über
Grundstücksmitgift) die Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks ohne Zustimmung
der Frau. In der Spätantike wird die Bestellung einer d. durch den Brautvater
zu einer Rechtspflicht. Das Recht der d. wird im Mittelalter und in der Neuzeit
(nur) teilweise aufgenommen (Kurhessen, Hannover, Braunschweig, Pommern, Teile
Mecklenburgs, Dotalsystem). Nach dem germanischen Recht gibt dagegen der Mann
(bzw. seine Familie) der Frau (bzw. ihrer Familie) eine Gabe (vielleicht als
Gegenleistung für die Personalgewalt des Mannes über die Frau).
Lit.: Kaser § 59; Söllner §§ 8, 12, 15, 18, 24;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Köbler, LAW; Schröder, R.,
Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Teil 1f. 1863ff., Neudruck
1967; Brunner, H., Die fränkisch-romanische dos, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin
1894, 545; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935; Lorenz, E.,
Das Dotalstatut in der italienischen Zivilrechtslehre des 13. bis 16.
Jahrhunderts, 1965; Stagl, J., Favor dotis, 2009
Dotalitium (lat. [N.]) ist meist die
→Leibzucht oder das →Wittum.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 1 1885,
370; Bellomo, M., Ricerche sui rapporti patrimoniali, 1961
Dotalsystem (19. Jh.) ist
das auf der römischrechtlichen →dos aufbauende Ehegüterrecht, das von
der Gütertrennung ausgeht, bei der die Lasten der Ehe das Vermögen des Ehemanns
treffen, die Ehefrau aber mit ihrer in das Eigentum des Ehemanns übergehenden
dos die Ehelasten mittragen soll. Die Rezeption ändert das römische D. ab,
soweit es überhaupt aufgenommen wird. Mit den Kodifikationen geht das im
Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens
(1863) bereits nicht mehr erwähnte D. unter (BGB 1900, ZGB der Schweiz 1907).
Lit.: Söllner §§ 5, 9, 12, 18, 24; Hübner 664, 694
Dotation (F.) Ausstattung, Zuwendung,
Aussteuer
Lit.: Landau, P., Ius patronatus, 1975; Dröge, M.,
Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften, 2004
Dou de Bassols, Ramón Llàtzer de (1742-1832)
verfasst nach dem Rechtsstudium in Cervara (1760-1764) und einer anwaltlichen
Tätigkeit als Professor in Cervara die erste systematische Darstellung des
spanischen öffentlichen Rechtes (Instituciones del derecho público general en
España, 1800ff.), die sich in die drei Bücher Person, Sache, Gericht und
jeweils einen allgemeinen und besonderen Teil gliedert.
Lit.: Elias de Molins, A., Diccionario biográfico, Bd.
1 1889, 532
Do ut des (lat.). Ich gebe, damit du gibst.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 19, 5, 5, §1)
Douai
Lit.: Espinas, G., La vie urbaine de Douai, Bd. 1ff. 1913
Drakon ist der athenische Gesetzgeber
(Thesmothet), der 624 (bzw. 621/620) v. Chr. (?) das geltende Recht
veröffentlicht, in dem die Selbsthilfe (Blutrache) durch strenge Strafen
(drakonische Strenge) für Verbrechen ersetzt und die gewollte Tötung von der
ungewollten Tötung und der gerechtfertigten Tötung unterschieden ist.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Stroud, R.,
Drakon´s Law on Homicide, 1968; Gagarin, M., Drakon and Early Athenian Homicide
Law, 1981; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Bleicken, J., Die
athenische Demokratie, 4. A. 1995; Carawan, E., Rhetoric and the Law of Draco,
1998
Draufgabe (lat. [F.] →arrha) ist eine
Leistung bei Eingehung eines Vertrags, die als Zeichen des Abschlusses des
Vertrags gilt und im Zweifel auf die geschuldete Leistung anzurechnen oder bei
Erfüllung zurückzugeben ist. Sie besteht im gemeinen Recht, ist in der Gegenwart
aber nur von geringer Bedeutung.
Lit.: Kaser § 41; Hübner 543; Jagemann, E. v., Die
Draufgabe (arrha), 1873; Gastreich, F., Die Draufgabe, Diss. jur. Erlangen 1932
Drei ist eine im Recht häufiger verwendete Zahl (z. B.
aller guten Dinge [Gerichte] sind drei).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 285; Usener, H., Die Dreiheit, 2. A. 1922;
Meyer, H./Suntrup, R., Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, 1987,
Neudruck 1999; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Dreibund (N.) den 1879 zwischen dem Deutschen Reich und
Österreich-Ungarn geschlossenen Bund 1882 um Italien erweiternder Bund (1883
Beitritt Rumäniens, im ersten Weltkrieg Kündigung durch Italien, das 1915 den Alliierten
beitritt, Rumänien 1916)
Dreifelderwirtschaft ist die vom 8. bis zum 19. Jh.
verbreitete Form der Landwirtschaft, bei der jeweils ein Drittel des Ackerlands
mit Winterfrucht oder mit Sommerfrucht bebaut oder als Brache gelassen wird.
Bei der Dreizelgenwirtschaft ist dabei die gesamte Flur eines Dorfes in drei
etwa gleich große im Wechsel bewirtschaftete Teile aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 77, 174; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 46; Rösener, W.,
Bauern im Mittelalter, 1985; Brakensiek, S., Agrarreform, 1991; Rösener, W.,
Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter,
1992
Dreiklassenwahlrecht ist das die Wähler in drei Klassen
einteilende Wahlrecht (kopfzahlbezogenes D. erstmals im Gemeindegesetz Badens
vom 23. 8. 1821). Es widerspricht dem Grundsatz der Stimmengleichheit, indem es
bei dem steueranteilbezogenen D. z. B. Wählern mit höherem Steueraufkommen mehr
politischen Einfluss in einem zu wählenden Gremium gewährt (z. B. wählen in
Preußen 1849 bis 1918 etwa 4,7%, 12,6% und 82,6% der Wähler mittelbar je ein
Drittel der Abgeordneten). 1918 wird es spätetens aufgegeben (Preußen,
Braunschweig, Lippe, Sachsen-Altenburg, Waldeck). In Österreich besteht von
1849 bis 1918 ein D. für das Gemeindewahlrecht, bei dem ein Zensus den Kreis
der Wahlberechtigten einengt und die Wahlkörper eine unterschiedliche Zahl von
Gemeinderäten wählen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197; Gerlach, D.,
Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908; Boberach, H., Wahlrechtsfragen
im Vormärz, 1959 ;Kühne, T., Dreiklassenwahlrecht, 1994; Gerhards, J./Rössel,
J., Interessen und Ideen im Konflikt um das Wahlrecht, 1999
Dreiliniensystem ist eine Erbfolgeordnung in den drei Linien
Abkömmlinge, Aszendenten, Seitenverwandte.
Dreißigjähriger Krieg ist der von 1618 (Prager
Fenstersturz, 8. 11. 1620 Schlacht am Weißen Berg mit Niederlage der aufständischen
protestantischen Landstände Böhmens, 10. 5. 1627 Verneuerte Landesordnung für
Böhmen) bis 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, →Westfälischer
Friede) unter protestantenfreundlicher Beteiligung europäischer Mächte
(Dänemark 1625, Schweden 1630, Frankreich 1635) währende Religionskrieg im
Heiligen römischen Reich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Franz, G., Der
dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk, 1940, 3. A. 1961, 4. A. 1979;
Schormann, G., Der Dreißigjährige Krieg, 1985; Burkhardt, J., Der
Dreißigjährige Krieg, 1991; Kampmann, C., Reichsrebellion und kaiserliche
Arbeit, 1993; Wedgwood, C., Der 30jährige Krieg, 1978, 8. A. 1995, 9. A. 1996;
Oschmann, A., Der Nürnberger Exekutionstag 1649-1650, 1991; Schmidt, G., Der
Dreißigjährige Krieg, 1995, 4. A. 1999, 8. A. 2010; Englund, P., Die Verwüstung
Deutschlands, 1998; Findeisen, J., Der Dreißigjährige Krieg, 1998; Zwischen
Alltag und Katastrophe, hg. v. Krusenstjern, B. v. u. a., 1999; Bedürftig, F.,
Der Dreißigjährige Krieg, 2006; Kampmann, C., Europa und das Reich im
Dreißigjährigen Krieg, 2007; Sack, H., Der Krieg in den Köpfen, 2008; Fuchs, R.,
Ein Medium zum Frieden, 2008; Brockmann, T., Dynastie, Kaiseramt und
Konfession, 2009; Arndt, J., Der Dreißigjährige Krieg, 2009; Krüssmann, W.,
Ernst von Mansfeld (1580-1626), 2010; Crowne, W., Blutiger Sommer (1636), hg.
v. Ritter, A. u. a., 2011; Neuburger, A., Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung
im Schwäbischen Reichskreis, 2011; Duchhardt, H., 1648 – Das Jahr der
Schlagzeilen, 2015; Gotthardt, A., Der Dreißigjährige Krieg, 2016
Dreißigster (1221-1224 Sachsenspiegel) ist der dreißigste Tag nach dem Tod
eines Menschen und die als gesetzliches Vermächtnis daraus grundsätzlich sich
ergebende Verpflichtung der →Erben, bestimmten Familienangehörigen des
→Erblassers während der ersten 30 Tage nach dem selten genau
vorherbestimmten Erbfall Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Wohnung
und der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Eine dreißigtägige Beweinung kennt
bereits das alte Testament (5. Moses 34,8). Danach erscheint der D.
beispielsweise im →Sachsenspiegel (1221-1224). In der Zeit des Dreißigsten
ist der Erbe zwar schon Eigentümer, darf aber nicht im Widerspruch zum
Dreißigsten verfügen. Teilweise setzt das gemeine Recht den bis zum Dreißigsten
ruhenden Nachlass der römischrechtlichen (lat.) hereditas (F.) iacens (ruhenden
Erbschaft) gleich. Der D. ist noch geltendes Recht (§ 1969 BGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hübner 676f.; Hennecke, G.,
Das Recht des Dreißigsten, Diss. jur. Heidelberg 1909; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Dresden an der Elbe (sorb., Sumpfgebiet,
steinzeitliche Besiedlungsspuren, Ersterwähnung 1206, 1201?) erhält vielleicht
um 1150 eine Burg der wettinischen Markgrafen von Meißen. 1299 wird ihm das
Stadtrecht von Magdeburg bestätigt. Stadtbücher sind seit 1404 erhalten. Seit
1485 wird es Vorort der albertinischen Linie der Herzöge von Sachsen. 1828 wird
eine Technische Universität eingerichtet. 1945 wird D. weitgehend zerstört
(25000 Todesopfer). An der Technischen Universität wird 1991eine juristische
Fakultät eingerichtet, deren Auflösung 2004 beschlossen wird.
Lit.: Richter, O., Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
der Stadt Dresden, Bd. 1ff. 1885ff.; Butte, H., Geschichte Dresdens, 1967;
Streifzüge durch die Dresdener Justiz, 1999; Die Professoren der TU Dresden 1828-2003,
bearb. v. Petschel, D., 2003; Pommerin, R., Geschichte der TU Dresden
1828-2003, 2003; Hädecke, W., Dresden, 2006; Geschichte der Stadt Dresden, hg.
v. Blaschke, K. u. a., Bd. 1-3, 2005f.; Meinhardt, M., Dresden im Wandel, 2008;
Die Stadtbücher Dresdens, hg. v. Kübler, T. u. a., Bd. 1ff. 2007ff.; Meinhardt,
M., Dresden im Wandel, 2009; Die Zerstörung Dresdens, hg. v. Müller, R. u. a.,
2010
Dresdener Entwurf ist der - der Allgemeinen
Deutschen Wechselordnung von 1847/1848 und dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch
von 1861 folgende - in →Dresden in Sachsen auf Grund der nach
dreijährigen Beratungen 1862 beschlossenen Schaffung eines einheitlichen
Obligationenrechts (→Allgemeines Deutsches Gesetz über Schuldverhältnisse)
der Staaten des →Deutschen Bundes in einer Kommission beratene, 1866 noch
der Bundesversammlung zugeleitete, dort aber nicht mehr behandelte, Entwurf,
der infolge der Auflösung des Deutschen Bundes (1866) nicht Gesetz bzw.
allgemeines deutsches Recht wird, sich aber auf das Obligationenrecht der
Schweiz (1881) und den Allgemeinen Teil und das Schuldrecht des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (1896/1900) auswirkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 182;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/DRE1866-EntwurfeinesallgemeinendeutschenGesetzesueberSchuldverhaeltnisse.pdf;
Hedemann, J., Der Dresdener Entwurf von 1866, 1935; Dresdener Entwurf eines
allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse von 1866, hg. v.
Francke, B., 1973; Protocolle der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen
deutschen Obligationenrechts, Dresden 1866, 1984; Benöhr, H., Der Dresdener
Entwurf von 1866 und das Schweizerische Obligationenrecht von 1881, (in)
Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, 1982, 57
Drews, Bill (Drews, Wilhelm Arnold, Berlin 11. 02.
1870-Berlin 17. 02. 1938) wird 1917 Minister des Innern in Preußen, 1919
Staatskommissar für die Vorbereitung einer Verwaltungsreform Preußens und 1921
Präsident des Oberverwaltungsgerichts Preußens (bis 1937). 1927 legt er ein
Preußisches Polizeirecht vor. Er nimmt maßgeblichen Einfluss auf das
Polizeiverwaltungsgesetz Preußens von 1931.
Lit.: Naas, S., Die Entstehung des preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes
von 1931, 2003
Dritter ist die an einem Verhältnis zweier Personen
mittelbar beteiligte weitere Person.
Lit.: Barnert, E., Der eingebildete Dritte, 2008
Drittes Reich ist die (problematische)
Bezeichnung des →Deutschen Reiches in der vom →Nationalsozialismus
Adolf →Hitlers beherrschten Zeit zwischen dem 30. 1. 1933 und dem 8. 5. 1945.
Sie geht in möglichen Anfängen auf Joachim von Fiore (Celico um 1130-Fiore
1202), der Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes unterscheidet, zurück.
1923 weist A. Moeller van den Bruck (1876-1925) auf ein dem Heiligen römischen
Reich und dem Reich Bismarcks folgendes
D. R. hin. Dieses entwickelt sich in der Wirklichkeit zu einer totalitären
Diktatur, in der das Recht an vielen Stellen zum Instrument der Durchsetzung
des Nationalsozialismus wird. In ihm wird in einer Presseanweisung vom 10. 7.
1939 der Ausdruck D. R. verboten, weil die darin zwecks Sinnstiftung für das
Ungewisse verwendete Tradition inzwischen als entbehrlich angesehen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234, 242; Wust,
N., Das Dritte Reich, 1905; Mutius, G. v., Die drei Reiche, 1916; Neurohr, J.,
Der Mythos vom Dritten Reich, (1933, veröff. 1957); Hertel, H., Das Dritte
Reich in der Geistesgeschichte, 1934; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff.
1934ff.; Kobé, E., Die Idee eines Dritten Reiches im deutschen Idealismus,
Diss. phil. Wien 1939; Fraenkel, E., The Dual State, 1941; Schorn, H., Der
Richter im Dritten Reich, 1959; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten
Reich, 1960, 2. A. 1971; Mähl, H., Die Idee des goldenen Zeitalters im Werk des
Novalis, 1965; Hansen, Das Ende des Dritten Reiches, 1966; Scheffler, W.,
Judenverfolgung im Dritten Reich, 1966; Adam, U., Judenpolitik im Dritten
Reich, 1972, Neudruck 1979; Scholder, K., Die Kirche und das Dritte Reich, Bd.
1f. 1977ff.; Justiz im Dritten Reich, hg. v. Staff, I., 1979; Hildebrand, K.,
Das Dritte Reich, 1979, 6. A. 2003, 7. A. 2009; Schönbaum, D., Die braune
Revolution, 1980; Majer, D., Fremdvölkische im Dritten Reich, 1981; Broszat,
M./Möller, H., Das Dritte Reich, 1983; Wistrich, R., Wer war wer im Dritten
Reich, 1983; Hochschule und Wissenschaft im Dritten Reich, hg. v. Tröger, J.,
1984; Shirer, W., Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, 1984; Strafjustiz und
Polizei im Dritten Reich, hg. v. Reifner, U. u. a., 1984; Das große Lexikon des
Dritten Reiches, hg. v. Zentner, C. u. a., 1985; Wissenschaft im Dritten Reich,
hg. v. Lundgren, P., 1985; Schumacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im
Dritten Reich, 1985; Staatsrecht und Staatslehre im Dritten Reich, hg. v.
Böckenförde, E., 1985; Koenen, A., Der Fall Carl Schmitt, 1995; Justizalltag im
Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1988; Gruchmann, L., Justiz im
Dritten Reich 1933-1940, 1988, 2. A. 1990, 3. A. 2001; Kropat, W.,
Kristallnacht in Hessen, 1988; Puppo, R., Die wirtschaftliche Gesetzgebung des
Dritten Reiches, 1988; Schröder, R., .. aber im Zivilrecht sind die Richter
standhaft geblieben!, 1988; Rüthers, B., Entartetes Recht, 1988, 2. A. 1994;
Michelberger, H., Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1989; Recht und
Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Werle, G., Justiz -
Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989;
Rebentisch, D., Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989; Ortner,
H., Der Hinrichter, 1993, 2. A. 2012, 3. A. 2014 (Roland Freisler); Schmoeckel,
M., Die Großraumtheorie, 1994; Fürst, M., Politisches Strafrecht im Dritten
Reich, 1995; Die deutsche Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J.
u. a., 1995; Schindler, F., Paulus van Husen im Kreisauer Kreis, 1996;
Nunweiler, A., Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit und seiner
Aktualisierung im Dritten Reich, 1996; Herbert, U., Best, 1996, 6. A. 2016;
Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und der Kreisauer Kreis, 1997; Die deutsche
Herrschaft in den „germanischen“ Ländern, hg. v. Bohn, R., 1997; Bedürftig, F.,
Lexikon Drittes Reich, 1997; Kroll, F., Geschichtsdenken und politisches
Handeln im Dritten Reich, 1997; Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe
im Dritten Reich, 1997; Friedländer, S., Das Dritte Reich und die Juden, 1998;
Biographisches Lexikon zum Dritten Reich, hg. v. Weiß, H., 1998; Michelberger,
H. Berichte aus der Justiz des Dritten Reiches, 1998; Hummel, K., Deutsche Geschichte
1933-1945, 1998; Die juristische Aufarbeitung des Unrechtsstaats, hg. v. d.
Redaktion Kritische Justiz, 1998; Klaus, M., Mädchen im Dritten Reich, 1998;
Perels, J., Das juristische Erbe des Dritten Reiches, 1999; Wendt, B., Das
Dritte Reich, 1999; Schwerin, F. Graf v., Helmuth James Graf von Moltke, 1999;
Benz, W., Geschichte des Dritten Reiches, 2000; Ellmann, M., Hans Lukaschek im
Kreisauer Kreis, 2000; Die tödliche Utopie, hg. v. Dahm, V. u. a., 3. A. 2001;
Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Science in the Third Reich,
hg. v. Szöllösi-Janze, M., 2001; Schott, A., Adam Trott zu Solz, 2001; Studt,
C., Das Dritte Reich in Daten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v.
Zumbansen, P., 2002; Rauh-Kühne, C., Hitlers Hehler?, HZ 275 (2002), 54;
Beevor, A., Berlin 1945, 2002; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im Dritten
Reich, 2003; James, H., Die Deutsche Bank im Dritten Reich, 2003; Hildebrand,
K., Das Dritte Reich, 6. A. 2003; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag im
Dritten Reich, 2003; Unschuld, P., Chronik des Rotary Clubs München, 2003;
Klee, E., Das Personenlexikon zum Dritten Reich, 2003, 5. A. 2015; Tofahrn, K.,
Chronologie des Dritten Reiches, 2003; Pohl, D., Verfolgung und Massenmord in
der NS-Zeit 1933-1945, 2003, 3. A. 2011; Malinowski, S., Vom König zum Führer,
2003; Angrick, A., Besatzungspolitik und Massenmord, 2003; Ciernoch-Kujas, C.,
Ministerialrat Franz Massfeller (1902-1966), 2003; Regimekritik, Widerstand
und Verfolgung in Deutschland und den besetzten Gebieten, hg. v. Boberach. H. -
Erschließungsband zur Mikroficheedition 2003; Heinemann, I., Rasse, Siedlung,
deutsches Blut, 2003; Stufen zum Galgen, hg. v. Pätzold, K. u. a., 2004; Kater,
M., Hitler-Jugend, 2004; Evans, R., Das Dritte Reich, Bd. 1 2004; Mühlberger,
D., Hitler’s Voice, 2004; Bartels, U., Die Wochenschau im Dritten Reich, 2004;
Hayes, P., Die Degussa im Dritten Reich, 2004; Ley, A., Zwangssterilisation und
Ärzteschaft, 2004; Gall, L., Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft,
HZ 279 (2004) 659; Huppuch, W., Eugen-Rosenstock-Huessy (1888-1973), 2004;
Frei, N., 1945 und wir, 2005; Das Europa des Dritten Reichs, hg. v. Bähr,
J./Banken, R., 2005; Finger, T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161;
Hamburg im Dritten Reich, hg. v. d. Forschungsstelle für Zeitgeschichte
Hamburg, 2005; Lindner, S., Hoechst, 2005; Bastian, T., High Tech unterm
Hakenkreuz, 2005; Stürickow, R., Kriminalfälle im Dritten Reich. Berlin, 2005;
Werner, C., Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW, 2005; Braun, K., Dr.
Otto Thierack (1889-1946), 2005; Confront! Resistance in Nazi Germany, hg. v.
Michalczyk, J., 2. A. 2005; Köhler, I., Die Arisierung der Privatbanken, 2005;
Kißener, M., Das Dritte Reich, 2005; Olick, J., In the House of the Hangman,
2005; Gesche, K., Kultur als Instrument der Außenpolitik totalitärer Staaten,
2006; Voß, R., Johannes Popitz, 2006; Einhaus, C., Zwangssterilisation in Bonn
(1934-1945), 2006; Winstel, T., Verhandelte Gerechtigkeit, Rückerstattung und
Entschädigung für jüdische NS-Opfer, 2006; Schenk, D., Hans Frank, 2006;
Schäfer, K., Werner von Blomberg, 2006; Zwicker, S., Nationale Märtyrer -
Albert Leo Schlageter und Julius Fučik, 2006; Tent, J., Im Schatten des
Holocaust. Schicksale deutsch-jüdischer „Mischlinge“, 2007; Die NS-Gaue
-regionale Mittelinstanzen, hg. v. John, J., 2007; Rohrer, F., Strafjustiz im
Dritten Reich und in der SBZ/DDR, 2007; Hürter, J., Hitlers Heerführer, 2006,
2. A. 2007; Lübbe, H., Vom Parteigenossen zum Bundesbürger, 2007; Schmerbach,
F., Das Gemeinschaftslager Hanns Kerrl für Referendare in Jüterbog 1933-1939,
2008 (rund 20000 Referendare, systemstabilisierende Wirkung); Bähr, J. u. a.,
Der Flick-Konzern im Dritten Reich, 2008; Stirken, H., Der Kölner Justizalltag
im zweiten Weltkrieg, 2008; Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933,
hg. v. Schoeps, J. u. a., 2008 (ab März 1933 94 Bücherverbrennungen in 62
Städten); Ribbentrop, R. v., Mein Vater Joachim von Ribbentrop, 2008;
Universitäten und Studenten im Dritten Reich, hg. v. Scholtyseck, J. u. a.,
2008; Kontinuitäten und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im Dritten Reich
und in der Nachkriegszeit, hg. v. Schumann, E., 2008; Harris, W., Tyrannen vor
Gericht, 2008; Longerich, P., Heinrich Himmler, 2008; Schlick, C., Apotheken im totalitären Staat,
2008; Das Dritte Reich, hg. v. Süß, D. u. a., 2008; Die Charité im Dritten Reich,
hg. v. Schleiermacher, S. u. a., 2008; Drecoll, A., Der Fiskus
als Verfolger, 2009; Tofahrn, K., Das dritte Reich und der Holocaust, 2008;
Koop, V., Himmlers letztes Aufgebot, 2008; Schleusener, J., Eigentumspolitik
im NS-Staat, 2009; Bevers, J., Der Mann hinter Adenauer, 2009; Gathmann, P. u.
a., Narziss Goebbels, 2009; Ladwig-Winters, S., Ernst Fraenkel, 2009; Lüdicke,
L., Griff nach der Weltherrschaft, 2009; Die Katholiken und das Dritte Reich,
hg. v. Hummel, K./Kißener, M., 2009, 2. A. 2010; Nie mehr zurück in dieses
Land, hg. v. Gerhardt, U. u. a., 2009; Zelle, K., Hitlers zweifelnde Elite,
2010; Verfemt und verboten, hg. v. Schoeps, J. u. a., 2010; Kasseckert, C.,
Straftheorie im Dritten Reich, 2010; Conze, E. u. a., Das Amt und die
Vergangenheit, 2010; Koop, V., In Hitlers Hand, 2010; Iselt, K.,
Sonderbeauftragter des Führers, 2010; Longerich, P., Joseph Goebbels, 2010;
Selbstmobilisierung im Dritten Reich, hg. v. Dinckal, N. u. a., 2010; Rüstung,
Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit im „Dritten Reich“, hg. v. Heusler, A. u. a.,
2010; Allert, T., Der deutsche Gruß, 2010; Buddecke, J., Endstation Anatomie,
2010; Hausmann, M., Die Geisteswissenschaften im „Dritten Reich“, 2011;
Reichskommissariat Ostland, hg. v. Lehmann, S., 2011; Blatman, D., Die Todesmärsche
1944/45, 2011 (mit etwa 250000 Toten); Kramer, N., Volksgenossinnen an der
Heimatfront, 2011; Jasch, C., Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die
Judenpolitik, 2011; Brinkhus, J., Luftschutz und Versorgungspolitik, 2011;
Lustiger, A., Rettungswiderstand, 2011 (200 Retter aus insgesamt 100000
Rettern verfolgter Juden in 30 Ländern); In Nürnberg machten sie ein Gesetz, hg. v. Beutin, L. u. a., 2011;
Steiner, Z., The Triumph of the Dark, 2011; Fremde Blicke auf das Dritte Reich,
hg. v. Bajohr, F. u. a., 2011; Schmelz, C., Der Völkerrechtler Gustav Adolf
Walz, 2011; Kellner, F., Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne – Tagebücher
1939-1945, 2011; Hachtmann, R., Das Wirtschaftsimperium der Deutschen
Arbeitsfront 1933-1945, 2012; Herzer, M., Auslandskorrespondenten und
auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich, 2012; Eichmann in Jerusalem, hg. v.
Ambos, K. u. a., 2012; Interessen um Eichmann, hg. v. Renz, W., 2012; Koop, V.,
Martin Bormann Hitlers Vollstrecker, 2012; Galler, C., Die Spinnhütte Celle im
Nationalsozialismus, 2012; Pahl, M., Fremde Heere Ost, 2012; Ungleichheiten im
„Dritten Reich“, hg. v. Kramer, N. u. a., 2012; Broichmann, C., Der außerordentliche
Einspruch im Dritten Reich, 2013 (21 Fälle von Verfahren vor dem besonderen
Strafsenat des Reichsgerichts, 92 Fälle vor dem besonderen Senat des
Volksgerichtshofs, jeweils hohe Zahl von Todesurteilen); Grenzen des
katholischen Milieus, hg. v. Kuropka, J., 2013; Schlosser, H., Sprache unterm
Hakenkreuz, 2013; Kuwalek, R., Das Vernichtungslager Belzec, 2013 (rund 450000
Vernichtungen); Scheil, S., Ribbentrop, 2013; Sassin, H., Carl Goerdeler, 2013;
Weis, S., Leben und Werk des Juristen Karl Hermann Friedrich Julius Geiler
(1878-1953(, 2013; Gross, R., November 1938, 2013; Vollmer, A. u. a., Stauffenbergs
Gefährten, 2013; Bahro, B., Der SS-Sport, 2013; Der Tag von Potsdam, hg. v.
Kopke, C. u. a., 2013 (21. März 1933); Benz, W., Theresienstadt, 2013; Nonn,
C., Theodor Schieder, 2013; Becker, M., Mitstreiter im Volkstumskampf, 2014;
Lüdicke, L., Constantin von Neurath, 2014; Roos, D., Julius Streicher und „Der
Stürmer“ 1923-1945, 2014; Kukowski/M./Boch, R., Kriegswirtschaft und
Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz, 2014; Das Auswärtige Amt und
seine umstrittene Vergangenheit, hg. v. Sabrow, M. u. a., 2014; Nagel, A.,
Johannes Popitz, 2015; Kulish, N., Dr. Tod, 2015; Wolz, A., Ribbentrop und die
deutsche Außenpolitik 1934-1936 (in) HZ 300 (2015) 374; Schaub, H.,
Abwehr-General Erwin Lahousen, 2015; Tesch, S., Albert Speer (1905-1981), 2015;
Das Reichsjustizministerium und die höheren Justizbehörden in der NS-Zeit
(1935-1944), hg. v. Schubert, W., 2015; Hans von Dohnanyi, Verschwörer egen
Hitler, hg. v. Meyer, W., 2015; Eid und Gewissen – Zwischen Hitlers
Mühlsteinen, hg. v. Schmidt von Altenstadt, U. v. u. a., 2015; Gab es einen
Stalin-Hitler-Pakt?, hg. v. Koch, C., 2015Gafke, M., Heydrichs „Ostmärker“,
2015; Schanetzky, T., Kanonen statt Butter, 2015; Heller, H., Die
Zivilrechtsgesetzgebung im Dritten Reich. 2015; Nehmer, B., Das Problem der
Ahndung von Einsatzgruppenverbrechen durch die deutsche Justiz, 2015; Möller,
H., Regionalbanken im Dritten Reich, 2015 (hauptsächlich Bayern); Darnstädt,
T., Nürnberg. Menschehitsvebrechen vor Gericht 1945, 2015; Roth, M., Ihr wisst,
wollt es aber nicht wissen – Verfoolgung, Terror und Widerstand m Dritten
Reich, 2015; ; Hoffmann, M./Kuhn, N., Hitlers Kunsthändler – Hildebrand Gurlitt
1895-1956, 2016; Wegener, T., Die Bevölkerung hat größtes Vertrauen zum Führer,
2016; Gross, N., Reinhold Frank, 2016; Herbert, U., Das Dritte Reich, 2016;
Sallek, B., Strafverteidigung in den Nürnberger Prozessen, 2016; Götzen – Die
Autobiographie von Adolf Eichmann, hg. v. Ben Nescher, R., 2016; Trommer, I.,
Rechtfertigung und Entlastung – Albert Speer in der Bundesrepublik, 2016;
Büschel, H., Hitlers adliger Diplomat, 2016 (Carl Eduard Herzog von
Sachsen-Coburg und Gotha); Evans, R., Das Dritte Reich – Geschichte und
Erinnerung im 21. Jahrhundert, 2016 (28 Essays); Bera, M., Lobbying Hitler,
2016; Orth, R., Der Amtssitz der Opposition?, 2016; Das „Dritte Reich“ nach
Hitler, v. Hesse, K., 2016; Urwand, B., Der Pakt – Hollywoods Geschäfte mit
Hitler, 2017; Kilian, J., Finanzkontrolle und Ausbeutung – Das
Reichsfinanzministerium und die wirtschaftliche Mobilisierung Europas für Hitlers
Krieg, 2017 (ab 1941 wurde etwa ein Drittel der deutschen Kriegskosten durch
besetzte Länder gedeckt); Gies, H., Richard Walther Darré – Der
Reichsbauernführer, 2019
Drittschadensliquidation ist die Ersetzung eines einem
Dritten entstandenen Schadens durch den Schuldner eines Schuldverhältnisses.
Sie ist dem römischen Recht und dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) an
sich fremd, für bestimmte Fallgestaltungen seit einer Entscheidung in Lübeck
vom 20. 1. 1855 und einer dogmatischen Erörterung Zimmermanns (1858) aber
gewohnheitsrechtlich anerkannt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 184; Reichard,
I., Die Frage des Drittschadensersatzes im klassischen römischen Recht, 1992;
Schroeter, H., Die Drittschadensliquidation in europäischen Privatrechten,
1995; Neuner, J., Die Entwicklung der Haftung für Drittschäden, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 193
Drittschutz ist der Schutz eines Dritten durch ein
Verhältnis zwischen zwei anderen.
Lit.: Hofer, S., Drittschutz und Zeitgeist, ZRG GA 117 (2000), 377
Drittwiderspruchsklage ist die als Interventionsklage
entwickelte Klage des angeblichen oder wirklichen Inhabers eines die
Veräußerung hindernden Rechtes an einem Gegenstand (z. B. Eigentum) gegen die
Zwangsvollstreckung in den betreffenden Gegenstand.
Lit.: Picker, E., Die Drittwiderspruchsklage, 1981
Drittwirkung ist die Wirkung gegenüber Dritten.
Grundsätzlich wirken sich Rechte in einem Schuldverhältnis nur zwischen Gläubiger
und Schuldner (relativ) aus, so dass im römischen Recht sogar Stellvertretung,
Abtretung und Schuldübernahme Schwierigkeiten bereiten. Dagegen wirken
Sachenrechte gegenüber jedermann (absolut). Die D. von Grundrechten wird in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s erörtert (z. B. Nipperdey), aber überwiegend
verneint.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Fabisch, D., Die
unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht, 2010
Drohung (775) ist das Inaussichtstellen eines Übels.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
droit (M.) commun (franz.) gemeines Recht
Lit.: Bourjon, F., Le droit commun de la France et la
coutume de Paris reduits en principes, 1747; Petot, P., Le droit commun en
France selon les coutumiers, RH 38 (1960), 412
Droit (M.) coutumier (franz.) ist das in
→coutumiers aufgezeichnete Gewohnheitsrecht (coutume) (im Norden
Frankreichs).
droit (M.) écrit (franz.), Schriftrecht, römisches
Recht (im Süden Frankreichs)
droit (M.) intermédiaire (franz.) das zwischen französischer Revolution von 1789
und den Kodifikationen Napoleons (1804ff.) durch Einzelgesetze geschafffene
französische Recht
Drost (M.) aus mnd. drossete (Truchsess) gebildete
Bezeichnung eines örtlichen Verwaltungsamtsträgers in Norddeutschland und
Westdeutschland vom 13. bis zum 19. bzw. 20. Jh.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte des preußischen Verwaltungsrechts, Bd.
1ff. 1884ff.; Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und
Verden, 2002; Blazek, M., Von der Landdrostey zur Bezirksregierung, 2004
Druck ist das Einwirken auf einen Gegenstand mit
Gewicht oder Kraft. Seit etwa 1440 (1454?) werden Texte durch farbigen Abdruck
einer Vorlage auf Papierblätter (Buchdruck mit beweglichen Lettern seitens
Johannes Gutenbergs) vervielfältigt (z. B. Bibel in 42 Zeilen je Seite).
Einblattdrucke (z. B. Ablassbriefe, Gebete, Mahnschreiben) werden ab 1475
häufig.
Lit.: Eisermann, F., Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke im
Heiligen römischen Reich deutscher Nation, Bd. 1ff. 2004; Westphal, J., Die
Darstellung von Unrecht in Flugblättern der frühen Neuzeit, 2008
Druckprivileg ist das seit Erfindung des
Buchdrucks (1440-1454) auf Grund des vom Kaiser beanspruchten Buchregals in
Übung kommende herrscherliche, meist zeitlich begrenzte, mit Strafgeldern und
Vermögenseinziehung bewehrte Privileg, zum Schutz vor allem der Drucker und
auch Verleger sowie mittelbar letztlich auch der Urheber ein bestimmtes Buch
ausschließlich zu drucken und dementsprechend Nachdrucke Nichtprivilegierter
zu bekämpfen (Venedig 1469 auf fünf Jahre befristetes, ausschließliches
Privileg Bücher zu drucken für Johan von Speyer [† 1470]], Herzog von Mailand
1481 Nachdrucksverbotsprivileg, im Heiligen römischen Reich 1501 Nachdruckprivileg
für Conrad Celtis, Frankreich 1507, England 1518). Das vielfach erteilte und
meist im jeweiligen Werk auch abgedruckte D. wird auf Drängen der Buchhändler
und Verleger seit dem 19. Jh. durch das sie und die Urheber vollkommener
schützende →Urheberrecht (Preußen 11. 6. 1837 Gesetz zum Schutze des
Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck) abgelöst.
Lit.: Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774;
Bluntschli, J., Deutsches Privatrecht Bd. 1, 1853; Eisenhardt, U., Die
kaiserliche Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Gieseke,
L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E., Geistiges Eigentum, 1996;
Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs im 19. Jahrhundert,
2007
Dualismus ist grundsätzlich jede Lehre, die
von zwei voneinander unabhängigen meist gegensätzlichen Gegebenheiten ausgeht.
In diesem Sinne besteht seit dem 14. Jh. ein (durch gegenseitige vertragliche
Treuebindung befriedeter) ständisch-monarchischer D. (Otto von Gierke 1868)
zwischen Landesherr und Landständen, der im Absolutismus zu Lasten der
Landstände (vor allem in Österreich und Preußen) weitgehend verschwindet. In
Österreich sind nach 1867 dualistische Angelegenheiten die in
übereinstimmenden Beschlüssen des österreichischen Reichsrats und des ungarischen
Reichstags geregelten Angelegenheiten (Münzwesen, Zollgesetzgebung,
Eisenbahnlinien, Wehrsystem), deren Verwaltung in Österreich und Ungarn
jeweils eigenständig erfolgt.
Lit.: Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Thouzellier, C., Livre de deux principes, 1973;
Rosenau, K., Hegemonie und Dualismus, 1986; Vormünder des Volkes?, 1999;
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der
österreichisch-ungarischen Monarchie, 2001
Duaren, François (Bourges 1509-1559),
adliger Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges und nach weiteren
Studien bei Budé Advokat am Parlament von Paris und 1538 Nachfolger Alciats in
Bourges. 1544 setzt er sich in der Schrift (lat.) De ratione docendi discendi
iuris (Von der richtigen Art Recht zu lehren und zu lernen) für eine moderne
Studiengestaltung (lat. →mos [M.] Gallicus) mit Einführungslehrveranstaltungen,
guten Sprachkenntnissen und neuer Methodik ein. Sein gleichzeitig erscheinender
Kommentar über Verträge beeinflusst die Entwicklung des Schuldrechts (u. a.
Grundsatz der Beschränkung der Herausgabe des ungerechtfertigt Erlangtem auf
die noch vorhandene Bereicherung).
Lit.: Vogt, W., Franciscus Duarenus, 1971
Dublin in Irland erscheint im 3. Jh. 1171
erhält es das Stadtrecht von Bristol. 1591 bzw. 1909 werden Universitäten
gegründet. Seit 1922 ist D. Hauptstadt Irlands.
Lit.: Stewig, R., Dublin, 1959
Duderstadt
Lit.: Bilgenroth-Barke, H., Kriminalität und Zahlungsmoral im 16.
Jahrhundert, 2010
Duell ist der geordnete Waffenkampf
zweier Streitender (zur Sühnung einer Ehrverletzung). Wurzeln des Duells
reichen vielleicht in die Vorzeit zurück. Im Frühmittelalter durchaus
allgemein häufig, tritt im Hochmittelalter der ritterliche Zweikampf zu Ross
mit Schild und Lanze in den Vordergrund. Im engeren Sinn entwickelt sich das D.
erst in der Neuzeit. Vom 17. Jh. an wird es unter strenger Strafandrohung ohne
besonderen Erfolg verboten. Erst nach Ende der adelsgeprägten Gesellschaft
(1918) verschwindet das ernsthafte D. gänzlich. Seit 1969 gelten die
allgemeinen Strafrechtsnormen, wovon freilich rechtstatsächlich die
studentische Mensur noch nicht erfasst wird.
Lit.: Below, G. v., Das Duell in Deutschland, 1896;
Fehr, H., Der Zweikampf, 1908; Prokowsky, D., Die Geschichte der
Duellbekämpfung, Diss. jur. Bonn 1965; Slawig, J., Der Kampf gegen das
Duellwesen, Diss. jur. Münster 1986; Kiernan, V., The Duel in European history,
1988; Dieners, P., Das Duell, 1992; MacAleer, K., Dueling, 1994; Bringmann, T.,
Reichstag und Zweikampf, 1997; Schmiedel, H., Berüchtigte Duelle, 2000;
Schlink, B., Das Duell im 19. Jahrhundert, NJW 2002, 537; Walter, W., Das Duell
in Bayern, 2002; Baumgarten, R., Zweikampf, 2002; Das Duell, hg. v. Ludwig, U.
u. a., 2011; Geifes, S., Das Duell in Frankreich 1789-1830, 2013; Ingold, F.,
Das russische Duell, 2015; Ludwig, U., Das Duell im alten Reich, 2016
Duguit, Léon (Libourne/Frankreich
1859-Bordeaux 1928), Professor des öffentliches Rechtes in Caen und Bordeaux
(1892), sieht den Staat positivistisch-realistisch als bloße Gruppe von an
einer Aufgabe arbeitenden, von Regierenden gelenkten und kontrollierten
Menschen an.
Lit.: Dumas, u. a., A la mémoire de Léon Duguit, 1929;
Grimm, D., Solidarität als Rechtsprinzip, 1973
Duisburg an der Mündung der Ruhr in den
Rhein ist (883/884) Pfalz (Dispargum) des fränkischen Königs, wird 1129 (?)
Stadt (regia villa) und kommt 1290 als Pfand vom König an Kleve und damit 1614
an Brandenburg. Von 1655 bis 1818 (dann Bonn) ist es Sitz einer von Preußen
gegründeten Universität, seit 1972 Sitz einer Gesamthochschule (1980 Universität).
Lit.: Geschichte der Universität Duisburg, hg.
v. Ering, W., 1920; Ahrens, T., Aus der Lehr- und Spruchtätigkeit der alten
Duisburger Juristenfakultät, 1962; Roden, P. v./Jedin, H., Die Universität
Duisburg, 1968; Roden, P.. v., Geschichte der Stadt Duisburg, 1970ff.;
Komorowski, M., Bibliographie der Duisburger Universitätsschriften (1652-1817),
1984; Born, G./Kropatschek, F., Die alte Universität Duisburg, 1992; Die
Protokolle des Duisburger Notgerichts 1537-1545, hg. v. Mihm, M., 1994; Zur
Geschichte der Universität, hg. v. Hantsche, I., 1997; Jägers, R., Duisburg im
18. Jahrhundert, 2001; Zur Geschichte der Universität Duisburg 1655-1818, hg.
v. Geuenich, D. u. a., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche Stadtrechungen im
historischen Prozess, Bd. 1f. 2007f.
Du Moulin (Molinaeus, Dumoulin), Charles
(1500-1566), aus einer Juristenfamilie, wird nach dem Sprachstudium bei Budé
und dem Rechtsstudium in Poitiers und Orléans 1522 Advokat in Paris und gelangt
nach seiner Vertreibung wegen seiner Zugehörigkeit zum Calvinismus über Basel,
Genf und Straßburg 1553-1555 als Rechtslehrer nach Tübingen. 1539 kommentiert
er die Coutume von Paris von 1510, 1567 zahlreiche französische Gewohnheitsrechte
(Le grand coutumier).
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Du Moulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Thireau, J., Charles Du Moulin, 1980
Dundee wird 1200 erwähnt. 1883/1967
erlangt es eine Universität. Seit 1889 ist es Stadt.
Lit.: Maxwell, A., Old Dundee, 1891
Duoviri (lat. [M.Pl.] Zweimänner) sind im
altrömischen Recht ein Organ des Strafverfahrens, im spätantiken römischen
Recht ein gemeindliches Verwaltungsorgan.
Lit.: Kaser § 80; Köbler, DRG 20, 55
duplum (lat. [N.]) Doppeltes
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 65
Durantis (Duranti), Guilelmus der Ältere (Speculator)
(Puimoisson/Languedoc (1230?) 1237-Rom 1. 11. 1296) wird nach dem Rechtsstudium
in Lyon? und Bologna (1255, doctor decretorum) Rechtslehrer in Modena und
vielfältiger päpstlicher Amtsträger (1271 Richter, 1279 Dekan in Chartres, 1286
Bischof von Mende/Südfrankreich). Sein vierbändiges, in mindestens 130 Handschriften
überliefertes Hauptwerk (lat. →Speculum [N.] iudiciale, Gerichtsspiegel,
1271-vor 1276, 2. A. 1289-1291, Druck Straßburg 1473, Neudruck 1975) behandelt,
dem Ablauf eines Prozesses folgend, in vier Teilen (Personen, Zivilsachen,
Kriminalsachen, einzelne Klagen) in erschöpfender Sammlung und Verwaltung der
prozessrechtlichen Literatur das gesamte geistliche Gerichtsrecht unter
Berücksichtigung vieler Formulare.
Lit.: Köbler, DRG 107; Savigny, F. v., Geschichte des
römischen Rechtes im Mittelalter, 2. A. Bd. 5 1850, 571; Guillaume Durand, hg.
v. Gy, P., 1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd.
2 2007, 478
Durchgangserwerb ist der nur durchgangsweise
erfolgende Erwerb eines Rechtes, das unmittelbar nach Eingang in das Vermögen
des Durchgangserwerbers aus diesem wieder ausscheidet.
Lit.: Weyand, S., Der Durchgangserwerb, 1989
Durch zweier Zeugen Mund wird die Wahrheit kund.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 360 (Simrock 1846)
Durlach
Lit.: Mührenberg, A., Kleine Geschichte Durlachs, 2009
dux (lat. [M.]) Feldherr, Führer, Herzog (z. B. im
westfränkischen Reich dux Britonum 860, dux Aquitanorum 909, dux Burgundiae
918, dux Francorum 937, dux Normannorum 1006, dux Gasconum 1022, dux Narbonae
1088)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Sprandel, R.,
Dux und comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Kienast, W., Der
Herzogstitel in Frankreich und Deutschland, 1968; Ebling, H., Prosopographie
der Amtsträger, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Gasparri, S., I
duchi longobardi, 1978; Holzfurtner, L., Gloriosus dux, 2003; Geist, S., Der
gescheiterte Feldherr, 2009
Dynastie (Herrschergeschlecht)
→Merowinger, →Karolinger, →Ottonen (bzw. Sachsen),
→Salier, →Staufer, →Welfen, →Babenberger,
→Wittelsbacher, Luxemburger, →Wettiner, →Hohenzollern,
→Habsburger, Kapetinger, Bourbonen, Stuart u. a.
Lit.: Schmid, K., Zur Problematik von Familie, Sippe
und Geschlecht, Haus und Dynastie, ZGO 105 (1957); Sokop, B., Stammtafeln
europäischer Herrscherhäuser, 1976; Thoma, G., Namensänderungen in Herrscherfamilien
des mittelalterlichen Europa, 1985; Sokop, B., Stammtafeln europäischer
Herrscherhäuser, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und
die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Durschmied, E., Der Untergang großer
Dynastien, 2000; Bedrohte Ordnungen - Geboren um zu herrschen?, hg. v. Widder,
E. u. a., 2014
E
Ebel, Wilhelm (Garsuche/Schlesien 7. 6. 1908-Göttingen 22. 6.
1980) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Geschichte und Sprachen in
Königsberg, Heidelberg und Bonn 1933 bei Adolf Zycha in Bonn promoviert, 1936
habilitiert und 1938 nach Rostock berufen. 1939 wechselt er als Nachfolger
Herbert Meyers nach Göttingen (bis 1945, ab 1954), wo er 1965 vorzeitig emeritiert
wird. Besonders verdient macht er sich durch Arbeiten zum lübischen Recht und
durch Quelleneditionen.
Lit.: Landwehr, G., Wilhelm Ebel, ZRG GA 98 (1981), 467; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995
Ebenburt →Ebenbürtigkeit
Ebenbürtigkeit (Ebenburt) ist die von der Gleichheit des
(Geburts-)Standes abhängige rechtliche Gleichheit. Ihr ähnelt im römischen
Recht das →conubium. Wann im Mittelalter E. eine Voraussetzung einer
Rechtsfolge wird, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Immerhin ist
erkennbar, dass seit der karolingischen Zeit der Hochadel nahezu ausnahmslos
unter sich heiratet. Später zeigen sich Auswirkungen auch im Verfahrensrecht
(E. der Urteiler, der Zeugen, des kampflich Ansprechberechtigten). Mit dem
Verlust der Vorrangstellung des Adels verschwindet (spätestens 1918) auch die
rechtliche Bedeutung der E. weitgehend.
Lit.: Köbler, DRG 120; Pütter, J., Über Missheiraten
teutscher Fürsten und Grafen, 1796; Göhrum, C., Geschichtliche Darstellung der
Lehre von der Ebenbürtigkeit, 1846; Dungern, O. v., Das Problem der
Ebenbürtigkeit, 1905; Anschütz, G., Das Reichskammergericht und die
Ebenbürtigkeit, ZRG GA 27 (1906), 172; Minnigerode, H. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des
Spätmittelalters, 1993; Willoweit, D., Standesungleiche Ehen des regierenden
hohen Adels in der neuzeitlichen deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Detzer, J.,
Faber und Castell – eine passende Verbindung?, 2018
Ebenteuer (N.) Sicherstellung (z. B. des Erwerbers eines ohne
Erbenlaub veräußerten Gutes unmündiger Kinder) durch gleichen Wert (z. B.
Pfand)
Lit.: Mayer-Maly, T., Ebenteuer, ZRG GA 72 (1955), 216
Ebstorf
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Ebstorf, hg. v. Jaitner, K., 1985; Die
Ebstorfer Weltkarte, hg. v. Kugler, H., 2007
ecclesia (lat. [F.]) Kirche
Ecclesia non sitit sanguinem (lat., die Kirche dürstet nicht
nach Blut) ist eine mittelalterliche Rechtsregel unbekannter Herkunft, die
begründet, weshalb Geistliche nicht an Verfahren teilnehmen dürfen, die zu
einer →Todesstrafe oder Verstümmelungsstrafe führen können. Sie wird im
Hochmittelalter sichtbar (Westminster 1173, Rouen 1190, Dublin 1214). Sie hat
zur Folge, dass die Kirche in ihren weltlichen Herrschaftsgebieten
Gerichtshalter (Vögte) einsetzen muss, die für sie das Blutgericht ausführen.
Zumindest inhaltlich nicht an ihre Selbstbeschränkung hält sich die Kirche
gegenüber Ketzern, Zauberern und Hexen. Auch bei Kreuzzügen scheut die Kirche
vor dem Blutvergießen nicht zurück.
Lit.: Stickler, A., Il gladius negli Atti dei concili,
Salesianum 13 (1951), 414; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ecclesia vivit lege Romana (lat., die Kirche lebt nach
römischem Recht) ist eine beispielsweise in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria
(61) des 7. Jh.s bezeugte mittelalterliche Rechtsregel, die zum Ausdruck
bringt, dass die christliche Kirche grundsätzlich römische Rechtsgedanken
angenommen hat und ihre Geltung für ihre Angehörigen einfordert. Stellenweise
grenzt sich die Kirche aber auch bewusst vom römischen Recht ab.
Lit.: Biondi, B., Il diritto Romano Cristiano,
1952ff.; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechtes in der Kirche, ZRG KA
73 (1956), 1; Fürst, C., Ecclesia vivit lege Romana?, ZRG KA 92(1975), 17; Liebs,
D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Lex Ribvaria 763/4)
Echte Not ist die von der mittelalterlichen
Rechtsordnung als Ausnahmetatbestand einer Rechtsregel anerkannte besondere
Lage (z. B. ist Säumnis im Verfahren bei echter Not [z. B. Krankheit, Haft,
Unwetter, Krieg, Kreuzzug] entschuldigt), deren Wirkung in dem Satz Echte Not
kennt kein Gebot zum Ausdruck kommt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schmidt, A., Echte Not, 1888; Sousa Costa, A.
de, Studien zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993,
151
Echtes Ding ist das nicht besonders gebotene,
regelmäßig zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindende →Ding.
Eckhardt, Karl August (Witzenhausen 5. 3. 1901-Witzenhausen 29. 1.
1979); Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in
Marburg 1922 vier Wochen nach der ersten juristischen Staatsprüfung bei Walther
Merk mit einer Dissertation über die Witzenhäuser Schwabenspiegelhandschrift
promoviert und 1924 mit 23 Jahren in Göttingen bei Herbert Meyer mit einer
Schrift über den Deutschenspiegel für deutsches Recht habilitiert. 1928 wird
er ordentlicher Professor in Kiel, 1932 (mit bereits mehr als 70
Veröffentlichungen) an der Handelshochschule Berlin, dann in Bonn, 1933 in
Kiel, 1934 für Geschichte in Berlin und Hauptreferent für Recht, Staat,
Politik, Wirtschaft und Geschichte der Hochschulabteilung des Reichs- und
preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
(Eckhardtsche juristische Studienreform). 1936 wechselt er an die juristische
Fakultät, 1937 nach Bonn, zeitweise ist er in Paris. 1945 wird er als
entschiedener Anhänger der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(Oktober 1933 Mitglied der SS, 1935 zum persönlichen Stab des Reichsführers SS
abkommandiert) (mit 44 Jahren) seines Amtes enthoben, 1948 in den vorzeitigen
Ruhestand versetzt, eine Emeritierung wird von seiner Fakultät verhindert. Als
Privatgelehrter führt er seine Editionstätigkeit mittelalterlicher Rechtsquellen
mit starkem persönlichem Einsatz fort.
Lit.: Festschrift zum 60. Geburtstag von Karl August Eckhardt, hg. v.
Perst, O., 1961; Werksverzeichnis Karl August Eckhardt, zusammengestellt v.
Eckhardt, A., 1979; Krause, H., Karl August Eckhardt, DA 35 (1979), 1; Die
Juristen der Universität Bonn im Dritten Reich, hg. v. Schmoeckel, M., 2004,
160
Edda (an. Urgroßmutter?) ist der Name für eine in
einer um 1270 (anonym) verfassten isländischen Handschrift (lat. [M.) Codex
regius) überlieferten altnordischen Liedersammlung (Götterlieder und
Heldenlieder) in Stabreimen (Liederedda, mit der noch weitere Texte anderer
Handschriften als [lat. N. Pl.] Eddica minora verbunden werden,) und vor allem
für ein überwiegend in Prosa gehaltenes, um 1225 entstandenes altnordisches
Werk des Isländers Snorri Sturluson (1179-1241) über altnordische Dichtung und
Mythologie (Snorra Edda), von denen die möglicherweise erheblich ältere
Geschehnisse verarbeitende Liederedda auch als rechtsgeschichtlich ertragreich
angesehen wird.
Lit.: Snorra Edda, hg. v. Jónsson, F., 1900; Eddica minora, hg. v.
Heusler, A. u. a., 1903, Neudruck 1974); Edda - Die Lieder des Codex regius
nebst verwandten Denkmälern, hg. v. Neckel, G., 5. A. 1936; Kommentar zu den
Liedern der Edda. hg. v. See, K. v. u. a., Bd. 2ff. 1997ff.; Fidjestøl, B., The
Dating of Eddic Poetry, 1999; Krause, A., Die Götter- und Heldenlieder der
älteren Edda, 2004; Gudmundsson, Ó., Snorri Sturluson, 2011
Eddach (mnd.) Eidtag
Lit.: Ebel, W., Bursprake, echteding, eddach, FS H.
Niedermeyer, 1953, 53
edictum (lat. [N.]) Ausgesagtes, Ankündigung,
Festlegung, Edikt (z. B. e. des römischen Prätors, in dem er angibt, nach welchen
Grundsätzen er in seinem Amt Recht sprechen wird, oder der kurulischen Ädilen über die Folgen
eines Mangels bestimmter Sachen wie Sklaven, Zugtieren und Lasttieren)
Edictum Chilperici ist das von dem merowingischen König
Chilperich I. (561-584, Reichsteil um Soissons) verfasste, in einer
karolingischen Handschrift überlieferte Edikt bzw. Kapitular.
Lit.: Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG GA 78
(1961), 1; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, Tit. 106-116
Edictum Theoderici ist der nur durch einen
frühneuzeitlichen Druck (Pierre Pithous [1579] aus zwei seitdem verschollenen
Handschriften) überlieferte Rechtstext der ausgehenden Spätantike (2. H. 5.
Jh.?), der in 154 bzw. 155 kurzen, zeitlich geordneten Kapiteln unter
Verwendung des (vulgar umgeformten römischen) Codex Theodosianus, des Codex
Gregorianus und des Codex Hermogenianus sowie der sog. Paulussentenzen und der
Responsen des Paulus verschiedenste Gegenstände behandelt und dabei in 26
Kapiteln die Todesstrafe androht. Streitig ist, ob das E. T. dem Gotenkönig
→Theoderich dem Großen (493-526) und der Zeit um 500 zugeschrieben werden
kann (oder älter ist).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 53, 80; Bluhme,
F., MGH LL (in folio) 5, 1, 145-168, 176-179; Gaudenzi, A., Die
Entstehungszeit ZRG GA 7 (1886), 29; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953;
Vismara, G., Edictum Theoderici, 1967, Ius Romanum Medii Aevi I 2 b aa α,
dazu Nehlsen, H., ZRG GA 86 (1969), 246; Stelzer, W., Gelehrtes Recht, 1982;
Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Kohlhas-Müller, D.,
Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Lafferty, S.,
Law and Society in the Age of Theoderic the Great, 2013
Edictum (N.) tralaticium (lat.) ist das überlieferte
→Edikt des römischen Prätors. Um 130 n. Chr. beauftragt Kaiser Hadrian
den Rechtskundigen Julian mit der Festlegung des bis dahin jährlich neu angenommenen
Edikts in einem (lat.) edictum (N.) perpetuum (dauernden, unveränderlichen
Edikt mit rund 500 Sachpunkten in fünf Teilen). Nach diesem Zeitpunkt übernehmen
die kaiserlichen Konstitutionen die bis dahin von den Prätoren wahrgenommene
Aufgabe der Rechtsfortbildung.
Lit.: Köbler, DRG 30; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EdictumPerpetuumPraetorisUrbani_Lenel.htm
Edictus Rothari ist das unter der Herrschaft König
Rotharis 643 in 388 Kapiteln lateinisch aufgezeichnete Recht der Langobarden
(→Volksrecht). Es berücksichtigt neben den hergebrachten Gewohnheiten
(langobardisch cawarfide) römisches Recht, biblische Gedanken und vielleicht
westgotisches, bayerisches, alemannisches und fränkisches Recht. Die Nachfolger
Rotharis fügen Ergänzungen an (→Leges Langobardorum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Edictus
ceteraeque Langobardorum leges, ed. Bluhme, F., 1869; Njeussychin, A., Der
Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948), 64; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953; Dold, A., Zur ältesten Handschrift des Edictus Rothari,
1955; Cavanna, A., Nuovi problemi intorno alle fonti, Studia et documenta 34
(1968), 269; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Vismara, G.,
Il diritto in Italia nell’ alto medioevo, 1981
Edikt („Ausspruch“ist allgemein die Bekanntmachung
oder der Erlass. In der römischen Rechtsgeschichte ist das Edikt des
Gerichtsmagistrats (Prätors) die Bekanntmachung vor allem der Grundsätze, die
der Gerichtsmagistrat während der gesamten Dauer seiner Amtszeit beachten will
(lat. edictum [N.] perpetuum, dauerhafte Bekanntmachung z. B. einer
Prozessformel, einer Rechtsschutzverheißung). Kaiser Hadrian lässt um 130 n.
Chr. das Edikt der Prätoren (lat. praetor [M.] urbanus und praetor peregrinus)
und der kurulischen Ädilen durch den Rechtskundigen Salvius →Iulianus in
eine endgültige, nur mehr durch den Kaiser abänderbare oder ergänzbare Fassung
bringen.
Lit.: Kaser §§ 2, 80; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 22;
Söllner §§ 9, 15, 16, 23; Köbler, DRG 31, 161; Lenel, O., Das Edictum
perpetuum, 3. A. 1927, Neudruck 1956; Selb, W., Das prätorische Edikt, FS M.
Kaser, 1986, 259
Ediktalzitation ist die durch öffentliche
Bekanntmachung erfolgende Ladung eines Beklagten, den eine persönliche Ladung
nicht oder schwer erreicht (z. B. durch Anschlag an einem öffentlichen Gebäude
wie einem Rathaus oder einer Kirche). Sie stammt aus dem römischen Recht. Sie
erscheint im 13. Jh. auch im deutschen Reich (Reichsabschied vom 19. 11. 1274)
und wird danach im Kameralprozess als subsidiäre Einrichtung aufgenommen. Sie
ist in der öffentlichen Zustellung der Gegenwart erhalten (§§ 186 II 1, 187
ZPO, § 40 I StPO). Von der E. zu unterscheiden ist die Feststellung, dass der
Beklagte vor Gericht nicht erschienen ist.
Lit.: Haase, C., Über Edictalladungen und
Edictalprozeß, 1817; Meyer, H., Das Strafverfahren gegen Abwesende, 1869;
Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 5 1873, 111;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck
1973, 339; Opet, O., Geschichte der Prozesseinleitungsformen, 1891; Sellert,
W., Die Ladung des Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84(1967), 202;
Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges und des Versäumnisverfahrens
im salfränkischen Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968; Kaser, M./Hackl,
K., Das römische Zivilprozessrecht, 2. A. 1996, § 71
Edikt von Nantes ist das am 13. 4. 1598 von König
Heinrich IV. von Frankreich erlassene Edikt, welches das katholische Bekenntnis
als Staatsreligion bestätigt, den Hugenotten (französische Protestanten)
Gewissensfreiheit und ungefähr 100 sichere Orte gewährt.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EdiktVonNantes1598.htm
Edinburgh ist die am Firth of Forth sich unterhalb einer seit dem 6. Jh.
nachgewiesenen Burg entwickelnde Siedlung, in der seit dem Ende des 11. Jh.s
die schottischen Könige sitzen (um 1470-1707 Hauptstadt). 1583 erlangt es eine
Universität.
Lit.: Arnot, H., The History of Edinburgh, 1779
Edition (F.) Ausgabe, Herausgabe, Bekanntgabe von
Klagemitteilung und Beweisurkunde im römischen und frühneuzeitlichen
Zivilprozess
Lit.: Bresslau, H., Geschichte der Monumenta Germaniae Historica,
1921; Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen, hg. v.
Heinemeyer, W., 2. A. 2000; Vom Nutzen des Edierens, hg. v. Merta, B. u. a.,
2005; Editiones principes delle opere dei padri greci e latini, hg. v. Cortesi,
M., 2006; Editionen - Wandel und Wirkung, hg. v. Sell, A., 2007; Erlanger
Editionen, hg. v. Neuhaus, H., 2009
Eferding
Lit.: Die Rechtsquellen der Stadt Eferding, hg. v. Wutzel, O., 1954
Eger
Lit.: Siegl, K., Alt-Eger, 1927; Sturm, H., Eger, (1951); Šimek, E.,
Chebsko (Das Egerland), 1955; Das Egerer Urgichtenbuch, hg. v. Skála, E., 1972;
Sturm, H., Districtus Egranus, 1981
Ehaft (zu dem Adj. ehaft, echt, rechtmäßig) ist
vor allem in Bayern die örtlich verbreitete Bezeichnung für →Weistum.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, C., Ehaften des
Klosters Heidenheim, ZRG GA 14 (1894), 168; Eisenbrand, T., Ehehaftsordnungen
im Hochstift Eichstätt, 1938; Trauchburg, G. v., Ehehaften und Dorfordnungen,
1995
Ehalt ist die örtlich verbreitete
Bezeichnung für →Gesinde.
Ehe (mit anderer Bedeutung schon für das
Indogermanische zu erschließen) ist
die mit Eheschließungswillen eingegangene anerkannte Lebensgemeinschaft
zwischen Mann und Frau. Bei den Indogermanen gibt vermutlich der Vater die
Tochter dem Mann, der sie (in das eigene Haus) führt, aber zu den Eltern der
Frau in keine (verwandtschaftliche) Beziehung tritt. Im altrömischen Recht, in dem
die E. ein hauptsächlich sozial geordnetes Verhältnis (gewollte tatsächliche
Lebensgemeinschaft mit Rechtsfolgen) ist, verspricht der Gewalthaber der Braut
diese dem Bräutigam. Daneben kann der Bräutigam seinerseits die Heimführung
zusagen. Beides kann durch Geldversprechen gesichert werden und wird regelmäßig
danach erfüllt. Die Eheschließung selbst erfordert den übereinstimmenden
Willen, die E. einzugehen. Kaiser Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) stellt
Eheverbote und Ehegebote auf (lex Iulia de maritandis ordinibus 18 v. Chr.
Eheverbote, Lex Iulia de adulteriis 18 v. Chr. Ehebruchsstrafen, lex Papia
Poppaea 9 n. Chr. Ehegebote). Vielleicht schon im klassischen römischen
Recht, jedenfalls in der Spätantike wird die E. unter vorwiegend christlichem
Einfluss ein stärker rechtlich geprägtes Verhältnis, wobei die Kirche
ihrerseits die Gegensätze zwischen alttestamentarischem Eheverständnis (Mehrehe,
Ehescheidung) und neutestamentarischen Eheverständnis (Einehe auf Lebenszeit)
ausgleichen muss. Für den Eheschluss der mündigen Brautleute genügt der jetzt
rechtlich eingeordnete Konsens, der aber in der Regel nur durch Urkunden über
eine Mitgiftbestellung bewiesen wird. Im Frühmittelalter setzen sich die
kirchlichen Vorstellungen gegenüber den germanischen Gestaltungen (Vertrag
zwischen Brautvater und Bräutigam [Muntehe, daneben vielleicht Entführungsehe
und angeblich Raubehe und Kebsehe], Möglichkeit der Mehrehe) durch. Wohl seit
dem 12. Jh. gilt der bereits den Kirchenvätern des Altertums bekannte Satz, dass
allein die Vereinbarung die E. begründet ([lat.] solus consensus facit
nuptias). Seit dem 12./13. Jh. soll aus Gründen der Rechtssicherheit ein
vorheriges Aufgebot (1215) und die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester
erfolgen. Die E., die im 13. Jh. unter Einengung einer ursprünglich weiteren
Bedeutung (ahd. ewa, Recht) ihren Namen E. erhält und die vor kirchlichen
Gerichten hauptsächlich von Frauen eingeklagt wird, wird christliches
Sakrament. Die durch Martin Luthers Reformation von 1517 begründete
protestantische Kirche lehnt dies ab und sieht die E. als Vertrag. In der
frühen Neuzeit wendet sich die Aufklärung überhaupt gegen das kirchliche Wesen
der E. Es wird die Schließung der E. vor einer staatlichen Stelle zugelassen
oder vorgeschrieben (England 1653, Frankreich 1792). Im Kulturkampf wird im
deutschen Reich die obligatorische Zivilehe in der Form gegenseitiger
Willenserklärungen vor dem Standesbeamten festgesetzt (Preußen 1874, 6. 2. 1875
Personenstandsgesetz des Reiches). Daneben besteht die Möglichkeit der
(zusätzlichen, nachträglichen) kirchenrechtlichen E. fort. Das Bürgerliche
Gesetzbuch von 1900 geht von der auf Lebenszeit von den Eheleuten vor dem
Standesbeamten geschlossenen E. aus, sieht aber die Möglichkeit der
Ehescheidung durch gerichtliches Urteil bei Vorliegen bestimmter Gründe vor.
Am Ende des 20. Jh.s wird die Ehe rechtstatsächlich durch viele nichteheliche
Lebensgemeinschaften und gesetzlich durch die Zulässigkeit der eingetragenen
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft ergänzt bzw. ersetzt. Dementsprechend
wird auch auf die Priorität der staatlichen Eheschließung vor der
kirchenrechtlichen Eheschließung verzichtet. Seit 2017 ist (auch in
Deutschland nach dem Vorbild einiger anderer Staaten) durch deutliche Mehrheit
in dem Bundestag in Abkehr von natürlichen Verhältnissen und in Zuwendung zu
zivilisatorischen Begehrlichkeiten die Ehe (für alle) auch zwischen zwei
Männern und zwischen zwei Frauen eröffnet.
Lit.: Kaser § 58; Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 12, 14, 18,
23; Hübner 624ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 15, 22, 36, 58, 114,
120, 161, 209, 238, 267; Baltl/Kocher; Schulte, J. v., Handbuch des katholischen
Eherechts nach dem gemeinen katholischen Kirchenrecht, 1855; Friedberg, E., Das
Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865, Neudruck
1965; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Kawerau, W., Die Reformation
und die Ehe, 1892; Köstler, R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908),
78; Schlatter, A., Der Schutz der ehelichen Gemeinschaft, 1920; Hoyer, E., Die
Ehen minderen Rechts, 1926; Preisker, H., Christentum und Ehe in den ersten
drei Jahrhunderten, 1926, Neudruck 1979; Joyce, G., Die christliche Ehe, 1934;
Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters Gratian, 1935; Vaccari, P., Il
matrimonio germanico, 1935; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner
Schöffenbuch, 1935; Goern, H., Das Ehebild im deutschen Mittelalter, 1936;
Köhler, W., Die Anfänge des protestantischen Eherechts, ZRG KA 61 (1941), 271;
Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943),
92; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische
Revolution, ZRG GA 67 (1950), 336; Erle, M., Die Ehe im Naturrecht, Diss. jur.
Göttingen 1952; Ziegler, J., Die Ehelehre der Poenitentialsummen, 1956;
Lettmann, R., Die Diskussion über die klandestinen Ehen, 1966; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967;
Tietz, G., Verlobung, Trauung und Hochzeit in den evangelischen Kirchenordnungen
des 16. Jahrhunderts, 1969; Schulze-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht
im Sachsenspiegel, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13.
Jahrhunderts, 1972; Dufour, A., Le mariage dans l’École allemande du droit
naturel moderne, 1972; Giesen, D., Grundlagen und Entwicklung des englischen
Eherechts, 1975; Huber, J., Der Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Mikat, P.,
Dotierte Ehe – rechte Ehe, 1978; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, hg. v.
Landwehr, G., 1978; Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1978; Raiser,
B., Die Rechtsprechung zum deutschen internationalen Eherecht im Dritten Reich,
1980; Hauser, H., Die geistigen Grundlagen des Eherechts an der Wende
des 18. zum 19. Jahrhundert, 1980; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat
und Kirche, 1981; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981; Buchholz, S., Recht,
Religion und Ehe, 1988; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in
Europa, 1990; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Marriage,
property and succession, ed. by Bonfield, L., 1992; Krüger, J., Die
Ehegesetzgebung des Kaisers Augustus, 1994; Seehase, H., Ehesachen vor dem
Reichskammergericht, Diss. jur. Münster 1998; Fuhrmann, I., Die Diskussion über
die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und Österreich seit
Mitte des 19. Jahrhunderts, 1998; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um
das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Ehe und Familie, hg. v. Hecker, H.,
1999; Göwer, K., Wilde Ehen, 1999; Blümel, K., Die Aufhebung der sog.
Rassenmischehe, Diss. jur. Regensburg 1999; Eisenring, G., Die römische Ehe als
Rechtsverhältnis, 2000; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v.
Schiek, S. u. a., 2000; Matrimoni in dubbio a cura di Seidel Menchi S. u. a.,
2001; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001; Schnell,
R., Sexualität und Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Saar, S., Ehe –
Scheidung - Wiederverheiratung, 2002; Mammeri-Latzel, M., Justizpraxis in
Ehesachen im Dritten Reich, 2002; Eisenring, G., Die römische Ehe als
Rechtsverhältnis, 2002; Fischer, G., Die Problematik der Ehe, 2003; Duncker,
A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Arni, C., Entzweiungen, 2004;
Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im frühen
Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters
Rolandus von Bologna, 2004; Karl, A., Castitas temporum meorum, 2004; McCarthy,
C., Marriage in Medieval England, 2004; Lang, M., Das Eheverbot wegen
Glaubensverschiedenheit, 2004; D’Avray, D., Medieval Marriage, 2005; Eisfeld,
J., Die Scheinehe, 2005; Frassek, R., Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der
Reformationszeit, 2005; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Lumpp, S., Die
Scheinehenproblematik, 2007; Kaiser, D., Die elterliche Eheeinwilligung, 2007;
Westphal, S., Ehen vor Gericht, 2008; Weber, I., Ein Gesetz für Männer und
Frauen, 2009; Ehe - Haus - Familie, hg. v. Schmidt-Voges, I., 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Walther, S., Die (Un-)Ordnung der Ehe, 2010; Rabaa, A., Die Ehe als
Rechtsinstitut im Badischen Landrecht von 1810, 2011; Venus und Vulcanus, hg.
v. Westphal, S. u. a., 2011; Signori, G., Von der Paradiesehe zur
Gütergemeinschaft, 2011; Joye, S., La femme ravie, 2012; Szymanski, H., Theorie
und Lebenswirklichkeit, 2013; Freist, D., Glaube - Liebe - Zwietracht -
Konfessionell gemischte Ehen in Deutschland in der frühen Neuzeit, 2013;
Angenendt, A., Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum, 2015
Ehebruch (Wort 1338) ist der zumindest bedingt
vorsätzliche Vollzug des Beischlafs eines Ehegatten mit einer dritten Person
anderen Geschlechts. Der wohl zunächst privat geahndete E. (der Frau), dem nach
der Bibel die Steinigung folgt (1. Moses 38,24), wird seit Augustus (63 v.
Chr.-14 n. Chr.) strafbar. Bei den Germanen darf der Mann die Frau nackt und
geschoren durch die Siedlung treiben und damit dem Untergang preisgeben oder
überhaupt töten. Ihr männlicher Partner darf in handhafter Tat bußlos getötet
werden und unterliegt im Übrigen der Rache und später der Buße. Die christliche
Kirche verlangt die Gleichbehandlung von Mann und Frau (unter Ausschluss der
Wiederheirat), setzt sie aber erst seit dem 14. Jh. in den Städten durch. Dem
folgt im Gegensatz zum Sachsenspiegel (1221-1224) und zur Constitutio
Criminalis Bambergensis (1507) die Constitutio Criminalis Carolina (1532),
äußert sich aber zur Strafe selbst nicht. Das preußische Allgemeine Landrecht
(1794) bestraft die Ehebrecher nur im Fall der Eheschließung auf Antrag des
beleidigten Ehegatten mit höchstens einjähriger Gefängnisstrafe. Je nach dem
Religionsbekenntnis ist im Josephinischen Gesetzbuch (1787) und im Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) der E. Ehescheidungsgrund. 1969
wird in Deutschland die Strafbarkeit beseitigt (Österreich 1996, aber schwere
Eheverfehlung). Mit dem Übergang zum Zerrüttungsprinzip (1976) ist E. als
solcher auch kein Grund mehr zur Ehescheidung (in Österreich seit 1999 kein
absoluter Ehescheidungsgrund mehr).
Lit.: Söllner §§ 10, 14; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 35, 119, 264; Hälschner, H., Die Lehre vom Ehebruch, Gerichtssaal 22
(1870), 401; Bennecke, H., Die strafrechtliche Lehre vom Ehebruch, 1884;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 691; Dahm, G., Das
Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931, 424; Bruns, B.,
Ehescheidung und Wiederheirat im Fall von Ehebruch, 1976; Bullough,
V./Brundage, J., Sexual Practices, 1982; Graf, W., Der Ehebruch im fränkischen
und deutschen Mittelalter, Diss. jur. Würzburg, 1983; Schmitz, W., Der nomos
moicheias, ZRG RA 114 (1997), 233; Kossak, W., Ehebruch, 2000; Melchior-Bonnet,
S./Tocqueville, A. de, In flagranti, 2000; Mader, K., Ehebruch als
Scheidungstatbestand, 2002; Trasgressioni, hg. v. Seidel Menchi, S., 2004;
Kümper, H., Ein spätmittelalterlicher Kurztraktat über die Tötung der
Ehebrecherin, ZRG GA 126 (2009), 223; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehefrau (Wort 1287) →Frau
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehegatte (1409, Eheleute 1264)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehegattenerbrecht ist das Erbrecht eines Ehegatten
beim Tode des anderen Ehegatten. In Rom führt die wachsende Häufigkeit der
gewaltfreien Ehe schließlich zur Einführung einer (allen Verwandten
nachgeordneten) Erbfolge zwischen Ehegatten. Justinian spricht der bedürftigen
undotierten Witwe neben Kindern ein Viertel des Erbes ihres Mannes zu (Novellen
53). Im deutschen Reich fehlt anfangs ebenfalls ein E., doch erkennen
Stadtrechte im Hochmittelalter als Folge der Gütergemeinschaft allmählich ein
E. an. In der Neuzeit wird vielerorts unabhängig vom Güterstand ein bestimmter
Anteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten gewährt. Teilweise wird das
justinianische Recht aufgenommen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
erhält der Ehegatte mindestens ein Viertel des Nachlasses (Österreich 1914).
Dieser Erbteil erhöht sich im Falle der Zugewinngemeinschaft (1957) um ein
Viertel. Seit 2004 erbt der hinterbliebene Ehegatte in Österreich bereits neben
Neffen oder Nichten den gesamten Nachlass
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Hübner; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 123, 210, 269; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich
seit der Rezeption, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Fröschle, T., Die Entwicklung der gesetzlichen Rechte des überlebenden
Ehegatten, 1996; Heyse, G., Mulier non debet abire nuda, 1994
Ehegattenschenkung ist die Schenkung von Gütern unter
Hausverbänden von Ehegatten. Sie wird im römischen Recht (vielleicht im 3. Jh.
v. Chr. unter dem Einfluss der Stoa entwickelt und) unter Augustus (63 v.
Chr.-14 n. Chr.) verboten.
Lit.: Köbler, DRG 37; Misera, K., Der
Bereicherungsgedanke bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Schenkungen unter
Ehegatten, (in) Familie und Recht, 1995, 177; Kemner, D., Schenkungen unter
Ehegatten, 1998; Gade, G., Donationes inter virum et uxorem, 2001
Ehegesetz ist ein die →Ehe betreffendes
Gesetz, insbesondere das am 6. 7. 1938 auf Grund des Anschlusses Österreichs an
das Deutsche Reich erlassene, zum 1. 8. 1938 in Kraft gesetzte Gesetz (zur
Vereinheitlichung des Rechtes der Eheschließung und Ehescheidung im Lande
Österreich und im übrigen Reichsgebiet), welches das Recht der Eheschließung
und Ehescheidung aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands und dem
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (unter Beendigung des konfessionell
gegliederten Eherechts Österreichs, des Konkordatsrechts von 1933 und des
Sonderrechts des Burgenlands) herausführt und u. a. die Ehescheidung
erleichtert. 1946 wird das E. durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats von
nationalsozialistischem Gedankengut gereinigt (ähnlich in Österreich), 1976
das Ehescheidungsrecht und (nach Wiedererlangung der vollständigen Souveränität
im Jahre 1990) bis 1. 7. 1998 in Deutschland das gesamte Eherecht wieder in das
Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239, 254;
Baltl/Kocher; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Ehegesetz1938.pdf; Grachl, P., Die geschichtliche Entwicklung
des § 48 Ehegesetzes, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1965; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip im Ehescheidungsrecht und die Nationalsozialisten, FamRZ
1988, 1271; Gruchmann, L., Das Ehegesetz, ZNR 11 (1989), 63; Harmat, U., Ehe
auf Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999
Ehegüterrecht ist das die Güter der Ehegatten
betreffende Recht. Im altrömischen Recht gibt der Hausvater der Frau dem
Ehemann in der Regel eine →dos, die nach ihrem Tod grundsätzlich aus dem
Vermögen des Mannes an den Geber zurückfällt. Bei den später immer häufiger
werdenden gewaltfreien Ehen bleibt das Vermögen der Ehegatten rechtlich
getrennt, wird aber tatsächlich weiter (wohl unter unter der Verwaltung des
Ehemanns) gemeinsam genützt. Die Schenkung unter Ehegatten (bei gewaltfreier
Ehe) ist verboten. Bei den Germanen wird wohl ein eingebrachtes Gut vom Ehemann
verwaltet. Im Frühmittelalter wird neben dieser grundsätzlichen
→Gütertrennung mit Verwaltungseinheit bei Franken und Westfalen eine
Gemeinschaft an dem in der Ehe gewonnenen Gut sichtbar (→Errungenschaftsgemeinschaft).
Im Hochmittelalter dringt im weltlich bleibenden E. die
→Gütergemeinschaft in verschiedenen Formen weiter vor (allgemeine Gütergemeinschaft,
Fahrnisgemeinschaft), wobei die örtlichen Regeln sehr unterschiedlich sind und
vertragliche Gestaltungen häufig werden. In der frühen Neuzeit wird das
römische →Dotalsystem abgewandelt in einzelnen Gebieten aufgenommen
(Braunschweig, Kurhessen). Die naturrechtlichen Kodifikationen sehen nur
gewisse Regelgüterstände vor (ALR grundsätzliche Verwaltung und Nutzung des
gesamten Vermögens der Frau durch den Mann, § 1237 ABGB Gütertrennung mit
Verwaltungsgemeinschaft). Die fünf noch im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
enthaltenen, erstmals reichseinheitlichen Güterstände (Regelgüterstand Verwaltungsgemeinschaft)
werden später auf Zugewinngemeinschaft (18. 6. 1957) als gesetzlicher
Güterstand, Gütertrennung und Gütergemeinschaft als durch Ehevertrag
vereinbare Wahlgüterstände verringert. Gesetzlicher Güterstand des Zivilgesetzbuchs
der Schweiz (1907/1911) ist die Güterverbindung.
Lit.: Kaser § 59; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 161, 209; Baltl/Kocher; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Adler, S.,
Eheliches Güterrecht und Abschichtungsrecht, 1893; Mottloch, T., Traktat über
das eheliche Güterrecht in Österreich ob der Enns, ZRG GA 23 (1902), 275;
Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse im ehelichen Güterrecht, 1904; Arnold, H.,
Das eheliche Güterrecht von Mülhausen im Elsass, 1906; Hradil, P., Beiträge zur
Geschichte des süddeutschen Ehegüterrechts, ZRG GA 30 (1909), 304; Hradil, P.,
Untersuchungen zur spätmittelalterlichen Ehegüterrechtsbildung nach
bayrisch-österreichischen Rechtsquellen, 1908; Steiner, H., Das eheliche
Güterrecht des Kantons Schwyz, 1910; Bartsch, R., Das eheliche Güterrecht in
der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Merz, H., Die historische
Entwicklung des aargauischen ehelichen Güterrechts, 1923; Willecke, R., Das
eheliche Güterrecht im Braunschweiger Stadtrecht, 1929; Schubert, K., Die
Hamburger ehelichen Güterrechtsverhältnisse, 1934; Winter, G., Das eheliche
Güterrecht im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Brauneder,
W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Akademie für
deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse 3,2, Familienrechtsausschuss,
Unterausschuss für eheliches Güterrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Schmid,
K., Die Entstehung der güterrechtlichen Vorschriften im Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1990; Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2002;
Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Lehmann, J., Die
Ehefrau und ihr Vermögen, 2006; Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht
der Ehegatten nach § 1368 BGB, 2009; Stierstorfer, S., Das erste einheitliche
eheliche Güterrecht, 2010; Kitsakis, S., Breadwinners und Housekeepers, 2012
Ehehindernis (1669) ist der einer Eheschließung entgegenstehende Umstand.
Anscheinend können bei den Germanen Kinder von (im gleichen Haus lebenden)
Brüdern nicht heiraten. Im altrömischen Recht ist die Ehe ausgeschlossen unter
Verwandten bis zum sechsten Grad, mit einem Verheirateten sowie beim Fehlen des
→conubium. Witwen sollen zur Vermeidung von Unklarheiten über die
Vaterschaft von Kindern 10 Monate nach dem Tod des Mannes nicht heiraten. Im
spätantiken römischen Recht sind christliche Ehehindernisse zu beachten.
Seit dem 6. Jh. wirkt sich dies auf das fränkische Recht aus, das ursprünglich
wohl nur wenige tatsächliche Ehehindernisse kennt. Danach setzt die Kirche ihr
Recht der Ehehindernisse durch. Ein staatliches Recht der Ehehindernisse
begegnet ansatzweise im Verlauf der frühen Neuzeit (Frankreich 1629 Entwurf,
Österreich 1783, Frankreich 1804) und wird danach allgemein aufgegriffen.
Verboten ist die Ehe nach § 4 Ehegesetz von 1938 auch zwischen Staatsangehörigen
deutschen oder artverwandten Blutes mit Personen artfremden Blutes (1945
aufgehoben).
Lit.: Kaser § 58; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 58, 88, 122, 161, 209, 239; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Fischer, A., Die verhinderte Ehe, 2013;
Ganster, S., Religionsverschiedenheit als Ehehindernis, 2013
ehelich (790) Ehe betreffend (Ehelichkeit um 1210,
Ehelichkeitserklärung 1875)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehemakler ist der gegen (nicht einklagbares)
Entgelt tätige Vermittler von Ehen.
Lit.: Jung, K., Der Ehemaklerlohn, 1991
Ehemann (1200-1254)
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehemündigkeit (1809) ist das für den Eheschluss
frühest mögliche Alter.
L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehepakt (1704) Ehevertrag
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehepatent ist die am 16. 1. 1783 von Joseph
II. für Österreich veröffentlichte Regelung, welche die Ehe als
bürgerlichrechtlichen Vertrag (vor dem Geistlichen [als Staatsbeamten])
ansieht, die Ehescheidung erleichtert und für Ehestreitigkeiten die
Zuständigkeit der weltlichen Gerichte anordnet.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Ehepatent1783.htm;
Köbler, DRG 142, 161; Baltl/Kocher; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der
staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Mühlsteiger, J., Der Geist
des josephinischen Eherechts, 1967
Eherecht ist das Recht der →Ehe. Es
betrifft vor allem die Eheschließung, die Ehehindernisse, die Ehewirkungen,
die Ehescheidung und das Ehegüterrecht. Nach M. Schmoeckel entsteht das
kirchliche Eherecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars II.
Lit.: Söllner §§ 8, 14; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Fricke, F., Das Eherecht des Sachsenspiegels, 1898; Emge, C., Das Eherecht
Immanuel Kants, Kant-Studien 29 (1924), 243ff.; Schönsteiner, F., Grundriss des
kirchlichen Eherechts, 1925, 2. A. 1937;Plöchl, W., Das Eherecht des Magisters
Gratianus, 1935; Pappe, H., Methodische Strömungen in der eherechtsgeschichtlichen
Forschung, 1934; Schubart-Fikentscher, G., Das Eherecht im Brünner
Schöffenbuch, 1935; Schultze, A., Das Eherecht in den älteren angelsächsischen
Königsgesetzen, 1941 (SB Leipzig); Dieterich, H., Das protestantische
Eherecht, 1970; Gräfe, R., Das Eherecht in den Coutumiers des 13. Jahrhunderts,
1972; Ramm, T., Eherecht und Nationalsozialismus, FS Fraenkel, 1973; Giesen,
D., Grundlagen und Entwicklung des englischen Eherechts, 1975; Buchholz, S.,
Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981; Schäfer, J., Die Entstehung der
Vorschriften über das persönliche Eherecht, 1983; Zur Geschichte des Ehe- und
Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Eherecht und Familiengut, hg. v.
Simon, D., 1992; Gmür, R., Betrachtungen zur Entwicklung des Eherechts, FS W. Stree/J.
Wessels, 1993, 1227; Sibeth, U., Eherecht und Staatsbildung, 1994; Jackman, D.,
Das Eherecht und der frühdeutsche Adel, ZRG GA 112 (1995), 158; Schwab, D., 20
Jahre „Erstes Eherechtsreformgesetz“, JuS 1997, 587; Harmat, U., Ehe auf
Widerruf? Der Konflikt um das Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Deutsch,
C., Ehegerichtsbarkeit im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Frassek, R.,
Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005; Aspecten van het
Middeleeuwse Romeinse Recht, hg. v. Waelkens, L., 2008, 109ff.;
Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Familien-, Erb-
und Gesellschaftsrecht, hg. v. Schmoeckel, M., 2008; Regional Variations in
Matrimonial Law and Custom in Europe (1150-1600), hg. v. Korpiola, M., 2011;
Eherecht 1811-2011, hg. v. Kohl, G. u. a., 2012; Kapfelsberger, V.,
Eheverfahren und Eheprozesse in Staat und Kirche, 2015; Lanzinger, M.,
Verwaltete Verwandtschaft – Eheverbote, kirchliche und staatliche Dispenspraxis
im 18. und 19. Jahrhundert, 2015
Ehering ist der als Zeichen eines Eheschließungswillens
gegebene Fingerring. Er geht wohl auf den (lat.) anulus (M.) pronubus
(Verlobungsring) der Römer zurück, den das Christentum als Symbol der Treue
fördert. Er ist im Frühmittelalter zuerst im Volksrecht der Westgoten und
Langobarden belegt. Unter kirchlichem Einfluss entwickelt sich die einseitige
Gabe des Bräutigams an die Braut bei der Verlobung und dann auch bei der
Trauung seit dem Mittelalter allmählich zum gegenseitigen Ringwechsel. Der E.
ist bis in das 19. Jh. aber nur in einer dünnen Oberschicht tatsächlich
üblich.
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 53 (1933), 1;
Mühl, M., Anulus pronubus, 1961; Ehen ohne Ring, hg. v. Böhme, W., 1981;
Schott, C., Trauung und Jawort, 1992
Ehescheidung (1489, Ehescheidungsgrund 1824,
Ehescheidungsklage 1701, Ehescheidungsstrafe 1794) ist
die Auflösung der Ehe aus nach der Eheschließung eingetretenen Gründen. Sie ist
bei den Römern (lat. [N.] →divortium) einseitig wie einvernehmlich
zunächst ebenso möglich wie bei den Germanen, ohne dass sie in der Rechtswirklichkeit
allzu häufig gewesen sein dürfte. In der Spätantike führen die christlichen
Vorstellungen zur allmählichen Einschränkung der freien E. Im Frühmittelalter
wird die E. von der Kirche auf Grund von 1. Korinther 7,39ff. seit dem 8. Jh.,
verstärkt seit 829, bekämpft und bald gänzlich ausgeschlossen. Demgegenüber
lässt die protestantische Religion, in der die Ehe kein Sakrament mehr ist,
(seit 1517)allmählich die E. aus bestimmten Gründen (Matthäus 5,31ff., 19,3, 1.
Korinther 7,15), die Stadtgericht oder Landpfarrer sowie später die
Konsistorien in einem Verfahren überprüfen, zu. Die Aufklärung versucht dies
auszudehnen (Preußen 1749, Frankreich 1792, Österreich 1783 für Protestanten).
Im Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und im Code civil Frankreichs (1804)
ist die E. auf Grund Vereinbarung möglich. In England wird 1857 erstmals die E.
mit gerichtlicher Mitwirkung möglich. In Deutschland lässt das Personenstandsgesetz
vom 6. 2. 1875 die E. durch ein staatliches Gericht aus bestimmten Gründen zu,
doch wird zur Verhinderung von Ehescheidungen ein Verschulden als Ehescheidungsgrund
gefordert. 1976 wird das grundsätzlich erforderliche Verschulden durch die
Zerrüttung ersetzt. Bei der E. erfolgt nunmehr auch ein Ausgleich der
Versorgungsansprüche. Am Ende des 20. Jh.s wird im Durchschnitt jede dritte
Ehe geschieden. In Österreich lassen das josephinische Ehepatent (1783) und das
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811) nur die E. von Protestanten und Juden
zu. Im Gegensatz hierzu dispensiert Albert Sever (1867-1942) als
Landeshauptmann Niederösterreichs von dem Ehehindernis des bestehenden
Ehebands, um Ehescheidungen von Katholiken tatsächlich zu ermöglichen
(Sever-Ehen). 1938 gestattet das nach dem Anschluss im gesamten Deutschen Reich
eingeführte Ehegesetz die E. und wird 1978 die einvernehmliche E. vor dem
Außerstreitgericht eingeführt (§ 55a EheG).
Lit.: Kaser § 58 II 2a; Söllner §§ 5, 8, 12, 23;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 58, 72, 88, 122, 161, 219, 239, 267;
Baltl/Kocher; Richter, Ä., Beiträge zur Geschichte des Ehescheidungsrechts in
der evangelischen Kirche, 1858; Hubrich, E., Das Recht der Ehescheidung in Deutschland,
1891; Geffcken, H., Zur Geschichte der Ehescheidung vor Gratian, 1894; Damas,
P., Les origines du divorce en France, 1897; Wehrli, P. Die Ehescheidung zur
Zeit Zwinglis, Zürcher Taschenbuch, 1934, 61; Rost, S., Die Einführung der
Ehescheidung in Zürich, 1935; Wolf, E. u. a., Scheidung und Scheidungsrecht,
1959; Hesse, H., Evangelisches Ehescheidungsrecht in Deutschland, 1960; Escher,
K., Die Entwicklung des Ehescheidungsrechts in Kleve und Mark 1532-1874,
1967; Hecker, A., Die historische Entwicklung des Ehescheidungsprozessrechts,
1967; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in
der Neuzeit, 1967; Dieterich, H., Das protestantische Eherecht, 1970; Mikat,
P., Zur Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die Entwicklung des
deutschen Scheidungsrechts, FS W. Bosch, 1976, 671; Schnell, R., Praesumpta
mors, ZRG GA 100 (1983), 181; Jensen, H., Die Ehescheidung des Bischofs Hans
von Lübeck von Prinzessin Julia Felicitas von Württemberg-Weiltingen, 1984;
Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik, 1986; Blasius, D.,
Ehescheidung in Deutschland 1784-1945, 1987; Wolff, A., Das Zerrüttungsprinzip,
FamRZ 1988, 1271ff.; Blasius, D., Ehescheidung in Deutschland im 19. und 20.
Jahrhundert, 1992; Wadle, E., Ehescheidung vor dem Standesbeamten, FS H.
Herrmann, 1995, 291; Roßdeutscher, G., Privatautonomie im Scheidungsrecht,
1995; Horn, C., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in Ehesachen, 1997;
Nahmacher, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Hamburger Gerichte,
1999; Hoffmann-Steudtner, V., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu dem
Scheidungsgrund, 1999; Harmat, U., Ehe auf Widerruf? Der Konflikt um das
Eherecht in Österreich 1918-1938, 1999; Saar, S., Ehe, Scheidung, Wiederverheiratung,
2003; Schubert, W., Die Abkehr vom Verschuldensprinzip im
Ehescheidungsrecht, ZRG GA 120 (2003), 280; Duncker, A., Gleichheit und
Ungleichheit in der Ehe, 2004; Humphrey, M., Die Weimarer Reformdiskussion über
das Ehescheidungsrecht, 2006; Lutz, A., Ehepaare vor Gericht, 2006; Köhler, A.,
Die Sorgerechtsregelung bei Ehescheidung seit 1945, 2006, Försch, H., Die
Scheidungsgründe im Wandel der Zeit, 2006; Die Reform des Ehescheidungsrechts
von 1976, hg. v. Schubert, W., 2007; Mund, W., Das preußische Ehescheidungsrecht,
2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Birndorfer, F., Der erstinstanzliche Prozessalltag von 1938 bis 1949
anhand der Ehescheidungsakten, 2013
Eheschließung (1680) ist die Eingehung der →Ehe. Sie erfordert
geschichtlich unterschiedliche Voraussetzungen und erfolgt in verschiedenen
Formen. Im Mittelalter wird sie allmählich vom kirchlichen Recht ([lat.]
consensus facit nuptias, die Willensübereinstimmung der Eheleute bewirkt die
Ehe, seit 1563 Gegenwart des Priesters und zweier Zeugen nötig) bestimmt, in
der Neuzeit setzt sich vor allem im 19. Jahrhundert (Kulturkampf) das weltliche
bzw. staatliche Recht wieder durch.
Lit.: Kaser §§ 6, 58; Söllner §§ 5, 8, 12, 18;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 122, 161, 209; Friedberg, E., Das Recht der
Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung, 1865; Sohm, R., Das Recht
der Eheschließung, 1875; Scheurl, C., Die Entwicklung des kirchlichen
Eheschließungsrechts, 1877; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in
mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Zallinger, O., Die Eheschließung im
Nibelungenlied, 1923; Schwerin, C. Frhr. v., Quellen zur Geschichte der
Eheschließung, Bd. 1ff. 1925ff.; Frölich, K., Die Eheschließung des deutschen
Mittelalters, Hess. Bll. f. Volkskunde 1928, 144; Meyer, H., Die Eheschließung
im Ruodlieb und das Eheschwert, ZRG GA 52 (1932), 276; Melicher, T., Die
germanischen Formen der Eheschließung im westgotisch-spanischen Recht, 1940;
Weltliche und kirchliche Eheschließung, hg. v. Dombois, H. u. a., 1952; Ritzer,
K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum der Eheschließung, 1962, 2. A.
1981; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia Gratiana 12
(1967), 511; Schröter, M., Wo zwei zusammenkommen in rechter Ehe, 1990; Fuhrmann,
I., Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe, 1998;
Fassbender, M., Das Eheschließungsrecht im Herzogtum Berg, 1998 (Diss. jur.
Köln 1998); Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004; Scholz Löhnig, C.,
Bayerisches Eherecht von 1756 bis 1875, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ehevertrag (1784/1794, Ehepakt 1704, Eheversprechen 1717) ist
der zur besonderen Gestaltung der abänderbaren ehelichen Rechtsverhältnisse
geschlossene, vielfach formbedürftige Vertrag zwischen den Eheleuten. Er
betrifft hauptsächlich das Ehegüterrecht. Er wird schon in den hochmittelalterlichen
Städten häufiger, bleibt aber insgesamt auf vermögende Menschen beschränkt.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hillenbrand, M.,
Fürstliche Eheverträge, 1996; Aushandeln von Ehe, hg. v. Laanzinger, M. u. a.,
2010
Ehre ist der Wert eines Menschen innerhalb der
Gesellschaft. Die Verletzung der E. kann schon im altrömischen Recht eine Folge
nach sich ziehen (bei [lat.] iniuria [F.] sind 25 Pfund Kupfer zu leisten). Ihr
Schutz bleibt weitgehend der Selbsthilfe und dem Strafrecht überlassen.
Bestimmtes Verhalten führt zum rechtlichen Verlust der E. (Ehrlosigkeit,
Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte). Im Mittelalter ist die E. durch den
Stand bestimmt. In der Neuzeit dient der Verteidigung verletzter Ehre
besonders das Duell. Nach Art. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar.
Lit.: Kaser § 13; Köbler, DRG 216; Marezoll, T.,
Bürgerliche Ehre, 1824; Osenbrüggen, E., Ehre im Spiegel der Zeit, 1872;
Binding, K., Die Ehre im Rechtssinn und ihre Verletzbarkeit, 1890; Kisch, G.,
Ehrenschelte und Schandgemälde, ZRG GA 51 (1931), 514; Brauer, G., Die ehrenwörtliche
Bekräftigungsform, ZRG GA 54 (1934), 117; Reiner, H., Die Ehre, 1956; Geipel,
J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität, 1965; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1; Brenzina, M., Ehre und Ehrenschutz im
nationalsozialistischen Recht, 1987; Müller-Burgherr, T., Die Ehrverletzung,
Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Polay, E., Der Schutz der Ehre, ZRG RA 106
(1989), 502; Verletzte Ehre, hg. v. Schreiner, K. u. a., 1995; Backmann, S. u.
a., Das Konzept der Ehre, 1997; Ehrkonzepte in der frühen Neuzeit, hg. v.
Backmann, S. u. a., 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1998; Hagemann, M., Iniuria
bis zur justinianischen Kodifikation, 1998; Fuchs, R., Um die Ehre, 1999;
Dülmen, R. van, Der ehrlose Mensch, 1999; Beher, K. u. a., Strukturwandel des
Ehrenamts, 1999; Bastl, B., Tugend, Liebe, Ehre, 2000; Waldow, J., Der
strafrechtliche Ehrenschutz in der NS-Zeit, 2000; Görich, K., Die Ehre
Friedrich Barbarossas, 2001; Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003; Lentz, M.,
Konflikt, Ehre, Ordnung – Untersuchungen zu den Schmähbriefen und
Schandbildern, 2004; Burkhart, D., Geschichte der Ehre, 2001; Burkhart, D.,
Eine Geschichte der Ehre, 2006; Brüggenbrock, C., Die Ehre in den Zeiten der
Demokratie, 2006; Goldberg, A., Honor, Politics and the Law in Imperial Germany
1871-1914, 2010; Speitkamp, W., Ohrfeige, Duell und Ehrenmord, 2010
Ehrengericht ist das Gericht zur Entscheidung von Fragen
der Ehre. In Preußen wird nach längeren Erörterungen 1808 ein E. zur
Überwachung des Verhaltens der Offiziere eingerichtet, in Bayern und Österreich
wenig später, doch erklärt die Reichsverfassung des deutschen Reiches von 1919
die Ehrengerichte für aufgehoben. E. ist auch das seit dem Mittelalter
geführte Standesgericht der Zünfte, das im 19. Jh. geschaffene E. studentischer
Verbindungen (Burschenschaften) und das E. sonstiger Verbände oder
Personengruppen.
Lit.: Dietz, H., Die Ehrengerichtsverordnungen, 3. A. 1912; Holly, G.,
Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der Rechtsanwälte, 1989; Voigt, E., Die
Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen und der
Offizierehrengerichtsbarkeit im preußischen und deutschen Heer von 1806 bis
1918, 2004
Ehrenstrafe ist die die →Ehre betreffende
Strafe. Bereits das römische Recht lässt die Aberkennung bürgerlicher Vorrechte
vor allem als Nebenfolge einer Verurteilung auf Grund bestimmter Straftaten zu.
Im Mittelalter sind als Ehrenstrafen beispielsweise anzusehen das Ausstellen
am →Pranger, das Scheren der Haare oder das Tragen einer Schandmaske. In
der frühen Neuzeit versucht man die E. gesetzlich festzulegen. Im 19. Jh.
werden ältere Formen der E. wie Zurschaustellung am Pranger in Sachsen 1838
und in Preußen 1851 beseitigt, doch wird in Anlehnung an das römische Recht
nach dem Vorbild des Code pénal (Strafgesetzbuchs) Frankreichs von 1810 die
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte als zeitlich begrenzte Nebenstrafe
aufgenommen. In der 2. Hälfte des 20. Jh.s (deutsches StGB 1969) wird ihre
Bedeutung gering, doch dürfen Amtsfähigkeit, Wählbarkeit und Stimmrecht auf
bis zu fünf Jahre aberkannt werden (§ 45 StGB).
Lit.: Marcuse, O., Die Ehrenstrafe, 1899; Quanter, R.,
Die Schand- und Ehrenstrafen in der deutschen Rechtspflege, 1901, Neudruck
1970; Künßberg, E. Frhr. v., Über die Strafe des Steintragens, 1907; Kühne, E.,
Die Ehrenstrafe, 1931; Rannacher, H., Der Ehrenschutz in der Geschichte des
deutschen Strafrechts mit besonderer Berücksichtigung der Ehrenstrafen, 1938;
Voigt, E., Die Gesetzgebungsgeschichte der militärischen Ehrenstrafen, 2004;
Lidman, S., Zum Spektakel und Abscheu, 2008
Ehrenwort ist das die Ehre als Sicherungsmittel der
Wahrheit oder der Verwirklichung einer Erklärung einsetzende Wort (18. Jh. aus
franz. parole d’honneur). Seine rechtliche Bedeutung ist gering.
Ehrlich, Eugen (Czernowitz/Bukowina 14. 9.
1862-Wien 2. 5. 1922), Sohn eines Advokaten, wird nach dem Rechtsstudium in
Wien Advokat und 1896 Professor für römisches Recht in Czernowitz. Schon seine
frühe Schrift über Lücken im Recht (1888) wendet sich gegen die herrschende Vorstellung
von der Unangreifbarkeit des staatlichen Rechtes. Der Vortrag Freie
Rechtsfindung und freie Rechtswissenschaft (1903) folgert daraus, dass im
Falle einer Lücke eine freie Rechtsfindung erforderlich sei, die sich auf
überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen und im Zweifel auf soziologische Überlegungen
stützen müsse. 1909 richtet E. ein Seminar für lebendes Recht ein und 1913
bietet E. mit seinem Hauptwerk Grundlegung der Soziologie des Rechtes eine der
wichtigsten Grundlagen für die Entwicklung der Rechtssoziologie. Eigentlicher
Sitz der Rechtsentwicklung ist ihm die Gesellschaft, während Juristenrecht und
staatliches Recht nur zu dieser Grundlage hinzukommen.
Lit.: Köbler, DRG 189, 228; Rehbinder, M., Die
Begründung der Rechtssoziologie durch Eugen Ehrlich, 1967, 2. A. 1986; Deutsche
Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 469; Vogl, S.,
Soziale Gesetzgebungspolitik, freie Rechtsfindung und soziologische
Rechtswissenschaft, 2003; Ehrlich, E., Politische Schriften, hg. v. Rehbinder,
M., 2007
Ehrlichkeit →unehrlich
Ehrlosigkeit ist der ohne Ehre bestehende Zustand eines
Menschen. Die im Mittelalter bestehende E. ist wohl auch auf die von der Kirche
vermittelte römischrechtliche Figur der (lat. [F.) infamia zurückzuführen. E.
besteht z. B. für Diebe, Räuber, Henker, mancherorts für Müller, Spielleute u.
a. Seit der Neuzeit wird die E. zurückgedrängt und allmählich rechtlich
beseitigt.
Lit.: Dülmen, R. v., Der ehrlose Mensch, 1999
Eichhorn, Karl-Friedrich (Jena 20. 11.
1781-Köln 4. 7. 1854), Theologensohn, wird nach dem Rechtsstudium (seit 1797)
in Göttingen (Hugo, Pütter, 1801 Promotion, 1803 Habilitation) 1805 Professor
in Frankfurt an der Oder, 1811 in Berlin, 1817-1829 in Göttingen sowie nach
krankheitsbedingter Unterbrechung seit 1832-1834 in Berlin. 1808
veröffentlicht er ganz aus den Quellen geschrieben die erste Gesamtdarstellung
der deutschen Rechtsgeschichte (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte), seit
1823 die Einleitung in das deutsche Privatrecht, die das geltende deutsche
Privatrecht systematisch-dogmatisch gegliedert (als innere Rechtsgeschichte)
aussondert. Die Einheit des deutschen Rechtes wird dabei auf die
Gemeinsamkeiten der mittelalterlichen Landrechte, sein System auf die ihnen
angeblich zugrunde liegenden gemeinsamen Grundsätze gegründet. 1831-1835 folgen
noch die zweibändigen Grundsätze des Kirchenrechts.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EichhornKarlFriedrichDeutscheStaatsUndRechtsgeschichte1808Bd1.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EichhornKarlFriedrichGrundsaetzedesKirchenrechts1831Band1.pdf;
Köbler, DRG 188; Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche Privatrecht, 1823, 2.
A. 1825, 3. A. 1829, 947, 5. A. 1845,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EichhornKarlFriedrichEinleitungindasdeutschePrivatrecht1823.pdf;
Frensdorff, F., Karl Friedrich Eichhorn, 1881; Kerler, H.?, Zur
Lebensgeschichte Karl Friedrich Eichhorns, ZRG GA 3 (1882), 177; Schulte, J.
v., Karl Friedrich Eichhorn, 1884; Jelusic, K., Die historische Methode Karl
Friedrich Eichhorns, 1936; Erler, A., Eine unbekannte Niederschrift nach
Eichhorns Vorlesung „Deutsche Geschichte und Rechtsaltertümer“, ZRG GA 66
(1948), 537; Conradi, R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987;
Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 166ff.; Dopke, F.,
Eichhorn als Rechtsgutachter, Diss. jur. Kiel 1992
Eichmann, Eduard (Hagenbach/Pfalz 14. 2.
1870-München 26. 4. 1946) wird nach dem Studium der Theologie (1888) und der
Rechtswissenschaft (1898) in Würzburg, Straßburg und München (1904 Promotion Dr.
iur., Freiburg 1909 Promotion theol.) 1905 Professor für Kirchenrecht in Prag,
Wien (1913) und München (1918-1936, 1946 Vertretung) und veröffentlicht 1923
das führende Lehrbuch des Kirchenrechts seiner Zeit (13. A. 1991).
Lit.: Festschrift für Eichmann, hg. v. Laforet, W. u.
a., 1940; Hofmann, K., Eduard Eichmann, ZRG KA 65 (1947), VII
Eichstätt ist der Ort an der mittleren Altmühl, in dem
Bonifatius um die Mitte des 8. Jh.s ein Bistum gründet.
Lit.: Das Bistum Eichstätt - Die Bischofsreihe bis 1535, hg. v.
Wendehorst, A., 2006; Zürcher, P., Die Bischofswahlen im Fürstbistum Eichstätt
von 1636 bis 1790, 2008; Lullies, E., Die ältesten Lehnbücher
des Hochstiffts Eichstätt, 2012
Eichwesen ist die Sicherstellung redlicher
Verwendung von Maßen (z. B. Längenmaßen, Hohlmaßen, Gewichten). Ansätze des
Eichwesens finden sich bereits in der hochmittelalterlichen Stadt (z. B.
Stadtelle). Mit verstärkter Genauigkeit wird die Eichung auf der Grundlage
technisch-wissenschaftlich definierter Maße seit dem 19. Jh. vorgeschrieben
(1869 Normal-Eichungskommission, 1875 Pariser Meterkonvention, 1887
Physikalisch-Technische Reichsanstalt).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980;
Vec, M., Recht und Normierung in der industriellen Revolution, 2006
Eid ist die Anrufung einer (übermenschlichen)
Macht (z. B. Gott, Feuer?) als Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder die
Gültigkeit eines Versprechens. Der E. ist weit verbreitet, aber z. B. in
Matthäus 5,33ff. verboten. Er verbindet meist Worte mit besonderen Formen (z.
B. Handerheben, Berühren der Bibel, eines Kreuzes, einer Waffe u. s. w.). Er ist ein wichtiges Beweismittel
im Verfahren (z. B. Reinigungseid des Beschuldigten [vielfach nicht als Eineid
möglich, sondern Eidhelfer nötig], Zeugeneid). Strafbar ist der →Meineid.
Eine umfassende Untersuchung des Eides fehlt bislang.
Lit.: Kaser §§ 84 I, 87; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 70, 114, 116, 155, 202, 216, 235; Köbler, WAS; Strippelmann, F., Der
Gerichtseid, 1855ff.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879;
Loening, R., Der Reinigungseid, 1880; Göpfert, F., Der Eid, 1883; Siegel, H.,
Handschlag und Eid, 1894; His, R., Der Gleichheitseid, ZRG GA 27 (1906), 331;
Thudichum, F. v., Geschichte des Eides, 1911; Pedersen, J., Der Eid bei den Semiten,
1914; Hartung, H., Der richterliche Eid, 1916, Neudruck 2013; Hirzel, T., Der
Eid, 1922; Friesenhahn, E., Die politischen Eide, 1928; Gottlob, T., Der
kirchliche Amtseid, 1936, Neudruck 1963; David, M., Le serment du sacre, 1951;
Koller, F., Der Eid im Münchener Stadtrecht des Mittelalters, 1953;
Bauernfeind, O., Eid und Frieden, 1956; Hofmeister, P., Die christlichen
Eidesformen, 1957; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Ebel, W., Das Ende der
bürgerlichen coniuratio reiterata, ZRG GA 78 (1961), 319; Scheyhing, R., Eide,
Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
1966; Giesey, R., If Not, Not, 1968; Lea, H., The Duel and the Oath, 1974;
Eckhardt, U., Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueidleistung im
merowingischen Frankenreich, 1976; Vormbaum, T., Eid, Meineid und
Falschaussage, 1990; Prodi, P., Il sacramento del potere, 1992 (deutsch 1997);
Prodi, P., Das Sakrament der Herrschaft: Der politische Eid, 1997; Czeguhn, I.,
Der Herrschereid am Beispiel des Eides und der Eidesbekräftigung des spanischen
Königs, ZRG GA 115 (1998), 589; Eid und Wahrheitssuche, hg. v. Esders, S. u.
a., 1999; Esders, S./Mierau, H., Der althochdeutsche Klerikereid, 2000; Lange,
S., Der Fahneneid, 2001; Twellmann, M., Über die Eide, 2010; Harke, J., Der Eid
im klassischen römischen Privat- und Zivilprozessrecht, 2013; Sommerstein, A.
u. a., Oath and State in Ancient Greece, 2013; Oaths and Swearing in Ancient
Greece, hg. v. Sommerstein, A. u. a., 2014; Scharff, S., Eid und Außenpolitik,
2016
Eidgenossenschaft (14. Jh., Eidgenosse 13. Jh.) ist allgemein das eidlich
bekräftigte genossenschaftliche Bündnis. Die wichtigste besondere E. ist die
→Schweiz. Hier schließen die Länder →Uri und →Schwyz zwischen
1240 und 1273 einen ersten Bund, dem 1291 und 1315 sowie 1351ff. (Zürich, Uri,
Schwyz, Unterwalden, Luzern, Glarus, Zug) weitere folgen und zu dem danach
zusätzliche Orte hinzutreten. Von einer Schweizerischen E. wird dabei aber erst
seit dem späten 18. Jh. gesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hilty, C., Die Bundesverfassung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1891; Meyer, K., Italienische Einflüsse
bei der Entstehung der Eidgenossenschaft, Jahrbuch für schweizerische
Geschichte 45 (1920), 1; Fehr, H., Die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1929; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit
im Gebiet der schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Quellenwerk zur
Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Schieß, T. u. a., Bd.
1ff. 1933ff.; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Meyer, K., Der Ursprung der Eidgenossenschaft, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 21 (1941), 285; Pappard, W., Die Bundesverfassung der
schweizerischen Eidgenossenschaft 1848-1948, 1948; Claussen, H., Der
Zusammenschluss der schweizerischen Eidgenossen als Beispiel für die Ausübung
des Widerstandsrechts, Diss. jur. Hamburg 1951; Abegg, R., Die alte
Eidgenossenschaft, 1964; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1971; Meyer, B., Die Bildung der
Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Braun, B., Die Eidgenossen, 1997;
Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft
und das Heilige Römische Reich (1350-1798), 2008; Würgler, A., Die Tagsatzung
der Eidgenossen, 2015; Günther, K., Sizilianer, Flamen, Eidgenose, 2013
Eidhelfer (Wissenschaftsbegriff), Eideshelfer, ist im
(früh)mittelalterlichen deutschen Recht der Mensch, der schwört, dass der Eid
eines Eidesleistenden rein und nicht mein (falsch) sei (so genannter
„Glaubwürdigkeitszeuge“). Häufig soll dabei ein Beschuldigter mit sechs oder 12
(oder auch 72) Eidhelfern sich durch Eid von einer Beschuldigung reinigen. Der
E. ist vom Zeugen (Wahrnehmungszeugen) grundsätzlich zu trennen, doch ist die
Buße für einen Meineid eines Eidhelfers mit der für den Meineid eines Zeugen
gleich. Im Heiligen römischen Reich schwindet der E. im Spätmittelalter. In
England wird der Eidhelfereid erst 1833 aufgegeben.
Lit.: Cosack, K., Die Eidhelfer des Beklagten, 1885;
Schwerin, C. Frhr. v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg);
Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922, Neudruck 1973; Loschiavo, L., Figure di
testimoni, 2004
Eidsivathingslög ist das Recht des ostnorwegischen Gebiets
um Eid (Eidsvoll), das in seinem weltlichen Teil bruchstückhaft, in seinem
kirchenrechtlichen Teil (Christenrecht) in vier Handschriften des frühen 14.
Jh.s überliefert ist (Eidsivathingsbok).
Lit.: Meißner, R., Bruchstücke der Rechtsbücher des Borgarthings
und des Eidsivathings, 1942
Eigen ist im deutschen Mittelalter das
einem Menschen (uneingeschränkt) gehörige Gut. Es bildet meist den Gegensatz
zum Gemeinland (→Allmende) und zum →Lehen als einem geliehenen Gut.
Häufig wird neben E. auch das →Erbe besonders genannt. In den
schriftlichen Zeugnissen betrifft das E. überwiegend die Liegenschaft. Seit dem
13. Jh. wird E. durch das vermutlich lateinisch beeinflusste →Eigentum
(lat. [F.] proprietas) abgelöst.
Lit.: Hübner 241; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 116,
124; Puntschart, P., Das „Inwärts-Eigen“ im österreichischen Dienstrecht des
Mittelalters, ZRG GA 43 (1922), 66; Buchda, G., Dursal (dursal eigen), ZRG GA
59 (1939), 194; Ebner, H., Das freie Eigen, 1969; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Eigener Herd ist Goldes wert.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 175 (Franck 1541)
Eigenhändiges Testament ist das mit der eigenen Hand
geschriebene und unterschriebene →Testament.
Eigenkirche (lat. ecclesia [F.] propria) ist
(nach Ulrich Stutz) die einem Einzelnen (auch hinsichtlich der vollen
geistlichen Leitungsgewalt) gehörende Kirche. Sie hat ihren Ursprung darin,
dass in der christlichen Frühzeit der Gottesdienst häufig in einem privaten
Haus abgehalten wird (Unterscheidung zwischen [lat.] ecclesia [F.] publica und
ecclesia privata, öffentlicher Kirche und privater Kirche, im Osten 388, im 5.
Jh. im weströmischen Reich, 441 in Orléans, 546 in Lérida/Spanien), und darin,
dass auf dem Land oft der Grundherr am leichtesten in der Lage ist, ein
Kirchengebäude zu errichten. In der Folge wählt der Gebäudeeigner vielfach den
dort tätigen Geistlichen aus, verlangt die Teilhabe an den Einkünften und kann
die Kirche übertragen, während der Bischof auf die bloße Weihe beschränkt wird.
Im →Investiturstreit wird die E. als Form der Simonie bekämpft und danach
seit dem 12. Jh. durch Patronat und Inkorporation ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 90; Stutz, U.,
Die Eigenkirche, 1895, Neudruck 1955; Stutz, U., Ausgewählte Kapitel aus der
Geschichte der Eigenkirche, ZRG KA 57 (1937), 1; Landau, P., Ius patronatus,
1975; Petke, W., Von der klösterlichen Eigenkirche zur Inkorporation, RHE 87
(1993), 34ff., 375ff.; Oberholzer, P., Vom Eigenkirchenwesen zum
Patronatsrecht, 2002
Eigenleute (lat. homines [M.Pl.] proprii) sind
im Mittelalter die einem anderen gehörenden und damit eigenen Menschen. Sie
bilden keine in sich einheitliche Gruppe (z. B. Sachsenspiegel Landrecht III
44,3 Laten, Südwesten des Heiligen römischen Reichs 15. Jh., Westfalen bis in
das 18. Jh.). Teils schulden sie Abgaben, teils Dienste. Im Gegensatz zu den
→Sklaven haltenden Gesellschaften lässt das Mittelalter einen lebhaften
Handel mit Eigenleuten nicht erkennen. →Hörige
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wretschko, A., Über
Eigenleute und Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926); Klein, H., Die
bäuerlichen Eigenleute des Erzstifts Salzburg, Mitteilungen d. Ges. f.
salzburg. Landeskunde 73 (1933),109, 74 (1934),1; Demade, J./Morsel, J., Les
eigenleute aux XIIIe-XVe siècles, (in) Forms of servitude in Northern and
Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005, 75ff.
Eigentum (Wort Köln 1170, § 903 BGB) ist
das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von einer
Einwirkung auf die Sache auszuschließen. In altrömischer Zeit ist E. die Gewalt
des Hausvaters über Sachgüter unter Einschluss der Vorläufer der beschränkten
dinglichen Rechte (z. B. Servituten) und ohne scharfe Grenze gegenüber dem
→Besitz. Im klassischen römischen Recht entwickelt sich das E. als (lat.)
→dominium (N.) ex iure Quiritium an beweglichen Sachen und italischen
Grundstücken, neben dem das E. nach prätorischem Recht (lat. →in bonis
esse) steht. Einschränkungen bestehen auch hier (z. B. Baurecht, Nachbarrecht).
Erworben werden kann E. ursprünglich (Aneignung, Fruchterwerb, Verbindung,
Vermischung, Vermengung, Verarbeitung und Ersitzung oder abgeleitet von einem
Berechtigten durch Rechtsgeschäft). Gleichbedeutend mit dominium ist die
Bezeichnung (lat. [F.]) →proprietas. Im nachklassischen römischen Recht
wird die damit geschaffene Trennung von E. und Besitz bzw. beschränkten
dinglichen Rechten vielleicht weniger streng gehandhabt, doch verwendet
Justinian unter Vereinheitlichung des Eigentums für jedermann an allen Sachen
die begriffliche Schärfe des klassischen römischen Rechtes. Im germanischen
Bereich bildet das bloße Haben (germ. *aigan, *haben) den Ausgangspunkt des
Eigentums. Dementsprechend ist im Mittelalter Eigen die Bezeichnung der Herrschaft
über eine Sache, wobei die Herrschaft durch Zeichen (Eigentumsmarke, Hausmarke,
Hofmarke, Ohrenmarke) dargestellt sein kann. Diesem Eigen stehen vor allem
→Allmende und →Lehen gegenüber, während die →Gewere die
äußere (sichtbare) Erscheinungsform („Kleid“) aller (wegen ihres gedanklichen
Wesens notwendigerweise unsichtbaren) Sachenrechte und damit auch des Eigens
ist. Im 13. Jh. erscheinen mhd. eigenschaft und mnd. (?) egendom (Köln 1170,
Köln 1230 hegindum) wohl als Lehnübersetzungen von lat. proprietas. Das E. hat
aber keinen eindeutigen Inhalt. Es kann zeitlich und inhaltlich beschränkt
sein. Neben einem (lat. dominium [N.] directum) Obereigentum (etwa des
Lehnsherrn) kann selbst nach gelehrtem Recht (z. B. Wilhelmus de Cabriano,
Pilius [† 1213], Azo [zuerst nur bei der Emphyteuse], Accursius) in Anknüpfung
an eine dem einstigen bonitarischen Berechtigten des römischen Rechtes gewährte
(lat.) rei vindicatio (F.) utilis ein Untereigentum (lat. dominium [N.]
utile) (etwa des Ersitzungsbesitzers, Erbpächters, Erbbauberechtigten oder
des Lehnsmanns) stehen. Nach Bartolus, der Eigentum im Kern als das umfassende
Recht der Verfügung über einen körperlichen Gegenstand (lat. ius de re
corporali perfecte disponendi n. 4 ad D. 41. 2. 17) erfasst, kann E. (dominium)
im weiteren Sinn auch auf unkörperliche Gegenstände bezogen (und zwischen
mehreren Berechtigten aufgeteilt) werden. Dies wird mit der Aufnahme des
gelehrten Rechtes fortgeführt, wobei das Untereigentum zur Aufzehrung des
Obereigentums neigt. Danach betrachtet das aufstrebende Bürgertum unter dem
Einfluss des Protestantismus Eigentum als vorgesellschaftliches und damit
unantastbares Recht und wirkt sich wohl auch der von Hugo Grotius gutachtlich
begründete koloniale Zugriff europäischer Staaten auf den Rest der Welt auf die
Eigentumsvorstellung aus. Unter dem Einfluss der Aufklärung und des
Liberalismus wird das E. (über Kant bzw. Fichte und Hegel) zu einem völlig
freien, von Einschränkungen gelösten Recht einer Person an einer körperlichen Sache
(Thibaut, A., Über dominium directum und utile, 1801 [Aufsatz]). Am
entschiedensten zeigt sich dies (nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens von
1863) in § 903 BGB (trotz Otto von Gierkes vergeblichen Versuchs der
Entwicklung eines besonderen deutschrechtlichen Eigentumsbegriffs). Die
fragwürdigen Folgen schrankenloser Freiheit haben im 20. Jh. zur Anerkennung
der Sozialbindung des Eigentums geführt. Außerdem hat sich im öffentlichen
Recht die Ansicht durchgesetzt, die unter dem von der Verfassung garantierten
E. jede schützenswerte Vermögensposition versteht. Das sozialistische E. der
Deutschen Demokatischen Republik (1949ff.) ist mit deren Beitritt zur
Bundesrepublik Deutschland (1990) wieder aufgegeben.
Lit.: Kaser § 22; Söllner §§ 8, 23; Hübner 241ff.,
453ff.; Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 40, 124, 163,
174, 211, 269; Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 65;
Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums in den deutschen Städten, 1861; Felix,
L., Entwicklungsgeschichte des Eigentums, Teil 1ff. 1883ff.; Landsberg, E., Die
Glosse des Accursius, 1883; Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte
in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Hedemann, W., Die Fortschritte
des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Teil 2, 1 1930; Dungern, O. Frhr. v., Über
die Freiheit des Eigentums im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 287; Keller, R.
v., Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933, Wieacker,
F., Wandlungen in der Eigentumsverfassung, 1935; Kaser, M., Eigentum und Besitz
im älteren römischen Recht, 1943, 2. A. 1956; Wagner, H., Das geteilte
Eigentum, 1938; Eichler, H., Wandlungen des Eigentumsbegriffes in der deutschen
Rechtsauffassung, 1938; Coing, H., Zur Eigentumslehre des Bartolus, ZRG RA 70
(1953), 348; Schacht, J., An Introduction to Islamic Law, 1964; Feenstra, R.,
Les origines du dominium utile, (in) Flores legum, 1971, 49; Eigentum und
Verfassung, hg. v. Vierhaus, R., 1972; Brandt, R., Eigentumstheorien von
Grotius bis Kant, 1974; Landau, P., Ius patronatus, 1975; Rittsteig, H.,
Eigentum als Verfassungsproblem, 1975; Floßmann, U., Eigentumsbegriff und
Bodenordnung im historischen Wandel, 1976; Kroeschell, K., Die Lehre vom
germanischen Eigentumsbegriff, FS H. Thieme, 1977, 34; Köbler, G., Eigen und
Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1; Zenati, M., La nature juridique de la propriété,
1981; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Klemm, P.,
Eigentum und Eigentumsbeschränkungen in der Doktrin des usus modernus
pandectarum, 1984; Kühl, K., Eigentumsordnung als Freiheitsordnung, 1984;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Eigentum, hg. v. Köhn,
J., 1987; Kroeschell, K., Die nationalsozialistische Eigentumslehre, (in)
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, 1989, 43; Baker, J., An Introduction
to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Hecker, D.,
Eigentum als Sachherrschaft, 1990; Property and Power in the Early Middle Ages,
hg. v. Davies, W. u. a., 1995; Penner, J., The idea of property in law, 1997;
Eigentum im internationalen Vergleich 18.-20. Jahrhundert, hg. v. Siegrist, H.
u. a., 1999; Bertram, K., Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundeigentums,
2000; Finkenauer, T., Eigentum und Zeitablauf, 2000; Diestelkamp, B., Frühe urkundliche
Zeugnisse für dominium directum und dominium utile im 13. Jahrhundert, (in)
Grundlagen des Rechts, 2000, 391ff.; Michaels, R., Sachzuordnung durch
Kaufvertrag, 2002; Ulmschneider, C., Eigentum und Naturrecht, 2003; Hoppe, K,
Eigentum, Erbrecht und Vertragsrecht, 2003; Gottschalk, K., Eigentum,
Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Lehmann, J., Sachherrschaft und Sozialbindung,
2004; Keiser, T., Eigentumsrecht im Nationalsozialismus und Fascismo, 2005;
Garnsey, P., Thinking about Property, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Müller, D., Adliges
Eigentumsrecht und Landesverfassung, 2011; The Future of European Property Law,
hg. v. Van Erp, S. u. a. 2012
Eigentümer (1478) ist der an einer Sache voll Berechtigte.
→Eigentum
Lit. Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Eigentumserwerb ist der Erwerb des
→Eigentums. Er erfolgt anfangs originär (ursprünglich) durch Aneignung.
Nach weitgehender Erschöpfung der dafür in der Umwelt vorhandenen Güter
verdrängt der (abgeleitete) E. durch Rechtsgeschäft (→Übergabe auf Grund
eines Titels, →Einigung und Übergabe) den ursprünglichen E., der im
Übrigen auch durch Fruchterwerb, Verbindung, Vermischung, Vermengung und
Verarbeitung möglich ist. Daneben steht der E. durch Hoheitsakt. Gegründet auf
Grotius’ Verständnis von Institutionen 2. 1. 40 lässt der Code civil (1804)
Frankreichs bei dem abgeleiteten Erwerb das Eigentum (bereits) mit dem
(schuldrechtlichen) Vertragsabschluss (z. B. Kaufvertrag) übergehen
(Konsensprinzip). Umgekehrt verlangt Savigny zusätzlich zum schuldrechtlichen
Grundgeschäft einen davon unabhängigen sachenrechtlichen Vertrag (Einigung).
Lit.: Kaser §§ 24ff.; Köbler, DRG 40, 61, 163; Brandt,
H., Eigentumserwerb und Austauschgeschäft, 1940; Schubert, W., Die Entstehung
der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Köbler,
G., Die rechtliche Regelung des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 201;
Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Klinck, F.,
Erwerb durch Übergabe an Dritte nach klassischem römischem Recht, 2004; Damler,
D., Wildes Recht. Zur Pathogenese des Effektivitätsprinzips in der
neuzeitlichen Eigentumslehre, 2008
Eigentumsübertragung ist die Übertragung des
→Eigentums von einem bisherigen Eigentümer auf einen neuen Eigentümer.
Ihr geht im römischen Recht die Vorstellung voraus, dass dem Untergang eines
Rechtes eines bisherigen Eigentümers die Entstehung des Eigentums als neues
Recht bei einem neuen Berechtigten folgt, doch kennt bereits das klassische
römische Recht den Gedanken der Übertragung. Die wichtigsten Wege hierfür sind
die (lat. [F.]) →mancipatio, die (lat.) →in iure cessio (F.) und
die formfreie Übergabe (lat. [F.] →traditio) bei Vorliegen eines
Rechtsgrunds. Für die Germanen ist ein einfaches Handgeschäft zu vermuten. Im
Frühmittelalter stehen Einigung oder Übergabe (ahd. →sala, lat. traditio)
und Besitzeinräumung oder Bekleidung (ahd. giwerida, lat. →investitura)
in nicht völlig klarer Weise nebeneinander. Mit dem Beginn der Geldwirtschaft
wird die E. sehr häufig. Sie erfolgt bei Liegenschaften vielfach vor Gericht
und unter Verwendung von Schriftakten ( →Schreinskarten). Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes setzt sich die Lehre vom vorausgesetzten (lat.)
titulus (M.) acquirendi und vom erfüllenden (lat.) modus (M.) acquirendi
weitgehend durch. Im 19. Jh. entwickelt Savigny die Rechtsfigur des dinglichen,
neben dem schuldrechtlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag) stehenden Vertrags
(abstrakte →Einigung). Sie findet Eingang in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900). Danach erfolgt die E. durch Einigung und Übergabe oder
Übergabesurrogat sowie bei Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und
→Eintragung in das Grundbuch. In den übrigen europäischen Ländern ist die
E. ein kausales Geschäft.
Lit.: Kaser § 24; Mitteis/Lieberich, Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 28; Dyckerhoff, E., Die Entstehung des Grundeigentums,
1909; Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von
Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1961; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D.,
Die germanische Grundstücksübertragung, Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; 1984; Transfer of
Title Concerning Movables, Teil 1ff., hg. v. Rainer, J. u. a., Bd. 1ff. 2006
ff.
Eigentumsvorbehalt (1809) ist der Vorbehalt des Verbleibens des Eigentums bei
einem bisherigen Eigentümer trotz einer Verpflichtung zur Eigentumsübertragung
bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der bereits dem klassischen römischen Recht
(Ulpian D. 43, 26, 20 bekannte), im mittelalterlichen Italien durch die Glosse
zu C. 4, 54, 3 übernommene, in Deutschland durch die Rente vertretene, aber zu
Anfang des 17. Jh.s zunächst in Kursachsen und der Oberlausitz bei Kauf von
Grundstücken ausdrücklich erwähnte und verbreitete E. gewinnt mit dem
Vordringen des Abzahlungskaufs im ausgehenden 19. Jh. Bedeutung. Der
Eigentumsvorbehaltskäufer erlangt eine Anwartschaft, die mit
fortschreitender Bezahlung des Kaufpreises schließlich zum Vollrecht erstarken
soll.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schubert, W., Die Entstehung
der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Berger,
W., Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und
Eigentum, 1984; Misera, K., Eigentumsvorbehalt im klassischen römischen Recht,
FS R. Serick, 1992, 275; Maaß, M., Die Geschichte des Eigentumsvorbehalts,
2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Eike von Repgow (um 1180?-nach 1233?) ist der
wahrscheinlich aus einer ostfälisch-sächsischen, im 12. Jh. in das sorbische
Gebiet Serimunt eingewanderten Familie stammende Verfasser des (zunächst
lateinisch verfassten und dann durch Übersetzung in die Muttersprache)
mittelniederdeutschen Rechtsbuchs →Sachsenspiegel. Er benennt sich selbst
(in den Versen 261-266 der Reimvorrede) nach dem Dorf Repchowe (Reppichau
westlich Dessaus im Anhaltinischen). Er tritt in sechs Urkunden 1209 (Mettine),
1215 (Lippehna), 1218 (Grimma), 1219, 1224 (Delitzsch) und 1233 (Salbke) an
unterschiedlichen Orten in der Nähe bedeutender Fürsten als Zeuge auf. Er ist
schöffenbarfrei und bezeichnet Graf Hoyer von Falkenstein, den Stiftsvogt von
Quedlinburg, als seinen Herrn. Da er den Sachsenspiegel zunächst in Latein
schreibt und danach übersetzt, gehört er zur dünnen Bildungsschicht der hochmittelalterlichen
Gesellschaft. Sonstige Einzelheiten über ihn stehen nicht sicher fest. Nach
Peter Landau könnte Abt Matthäus von Altzelle ein Lehrer Eike von Repgows sein.
Lit.: Köbler, DRG 102; Fehr, H., Die Staatsauffassung
Eikes von Repgow, ZRG GA 37 (1915), 131; Voltelini, H. v., Der Verfasser der
sächsischen Weltchronik, 1924; Möllenberg, W., Eike von Repgow und seine Zeit,
1934; Heck, P., Eike von Repgow, 1939; Lieberwirth, R., Eike von Repchow und
der Sachsenspiegel, 1982; Ignor, A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eikes,
1984; Johannek, P., Eike von Repgow, Hoyer von Falkenstein und die Entstehung
des Sachsenspiegels, (in) Civitatum communitas 2, 1984, 716ff.; Kroeschell, K.,
Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in) Rechtsgeschichte in beiden deutschen
Staaten, 1991, 232; Schroeder, K., Eike von Repgow, JuS 1998, 776; Landau, P.,
Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73ff.; Lück, H.,
Magdeburg, Eike von Repgow und der Sachsenspiegel, (in) Magdeburg, hg. v.
Puhle, M. u. a., 2005, 155ff.; Eike von Repgow 800. Reppichau 850, hg. v. Lück,
H. u. a., 2009; Das Eike-vonRepgow-Dorf Reppichau zwischen 1159 und 2009, hg.
v. Lück, H. u. a., 2009
Einantwortung ist die Übertragung einer Gesamtheit von
Rechten an einen Erwerber z. B. eines Landes (1317) oder eines Nachlasses (in
den Besitz des Erben durch Gerichtsbeschluss, § 797 ABGB 1811) oder früher
auch eines Mündels im Verhältnis zum Vormund.
Lit.: Wesener, G., Einantwortung, FS Kocher, G., 2006, 485
Einbenennung ist die Erteilung des Ehenamens der
Mutter und ihres Ehemanns oder die Erteilung des Namens des Vaters an das
nichteheliche Kind.
Lit.: Engler, H., Der Familienname des nichtehelichen
Kindes, FamRZ 1971, 76
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht
ins Maul.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 121 (Gruter 1612)
Einforstung ist die Beanspruchung eines Waldes als andere
Menschen ausschließenden Forstes seit dem 7. Jh. bis in die Neuzeit.
Lit.: Hasel, K., Forstgeschichte, 1985, 2. A. 2002; Günther, R., Der
Arnsberger Wald im Mittelalter, 1994; Kieß, R., Forst-Namen und kleine Forsten,
Forstliche Forschungsberichte München 161 (1997), 66ff.; Dasler, C., Forst- und
Wildbann im frühen deutschen Reich, 2001
Eingriffsverwaltung ist der Teil der öffentlichen
→Verwaltung, der in die Rechte (z. B. Freiheit, Eigentum) des Untertanen
bzw. Staatsbürgers eingreift. Er ist der von Anfang an bestehende Kernbestand
der Verwaltung, dem seit dem 19. Jh. die →Leistungsverwaltung gegenübertritt.
Einheitliche Europäische Akte ist die am 17. 2. 1986 von den Mitgliedstaaten
der europäischen Gemeinschaften beschlossene, am 1. 7. 1987 in Kraft getretene
Abänderung der römischen Gemeinschaftsverträge von 1957. Sie legt die
schrittweise Vollendung des Binnenmarkts bis 1992 und eine Wirtschafts- und
Währungsunion fest, stellt die Europäische Politische Zusammenarbeit auf eine
vertragliche Grundlage und richtet den Europäischen Rat ein.
Einigung (1322) ist allgemein die Übereinkunft mehrerer Beteiligter.
Im 19. Jh. wird die E. als Vereinbarung (dinglicher Vertrag) über den
Eigentumsübergang von →Savigny entwickelt. Unterstützt von seit der Mitte
des 19. Jh.s spürbaren Bestrebungen, die umständlichen Formen des älteren
Rechtes (z. B. Hypothekenordnung Preußens von 1783) zu vereinfachen, wird diese
Vorstellung in Preußen 1872 und im deutschen Reich 1897/1900 gesetzlich
anerkannt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Felgentraeger, C., Friedrich
Carl von Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre, 1927; Schubert, W., Die
Entstehung der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Einigungsvertrag ist der am 31. 8. 1990 zwischen der
Bundesrepublik →Deutschland und der →Deutschen Demokratischen
Republik abgeschlossene Vertrag über die – wegen der eigenstaatlichen
Interessen von Margaret Thatcher (Großbritannien) eisern und François Mitterand
(Frankreich) wortlos (Deutschland zu mächtig, um nicht dominant zu werden)bekämpfte
- Herstellung der Einheit Deutschlands, auf dessen Grund am 3. 10. 1990 die
Deutsche Demokratische Republik der Bundesrepublik Deutschland beitritt.
Lit.: Köbler, DRG 247; Jackisch, K., Eisern gegen die
Einheit, 2004; La diplomatie française face ‚l’unification, hg. v. Vaïsse, M.
u. A., 2011
Einkammersystem ist das politische System, in dem
das Gesetzgebungsorgan (→Parlament) bzw. die Volksvertretung nur aus
einer Kammer besteht (z. B. Sachsen-Weimar 1816, Schwarzburg-Rudolstadt 1816,
Sachsen-Hildburghausen 1818, Sachsen-Meiningen 1824, Sachsen-Altenburg 1831,
Kurhessen 1831, Braunschweig 1832, Bayern bis 2000). Es bildet den Gegensatz
zum Zweikammersystem.
Lit.: Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 2
1979, 451ff.; Essmann-Bode, C., Das Einkammer- und Zweikammersystem im
deutschen Konstitutionalismus, 2015
Einkindschaft (Ingelheim 1419) ist
die vertraglich vereinbarte erbrechtliche Gleichstellung von Kindern aus zwei
Ehen eines Elters (lat. unio [F.] prolium). Sie findet sich in einer österreichischen
Urkunde von 1275, in einem Stadtbucheintrag in Wismar von 1324, in Ingelheim
1378, Frankfurt am Main 1399, Wetzlar 1475, Worms 1498, Freiburg im Breisgau
1520 und Solms 1571. Dabei vereinbaren die Ehegatten der zweiten Ehe zwecks
Abdingung des im Hochmittelalter entstehenden Ehegüterrechts (Verfangenschaftsrechts,
Teilungsrechts, Teilrechts) meist bei oder kurz nach der Eingehung einer neuen
Ehe vor Zeugen oder vor Gericht mit den Kindern einer vorangehenden Ehe, dass
diese Kinder (Vorkinder) unter Verzicht auf ihr Erbrecht (Verfangenschaftsrecht,
Teilungsrecht, Teilrecht) am Vermögen der verstorbenen ersten Ehegatten
zugunsten der oder des neuen Ehegatten (wie die Kinder der neuen Ehe,
Nachkinder) ein Erbrecht gegen diesen bzw. diese erhalten. Sie beerben also
ihren erstverstorbenen Elter nicht, erhalten aber ein Erbrecht in Bezug auf den
letztversterbenden Ehegatten der zweiten Ehe. Die E. ist noch im preußischen
Allgemeinen Landrecht (1794, II 2 §§ 717-752) enthalten, verschwindet danach
jedoch.
Lit.: Hübner 509f.; Hertel, C., Über die
Einkindschaft, 1818; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland, 2, 1, 1868, Neudruck 1967; Mittelstein, M., Die Einkindschaft nach
hamburgischem Recht, 1886; Meyer, H., Die Einkindschaft, Diss. jur. Breslau
1900; Meyer, H., ZRG GA 34 (1913), 610ff. (Besprechung); Gudian, G.,
Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Bley, H., Das Erbrecht nach den
Urteilen des Ingelheimer und des Neustädter Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1977, 203ff.; Schartl, R., Zur Entstehung der fränkischen Einkindschaft,
Ius commune 16 (1989), 264
Einkommensteuer ist die vom Einkommen natürlicher
Personen als Steuerobjekt zu entrichtende Steuer. Sie wird in England (income
tax zur Finanzierung des Krieges gegen Napoleon) 1799, in Ostpreußen 1808 und
nach dem Klassensteuergesetz von 1820 in Preußen 1851 eingeführt. 1878 beträgt
sie in Sachsen bis 5%. 1891 wird unter Finanzminister Miquel in Preußen ein
als fortschrittlich geltendes Einkommensteuergesetz erlassen, in dem die von
dem Finanzbeamten Bernhard Fuisting vorgeschlagene Einkommensteuererklärung
von besonderer Bedeutung ist (1893 Ergänzung um Vermögensteuer, Kommunalabgabengesetz).
Im 20. Jh. wird die E. (unter Verselbständigung der Körperschaftsteuer für
juristische Personen 1920) zu einer der wichtigsten staatlichen
Einnahmequellen.
Lit.: Köbler, DRG 198, 233, 251; Großfeld, B., Die
Einkommensteuer, 1981; Linzbach, P., Der Werdegang der preußischen
Einkommensteuer, 1984; Greim-Kuczewski, P., Die preußische Klassen- und
Einkommensteuergesetzgebung, 1990; Mathiak, W., Die erste Einkommensteuer in
Deutschland, (in) Steuer und Wirtschaft, 1995, 352; Mathiak, W., Das preußische
Einkommensteuergesetz von 1891, 2011;
Osmialowski, C., Bernhard Fuisting (1841-1908) und die Begründung der
Steuererklärungspflicht, Diss. jur. Bonn 2011; Harris, P., Income Tax in Common
Law Jurisdictions, Bd. 1 2012
Einlager ist die seit dem 12. Jh. (mangels
besserer Erfüllungsverwirklichungsmöglichkeiten) entstehende bzw. bekannte
Form der Schuldsicherung, bei der sich der →Bürge oder →Schuldner
(z. B. Adliger, Stadt vielfach gegenüber Juden) verpflichtet, bei Fälligkeit
der Schuld einen festgelegten Ort (z. B. ein Gasthaus) aufzusuchen und ohne
Einwilligung des Gläubigers nicht wieder zu verlassen, was als Folge der
entstehenden Kosten den Schuldner oder Bürgen zur baldigen Leistung bewegen
sollte. Die Kosten der Unterbringung fallen je nach Vereinbarung dem
Hauptschuldner oder dem Bürgen zur Last. 1572 verbietet Sachsen (Kursachsen),
1577 eine Reichspolizeiordnung das E., doch hat es zumindest örtlich bis in
das 19. Jh. tatsächlich Bestand. Im Übrigen wird es durch die →Schuldhaft
abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128;
Friedlaender, E., Das Einlager, 1868; Lechner, A., Das Obstagium, 1906;
Rintelen, M., Schuldhaft und Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Kisch,
G., Das Einlager, 1912; Ogris, W., Die persönlichen Sicherheiten im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Breßler, S., Schuldknechtschaft und
Schuldturm, 2004; Lentz, M., Konflikt, Ehre, Ordnung, 2004
Einlassung ist die Bereitschaftserklärung
eines Beklagten, mit dem Kläger über die Klage streiten zu wollen. Sie ist der
Sache nach bereits Bestandteil des römischen Formularprozesses (förmliche
Verneinung des Begehrens des Klägers, nicht Anerkenntnis oder Untätigkeit des
Beklagten), wobei ein Zwang zur E. bei einer (lat.) actio in personam besteht,
während bei einer (lat.) actio in rem der Gerichtsmagistrat erst Rechtsschutz
(lat.) in personam gewähren muss. Im Heiligen römischen Reich wird die E. mit
der Aufnahme des gelehrten Prozesses ein Teil der Streitbefestigung (lat. litis
contestatio [F.]). Eine klare Bestimmung der E. im gemeinrechtlichen Verfahren
des Reichskammergerichts ist nicht möglich, weil sowohl die Litiskontestationsbegründung
wie auch die Einrede oder Antwort des Beklagten als E. bezeichnet werden.,
obwohl die Reichskammergerichtsordnung von 1500 beides trennt. Die
Reichskammergerichtsordnung von 1555 sieht in jeder Klageerwiderung eine
Litiskontestation. Der jüngste Reichsabschied von 1654 übernimmt aus dem
sächsischen Verfahren die besondere Litiskontestation und lässt die E. als
zusammenhängende Klageerwiderung in einem einfachen Klaglibell erfolgen. In
der Gegenwart ist im Zivilprozess das Verhandeln zur Hauptsache eine Zuständigkeitsvereinbarung
(§§ 39, 504 ZPO). Im Strafprozess ist E. jede Äußerung des Beschuldigten zur
Sache.
Lit.: Kaser § 82; Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 1861, 3. A. 1878, § 14; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 2. A. 1996; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus
curiae am Reichshofrat, 1973; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974;
Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Einmal ist keinmal.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 88 (Hertius 1737, lat. unus actus nullus
actus)
Ein Mann, ein Wort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 235 (Sachße 1856)
Einmanngesellschaft ist in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s die zunächst bei einer bereits bestehenden Gesellschaft und danach auch
für die Entstehung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zugelassene, nur
aus einem Gesellschafter bestehende Gesellschaft.
Einmauern ist im Altertum eine Todesstrafe und seit dem
Mittelalter eine Art Freiheitsstrafe, die mit der Aufklärung aufgegeben wird.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, 1920
Einrede (1188) ist das nicht im bloßen Leugnen bestehende, gegen den
Klaganspruch gerichtete Vorbringen des Beklagten. Die E. ist schon dem
römischen Zivilprozessrecht als (lat.) exceptio (F.) bekannt. Dementsprechend
erscheint sie bei der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts in Deutschland.
Bereits im Hochmittelalter werden in Urkunden umfängliche romanistische
Verzichtsformeln für Einreden aufgenommen.
Lit.: Kaser § 4 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 155;
Schlosser, H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963;
Wesener, G., Nichtediktale Einreden, ZRG GA 112 (1995), 109; Ernst, W., Die
Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Einspruch
Lit.: Broichmann, C., Der außerordentliche Einspruch
im Dritten Reich, 2013 (21 Fälle von Verfahren vor dem besonderen Strafsenat
des Reichsgerichts, 92 Fälle vor dem besonderen Senat des Volksgerichtshofs,
jeweils hohe Zahl von Todesurteilen, in zwei Fällen persönliche Einflussnahme
Adolf Hitlers)
Einstweilige Anordnung ist die vorläufige Anordnung des
Gerichts in einem Rechtsstreit. Sie findet sich sachlich notwendigerweise
seit dem Beginn von Verfahren. Sie wird aber erst spät grundsätzlich geregelt.
Lit.: Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der
einstweiligen Anordnung im Verwaltungsprozess, Diss. jur. Hamburg 1967
einstweilige Verfügung →Mandatsprozess
Eintragung (1440) ist die Aufnahme in ein Register. Sie ist an
unterschiedlichen Stellen Voraussetzung für eine Rechtsfolge. Im 19. Jh. wird
in Deutschland die E. in das Grundbuch grundsätzlich Voraussetzung für das
Entstehen eines dinglichen Rechtes oder die E. einer Gesellschaft in das
Handelsregister Voraussetzung für ihre Entstehung (Eintragungsgrundsatz,
Intabulationsprinzip). In Österreich ist E. (lat.) modus des Rechtsübergangs
für unbewegliche Sachen (auf Grund Eintragungsbewilligung bzw. Aufsandungserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 125, 212; Planitz, H.,
Konstitutivakt und Eintragung in den Kölner Schreinsurkunden, FS A. Schultze,
1934, 175; Grolle, N., Die Eintragungsbewilligung, Diss. jur. Münster 1989;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Eintritt ist das Hineintreten in eine Lage oder einen
Raum (z. B. auch in ein Haus oder in eine Gesellschaft).
Eintrittsrecht (Wort 1608) ist
das Recht zum Eintritt in einen Raum oder in eine Rechtslage. Im Erbrecht ist
insbesondere das E. (Repräsentationsrecht) von Enkeln an Stelle vorverstorbener
Kinder bedeutsam. Es findet sich im römischen Recht (Gaius, Institutionen 3,7,
3,8, I. 3. 1. 6, Nov. 118, 1). Dort kenn Justinian (527-565) nur das E. der
Geschwisterkinder. Das E. wird bereits spätestens 596 vom fränkischen König in
der (lat.) Decretio (F.) Childeberti bestimmt und vielleicht am 17. Mai 938
auf einem Hoftag in Steele bei (bzw. heute in) Essen auf Grund eines Zweikampfs
für Sachsen zugunsten von Sohnessöhnen bejaht (eingeschränkt nach Söhnen im
Sachsenspiegel 1221-1224, abgelehnt in Augsburg 1276/1420). Mit der Aufnahme
des römischen Rechtes findet es allgemeine Anerkennung im Heiligen römischen
Reich (Reichsabschied 1500, 1521, Jülich-Berg 1555/1564, Solms 1571, Kurköln
1663, Kurtrier 1668/1713, ALR 1794, Code civil 1804, ABGB 1811, ABGB Aargau
1856, BGB Sachsen 1863, PRG Schaffhausen 1864). In Österreich folgt der Entwurf
Neue Satz- und Ordnung (1720) weitgehend, der Codex Theresianus (1766)
Justinian.
Lit.: Hübner 766ff.; Kroeschell, DRG 1; Wesener, G.,
Zum Weiterleben römischen Rechtes im
Frühmittelalter, ,(in) Cinquante anni della Corte costituzionale della
Repubblica italiana, 2006, 1751; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Kroeschell, K., König
Otto I. und das Eintrittsrecht der Enkel (in) Römische Jurisprudenz, 2011, 361
Einung ist die Vereinbarung unter mehreren
Menschen und auch deren dadurch geschaffener Zusammenschluss (z. B. Innung).
Die E. kann bindende Wirkung für eine Gesamtheit entfalten. Insofern werden
etwa hochmittelalterliche Landfriedenseinungen als Gesetze eingeordnet.
Lit.: Köbler, WAS; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Vogel,
O., Die ländliche Einung, Diss. jur. Zürich 1953; Bader, K., Die städtische
Einung, Arch. d. hist. Ver. d. Kantons Bern 44 (1958), 159; Kulenkampff, A.,
Einungen mindermächtiger Stände, Diss. phil. Frankfurt am Main 1967;
Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft fränkischer Grafen und Herren,
1971; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Einungen und Bruderschaften, hg. v.
Johanek, P., 1993; Moraw, P., Die Funktion von Einungen und Bünden, (in)
Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press, V., 1995, 1; Pitz, E.,
Bürgereinung und Städteeinung, 2001
Einwerfung oder Ausgleichung ist die
Berücksichtigung eines einem von mehreren Erben zu Lebzeiten des Erblassers von
diesem zugeflossenen Vermögenswerts bei der Auseinandersetzung des
Nachlasses (Teil der gesetzlichen Ausgestaltung der Erbauseinandersetzung).
Sie ist dem römischen Recht als (lat.) →collatio (F.) bonorum bekannt.
Sie findet sich im langobardischen Volksrecht (Edictus Rothari [643] 199) und
im westgotischen Volksrecht (L. Vis. [7. Jh.] IV, 5, 3) sowie im
→Sachsenspiegel ([1221-1224] Landrecht I 10, 13) und im
→Schwabenspiegel ([um 1275] 148a). Ausführlich ist die E. oder Ausgleichung
in den neuzeitlichen Gesetzbüchern behandelt (ALR [1794] II 2 §§ 303ff., Code
civil [1804] Art. 843ff., ABGB [1811] §§ 788, 790ff., BGB Sachsen [1863] §§
2354ff., BGB [1900] §§ 2050ff., ZGB [1907/1911] Art. 626ff.).
Lit.: Kaser § 73 IV; Hübner 750ff.; Reinhardt, K., Die
Lehre von der Einwerfung, 1818; Rummel, C. v., Zur Lehre von der Einwerfung,
1843; Staudinger, J./Kipp, T./Coing, H., Erbrecht, 12. A. 1965, § 120;
Eberl-Borges, C., Die Erbauseinandersetzung, 2000; Werbik, K., Lebzeitige
Zuwendungen des Erblassers, 2004
Einwilligung (1478) ist die vorherige Zustimmung zu einem
Rechtsgeschäft oder sonstigen Verhalten.
Lit.: Kaiser, D., Die elterliche Einwilligung, 2008;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Einziehung
Lit.. Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis
76a StGB), 2013
Eisenach am nordwestlichen Fuß des Thüringer
Waldes erhält 1283 Stadtrecht. Eisenacher Rechtsbuch ist ein in verschiedenen
Fassungen überliefertes Rechtsbuch der Stadt E. Das bruchstückweise in einer
einzigen in Kassel befindlichen Handschrift des ersten Viertels des 15. Jh.s
überliefert erhaltene ältere Eisenacher Rechtsbuch des Stadtschreibers Johannes
→Rothe (Creuzburg 1350/60-Eisenach 1434) von 1384-1387 verbindet Teile
des Meißener Rechtsbuchs, des glossierten Sachsenspiegels, des
Schwabenspiegels und des Decretum Gratiani, der Digesten, der Dekretalen, des
Liber Sextus und anderer gelehrter Quellen mit dem Eisenacher Stadtspiegel von
1283 und Eisenacher Gerichtsgewohnheiten des 14. Jh.s (Buch 1 Erbrecht, Buch 2
Heergewäte, Leibgeding, Morgengabe [, Vormundschaft], Buch 3 Häuser, Äcker,
Vieh). Quelle ist das an 20 Stellen in Bezug genommene Eisenacher Kettenbuch,
das landgräfliche Privilegien und städtische Willküren verarbeitet. Von Rothe
stammt ein weiteres, zehn Bücher umfassendes Rechtsbuch, das 1503/1504 der
Stadtschreiber Johann →Purgold unter Einbeziehung der Institutionen und
des Codex in den 8 wenig geordneten Büchern seines jüngeren Eisenacher Rechtsbuchs
überarbeitet.
Lit.: Das Rechtsbuch nach Distinktionen. Ein
Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Ortloff, F., 1836, 625-756; Die Stadtrechte von
Eisenach, Gotha und Waltershausen, hg. v. Strenge, K. u. a., 1909; Helmoldt,
H., Geschichte der Stadt Eisenach, 1936; Rondi, P., Eisenacher Rechtsbuch,
1950; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 57
Eisenbahn - nach einer berühmten Begriffsbestimmung
des Reichsgerichts (RGZ 1, 247, 252) ein Unternehmen, gerichtet auf
wiederholte Fortbewegung von Personen oder Sachen über nicht ganz unbedeutende
Raumstrecken auf metallener Grundlage, welche durch ihre Konsistenz,
Konstruktion und Glätte den Transport großer Gewichtmassen bzw. die Erzielung
einer verhältnismäßig bedeutenden Schnelligkeit der Transportbewegung zu
ermöglichen bestimmt ist, und durch diese Eigenart in Verbindung mit den
außerdem zur Erzeugung der Transportbewegung benutzten Naturkräften (Dampf,
Electrizität, thierischer oder menschlicher Muskeltätigkeit, bei geneigter
Ebene der Bahn auch schon der eigenen Schwere der Transportgefäße und deren
Ladung, u. s. w.) bei dem Betriebe des Unternehmens auf derselben eine
verhältnismäßig gewaltige (je nach den Umständen nur in bezweckter Weise
nützliche, oder auch Menschenleben vernichtende und die menschliche Gesundheit
verletzende) Wirkung zu erzeugen fähig ist - ist das im 19. Jh. auf der
Grundlage älterer Ansätze entwickelte, auf Schienen laufende, dem öffentlichen
oder ihm ähnlichen Verkehr dienende Transportmittel. Die erste öffentliche Eisenbahn
wird (21 Jahre nach der Inbetriebnahme der ersten Dampflokomotive) 1825 als
Stockton and Sarlington Railway in England 1825 verwirklicht. Die erste Eisenbahnstrecke
wird 1830 zwischen Manchester und Liverpool, die erste deutsche
Eisenbahnstrecke 1835 zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet. Bereits am 3. 11.
1838 sieht Preußen auf Grund eines schriftlichen Votums des Staatsratsmitglieds
(1817-1848) Friedrich Carl von Savigny im Gesetz über Eisenbahnunternehmungen
(§ 25) für die E. eine (abdingbare) →Gefährdungshaftung vor. Zu Gunsten
der E. werden vielfach Grundstückseigentümer enteignet. Häufig erweisen sich
übergeordnete Einheiten und Vereinbarungen als sinnvoll (Verein deutscher
Eisenbahnverwaltungen 1847, Reichseisenbahnamt 1873, internationale
Vereinbarung über die technische Einheit im Eisenbahnwesen 1887, Union für den
Eisenbahnfrachtverkehr 1890, Staatsvertrag zur Gründung der deutschen
Reichsbahngesellschaft 1920, Übereinkommen über den internationalen
Eisenbahnverkehr 1980). Die aus militärischen Gründen (ab 1879 auch in Preußen)
überwiegend verstaatlichten Eisenbahnen wirtschaften vor allem nach Erfindung
des nicht an Schienen gebundenen, örtlich wie zeitlich flexibleren Automobils
(Kraftfahrzeugs) grundsätzlich mit Verlusten, weshalb seit der Mitte des 20.
Jahrhunderts Streckenstilllegungen erforderlich sind. Wegen der für den
Staatshaushalt infolge hoher Ausgaben und geringer Einnahmen zunehmend
untragbaren Verluste ist die auf Kernstrecken beschränkte Bundesbahn
Deutschlands seit 1994 privatisiert (Deutsche Bahn AG, daneben viele wenig
übersichtliche Einzelgesellschaften). Vor allem aus Umweltüberlegungen
erwachsende Bestimmungen zur zwangsweisen Verlagerung von Verkehr von der
Straße auf ide Schiene sind nur bedingt erfolgreich.
Lit.: Köbler, DRG 176; Camphausen, L., Versuch eines
Beitrags zur Eisenbahngesetzgebung, 1838; Endemann, W., Das Recht der
Eisenbahnen, 1886; Anderegg, F., Schweizerische und bernische
Eisenbahngesetzgebung, 1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung,
1994; Heyn, F., Die Entwicklung des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Ziegler, D.,
Eisenbahnen und Staat im Zeitalter der Industrialisierung, 1996; Then, V.,
Eisenbahnen und Eisenbahnunternehmer, 1997; Bracht, C., Der Bau der ersten
Eisenbahnen in Preußen, 1998; Julitz, L., Bestandsaufnahme Deutsche Bahn, 1998;
Schubert, W., Das preußische Eisenbahngesetz von 1838, ZRG GA 116 (1999), 152;
Die Eisenbahn in Deutschland, hg. v. Gall, L. u. a., 1999; Thomas, W.,
Lawyering for the railroads, 1999; Wachtel, R./Marxmüller, H./Heide, H.,
Eisenbahnunfälle, 2000; Mitchell, A., The Great Train Race, 2000; Delbanco,
H., Ursprünge des europäischen Eisenbahnrechts, (in) Aktuelle Probleme des
Eisenbahnrechts 5 (2000), 215; Ely (jr.) jr., J., Railroads and American law, 2001;
Prêtre, A., Eisenbahnverkehr als Ordnungs- und Gestaltungsaufgabe des jungen
Bundesstaats, 2002; Usselman, S., Regulating railroad innovation, 2002; Raster,
J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Bremm, K., Von der Chaussee zur Schiene,
2005; Auf eisernen Scheinen, hg. v. Hedwig, A., 2008; Across the Borders, hg.
v. Roth, R. u. a., 2008; Eisenbahn zwischen Markt und Staat in Vergangenheit
und Gegenwart, hg. v. Miram, F. u. a., 2015
Eisenbahnrecht ist die Gesamtheit der die auf
Schienen laufenden, dem öffentlichen oder ihm ähnlichen Verkehr dienenden
Transportmittel betreffenden Rechtssätze. Rechtlich wirkt sich die (Herrschaft
über Raum und Zeit erleichternde) →Eisenbahn vor allem auf die Bildung
von Aktiengesellschaften, die Enteignung von Grundstücken und die Entwicklung
der Gefährdungshaftung (Preußen 1838) aus. 1920 übernimmt in Deutschland das
Reich (bis 1924 und von 1937 an) die Eisenbahnverwaltung. Nach 1993 wird die
verlustreiche Deutsche Bahn teilweise privatisiert.
Lit.: Loth, W., Verkehrsentwicklung in Deutschland
seit 1800, 1920; Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der
Gefährdungshaftung, 1975; Anderegg, F., Schweizerische und bernische Eisenbahngesetzgebung,
1978; Albrecht, C., Bismarcks Eisenbahngesetzgebung, 1994; Heyn, F., Die Entwicklung
des Eisenbahnfrachtrechts, 1996; Küper, N., Entlastung des Straßengüterverkehrs
durch den Schienengüterverkehr, 1997; Schubert, W., Das preußische
Eisenbahngesetz von 1838, ZRG 116 (1999), 152; Roth, R., Das Jahrhundert der
Eisenbahn, 2005; Sonderzüge in den Tod, hg. v. Kill, S. u. a., 2009
Eiserner
Vorhang ist eine
Bezeichnung für die nach dem zweiten Weltkrieg entstandene Grenze zwischen
sowjetisch-stalinistisch beherrschten Staaten im Osten (Europas) und den von
den Vereinigten Staaten von Amerika geführten, Freiheiten verkündenden Staaten
des Westens, die auch das ehemalige Deutsche Reich teilte. Die Bezeichnung wird
Winston Churchill zugeschrieben. Bereits bei Ohnesseit, W., Unter der Fahne
schwarz-weiß-rot, 1926 findet sich aber auf S. 146 in Bezug auf eine Reise des
Verfassers nach Russland im Jahre 1908 die Wendung „die russische Grenze wirkte
Rumänien gegenüber abschließend wie ein eiserner Vorhang“.
Ekenberger, Blasius
Lit.: Elucubratio Blasii Ekenbergers auer dat erste undt ander Koning
Waldemari Lohbuch anno 1595, hg. v. Haff, K., 1932
Ekloge ([F.] Auswahl) ist das vor allem
das römische Strafrecht abändernde byzantinische Gesetz Kaiser Leos III. des
Jahres 726, das erstmals ausdrücklich auf Generalprävention abzielt. Es ordnet
viele verstümmelnde Körperstrafen an und weitet den Bereich der Straftaten
gegen die Sittlichkeit aus.
Lit.: Sinogowitz, B., Studien zum Strafrecht der
Ekloge, 1956
Elbe (F.) ist der vom Riesengebirge in Böhmen auf
1100 Kilometern bei Hamburg in die Nordsee fließende Strom, der im frühen
Mittelalter teilweise fränkisch-deutsches Reich und Slawen voneinander
abgrenzt. 1821 wird von den Anrainerstaaten eine Elbschifffahrtsakte
unterzeichnet (1844 Additionalakte). Von 1945 bis 1990 bildet die E. eine
innerdeutsche Grenze.
Lit.: Schröder, D., Die Elb-Grenze, 1986, Jüngel, K., Die Elbe, 1993;
Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006
Elbing ist die 1237 im Land des Deutschen Ordens
gegründete, 1466 an Polen, 1772 an Preußen (1905 94065 Einwohner deutschsprachig,
280 polnischsprachig), 1945/1990 wieder an Polen gefallene Stadt. Das Elbinger
Rechtsbuch ist ein in einer 1825 in E. aufgetauchten, derzeit verschollenen
Handschrift des frühen 15. Jh.s überliefert. Es enthält in
mittelmitteldeutscher Sprache von einem unbekannten Verfasser aufgezeichnetes
polnisches Recht von wahrscheinlich zwischen 1270 und 1320 in 27 Artikeln.
Quellen sind der Schwabenspiegel, das Meißener Rechtsbuch, ein Magdeburger
Schöffenbrief an Kulm und Magdeburger Recht. Mit der vom lübischen Recht geprägten
Rechtsentwicklung Elbings besteht kein Zusammenhang.
Lit.: Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen vom 13. bis
zum 16. Jahrhundert, 1875, 118ff.; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
Gerichtsverfassung Elbings, ZRG 36 (1915), 24; Schubart-Fikentscher, G., Die
Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Grekow, B., Polskaja
prawda, 1957; Najstarszy zwód prawa polskiego, hg. v. Matuszewski, J., 1959;
Tischer, K., Das älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg
im Breisgau 1969; Maisel, W., Die Rätsel des Elbinger Rechtsbuchs, (in)
Deutsches Recht zwischen Sachsenspiegel und Aufklärung 1991, 47ff.; Najstarszy
zwód prawa polskiego, hg. v. Thieme, H./Matuszewski, J., 1995
Elegante Jurisprudenz ist die aus dem französischen
(lat.) →mos (M.) Gallicus entwickelte niederländische Rechtswissenschaft
des 17./18. Jh.s.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canoy-Olthoff/Nève, P., Holländische Eleganz, 1990;
Van den Bergh, G., Die holländische elegante Schule, 2001
Elektriziät ist das zuerst an der Reibung von
Bernstein erkannte Spannungsverhältnis zwischen einem geladenen Teilchen und
seiner Umgebung. Seit dem 19. Jh. wird die E. mit größtem Erfolg (z. B. Licht,
Elektromotor, Digitalisierung) wirtschaftlich nutzbar gemacht. Seitdem wird
sie auch rechtlich erfasst.
Lit.: Stier, B., Staat und Strom, 1997; Kehrberg, J.,
Die Entwicklung des Elektrizitätsrechts in Deutschland, 1997; Schulz, T., Was
Google wirklich will, 2015; Wilhelm, D., Die Kommunikation infrastruktureller
Großprojekte – Die Elektrifizierung Oberschwabens, 2015
Elisabeth von Thüringen (Ungarn 1207-Marburg 16./17. 11.
1231) Hospitalheilige
Lit.: Sankt Elisabeth, hg. v. d. Philipps-Universität Marburg, 1981;
Elisabeth, hg. v. Blume, D. u. a., 2007
Elsass ist die aus geographisch
unterschiedlichen Teilen zusammengesetzte Landschaft zwischen Oberrhein und
Vogesen, die seit 269 n. Chr. von Germanen besetzt wird. Im 7. Jh. entsteht
unter der Familie der Etichonen ein Herzogtum, das in der Mitte des 8. Jh.s
unter Teilung in die Grafschaften Nordgau und Sundgau beseitigt wird. Das 768
Alemannien zugeordnete E. kommt 870 zum ostfränkischen Reich. Im
Hochmittelalter erringen neben den Staufern die Grafen von →Habsburg
wichtige Rechte (z. B. Landgrafen im Sundgau), verpfänden ihre Güter 1469 aber
an Burgund. 1648/1697 gelangt das E. an Frankreich, das es seit 1789/1790
zunehmend integriert. Von 1871 bis 1918 bildet das E. einen Teil des deutschen Reichslands
Elsass-Lothringen. 1940-1945 wird nochmals eine deutsche Zivilverwaltung
errichtet. Davon abgesehen wird das E. im 20. Jh. von Frankreich weitgehend
französisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Stouff, L., Les origines de l’annexion de la Haute-Alsace à la Bourgogne en
1469, 1901; Schmidlin, J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im
Oberelsass, 1902; Becker, J., Geschichte der Reichslandvogtei im Elsass, 1905;
Hessel, A., Elsässische Urkunden, 1915; Meyer, O., La régence épiscopale de
Saverne, 1935; Thieme, H., Staufische Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938),
654; Colmarer Stadtrechte, bearb. v. Finsterwalder, P., 1938; Büttner, H.,
Geschichte des Elsass, Bd. 1 1939; Atlas de villes médiévales d’Alsace, hg. v. Himly,
F., 1970; Histoire de l’Alsace, hg. v. Dollinger, P., 1970, 4. A. 1984, neue A.
2001; Seidel, K., Das Oberelsass, 1980; Nouveau dictionnaire de biographie
alsacienne, 1982ff.; Das Elsass, hg. v. Erbe, M., 2002; Hummer, H., Politics
and Power in Early Medieval Europe, 2005; Igersheim, F., L’Alsace et ses
historiens 1680-1914, 2006; Sütterle, H., Die Salier und das Elsass, 2009;
Fischer, C., Alsace to the Alsatians?, 2010; Weber, K., Die Formierung des
Elsass im Regnum Francorum, 2011; Vogler, B., Geschichte des Elsass, 2012; Neue
Forschungen zur elsässischen Geschichte im Mittelalter, hg. v. Buchholzer-Remy,
L. u. a., 2012
Elsass-Lothringen →Elsass, →Lothringen
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jacob, K., Das
Reichsland Elsass-Lothringen, Bd. 1ff. 1898ff.; Hamburger, G., Die
staatsrechtlichen Besonderheiten der Stellung des Reichslandes
Elsass-Lothringen, 1901; Preibusch, S., Verfassungsentwicklungen im Reichsland
Elsass-Lothringen 1871-1918, 2006
Elter (Wort 765 belegt)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
elterliche Gewalt →Eltern, →Kind
elterliche Sorge →Eltern, →Kind
Lit.: Schlüter, W., Elterliches Sorgerecht, 1985;
Liebler-Fechner, M., Der ideologisch motivierte Entzug des elterlichen
Sorgerechts in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Andermann, M., Der
ideologisch motivierte Entzug des elterlichen Sorgerechts im Dritten Reich und
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Köhler, A., Die
Sorgerechtsregelungen bei Ehescheidung seit 1945, 2006
Eltern sind Vater und Mutter eines Kindes.
Von ihnen hat im römischen Recht der Hausvater (lat. [M.] pater familias) bis
zu seinem Tode die fast unbeschränkte väterliche Gewalt (lat. patria potestas
[F.]) über die Haussöhne und Haustöchter, die nur allmählich gemäßigt wird. In
gleicher Weise untersteht bei den Germanen das Kind der Personalgewalt (germ.
*mundiz) des Familienvaters. Bereits im späteren 19. Jh. werden in Deutschland
und Frankreich die elterlichen Rechte durch den Staat gesetzlich eingeschränkt.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) stehen die ehelichen Kinder bis zur
Volljährigkeit unter elterlicher Gewalt, die in erster Linie dem Vater und nur
daneben der Mutter obliegt. Österreich führt ab 1970 die elterliche Obsorge
statt der elterlichen Gewalt ein. Am 18. 7. 1979 wird die elterliche Gewalt in
Deutschland durch die elterliche Sorge ersetzt, bei der Kinder in gewissem
Umfang an wichtigen Entscheidungen beteiligt und die Eltern stärker auf das
Wohl der Kinder verpflichtet sind.
Lit.: Kaser § 60; Hübner; Krause, E., Die
gegenseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern, 1982; Zitscher,
H., Elterlicher Status in Richterrecht und Gesetzesrecht, 1996; Schumacher, S.,
Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern, 1999; Torp, S., Das
Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern, 2000; Engel, T.,
Elterliche Gewalt unter staatlicher Aufsicht, 2011; Gemeinsames Sorgerecht
nicht miteinander verheirateter Eltern, hg. v. Jurczyk, K. u. a., 2013
Emancipatio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die rechtsgeschäftliche Entlassung des Hauskinds aus der väterlichen Gewalt.
Bei ihr werden Söhne dreimal, Töchter und Enkel einmal, vom Hausvater an einen
Vertrauensmann übertragen. Von diesem werden sie danach jeweils freigelassen,
wodurch sie an den Hausvater zurückfallen. Nach der letzten, für die Beendigung
der väterlichen Gewalt erforderlichen Übertragung wird das Hauskind vom
Vertrauensmann an den leiblichen Vater zurückübertragen, damit es von diesem
endgültig freigelassen wird, ohne durch die Freilassung in die Patronatsgewalt
des Vertrauensmanns zu fallen.
Lit.: Kaser § 60 IV; Köbler, DRG 21
Emancipatio (lat. [F.]) Saxonica ist die in der frühen Neuzeit im
Heiligen römischen Reich geübte Lösung
des Haussohns aus der väterlichen Gewalt durch wirtschaftliche
Verselbständigung (→Abschichtung).
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 160
Emanzipation (1599, emancipiren 1536) ist
die Befreiung aus einem Zustand der Beschränkung oder Abhängigkeit. Sie nimmt
ihren Ausgang bei der römischrechtlichen →emancipatio. Seit dem 19. Jh.
richtet sich die E. hauptsächlich auf die Befreiung der Frau von der
Vorherrschaft des Mannes, deren Auswirkungen sich im Familienrecht der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s erkennen lassen.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 178, 252;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 153; Theurer, A., Emanzipation, 1996;
Jenni, R., Die Emanzipation der mehrjährigen (!) Frauenzimmer, 1997; Grimme,
M., Die Entwicklung der Emanzipation der Frau, 2003; Revolution und
Emanzipation, hg. v. Rennhak, K. u. a., 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Engel, T., Elterliche
Gewalt unter staatlicher Aufsicht in Frankreich und Deutschland (1870-1924),
2011
Emden
Lit.: Fritzschen, G., Die Entwicklung des Emder Stadtrechts, Diss. jur.
Göttingen 1958
Emendatio (lat. [F.] Besserung) ist die
lateinische Bezeichnung für die frühmittelalterliche →Buße.
Lit.: Köbler, DRG 91
Emigration (F.) Auswanderung
Lit.: Breunung, L. u. a., Biographisches Handbuch der Emigration
deutschsprachiger Rechtswissenschaftler ab 1933. Bd. 1 2012 (Ball, Balogh,
Baumgarten, Cohn, Darmstaedter, David, [Giles,] James Goldschmidt, Werner
Goldschmidt, Grünhut, Hirsch, Kantorowicz, Leibholz, Lewald, Mannheim,
Mendelssohn Bartholdy, Nawiasky, Prausnitz, Pringsheim, Schulz, Schwarz,
Sinzheimer, Strupp, Wolff, kürzer erwähnt Ehrhardt, Haymann, Isay, Erich
Kaufmann, Mann, Schöndorf, Schücking, Schwarzenberger, Wassermann, Wegner)
Emilia Romagna ist die zwischen Po, Apennin und
Adria gelegene, ursprünglich von Etruskern besiedelte, nach der Konsularstraße
des M. Aemilius Lepidus (187 v. Chr.) benannte Landschaft. Im Mittelalter steht
sie teils unter der Herrschaft der Langobarden, teils Byzanz‘ bzw. des
Kirchenstaats. Die sich danach entwickelnden Herzogtümer Modena und Reggio
sowie Parma und Piacenza kommen 1860 zu →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Modena, Parma);
Storia della Emilia Romagna, hg. v. Berselli, A., 1976
Emmingersche Justizreform ist die nach dem seinerzeitigen
Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des
Verfahrensrechts. Zwei Verordnungen vom 4. 1. 1924 (Verordnung über
Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege, RGBl. I, 15, gesetzliche Grundlage
Ermächtigungsgesetz vom 8. 12. 1923) und 13. 2. 1924 schränken die Herrschaft
der Partei über das Zivilverfahren zugunsten der Leitungsbefugnis des Richters
ein und wandeln das im 19. Jh. errichtete →Schwurgericht (mit 12
Geschworenen) unter Beibehaltung des Namens in ein großes →Schöffengericht
(3 Berufsrichter, 6 Geschworene [Laien]) um.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EmmingerscheJustizreform1924.pdf;
Kroeschell, 20. Jh.; Vormbaum, T., Die Lex Emminger vom 4. Januar 1924, 1988;
Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Abteilung I Weimarer
Republik, hg. v. Schubert, W., Bd. 4 1999; Zivilprozessreform in der Weimarer
Zeit, hg. v. Schubert, W., 2005; Koch, A., Das bayerische Schwurgericht der
Nachkriegszeit, ZRG GA 122 (2005), 242
Emphytheusis (lat. [F.]) ist die Erbpacht des
spätrömischen Rechtes, die auch im Wege der Rezeption Auswirkungen hat.
Lit.: Kaser § 30; Köbler, DRG 61; Cencetti, G., Il
contratto di enfiteusi, 1933; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Theisen, F., Studien zur Emphyteuse, 2003
Empirismus ist die von Francis →Bacon
(1561-1626) in Fortführung des mittelalterlichen Nominalismus, dem
Allgemeinbegriffe nur Sammelnamen für einzelne wirkliche Erscheinungen sind,
begründete, neue, von kirchlicher Dogmatik befreite Erkenntnismethode (Begriff
von Kant [1724-1804] eingeführt), die von der vorurteilslosen Beobachtung von
Einzelvorgängen als Begreifen der Welt an Hand von messbaren und zählbaren
Größen induktiv zu allgemeinen Erkenntnissen führen soll. Die Erkenntnistheorie
des E. entwickelt John Locke (1632-1704).
Lit.: Köbler, DRG 136; Moody, E., Empiricism and
Metaphysics, Philosophical Revue 67 (1958), 145; Engfer, H., Empirismus versus
Rationalismus, 1996
Emptio venditio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
der →Kauf (Verkauf). Er ist ursprünglich wohl ein Handgeschäft, bei dem
Abschluss und Ausführung des Austauschs einer Sache gegen einen in Geld
bestehenden Preis zeitlich zusammenfallen, unabhängig davon, ob eine (lat.
[F.]) →mancipatio erforderlich ist oder ein formfreies Geschäft (über
eine [lat.] res nec mancipi oder mit einem Nichtrömer) zur Sicherung des
Erwerbers vor Diebstahlverdacht ausgeführt wird. Spätestens seit dem 2. Jh. v.
Chr. werden Vereinbarung (Konsensualkontrakt) und Erfüllung getrennt, so dass
die e. v. den Verkäufer zur möglicherweise später erst erfolgenden Übertragung
des Eigentums verpflichtet. In nachklassischer Zeit wird der Vertragsabschluss
vielfach beurkundet und geht das Eigentum mit dem Abschluss und der Zahlung des
Kaufpreises über. Justinian trennt Kauf und Übereignung wieder, lässt aber die
Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung zu. Möglich ist der Kauf einer
Hoffnung (Chance) und einer erhofften Sache.
Lit.: Kaser §§ 38, 41; Söllner §§ 9, 15; Köbler, DRG
45; Emptio-Venditio, hg. v. Mattiangeli, D., 2014
Emser Punktation ist die in Bad Ems im Jahre 1786
getroffene, nicht in Wirksamkeit getretene Vereinbarung der Erzbischöfe von
Köln, Mainz, Trier und Salzburg mit dem Ziel, eine größere Selbständigkeit (der
deutschen Kirche) vom Papst zu erreichen.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972
Emunitas (lat. [F.]) ist die Freiheit von
der Abgabenpflicht der kirchlichen Güter und der Kleriker seit Kaiser
Konstantin (306-337). →Immunität
Lit.: Köbler, DRG 30
Endlicher Rechtstag (Art. 91, 123 CCB, 78 [, 82] CCC
ist vor allem im von der Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) und der
→Constitutio Criminalis Carolina (1532) maßgeblich geprägten frühneuzeitlichen
Strafverfahren der der heimlichen →Inquisition folgende Tag der
öffentlichen Verhandlung, der angesichts des durch Folter erreichten
Geständnisses für das Urteil weitgehend nur noch förmliche Bedeutung hat. Er
entwickelt sich als Folge der Inquisition seit dem 14. Jh. und verschwindet
endgültig erst im frühen 19. Jh. (e. R. noch in Dresden am 12. 7. 1821). An
manchen Orten ist der endliche Rechtstag auf die Verkündung und Vollstreckung
des Urteils beschränkt (Norditalien, Freiburg im Breisgau 1361, Worms 1498,
Tirol 1499, Radolfzell 1506), in München ist eine Ordnung über den Ablauf des
endlichen Rechtstags aus dem Jahre 1574 überliefert..
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 118, 156; Müller,
K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in Schwaben, 1910; Ruoff, W., Der
endliche Rechtstag in Zürich vor 1400, (in) Festschrift G. F. Pfenninger, 1956,
115ff.; Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher
Frage im frühen 17. Jahrhundert, 1971; Leiser, W., Strafgerichtsbarkeit in
Süddeutschland, 1971; Langbein, J., Prosecuting crime in the Renaissance, 1974;
Alber, P., Die Geschichte der Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1974;
Plöger, R., Die Mitwirkungspflichten des Beschuldigten, 1982; Schild, W., Der
entliche Rechtstag, (in) Strafrecht, Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau,
P. u. a., 1984; Kocher, G., Der endliche Rechtstag der steirischen
Landgerichtsordnung 1574, (in) Recht und Geschichte, 1988, 361ff.; Ignor, A.,
Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002
Endlösung ist die von Adolf Hitler am 12.
12.1941 vor nationalsozialistischen Führern verkündete und von dem Nationalsozialismus
u. a. mittels der nur zweistündigen Wannseekonferenz am 20. 1. 1942 (eines von
30 Protokollexemplaren Adolf Eichmanns erhalten) unter der Leitung Reinhard
Heydrichs angestrebte und teilweise verwirklichte Vernichtung des Judentums
(Holocaust) in besonderen Vernichtungslagern (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen,
Dachau). Angesichts des Umstands, dass in den deutschen Verwaltungen in Europa
mehrere zehntausend Menschen mit den Juden befasst sind, ist die Vorstellung,
dass die E. ein nur wenigen Auserwählten bekanntes Geheimnis war, wenig
überzeugend. Von daher ist die Angst vor der Strafe für die E. wohl auch ein
Grund für die lange Unterstützung Adolf Hitlers seitens der Bevölkerung.
Lit.: Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v.
Jäckel, E. u. a., 1985; Verbrechen erinnern, hg. v. Knigge, V. u. a., 2002;
Cesarani, D., Endlösung – Das Schicksal der Juden 1933 bis 1945. 2016
Energiewirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die seit dem
19. Jh. immer bedeutendere Energiewirtschaft betreffenden Rechtssätze.
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2003; Büsch, P., Der Wettbewerbsgedanke im Energierecht, 2014 (zwischen 1948
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u. a., Energien der Zukunft, 2015 (Sonne, Wind, Wasser, Biomasse, Geothermie)
Engadin ist die Tallandschaft des oberen
Inn in →Graubünden, die seit dem 10. Jh. an den Bischof von Chur gelangt.
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und Vintschgaus im 14. Jahrhundert, 1922; Stolz, O., Beiträge zur Geschichte
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v., Die Rechtsgeschichte des Oberengadins, 1931
Engelbert (Poetsch bzw. Pötsch) von Admont (Steiermark um 1250-Admont 16.? 5.
1331) wird nach dem 1267 erfolgten Eintritt in das Benediktinerstift Admont in
der Steiermark und dem Studium in Prag (1271-1274) und Padua (1278?-1287 u. a.
Recht) 1297 Abt in Admont (bis 1327) und verfasst, beeinflusst von Aristoteles,
Cicero, Seneca und Augustinus, (mindestens 39) verschiedene staatspolitische
Schriften (Tugendspiegel, [lat.] De regimine principum [um 1300], [lat.]
Speculum virtutum [um 1310], Über Fürstenherrschaft, [lat.] De ortu et fine
Romani imperii [1312], Vom Anfang und Ende des römischen Reiches).
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Universal Idea, 1958; Hamm, M., Engelbert von Admont als Staatstheoretiker,
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von Admont, De ortu et fine Romani imperii, hg. v. Schneider, H., 2016
Engels, Friedrich (Barmen/Wuppertal 28.
11. 1820-London 5. 8. 1895), Textilfabrikantensohn, wird nach kaufmännischer
Lehre und dem Besuch von Philosophievorlesungen Mitbegründer des
→Marxismus (Die Lage der arbeitenden Klasse, 1845).
Lit.: Hirsch, H., Friedrich Engels, 1968; Herferth,
W., Sachregister zu den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, 1983; Marx-Engels
Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984
England ist die vereinfachende Bezeichnung
für die zunächst (3. Jh. v. Chr.) von Kelten (Briten, Pikten) besiedelten, um
die Zeitenwende (41-54 n. Chr.) zum Teil von Rom in sein Weltreich
eingegliederten und gegen 470 n. Chr. von den Angeln, Sachsen und Jüten
(→Angelsachsen) eroberten nordwesteuropäischen Inseln. 1066 geraten die
erst am Ende des 9. Jh.s unter Wessex geeinten Angelsachsen unter die
Herrschaft der →Normannen, woraus eine ziemlich unterschiedliche
anglonormannische Oberschicht entsteht. Überschaubares Gebiet und Streulage
adliger Güter begünstigen anscheinend die Durchsetzung königlicher Gewalt, der
gegenüber der Adel zwar nicht Landesherrschaft errichten, aber die königliche
Macht in der (lat.) Magna charta libertatum (1215) eingrenzen kann. Aus
alljährlichen Abrechungen der Ausgaben und Einnahmen der Verwalter der
königlichen Güter am Königshof entsteht im 12. Jahrhundert das Schatzamt als
Behörde. Nacheinander regieren Könige aus den Häusern →Plantagenet
(1154-1399, Verlust der meisten Güter in Frankreich in der Schlacht von
Bouvines 1214 und im hundertjährigen Krieg zwischen 1337 und 1453), Lancaster
(1399-1461), York (1461-1485), Tudor (1485-1603), →Stuart (1603-1649,
1660-1714), Hannover (1714-1901), Sachsen-Coburg (1901-1910) und Windsor (seit
1910), wobei 1536 Wales stärker mit E. verbunden wird und sich König Heinrich
VIII. auch zum König Irlands erklärt. Bereits 1614 gelingt es dem seit dem 13.
Jh. sichtbaren →Parlament, seine Stellung dauerhaft so zu stärken, dass
es die Einberufung unabhängig vom Willen des Königs, die Zuständigkeit für alle
Steuergesetze und die Beseitigung aller Sondergerichte erreicht. 1649 wird
König Karl I. hingerichtet, die Monarchie abgeschafft und E. zum Commonwealth
erklärt. 1660 wird der Sohn Karls I. als Karl II. zum König berufen, doch
gelingt 1689 in der →Bill of Rights dem Parlament der Ausbau seiner
Rechte. 1707 wird durch die Vereinigung des Parlaments →Schottlands mit
dem englischen Parlament aus der seit dem Beginn der Herrschaft der Stuarts
bestehenden Personalunion die Realunion →Großbritannien (1801 United
Kingdom of Great Britain and Ireland, 1921 The United Kingdom of Great Britain
and Northern Ireland). Danach wird das über ein durch seinen hohen Anteil
indirekter Steuern ertragreiches Steuersystem verfügende Land allmählich
Weltmacht. In ihm beginnt die wohl vom puritanischen Unernehmergeist
begünstigte sog. industrielle Revolution. 1801 wird der Titel eines Königs von
Frankreich aufgegeben. Das Unterhaus (→House of Commons) (Wahlrechtsänderungen
1832, 1867, 1884, 1918, 1948) setzt sich bis 1911 gegenüber dem Oberhaus
(→House of Lords) durch und gestaltet allmählich die Monarchie zur bloßen
äußerlichen Staatsform. Mit dem zweiten Weltkrieg endet die Stellung als
Weltmacht, doch erhält der Staat noch ein Vetorecht im Sicherheitsrat der
Vereinten Nationen. Die Kolonien (z. B. Indien) erlangen ganz überwiegend
Selbständigkeit. 1973 tritt Großbritannien der Europäischen Gemeinschaft (1993
Europäischen Union) bei.
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(A-G)
Englisches Recht ist das in →England (seit
1330 auch in Wales, nicht dagegen ohne weiteres auch in Schottland und Irland)
geltende Recht. Seinen Ausgangspunkt bilden die frühmittelalterlichen
→Volksrechte (Gesetze) der →Angelsachsen. Mit dem Sieg der
→Normannen unter Wilhelm dem Eroberer über die Angelsachsen (1066) wird
das →angelsächsische Recht auf die örtlichen Gerichte beschränkt, während
am Königsgericht (lat. curia [F.] regis, Königsrat, →Court of King‚s
Bench [E. 13. Jh.] für Delikte, Strafen, Appellationen, →Court of Common
Pleas für alle gewöhnlichen Klagen [1178], →Court of Exchequer für
Abgabenstreitigkeiten [E. 13. Jh.]) und bei den dieses bzw. diese
unterstützenden Reiserichtern eine übergeordnete, französisch (Law French)
gehaltene commune ley (lat. communis lex [F.], gemeines Recht) Anwendung findet
(→common law). Besondere Bedeutung erlangt hier der vom Kanzler des
Königs dem Kläger ausgestellte, lateinisch abgefasste →writ (verfahrensrechtliche
Weisung) an den Sheriff, von dem es bereits am Ende des 12. Jh.s etwa 75 bzw.
1227 56 verschiedene Arten gibt, die Ranulf de Glanvill († 1190) in dem (lat.)
Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae (Traktat über die
Gesetze und Gewohnheiten des Königreichs England) und Henricus de Bracton (†
1268) in seinem Werk (lat.) De legibus et consuetudinisbus Angliae (Über die
Gesetze und Gewohnheiten Englands) ordnen und darstellen. Wegen des Gewichts
des Königsgerichts und der grundlegenden Bedeutung der vor ihm durch den writ
eröffneten Verfahrensarten rückt der praktisch geschulte, ab 1200 namentlich
bekannt werdende, bis etwa 1300 professionalisierte Richter im Mittelalter in
den Mittelpunkt des Rechtes. Dieses wird (neben allgemeinen Bestimmungen wie der
Magna Charta von 1215 oder den Provisions of Westminster von 1259 vor allem)
durch Einzelurteile fortgebildet, in denen nur ausnahmsweise von einem Präjudiz
abgewichen wird (amtliche Aufzeichnungen in Latein als records, nichtamtliche
Aufzeichnungen durch junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536 in
reports bzw. year books). Dabei kommt zum königlichen Gericht seit dem
Spätmittelalter das Gericht des Kanzlers (→Court of Chancery) hinzu, das
nach Billigkeit (→equity) urteilt (z. B. Anspruch auf vorbeugende
Unterlassung, Anspruch auf Vertragserfüllung). In den Auseinandersetzungen
zwischen König und Parlament im 17. Jh. stellen sich die praktisch in den inns
of court ausgebildeten englischen Rechtes kundigen (z. B. Edward Coke
[1552-1643], der in seinen Institutes of the Laws of England eine erste
umfassende Darstellung des common law bietet) auf die Seite des Parlaments und
festigen dadurch ihre Stellung. Im 18. Jh. entwickelt William Blackstone
(1723-1380) in seinen Commentaries on the laws of England erstmals eine nach
materiellen Rechtssätzen geordnete Darstellung des englischen Rechtes, das im
Übrigen durch die Gewinnung von Kolonien auf viele Teile der gesamten Welt
verbreitet wird (z. B. Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Australien, Neuseeland,
Afrika, Asien). Seit dem 19. Jh. gewinnt gegenüber den richterlichen
Fallentscheidungen nicht zuletzt auch unter dem Einfluss Jeremy Benthams
(1748-1832) das Gesetz (z. B. Judicature Act 1873/1875, Verbindung von courts
of law und court of chancery zu einem supreme court of judicature mit high
court of justice und court of appeal, Zusammenfassung der writs in einem
einleitenden writ of summons) ein gewisses, mit dem Beitritt zu den
Europäischen Gemeinschaften (1973) bzw. Europäischen Union (1993) steigendes
Gewicht.
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Memory of Lord Rodger of Earlsferry, hg. v. Burrows, A. u. a., 2013; Bibbings,
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Contract, 2016
Enkel (bzw. Enkelin) ist das Kind eines Kindes. Der E.
ist grundsätzlich von der Erbfolge nach seinen Großeltern durch seinen Vater
oder seine Mutter ausgeschlossen. Ihm wird aber schon früh (z. B. 596 n. Chr.)
ein →Eintrittsrecht zugesprochen.
Lit.: Hübner
Enklave (Einschlussgebiet) ist
das vom Gebiet eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten (aus deren
Sicht) eingeschlossene Teilgebiet eines anderen Staats (aus der Sicht dieses
Staates Exklave bzw. Ausschlussgebiet) (z. B. Büsingen innerhalb der Schweiz,
Campione am Luganer See innerhalb der Schweiz, bis 1797 päpstliches Avignon in
Frankreich, nicht Vatikan, San Marino, Monaco, Liechtenstein, Andorra, Ceuta,
Königsberg/Kaliningrad, kleines Walsertal). Für die zahlreichen Enklaven der
Länder des Heiligen römischen Reiches ist
ein allgemeines Durchzugsrecht anerkannt. Der Durchzug bewaffneter Kräfte
bedarf grundsätzlich einer besonderen Erlaubnis. 1928 bestehen in Deutschland
noch mehr als 200 Enklaven.
Lit.: Lancizolle, W. v., Übersicht der deutschen
Reichsstandschafts- und Territorialverhältnisse, 1830; Ritter, E., Freie
Reichsländer, 1927; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007
Enneccerus, Ludwig (Neustadt am Rübenberge 1.
4. 1843-Marburg 31. 5. 1928), Pastorensohn, wird nach dem Studium von
Mathematik und Recht in Göttingen und Promotion (1868) und Habilitation (1870)
1872 außerordentlicher Professor für römisches Recht in Göttingen und 1873
ordentlicher Professor in Marburg, der von Bernhard Windscheid und Rudolf von
Ihering beeinflusst ist (1921 emeritiert). Er verfasst 1898 ein während der
ersten Hälfte des 20. Jh.s bedeutsames Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes
(Allgemeiner Teil, 30.-34. A. bzw. 12. Bearbeitung 1928, Schuldrecht, 28.-30.
A. bzw. zweiter Abdruck der 10. Bearbeitung 1928) in Deutschland. Von 1882 bis
1889 ist er Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens, von 1887 bis 1890 und
1893 bis 1898 als Vertreter der nationalliberalen Partei Mitglied des
Reichstags.
Lit.: Köbler, DRG 184; Jacobi, A., Ludwig Enneccerus
1843-1928, 1999
Enteignung ist die Entziehung oder Belastung
des Eigentums durch staatlichen Hoheitsakt zur Befriedigung öffentlicher
Belange (z. B. zum Wohl der Allgemeinheit, zum allgemeinen Besten). Die E. wird
bereits in der römischen Spätantike bezüglich Grundstücke oder Lebensmittel geübt
und als Zwangskauf verstanden. Danach kann in der hochmittelalterlichen Stadt
(Oberitalien 12. Jh., Kopenhagen 1254, Schaffhausen 1380) eine bauliche
Beschränkung festgelegt oder sogar das →Eigen gänzlich entzogen werden.
Das Naturrecht anerkennt wegen der Entstehung des Eigentums des Einzelnen aus
dem Recht der Allgemeinheit grundsätzlich die E. gegen Entschädigung
(→Grotius, Christian Wolff, Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756,
§§ 74, 75 Einleitung zum ALR 1794, § 365 ABGB 1811, Zwangskauf). Seit der
französischen Revolution (1789 [Art. 17 Menschenrechtserklärung]/1807/1810 Expropriationsgesetze)
werden als grundlegende Voraussetzungen der E. (franz. [F.] expropriation)
ein öffentliches Bedürfnis, ein rechtmäßiges Verfahren sowie eine ausgleichende
Entschädigung angesehen (Bayern 1818, Deutsches Reich 1848/1849, Preußen 1850).
Die E. wird als öffentlichrechtlicher Eingriff in ein privates Recht
verstanden. Im 20. Jh. bildet in Deutschland die Verfassung (Art. 153 WRV, 14
GG) die Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Eigentum.
Lit.: Kaser § 23 I 3; Hübner 272; Köbler, DRG 40, 124,
163, 212; Baltl/Kocher; Layer, M., Prinzipien des Enteignungsrechts, 1902;
Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 1
1930, 225; Giese, F., Enteignung und Entschädigung, 1950; Mann, F., Zur
Geschichte des Enteignungsrechts, (in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Bd.
2 1960, 291; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1770; Rittstieg, H., Eigentum als
Verfassungsproblem, 1975; Grimm, D., Die Entwicklung des Enteignungsrechts,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 121;
Pennitz, M., Der Enteignungsfall, 1992; Schubert, W., Zur Entwicklung des
Enteignungsrechts 1919-45, ZRG GA 111 (1994), 482; Jung, O., Volksgesetzgebung,
Bd. 1f. 2. A. 1996; Raster, J., Enteignung und Eisenbahnbau, 2003; Paffrath,
C., Macht und Eigentum, 2004; Niesler, A., Aufopferung und Enteignung vom ALR
bis zur WRV, Juristische Zeitgeschichte 8 (2007), 128ff.; Eigentumsrecht und
Enteignungsunrecht, hg. v. Gornig, G. u. a., 2008; Reynolds, S., Before Eminent
Domaine, Toward a History of Expropriation of Land for the Common Good, 2010;
Menninger, L., Die Inanspruchnahme Privater durch den Staat, 2014; Schleusener,
J., Die Enteignung Fritz Thyssens, 2017
Enteignungsgleicher Eingriff ist der in Deutschland durch die
Rechtsprechung 1952 als entschädigungspflichtig eingeordnete rechtswidrige,
einer rechtmäßigen Enteignung in den Wirkungen gleichkommende Eingriff in eine
vermögenswerte Rechtsposition.
Lit.: Köbler, DRG 259
Enterbung (1431) ist die bereits dem klassischen römischen Recht (lat.
[F.] exheredatio) bekannte Entziehung einer Erbaussicht eines (gesetzlich)
Erbberechtigten durch →letztwillige Verfügung. Sie erscheint überall, wo
letztwillige Verfügungen unbeschränkt zulässig sind.
Lit.: Kaser §§ 65, 67, 69; Hübner; Köbler, DRG 38;
Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Merkel, J., Die justinianischen
Enterbungsgründe, 1908; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Entführung ist die rechtswidrige Fortführung
eines Menschen, insbesondere einer (einwilligenden) Frau zur Erreichung
sexueller Ziele. Im römischen Recht ist für Vergewaltigung, Frauenraub und E.
Enthauptung angedroht (C. 9, 13, 1). Im Frühmittelalter begründet die E. eine
→Fehde. Im Spätmittelalter wird für E. (ohne Einwilligung) wie für
Frauenraub und Notzucht Enthauptung angedroht. Seit der Mitte des 18. Jh.s
tritt an die Stelle der Todesstrafe eine zeitliche Freiheitsstrafe. Im 19. Jh.
geht die E. in der allgemeineren Freiheitsberaubung auf.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina,
1928, Neudruck 1967, 145; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden
Mittelalter, 1931
Entgeltfortzahlungsgesetz ist das 1995 das
Lohnfortzahlungsgesetz ersetzende deutsche Gesetz über die Fortzahlung des
Entgelts des Arbeitnehmers bei Krankheit.
Lit.: Köbler, DRG 273
Enthauptung ist die durch Abtrennung des Haupts
vom Rumpf mittels Schwert oder (ab 1792) mittels Guillotine (Fallbeil)
vollzogene Tötung bzw. →Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina, 1928, Neudruck
1967
Entmannung (Kastration) ist die Entfernung der
Keimdrüsen eines Mannes. Sie führt im Frühmittelalter als Körperverletzung zu
einer Buße (Wergeld). Sie kann im hohen Mittelalter auch als Strafe (bei
Vergehen gegen die Sittlichkeit) eingesetzt werden. Im Dritten Reich wurden in
Umsetzung älterer Überlegungen rund 366000 Menschen zur Verhütung erbkranken
Nachwuchses sterilisiert.
Lit.: His, R., Deutsches Strafrecht bis zur Karolina,
1928, Neudruck 1967; Tuchel, S., Kastration im Mittelalter, 1998; Kramer, S.,
Ein ehrenhafter Verzicht auf Nachkommenschaft, 1999; Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Justiz und Erbgesundheit, hg. v.
Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2009
Entmündigung (1809, entmündigen 1809) ist
die Entziehung oder Beschränkung der dem Entmündigten dem Alter nach an sich
zustehenden →Geschäftsfähigkeit. In Rom kann nach dem Zwölftafelgesetz
(5, 7c) der Verschwender durch (lat. [F.]) interdictio (Untersagung) (des
Prätors) von allen Verpflichtungsgeschäften und Verfügungsgeschäften
ausgeschlossen werden, wobei für das Vermögen des Verschwenders eine
→Pflegschaft (lat. [F.] cura) eingesetzt wird. Im Mittelalter wird die
Familie tätig, welche die bei körperlichen und geistigen Gebrechen mögliche E.
vor Gericht kundzugeben hat. Später greift die Obrigkeit ein. Im 16. Jh. kann
der Verschwender für unmündig erklärt werden. Seit dem 18. Jh. ist die E. ein
besonderer Rechtsakt auf Grund eines eigenen gerichtlichen Verfahrens (1775
preuß. AGO I, 38, 1794 ALR I, 2 §§ 27ff., 1804 Code civil Art. 490ff., Code de
procédure civile Art. 890ff., 1877 ZPO §§ 593ff.) Der Entmündigte erhält einen
Vormund. Zur Erhebung einer Entmündigungsklage sind Ehegatte und Verwandte
berechtigt, später auch der Staatsanwalt und gegebenenfalls die Gemeinde.
Trunksucht und Rauschgiftsucht werden Grund für die E., während körperliche
Gebrechen die E. nicht mehr begründen können. 1971 stützt eine Resolution der
Vereinten Nationen (2856/XXVI die Rechte geistig behinderter Menschen.
Österreich hebt die Entmündigungsordnung vom 28. 6. 1916 durch das
Sachwaltergesetz vom 2. 2. 1983 auf. In Deutschland wird die E. 1992 (Gesetz
vom 12. 9. 1990) durch die →Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Hübner; Rive, F.,
Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1f. 1862ff.; Schwarz, A., Die
Entmündigung des Verschwenders, Diss. jur. Tübingen 1891; Ent, H., Das
Sachwalterrecht für Behinderte, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Trompetter, J., Die Entmündigung wegen Verschwendungssucht, 1996;
Schmidt, T., Die Entmündigung, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bulling, S., Die zivilrechtliche
Erwachsenenfürsorge des 19. Jahrhunderts, 2013
Entnazifizierung ist die Reinigung von
nationalsozialistischem Gedankengut und die damit verbundene Entfernung von
Anhängern des →Nationalsozialismus aus ihren beruflichen Stellungen (auf
Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 vom 20. 12. 1945 und z. B. des Gesetzes
zur Befreiung unseres Volkes vom Nationalsozialismus vom 5. 3. 1946). Sie
erfasst im Gebiet der alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland mit
Unterschieden in den einzelnen Besatzungszonen in drei zeitlichen Stufen 3,6 Millionen
Fälle. Als Folge werden 486 Menschen hingerichtet, 1667 (oder 1654) als Hauptschuldige, 23060 (oder 22122) als
Belastete, 150425 als Minderbelastete, 1500874 als Mitläufer und 1213873 als
Entlastete eingestuft. Von den Professoren der Zeit zwischen 1933 und 1945
behalten oder erlangen ihr Amt etwa 90 Prozent wieder. Dabei entsteht bald eine
überparteiliche Übereinstimmung dahin, Belastete rasch in die demokratische
Gesellschaft einzugliedern. 1948 werden die Entnazifizierungsmaßnahmen der
Alliierten eingestellt. In Westberlin werden aber zwischen 1955 und 1979 mehr
als 1000 Sühneverfahren mit Geldstrafen von insgesamt mehr als 1,5 Millionen DM
durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245; Fürstenau,
J., Entnazifizierung, 1969; Niethammer, L., Entnazifizierung in Bayern, 1972;
Lange, J., Entnazifizierung in Nordrhein-Westfalen, 1976; Henke, K.,
Politische Säuberung unter französischer Besatzung, 1981; Niethammer, L.,
Entnazifizierung in Bayern?, 1982; Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA
106 (1989), 239; Entnazifizierung, hg. v. Vollnhals, C., 1991; Frei, N.,
Vergangenheitspolitik, 1996, 2. A. 1997; Kappelt, O., Die Entnazifizierung in
der SBZ, 1997; Schuster, A., Die Entnazifizierung in Hessen, 1999; Borgstedt,
A., Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951, 2001; Entnazifizierung im
regionalen Vergleich, hg. v. Schuster, W. u. a., 2004; Deissler, D., Die
entnazifizierte Sprache, 2004; Bedau, M., Entnazifizierung des Zivilrechts,
2004; Entnazifizierung, hg. v. Mesner, M., 2005; Hesse, H., Konstruktionen der
Unschuld, 2005; Botor, S., Das Berliner Sühneverfahren, 2006; Löhnig, M., Die
Justiz als Gesetzgeber, 2010; Bullinger, R., Belastet oder entlastet?, 2012
Entscheidung ist die bewusste Schaffung eines
zumindest vorläufig abschließenden Ergebnisses in einem Meinungsbildungsvorgang
(z. B. Beschluss, Urteil, Verwaltungsakt).
Lit.:
Herstellung
und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u. a., 2010.
Entsippung ist das im Frühmittelalter
verschiedentlich erkennbare (freiwillige oder unfreiwillige) Ausscheiden aus
einem Verwandtschaftsverband (→Sippe).
Lit.: Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2.
A. 1906, 129
Entwerung ist der (freiwillige oder unfreiwillige)
Verlust der →Gewere an einer Sache. Der Käufer einer Sache kann sich
bereits im römischen Recht erst dann (wegen Nichterlangung des Eigentums) an
den Verkäufer halten, wenn ihm die Sache von einem Dritten abgestritten (bzw.
„entwert“) worden ist.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15; Meyer,
H., Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902
Enzyklopädie (F., eigentlich gewöhnliche Lehre)
ist seit dem 18. Jh. die Sammlung des Wissens in einem Druckwerk zwecks
Belehrung. Die Enzyklopädie aller Enzyklopädien Diderots und d’Alemberts
enthält in 33 Bänden 71818 Artikel und Artikelfragmente mit 2885 Kupferstichen.
→Rechtsenzyklopädie
Lit.: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft, hg. v.
Holtzendorff, F. v., Teil 1ff. 1870ff., 2. A. 1873, 6. A. 1904, Neudruck 2013;
Vulgariser la science - les encyclopédies médiévales, hg. v. Ribémont, B.,
1999; Die Enzyklopädie im Wandel vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit,
hg. v. Meier, C., 2002; Kiesow, R., Das Alphabet des Rechts, 2004; Blom, P.,
Das vernünftige Ungeheuer, 2005; Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F.,
Bd. 1ff. 2005ff. (3340 Stichwörter in 16 Bänden mit merh als 9000 Seiten);
Seine Welt wissen. Enzyklopädien in der frühen Neuzeit, hg. v. Schneider, U.,
2006; Prodöhl, I., Die Politik des Wissens, 2010
Episcopalis audientia (lat. [F.] „bischöfliches Gehör“)
ist die in der römischen Spätantike einsetzende besondere Gerichtsbarkeit des
→Bischofs.
Lit.: Köbler, DRG 56
Episkopalismus ist die im Gefolge des Konzils von Trient die
Stellung der Bischöfe gegenüber dem Papst betonende Strömung in Deutschland im
16. und 17. Jh. (Nikolaus von Hontheim 1763, Emser Punktation 1786).
Lit.: Raab, H., Die Concordata nationis Germanicae, 1956
Epitome (gr. [F.]) Auszug (aus einem
umfangreichen Text) (z. B. E. exactis regibus [Frankreich 12. Jh.], E. legum
[Byzanz 920])
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997; Landau, P., Der Traktat Lex est commune preceptum (in) Römische
Jurisprudenz, 2011, 379
Epitome Iuliani ist eine Einführungsvorlesung in lateinischer
Sprache zu einer Sammlung von 124 Novellen Kaiser Justinians, die im Westen im
Frühmittelalter die Kenntnis der justinianischen Novellen vermittelt und von
François Pithou in Basel 1576 ediert wird.
Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v.
Avenarius, M., 2008, 300
eques (lat. [M.]) →Ritter
Lit.: Stemmler, M., Eques Romanus, 1997
Equity (engl.) ist allgemein die
→Billigkeit und im besonderen die Gesamtheit der anerkannten Sätze, nach
denen das Gericht des Kanzlers (→Court of Chancery) des →englischen
Rechtes unter Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls, aber ohne
unberechenbare Freiheit des Ermessens, verfährt. →aequitas
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Barbour, W., The history of
contract in early English Equity, 1914; Baker, J., An Introduction to English
Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Macnair, M., The Law
of Proof in Early Modern Equity, 1999; Law and Equity – Approaches in Roman Law
and Common Law, hg. v. Koops, E. u. a., 2013
Erasmus von Rotterdam (Rotterdam 28. 10. 1466? [uneheliches Kind
eines Geistlichen]-Basel 12. 7. 1536), Humanist
Lit.: Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner Zeit, 1960;
Ribhegge, W., Erasmus von Rotterdam, 2009; Christ-von Wedel, C., Erasmus of Rotterdam,
2013
Erbabfindung ist der vermögensmäßige Ausgleich
für die Aufgabe einer Erbaussicht. →Abschichtung, →Aussteuer
Erbach ist Hauptort einer Grafschaft im Odenwald, die
um 1165 erstmals genannte ursprünglich ministerialische Herren von E. im allmählichen
Aufstieg in die Reichsstandschaft (1422) gewinnen. Sie gelangt 1806
hauptsächlich an Hessen-Darmstadt und damit ihr Gebiet 1945 an Hessen.
Lit.: Killinger, G., Die ländliche Verfassung der Grafschaft Erbach,
1912; Steiger, U., Die Schenken und Herren von Erbach, 2007
Erbauseinandersetzung ist die Aufteilung eines Erbes (N.)
unter mehreren Erben (M.). Bereits im altrömischen Recht kann jeder Miterbe
(lat. [M.] →coheres) die Aufhebung der ohne weiteres eintretenden
Gemeinschaft am Erbe (lat. [N.] →consortium) jederzeit mit dem
Erbteilungsklaganspruch (lat. →actio [F.] familiae erciscundae) fordern.
Seit der jüngeren Republik erhält jeder Miterbe schon während bestehender
Gemeinschaft ein quotenmäßig begrenztes Recht an den einzelnen Erbschaftsgegenständen,
über das er jederzeit verfügen kann. Außerdem kann er uneingeschränkt die
Erbteilung begehren. Eine Aufteilung ist wohl auch bei den Germanen möglich.
Allerdings erben mehrere Erben vermutlich als Gemeinschaft zur gesamten Hand,
so dass der einzelne Beteiligte über seinen Anteil am Nachlass nicht verfügen
kann. Jeder kann aber Teilung verlangen. Im Hochmittelalter soll dabei nach
einer auch schon bei Plutarch für das 8. Jh. v. Chr. sowie bei dem Kirchenvater
Augustin (354-430) bezeugten Regel der (eher zu einer gleichmäßigen Teilung
fähige) Ältere teilen und der Jüngere (bei ungleichen Teilen den ihm günstiger
erscheinenden Teil) wählen (→maior dividat, minor eligat). Die
gesamthänderische Gestaltung wird 1900 auch in das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch aufgenommen, das allerdings die Verfügung über den gesamten Erbteil
zulässt.
Lit.: Kaser § 73; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Roth, D.,
Die Erbauseinandersetzungsklage, 206
Erbbaurecht (1629, Erbbau 1434) ist das veräußerliche und
vererbliche Recht, auf oder unter fremdem Grund und Boden ein Bauwerk zu haben.
Ihm entspricht im römischen Recht schon früh die Bürgern vererblich, aber
zunächst wohl nicht veräußerlich erteilte Befugnis, auf städtischem Boden
gegen Bezahlung eines Bodenzinses (lat. [N.] vectigal) ein Gebäude zu haben. Um
die Zeitenwende tritt zu diesem als Pacht verstandenen Verhältnis das Recht
hinzu, auf einem privaten Grundstück ein Gebäude (lat. [F.] →superficies)
zu haben. Justinian erfasst dieses veräußerlich, vererblich und belastbar gestaltete
Recht teils als Recht eigener Art, teils als Servitut und teils als Emphyteuse.
Im Mittelalter entsteht unabhängig hiervon die →Erbleihe städtischer
Grundstücke, die dem Beliehenen gegen jährlichen Zins ein vererbliches,
unveräußerliches Recht an einem Grundstück gewährt, das jedoch allmählich zum
→Eigentum erstarkt. Danach wird das römische Recht der superficies
aufgenommen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) und ausführlicher die
insofern das Gesetz ersetzende Verordnung über das E. (15. 1. 1919) schaffen
ein besonderes veräußerliches und vererbliches, grundsätzlich grundstücksgleich
bestehendes Nutzungsrecht auf Errichtung, Besitz und Benutzung eines Bauwerks
am Grundstück, wobei ein Erbbauzins nicht unbedingt erforderlich ist. Der
Erbbauberechtigte ist regelmäßig Eigentümer des einen wesentlichen Bestandteil
des Erbbaurechts bildenden Gebäudes (auf dem ihm nicht gehörenden Grundstück).
Das E. darf sich nicht auf einen Gebäudeteil beschränken. Die tatsächliche
Bedeutung des Erbbaurechts ist gering. Österreich folgt der Regelung
Deutschlands durch das Baurechtsgesetz von 1912, die Schweiz im Zivilgesetzbuch
von 1907/1911. Die Deutsche Demokratische Republik kennt ein vergleichbares
Recht im 1975 erlassenen und 1990 aufgehobenen Zivilgesetzbuch.
Lit.: Kaser § 30 II; Hübner; Köbler, DRG 41, 61, 240;
Schiwek, D., Das Erbbaurecht, Diss. jur. Kiel 1969; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbbaurechtsverordnung →Erbbaurecht
Erbe (M., Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen) ist der Vermögensnachfolger des Erblassers. Erben sind in den
ältesten Zeiten die Kinder des Erblassers, die das eigentümerlos gewordene Gut
ohne weiteres in ihrer Gewalt haben. Im ältesten römischen Recht treten mit dem
Tod des Familienvaters seine Hauskinder und seine gewaltunterworfene Ehefrau,
die mit dem Tod des Familienvaters gewaltfrei werden, als Rechtsgemeinschaft
(lat. [N.] →consortium) der (lat.) →sui heredes (M.Pl.) an seine
Stelle. Fehlen Hauserben, gelangt das Gut an die Agnaten (z. B. Geschwister des
Erblassers, Geschwister des Vaters des Erblassers u. s. w.) oder hilfsweise auch an die
Gentilen als sog. Außenerben ([lat.] extranei heredes). Möglich sind aber Abschichtung
und Abänderung durch ein Testament. E. (lat. [M.] →heres) ist dabei nur
der E. nach dem Recht der römischen Bürger (lat. ius [N.] civile), dessen
Berufung auf Gesetzen, Senatuskonsulten oder auf dem vom Kaiser geschaffenen
Recht beruht. Deswegen kann der Prätor auch keinen Erben schaffen, sondern nur
den Güterbesitz (lat. bonorum possessio [F.]) bestimmter Menschen wie den eines
Erben schützen (bonitarisches Erbrecht). Justinian beseitigt die Unterscheidung
zwischen zivilem Erbrecht und bonitarischem Erbrecht, stellt Männer und Frauen
sowie Hauskinder und emanzipierte Abkömmlinge gleich und schließt die Agnaten
543/548 als solche von der Erbfolge aus. Er bildet vier neue Erbklassen
(Abkömmlinge [wobei die Kinder nach Stämmen teilen], dann Eltern [Trennung in
väterlichen Stamm und mütterlichen Stamm], Vorfahren und vollbürtige
Geschwister, dann halbbürtige Geschwister und Kinder, und schließlich übrige
Seitenverwandte), von denen jede frühere jede spätere verdrängt. Die
christliche Kirche fordert vielleicht aus heidnischen Kultbräuchen und
philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen heraus allmählich einen Anteil an
jedem Erbe (→Freiteil). Bei den Germanen geht das einem Hausvater
(während seines Lebens als Verwalter für die Familie oder den
Verwandtschaftsverband) besonders zustehende Gut mit seinem Tod auf seine
Kinder über, Grund und Boden vielleicht nur auf die Söhne. Mehreren gehört es
bis zu einer Aufteilung gemeinschaftlich. Fehlen Kinder, so gelangt das Gut, da
der Vater des Verstorbenen meist vorverstorben ist, als Erbe an Brüder, sonst
Onkel u. s. w. Stirbt die Frau, so fällt
das von ihr möglicherweise mitgebrachte wie das ihr gegebenenfalls vom Mann
zugewandte Gut an die Kinder, bei deren Fehlen aber an den (ursprünglich)
Berechtigten ihrer väterlichen Familie zurück. Auch im Frühmittelalter haben
Möglichkeiten zur Veränderung dieser Regeln noch keine wirkliche Bedeutung.
Erst im Hochmittelalter wird das →Testament aus dem römischen Recht
aufgenommen. Seitdem stehen neben den gesetzlichen Erben (Verwandten) die gewillkürten
Erben. Die Erbfolge ist im Einzelnen von Recht zu Recht unterschiedlich. An
vielen Stellen dringt die justinianische Ordnung allmählich ein. Im 18. Jh.
wird hieraus das →Parentelensystem entwickelt (Joachim Georg Darjes
1714-1791). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s verbessert sich die rechtliche
Stellung der Ehegatten (Deutschland 1957). Das nichteheliche Kind erhält in
Deutschland 1969 ein Erbrecht oder zumindest einen Erbersatzanspruch, 1998
wird es gleichgestellt. Auch in Österreich werden die Unterschiede zwischen
ehelichen und unehelichen Kindern beseitigt.
Lit.: Kaser § 65; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 15, 23, 37, 59, 73, 88, 116, 122, 162, 210, 239, 268; Siegel, H.,
Das deutsche Erbrecht, 1853; Ebel, W., Über die Formel „für mich und meine
Erben“, ZRG GA 84 (1967), 236; Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern.
Kinder- und familienlose Erblasser in der städtischen Gesellschaft des
Spätmittelalters, 2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbe (N., Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen) (lat. [F.] hereditas) ist der Nachlass eines verstorbenen
Menschen. Er umfasst anfangs nur Werte (Vermögen), später auch Schulden. Manche
Gegenstände können dabei zeitweise einer →Sondererbfolge unterfallen (z.
B. Gerade, Heergewäte, Erbhof, Gesellschaftsanteil).
Lit.: Kaser § 65 I; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Erbe – Übertragungskonzepte zwischen Natur und Kultur, hg. v. Willer, S.
u. a., 2013
Erbebuch, Erbbuch ist eine Art des Amtsbuchs seit dem
16. Jh. bzw. eine Art des Stadtbuchs seit dem 13. Jh.
Lit.: Homeyer, G., Die Stadtbücher des Mittelalters, 1860; Die
Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579, bearb. v. Napiersky, J., 1888; Thieme, A.,
Die kursächsischen Amtsbücher, Familie und Geschichte 6/16 (2007), 1ff.
Erbeinsetzung (1538) ist die besondere Bestimmung zum Erben. Vielleicht
schon im altrömischen Recht ist die E. (lat. heredis institutio [F.]) das
Kernstück jeden Testaments. Jedes Testament muss eine E. enthalten, die (bis zu
Kaiser Konstantin [306-337]) am Anfang stehen muss (lat. z. B. Titius heres
esto, Titius soll Erbe sein). Die E. schafft entweder einen einzigen Erben oder
lautet auf einen Bruchteil der Erbschaft. Im mittelalterlichen Recht gibt es
eine besondere E. des Enkels am Grabe oder an der Bahre eines vorverstorbenen Kindes,
die ein fehlendes →Eintrittsrecht ersetzt. In der Neuzeit übernehmen
Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756), Allgemeines Landrecht Preußens
(1794) und Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811) die
Notwendigkeit der E. im Testament, während Code civil Frankreichs (1804),
Bürgerliches Gesetzbuch Sachsens (1863), Bürgerliches Gesetzbuch des deutschen
Reiches (1896/1900) und Zivilgesetzbuch der Schweiz (1907/1911) hierauf
verzichten.
Lit.: Kaser § 68; Köbler, DRG 23, 38; Gudian, G., Ingelheimer
Recht im 15. Jahrhundert, 1968; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbengemeinschaft (1900, erbgemeinschaft 1396) ist die im Falle mehrerer Erben
(Miterben) entstehende Gemeinschaft (lat. [N.] →consortium [ercto non
cito]). Sie ist im klassischen römischen Recht sowie im neuzeitlich
aufgenommenen römischen Recht Bruchteilsgemeinschaft, bei der Forderungen und
Verbindlichkeiten anteilmäßig geteilt sind (z. B. § 555 ABGB Österreichs 1811),
sonst meist Gesamthandsgemeinschaft (BGB des deutschen Reiches 1896/1900 §§
2032ff., ZGB Schweiz 1907/1911, ähnlich ALR Preußens 1794). Sie endet durch
→Erbauseinandersetzung. Vorempfänge sind meist rechnerisch auszugleichen.
Lit.: Kaser § 73; Söllner § 8; Hübner 749ff.;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 122, 162, 207; Lange, H., Lehrbuch des
Erbrechts, 1962, 5. A. 2001; Jäkel, H., Die Rechtsfähigkeit der
Erbengemeinschaft und ihre Beteiligungsfähigkeit an Personengesellschaften,
2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Greil-Lidl, S., Die Verfügungsverwaltung in der Erbengemeinschaft, 2014;
Schmidt, C., Von der Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft, 2015
Erbenhaftung (1898) ist die Haftung des Erben für Schulden des Erblassers
(und der Erbschaft). Wohl schon das römische →Zwölftafelgesetz (451/450
v. Chr.) lässt die Haftung für Schulden des Erblassers auf den übergehen, der
die Rechte des Erblassers erwirbt. Teilbare Schulden zerfallen mit der Erbfolge
von selbst nach dem Verhältnis der Erbteile in selbständige Schulden. Der Erbe
haftet unbeschränkt. Er muss also notfalls auch sein vor dem Erbfall
bestehendes Vermögen zur Tilgung der ererbten Schuld verwenden. Er kann sich
aber als Hauserbe der Erbschaft enthalten oder als Außenerbe die Erbschaft
ausschlagen. Dagegen können sich die Nachlassgläubiger gegen die Nachteile, die
ihnen aus der Überschuldung des Erben drohen, durch Verlangen einer Sicherheitsleistung
oder durch eine Scheidung vom Nachlass und Erbenvermögen (lat. separatio [F.]
bonorum) schützen. Justinian (527-565) gewährt dem Erben die Wohltat des
→Inventars (lat. →beneficium [N.] inventarii), wonach er durch die
Errichtung eines Verzeichnisses der Erbschaftsgegenstände die Haftung für
Schulden des Erblassers auf die Gegenstände der Erbschaft beschränken kann
(Haftung cum viribus hereditatis, Haftung nur mit den Mitteln der Erbschaft).
Im deutschen Recht haftet für Schulden des Erblassers noch im
→Sachsenspiegel nur die Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden
(z. B. aus Raub, Diebstahl, Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für
alle Schulden und mit dem ganzen Nachlass einzustehen. In der Neuzeit wird die
justinianische Rechtswohltat des Inventars übernommen. Das Allgemeine Landrecht
Preußens (1794) geht von der beschränkten Haftung des Erben aus, verwandelt
diese aber in eine unbeschränkte Haftung, wenn der Erbe nicht fristgerecht ein
Inventar errichtet. Das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863) sieht
beschränkte Haftung vor. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches
(1896/1900) ist die Haftung des Erben unbeschränkt, aber auf den Wert des
Nachlasses beschränkbar (Haftung pro viribus hereditatis, Haftung mit dem Wert
der Mittel der Erbschaft, Nachlassverwaltung, Nachlasskonkurs,
Inventarerrichtung).
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lewis,
W., Die Succession des Erben, 1864; Freytagh-Loringhoven, A. v., Die
Schuldenhaftung der Erben nach den livländischen Rechtsbüchern, ZRG GA 27
(1906), 92; Freytagh-Loringhoven, A. v., Beispruchsrecht und Erbenhaftung, ZRG
GA 28 (1907), 69; Enneper, C., Die Reform der Erbenhaftung im
Erbrechtsausschuss, 1993; Peer, R., Die Vorschläge der Akademie für Deutsches
Recht, Diss. jur. Mannheim 1995; Muscheler, K., Die Haftung der Erben im
preußischen ALR, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbenlaub ist im mittelalterlichen deutschen
Recht (z. B. →Sachsenspiegel) die (aus der Gebundenheit des Familienguts
erwachsende Notwendigkeit der) Zustimmung (Erlaubnis) des (zur Zeit einer
Verfügung) nächsten Erben zu einer Verfügung des (künftigen) Erblassers über
ein Grundstück. Damit gibt der Erbe seine Erbaussicht auf Erbgut (im Gegensatz
zu Kaufgut) auf. Fehlt das E., ist das Geschäft zwischen Erblasser und Dritten
gegenüber dem Erben unwirksam. Dieser kann es angreifen und das veräußerte Gut
teils ohne Gegenleistung, teils gegen Erstattung des Kaufpreises
(→Erbenlosung) verlangen. Der unmündige Erbe hat diese Rechte bis zu
einer bestimmten Frist nach Erreichen der Mündigkeit. Zuerst in den Städten,
dann auch allgemeiner schwindet das E., wird aber teilweise als Vorkaufsrecht
fortgeführt.
Lit.: Heusler, A., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1886,
54; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht der Familiengemeinschaft im älteren
Walliser Recht, 1955
Erbenlosung ist im mittelalterlichen deutschen
Recht die Befugnis eines Erben, ein ohne seine Zustimmung abgeschlossenes
Verfügungsgeschäft über ein Grundstück des Erblassers gegen Erstattung des
Kaufpreises an den Erwerber rückgängig zu machen.
Lit.: Hübner 428; Siegel, H., Das deutsche Erbrecht,
1853
Erbenwartrecht ist das Anrecht (Wartrecht) des
nächsten künftigen Erben (z. B. der Söhne) auf das Vermögen eines künftigen
Erblassers. Es ist eine Art Anwartschaft auf die in Aussicht stehende
Erbschaft. Es beruht auf der Familiengebundenheit des Hausguts. Es wirkt sich
(allmählich nur noch) im →Erbenlaub und der →Erbenlosung bzw. dem
ausgleichsfreien Herausgabeanspruch (Revokationsrecht) aus. In der frühen
Neuzeit wird es durch den Grundsatz der Testierfreiheit verdrängt.
Lit.: Hübner 328; Köbler, DRG 124; Schröder, R., Zur
Geschichte des Warterechts der Erben, ZRG 9 (1870), 410; Adler, S., Über das
Erbenwartrecht nach den ältesten bairischen Rechtsquellen, 1891; Brunner, H.,
Abhandlungen zur Rechtsgeschichte, Bd. 2 1931, 217
Erbfähigkeit (1783, erbfähig 1555) ist die Fähigkeit Erbe
zu sein.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbfall (1350) ist der für die Zuordnung von
vermögenswerten Rechten und Pflichten zu Rechtsträgern bedeutsame Tod eines Menschen.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbfolge (1655, Erbfolgeordnung 1729) ist der Übergang des Vermögens des
Erblassers auf den Erben. Für die E. entwickeln sich bereits früh vor allem in
der Hinsicht Regeln, wer der →Erbe (oder die gemeinschaftlichen Erben)
innerhalb der Gesamtheit der Verwandtschaft des Erblassers ist (oder sind).
Dabei unterscheidet das römische Recht zunächst zwischen von selbst erbenden
Hauserben (lat. →sui heredes [M.Pl.) und nach Annahme erbenden Außenerben
(lat. heredes extranei) und legt danach eine genauere Reihenfolge fest, die in
der justinianischen Novelle 118 zu den vier einander sukzessive ausschließenden
Klassen der Abkömmlinge (1), der Eltern und sonstigen Vorfahren sowie der
vollbürtigen Geschwister (2), der halbbürtigen Geschwister und ihrer Kinder (3)
und aller übrigen Seitenverwandten (4) führt. Das germanische Recht trennt
zwischen Hausgemeinschaft und der (ansatzweise in Familienschaften
gegliederten übrigen) Verwandtschaft. Der Sachsenspiegel (Landrecht I 3 § 3
[1221-1224]) verwendet hierfür das Bild des menschlichen Körpers, bei dem der
Erblasser durch den Kopf, die Kinder, Eltern und Geschwister durch den Hals,
die Enkel, Großeltern, Elterngeschwister und Geschwisterkinder durch die
Schulter, die Urenkel, Urgroßeltern, Großelterngeschwister,
Elterngeschwisterkinder und Geschwisterenkel durch die Ellenbeuge, die
Ururenkel, Ururgroßeltern, Urgroßelterngeschwister, Großelterngeschwisterkinder,
Elterngeschwisterenkel und Geschwisterurenkel durch das Handgelenk u. s. w. versinnbildlicht werden und
ausgenommen die Angehörigen des ersten Glieds die gleich nah Geborenen zu
gleichen Teilen erben. Im Übrigen sind die Ordnungen der E. im Einzelnen
landschaftlich und örtlich sehr unterschiedlich. Allgemein wird ein
→Eintrittsrecht der Enkel zunehmend bejaht und die Schlechterstellung der
Frau verringert. In der Neuzeit dringen verschiedene Gedanken des römischen
Rechtes in das deutsche Recht ein. Joachim Georg Darjes entwickelt (1740) das
geometrisierende System von Parentelen (Familienschaften). Das Erbfolgepatent
Kaiser Josphs II. vom 11. 5. 1786 legt eine einheitliche Intestaterbfolge für
die österreichischen Erbländer nach dem Parentelsystem fest, wobei bei Fehlen
eines Verwandten der (6) Parentelen der Ehegatte erbt. Das Allgemeine Landrecht
Preußens (17949 verbindet die Erbfolge nach Stämmen mit dem Eintrittsrecht der
Abkömmlinge (II 2 §§ 348ff.). Der Code civil (1804) unterscheidet Deszendenten,
Aszendenten und Seitenverwandte (Art. 731ff.), so dass den Deszendenten die
Eltern und Geschwister mit sämtlichen Abkömmlingen folgen. Das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) wendet das Parentelensystem
durchgehend an (§§ 730ff., Abkömmlinge, Eltern und deren Abkömmlinge,
Großeltern und deren Abkömmlinge, Urgroßeltern) und knüpft den Erbgang an die
gerichtliche Einantwortung in den Nachlass an. Im Bürgerlichen Gesetzbuch des
deutschen Reiches (1896/1900) geht die gewillkürte E. der gesetzlichen E. vor
und werden (jeweils außer dem Ehegatten) fünf Ordnungen von gesetzlichen Erben
nach einem →Parentelensystem unterschieden (Abkömmlinge, Eltern und
deren Abkömmlinge, Großeltern und deren Abkömmlinge u. s. w.). Fehlen Verwandte und Ehegatte, so
erbt der →Fiskus als gesetzlicher Erbe. Zusätzliche Besonderheiten
gelten für die E. in die Stellung eines Monarchen.
Lit.: Kaser § 66; Hübner 752; Danz, W., Versuch einer
Entwicklung der gemeinrechtlichen Erbfolgeart in Lehen, 1793; Siegel, H., Das
deutsche Erbrecht, 1853; Wasserschleben, H., Das Prinzip der Successionsordnung
nach deutschem und insbesondere sächsischem Rechte, 1860; Stobbe, O., Die
Erbfolgeordnung nach den Magdeburger Schöffensprüchen, 1865; Brunner, H., das
anglonormannische Erbfolgesystem, 1869, 2. A. 2013; Wasserschleben, H., Das
Prinzip der Erbenfolge, 1870; Schanz, F., Das Erbfolgprinzip des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 1883; Gál, A., Der Ausschluss der
Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Freytagh-Loringhoven, A.
Frhr. v., Der Sukzessionsmodus des deutschen Erbrechts, 1908; Die Vererbung des
ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preußen, hg. v. Sering, M., Bd. 7 1908;
Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts,
ZRG GA 36 (1915), 137; Kühn, O., Die kaiserliche Konstitution von 1529 über die
Erbfolge der Geschwisterkinder und Ulrich Zasius, ZRG GA 78 (1961), 310;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Mertens, H., Überlegungen zur
Herkunft des Parentelensystems, ZRG GA 90 (1973), 149ff.; Diestelkamp, B., Das
Verhältnis von Gesetz und Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme
1977, 1; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v.
Kunisch, J., 1982; Buchholz, S., Erbfolge und Wiederverheiratung, 1986; Olzen,
D., Vorweggenommene Erbfolge, 1988; Meuten, L., Die Erbfolgeordnung des
Sachsenspiegels und des Magdeburger Rechts, 2000; Hartmann, P., Das Recht der
vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren Privatrechtsgeschichte, 2005;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbfolgekrieg ist der aus Anlass eines Streites
um die →Erbfolge in einem Erbfall entstehende Krieg (z. B. bayerischer
E., schlesischer E., spanischer E.). Er endet vielfach mit einer
(einvernehmlichen) Güteraufteilung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Erbfolgepatent ist das die Erbfolge ordnende Patent wie z. B.
das Patent Josephs II. vom 11. 5. 1786, mit dem eine einheitliche gesetzliche
Erbfolge für die österreichischen Erbländer festgesetzt wird (6 Parentelen,
subsidiäres Erbrecht des Ehegatten, der bis zur Wiederverheiratung außerdem ein
Fruchtgenussrecht an einem Viertel des Nachlasses erhält).
Erbgut ist im deutschen Mittelalter das
durch Erbfolge erworbene Gut im Gegensatz zum durch Kauf erlangten Gut. Für das
E. gelten bis in die Mitte des 19. Jh.s verschiedentlich besondere Regeln (z.
B. →Erbenwartrecht).
Lit.: Hübner 747; Kroeschell, DRG 1f.
Erbhof ist allgemein der durch lange
→Erbfolge im Eigentum einer Familie stehende bäuerliche Hof. Im Dritten
Reich wird für den Eigentümer des vom →Reichserbhofgesetz (vom 29. 9.
1933, aufgehoben durch Art. I 1 Kontrollratsgesetz Nr. 45 zum 23. 4. 1947)
erfassten Erbhofs (35 % der Höfe) (sog. Bauer im Gegensatz zu den sonstigen
Landwirten) die →Testierfreiheit eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 239; Weitzel, J., Sonderprivatrecht
aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR 1992, 55ff.; Buchenroth, A., Die
Heimatzuflucht, 2004; Czeguhn, I., Das Reichserbhofgesetz (ungedruckt)
Erbhuldigung ist (vor allem in den
österreichischen Erbländern) der besondere Akt der →Huldigung (der
Landleute gegenüber dem Landesherrn), der in Niederösterreich auf das Jahr
1282, in der Steiermark auf das Jahr 1186 und in Kärnten auf die Herzogseinsetzung
auf dem Herzogsstuhl bei Maria Saal zurückgeführt wird.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung
in Kärnten, 1899; Holenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991;
Brademann, J., Autonomie und Herrschaft, 2006
Erblande sind grundsätzlich die (seit
alters) ererbten Länder gegenüber neueren Ländern. Zu den nach anderen älteren
Zusammenfassung von 1336 oder 1364 seit dem 15. Jh. so bezeichneten, sich im
Lauf der Zeit wandelnden österreichischen Erblanden oder Erbländern zählen
zunächst die Stammlande Habsburgs in der Schweiz und in Schwaben (1380 obere
lande, 1480 vordere Lande, 16. Jh. Vorderösterreich), das Herzogtum Österreich
einschließlich vor allem der Steiermark, Kärntens (1335, mit Krain) und Tirols
(1363) sowie der Markgrafschaft Istrien und der windischen Mark (1374), Triests
(1382) der Grafschaft Görz und der Herrschaft Gradiska (1500). Später kommen
Burgund (selten) sowie Böhmen (und Ungarn selten) hinzu. Schließlich werden
unter dem Begriff der E. alle österreichischen Gebiete einschließlich Böhmens
von Ungarn, Galizien und den italienischen Ländern geschieden. Um 1800
erstrecken sich die deutschen E. der Habsburger auch auf Galizien, Bukowina,
Dalmatien und Lombardo-Venetien. Der eher privatrechtlichen Vorstellung der E.
entspricht dann (1848) der öffentlichrechtliche der Kronländer, innerhalb deren
zwischen österreichischen (mit Galizien) und ungarischen getrennt wird. In der
zweiten Hälfte des 19. Jh.s werden österreichische E. und Länder der
ungarischen Krone gegenübergestellt, allerdings stark abnehmend, da die österreichischen
E. bald inoffiziell und ab 1915 auch offiziell als Österreich bezeichnet
werden.
Lit.: Baltl/Kocher; Hellbling, E., Österreichische
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1956, 65, 267, 275; Zöllner, E., der
Österreichbegriff, 1988; Brauneder, W., Die Habsburgermonarchie als
zusammengesetzter Staat, (in) Zusammengesetzte Staatlichkeit, hg. v. Becker,
H., 2006, 197ff.
Erblasser (1420) ist
der Mensch, der bei seinem Tode ein Erbe (hinter)lässt.
Lit.: Immel, G., Die höchstpersönliche Willensentscheidung
des Erblassers, 1965; Tschäppeler, H., Die Testierfreiheit, 1983; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbleihe ist im mittelalterlichen und
neuzeitlichen deutschen Recht die erbliche, vielfach veräußerbare, meist
entgeltliche →Leihe von Grundstücken. Sie entspricht in vielen Zügen der
spätrömischen Emphyteuse (Erbpacht) und der Bittleihe (Prekarie). Sie
entwickelt sich sowohl in der mittelalterlichen Stadt wie in der ländlichen
Grundherrschaft. In der Stadt wird aus dem erblichen Zins allmählich eine
privatrechtliche →Reallast an Eigentum. Auf dem Land treten zu dem
privatrechtlichen Verhältnis die öffentlichrechtlichen Elemente der Herrschaft
des Grundherrn über den Hintersassen hinzu. Die E. endet hier mit der
Beseitigung der →Grundherrschaft in der Mitte des 19. Jh.s, weshalb sie
im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) nicht mehr enthalten ist.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125;
Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883),
130; Schwind, E. v., Zur Entstehungsgeschichte der freien Erbleihen, 1891,
Neudruck 1973; Rietschel, S., Die Entstehung der freien Erbleihe, ZRG GA 22 (1901),
181; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien bäuerlichen Erbleihe
Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in
Österreich, 1906; Schreiber, O., Die Geschichte der Erbleihe in der Stadt
Straßburg im Elsass, 1909; Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den
westfälischen Städten bis 1500, 1925; Beer, K., Beiträge zur Geschichte der
Erbleihe in elsässischen Städten, 1933; Fischer, K., Die Erbleihe in Köln, 1939
Erbmonarchie ist die durch das Erbrecht einer
Dynastie auf die (staatliche) Herrschaft gekennzeichnete Monarchie. Das Heilige
römische Reich schwankt zwischen
Erbrecht und Wahl, wobei der Versuch eines Erbreichsplans Heinrichs VI. im
deutschen Reich 1196 scheitert. Tatsächlich kommen aber die Könige und Kaiser
des Reiches seit 1438 fast durchweg aus der Familie der Habsburger bzw. dem
Hause →Habsburg. In den Ländern setzt sich demgegenüber das Prinzip der
Erblichkeit der Herrschaft durch, bis es 1918 beseitigt wird.
Lit.: Köbler, DRG 95; Perels, E., Der Erbreichsplan
Heinrichs VI., 1927; Wallner, M., Zwischen Königsabsetzung und Erbreichsplan,
2004
Erbpacht (1299, z. B. § 1122 ABGB, vgl. § 1123 ABGB
Erbzinsrecht, ab 1848 leerlaufend) →emphyteusis
Lit.: Brunner, H., Die Erbpacht der Formelsammlungen,
ZRG GA 5 (1884), 69; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbrecht (1062) ist objektiv die Gesamtheit der Rechtssätze, die das
→Erbe betreffen, subjektiv die im Erbfall entstehende Berechtigung des
Erben am Nachlass. Es ist von den erkennbaren Anfängen des Rechtes an ein
wichtiger Bestandteil (des Privatrechts, lat. ius [N.] hereditarium).
Kennzeichnend ist zunächst die vorgegebene (gesetzliche) →Erbfolge (der
Verwandten nach verwandtschaftlicher Nähe zum Erblasser unter teilweiser
Bevorzugung von Männern), die schon im altrömischen Recht und danach erneut
spätestens im hochmittelalterlichen Recht um die Möglichkeit ergänzt wird, die
gesetzliche Erbfolge gewillkürt abzuändern (gewillkürte Erbfolge,
→Erbvertrag, →Testament). Seit dem Ende des 19. Jh.s wird das E.
zunehmend durch die →Erbschaftsteuer (Deutsches Reich 1906/1911)
beeinflusst.
Lit.: Kaser §§ 65ff.; Söllner §§ 8, 12, 18; Hübner
734; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 15, 23, 37, 162, 206, 210; Baltl/Kocher;
Siegel, H., Das deutsche Erbrecht, 1853; Zachariä von Lingenthal, K.,
Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 3. A. 1892, Neudruck 1955, 133;
Brunner, H., Der Totenteil in germanischen Rechten, ZRG GA 19 (1898), 107;
Brunner, H., Kritische Bemerkungen zur Geschichte des germanischen
Weibererbrechts, ZRG GA 21 (1900), 1; Dultzig, E. v., Das deutsche
Grunderbrecht, 1899; Escher, A., Der Einfluss des Geschlechtsunterschiedes,
1899; Schultze, A., Der Einfluss der Kirche auf die Entwicklung des
germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914), 75; Ferrari, G., Ricerche sul diritto
ereditario, 1914; Fischel, A. v., Erbrecht und Heimfall auf den Grundherrschaften
Böhmens und Mährens, Archiv für österreichische Geschichte 106 (1915);
Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, 1928;
Meyer, H., „Ligurisches Erbrecht“, ZRG GA 50 (1930), 354; Plucknett, T., A Concise History of the Common
Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Hegglin, G., Das gesetzliche Erbrecht
der Rechtsquellen Unterwaldens, Diss. jur. Bern 1930; Bruck, E., Kirchenväter
und soziales Erbrecht, 1956; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in
Österreich, 1957; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der Stiefkinder
und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959; Besta, E., Le
successioni, 2. A. 1961; Sheehan, M., The Will in Medieval England, 1963;
Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts, 1964;
Arnold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt Esslingen, 1965; Bart, J., Recherche
sur l’histoire des successions, 1966; Ebel, W., Über die Formel „für mich und
meine Erben“ in mittelalterlichen Schuldurkunden, ZRG GA 84 (1967), 236ff.;
Hess, R., Familien- und Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968;
Fedynskyj, J., Rechtstatsachen auf dem Gebiete des Erbrechts im Gerichtsbezirk
Innsbruck 1937 bis 1941, 1968; Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia
del diritto, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970;
Bley, H., Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter
Oberhofs, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977; Schröder, R., Abschaffung oder
Reform des Erbrechts, 1981; Müller-Eiselt, K., Divus Pius constituit, Diss.
jur. Freiburg 1982; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen Erbrecht,
Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 87; Hattenhauer, H., Zur Dogmengeschichte des
Erbrechts, Jura 1983, 9, 68; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101
(1984), 117; Udina Abelló, A., La successió testado, 1984; Die Vorlagen der
Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines
Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Erbrecht, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Zur Geschichte des Familien- und
Erbrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Waibel, T., Erbrecht und Familie, 1988;
Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8. und 9. Jahrhunderts, ZRG GA 107
(1990), 236; Baker, H., An Introduction to English Legal History, 4. A. 2002;
Das Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Andres, I., Der Erbrechtsentwurf von Friedrich Mommsen, 1996; Wacker, G.,
Der Erbrechtsausschuss der Akademie für Deutsches Recht, 1997; Bühler, T., Die
Methoden der Rezeption des römisch-gemeinen Rechts in die Erbrechte der
Schweiz, ZRG GA 120 (2003); Signori, G., Vorsorgen – Vererben – Erinnern, 2001;
Heusen, F., Der Erbschaftserwerb im Spätmittelalter, 2002; Beckert, J.,
Unverdientes Vermögen, 2004; Seif, U., Römisch-kanonisches Erbrecht in
mittelalterlichen deutschen Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88;
Wesener, G., Ephemere Besonderheiten des spätrömischen Erbrechts, FS Rolf
Knütel, 2009, 1401; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Der Einfluss religiöser Vorstellungen auf die Entwicklung des Erbrechts,
hg. v. Zimmermann, R., 2012; Deblauwe, R., Het Recht van Terugkeer of de
Anomale Erfopvolging, 2014; Mertens, B., Die Erbfolgegesetzgebung der
Reichstage, ZRG GA 133 (2016), 81; Noda, R., Zum Städelschen Beerbungsfall, ZRG
GA 133 (2016), 365
Erbschaft (1205, Erbschaftsbesitz 1863,
Erbschaftsbesitzer 1794, Erbschaftsgegenstand 1863, Erbschaftsklage 1687) ist das aus Rechten und Pflichten
bestehende Vermögen des Erblassers, das bei seinem Tod als Ganzes auf eine(n)
oder mehrere Menschen bzw. Personen übergeht. Lateinisch heißt die E.
→hereditas (F.). Die Zugehörigkeit der Grundstücke, Rechte und
Verpflichtungen zur E. entwickelt sich anscheinend erst allmählich.
Lit.: Kaser §§ 65 I, 66 IV; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb
im Spätmittelalter, 2002
Erbschaftsanfall ist der Übergang der Rechte und
Pflichten des Erblassers (Erbschaft) auf den Erben (im Wege der Gesamtrechtsnachfolge).
Er erfolgt z. B. bei den mit dem Tod des Hausvaters gewaltfrei werdenden
römischen Hauserben (lat. sui heredes als necessarii heredes) grundsätzlich mit
dem Tod des Erblassers, wobei eine Enthaltungsmöglichkeit ([lat.] beneficium
abstinendi) besteht. Dagegen müssen im römischen Recht die Außenerben
(Agnaten, Gentilen) einen besonderen Erwerbsakt (Erbschaftsantritt, lat. [F.]
aditio hereditatis) vornehmen, so dass zwischen dem Tod des Erblassers und dem
Erbschaftsantritt eine sog. ruhende Erbschaft (lat. hereditas [F.] iacens)
vorliegt. Dieses Ruhen der Erbschaft wird in der Neuzeit in einigen Rechten
(für alle Erben) übernommen. Daneben ist verschiedentlich eine Einweisung in
die Erbschaft durch das zuständige Gericht erforderlich (§ 797 ABGB Österreichs
[1811], vorher Erbantrittserklärung). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch
(1896/1900) und im schweizerischen Zivilgesetzbuch (1907/1911) wird (unter der
Möglichkeit der Ausschlagung) die Erbschaft unmittelbar erworben.
Lit.: Kaser § 71 II; Hübner 734; Köbler, DRG 210;
Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, Bd. 4 1893,
541; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957; Fischer, H.,
Vonselbsterwerb und Antrittserwerb, 1996; Bielefeld, C., Die Entwicklung des
Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht, 1997; Heuser, F., Der Erbschaftserwerb
im Spätmittelalter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschaftsanspruch (1862) ist
bereits im klassischen römischen Recht der eine (lat. actio in rem bildende)
Klaganspruch des Erben (nach zivilem Recht) gegen den, der einen
Vermögensvorteil aus der Erbschaft erlangt hat, auf Herausgabe (lat.
hereditatis petitio [F.]), wobei ein gutgläubiger Besitzer nach dem
→Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) nur herauszugeben hat, worum
er bereichert ist. Der Erbe nach prätorischem Recht (lat. bonorum possessor
[M.]) kann die Herausgabe auf Grund eines (lat.) interdictum (N.) quorum
bonorum verlangen. Der E. wird in der frühen Neuzeit weitgehend übernommen
(Erbschaftsklage).
Lit.: Köbler, DRG 37; Müller-Ehlen, M., Hereditatis
petitio, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erbschaftskauf (1784) ist der Kauf einer
Erbschaft.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschaftsschuld ist die von einem Erblasser oder
aus dem Erbfallsvorgang herrührende Schuld. Für sie haftet der Erbe nach
römischem Recht mit der von Justinian gewährten Rechtswohltat des
→Inventars. Im Hochmittelalter haftet noch im Sachsenspiegel nur die
Fahrnis des Nachlasses, wobei bestimmte Schulden (z. B. aus Raub, Diebstahl
oder Spiel) überhaupt ausgenommen sind. Später ist für alle Schulden und mit
dem ganzen Nachlass einzustehen, doch wird die Rechtswohltat des Inventars
aufgenommen. →Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74; Hübner; Köbler, DRG 59, 123
Erbschaftsteuer ist die den Übergang eines
Vermögens durch →Erbfolge erfassende →Steuer. Ihr gehen bereits im
Mittelalter Sterbefallsabgaben etwa an den Grundherrn (→Besthaupt,
Buteil) voraus. Im Deutschen Reich wird (am 3. 6.) 1906/1911 eine E.
eingeführt. Ihre Höhe wird gestaffelt und führt bei sehr großen Vermögen zu
sehr beachtlichen Steuern. Sie werden auf der unentwegten Suche nach Einkünften
(des Staates) zu Lasten anderer im Laufe der Zeit (z. B. 1997 bis 30%, 2008)
noch erhöht.
Lit.: Köbler, DRG 210; Hübner, H., Erbschaftsteuerreform
2009, 2009; Handbuch Erbschaftsteuer und Bewertung, 2010
Erbschein (Preußen 1869) ist das amtliche, vom
Nachlassgericht auf Antrag auszustellende Zeugnis des Erben über sein Erbrecht
und bei mehreren Erben auch über die Größe des jeweiligen Erbteils. Ein
entsprechendes Zeugnis kennen bereits neuzeitliche Partikularrechte, die es
allerdings auf den Fall der gesetzlichen →Erbfolge beschränken. Aus den
Erbbescheinigungen in Mecklenburg und Neuvorpommern sowie seit 1869 das ganze
Preußen entwickelt sich der E. des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 211; Siegel, H., Das
deutsche Erbrecht, 1853; Hirsch, M., Von der Erbbescheinigung des preußischen
Rechts zum Erbschein des BGB, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbschulze ist der erbliche Leiter (Schulze)
der bäuerlichen Gemeinde (und Beauftragte der Herrschaft) der mittelalterlichen
deutschen Ostsiedlung vom 12. bis zum 19. Jh. Der E. hat meist einen
besonderen Erbschulzenhof und oft auch weitere Vorrechte.
Lit.: Riedel, L., Über die Dorfschulzen, 1834;
Schwineköper, B., Die mittelalterliche Dorfgemeinde in Elbostfalen, (in)
Vorträge und Forschungen 8, 1964, Bd. 2 115
Erbteilung ist die Aufteilung des Erbes unter Erben. Für
sie kennt im Streitfall bereits das römische Recht Klagansprüche ([lat.] actio
familiae erciscundae).
Lit.: Voltelini, H. v., Der Ältere teilt, der Jüngere wählt, ZRG GA 36
(1915), 478
Erbtochter ist die Tochter (evtl. auch eine
weitere weibliche Verwandte) des letzten Mannes einer (adligen) Familie. Über
sie werden vielfach bedeutende Güter vererbt (z. B. Margarethe Maultasch 1363
in Tirol, Maria Theresia 1740 in Österreich).
Lit.: Hübner; Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, A.,
Prinzipien der Thronfolge in Europa, (in) Vorträge und Forschungen, 1986
Erbunfähigkeit ist die Unfähigkeit, Erbe zu werden (z. B. im
römischen Recht Personenverbände, später Ordensangehörige mit Armutsgelübde).
Erbuntertänigkeit ist im neuzeitlichen deutschen
Recht (in Preußen) die in Abschwächung der Leibeigenschaft entstehende
grundherrschaftliche Abhängigkeit (Unfreiheit).
Lit.: Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A.
2004
Erbunwürdigkeit (Österreich 1786) ist die im spätrömischen Recht aus
Einzelfällen (z. T. Tötung des Erblassers, Verhinderung, Unterdrückung oder
Fälschung des Testaments) entwickelte Unwürdigkeit, Erbe zu sein. Dem
Erbunwürdigen wird das ererbte Gut vom Staat (lat. [N.] aerarium, später [M.]
fiscus) entzogen. Die E. wird im neuzeitlichen Recht übernommen.
Lit.: Kaser § 71 V; Hempel, I., Erbunwürdigkeit, Diss.
jur. Köln 1969; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Nehmer, M., Erbunwürdigkeit und Elternunterhalt im internationalen Privatrecht,
2013
Erbverbrüderung →Erbvertrag
Lit.: Loening, R., Erbverbrüderungen, 1867
Erbvertrag (1535) ist der Vertrag zwischen mindestens zwei Menschen, in
dem mindestens einer der Vertragsschließenden (Erblasser) vertragsmäßige
Verfügungen von Todes wegen (z. B. Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage) trifft.
Der E. ist im römischen Recht (als sittenwidrig) unzulässig (D. 45, 1, 61), den
griechischen Rechten dagegen geläufig und deswegen in der oströmischen
Rechtswirklichkeit im Gegensatz zum gesetzlichen Verbot verbreitet. Das
Frühmittelalter kennt mit der fränkischen →Affatomie und dem
langobardischen Speergedinge die Möglichkeit, den Nachlass einem nicht
verwandten Menschen durch Rechtsgeschäft zukommen zu lassen. Etwas später
gewinnt die Gabe nach dem Tod (lat. donatio [F.] post obitum) an Bedeutung, für
die es streitig ist, ob sie schon E. ist. Hierher gehört dann insbesondere die
seit dem 14. Jh. vordringende Erbverbrüderung (adliger Familien) zwecks
Gestaltung der künftigen Güterzuordnung (z. B. 1373/1457 Braunschweig,
Sachsen, Hessen, 1442 Brandenburg, Mecklenburg, 1537 Liegnitz). In der frühen
Neuzeit werden seit der Mitte des 17. Jh.s vom →usus modernus pandectarum
bestimmte Arten von erwerbenden Erbverträgen auf deutschrechtlicher Grundlage
bejaht. Eine allgemeine Anerkennung erfolgt im Naturrechtszeitalter bei Leyser
(1683-1752), Böhmer (1674-1749) und Heineccius (1681-1741). Die Gesetzbücher
seit dem 18. Jh. lassen den E. zu (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756
III, 11, § 1, ALR Preußens 1794 I 12 §§ 617ff.), wobei ihn das österreichische
Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) auf Ehegatten und drei Viertel
des Nachlasses beschränkt. Die strenge wissenschaftliche Ausformung des
Erbvertrags erfolgt durch Hasse 1828.
Lit.: Kaser § 65; Hübner 788; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Köbler, DRG 38, 123, 162, 211; Hasse, J., Ueber Erbvertrag, Rhein. Museum für
Jurisprudenz 2 (1828), Heft 2; Beseler, G., Die Lehre von den Erbverträgen, Bd.
1ff. 1835ff.; Hartmann, G., Zur Lehre von den Erbverträgen, 1860; Loening, R.,
Erbverbrüderungen, 1867; Kugelmann, G., Gemeinrechtliche Begründung des
partikulären Erbvertrags, 1875; Vismara, G., Storia dei patti successori, Bd.
1f. 1941; Vismara, G., I patti successori nella dottrina di Bartolo, (in)
Bartolo di Sassoferrato, Bd. 2 1962, 755; Battes, R., Gemeinschaftliches
Testament und Ehegattenerbrecht, 1974; Wesener, G., Zur Lehre vom Erbvertrag,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 607; Jaeckel,
G., Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537, 1988; Kuttig, W., Der
brandenburgisch-schlesische Erbverbrüderungsvertrag, 1988; Weimar, P.,
Erbvertrag und gute Sitten, Misc. D. Maffei, Bd. 4 1995, 231; Christiansen, T.,
Die erbvertragliche Bindungswirkung in der Rechtsprechung des 20. Jahrhunderts,
2004; Hartmann, P., Das Recht der vertraglichen Erbfolgeregelung in der neueren
deutschen Privatrechtsgeschichte, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Müller, M., Besiegelte
Freundschaft - Die brandenburgischen Erbeinungen, 2010; Hirsch, E.,
Geberationsübergreifende Verträge reichsfürstlicher Dynastien vom 14. bis zum
16. Jahrhundert, 2013 (elf Erverbrüderungen, neun Erbbündnisse, 3 erbliche
Verfahren zur Austragung von Streitigkeiten); Ulrich, J., Der Erbveertrag als
Problem von Rechtswissenschaft, 2017
Erbverzicht (1602) ist der Verzicht auf das Erbe. Er ist im
römischen Recht ausgeschlossen. Später wird er zugelassen.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erbzins (M.) erbliche Zinsverpflichtung, vielfach aus
Erbleihe, vom Mittelalter bis ins 19. Jh.
Lit.: Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich im
Mittelalter, 1906; Dannhorn, W., Römische Emphyteuse und deutsche Erbleihe,
2003
Ercto non cito (lat.) ist die altrömische
Erbengemeinschaft (lat. [N.] consortium).
Lit.: Kaser §§ 66 I 2
Erde (als Heimat aller bisher bekannter
Lebewesen) ist der dichteste, fünftgrößte und der Sonne am drittnächsten
stehende Planet des Sonnensystems mit einem Durchmesser von mehr als 12700
Kilometern einem Umfang von rund 40000 Kilometern, einer Masse von5,974.10 hoch
24 Kilogramm und einer siderischen Umlaufzeit von 365,256 Tagen. sowie einem
Alter von etwa 4,6 Milliarden Jahren (mit durchschnittlich 35 Kilometer dicker
Erdkruste und einer umgebenden Atmosphäre aus Stickstoff, Sauerstoff, Argon,
Kohlenstoffdioxid und Neon). Geologisch gegliedert ist die Geschichte der Erde
in Hadaikum (Erdentstehung vor schätzungsweise 4,7 Milliarden Jahren,
Uratmosphäre vor allem aus Kohlendioxid und Wasser), Archaikum (Kontinente,
Einzeller ohne Zellkern bzw. Bakterien und Archaeen, vor 2,5 Milliarden Jahren
Sauerstoff), Proterozoikum (komplexe Einzeller mit Organellen, Ozon,
Vielzeller, Urkontinent Rodinia, vor 541 Millionen Jahren immer mehr
vielzellige Tiere, im Kambrium vor 542 Millionen Jahren kleine
hartschaligeFossiliien, im Silur Riffgemeinschaften und älteeste Überreste von
Landpflanzen, im Devon erste Amphibien, vor 66 Millionen Jahren heutige
Kontinente, Alpen, Himalaya, viele Säugetiere, vor 2,5 Millionen Jahren große
Vergletscherung, vor 11700 Jahren Holozän). Vergleichbare Planeten müssten
stark genug sein, um bewohnbare Bedingungen zu fördern, aber gleichzeitig nicht
so aktiv, dass alles Leben zerstört wird.
Lit.: Rothe, P., Die Erde, 2015; Kremer, B., Die
Wiese, 2016; Henze, D., Deutschlands Anteil an der geographischen Erforschung
der außereuropäischen Erdteile im 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 2016f.; Wilson, E.,
Die Hälfte der Erde, 2016 (will swecks Verstetigung der Artenvielfalt statt auf
dem Papier 17 Prozent in der Wirklichkeit vage 50 Prozent der Erdoberfläche als
Schutzgebiete)
Erfindung (1282) ist die erstmalige Herstellung
eines neuen Werkes. In Altertum und Mittelalter erfährt die E. keinen
rechtlichen Schutz. Erst mit der E. des Buchdrucks mit beweglichen Lettern
durch Johannes Gutenberg (Mainz um 1450) entwickelt sich allgemeiner der
Schutz der E. (z. B. durch Privilegien gegen den unerlaubten Nachdruck von
Büchern). Hieraus entstehen im 19. Jh. Urheberrecht, Patentrecht und weitere
Erfinderrechte.
Lit.: Zycha, A., Beitrag zur Frühgeschichte des
deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208; Zycha, A., Zur älteren
Geschichte und vergleichsweisen Bedeutung des niederländischen
Erfindungsschutzes, ZRG GA 62 (1942), 294; Kurz, P., Weltgeschichte des
Erfindungsschutzes, 2000; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im Rechtsverkehr,
2004; Schmidt, A., Erfinderprinzip und Erfinderpersönlichkeitsrecht im
deutschen Patentrecht, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Flechsig, A., Frühneuzeitlicher
Erfindungsschutz, 2013; Übler, R., Die Schutzwürdigkeit von Erfindungen.
Fortschritt und Erfindungshöhe in der Geschichte des Patent- und
Gebrauchsmusterrechts, 2014
Erfolgshaftung ist die beim bloßen Verursachen
eines Erfolgs ohne Rücksicht auf die Vorwerfbarkeit eines Verhaltens eintretende
Haftung (wie sie in dem spätmittelalterlichen Rechtssprichwort →„Die Tat
tötet den Mann“ zum Ausdruck gebracht wird). Im weiteren Sinn wird darunter
auch die Strafbarkeit wegen eines bloßen verursachten Erfolgs verstanden. E. in
diesem Sinn ist für die Frühzeit in weitem Umfang wahrscheinlich, weil (wie
bei der Rache) ein Anknüpfen am verursachten sichtbaren Erfolg geringere
Schwierigkeiten bereitet als die Prüfung eines inneren unsichtbaren
Gedankenvorgangs und die Erfahrung zudem zeigt, dass bestimmte äußere
Ergebnisse typischerweise bestimmten inneren Zielsetzungen entsprechen. Abweichend
hiervon unterscheidet bereits das altrömische Recht (→Zwölftafelgesetz
[451/0 v. Chr.] 8, 24a) zwischen gewolltem Erfolg und nicht gewolltem Erfolg.
Hieraus entwickelt sich die grundsätzliche Beschränkung auf die Haftung für
ein verschuldetes Verhalten. Allerdings ist auch eine Haftung für das
Verschulden eines Gehilfen (bei Werkvertrag) oder aus deliktischem Verhalten
eines Gewaltunterworfenen (→Noxalhaftung) anerkannt. Dieser Entwicklung
entspricht es, dass das germanische Recht wohl zwar am äußeren Erfolg anknüpft,
darin aber typisierend zugleich den schädigenden Willen erfassen will. Das
frühmittelalterliche Recht unterscheidet zwischen vorsätzlicher Tat und sog.
Ungefährwerk. Demgegenüber bedrohen hochmittelalterliche Strafrechtsquellen des
öfteren Fälle von Ungefährwerk (ungewollte Tötung und Körperverletzung) mit
peinlichen Strafen. Demnach entwickelt sich ein ausgeprägtes Schuldstrafrecht
erst in der Neuzeit. Im Privatrecht setzt sich das Verschuldensprinzip unter
dem Einfluss des Liberalismus im 19. Jh. (→Ihering) durch. Gleichzeitig
gewinnt aber gerade in und seit dieser Zeit die (vom Verschulden gelöste)
→Gefährdungshaftung (Eisenbahn u.
s. w.) an Bedeutung.
Lit.: Kaser § 36; Köbler, DRG 71, 128; Brunner, H.,
Forschungen zur Geschichte des deutschen und französischen Rechts, 1894, 487;
Kaufmann, E., Die Erfolgshaftung, 1958; Mikat, P., Erfolgshaftung und
Schuldgedanke im Strafrecht der Angelsachsen, FS H. Weber, 1963, 9; Ogorek, R.,
Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Bader, K., Zum
Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995) 1ff.;
Schildt, B., Die Tat tötet den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380ff; Stübinger, S.,
Schuld, Strafrecht und Geschichte, 2000; Schumann, E., Unrechtsausgleich im
Frühmittelalter, Habilitationsschrift 2003; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische
Strafe, 2006; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld, 2005; Der Strafgedanke,
2007
Erfüllung (1190, Erfüllungsinteresse 1879, Erfüllungsort
1828) ist das
(Einhalten einer Verpflichtung bzw.) Bewirken der geschuldeten Leistung durch
den Schuldner. Die E. ist im römischen Recht als (lat. [F.]) →solutio
bekannt. Mit der E. wird der Schuldner von seiner Verpflichtung frei.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 215; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 46; Heymann, E., Das
Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932;
Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976; Seong, S., Der Begriff der
nicht gehörigen Erfüllung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Platschek, J., Das Edikt de pecunia
constituta. Die römische Erfüllungszusage, 2013
Erfüllungsgehilfe ist die Person, die mit Wissen und
Wollen des Schuldners tatsächlich in dessen Pflichtenkreis tätig wird. Der E.
wird als solcher besonders im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfasst.
Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen
und gesetzlichen Vertreter ohne eigenes Verschulden.
Lit.: Köbler, DRG 214
Erfurt an der Gera (742 Erphesfurt), das
im 8. Jh. durch Bonifatius kurzzeitig Bischofssitz ist und zu unbekannter Zeit
(E. 10. Jh.) vom König an den Erzbischof von Mainz gelangt, ist von
(1378/1389/) 1392 bis 1816 Sitz einer Universität. 1802/1814 fällt es an
Preußen. 1850 berät in E. ein Deutsches Parlament erfolglos über einen
Bundesstaat „Deutsches Reich“. Eine von Preußen mit Sachsen und Hannover gegen
Österreich gerichtetete Erfurter Union scheitert am Widerstand Österreichs und
einiger Mittelstaaten (Olmützer Punktation). 1991 wird E. Hauptstadt
Thüringens. 1994 wird die Universität wiederbegründet. →Johannes von E.
Lit.: Reuleaux, C., Das Erfurter Parlament, Diss. jur.
Mainz 1953; Schubert, W., Die für das Reichsgericht der Erfurter Union
bestimmten Organisations- und Verfahrensgesetze von 1849/50, ZRG GA 101 (1984),
169; Lorenz, S., Studium generale Erfordense, 1989; Erfurt 742-1992, hg. v.
Weiß, U., 1992; Märker, A., Geschichte der Universität Erfurt, 1993; Moraw, P.,
Die ältere Universität Erfurt, (in) Erfurt. Geschichte und Gegenwart, hg. v.
Weiß, U., 1995, 189; Die Erfurter Union und das Erfurter Unionsparlament 1850,
hg. v. Mai, G., 2000; Lengemann, J., Das Deutsche Parlament (Erfurter
Unionsparlament) von 1850, 2000; Große Denker Erfurts und der Erfurter
Universität, hg. v. Pfordten, D. v. d., 2002; Gramsch, R., Erfurter Juristen im
Spätmittelalter, 2003; Wolf, S., Erfurt im 13. Jahrhundert, 2005; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 169
Ergänzung (1530) ist das Hinzufügen in Richtung auf eine
Ganzheit oder Vollständigkeit.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Erholung ist im mittelalterlichen deutschen
Recht die Rücknahme einer von einem →Fürsprecher durchgeführten
fehlerhaften Rechtshandlung durch die Partei (→Sachsenspiegel Landrecht I
60 § 1). Sie ist vielleicht vor 1200 gegen die Formenstrenge des
Verfahrensrechts und zur inhaltlichen Verbesserung nachteiliger Äußerungen
entwickelt und verschwindet im Spätmittelalter.
Lit.: Siegel, H., Die Erholung und Wandelung, 1863;
Oestmann, P., Erholung am Ingelheimer Oberhof, (in) Symbolische Kommunikation
vor Gericht, 2006, 29ff.
Erkenntnisverfahren ist das mit einer Entscheidung über
einen Rechtsstreit endende Verfahren. Ihm kann ein Vorverfahren vorangehen und
ein Vollstreckungsverfahren folgen. Es bildet seit den Anfängen des
Verfahrensrechts dessen Kern.
Lit.: Köbler, DRG 19, 202
Erlangen (1002 ersterwähnt, 1398 Stadtrecht) an
der Regnitz wird am 4. 11. 1743 (in der Markgrafschaft Bayreuth) Sitz einer der
Aufklärung verpflichteten Universität (1792 Preußen, 1810 Bayern, zwischen 1743
und 1885 332 juristische Promotionseinträge), die 1961 mit einer
Wirtschaftshochschule in Nürnberg (1919) verschmolzen wird.
Lit.: Kolde, T., Die Universität Erlangen, 1910;
Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der Erlanger
Juristenfakultät, 1951, 2. A. 1962; Köbler, G., Erlanger juristische
Vorlesungen, Jb. f. fränk. Landesforschung 27 (1967), 241; Franze, M., Die
Erlanger Studentenschaft 1918-1945, 1972; Beyer, A., Die Verfassungsentwicklung
der Universität Erlangen, 1992; Wendehorst, A., Geschichte der Universität
Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Wittern, R., Die Professoren und Dozenten,
Bd. 1f. 1993ff.; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001;
Schieber, M., Erlangen, 2002; Wachter, C./Hoffmann-Randall, C., Die
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 2004; Verzeichnis der
Erlanger Promotionen 1743-1885, unter der Leitung v. Pohl, R., 2009; Kudlich,
B., Juraprofessoren an der Universität Erlangen un den Jahren 1933-1945, 2015
Erlass ist im Verwaltungsrecht eine
innerdienstliche allgemeine Anweisung und im Schuldrecht ein
Schuldaufhebungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner. Der privatrechtliche
E. ist bereits dem klassischen römischen Recht geläufig (lat. →solutio
[F.] per aes et libram nummo uno, acceptilatio, ähnlich pactum de non petendo).
Über die Aufnahme des römischen Rechtes findet er in das moderne Privatrecht
Eingang.
Lit.: Kaser §§ 52, 52; Köbler, DRG 43, 215; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Erlaubnis ist im Verwaltungsrecht die
Erklärung einer Behörde, dass sie ein bestimmtes Verhalten zulässt. Sie
entsteht im Sinne von Regel und Ausnahme mit der Entwicklung obrigkeitlicher
Verbote.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Becker, K., Die behördliche
Erlaubnis, Diss. jur. Marburg 1970
Erler, Adalbert (Kiel
1. 1. 1904-Frankfurt am Main 19. 4. 1992), Admiralssohn, wird nach dem Studium
der Rechtswissenschaft in Heidelberg und Berlin (Hans Fehr, Ulrich Stutz,
Promotion Greifswald 1929) während einer Tätigkeit als Finanzbeamter in
Frankfurt am Main (Rudolf Ruth) 1939 habilitiert. Über Straßburg (1941) und
Mainz (1946) wird er 1950 nach Frankfurt am Main berufen. Dort ediert er die
Urteile des Ingelheimer Oberhofes und begründet auf Anregung Wolfgang
Stammlers das Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte.
Lit.: Rechtsgeschichte als Kulturgeschichte, hg. v. Becker, H. u. a.,
1976, Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
1986; Dilcher, G., Nachruf, ZRG GA 110 (1993), 680ff.; In memoriam Adalbert
Erler, hg. v. Hennle, K. u. a, 1994
Ermächtigung (1752) ist die Erteilung einer Macht zu einem
Verhalten (für einen anderen).
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ermächtigungsgesetz ist das Gesetz, das ein
Verfassungsorgan zu einem bislang nicht zulässigen Verhalten ermächtigt.
Beispielsweise erlaubt es das deutsche E. vom 4. 8. 1914 dem Bundesrat des
Deutschen Reiches, (rund 1000) Notverordnungen zu erlassen. Zwischen 1919 und
1923 werden wegen der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage 7
Ermächtigungsgesetze (1919-1921 viermal Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung
übertragen) verabschiedet. Zwischen 1923 und 1932 wird stattdessen das
Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten verwendet. Am 23. 3. 1933 bzw. 24.
3. 1933 wird das (mit notwendiger Zweidrittelmehrheit vom Reichstag beschlossene)
Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich erlassen bzw. verkündet, durch
das der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung überträgt
und diese damit zur Gesetzgebung ermächtigt. 1937, 1939 und 1943 (durch Erlass
des Führers) wird die Geltungsdauer verlängert. Die auf seiner Grundlage
erlassenen Gesetze sind wirksam. Durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 wird dieses
E. aufgehoben. In Österreich erlässt der Kaiser 1914 gemäß § 14 des
Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung eine Notverordnung, die zu
notwendigen Verfügungen auf wirtschaftlichem Gebiet und zur Versorgung der
Bevölkerung ermächtigt und 1917 durch Beschluss der Reichsregierung zum kriegswirtschftlichen
Ermächtigungsgesetz wird. Nach Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs
durch Regierungsverordnung vom 23. Mai 1933 wird am 30. 4. 1934 das bis 1938
geltende Bundesverfassungsgesetz über außerordentliche Maßnahmen im Bereich
der Verfassung die Bundesregierung zur Gesetzgebung und zur Wiederverlautbarung
der Maiverfassung 1934 beschlossen, das Nationalrat und Bundesrat auflöst und
das Erfordernis einer Volksabstimmung bei einer Gesamtänderung des Bundesverfassungsgesetzes
aufhebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 170, 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A. 1933;
Schneider, H., Das Ermächtigungsgesetz vom 24. 3. 1933, 1955, 2. A. 1961,
Neudruck 1968; Das „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933, hg. v. Morsey, R.,
1968; Huemer, P., Sektionschef Robert Hecht, 1975; Frehse, M.,
Ermächtigungsgesetzgebung im Deutschen Reich, 1985; Biesemann, J., Das
Ermächtigungsgesetz, 1985, 2. A. 1988; Eilers, S., Ermächtigungsgesetz und
militärischer Ausnahmezustand, Diss. jur. Köln 1988; Morsey, R., Das
Ermächtigungsgesetz, 1992; Schnur, R., Die Ermächtigungsgesetze von Berlin 1933
und Vichy 1940, 1993; Mommsen, H., Entstehung und Bedeutung des Ermächtigungsgesetzes,
2003; Das Ermächtigungsgesetz, eingel. v. Laufs, A., 2003; Bickenbach, C., Vor
75 Jahren - Die Entmächtigung, JuS 2008, 199; Das Ermächtigungsgesetz vom 24.
März 1933, hg. v. Morsey, R., 2010; Rieker, S., Das Ermächtigungsgesetz vom 24.
03. 1933 und die Konsequenzen des Grundgesetzes, 2013
Ermessen ist der an der Vernünftigkeit des
Ergebnisses ausgerichtete Maßstab für ein Verwaltungshandeln. Die dabei
bestehende Entscheidungsfreiheit wird im Laufe des (19. und) 20. Jh.s zunehmend
verrechtlicht.
Lit.: Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich,
K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Held-Daab, U., Das freie Ermessen, 1996
Ermittlungsverfahren ist das Verfahren zur Ermittlung
eines Täters einer Straftat. Es entwickelt sich seit dem Hochmittelalter. Seit
dem 19. Jh. wird es verrechtlicht.
Lit.: Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen
Großstädten 1850-1914, 1996; Weinke, A., Eine Gesellschaft ermittelt gegen sich
selbst, 2. A. 2009; Samel, E., Historische Entwicklung des
Ermittlungsverfahrens als Vorverfahren innerhalb des Strafprozesses, 2012
Ermland
Lit.: Perk, H., Verfassungs- und Rechtsgeschichte des
Fürstbistums Ermland, 1931; Thimm, W., Die Ordnungen der ermländischen
Kapitelsburgen, Zs. f. d. Gesch. und Altertumsunde Ermlands 33 (1969), 53
Ernestiner →Wettin (bzw. Wettiner)
Erpressung ist die Beschädigung des Vermögens
eines anderen durch Nötigung dieser oder einer anderen Person in der Absicht,
sich oder einen anderen zu bereichern. Dem entspricht im klassischen römischen
Recht die (lat. [F.]) →concussio. In der Neuzeit erscheint die E. im 18.
Jh.
Lit.: Köbler, DRG 35; Rüping, H./Jerouschek, G.,
Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Error (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der Irrtum. Er wird zunächst bei den Konsensualkontrakten (z. B. Kauf) dann
berücksichtigt, wenn er einen Konsens verhindert. Dies kann sich auf den
Gegenstand (lat. [N.] corpus), den Preis, den Geschäftstyp oder (str.) eine wesentliche
Eigenschaft (lat. [F.] substantia) beziehen, nicht dagegen auf die bloße
Bezeichnung (lat. [N.] nomen).
Lit.: Kaser § 8 II; Köbler, DRG 43; Error iudicis.
Juristische Wahrheit und justizieller Irrtum, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998
Errungenschaft (1582) ist der durch Tätigwerden erlangte Wert.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Errungenschaftsgemeinschaft ist die Gütergemeinschaft zweier
Ehegatten an den während der Ehe erworbenen Gütern (Gesamtgut im Gegensatz zum
Sondergut jedes Ehegatten). Die E. erscheint im Frühmittelalter bei Franken und
westfälischen Sachsen. Danach verbreitet sie sich besonders in Süddeutschland
und bildet um 1900 für rund 10 Millionen Deutsche den Regelgüterstand. Beim
Tod eines Ehegatten erwirbt der überlebende Ehegatte in beerbter Ehe das
Sondergut des Verstorbenen, während bei unbeerbter Ehe das Sondergut des
Verstorbenen an die Herkunftsseite zurückfällt und das Gesamtgut zwischen dem
überlebenden Ehegatten und den Erben des verstorbenen Ehegatten meist hälftig
geteilt wird. Die noch im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) beibehaltene
E. wird 1957 beseitigt. In Frankreich gilt die E. in Form der
Fahrnisgemeinschaft.
Lit.: Hübner 667; Köbler, DRG 88, 210; Schröder, R.,
Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1f. 1863ff.; Hradil,
P., Über eheliche Errungenschaftsgemeinschaft, ZRG GA 36 (1915), 459
Ersatz (1491, Ersatzanspruch 1854) ist das an die
Stelle etwas anderen Tretende.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ersatzerbe ist der vom Erblasser für den Fall
des Wegfalls des Erben vor oder nach Eintritt des Erbfalls eingesetzte Erbe.
Die Einsetzung eines Ersatzerben (lat. [F.] substitutio) im Testament ist
bereits im klassischen römischen Recht möglich und wird von dort mit der
Aufnahme des römischen Rechtes übernommen.
Lit.: Kaser § 68 II, V; Söllner § 11; Köbler, DRG 38;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985ff.
Ersitzung (1520) ist
der Erwerb des Eigentums durch Zeitablauf. Bereits im altrömischen Recht kann
der Gewaltinhaber über eine Sache seine Berechtigung auf Gebrauchnahme (lat.
[F.] usucapio) stützen, womit die Berufung auf einen Vormann (im Recht an der
Sache) überflüssig wird. Damit ist jeder, der ein Grundstück 2 Jahre oder eine
andere Sache 1 Jahr unangefochten gebraucht hat, gegen jedermann geschützt,
sofern es sich nicht um eine gestohlene, geraubte oder von Unmündigen und
Frauen ohne Mitwirkung des Vormunds veräußerte handgreifbare Sache handelt.
Später muss der Eigenbesitz, der ein fremdes Besitzrecht ausschließen will,
einen rechtsgültigen Erwerbsgrund haben und der Eigenbesitzer im Augenblick der
Besitzerlangung gutgläubig sein (vgl. D. 41, 3, 1). Mit Ablauf der
Ersitzungsfrist erwirbt der Ersitzungsbesitzer ziviles Eigentum. Im deutschen
Recht hat die →Verschweigung (in einer Frist von Jahr und Tag) eine
vergleichbare Wirkung. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird die E. in der
Form übernommen, wie sie sie unter Justinian durch Verbindung von (lat. [F.])
usucapio mit (lat.) longi temporis praescriptio (F.) gefunden hat. Danach muss
eine ersitzbare bewegliche Sache 3 Jahre (usucapio), ein ersitzbares Grundstück
bei Anwesenheit in der gleichen Provinz 10 bzw. bei Abwesenheit 20 Jahre (longi
temporis praescriptio) gutgläubig auf Grund eines rechtsgültigen Erwerbsgrundes
oder wenigstens 30 Jahre (longissimi temporis praescriptio) gutgläubig besessen
worden sein. Nach kanonischem Recht muss seit Papst Innozenz III. (X 2, 26, 20)
guter Glaube noch am Ende der Ersitzungsfrist vorliegen. Vielfach wird dabei
die E. mit der Verjährung in der (lat. [F.]) praescriptio zusammengefasst.
Savigny trennt beides wieder. Die E. verliert wegen der Möglichkeit des
gutgläubigen Erwerbs und wegen der Einrichtung des Grundbuchs an tatsächlicher
Bedeutung. Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erfordert die E.
bei beweglichen Sachen 10 Jahre gutgläubigen Eigenbesitz (§ 937 BGB, Österreich
1452 ABGB, 3 bzw. 30 Jahre), bei Grundstücken 30 Jahre Besitz und Eintragung
im Grundbuch (§ 900 BGB Tabularersitzung). Eine E. gegen das Grundbuch (Kontratabularersitzung)
ist ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 25; Söllner §§ 8, 9; Hübner 271, 468;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 25, 40, 61, 163; Immerwahr, W., Die
Verschweigung im deutschen Recht, 1895; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1f. 1985ff.; Bauer, K., Ersitzung und Bereicherung im klassischen römischen
Recht, 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Erskine of Carnock, John (1695-1768), nach dem
Studium in den Niederlanden 1719 Anwalt am Obergericht Schottlands und 1737
Professor für schottisches Recht in Edinburgh, veröffentlicht 1754 mit den systematisierenden
(engl.) Principles of the Law of Scotland (Grundsätze des Rechtes Schottlands)
das bis in das 20. Jh. führende Lehrbuch des schottischen Rechtes.
Lit.: Walker, D., The Scottish Legal System, 3. A.
1969, 171; Walker, D., The Scottish Jurists, 1985, 202
Erstbittrecht (lat. ius [N.] primariarum precum)
ist das wohl nach dem Investiturstreit entstandene, 1191 erstmals belegte, seit
1437 allmählich an die Zustimmung des Papstes gebundene Recht des deutschen
Königs (und dann auch der Landesherren) auf einen verbindlichen
Besetzungsvorschlag für die erste nach seiner Krönung bzw. ihrem
Herrschaftsantritt freigewordene Pfründe jedes Stiftes oder Klosters. Das E.
ist zum Panisbrief zu trennen.
Lit.: Bauer, H., Das Recht der ersten Bitte, 1919;
Feine, H., Papst, Erste Bitten und Regierungsantritt des Kaisers, ZRG KA 51
(1931), 1; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 387
Erstgeburt →Primogenitur
Ertränken ist die im gewaltsamen Untertauchen
im Wasser bis zum Eintritt des Todes bestehende, vom Altertum bis in das 18.
Jh. bekannte Form der Todesstrafe (ertränkt werden einerseits vor allem Frauen,
andererseits die Täter von Diebstahl, Unterschlagung, Notzucht, Doppelehe,
Gotteslästerung u. s. w.). Abgelehnt
wird das E. von der Constitutio Criminalis Theresiana (Österreich 1768).
Lit.: Baltl/Kocher 127; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922
Erwählter römischer Kaiser (lat. electus Romanorum imperator
[M.]) ist seit dem 4./8. 2. 1508 (dem Scheitern der angestrebten Krönung
Maximilians I. folgend) der die Unabhängigkeit von der Krönung durch den Papst
ausdrückende Titel des →Kaisers des Heiligen römischen Reiches .
Lit.: Rabe, H., Reich und Glaubensspaltung, 1989;
Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 III 1
Erwerb (1378, Erwerbsgeschäft 1795) ist das durch
Verhalten Erlangen und das durch Verhalten Erlangte.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Rieländer, F., Sachenrechtliche Erwerbsrechte, 2014
Erzamt (14. Jh., lat. [N.] archiofficium) ist
die aus dem frühmittelalterlichen Hofamt der Stammesherzöge im Laufe des
Mittelalters (Erzkanzler 10. Jh.) entwickelte, 1356 den sieben Kurfürsten für
die Kurländer zugeteilte und später zahlenmäßig noch erweiterte oberste
Reichswürde (Erzkanzler für das Reich [Mainz], Italien [Köln], Burgund [Trier],
Erztruchsess [Pfalzgraf bei Rhein, dann Bayern, dann Hannover], Erzmarschall
[Sachsen], Erzkämmerer [Brandenburg], Erz[mund]schenk [Böhmen]).
Lit.: Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911;
Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970;
Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A. 2000;
Erkens, F., Kurfürsten und Königswahl, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag im späteren Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Ertl, T., Alte
Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, ZHF 30
(2003), 619ff.
Erzberger, Matthias (Buttenhausen/Württemberg 20. 9.
1875-bei Bad Griesbach/Schwarzwald 26. 8. 1921) wird 1903 für die
(katholische) Zentrumspartei als jüngster Abgeordneter in den Reichstag gewählt
und unterzeichnet als Staatssekretär der Regierung Prinz Max von Baden am 11.
11. 1918 den Waffenstillstand zur Beendigung des ersten Weltkriegs für das
deutsche Reich. Als Reichsfinanzminister (20. 6. 1919) setzt er eine umfassende
Reichsfinanzreform durch, muss aber wegen nur teilweise entkräfteter
Bereicherungsvorwürfe am 12. 3. 1920 zurücktreten. Bei einem Spaziergang wird
er von Nationalisten erschossen.
Lit.: Epstein, K., Matthias Erzberger, 1962; Möller, A.,
Reichsfinanzminister Matthias Erzberger, 1971; Huber-Stentrup, E., Der Mord an
Matthias Erzberger, JuS 1981, 246ff.; Haehling von Lanzenauer, R., Der Mord an
Matthias Erzberger, 2008
Erzbischof (lat. [M.] archiepiscopus) ist in
der katholischen (seit dem 3. Jh. n. Chr.) (sowie in der anglikanischen,
schwedischen und finnischen) Kirche der Titel des Leiters einer Kirchenprovinz
(Erzbistum).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Erzherzog (bzw. Pfalzerzherzog) (lat.
archidux, erstmals für den Erzbischof Kölns in der Mitte des 10. Jh.s bezeugt) ist
die durch das gefälschte lat. →privilegium (N.) maius (um 1358)
entwickelte, 1442 von Friedrich III. bestätigte und 1453 von den Kurfürsten
gebilligte Titulatur des Herzogs von →Österreich (1804 Kaiser).
Lit.: Baltl/Kocher; Lhotsky, A., Privilegium maius,
1957
Erziehung
Lit.: Schwanke, B., Die verfassungsrechtliche Entwicklung
der staatlichen Erziehungsrechte und der allgemeinen Schulpflicht, 2010;
Schreiber, H., Im Namen der Ordnung - Heimerziehung in Tirol, 2010; Marinello,
R., Von der Arbeit zur Erziehung – Die Bedeutung der englischen
Fabrikgesetzgebung für die Herausbildung der Jugend im 19. Jahrhundert, 2016
Erzkanzler ist der Inhaber der obersten, auf
das Schreibwesen bezogenen Würde im Heiligen römischen Reich . Dies ist seit
dem 9./10. Jh. (für das Reich) der Erzbischof von Mainz (, für Italien seit
1031 der Erzbischof von Köln und für Burgund bzw. lat. [F.] Gallia seit 1308
der Erzbischof von Trier).
Lit.: Seeliger, G., Erzkanzler und Reichskanzler,
1889; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer Erzkanzleramtes, ZRG GA 75
(1958), 1; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler, hg. v. Hartmann, P., 1997
Eschwege
Lit.: Eckhardt, A., Eschweger Zunftverfassung und hessische
Zunftpolitik, 1964; Eckhardt, K., Eschwege, 1964; Heinemeyer, K., Der Königshof
Eschwege in der Germar-Mark, 1970; Speitkamp, W., Eschwege – Eine Stadt und der
Nationalsozialismus, 2015; Eschwege-Lexikon, hg. v. Fritsche, H. u. a., 2. unv.
A. 2015
Eselreiten ist die aus Ostrom über Italien in
das Heilige römische Reich kommende, für die Neuzeit bezeugte, teils (für
Frauen) auf einem lebenden Esel, teils (für Soldaten) auf einem hölzernen
Gestell mit scharfer Oberkante ausgeführte →Ehrenstrafe.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 318; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, 1920; Künßberg, R., Rechtliche Volkskunde, 1936; Lentz,
M., Konflikt, Ehre und Ordnung, 2004
Esmein, Adhémar (Touvérac 1. 2. 1848-Paris
22. 7. 1913) wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Lehrtätigkeiten in Douai
und Paris 1890 Professor für Rechtsgeschichte Frankreichs (1892 Cours
élémentaire d’histoire du droit français, daneben weitere Grundrisse und
Einzelarbeiten).
Lit.: Weiss, A., Notice sur la vie et les travaux de
Adhémar Esmein, (in) Séances et travaux de l’Académie des sciences morales 87,
1917, 437
Essen
Lit.: Ribbeck, K., Geschichte der Stadt Essen, 1915; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Stift Essen, die große Vogteirolle des Grafen
Friedrich von Isenberg-Altena um 1220, hg. v. Bentheim-Tecklenburg-Rheda, M.
Graf zu, 1955; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden
während der Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86
(1971); Gründerjahre, hg. v. Borsdorf, U. u. a., 2005; Aus der Nähe betrachtet
– Regionale vernetzungen des Essener Frauenstiftes, hg. v. Falk, B. u. a., 2017
Essen (N.)
Lit.: Schubert, E., Essen und Trinken im Mittelalter, 3. A. 2016;
Tietz, W., Dilectus ciborum, 2013; Werner, A. u. a., Kochschätze aus dem Kessel
– Speisen mit Wikingern, Franken und Slawen, 2015; Fischer, D. u. a., Kochen
wie im Mittelalter, 2015; Donahue, J., Food and Drink in Antiquity, 2015;
Treitel, C., Eating Nature in Modern Germany, 2017
Esslingen
Das städtische Recht
Esslingens im 13. Jahrhundert lässt sich vielleicht aus dem schwäbischen
Landrecht (Schwabenspiegel) und einer 1280 an Brackenheim gegebenen
Rechtsmitteilung erkennen, während ein vermutlich aufgezeichnetes
Stadtrechtsbuch im Gegensatz zu einer in dem Statutenbuch von 1491 erhaltenen
Regimentsordnung von 1392 nicht überliefert ist.
Lit.: Maier, K., Das Strafrecht der Reichsstadt Esslingen, Diss. jur.
Tübingen 1960; Kirchgässner, B., Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt
Esslingen im Spätmittelalter, 1964; Arold, J., Das Erbrecht der Reichsstadt
Esslingen, 1965; Kittelberger G., Der Adelberger Freihof in Esslingen, 1970;
Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Eichler, F., Das Esslinger
Statutenbuch oder vom Landrecht zum Stadtrecht, 2014
Estland ist der am Ostrand der mittleren
Ostsee südlich Finnlands gelegene nordosteuropäische Staat mit der Hauptstadt
Reval bzw. Tallinn. E. geht auf ein von den finno-ugrischen Esten besiedeltes
Gebiet am Finnischen und Rigaischen Meerbusen zurück, das 1207/1227 vom
Schwertbrüderorden und Dänemark erobert wird und bis 1346 an den
→Deutschen Orden gelangt. 1315 entsteht unter dem Einfluss
niederdeutscher Siedler das waldemar-erichsche Lehnrecht und das älteste livländische
Ritterrecht. Das Recht der deutschen Herrschaftsschicht folgt dem Recht des
Heiligen römischen Reiches, während die abhängigen Bauern nach ungeschriebenem
Gewohnheitsrecht leben. 1561 (Norden)/1580 fällt das Gebiet an Schweden, das
die Reformation einführt und in Dorpat eine Universität gründet. 1710/1721
kommt das Land (mit rund 430 Rittergütern etwa 160er landtagsfähiger Familien)
an →Russland und wird dort im 19. Jh. verstärkt russifiziert. 1864 wird
das liv-, est- und kurländische Privatrecht in einem von Friedrich Georg von
→Bunge erarbeiteten, zu mehr als der Hälfte römischrechtlich geprägten
Gesetzbuch (Provinzialrecht des Ostseegouvernements Russlands, rund 4600
Bestimmungen) niedergelegt, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863)
nahesteht und in E. bis 1945 gilt. Das Gerichtswesen wird 1889 modernisiert.
Die am 24. 2. 1918 ausgerufene baltische Republik E. (Strafgesetzbuch
1929/1935, Entwurf eines Zivilgesetzbuchs 1936), in der 1939 die Deutschbalten
ausgesiedelt werden, wird am 6. 8. 1940 der das sowjetische Recht in Kraft
setzenden Sowjetunion eingegliedert (1941-1944 vom deutschen Reich besetzt), am
6. 9. 1991 aber von der Sowjetunion wieder als unabhängig anerkannt. Das
sowjetische Recht wird danach unter Verwendung deutscher Vorbilder vor allem im
Privatrecht und Strafrecht durch eigenes Recht ersetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F. v.,
Einleitung in die liv-, est- und kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Schmidt,
O., Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Kraus, H.,
Grundriss der Geschichte des estnischen Volkes, 1935; Wedel, H. v., Die
estländische Ritterschaft, 1935; Wittram, R., Baltische Geschichte, 1954;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Ludwig, K., Das
Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte,
Nordeuropäische Studien Bd. 11, 1997; Ludwig, K., Estland, 1999;
Deutsch-estnische Rechtsfragen, hg. v. Recker, N. v., 2003; Küpper, H.,
Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Modernisierung durch
Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hg.v. Giaro, T., 2006;
Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T., 2007;
Luts-Sootak, M., Der Fall Estland, ZRG GA 125 (2008), 276; Donnert, E.,
Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008
Estoppel (Verschweigung) ist im englischen
Verfahrensrecht die Unzulässigkeit der Rechtsausübung (aus einem übergeordneten
Grund). Die älteste Erscheinungsform der von frz. étouffer (vertuschen,
niederschlagen) abgeleiteten Einrichtung zeigt sich in den Leges des englischen
Königs Heinrich I. (um 1118), nach denen der Inhalt von Eintragungen in die
Urkundenrolle (ne. record) des Königsgerichts nicht bestritten werden kann. Um
die Mitte des 15. Jh.s ist dann anerkannt, dass Urteile zuständiger Gerichte in
ihren rechtserheblichen Feststellungen von den Parteien und ihren
Rechtsnachfolgern nicht angegriffen werden können (e. by record). Daneben
erscheint seit dem Ende des 13. Jh.s der Satz, dass eine Erklärung, die in
einer unter Handsiegel abgegebenen Urkunde (ne. deed) enthalten ist, von dem
nicht bestritten werden kann, dessen Handschrift und Siegel die Urkunde trägt,
sofern die Urkunde rechtlich wirksam ist (e. by deed). Seit dem 15. Jh. ist die
vielleicht hieraus abgeleitete Regel bezeugt, dass eine Partei, die eine im
Lande (mengl. pays) weithin bekannt gewordene Rechtshandlung vorgenommen hat,
eine ihr notwendig als Voraussetzung dienende Tatsache (z. B. Mietvertrag für
Mietzahlung) nicht bestreiten darf (e. by in pais, daraus entwickelt e. by
conduct, e. by representation). In der Folge wird das Prinzip des e. erheblich
verfeinert und wirkt über das englische Recht hinaus. E. wird nicht vom Richter
von Amts wegen berücksichtigt, sondern nur auf Vortrag der Partei.
Lit.: Riezler, E., Venire contra factum proprium,
1912, 55; Holdsworth, W., History of English Law, 9 1926; Cohn, E., Die
materielle Rechtskraft im englischen Recht, FS H. Nipperdey 1965, Bd. 1, 875,
Estor, Johann Georg (Schweinsberg/Hessen 8. 6.
1699-Marburg 25. 10. 1773) wird nach dem Studium des Rechtes und der alten
Sprachen in Gießen, Jena (1719) und Halle (Johann Peter von Ludewig, Nikolaus
Hieronymus Gundling) in Gießen 1726 außerordentlicher und 1728 ordentlicher
Professor und promoviert. 1734 wechselt er nach Jena, 1742 nach Marburg. Seine
dreibändige bürgerliche Rechtsgelehrsamkeit der Teutschen (1757) enthält
erstmals eine systematische Zusammenstellung des gesamten geltenden
einheimischen deutschen Rechtes und beeinflusst wie auch das übrige Werk Estors
Schüler Johann Stephan Pütter.
Lit.: Sippel, C., J. G. Estor, 1874; 650 Jahre Stadt Schweinsberg,
1982; Buschmann, A., J. G. Estors System der bürgerlichen Rechtsgelehrsamkeit
der Teutschen, (in) Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 77ff.;
Buschmann, A., Estor, Pütter, Hugo, (in) Festgabe Elmar Wadle, 2004, 75ff.
états généraux (franz.) Generalstände (1468)
Ethik (F.) Sittenlehre
Lit.: Lexikon der Ethik, hg. v. Höffe, O., 5. A. 1997;
Hauskeller, M., Geschichte der Ethik, 1999
Ethnologie (F.) Völkerkunde (völkerkundliche
Berichte antiker Autoren seit Hekataios von Milet 500 v. Chr.,
Völkerbeschreibung in dem Heiligen römischen Reich nach Gottfries Wilhelm
Leibniz bei Georg Friedrich Müller, August Ludwig Schlözer und Adam František
Kollár seit der Mitte des 18. Jh.s, wissenschaftliche Ethnologie in Frankreich
und Großbritannien in der Mitte des 19. Jh.s mit Suche evolutionärer Gesetzmäßigkeiten,
Feldforschung einfacher Stammesgesellschaften, Ethnographie traditioneller
Streitschlichtungsverfahren, Rechtspluralismus)
Lit.: Post, A., Bausteine für eine allgemeine
Rechtswissenschaft auf vergleichender ethnologischer Basis, Bd. 1f. 1880f.,
Neudruck 1995; Thurnwald, R., Werden, Wandel und Gestaltung des Rechts, 1934;
Pospisil, L., Anthropology of Law, 1971; Moore, S., Law as process, 1978;
Newman, K., Law and economic organization, 1983; Kohl, K., Ethnologie, 1993;
Rouland, N., Legal anthropology, 1994; Fikentscher, W., Modes of thought, 1995,
2. A. 2004; Streck, B., Vom Wissen der Ethnologie, 1997; Panoff, M./Perrin, M.,
Taschenwörterbuch der Ethnologie, 3. A. 1999; Wörterbuch der Ethnologie, hg. v.
Streck, B., 2. A. 2000; Kaschuba, W., Einführung in die europäische Ethnologie,
2. A. 2003; Gingrich, A./Schweitzer, P., Geschichte der deutschsprachigen
Ethnologie, 2004; Petermann, W., Die Geschichte der Ethnologie, 2004;
Vermeulen, H., Before Boas, 2015
Etrusker
ist der Angehörige
eines vielleicht vor den Römern und neben den Römern in Mittelitalien (Toskana)
ansässigen, hochstehenden, im 8. Jh. v. Chr. sichtbaren, aber nicht näher
bekannten, mit seinen letzten Stadtstaaten 89 v. Chr. in das römische
Bürgerrecht aufgenommenen Volkes.
Lit.: Pfiffig, A., Einführung in die Etruskologie, 4.
A. 1991; Torelli, M., Die Etrusker, 1988; Heurgon, J., Die Etrusker, 1993;
Cristofani, M., Die Etrusker, 1995; Aigner-Foresti, L., Die Integration der
Etrusker, 1998; Briquel, E., La civilisation étrusque 1999; Falchetti, F. u.
a., Die Etrusker, 2001; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker und das frühe Rom,
2003, 2. A. 2009; Entstehung von Staat und Stadt bei den Etruskern, hg. v.
Aigner-Foresti, L u. a., 2006; Aigner-Foresti, L., Die Etrusker, 2010; Kulte - Riten
- religiöse Vorstellungen bei den Etruskern und ihre Auswirkungen auf Politik
und Gesellschaft, 2012; Bubenheimer-Erhart, F., Die Etrusker, 2014
Etter ist der (aus lebenden Gewächsen
geflochtene) Zaun, der im Mittelalter die dörfliche Wohnsiedlung oder die
einzelne Hofstatt (tatsächlich bzw. rechtlich) vom Umland trennt.
Lit.: Köbler, WAS; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 74; Lieberich, H.,
Etterrecht und Ettergerichtsbarkeit in Bayern, Z. f. bay. LG. 21 (1958),
472ff.
Etymologie ([F.] Wahrheitslehre) ist die seit
dem 5. Jh. v. Chr. bei den Griechen erkennbare Lehre vom Ursprung (gr. etymon,
Stammwort) eines Wortes, die bei der Aufklärung der Entwicklungsgeschichte der
sprachlichen Einheiten hilfreich ist.
Lit.: Kluge, F., Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache, 1881ff. (3900 Ansätze), 25. A. 2011 (11900 Ansätze); Klinck,
R., Die lateinische Etymologie des Mittelalters, 1970; Seebold, E., Etymologie,
1981; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995
Eugenik (F.) Erbgesundheitslehre
Lit.: Roth, A./Schlatmann, B., Eugenik im Recht, (in)
Themen juristischer Zeitgeschichte (1) Schwerpunktthema - Recht und
Nationalsozialismus, hg. v. Düwell, F. u. a., 1998, 152; Schneider, C., Die
Verstaatlichung des Leibes, 2000; Merkel, C., „Tod den Idioten“, 2006; Wie
nationalsozialistisch ist die Eugenik? hg. v. Wecker, R. u. a., 2008;
Westermann, S., Verschwiegenes Leid, 2010 (mehr als 300000
Zwangssterilisationen im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945); The Oxford
Handbook of the History of Eugenics, hg. v. Bashford, A. u. a., 2010
Euratom (F.) Europäische Atomgemeinschaft
Eurich (um 440?-484) ist der westgotische
König (466) mit königlichem Vater (Theoderich I.), der große Gebiete erobert
und dem der →Codex Euricianus (um 475) zugeschrieben wird. →Gote
Lit.: Köbler, DRG 80; Stroheker, K., Eurich, 1937; El
Codigo del Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960
Euro ist die seit 1. 1. 2002 in der seinerzeitigen
Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltende Währungseinheit.
Lit.: Grosjean, R., Was passiert mit unserem Geld?, 2003; Schön, G.,
Euro Münzkatalog, 13. A. 2014, 16. A. 2017; Die Euro-Münzen, bearb. v. Sonntag,
K., 11. A. 2012, 13. A. 2013; Jopp/Tekin, Europas Wert, 2014; Piketty, T., Die
Schlacht um den Euro, 2015; Die Euro-Münzen, 15. A. 2016; 16. A. 2017
Europa ist (die von Zeus in der Gestalt
eines Stieres entführte Frau der griechischen Mythologie und namensgleich) die
tief gegliederte westliche Halbinsel Asiens zwischen Atlantik und Ural (str.,
10,5 Mill. qkm). Von dem modernen, in Afrika entstandenen Menschen wird es rund
42000 Jahre vor der Gegenwart unter allmählicher Verdrängung des Neandertalers
besiedelt. Die Einwanderer leben zunächst von Sammeln und Jagen. Vielleicht
8000-7500 Jahre vor der Gegenwart kommen sesshaft werdende Ackerbauern und
Viehzüchter aus Anatolien nach Europa, die neben den Sammlern und Jägern leben
und sich erst nach mehreren tausend Jahren genetisch mit ihnen vermischen.
Möglicherweise ind sie gegen Krankheiten weniger resistent. In die vielleicht
durch Pesterreger entstehende verhältnismäßige Leere dringen möglicherweise
seit vor 7000 bis 5000 Jahren aus der (pontischen) Steppe nördlich des
Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres (gegen die Pest) resistenter
gewordene Steppenbewohner (Viehzüchter und Ackerbauern?) im Westen bis in die
heutige Schweiz (und im Osten bis in das Altaigebirge) vor, deren Erbgut sich
vor allem in Estland sehr dicht findet. Sie könnten Indogermanisch gesprochen
haben. Dementsprechend sind nach den Erkenntnissen der modernen Genanalyse die
Europäer das Ergebnis sowohl von Wanderung wie von Anpassung. In vielen
Beziehungen entwickelt sich E. seit dem Altertum verhältnismäßig übereinstimmend,
obwohl E. im Mittelalter, soweit es nicht für die lateinische Christenheit
steht, grundsätzlich keinen fassbaren politischen Gehalt aufweist. Zwischen
1000 und 1800 vervierfacht sich die Zahl der europäer auf knapp 200 Millionen.
Insbesondere wird in zahlreichen Gebieten seit dem Mittelalter das römische
Recht des Altertums wieder aufgegriffen (→Rezeption). Auch Kirchenrecht,
Aufklärung und Vernunftrecht wirken vereinheitlichend. Im 19. Jh. wird E. zu
einem überlegenen Raum des Fortschritts, aus dem die im Nationalstaat
eingebundene Gesellschaft zum Zugriff auf die übrige Welt ausreichende Mittel
zur Verfügung stellt und zur kriegerischen Auseinandersetzung bereit ist. Als
Folge der industriellen Revolution vervierfacht sich die Zahl der Europäer
nochmals. 1923 begründet der Schriftsteller Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi
(Tokio 17. 11. 1894-Schruns 25. 7. 1972) eine Paneuropa-Bewegung (1947
Europäische Parlamentarier Union, später Reorganisation der Paneuropa-Bewegung).
Zu einer festeren Ausbildung einheitlichen Rechtes kommt es jedoch erst seit
den zur Vermeidung weiterer Kriege (vor allem zwischen Frankreich und
Deutschland geschaffenen) Europäischen Gemeinschaften der zweiten Hälfte des
20. Jh.s (1951/1952/1957, Europäische Union 1993, „Verfassung“ 2003/2004/2007/2008/2009).
Lit.: Coudenhove-Kalergi, R. Graf, Paneuropa
1923, 4. A. 1926; Dawson, C., The Making of Europe, 1932; Reynold, G. de,
L’Europe tragique, 1934; Reynold, G. de, La formation de l’Europe, 1942ff.;
Curtius, E., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 1947, 5. A.
1965; Ritter, G., Europa und die deutsche Frage, 1948; Ritter, G., Die
Neugestaltung Europas im 16. Jahrhundert, 1950; Chabod, F., Storia dell’idea di
Europa, 1961; Foerster, R., Die Idee Europas 1300–1946, 1963; Koschaker, P.,
Europa und das römische Recht, 1947, 4. unv. A. 1966; Bosl, K., Frühformen der
Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Vanderlinden, J., Le concept de
code en Europe occidentale, 1967; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und
18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Bosl, K., Europa im Mittelalter,
1970; Wagner, W., Europa zwischen Aufbruch und Restauration, 2. A. 1972; Luig,
K., Zur Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; La
formazione storica del diritto moderno in Europa, Bd. 1ff. 1977; Craig, G.,
Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1f. 1978; Schoenberger, Der
gelbe Stern, 1978; Diritto Comune e diritti locali nella storia dell’Europa,
1980; Gerhard, D., Old Europe, 1981; Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997;
Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in Europa, hg. v. Heyen, E.,
1982; Eichler, H., Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ambrosius, G./Hubbard, W.,
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, 1986; Lansky, R.,
Bibliographisches Handbuch der Rechts- und Verwaltungswissenschaften, Bd. 1
Allgemeines und Europa, 1987; Republiken und Republikanismus im Europa der
frühen Neuzeit, hg. v. Königsberger, H., 1988; Verosta, S., Kollektivaktionen
der Mächte des europäischen Konzerts (1866-1914), 1988; Willoweit, D., Aufgaben
und Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990; Towards
the United States of Europe, ed. by Ransome, P., 1991; Schulze, R., Die
europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1991; Propyläen Geschichte
Europas, Bd. 1ff. 1992f.; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992,
2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Le Goff, J., Das alte Europa, 1994; Europaideen
im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Zentraleuropa, hg. v. Reinalter,
H., 1994; Fontana, J., Europa im Spiegel, 1995; Europa im Blick der Historiker,
hg. v. Hudemann, R., 1995; Craig, G., Geschichte Europas, 1995; Europa im
Umbruch 1750-1850, hg. v. Albrecht, D. u. a. 1995; Brown, P., Die Entstehung
des christlichen Europa, 1996; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der
europäischen Integration, 1996; Bartett, R., Die Geburt Europas, 1996; Davies,
N., Europe, 1996; Europäische Geschichte als historisches Problem, hg. v.
Duchhardt, H. u. a., 1997; Das europäische Geschichtsbuch, hg. v. Delouche, F.,
1998; Siedler, Geschichte Europas, Bd. 1ff. 1998ff.; Mieck, I., Europäische
Rechtsgeschichte der frühen Neuzeit, 1998; Möller, H., Europa zwischen den
Weltkriegen, 1998; Neumann, T., Die europäischen Integrationsbestrebungen in
der Zwischenkriegszeit, 1999; Die Entstehung des modernen Europa, hg. v.
Mörke, O. u. a., 1998; Schneider, R., Europas Einigung und das Problem
Deutschland, 1999; Salewski, M., Geschichte Europas, 2000; Schümer, D., Das
Gesicht Europas, 2000; Demel, W., Europäische Geschichte des 18. Jahrhunderts,
2000; Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen, 2000; Schmale, W.,
Geschichte Europas, 2000; Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Winkler, H.,
Geschichte des Westens, Bd. 1ff. 2000ff Schulz, G., Europa und der Globus -
Staaten und Imperien seit dem Altertum, 2001; Vom Mittelmeer zum Atlantik, hg.
v. Feldbauer, P. u. a., 2001; Segl, P., Byzanz. Das andere Europa, 2001;
Zimmermann, R., Roman Law, Contemporary Law, European Law, 2001; Seibt, F., Die
Begründung Europas, 2002; Borgolte, M., Europa entdeckt seine Vielfalt, 2002;
Fisch, J., Europa zwischen Wachstum und Gleichheit 1850-1914, 2002; Bernecker,
W., Europa zwischen den Weltkriegen 1914-1945, 2002; Seibt, F., Die Begründung
Europas, 2002; Caenegem, R. van, European law, 2002; Brunn, G., Die europäische
Einigung, 2002; Mitterauer, M., Warum Europa? 2003; Vogler, G., Europas
Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650, 2003; Duchhardt, H., Europa am Vorabend der
Moderne 1650-1800, 2003; Reinhard, W., Lebensformen Europas, 2004; Le Goff, J.,
Die Geburt Europas im Mittelalter, 2004; James, H., Geschichte Europas im 20.
Jahrhundert, 2004; Altrichter, H. u. a., Geschichte Europas im 20. Jahrhundert,
2004; Kleines Europa-Lexikon, hg. v. Gruner, W. u. a., 2004; Grabmayer, J.,
Europa im späten Mittelalter 1250-1500, 2004; Europa und seine Regionen. 2000
Jahre europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Bauer, A. u. a., 2004; Gruner,
W./Woyke, W., Europa-Lexikon, 2004; Postel, V., Die Ursprünge Europas, 2004;
Reale, G., Kulturelle und geistige Wurzeln Europas, 2004; Landwehr,
A./Stockhorst, S., Einführung in die europäische Kulturgeschichte, 2004;
Etappen auf dem Weg zu einer europäischen Verfassung, hg. v. Hummer, W., 2004;
Der europäische Konvent und sein Ergebnis. Eine europäische Verfassung, hg. v.
Busek, E. u. a., 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a.,
2004; Der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union, hg. v. Mantl, W. u. a., 2004;
Ehlers, J., Das westliche Europa, 2004; Weiler, J., Ein christliches Europa,
2004; Schuller, W., Das erste Europa, 2004; Langewiesche, D., Europa zwischen
Restauration und Revolution 1815-1849, 4. A. 2005; Blanning, T., Das alte
Europa 1660-1789, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Conze, V., Das Europa
der Deutschen, 2005; Petersen, T., Europa – Eine Kulturgeschichte, 2006;
Elvert, J., Die europäische Integration, 2006; Borgolte, M., Christen, Juden,
Muselmanen, 2006; Wyrwa, U., Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi, HZ 283
(2006), 102; Krüger, P., Das unberechenbare Europa, 2006; Europa im späten
Mittelalter, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2006; Gasteyger, C., Europa zwischen
Spaltung und Einigung, 2006; Judt, T., Geschichte Europas, 2006; Boshof, E.,
Europa im 12. Jahrhundert, 2007; Chabert, G., L’idée européenne, 2007;
Blickle, P., Das alte Europa, 2008; Europa im Weltbild des Mittelalters.
Kartographische Konzepte, hg. v. Baumgärtner, I. u. a., 2008; Kohler, A.,
Expansion und Hegemonie, 2008; Darwin, J., After Tamerlane, 2008; Gall, L.,
Europa auf dem Weg in die Moderne, 5. A. 2009; Liedtke, R., Geschichte Europas
von 1800 bis zur Gegenwart, 2009; Schorn-Schütte, L., Studienhandbuch frühe
Neuzeit Europäische Geschichte 1500-1789, 2009; Schorn-Schütte, L.,
Konfessionskriege und europäische Expansion, 2010; Dirlmeier, U. u. a., Europa
im Spätmittelalter 1215-1378, 2. A. 2009; Schulz, M., Normen und Praxis,
2009;.; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009;
Doering-Manteuffel, A., Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem
1815-1871, 3. A. 2010; Wesel, U., Geschichte des Rechts in Europa, 2010; How to
(Re)Write European History, hg. v. Rathkolb, O., 2010; Schorn-Schütte, L.,
Konfessionskriege und europäische Expansion, 2010; Gehler, M., Europa, 2010;
Schneidmüller, Bernd, Grenzerfahrung und monarchische Ordnung - Europa
1200-1500, 2011; Modzelewski, K., Das barbarische Europa, 2011; Wirsching, A.,
Der Preis der Freiheit, 2012; Prettenthaler-Ziegerhofer, A., Europäische Integrationsrechtsgeschichte,
3. A. 2012; Neue Wege in ein neues Europa, hg. v. Koopmann, M. u. a., 2012;
Grunert, R., Der Europagedanke westeuropäischer faschistischer Bewegungen
1940-1945, 2012; Fuhrer, A. u. a., Eine Freundschaft für Europa, 2013; Fenske,
H., Der Anfang vom Ende des alten Europa, 2013; Europäische Einigung im 19. und
20. Jahrhundert, hg. v. Lappenküper, U. u. a., 2013; Prettenthaler-Ziegerhofer,
A., Verfassungsgeschichte Europas, 2013; Langewiesche, D., Das Jahrhundert
Europas, HZ 296 (2013), 29; Oschema, K., Bilder von Europa im Mittelalter,
2013; Europas Aufstieg, hg. v. Ertl, T,m 2013; Böttcher, Klassiker des
europäischen Denkens, 2014; Simms, B., Kampf um die Vorherrschaft, 2014;
Buschak, W., Die Vereinigten Staaten von Europa sind unser Ziel, 2014;
Reinfeldt, A., Unter Ausschluss der Öffentlichkeit? Akteuere und Strategien,
2014; Pelinka, A., Die unheilige Allianz, 2015; Hierarchie, Kooperation und
Integration im europäischen Rechtsraum, hg. v. Schumann, E., 2015; Loth, W.,
Building Europe, 2015; Kielmannsegg, P. Graf, Wohin des Wegs, Europa?, 2015
(Sammelband); Grimm, D., Europa ja – aber Welches? 2016 (Essays); Norwig, C.,
Die erste europäische Generation, 2016; Kershaw, I., Höllensturz- Europa 1914
bis 1949. 2016; Barth, B., Europa nach dem Großen Krieg, 2016; Heldmann,
Konrad, Europa und der Stier oder der Brautraub des Zeus, 2016, Krause, J., Der
Europäer ist auch genetisch ein Potpourri, FAZ vom 7. Dezember 2016, N 2; Van
Middelaar, L., Vom Kontinent zur Union, 2016; Horowski, L., Das Europa der
Könige, 2017; Assmann, A., Der europäische Traum – Vier Lehren aus der
Geschichte, 2018;Price, S. u. a., Die Geburt des klassischen Europa, 2018; Patel, K., Projekt Europa – Eine kritische
Geschichte, 2018Seibert, H., Geschichte Europas im Mittelalter, 2019; Kershaw,
I., Achterbahn, 2019
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist die (nach Scheitern
einer europäischen politischen Gemeinschaft und einer europäischen
Verteidigungsgemeinschaft an der Ablehnung durch die Nationalversammlung
Frankreichs 1954) am 25. 3. 1957 zwecks gegenseitiger Kontrolle geschaffene
Gemeinschaft europäischer Staaten (zunächst Deutschland, Frankreich, ,
Niederlande, Belgien, Luxemburg) in Angelegenheiten der Kernspaltung.
→Europäische Gemeinschaft
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A.
1996; Blockmans, W., Geschichte der Macht in Europa, 1998
Europäische Freihandelsassoziation (EFTA) (oder Europäische
Freihandelszone) ist der am 4. 1. 1960 in Stockholm gegründete Zusammenschluss
siebener europäischer Staaten (Großbritannien, Irland, Dänemark [alle bis
1973], Portugal [bis 1985], Finnland [1961/1986], Schweden, Österreich [alle
bis 1994], Schweiz, Island (1970), Norwegen, Liechtenstein [1991]). Die
Bedeutung der Europäischen Freihandelsassoziation ist infolge des Eintritts
der wichtigsten Mitglieder in die →Europäische(n) Gemeinschaft(en) bzw.
Europäische Union und der Gründung eines europäischen Wirtschaftsraums (1994,
Liechtenstein 1. 5. 1995) gering.
Europäische Gemeinschaft ist die 1993 (Vertrag von
Maastricht 7. 2. 1992) durch Umbenennung aus der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft entstehende europäische Gemeinschaft.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Geiger, R., EG-Vertrag, 2.
A. 1995; The Institutions and Dynamics of the European Community 1873-83, hg.
v. Laursen, J., 2014; Les partis politiques européens, hg. v. Thiemeyer, H. u.
a., 2015
Europäische Gemeinschaft(en) sind die Europäische
Atomgemeinschaft (25. 3. 1957), die Europäische Gemeinschaft für Kohle und
Stahl (18. 4. 1951-2002) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (25. 3.
1957) mit jeweils eigener Rechtspersönlichkeit. Sie haben seit dem Abkommen
über gemeinsame Organe der Europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957 ein
gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen Gerichtshof, und seit dem sie zu
den Europäischen Gemeinschaften zusammenschließenden Fusionsvertrag (8. 4.
1965 unterzeichnet, 1. 1.1967 in Kraft getreten) eine gemeinsame Kommission,
einen gemeinsamen Rat und einen gemeinsamen Rechnungshof. 1973 werden die
europäischen Gemeinschaften um Dänemark, Großbritannien und Irland erweitert
(Norderweiterung), 1981 um Griechenland, 1986 um Portugal und Spanien
(Süderweiterung). Zum 7. 2. 1992 (Vertrag von Maastricht/Niederlande) werden
sie zur →Europäischen Gemeinschaft zusammengeschlossen, die 1993 in Europäische
Union umbenannt wird (am 1. 11. 1993 in Kraft getretener Vertrag [von
Maastricht] über die europäische Union). Mit Inkrafttreten des Vertrags von
Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische Union Rechtsnachfolgerin der
Europäischen Gemeinschaft.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A.
1996; Piela, I., Walter Hallstein, 2012Rothacher, A., Diue Kommissare, 2012
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist die auf der Grundlage eines
Plans Robert Schumans als Außenminister Frankreichs vom 9. 5. 1950 am 18. 4.
1951 zwecks Kontrolle der deutschen Rüstungsindustrie zwischen der
Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und
Luxemburg unter Übertragung einzelstaatlicher Hoheitsrechte für die Montanindustrie
(Kohle, Eisenerz) vereinbarte und später um zusätzliche Mitglieder erweiterte
internationale Gemeinschaft (Montanunion mit hoher Behörde, Rat, Versammlung
und Gerichtshof). In ihrem Rahmen wird auf der Konferenz von Messina am 1./2.
6. 1955 die Einsetzung von Arbeitsgruppen zur Bildung weiterer europäischer
Gemeinschaften beschlossen, deren Tätigkeit die Grundlage für die römischen
Verträge vom 25. 3. 1957 über die europäische Atomgemeinschaft und die
europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildet. Der am 23. Juli 2002 ausgelaufene
Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist nicht
erneuert und der Kohle- und Stahlsektor dem Vertrag über die Gründung der
Europäischen Gemeinschaft unterstellt.
Lit.: Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A.
1996
Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten ist der auf der Grundlage der Menschenrechtserklärung der
Vereinten Nationen vom 10. 12. 1948 vom →Europarat 1950 ausgearbeitete,
in Rom am 4. 11. 1950 von 13 Staaten (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich,
Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Türkei und Großbritannien)
unterzeichnete, 1952 von der Bundesrepublik Deutschland als Gesetz angenommene,
am 3. 9. 1953 allgemein in Kraft getretene, 1957 von Österreich mit
Verfassungsrang und inzwischen von allen Staaten Europas anerkannte völkerrechtliche,
um (14) Zusatzprotokolle ergänzte Vertrag, der in allen der Herrschaft der
angeschlossenen Staaten unterstehenden Ländern die grundlegenden menschlichen
Freiheiten sichern will. Dazu sind (bis 1998) eine Europäische Kommission für
Menschenrechte und ein Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in
Straßburg gebildet.
Lit.: Seidel, P., Der Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention
in den Mitgliedstaaten, DVBll. 1975, 747; Frowein, J./Peukert, W., Europäische
Menschenrechtskonvention, 2. A. 1997; Grabenwarter, C., Europäische
Menschrechtskonvention, 3. A. 2008
Europäische Union ist der aus den (drei)
Europäischen Gemeinschaften durch den Vertrag von Maastricht (1992) und den
Vertrag von Lissabon (2007) hervorgegangene Staatenverbund von 28 Staaten
(2014) in Europa.
Lit.: Weidenfeld, W., Die Europäische Union, 3. A.
2013; Kopeinig, M., Jean-Claude Juncker, 2014
Europäischer Gerichtshof in Luxemburg ist der gemeinsame
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften bzw. →Europäischen Union, der
die einheitliche Anwendung, Auslegung und Fortbildung des Europäischen
Unionsrechts sichern soll.
Lit.: Kenke, U., Der Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften, 1989; Drewes, E., Entstehung und Entwicklung des Rechtsschutzes
vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000; Davies, B., Resisting
the European Court of Justice, 2012
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte ist das gemäß der
→Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte in Straßburg 1959
errichtete Gericht, das über die Einhaltung der in der Konvention
gewährleisteten Menschenrechte wacht und von den (47) Mitgliedstaaten oder der
Europäischen Kommission für Menschenrechte (, an die sich Bürger wenden
müssen,) mit einem Fall befasst werden kann. 1998 wird der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte als ständiger Gerichtshof neu geordnet.
Lit.: Polakiewicz, J., Die Verpflichtungen der Staaten
aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1994; Haß,
S., Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 2006
Europäischer Rat ist das aus den
Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten der →Europäischen Union
gebildete, die Richtlinien der Politik der Europäischen Union bestimmende
Organ.
Europäischer Wirtschaftsraum (EWR) ist der in Verhandlungen
zwischen der →Europäischen Gemeinschaft und den Staaten der Europäischen Freihandelszone
vereinbarte, 1994 mit Österreich, Schweden, Finnland (bis 31. 12. 1994),
Norwegen und Island in Kraft getretene einheitliche europäische
Wirtschaftsraum, dem die Staaten der Europäischen Union und Island, Norwegen
und Liechtenstein angehören.
Lit.: Streit, A., Das Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555
Europäisches Gemeinschaftsrecht ist das besondere, zwischen
Völkerrecht und staatlichem Recht angesiedelte Recht der Europäischen
Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union. Es setzt sich zusammen aus dem
zur Bildung der Europäischen Gemeinschaften geschaffenen Vertragsrecht
(primäres E. G.) und dem von den Organen der Europäischen Gemeinschaften
erlassenen Recht (sekundäres E. G.). Das Europäische Gemeinschaftsrecht gilt
zum Teil unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten und hat dann Vorrang vor
dem Recht des einzelnen Staates. Nicht E. G. ist das nationale, auf Grund
gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedstaaten geschaffene Recht.
Lit.: Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht,
1979; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A. 1996
Europäisches Parlament (Versammlung) in Straßburg ist das
gemeinsame parlamentarische Hauptorgan der →Europäischen Gemeinschaften
bzw. Europäischen Union.
Lit.: Thöne-Wille, E., Die Parlamente der EG, 1984;
Dialer, D. u. a. Handbuch zum Europäischen Parlament, 2015
Europäisches Recht ist das in →Europa geltende
Recht. Ein in ganz Europa einheitlich geltendes Recht gibt es bis zur Gegenwart
nicht. Vielmehr gilt im Altertum selbst das römische Recht nur innerhalb des
römischen Weltreichs. Im Frühmittelalter stehen zahlreiche Rechte einzelner
Völker, im Hochmittelalter und im Spätmittelalter viele territoriale Landrechte
und Stadtrechte nebeneinander. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes in andere
Rechte kommt es zwar ebenso zu einer gewissen Europäisierung wie mit der
Anwendung des einheitlichen kirchlichen Rechtes im christianisierten Europa,
doch gelten beide gelehrten Rechte grundsätzlich nur subsidiär zu partikularen
Rechten. Deren Geltungsgebiet erweitert sich mit der Bildung der europäischen
Nationalstaaten. In sie finden zunehmend allgemeine Reformgedanken Eingang.
Daneben wird e. R. erst im Rahmen der →Europäischen Gemeinschaften bzw.
der Europäischen Union in größerem Ausmaß (für große Gebiete Europas
einheitlich) geschaffen. →Europarecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Kropholler, J., Europäisches Zivilprozessrecht, 1985, 7. A. 2002, 8.
A. 2005; Schwarze, J., Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1 1988; Vers un droit
privé commun? – Skizzen zum gemeineuropäischen Privatrecht, 1994; Europas
universale rechtsordnungspolitische Aufgabe im Recht des dritten Jahrtausends,
hg. v. Köbler, G. u. a., 2000; Jansen, N., Binnenmarkt, Privatrecht und
europäische Identität, 2003; The need for a European contract law, hg. v.
Smits, J., 2005; Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, hg. v. König,
B. u. a., 2007; Metzger, A., Extra legem - intra ius, 2009
Europäisches Währungssystem ist das auf einer Entschließung
des Rates der →Europäischen Gemeinschaften beruhende Währungssystem mit
dem seinerzeitigen Ziel, bis zum Jahre 1999/2002 zu einer stabilen Währungszone
in Europa zu gelangen (Währungseinheit Euro).
Lit.: Scharrer, H./Wessels, W., Das Europäische
Währungssystem, 1983
Europäische Union ist die durch den Vertrag von
Maastricht/Niederlande am 7. 2. 1992 gegründete, zum 1. 11. 1993 unter
Ergänzung um die Politikbereiche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und
Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres aus der Europäischen Gemeinschaft
bzw. den Europäischen Gemeinschaften entwickelte Verbindung (Staatenverbund)
der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande,
Belgien, Luxemburg (1951), Großbritannien (1973), Irland, Dänemark, Griechenland,
Spanien und Portugal, zu denen zum 1. 1. 1995 Österreich, Schweden und Finnland
stoßen. Ihre (in der Form der Organleihe wirkenden [str.]) Organe sind Rat,
Kommission, Versammlung und europäischer Gerichtshof. Zum 1. 5. 2004 wird die
E. U. um Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Tschechische Republik,
Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern (Südzypern), zum 1. 1. 2007 um Rumänien und
Bulgarien erweitert. Außerdem äußern die Türkei, Kroatien, Serbien, Albanien,
Russland und andere Staaten einen Wunsch nach Mitgliedschaft. Die Staatsbürger
der Mitgliedstaaten der europäischen Union (Unionsbürger 1993) dürfen sich der
Freiheiten der Europäischen Union bedienen und sind im Wohnsitzstaat kommunalwahlberechtigt.
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. 12. 2009 ist die Europäische
Union Rechtsnachfolgerin der Europäischen Gemeinschaft. Am 23. Juni 2016
entschied sich in einem von David Cameron als Premierminister bewirkten
Volksentscheid eine knappe Mehrheit der Abstimmenden für eine Austritt
Großbritanniens aus der Europäischen Union.
Lit.: Sachwörterbuch zur Europäischen Union, hg. v.
Monar, J. u. a., 1993; Kommentar zur Europäischen Union, hg. v. Grabitz, E. u.
a., 2. A. 1994; Brandstetter, G., Chronologisches Lexikon der europäischen
Integration, 1996; Dedman, M., The origins and development, 1996; Pfeil, W.,
Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier
Grundfreiheiten“, 1998; Die Europäische Union als Prozess, hg. v. Hrbek, R. u.
a., 1998; Die Europäische Union als Akteur der Weltpolitik, hg. v. Schubert, K.
u. a., 2000; Der Europäische Konvent und sein Ergebnis, hg. v. Busek, E. u. a.,
2004; Butschek, F., Vom Staatsvertrag zur EU, 2004; Dinan, D., Europe
Recast, 2004; Schönberger, C., Unionsbürger, 2006; Thurner, P., Die graduelle
Konstitutionalisierung der Europäischen Union, 2006; Kristoferitsch, H., Vom
Staatenbund zum Bundesstaat?, 2007; Vom gemeinsamen Markt zur Europäischen
Unionsbildung, hg. v. Gehler, M., 2007; Fünfzig Jahre römische Verträge, hg. v.
Schulze, R. u. a., 2008; Thiemeyer, G., Europäische Integration, 2009;
Weidenfeld, W., Die Europäische Union, 2010; Callies, C., Die neue Europäische
Union nach dem Vertrag von Lissabon, 2010; Mangold, A., Gemeinschaftsrecht und
deutsches Recht, 2011; Marschner, S., Die Geschichte und Entwicklung der
Europäischen Union, 2011; Grüner, C., Quantität und Qualität der europäischen
Rechtsetzung, 2011; Vom Ursprung und Ziel der Europäischen Union, hg. v.
Kirchhof, G. u. a., 2016; Der Brexit und die Krise der europäischen
Integration, hg. v. Winkelmann, T. u. a., 2018
Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist die durch Gründungsvertrag am 27. 5. 1952
beschlossene, auch die Schaffung einer europäischen politischen Gemeinschaft
vorsehende, am 30. 8. 1954 an der Ablehnung durch die Nationalversammlung
Frankreichs gescheiterte Verteidigungsgemeinschaft Deutschlands, Frankreichs,
Italiens, der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs mit europäischer Gemeinschaftsarmee),
deren Zielsetzung am 23. 10. 1954 in der Westeuropäischen Union fortgeführt
wird.
Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung ist die durch Verordnung des Rates
der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 7. 1985 zur Verfügung
gestellte Unternehmensform. Sie beruht auf dem in Frankreich am 23. 9. 1967
als neue Gesellschaftsform geschaffenen Groupement d’Intérêt Economique.
Lit.: Bott, R./Rosener, W., Das Groupement d´Intérêt
Economique, NJW 1970, 364; Hatzig, C., Die Europäische Wirtschaftliche
Interessenvereinigung, 1990
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist die am 25. 3. 1957 zwischen
Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg
vereinbarte und später auf weitere Mitglieder ausgedehnte, eine allgemeine
wirtschaftliche Integration durch Herstellung eines gemeinsamen Marktes
anstrebende europäische Gemeinschaft in Wirtschaftsangelegenheiten. Sie ist
eine der →Europäischen Gemeinschaften. Nach Erweiterung ihrer Politiken
(Aufgaben) durch die einheitliche Europäische Akte (1986) und den Vertrag von
Maastricht (1992) wird sie in Europäische Gemeinschaft umbenannt.
Lit.: Kommentar zum EWG-Vertrag, hg. v. Grabitz, E.,
1989; Thiemeyer, G., Vom „Pool Vert“ zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,
1999; Pitzer, F., Interessen im Wettbewerb, 2009; Patel, K., Europäisierung
wider Willen, 2009; Ebert, V. u. a., Europa ohne Fahrplan?, 2010
Europarat (Sitz in
Straßburg) ist der am 5. 5. 1949 in London von 10 Staaten (Belgien, Dänemark,
Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Schweden,
Vereinigtes Königreich von Großbritannien) errichtete völkerrechtliche
Zusammenschluss zunächst westeuropäischer, seit 1990 zunehmend auch
osteuropäischer Länder (1999 41 Mitglieder, als erste Kaukasusrepublik wird
Georgien am 27. 4. 1999 41. Mitgliedsland des Europarates, 2007 47 Mitglieder)
mit dem Ziel, eine engere allgemeine und wirtschaftliche Verbindung der
Mitgliedstaaten herzustellen. Die Organe sind das Ministerkomitee (der Außenminister),
die beratende Versammlung (von Vertretern der Parlamente der Mitgliedstaaten)
und das Ständige Sekretariat. Sie wirken hauptsächlich durch Empfehlungen und
Konventionen. Auf den E. gehen die →Europäische Konvention zum Schutz
der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der →Europäische Gerichtshof
für Menschenrechte zurück.
Lit.: Carstens, K., Das Recht des Europarates, 1956;
Österreich im Europarat 1956-1986, hg. v. Hummer, W. u. a., 1988; Council of
Europe, hg. v. Streinz, R., 2000; Winkler, G., Der Europarat und die
Verfassungsautonomie seiner Mitgliedstaaten, 2005; Österreich im Europarat
1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008; Wassenberg, B., Histoire du Conseil de
l’Europe (1949-2009), 2012
Europarecht ist das gesamte, eine europäische
Organisation betreffende Recht. Dementsprechend wird zum E. im weiteren Sinn
insbesondere das Recht des Nordatlantikpakts (NATO), der Westeuropäischen
Union (WEU), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD), des →Europarats, der Europäischen
Freihandelsassoziation (EFTA) und das →europäische Gemeinschaftsrecht
gezählt. Im engeren Sinn ist E. nur das europäische Gemeinschaftsrecht
(Unionsrecht).
Lit.: Bleckmann, A., Europarecht, 6. A. 1997; Streinz,
R., Europarecht, 1994; Arndt, U., Europarecht, 1994; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996; Neueste Entwicklungen im Zusammenspiel von Europarecht
und nationalem Recht der Mitgliedstaaten, hg. v. Hummer, W., 2010; Schwarze,
J., Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Bd.
1f. 2012f.
Euthanasie ist die bereits dem
griechisch-römischen Altertum bekannte Sterbehilfe durch Arzneimittel. Sie wird
insbesondere im Dritten Reich planmäßig für gesellschaftspolitische Ziele
verwendet (Euthanasiebefehl Adolf Hitlers von Ende Oktober 1939 mit [bis 24. 8.
1941] rund 100000 vergasten oder verhungerten Menschen „lebensunwerten Lebens“).
Lit.: Nowak, K., Euthanasie und Sterilisierung im
Dritten Reich, 2. A. 1980; Klee, E., „Euthanasie“ im NS-Staat, 1983; Schmuhl,
H., Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rainer, J., Zur
Euthanasie, (in) Ethik und Recht, 1993, 19; NS-„Euthanasie“ vor Gericht, hg. v.
Loewy, H. u. a., 1996; Bieber, E., Der Euthanasiebefehl Hitlers, 1996; Brass,
C., Zwangssterilisation und „Euthanasie“ im Saarland 1935-1945, 2004; Die
Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, hg. v. Riha, O., 2005; Merkel,
C., „Tod den Idioten“ – Eugenik und Euthanasie in juristischer Rezeption von
Kaiserreich zur Hitlerzeit, 2006, 2. A: 2007; Die nationalsozialistische
„Euthanasie“-Aktion „T4“, hg. v. Rotzoll, M. u. a., 2010; Hammon, K., Karl
Binding, Alfred E. Hoche, 2011; Burkhardt, A., Das NS-Euthanasie-Unrecht vor
den Schranken der Justiz, 2015; Schweizer-Martinschek, P., Die Strafverfolgung
von NS-„Euthanasie“-Verbrechen in SBZ und DDR, 2016
evangelisch (Adj.) die Evangelien betreffend,
protestantisch, lutherisch
Lit.: Thiede, W.,
Evngelische Kirche – Schiff ohne Kompass?, 2017
Evangelisches Kirchenrecht ist das Recht der seit 1517
entstandenen evangelischen bzw. protestantischen Kirchen. Es baut auf dem
→kanonischen Recht auf. Es unterscheidet sich aber von diesem durch
zahlreiche eigenständige Entwicklungen.
Lit.: Hinschius, P., Das Kirchenrecht der Katholiken
und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff., Neudruck 1959; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983
Eventualmaxime ist der Verfahrensgrundsatz,
wonach eine Partei eines Zivilprozesses zur Vermeidung des Ausschlusses ihres
gesamten Vortrags diesen einschließlich aller (denkbaren) Möglichkeiten bis zu
einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einzubringen hat. Durch die
Notwendigkeit des gleichzeitigen Vorbringens aller Klagetatsachen soll das
Verfahren beschleunigt werden. Die E. gehört dem frühneuzeitlichen sächsischen
Prozess an, wird aber vom französischen Prozess des beginnenden 19. Jh.s
abgelehnt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155, 201;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Schulte, J., Die Entwicklung der
Eventualmaxime, 1980
Evers, Johann Gustav (1781-1830), Professor für
Rechtsgeschichte in Dorpat, stellt unter dem Einfluss Hegels 1826 in dem Werk
„Das älteste Recht der Russen“ die Entwicklung des Rechtes in Russland vom
patriarchalischen Zustand der bürgerlichen Gesellschaft bis zum
Territorialstaat der Neuzeit dar.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
Eviktion (→Entwerung) ist die Wiedererlangung
des Besitzes einer verkauften Sache durch den Berechtigten bzw. der Entzug des
Besitzes auf Seiten eines Käufers. Im klassischen römischen Recht kann der
Käufer einer dem Verkäufer nicht gehörigen (beweglichen) Sache gegen den
Verkäufer grundsätzlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur verlangen
kann (lat. [F.] actio auctoritatis), wenn die Sache dem Käufer auf Grund eines
dinglichen Rechtes im Rechtsstreit entzogen wird. Diese Gestaltung ist in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 41 III 1; Söllner §§ 8, 9, 15;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 46; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 452
Evokationsrecht (lat. ius [N.] evocandi, zu lat.
evocatio [F.] Amtsladung) ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen deutschen
Recht die Befugnis des Königs, jeden noch nicht entschiedenen Rechtsstreit vor
sein Hofgericht zu ziehen. Seit dem 13. Jh. streben die Landesherren nach einem
(lat.) privilegium (N.) de non evocando. Dieses wird 1356 den Kurfürsten
allgemein erteilt. In der Folge verlagert sich die Gerichtsbarkeit auf die
Länder, 1487 wird das E. des Königs beseitigt.
Lit.: Kaser § 87; Köbler, DRG 114; Eisenhardt, U., Die
Rechtswirkung der in der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et
appellando, ZRG GA 86 (1969), 97
Ewa (F.) ist die althochdeutsche Bezeichnung (8. Jh.) für
das (objektive) Recht (lat. [F.] lex). Die Etymologie des nur westgermanisch
(ahd., mhd., as., afries., ae.) verbreiteten Wortes ist streitig (zu aind. éva,
Lauf, Gang, Gewohnheit, zu lat. aevum, Ewigkeit, zu lat. aequum, Billigkeit, zu
lat. ius?). Der Bezug zum religiösen Kult könnte unter dem Einfluss des
Christentums entstanden sein (altiu ewa, lat. testamentum vetus). Im 13. Jh.
engt e. seine Bedeutung auf (rechtmäßige) →Ehe ein.
Lit.: Köbler, DRG 80; Köbler, WAS; Weisweiler, J.,
Bedeutungsgeschichte, Linguistik und Philologie, (in) Stand und Aufgaben der
Sprachwissenschaft, 1924, 419; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Seebold, E., Etymologie, 1981, 89; Schmidt-Wiegand, R., Recht und ewa,
(in) Althochdeutsch, hg. v. Bergmann, R. u. a., 1987, 937
Ewa Chamavorum ist das Volksrecht (lat. [F.] lex)
des fränkischen Teilstamms der an der Zuidersee siedelnden Chamaven (Ewa quae
se ad Amorem habet). Es ist in zwei Handschriften überliefert und in 48 knappe
Kapitel gegliedert. Vielleicht wird es 802/803 in Aachen durch einen
Königsboten erfragt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Buchner, R.,
Die Rechtsquellen, 1953
Ewiger Landfriede ist der am 7. 8. 1495 in Worms von
König Maximilian mit Rat der Reichstände auf der Grundlage von Landfrieden von
1486, 1474, 1471 und 1442 (sowie [1356 und] 1235) erlassene, dauerhafte Geltung
beanspruchende und deswegen zwar nicht im Text, aber doch von den Zeitgenossen
als ewig bezeichnete und tatsächlich bis 1806 geltende →Landfriede des
Heiligen römischen Reiches. Er hebt das Fehderecht zugunsten der gerichtlichen
Entscheidung jedes Rechtsstreits auf (Fehdeverbot unter Androhung der
Reichsacht). Zugleich drängen damit die Stände den König in der Friedenswahrung
zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Angermeier, H., Königtum und
Landfriede im deutschen Spätmittelalter, 1966; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 15 II 4; 1495, 1995, 71ff.; Landfriede,
hg. v. Buschmann, A. u. a., 2002; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EwigerLandfriede1495.htm
Ewigrente ist im spätmittelalterlichen
deutschen Recht die auf Dauer vereinbarte →Rente.
Lit.: Hübner
Ewigsatzung ist im spätmittelalterlichen
deutschen Recht die auf Dauer gedachte →Satzung eines →Pfandes.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981
exactio (lat. [F.]) Eintreiben (von
Forderungen)
Exceptio (lat. [F.] Ausnahme) ist die
Einrede (als Verteidigung eines Beklagten gegen einen Klaganspruch [stricti
iuris, strengen Rechtes]). Sie ist im römischen Recht ursprünglich die dem
Beklagten günstige Ausnahme von den Bedingungen, unter denen er dem
Klaganspruch (lat. [F.] →actio) zufolge zu verurteilen wäre. Aus dieser
verteidigenden Einrichtung des Verfahrensrechts, die auf Antrag des Beklagten
in die Klagformel eingefügt wird (z. B. lat. exceptio doli, exceptio pacti),
entwickelt sich allmählich ein selbständiges Recht des Beklagten, das Begehren
des Klägers zu verweigern. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im Heiligen
römischen Reich im Spätmittelalter wird die e. aufgenommen (z. B. 1721 mehr als
150 exceptiones unterschieden). Im Laufe des 19. Jh.s wird die e. durch Einrede
und Einwendung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 4, 80; Söllner § 9; Köbler, DRG 33f.;
Köbler, LAW; Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses, 18761, 3. A.
1878; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess, 1999
Exceptio (F.) doli (lat.) ist die Einrede der
Arglist. Sie gilt im römischen Recht (bei den [lat., N.Pl.] iudicia stricti
iuris) grundsätzlich nur bei besonderer Aufnahme in die Klagformel des Prätors
auf Verlangen des Beklagten, bei den sog. →bonae-fidei-iudicia aber auch
ohne diese. Sie kann auf die Vergangenheit oder die Gegenwart bezogen sein.
Lit.: Kaser §§ 4, 8, 9, 22, 26, 27, 33, 36, 37, 40,
53, 62, 65, 83; Söllner § 9; Köbler, DRG 42, 43, 45; Haferkamp, H., Die
exceptio doli generalis in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 1
Exceptio (F.) iusti dominii (lat.) ist im römischen Recht die Einrede des
quiritischen Eigentümers gegenüber der (lat.) actio (F.) Publiciana des Ersitzungsbesitzers.
Exceptio (F.) non adimpleti contractus (lat.) ist im römischen Recht (bei
Kauf, Miete und Gesellschaft) die Einrede der Nichterfüllung.
Lit.: Kaser § 38
Exceptio (F.) non numeratae pecuniae (lat.) ist im römischen Recht die
Einrede des nichtgezahlten Entgelts.
Lit.: Kaser §§ 40, 53; Litewski, W., Non numerata
pecunia, SDHI 60 (1994)
Exceptio (F.) rei sibi (ante bzw. quoque)
pigneratae (lat.) ist im römischen
Recht bei einer Mehrfachverpfändung die Einrede eines vorrangigen oder
besitzenden Pfandgläubigers gegen eine (lat.) actio (F.) Serviana eines
nachrangigen oder anderen Pfandgläubigers.
Exceptio (F.) rei venditae et traditae (lat.) ist im römischen Recht die
dem Käufer (einer nicht durch [lat.] mancipatio, sondern nur durch [lat.]
traditio übertragenenen res mancipi als bloßem bonitarischem Eigentümer) seit
Einführung des Formularverfahrens vom Prätor gegenüber dem herausverlangenden
Verkäufer und quiritischen Eigentümer gewährte Einrede der verkauften und
übergebenen Kaufsache.
Lit.: Kaser §§ 22, 27
Exegese (F.) ist die Auslegung eines Textes
(z. B. Digestenexegese, Sachsenspiegelexegese, Bibelexegese). Sie ist
notwendiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen juristischen Tätigkeit. Als
eigene Lehrveranstaltung tritt die E. im ausgehenden 20. Jh. zurück.
Lit.: Köbler, DRG 11; Lubac, H. de, Exégèse médiévale,
1959ff.; Schlosser, H./Sturm, F./Weber, H., Die rechtsgeschichtliche Exegese,
2. A. 1993; Hattenhauer, H., Die deutschrechtliche Exegese, 1975; Waßmer,
M./Wittemann, F., Die verfassungsgeschichtliche Exegese, 1999; Blum, E.,
Grundfragen der historischen Exegese, 2014
exegetisch (auslegend) z. B. exegetische, eng an das
Gesetz gebundene und dessen Fortbildung grundsätzlich dem Gesetzgeber
überlassende Schule zur Anwendung des Privatrechts nach gesetzlich [§§ 6, 7
ABGB] festgelegten Regeln in Österreich ab 1812 (tatsächlich Rechtsfortbildung
z. B. durch verschämte Verwaltungsgemeinschaft und Gütergemeinschaft auf den
Todesfall)
Exekutor, M., Vollstrecker
Lit.: Hitzbleck, K., Exekutoren, 2010
Exemption (F.) Herausnahme, Ausnahme (z. B. aus der
Herrschaft eines kirchlichen Oberen, aus einer Gerichtszuständigkeit oder aus
der Geltung des Rechtes eines Staates zu Gunsten von Geschäftsträgern eines
anderen Staates)
Exercitalis (lat. [M.]) Heermann, Arimanne
Lit.: Jarnut, J., Beobachtungen zu den
langobardischen arimanni und exercitales, ZRG GA 88 (1971), 1
exercitor (lat. [M.]) Reeder
Exekution (F.) →Vollstreckung,
→Zwangsvollstreckung
Lit.: Mally, A., Der österreichische Kreis in der
Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches, 1967
Exekutive ist die ausführende Gewalt. Sie
wird als solche von den Vertretern der Lehre von der →Gewaltentrennung
(→Locke 1680, →Montesquieu 1748) von der Legislative (und der
Judikative) getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 190, 191
Exil ist seit dem Altertum das (freiwillige oder zwangsweise)
Ausscheiden eines oder mehrerer Menschen aus einem Staat. Seit dem 19. Jh.
können im E. auch Regierungen beibehalten oder geschaffen werden.
Lit.: Die 48er, hg. v. Freitag, S., 1998; Auswanderung, Flucht,
Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jh., hg. v. Haus der Geschichte
Baden-Württemberg, 2003; Exile in the Middle Ages, hg. v. Napran, L. u. a.,
2007; Stini, F., Plenum exiliis mare, 2011; Exilerfahrung und Konstruktionen
von Identität 1933 bis 1945, hg. v. Mittelmann, H. u. a., 2013
Exklave ist das Teilgebiet eines Staates (aus dessen
Sicht), das von seinem übrigen Gebiet getrennt und vollständig vom Staatsgebiet
anderer Staaten eingeschlossen ist (z. B. deutsche Exklave Büsingen in der
Schweiz, Russlands Gebiet um Königsberg). S. Enklave.
Exkommunikation ist im (katholischen) Kirchenrecht
ursprünglich der strafweise Ausschluss eines Mitglieds aus der Gemeinschaft der
Gläubigen. Seit der Wende zum 5. Jh. wird die E. auf den Entzug der mit der
Mitgliedschaft verbundenen Rechte (ohne Entbindung von den Pflichten) eingeschränkt.
Die Dekretisten entwickeln im Hochmittelalter ein differenziertes Regelwerk für
die E. Wegen der starken Ausweitung verliert die E., abgesehen vom klerikalen
Bereich, später ihre Bedeutung. In der Gegenwart kann die Mitgliedschaft in der
katholischen Kirche nicht mehr verloren werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 56; Morel, M.,
L’Excommunication, 1926; Hyland, F., Excommunicatio, 1928; Siuts, H., Bann und
Acht, 1959; Elsener, F., Die Exkommunikation als prozessuales
Vollstreckungsmittel, FS E. Kern, 1968, 69; Logan, F., Excommunication, 1968;
Weigand, R., Zur Exkommunikation bei den Glossatoren, ZRG KA 56 (1970), 396;
Vodola, E., Excommunication, 1986; Murray, A., Excommunication, 1991; Pauler,
R., Dum esset catholicus – Zur Frage der Gültigkeit von Regierungshandlungen
exkommunizierter und abgesetzter Kaiser, ZRG GA 112 (1995), 344; Helmholtz,
R., The Spirit of the Classical Canon Law, 1996; Magnúsardottir, L.,
Bannfoering og Kirkjuvald, 2007
Exlibris (lat. ex libris, aus den Büchern) ist
das seit Erfindung des Buchdrucks in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s zur
Bezeichnung des Eigentümers des einzelnen Buches auf die Innenseite des
vorderen Buchdeckels geklebte Blatt.
Lit.: Kretz, H., Exlibris für Juristen, 2003
Ex nihilo nihil (lat.). Aus nichts wird nichts.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Anaxagoras, um 500-428 v. Chr.)
Extrajudizialappellation ist die bereits dem römischen Recht bekannte
Appellation außerhalb gerichtlicher Endurteile. Sie ist in Lübeck 1296
bezeugt. Sie wird durch den Reichsabschied von 1594 für den Prozess des
Reichskammergerichts in engen Grenzen eröffnet. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird
sie eingeengt und durch die Reichsjustizgesetze des deutschen Reiches von
1877/1879 beseitigt.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozeses, 1861, 3. A.
1878, 768ff.; Budischin, H., Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Weitzel, J., Der
Kampf um die Appellation ans Reichskammergericht, 1976; Seeger, T., Die
Extrajudizialappellation, 1992; Oestmann, P., Hexenprozesse am
Reichskammergericht, 1997
Extranei heredes (lat. [M.Pl.], Sg. extraneus
heres) sind im römischen Recht die im Gegensatz zu den (lat. [M.Pl.])
→sui heredes (Hauserben) stehenden Außenerben (Agnaten, Gentilen).
Lit.: Kaser §§ 66, 71
Extraordinaria cognitio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
das seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) das ältere zweigeteilte Verfahren vor
Magistrat und ehrenamtlichem Richter ablösende einheitliche
→Kognitionsverfahren eines einzigen öffentlichen Amtsträgers.
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 14, 15, 16, 18
Extravagantes (lat. [M. Pl.] Herumschweifende) ist
die Bezeichnung für die 20 (bereits 1325 in einer privaten Sammlung zusammengestellten)
Dekretalen Papst Johannes’ XXII. (1314ff., Extravagantes Johannis XXII.) und
die 70 eher zufällig ausgewählten Dekretalen der Päpste Bonifaz’ VIII.
(1294-1303) bis Sixtus’ IV. (1471-1484) (Extravagantes communes, allgemeine
Extravaganten), die der Pariser Kirchenrechtler Jean Chappuis in seine Ausgabe
des →corpus iuris canonici (1499ff., Korpus des kanonischen Rechtes) ohne
amtlichen Auftrag aufnimmt. Zitiert werden sie z. B. als Extr. Joann. XXII. 4.
2 bzw. Extrav. com. 1. 7. 1.
Lit.: Bickell, J., Über die Entstehung und den
heutigen Gebrauch der beiden Extravagantensammlungen, 1825; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 276; Tarrant, J., Extravagantes
Iohannis XXII, 1983 Extremismus ist die inhaltlich am Rand stehende politische
Strömung.
Lit.: Backes, U., Politische Extreme, 2006; Bergsdorf, H. u. a.,
Linksextrem, 2011; Bötticher, A. u. a., Extremismus, 2012
Eyre (engl. [N.]) ist die von lat. (N.) iter (Reise, Weg)
abgeleitete Bezeichnung für die Reise bzw. Sitzung der königlichen englischen
Reiserichter zwischen 1086 bzw. 1166 und 1294.
Lit.: Harding, A., Rolls of the Shropshire Eyre of
1256, 1981
F
Faber →Favre
Faber, Johannes ist der um 1270 geborene, in Montpellier und
vielleicht Bologna ausgebildete, um 1340 verstorbene, praktisch tätige französische
Jurist, der breviarium Codicis und Commentarius in institutiones verfasst.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 581
Fabrik ist das Gebäude, in dem
industriemäßig aus Rohstoffen Erzeugnisse hergestellt werden. Die F. entwickelt
sich seit dem 18. Jh. aus dem Verlagssystem. Kennzeichnend ist die Tätigkeit
der Bediensteten außerhalb des eigenen Hauses. Im 19. Jh. wird die F.
Gegenstand besonderer rechtlicher Regelungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 175; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 229; Pfeiffer, H. v., Die Manufakturen und Fabriken
Deutschlands, Teil 1f. 1781; Neumann, F., Zur Reform deutscher
Fabrikgesetzgebung, 1873, Neudruck 2013; Anton, G., Geschichte der preußischen
Fabrikgesetzgebung, 1891, Neudruck, 1953; Mises, L., Zur Geschichte der
österreichischen Fabrikgesetzgebung, Z. f. Volkswirtschaft, Sozialpolitik und
Verwaltung 14 (1905), 230; Gellbach, H., Arbeitsvertragsrecht der
Fabrikarbeiter im 18. Jahrhundert, 1939; Worring, H., Das fürstenbergische
Eisenwerk Hammereisenbach, 1954; Dällenbach, H., Kantone, Bund und
Fabrikgesetzgebung, Diss. jur. Bern 1961; Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und
Markenrecht, 1983; Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jh.,
hg. v. Otruba, G., 1981, 84; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht
in der Schweiz, ZNR 8 (1986), 157; Ruppert, W., Die Fabrik, 2. A. 1993;
Steinberg, S., Unternehmenskultur im Industriedorf – Die Papierfabriken Kübler
& Niethammer, 2015
Fabrikengericht ist das im späten 18. Jh. in
Preußen für einige Zeit aus der Polizeijurisdiktion entwickelte und danach im
Rheinland geschaffene besondere Gericht für Rechtsstreitigkeiten in einer
Fabrik zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern.
Lit.: Willoweit, D., Die Entstehung der preußischen
Fabrikengerichtsbarkeit, ZNR 4 (1982), 1; Schloßstein, K., Die westfälischen
Fabrikengerichtsdeputationen, 1982; Schöttler, P., Die rheinischen
Fabrikengerichte, ZNR 7 (1985), 160
facere (lat.) handeln, tun, machen
facultas (F.) alternativa (lat.) Ersetzungsbefugnis
Fahndung ist die Verfolgung möglicher Straftäter durch
die Allgemeinheit, die seit der frühen Neuzeit und besonders seit dem 19. Jh.
ausgebaut und zur Staatsaufgabe erhoben wird.
Lit.: Blauert, A. u. a. Gauner- und Diebslisten, 2001; Benad, R.,
Geschichte der Fahndung, 2006
Faden ist das dünne, längliche, meist durch Drehen
entstehende, meist dem Verbinden von Geweben oder Lederstücken dienende
menschliche Erzeugnis (Gespinst). Der F. kann als Längenmaß verwendet werden (z.
B. etwa 185 cm). Er ist auch Gegenstand der rechtlichen Volkskunde.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck
1994
Fähigkeit (1512, fähig 1481) ist die Eigenschaft des
Erlangenkönnens bzw. Handelnkönnens.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fahne ist das als Symbol verwendete,
meist rechteckige Tuch. →Fahnenflucht, →Fahnenlehen,
→Reichsfahne
Lit.: Meyer, H., Die rote Fahne, ZRG GA 50 (1930),
310; Meyer, H., Sturmfahne und Standarte, ZRG GA 51 (1931), 204; Meyer, H.,
Kaiserfahne und Blutfahne, ZRG GA 53 (1933), 291; Neubecker, O., Fahnen und
Flaggen, (um 1940)
Fahnenflucht ist das eigenmächtige auf Dauer
angelegte Verlassen des Heeres, das schon im Altertum gewichtige Folgen nach
sich zieht. Das langobardische Volksrecht sieht die Tötung, das alemannische
Volksrecht die Buße von 80 Schillingen vor. Auch später wird zumindest für
schwere Fälle die Todesstrafe angedroht, während einfachere Fälle mit Gefängnis
und Ehrenminderung bestraft werden. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s dringt
die Bezeichnung Desertion ein. Im zweiten Weltkrieg werden etwa zwei Drittel
der als fahnenflüchtig bezeichneten deutschen Soldaten zum Tode verurteilt. Die
F. in der Unrechtsherrschaft (berechtigte Fahnenflucht in verbrecherischen
Regimen) kann gerechtfertigter Widerstand sein. Am 17. 5. 2002 beschließt der
Bundestag Deutschlands die Aufhebung aller Urteile wegen F. (Desertion) im
zweiten Weltkrieg.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961, 561; Sargmeister, M., Das Delikt der Fahnenflucht, Diss. jur.
Erlangen 1908; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff.
1920ff., Neudruck 1964; Conrad, H., Geschichte der deutschen Wehrverfassung,
1939; Haase, N., Gefahr für die Manneszucht, 1996; Armeen und ihre Deserteure,
hg. v. Bröckling, U. u. a., 1998; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtsjustiz
1933-1945, 2005; Brümmer-Pauly, K., Desertion im Recht des Nationalsozialismus,
2006
Fahnenlehen, Fahnlehn, ist das mit einer Fahne
als Symbol (einer besonderen Herrschaftsgewalt?) verliehene →Lehen. Nach
verbreiteter hochmittelalterlicher Ansicht ist die königliche Belehnung mit
einem F. Voraussetzung der Zugehörigkeit zum Fürstenstand. Das F. darf weder
geteilt noch vom König länger als Jahr und Tag einbehalten werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Bruckauf, J., Vom Fahnlehn,
1906; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter,
1979, 36
Fähre ist das dem planmäßigen Übersetzen
über einen Strom oder See meist an fester Stelle dienende Fahrzeug. Seit dem
Hochmittelalter wird das Recht zum Betrieb einer F. auf öffentlichem Gewässer
als →Regal verstanden. Von ihm leitet sich das einzelne Fährenrecht ab.
In Deutschland gelten (über Art. 73 EGBGB) die früheren landesrechtlichen
Vorschriften, sofern in den Landeswassergesetzen keine andere Regelung
enthalten ist.
Lit.: Nordegg zu Rabenau, L. v., Das Recht der Fähren
mit besonderer Berücksichtigung des Regierungsbezirks Danzig, Diss. jur.
Leipzig 1910; Sandkaulen, J., Fährgerechtsame, Diss. jur. Köln 1925; Künßberg,
E. v., Fährenrecht und Fährenfreiung, ZRG GA 45 (1925), 144; Riegler, B.,
Fährgerechtigkeiten, Diss. jur. Würzburg 1933; Elben, J., Die Deutz-Kölner
Rheinfähre als Kurkölner Regal, 1933; Hahn, C., Das Fährenrecht am Niederrhein,
1949
Fahrende Habe →Fahrnis
Fahrende Leute sind die in Ausnützung ursprünglich allgemein
verwendeter Freiheit der Ortsveränderung ohne festen Wohnsitz umherziehenden Menschen
(im Mittelalter schätzungsweise 5-10 Prozent der Bevölkerung). Seit dem
Spätmittelalter werden sie als Störung der Ordnung angesehen. Seit dem
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) wird Umherziehen teilweise strafbar, wobei
Rechtssätze und angedrohte Strafen nicht stets umgesetzt werden. Gegen f. L.
werden Pass und Meldepflicht eingesetzt, ohne dass ein vollständiger Erfolg
erreicht wird.
Lit.: Mylius, A./Barthel, D., Iura vagabundorum, 1679; Enklaar, D.,
Varende Luyden, 1957; Schubert, E., Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken
des 18. Jahrhunderts, 1983, 2. A. 1990; Jütte, R., Poverty and Deviance, 1994;
Schubert, E., Fahrendes Volk im Mittelalter, 1995; Rheinheimer, M., Arme,
Bettler und Vaganten, 2000; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz,
2005
Fahrhabe →Fahrnis
Fahrlässigkeit (1480, fahrlässig 15. Jh.) ist
im Privatrecht die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, im
Strafrecht für die wenigen auch fahrlässig begehbaren Straftaten der Vorwurf,
dass der Täter eine objektive Sorgfaltspflicht nicht erkannt oder die daraus
folgende Sorgfaltsanforderung nicht erfüllt hat, obwohl er dazu nach seinen
persönlichen Fähigkeiten und dem Maß seines individuellen Könnens imstande
gewesen wäre. Im römischen Recht wird erst zu Beginn der klassischen Zeit an
die an ein Handeln gebundene F. (lat. [F.] →culpa) die zunächst auf den
Vorsatz beschränkte Folge angeknüpft. Dies gilt allmählich auch für Verträge.
Bei Justinian hat der Schuldner eine allgemeine Pflicht zur Sorgfalt (lat. [F.]
→diligentia), mit deren schuldhafter Verletzung er eine Nachlässigkeit
(lat. [F.] →neglegentia) begeht. Innerhalb der (lat. [F.]) culpa wird die
grobe F. dem Vorsatz gleichgehalten. Im Frühmittelalter kennen die Quellen eine
Reihe von Tätigkeit-Erfolgs-Beziehungen, bei denen kein Vorsatz angenommen wird
(Ungefährwerk). Die Folgen sind allerdings durchaus unterschiedlich, wobei am
Ende des Mittelalters eine Tendenz zur schwächeren Folge für den nicht
gewollten Erfolg überwiegt. Ziemlich klar unterscheidet die Constitutio
Criminalis Carolina (1532) vorsätzliche Tötung, fahrlässige Tötung und
zufällige Tötung. Daran knüpft die weitere Entwicklung an, in der seit dem 19.
Jh. eine Legaldefinition der strafrechtlichen F. vermieden wird.
Lit.: Kaser § 36; Söllner §§ 8, 15; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 158, 204; Bruck, F., Zur Lehre von der Fahrlässigkeit, 1885;
Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Hippel. R. v., Die Grenze
von Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1903; Exner, F., Das Wesen der Fahrlässigkeit,
1910, 12; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 90,
Neudruck 1964; Wiegand, H., Rechtspolitische Untersuchungen über die Stufen der
Fahrlässigkeit, 1925; Engisch, K., Untersuchungen über Vorsatz und
Fahrlässigkeit, 1930, Neudruck 1964; Tobler, R., Fahrlässigkeit im Zivil- und
Strafrecht, 1931; Plass, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur qualifizierten
Fahrlässigkeit, 1932; Ziegler, W., Fahrlässigkeit und Gefährdung, 1935;
Brehmer, I., Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit, 1935; Nörr, D., Die
Fahrlässigkeit im byzantinischen Vertragsrecht, 1960; Deutsch, E.,
Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1963; Jescheck, H., Aufbau und
Behandlung der Fahrlässigkeit im modernen Strafrecht, 1965; Hoffmann, H., Die
Abstufung der Fahrlässigkeit in der Rechtsgeschichte, 1968; Köbler, G.,
Mittlere Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP
1969, 404; Holl, T., Entwicklungen der Fahrlässigkeitsdogmatik im Strafrecht
von Feuerbach bis Welzel, 1992; König, V., Die grobe Fahrlässigkeit, 1998;
Rösler, H., Haftungsgründe und -grenzen für fahrlässiges Verhalten, 1999;
Schrage, E., Negligence, 2001; Mikus, R., Die Verhaltensnorm des fahrlässigen
Erfolgsdelikts, 2002; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004; Bohrer, M., Der morsche Baum, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fahrnis (Fahrhabe) ist
die bewegliche (mobile) Sache, die ohne Verletzung von einem Ort zu einem
anderen Ort gefahren bzw. bewegt werden kann (z. B. Kleid, Tier, Marktbude).
Auf die Beweglichkeit einer Sache stellt das römische Recht nur in wenigen
Einzelheiten (z. B. Ersitzung, Besitzschutz, später besondere Form des Kaufes
unbeweglicher Sachen) ab. Im mittelalterlichen deutschen Recht kann über F.
schon früh frei verfügt werden, unterliegt F. in der Ehe vielfach anderen
Regeln hinsichtlich der Nutzung, Verwaltung und Verfügung und gibt es an F.
keine mehrfache und keine ideelle Gewere. Möglich sind aber Entliegenschaftung
und Verliegenschaftung einer Sache. In der Neuzeit verblassen die Unterschiede
unter dem Einfluss des römischen Rechtes, doch regelt beispielsweise noch das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) den Erwerb von Rechten an beweglichen
Sachen (z. B. Einigung und Übergabe) einleuchtenderweise anders als den Erwerb
von Rechten an unbeweglichen Sachen (z. B. Auflassung und Eintragung).
Lit.: Kaser § 15 I; Hübner 182, 430; Kroeschell, DRG
2; Estlander, E., Bidrag till en undersökning om klander, 1900; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum, 1902; Goldmann, E., Tertia manus und Intertertiation,
ZRG GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Hübner, H., Der Rechtsverlust im
Mobiliarsachenrecht, 1955
Fahrnisgemeinschaft ist im Ehegüterrecht die
→Errungenschaftsgemeinschaft (betreffend Fahrnis und Liegenschaften), in
der auch die voreheliche →Fahrnis den Eheleuten gemeinschaftlich
zusteht. Sie ist in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Seit 1. 7. 1958 kann die F. in Deutschland nicht mehr vereinbart werden.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 18
faida →Fehde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schumann, E., Unrechtsausgleich
im Frühmittelalter, Habilitationsschrift Leipzig 2003
Faktorei ist seit dem Spätmittelalter die kaufmännische
Niederlassung außerhalb des Hauptsitzes des Unternehmens (z. B. Kontore der
Hanse im Nordseeraum und Ostseeraum, Fondaco dei Tedeschi in Venedig, Zweigniederlassung),
vor allem im Kolonialhandel.
Lit.: Bürger, R., Die Organisation der Fuggerschen Faktoreien, 1955;
Wirtschaft und Handel der Kolonialreiche, hg. v. Schmitt, E., Bd. 4 1988
Fakultät ist die Fachabteilung der
Universität. Im Mittelalter ist die Universität meist in die vier Fakultäten
der Artisten, Theologen, Juristen und Mediziner gegliedert. Ihre Geschäfte
leitet der Dekan. Seit dem 19. Jh. hat sich die Zahl der Fakultäten vermehrt.
Seit 1970 sind in Deutschland die Fakultäten an vielen Orten in Fachbereiche
umbenannt und teilweise weiter in kleinere Einheiten aufgegliedert.
Lit.: Köbler, DRG 99, 143; Baltl/Kocher; Wretschko, A.
v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an der Universität Innsbruck, FS
zum 27. Deutschen Juristentag 1904, 101; Wohlhaupter, E., Die Spruchtätigkeit
der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938); Dickel, G., Die
Heidelberger juristische Fakultät, 1961; Kisch, G., Die Anfänge der
juristischen Fakultät der Universität Basel, 1962; Finke, K., Die Tübinger
Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Schikora, A., Die Spruchpraxis der
juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Cobban, A., The medieval University,
1975; Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg, 1986; Artisten und
Philosophen – Wissenschafts- und Wirkungsgeschichte einer Fakultät, hg. v.
Schwinges, R., 1999; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und
Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007
fakultativ (Adj.) möglich, nicht zwingend (z. B. Zivilehe)
Falkenstein
Lit.: Codex Falkensteinensis, bearb. v. Noichl, E., 1978
Fall (lat. [M.] casus) ist die durch die
Anziehungskraft der Erde bewirkte senkrechte ungewollte Ortsveränderung. Wegen
der damit vielfach verbundenen nachteiligen Folgen wird als F. auch das
einzelne rechtlich bedeutsame Geschehen bezeichnet. Einzelne Rechtsordnungen
werden durch die gerichtlichen Entscheidungen der Fälle geprägt (z. B. Rom,
angloamerikanisches Recht). Als berühmte einzelne Fälle gelten etwa das
Strafverfahren gegen Sokrates, die (lat. [F.]) causa Curiana (1. Jh. v. Chr.),
der Prozess Jesu, der Prozess der Iusta, der Ehestreit Lothars II. (ab 859),
der Prozess gegen Heinrich den Löwen (1180), der Prozess gegen Galileo Galilei
(1633), die Prozesse des Müllers Arnold (um 1779), das Strafverfahren gegen
Alfred Dreyfus (1894), das Strafverfahren wegen Entziehung elektrischen
Stromes (1896) u. a.
Lit.: Mit den Augen der Rechtsgeschichte - Rechtsfälle selbstkritisch
kommentiert, hg. v. Luminati, M. u. a., 2008; Fälle aus der Rechtsgeschichte,
hg. v. Falk, U. u. a., 2008
Fälligkeit (1518, fällig um 900) ist der Zeitpunkt, in
dem der Gläubiger vom Schuldner Leistung verlangen kann.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fallrecht ist die auf richterlichen Entscheidungen
beruhende Rechtsordnung. F. sind das klassische →römische Recht und das
→englische Recht (case-law) sowie die päpstliche Rechtsprechung seit dem
12. Jh. Ansätze zu einem F. finden sich auch in Deutschland (mittelalterliche
Schöffensprüche, Entscheidungen des Reichskammergerichts), können sich
jedoch wegen der Aufnahme des römisch-justinianischen Gesetzesrechts, des
Gesetzgebungsanspruchs der Landesherren und des Fehlens einer
durchsetzungsfähigen Höchstgerichtsbarkeit nicht ausreichend entwickeln und
behaupten. Dennoch besteht F. auch nach Erlass der Vernunftrechtsgesetzbücher
in der Praxis in den Fallsammlungen der Höchstgerichte (z. B. Reichsgericht,
Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichtshof, Europäischer Gerichtshof).
Allerdings ist das F. auf dem europäischen Kontinent dem vor allem seit dem
18. Jh. kodifikativ ausgebauten Gesetzesrecht grundsätzlich untergeordnet,
während in England das Parlament kein Rechtsetzungsmonopol beansprucht und
sich die stare-decisis-Vorstellung 1898 zum (1966 aufgehobenen) Prinzip verfestigt.
Daneben ist F. auch das Rückfallrecht von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an
die Familie, aus der sie gekommen sind.
Lit.: Kaser § 2; Köbler, DRG 31; Gál, A., Der
Ausschluss der Aszendenten von der Erbfolge und das Fallrecht, 1904; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 298ff., 468ff.; Esser, J.,
Grundsatz und Norm, 1956; Rüdin-Bader, S., Die erbrechtliche Stellung der
Stiefkinder und Halbgeschwister nach den zürcherischen Rechtsquellen, 1959;
Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur Deutschlands, 1974;
Weller, H., Die Bedeutung der Präjudizien im Verständnis der deutschen
Rechtswissenschaft, 1979; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat,
1986; Case-Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., 1997; Müßig, U., Geschichte
des Richterrechts und der Präjudizienbildung auf dem europäischen Kontinent,
ZNR 28 (2006), 79ff.; Reimann, M., Die Erosion der klassischen Formen, ZNR 28
(2006), 209ff.; Vogenauer, S., Zur Geschichte des Präjudizienrechts in England,
ZNR 28 (2006), 48ff.; Case Law in the Making, hg. v. Wijffels, A., Bd. 1f. 2013
e-book
Falsa demonstratio non nocet (lat.). Eine falsche Bezeichnung
schadet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gaius, um 120-um 180, Digesten 35, 1, 17, pr.)
Falschaussage →Meineid
Lit.: Vormbaum, T., Eid, Meineid und Falschaussage,
1990
Falsche Verdächtigung ist der 1871 in das
Strafgesetzbuch Deutschlands eingefügte, die wahrheitswidrige Verdächtigung
eines anderen betreffende Tatbestand des § 164 StGB.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165
StGB) und Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Falschmünzer ist der Münzen fälschende Täter.
Lit.: Walz, K., Fälscher & Falschgeld, 2012
Fälschung ist die zu betrügerischem Zweck
vorgenommene Veränderung oder Nachbildung eines Gegenstands (z. B. Münze,
Bild). Einzelne Fälschungshandlungen erwähnt bereits das altrömische Zwölftafelgesetz
(Falschaussage 8,23, Richterbestechung 9,3). Seit dem 1. Jh. v. Chr. bilden
sich Fälschungsdelikte (lat. crimina [N.Pl.] falsi) als besondere Gruppe
(falsum) aus (Testament, Urkunde, Grenze, Münze, Maß, Gewicht u. s. w.), neben die um 200 n. Chr. der
„Betrug“ (lat. [M.] stellionatus, D. 47, 20, 3, 1) tritt. Im Frühmittelalter
verschmelzen die Tatbestände des römischen Rechtes zu Deliktsfiguren, die nur
noch wenige Ähnlichkeiten mit ihren Vorbildern haben. Im Hochmittelalter werden
etwa falsche Maße und Gewichte oder der Verkauf verfälschter Waren wie
Diebstahl behandelt. Dagegen fasst das spätmittelalterliche gelehrte Recht (z.
B. Klagspiegel 1436/1442) die Fälschungsdelikte zu einem einheitlichen (lat.
[N.]) crimen falsi zusammen, zu dem (lat. [M.]) →stellionatus ein
qualifizierter Sonderfall ist. Im 19. Jh. werden im Code pénal Frankreichs
(1810) →Betrug und Fälschung voneinander getrennt. Dem folgen die
deutschen Strafgesetzbücher (Bayern 1813, Baden 1845, Preußen 1851, Reich 1871)
im Wesentlichen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; Binding, K., Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Teil
2, 2, 1901; Beyerle, K., Die Urkundenfälschungen des Kölner Burggrafen Heinrich
III., 1913; Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931;
Fuhr, L., Zur Entstehung und rechtlichen Bedeutung der mittelalterlichen Formel
ane argliste unde geverde, Diss. jur. Frankfurt am Main 1962; Fuhrmann, H., Die
Fälschungen im Mittelalter, HZ 197 (1963), 529; Kocher, E., Überlieferung und
ursprünglicher Anwendungsbereich der Lex Cornelia de falsis, 1965; Hupe, E.,
Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg 1968; Kausch, W., Die
Entwicklung des Falsum von der Carolina zur Aufklärung, 1971; Lorenz, W., Die
Falschbeurkundung, 1976; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd.
1ff. 1987ff.; Fuld, W., Das Lexikon der Fälschungen, 1999; Topper, U.,
Fälschungen der Geschichte, 2001; Fortschritt durch Fälschungen? hg. v.
Hartmann, W. u. a., 2002; Fezzi, L., Falsificazione di documenti pubblici nella
Roma tardorepubblicana, 2003; Faußner, H., Wibald von Stablo, 2006; Pokorny,
R., Augiensia, 2010; Faußner, H., Wibald von Stablo auf der Spur, 2010
(Aufsatzsammlung); Partsch, S., Tatort Kunst, 2015; Fälschung als Mittel der
Politik?, hg. v. Ubl, K. u. a., 2015
Falsum (lat. [N.]) ist die im klassischen
römischen Recht als Straftat erfasste →Fälschung, für die Sulla an der
Wende vom 2. zum 1. Jh. eine eigene Untersuchungsbehörde einrichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des
römischen Kriminalverfahrens, 1962
Familia (lat. [F.]) ist im frühen
Mittelalter nach antikem Vorbild vor allem der zu einer Grundherrschaft
gehörige Personenverband.
Lit.: Kaser § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW;
Baltl/Kocher; Weizsäcker, W., Die familia des Klosters St. Emmeram in
Regensburg, Verhandl. d. histor. Vereins v. Oberpfalz und Regensburg 92 (1951),
1; Bosl, K., Die „familia“, Z. f. bay. LG. 38 (1975), 403; Kuchenbuch, L.,
Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9. Jahrhundert, 1978;
Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat, ZRG 111 (1994), 330; Paludan, H.,
Familia og Familie, 1995; Spieß, K., Familie und Verwandtschaft im deutschen
Hochadel des Spätmittelalters, 1993
familiae emptor (lat. [M.]) Erbschaftskäufer
Familie (1409) ist der Kreis der durch Ehe, Verwandtschaft und
Schwägerschaft verbundenen Menschen, insbesondere die Ehegatten und ihre
Kinder. Im Altertum wird die F. als von der Natur des Menschen gegeben
eingestuft. Vermutlich sind sich bereits die Indogermanen der F. bewusst.
Vielleicht mit der Sesshaftwerdung bildet sich in Rom die auf dem Einzelhof
lebende, aus Familienvater, Ehefrau und Kindern (sowie Gesinde) bestehende F.
Dem dürfte auch die F. der Germanen entsprochen haben. Sie ist
Wirtschaftsgemeinschaft. Die durchschnittliche Zahl der Geburten einer Frau
dürfte wegen der hohen Sterblichkeit und der längeren Stillzeiten fünf nicht
überschritten haben. Die F. steht meist unter der Personalgewalt (munt) des
Hausvaters, die mit Emanzipation, Abschichtung oder Verheiratung endet. Mit der
Christianisierung verbessert sich die Stellung der Frau in der F. Seit der
Neuzeit entdeckt der Staat sein Interesse an der Kindererziehung. Mit der
Industrialisierung wird die F. zur bloßen Verbrauchsgemeinschaft. Mit dem 19.
Jh. lockern sich auch die familienrechtlichen Bindungen, so dass das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die F. eher als Summe rechtlicher
Einzelbeziehungen versteht. Im 20. Jh. ändert sich vielleicht als Folge des
allmählichen Zurücktretens der körperlichen Arbeit die F. grundlegend.
Dementsprechend stellt Art. 199 I der Weimarer Reichsverfassung fest, dass
Grundlage der F. die auf der Gleichberechtigung der Geschlechter beruhende Ehe
ist. Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hebt alle den
Gleichberechtigungsgrundsatz verletzenden Bestimmungen auf. In der
Bundesrepublik entsteht infolge Nichterfüllung eines Auftrags des Grundgesetzes
zum 1. 4. 1953 ein gesetzloser Zustand, den das Bundesverfassungsgericht am
18. 12. 1953 durch Anerkennung der Gleichberechtigung hilfsweise schließt. Am
18. 6. 1957 verabschiedet der Bundestag ein am 1. 7. 1958 in Kraft tretendes
Gleichberechtigungsgesetz, das durch das Bundesverfassungsgericht am 29. 7.
1959 teilweise aufgehoben wird. Danach tritt in an die Stelle der väterlichen
Gewalt die gemeinschaftliche Leitung der F. durch Mann und Frau. 1979 wird die
gemeinsame →elterliche Gewalt durch die elterliche Sorge ersetzt.
Tatsächlich treten neben die durch die Ehe gekennzeichnete F. nichteheliche
Lebensgemeinschaft und gleichgeschlechtliche Partnerschaft.
Lit.: Kaser § 12; Söllner §§ 4, 5, 8, 12, 18; Hübner
615; Köbler, DRG 129, 209, 238, 252, 267; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2
1975, 253; Bartsch, R., Die Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau
und Mutter in der Rechtsentwicklung, 1907; Schulz, W., Die germanische Familie
der Vorzeit, 1925; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77
(1960), 1; Möller, H., Die kleinbürgerliche Familie im 18. Jahrhundert, 1969;
Vismara, G., Famiglia e successioni nella storia del diritto, 1970; Scheffler,
E., Die Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im Wandel der
Rechtsordnung seit 1918, 1970; Weber-Kellermann, I., Die deutsche Familie,
1974; Montanos, E., La familia en la Alta Edad Media española, 1980; Maschke,
E., Die Familie in der deutschen Stadt des späten Mittelalters, 1980; Familie
zwischen Tradition und Moderne, hg. v. Bulst, N., 1981; Gaunt, D., Familjelivi
i Norden, 1983; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Klippel, D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984),
117; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als Staatsaufgabe?, 2002; Burguière, A. u.
a., Histoire de la famille, 1986; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988;
Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990; Rosenbaum, H.,
Formen der Familie, 5. A. 1990; Haushalt und Familie, hg. v. Ehlert, T., 1991;
Dixon, S., The Roman Family, 1992; Rachel, C., Die Diskussion um den
französischen Familienrat in Deutschland im 19. Jahrhundert, 1994; Geschichte
der Familie, hg. v. Burguière, A. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Historische
Familienforschung, hg. v. Ehmer, J. u. a., 1997; Rothenbacher, F., Historische
Haushalts- und Familienstatistik, 1997; The Roman Family, hg. v. Rawson, B. u.
a., 1997; Schumann, E., Die nichteheliche Familie, 1998; Gestrich, A.,
Geschichte der Familie, 1999, 2. A. 2010, 3. A. 2013; Ehe und Familie, hg. v.
Hecker, H., 1999; Die jüdische Familie, hg. v. Keil, M. u. a., 1999; Peters,
U., Dynastiegeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Gestrich, A. u. a.,
Geschichte der Familie, 2003; Heinemann, R., Familie zwischen Tradition und
Emanzipation, 2004; Kuller, C., Familienpolitik im föderativen Sozialstaat,
2004; Schneiders, U., Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Le
médiéviste et la monographie familiale, hg. v. Aurell, M., 2004; Klippel, D.,
Familienpolizei, FS Dieter Schwab, 2005; Köbler, G., Familienrecht im
geschichtlichen Wandel (in) Recht als Erbe und Aufgabe, 2005, 355ff; Bauszus,
S., Der Topos von der Großfamilie, 2006; Familiensozialisation seit 1933, hg.
v. Gebhardt, M. u. a., 2007; Gendering the Fertility Decline in the Western
World, hg. v. Janssens, A., 2007; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B.,
2007; Meller, H. u. a., Tatort Eulau, 2010 (älteste je nachgewiesene
Kernfamilie); Generationen, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2010; Gestrich, A.,
Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, 2. A. 2010; Koschorke,
A./Ghanbari, N. u. a., Vor der Familie, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Die Familie in der
Gesellschaft des Mittelalters, hg. v. Spieß, K., 2009; Haag, M. van, Recht in
der Hausväterliteratur, 2014; Schumann, D., Bauarbeiten am „Fundament der
Gesellschaft“, 2014; Tomaszewski, M., Familienbücher als Medien städtischer
Kommunikation, 2017 (Basel)
Familienfideikommiss ist die auf rechtsgeschäftlicher
Stiftung beruhende Bindung des Vermögens (z. B. auch Grundstück, Haus,
Bibliothek) einer Familie im Mannesstamm ohne Bildung einer eigenen
Rechtspersönlichkeit. Solche Stiftungen des niederen Adels, die dieselben
Wirkungen wie die auf Rechtsetzungsgewalt beruhenden Hausgesetze der späteren
Landesherren anstreben, sind in England seit dem 8. Jh., in Deutschland seit
dem 11. Jh. bezeugt. Sie nehmen in der Neuzeit seit dem dreißigjährigen Krieg
(1618-1648) zu. Philipp Knipschild formuliert 1654 (De fideicommissis
familiarum nobilium, Über die Fideikommisse der adligen Familien) die dafür aus
dem römischrechtlichen (lat. [N.]) fideicommissum der justinianischen Novelle
159 und dem lehnrechtlichen Gedanken einer (lat.) successio (F.) ex pacto et
providentia maiorum (Nachfolge aus Vertrag und Voraussicht der Vorfahren)
entwickelte Theorie vorbildlich. Danach ist Eigentümer des durch schriftliche Willenserklärung
errichteten Familienfideikommisses (evtl. Eintragung und staatliche Genehmigung
notwendig) der jeweilige Inhaber oder gesamthänderisch die Gesamtheit der
jeweiligen Inhaber. Veräußerungen und Belastungen sind nichtig. Meist folgt der
älteste Sohn nach. Schon Montesquieu (1748) bekämpft den F. aus
wirtschaftlichem Grund. 1804 wird der F. im Gebiet des französischen Rechtes
aufgehoben. Dem passt sich die (gescheiterte) deutsche Reichsverfassung von
1848/1849 an. In Preußen wird die 1850 verfügte Aufhebung später wieder
beseitigt. Art. 155 II der Weimarer Reichsverfassung setzt die Auflösung fest,
ein Reichsgesetz vom 6. 7. 1938 beschleunigt sie (erloschen zum 1. 1. 1939,
vgl. das Bundesgesetz vom 28. 12. 1950/3. 8. 1967). Vielfach ist der F. in eine
Stiftung überführt.
Lit.: Kaser § 77; Söllner § 17; Hübner 337; Köbler,
DRG 123, 162, 210, 231; Lewis, W., Das Recht der Familienfideikommisse, 1868,
Neudruck 1969; Bruckner, F., Zur Geschichte des Fideicommisses, 1893; Hager,
P., Familienfideikommiss, 1897; Kunsemüller, E., Zur Entstehung der
westfälischen Fideikommisse, 1909; Sautier, A., Die Familienfideikommisse der
Stadt und Republik Luzern, 1909; Meyer, H., Die Anfänge des Familienfideikommisses
in Deutschland, FG R. Sohm 1914, 225; Seelmann, W. u. a., Das Recht der
Familienfideikommisse, 1920; Horsten, F., Die Familien-Fideikommiss-Politik in
Preußen, 1924; Hausgeschichte und Diplomatarium der Reichs-Semperfreien und
Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Klässel, O./Köhler, K., Die
Zwangsauflösung der Familienfideikommisse, Bd. 1 1932; Koehler, K./Heinemann,
E., Das Erlöschen der Familienfideikommisse, 1940; Söllner, A., Zur
Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS M. Kaser, 1976, 657; Bar, C.
v./Striewe, P., Die Auflösung der Familienfideikommisse, ZNR 3 (1981), 184;
Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Eckert, J., Use,
Trust, strict Settlement, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Bayer, B., Sukzession und Freiheit, 1999; Trott zu Solz, T. v., Erbrechtslose
Sondervermögen, 1999; Brandner, B., Die Auflösung der Familienfideikommisse in
Thüringen, 2000
Familiengericht ist die in Deutschland am 1. 7.
1977 geschaffene Gerichtsbarkeit in Familiensachen am →Amtsgericht. Das
F. entwickelt sich am Beginn des 20. Jh.s aus dem Jugendgericht in den
Vereinigten Staaten. Nach 1920 wird es in Japan aufgenommen.
Lit.: Röhl, Das Familiengericht in Japan, NJW 1957,
12; Erdsiek, G., Der Family Court in USA, NJW 1961, 1066; Peschel-Gutzeit, L.,
25 Jahre Familiengerichte in Deutschland, NJW 2002, 2737
Familiengesetzbuch ist das am 20. 12. 1965 zur
Neuordnung des Familienrechts in der →Deutschen Demokratischen Republik
geschaffene, 1990 endende Gesetzbuch (Egalisierung im Namensrecht,
erleichterte Scheidung ohne Unterhaltsansprüche, Errungenschaftsgemeinschaft,
Erziehung der Kinder zu Erbauern des Sozialismus).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Douma, E., Die Entwicklung
des Familiengesetzbuches der DDR, ZRG GA 111 (1994), 592; Schneiders, U.,
Hausväteridylle oder sozialistische Utopie?, 2004; Fischer-Langosch, P., Die
Entstehungsgeschichte des Familiengesetzbuches der DDR von 1965, 2006
Familienname (1748) ist
der gemeinschaftliche Name der Angehörigen einer Familie. Herkömmlich wird er
durch den Namen des Mannes bestimmt. Mit der Gleichberechtigung der
Geschlechter im ausgehenden 20. Jh. löst sich der einheitliche F. mehr und mehr
auf.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Familiennamen Österreichs (FAMOS)
Online (Projekt); www.genealogienetz.de/vereine/VFWKWB;
Familiennamen zwischen Maas und Rhein, hg. v. Gilles, P. u. a., 2014; Vogel,
R., Familiennamen in der Altvaterregion, 2014
Familienrecht (1775) ist die Gesamtheit der die →Familie betreffenden
Rechtssätze. Sachlich erfasst sind davon in erster Linie das Verhältnis von
Mann und →Frau in der Ehe, die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern
sowie die →Vormundschaft, →Pflegschaft und →Betreuung. Die
Erfassung der gesellschaftlichen Gegebenheiten durch das Recht ist erst
allmählich erfolgt. Einen bedeutsamen Anteil hieran hat die christliche Kirche
mit ihrer sakramentalen Ehevorstellung. Als besonderes Rechtsgebiet erscheint
das F. erst im späten 18. Jh. Seitdem wird es zunehmend geprägt von der
Emanzipation der Frau. Tatsächlich bedeutsam wird seit etwa 1970 die
medizinische Entdeckung der medikamentösen Empfängnisverhütung. Seit 1. 7.
1977 ist das Familienrecht in Deutschland etwa geändert durch erste Gesetz zur
Änderung unterhaltsrechtlicher, verfahrensrechtlicher und anderer Vorschriften
von dem 20. Februar 1986, das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von dem
16. Dezember 1997, das Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts
minderjähriger Kinder von dem 6. April 1998, das Gesetz zur Beendigung der
Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften bzw.
Lebenspartnerschaften von dem 16. Februar 2001, das
Unterhaltsrechtsänderungsgesetz von dem 21. Dezember 2007, das Gesetz zur Strukturreform
des Versorgungsausgleichs von dem 3. April 2009 und das Gesetz über das
Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit von dem 17. Dezember 2008 , das Familienverfahrensrecht seit 1.
9. 2009 (Abschaffung des Vormundschaftsgerichts, Erweiterung der
Zuständigkeit des Familiengerichts) sowie grundlegend 2017 durch die Ehe für
alle (zwischen Frau und Frau sowie zwischen Mann und Mann)..
Lit.: Kaser §§ 12, 58; Schulze, H., Erb- und
Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Dargun, L.,
Studien zum ältesten Familienrecht, 1892; Boehmer, G., Die Teilreform des
Familienrechts, 1962; Eisenmann, H., Konstanzer Institutionen des Familien- und
Erbrechts, 1964; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht im
Sachsenspiegel, 1970; Hafström, G., Den svenska familjerättens historia, 1970;
Bextermöller, C., Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik, 1970;
Dörner, H., Industrialisierung und Familienrecht, 1974; Buchholz, S., Savignys
Stellungnahme zum Ehe- und Familienrecht, Ius commune 8 (1979), 148; Die
Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs
eines Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Schubert, W., Familienrecht 3 Teile,
1983; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen Stadt, (in)
Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A.,
1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische Familien- und Jugendrecht, 1984; Zur
Geschichte des Ehe- und Familienrechts, hg. v. Mohnhaupt, H., 1987; Das
Familien- und Erbrecht unter dem Nationalsozialismus, hg. v. Schubert, W.,
1993; Ramm, T., Familienrecht – Verfassung, Geschichte, Reform, 1996; Vaupel,
H., Die Familienrechtsreform, 1999; Frank, R., 100 Jahre BGB, Familienrecht
zwischen Rechtspolitik, Verfassung und Dogmatik, AcP 200 (2000), 400; Franzius,
C., Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Wellenhofer, M., Das neue
Familienrecht, JuS 2009, 673; Gierke, O., Deutsches Privatrecht Bd. 4
Familienrecht, hg. v. Kroeschell, K./Nehlsen-von Stryk, K., 2010; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Family
Law in Early Women’s Rights Debates, hg. v. Meder, S. u. a., 2013;
Reformforderungen zum Familienrecht international, hg. v. Meder, S. u. a., Bd.
1f. 2013ff., Meder, S., Familienrecht, 2013; Küssner, J., Die
familienrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts Köln, 2013; Lennaerts, M.,
National Socialist Family Law, 2014; 40 Jahre Familienrechtsreform, hg. v.
Götz, I. u. a., 2017
Familienstammgut ist das seit dem 13. Jh. kraft Hausgesetzes
des Hochadels (meist mit Zustimmung des Kaisers des Heiligen römischen Reiches)
einer besonderen Erbfolge (ungeteilte Ältestenerbfolge) unterworfene Gut.
Ziel ist die Wahrung der Herrschaftsstellung. Wem dabei das Eigentum zusteht,
ist noch im 19. Jh. streitig. Nach einem Gesetz des deutschen Reiches vom 6. 7.
1938 erlöschen alle bestehenden, nicht in Stiftungen umgewandelten
Familienstammgüter mit dem 1. 1. 1939.
Lit.: Zimmerle,
L, Das deutsche Stammgutsystem, 1857; Schulze, H., Erb- und Familienrecht der
deutschen Dynastien des Mittelalters, 1871; Nöthiger, R.,
Familienfideikommisse, Stammgüter und standesherrliche Hausgüter, 1932;
Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse in Deutschland, 1992
Fara ist das langobardisch(-burgundisch)e Wort des 6./7.
Jh.s für die Fahrtgenossenschaft der Völkerwanderungszeit bzw. die Familie
oder das Geschlecht.
Lit.: Köbler, WAS; Fasoli, G., I Langobardi in Italia,
1965, 50; Cavanna, A., Fara, 1967; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden,
1982, 47; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen für soziale Stände, Schichten und
Gruppen in den Leges Barbarorum, 1991
Farbe ist der Eindruck, den der Mensch mit einem
unbewegten Auge von einem im Licht befindlichen Gegenstand wahrnimmt. Mit dem
Eindruck kann der Mensch Vorstellungen verbinden (z. B. Nationalfarben, Rubrum
des Urteilskopfs, rote Robe). Mit ihnen befasst sich vor allem die rechtliche
Volkskunde.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 4. A. 1899; Meyer, H., Die
rote Fahne, ZRG GA 50 (1930), 310ff.; Haupt, G., Die Farbe in der sakralen
Kunst des abendländischen Mittelalters, 1941; Lauffer, O., Farbe im deutschen
Volksbrauch, 1948; Gage, J., Kulturgeschichte der Farbe, 1994; Schwartzkopff,
A., Die Schutzfähigkeit von Farben als Marken, 2002; Münch, I. v., Farben und
Recht, 2006; Thurn, H., Farbwirkungen, 2007; Farbe im Mittelalter, hg. v.
Bennewitz, I., 2011; Meier, C. u. a., Handbuch der Farbenbedeutungen im
Mittelalter, 2012
Faschismus ist die politische Bewegung mit
nationalistischer totalitärer Zielsetzung, die ihren historischen Ausgang von
Benito Mussolini (Italien 23. 3. 1919 fasci di combattimento) genommen hat.
Ihr verbunden fühlen sich rasch Adolf →Hitler im Deutschen Reich,
Francisco Franco in Spanien und andere. Nach dem zweiten Weltkrieg (1939-1945)
wird der F. weltweit geächtet.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.
2 1975, 329; Nolte, E., Der Faschismus, 9. A. 1984; Turner, H., Faschismus und
Kapitalismus in Deutschland, 1972; Wippermann, W., Faschismustheorien, 6. A.
1995; Payne, S., The History of Fascism, 1995; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 40 I; Faschismus und Gesellschaft in
Italien, hg. v. Petersen, J. u. a., 1998; Sternhell, Z. u. a., Die Entstehung
der faschistischen Ideologie, 1999; Kühnl, R., Der deutsche Faschismus, 7. A.
2000; Nolte, E., Der Faschismus in seiner Epoche, 5. A. 2000; Payne, S.,
Geschichte des Faschismus, 2001; Reichardt, S., Faschistische Kampfbünde, 2002;
Nietzsche, Godfather of Fascism?, hg. v. Golomb, J. u. a., 2002; Classen, C.,
Faschismus und Antifaschismus, 2004; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus,
2005; Bauerkämper, A., Der Faschismus in Europa 1918-1945, 2006; Knox, M., To
the Threshold of Power 1922/33, 2007; Somma, S., Nicht einen Nagel habt ihr
entfernt, ZRG 125 (2008), 314; Dormagen, J., Logiques du Fascisme, 2008;
Schieder, W., Faschistische Diktaturen, 2008 (Sammelband); Wippermann, W.,
Faschismus, 2009; The Oxford Handbook of Fascism, hg. v. Bosworth, R., 2009;
Schieder, W., Der italienische Faschismus 1919-1945, 2010; Stepanek, F., Ich
bekämpfte jeden Faschismus, 2010; Damm, M., Die Rezeption des italienischen
Faschismus in der Weimarer Republik, 2013; Wenke, N., Führer und Duce, 2013;
Der Faschismus in Europa, hg. v. Schlemmer, T., 2014; Kertzer, D., Der erste
Stellvertreter, 2016
Faustpfand ist das dem Pfandgläubiger zu
unmittelbarem Besitz übergebene →Pfand, dessen Name sich von der
unrichtigen Verbindung von (lat. [N.]) pignus, Pfand mit (lat. [M.]) pugnus,
Faust ableitet. Im römischen Recht ist das Pfand teils Besitzpfand, teils
besitzloses Pfand. Im deutschen Pfandrecht ist das Pfand zunächst F., doch
entwickelt sich im Hochmittelalter an einigen für den Schuldner schwer entbehrlichen
Sachen auch ein besitzloses Pfand (neuere Satzung an Fahrnis). Trotz der
Aufnahme des römischen Rechtes bleibt das (dadurch zurückgedrängte) F. bestehen
und wird in die Hypothec- und Concursordnung Preußens (1722), das Allgemeine
Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs
(1811/1812) und in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen. Die
deutsche Rechtswirklichkeit des 20. Jh.s zieht die →Sicherungsübereignung
vor.
Lit.: Kaser § 31 III; Köbler, DRG 126, 164, 213; Hromadka,
W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Mitteis, H./Lieberich, H.,
Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. 39
Faustrecht (1467) ist
die Bezeichnung für den Zustand der menschlichen Gesellschaft, in dem sich
jeder sein Recht mit eigener Faust (Selbsthilfe) zu erkämpfen versucht.
Insofern ist ein rechtsfreier Urzustand ein Zustand des Faustrechts, dem als
Gegensatz der moderne, zunehmend besser bewertete Rechtsstaat gegenübersteht,
in dem alle Verhältnisse rechtlich geordnet sind und grundsätzlich alle
einzelnen Interessen im Streit der Durchsetzung durch den
gewaltmonopolistischen Staat bedürfen.
Lit.: Wendt, O., Das Faustrecht, 1883; Fischer, M.,
Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007
favor (lat. [M.]) Gunst, Begünstigung (z. B. im
Zweifel für Gültigkeit oder für Freiheit)
favor (M.) iuris (lat.) Rechtswohltat
Favor (M.) libertatis (lat.) ist im spätrömischen Recht
die im Zweifel im Rechtsstreit um die Freiheit gewährte Begünstigung der
Freiheit.
Lit.: Kaser §§ 13, 15; Söllner § 12; Köbler, DRG 57
Favor (M.) testamenti (lat.) ist im römischen Recht die
bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten im Zweifel gewährte Begünstigung des nur
unentgeltliche Verfügungen enthaltenden Testaments gegenüber Geschäften unter
Lebenden.
Lit.: Kaser § 68 I; Köbler, DRG 60
Favre (Faber), Antoine (1557-1624) aus
Savoyen wird nach dem Rechtsstudium in Paris und Turin 1585 Mitglied und 1610
Präsident des Gerichtshofs von Savoyen, dessen Entscheidungen er in dem nach
dem justinianischen Codex systematisierten Codex Fabrianus definitionum
forensium (Faberschen Buch der gerichtlichen Erklärungen) 1609 veröffentlicht
(Begründer der Interpolationenforschung).
Lit.: Chevalier, L., Le président Favre, TRG 20
(1952), 263, 456
FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [in der Deutschen
Demokratischen Republik])
Febronius, Justinus ist das Pseudonym Johann Nikolaus
von Hontheims (Trier 27. 1. 1701-Montquintin/Luxemburg 2. 9. 1790, Weihbischof
von Trier), unter dem 1763 (lat.) De statu ecclesiae (Vom Zustand der Kirche)
erscheint, in dem der Gedanke der den Papst beschränkenden Nationalkirchen
unterstützt wird (Febronianismus).
Lit.: Mejer, O., Febronius, 2. A. 1885; Pitzer, V., Justinus Febronius,
1976
Februarpatent ist in →Österreich das dem
→Oktoberdiplom folgende Patent vom 26. 2. 1861, das als Verfassung
(Februarverfassung) des österreichischen Reiches einen Inbegriff von
Grundgesetzen (Pragmatische Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der
ungarischen Verfassung, Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen
für die cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern
(Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den
Landtagen zu entsenden sind, 1873 Direktwahl) und damit den
→Neoabsolutismus formal beendet. Das F. schafft ein zentrales System und
bildet die erste Grundlage für den mit der →Dezemberverfassung 1867
begründeten Konstitutionalismus. In Ungarn wird das Grundgesetz über die
Reichsvertretung von liberalen Kräften abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher; Rottenbacher, B.,
Das Februarpatent in der Praxis, 2001; Das Februarpatent 1861, hg. v.
Bussjäger, P. u. a., 2011
Fehde ist
im mittelalterlichen deutschen Recht der Zustand der rechtmäßigen, Verletzungen
fremder Menschen und Sachen erlaubenden Feindschaft zwischen dem Verletzten
(und seiner Verwandtschaft) und dem Rechtsbrecher (und seiner Verwandtschaft)
zwecks Durchsetzung eines bestehenden oder behaupteten Rechtes. Die F. lässt
die Selbsthilfe zu und zwar auch in der Form der Blutrache. Neben ihr steht
wohl schon früh die Möglichkeit des Erfolgsausgleichs durch Verhandlung bzw.
Meinungsbildung oder Entscheidung Dritter. Im Frühmittelalter beginnen König
und Kirche die F. wegen ihrer unbefriedigenden, in der Nähe des Unrechts
stehenden Folgen zurückzudrängen. Deswegen enthalten die Volksrechte
umfangreiche Bußkataloge (→Kompositionensystem). Im Hochmittelalter wird
in den Landfriedensbestimmungen das Mittel der peinlichen →Strafe gegen
die F. eingesetzt. Die F. wird auf den Adel beschränkt. Dem römischen Recht und
dem kanonischen Recht ist die F. unbekannt, so dass die Rezeption eher zur
Ablehnung der F. führt. Landfrieden von 1467, 1486 und schließlich der ewige
Landfriede von 1495 verbieten die F. umfassend. Gleichzeitig wird das Reichskammergericht
als Streitentscheidungsorgan verfügbar. Danach geht die wohl noch
gewohnheitsrechtlich legitimierte oder zumindest gewohnheitsmäßig geübte F.,
wie sie beispielsweise auch der Berliner Kaufmann Hans Kohlhase von 1534 bis
1538/1540 führt, tatsächlich allmählich zurück. →Duell und
→Selbsthilfe bleiben Überreste auch in der Neuzeit.
Lit.: Köbler, LAW; Halban-Blumenstok, A., Königsschutz
und Fehde, ZRG GA 17 (1896), 63; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915;
His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 263, Neudruck
1964; Blockmans, F., Een patricische veete te Gent, Bulletijn der koninkl.
commissie van geschiedenis 99 (1935), 573; Goebel, J., Felony and misdemeanor,
1937; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 2. A. 1942, 3. A. 1943, 4. A.
1959, 5. A. 1965; Genzmer, F., Rache, Wergeld und Klage, 1941; Asmus, H.,
Rechtsprobleme des mittelalterlichen Fehdewesens, 1951; Kaufmann, E., Die Fehde
des Sichar, JuS 1 (1961), 85; Fenger, O., Fejde og mandebod, 1971; Obenaus, H.,
Recht und Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Orth, E., Die
Fehden der Reichsstadt Frankfurt am Main im Spätmittelalter, 1973; Sendler, H.,
Über Michael Kohlhaas, 1985; Kaufmann, M., Fehde und Rechtshilfe, 1993;
Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Ritzmann, P., Plackerey in deutschen
Landen, 1995; Müller-Tragin, C., Die Fehde des Hans Kohlhase, 1997; Zmora, H.,
State and Nobility in Early Modern Germany, 1996; Althoff, G. Spielregeln der
Politik im Mittelalter, 1997, 2. A. 2014; Vogel, T., Fehderecht und Fehdepraxis
im Spätmittelalter, 1998; Dießelhorst, M./Duncker, A., Hans Kohlhase, 1999;
Graf, K., Gewalt und Adel in Südwestdeutschland, 2000; Hoheitliches Strafen in
der Spätantike und im frühen Mittelalter, hg. v. Weitzel, J., 2002; Reinle, C.,
Bauernfehden, 2003; Hyams, P., Rancor and Reconciliation in Medieval England,
2003; Bechstein, E., Die Tierberger Fehde, 2004; Kortüm, H., Wissenschaft im
Doppelpass? Carl Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282
(2006), 561ff.; Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. v. Netterström,
J. u. a., 2007; Fischer, M., Reichsreform und ewiger Landfrieden, 2007;
Bernoth, C., Die Fehde des Sichar, 2008; Karauscheck, E., Fehde und Blutrache,
2011; Konzen, N., Aller Welt Feind – Fehdenetzwerke um Hans von Rechberg, 2014;
Fehdehandeln und Fedegruppen, hg. v. Prange, M. u. a., 2014; Wieland, C., Nach
der Fehde, 2014; ; Dirks, F., Konfliktaustragung im norddeutschen
Raum des 14. und 15. Jahrhunderts, 2015
Fehler (1470) ist im Kaufrecht die Abweichung von
einer vereinbarten oder vorausgesetzten Beschaffenheit. Nach rezipiertem
römischem Recht begründet der F. einen Anspruch auf Wandelung oder Minderung.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fehmarn
Lit.: Thon, H., Untersuchungen zur Rechtsgeschichte der Insel Fehmarn,
Zs. der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 117;
Kramer, K., Fehmarner Volksleben, 1982,
Fehr, Hans (Sankt Gallen 9. 11. 1874-Muri bei Bern 21. 11.
1961) wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Berlin (Heinrich Brunner, Otto
von Gierke, Josef Kohler), Bern (Eugen Huber) und Leipzig (Rudolf Sohm, Gerhard
Seeliger) Professor für deutsche Rechtsgeschichte in Jena (1907), Halle (1912),
Heidelberg (1917, Nachfolge Richard Schröders) und Bern (1924-1944). Seine
Hauptwerke betreffen das Recht im Bilde (1923), das Recht in der Dichtung (1933)
und die Dichtung im Recht (1937).
Lit.: Kunst und Recht, hg. v. Beyerle, F./Bader, K.,
1948; Bader, K., Hans Fehr, ZRG GA 80 (1963), XV; Jelowik, L., Tradition und
Fortschritt, 1998, 125f.
Feiertag ist der kraft Rechtes arbeitsfreie
Arbeitstag. Die Arbeitsfreiheit des siebenten Wochentags und der Feste
Weihnachten, Ostern und Pfingsten geht auf die jüdisch-christliche Tradition
zurück. 1642 schränkt Papst Urban VIII. die zu groß gewordene Zahl der
katholischen Feiertage auf 34 jährlich ein. Seit dem 19. Jh. wird die
staatliche Gesetzgebung entscheidend, auf die auch die an bezahlter
Arbeitsfreiheit interessierten Gewerkschaften (Tag der Arbeit) und die ihr
ablehnend gegenüberstehenden Arbeitgeber Einfluss nehmen. Im ausgehenden 20.
Jh. verringern wirtschaftliche Überlegungen (z. B. Maschinenauslastung,
Konsumsteigerung, Freizeitmerkantilisierung) die Bedeutung des Feiertags.
Lit.: Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd.
1ff. 1953ff.; Krämer, J., Industrialisierung und Feiertage, 1999; Grube, A.,
Der Sonntag, 2003; Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes
in Baden, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 2003
Feigheit ist die Neigung des Menschen, sein Handeln von
Furcht vor Gefahren bestimmen zu lassen. Im Militärstrafgesetzbuch Preußens
von 1845 wird F. Straftatbestand. Auch nach § 6 Wehrstrafgesetz von 1957
entschuldigt Furcht vor persönlicher Gefahr nicht.
Lit.: Brinkkötter, H., Feigheit, Diss, jur. Marburg 1983
Feine, Hans Erich (Göttingen 21. 3. 1890, Tübingen
6. 3. 1965), Theologensohn, wird 1913 in Halle bei Paul Rehme promoviert und
nach Kriegsteilnahme und Assistentenzeit bei seinem Schwiegervater Ulrich Stutz
1920 bei Paul Rehme in Breslau habilitiert. 1922 wird er Professor in Rostock,
1931 in Tübingen, wo er wegen seiner Verbundenheit mit dem Gedankengut des
Nationalsozialismus 1946 amtsenthoben und 1952 emeritiert wird, 1955 aber
seinen früheren Lehrstuhl wieder erhält. Seine Verfassungsgeschichte der
Neuzeit ist im Nationalsozialismus erfolgreich, seine kirchliche
Rechtsgeschichte unvollendet.
Lit.: Tausend Jahre deutsche Reichssehnsucht und Reichswirklichkeit,
1935; Bader, K., Hans Erich Feine, ZRG KA 51 (1965), XIff.,;Münchener
rechtshistorische Studien zum Nationalsozialismus, hg. v. Nehlsen, H., 1996
Feld ist das dem Ackerbau unterworfene Grundstück
(im Gegensatz zu Wiese und Wald).
Feldfrevel ist die ältere Sammelbezeichnung für die
Beschädigung eines fremden Feldes (z. B. Reiten über fremdes Feld, Überpflügen,
Übermähen). Der F. ist vor allem in Weistümern und Polizeiordnungen behandelt
(vgl. auch Art. 167f. CCC). Rechtsfolgen sind vielfach Bußen und Schadenseratz.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
224ff.
Feldservitut (F.) s. Servitut, Dienstbarkeit
Felonie (11. Jh.) ist
der Treuebruch (im mittelalterlichen Lehnswesen) durch Nichterfüllung der
Lehnspflichten (z. B. heimlicher Verkauf des Lehens, Verweigerung der
Einlassung in einen Lehnsprozess, Tötung des Lehnsherrn). Die F. des Lehnsmanns
berechtigt den Lehnsherrn zur Einziehung des Lehens, doch wird diese Folge in
der Neuzeit abgemildert. Bei F. des Lehnsherrn kann der Lehnsmann eine
→Fehde beginnen oder eine Klage erheben.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 542, 679; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937;
Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau 1937; Theuerkauf,
G., Land und Lehnswesen, 1961; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafen von
Katzenelnbogen, 1969; Bellamy, J., The Law of Treason, 1970; Ganshof, F., Was
ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983, 104; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige im Spätmittelalter, 1979, 400
Feme (Bund?, Strafe?), mhd. veme, ist im
spätmittelalterlichen deutschen Recht die auf die Verbesserung der Rechtspflege
durch Femegerichte abzielende Bewegung innerhalb der Gerichtsbarkeit (vemenoten
1227, 1306, 1311 belegt). Zu diesem Zweck entstehen seit dem (13. oder) 14. Jh.
aus den westfälischen Freigerichten besondere Femegerichte, die mit einem Freigrafen
und 7 Freischöffen besetzt sind. Die Angehörigen des Femegerichts sind in
feierlicher Form in die Geheimnisse der F. eingeweiht. Jeder Freischöffe ist
verpflichtet, todeswürdiges Unrecht zu rügen (Diebstahl, Raub, Gewalt gegen
Kirchen, Mord, Meineid). Bei Bedarf können die Freischöffen überall ein
Notgericht durchführen und nach Überführung den Täter sofort mit dem Strang
richten. Missachtet ein Beschuldigter eine Ladung, so wird das Verfahren in
Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt. Ohne dass er das Urteil kennt, muss
er jederzeit mit der Vollstreckung rechnen, wenngleich anscheinend nur eine
ziemlich geringe Zahl von Todesurteilen tatsächlich vollstreckt wird. Die
allmählich mit teilweiser königlicher Unterstützung über das Reich (rund 15000-30000
Freischöffen) verbreitete F. wird wegen der auftretenden Missbräuche seit der
Mitte des 15. Jh.s zurückgedrängt. Sie endet im 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wigand, P., Das Femgericht
Westfalens, 1825, 2. A. 1893, Neudruck 1968; Tross, L., Sammlung merkwürdiger
Urkunden für die Geschichte der Femgerichte, 1826; Usener, P., Die Frei- und
heimlichen Gerichte Westphalens, 18323; Duncker, H., Kritische Besprechung der
wichtigsten Quellen, ZRG GA 5 (1884), 116; Lindner, T., Die Veme, 1888, 2. A.
1896, Neudruck 1989; Schnettler, O., Die Veme, 1921, 2. A. 1933; Siedler, A.,
Geschichte des Niedergangs der westfälischen Femegerichte, 1935; Scherer, C.,
Die westfälischen Femegerichte und die Eidgenossenschaft, 1941; Veit, L.,
Nürnberg und die Feme, 1955; Harnisch, W., Anmerkungen zu neueren Ansichten
über die Feme, ZRG GA 102 (1985), 247; Gimbel, R., Die Reichsstadt Frankfurt am
Main, 1990; Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002; Schwob, U., Spuren der
Femgerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Tirol, 2009; Fricke, E., Die
westfälische Veme Supplementband, 2011; Eckhardt, W., Die Waldecker Handschrift
des Staatsarchivs Marburg in der Überlieferung der Femerechtsquellen, ZRG GA
133 (2016), 81; Eckhardt, W., Eine Waldecker Femerechtshandschrift in Marburg,
Zs. d. Ver. für hess. Gesch. 121 (2016), 1ff. (24 Blätter des 15. Jh.s bzw. um
1478)
Femegericht →Feme
Fememord (politischer Mord im 20. Jh.) z. B. an
Matthias Erzberger (1921) oder Walter Rathenau (1923)
Feminismus (M.)
Geistesströmung des ausgehenden 20. Jh.s zu Gunsten des Femininen oder
Weiblichen
Lit.: Feministische Rechtswissenschaft, hg. v. Foljanty, L. u. a.,
2006, 2. A. 2012
Fenus (N.) nauticum (lat.) ist im klassischen
römischen Recht das aus dem griechischen Recht kommende, ohne weiteres in
unbeschränkter Höhe verzinsliche →Darlehen im Seerecht. Gehen die auf dem
Schiff verladenen Sachen unter, so wird der Darlehensnehmer frei.
Lit.: Kaser §§ 34 IV 2, 39 I 3; Mathiass, B., Das
foenus nauticum und die geschichtliche Entstehung der Bodmerei, 1881; Schuster,
S., Das Seedarlehen in den Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Ferdinand
I. (Alcalá de
Henares 10. 3. 1503-Wien 25. 7. 1564) ist der zweite Sohn Philipps von Burgund
und Johannas von Kastilien. Er vertritt seit 1521 seinen älteren Bruder Kaiser
Karl V. im Reich, erhält 1521/1522 die österreichischen Herzogtümer, wird über
(Heirat mit) Anna Jagiello von Ungarn am 23. 10. 1526/17. 12. 1526 zum König
von Böhmen bzw. Ungarn gewählt, wird am 5. 1. 1531 römischer König und am 14.
3. 1558 Kaiser des Heiligen römischen Reiches. Er begründet die österreichische
Linie der Habsburger. Bei seinem Tod werden die österreichischen Länder in eine
österreichische Linie, steirische Linie und Tiroler Linie geteilt.
Lit.: Buchholtz, F., Geschichte der Regierung
Ferdinand des Ersten, Bd. 1ff. 1831ff.; Ferdinand I., hg. v. Fuchs, M. 2002;
González Navarro, R., Fernando I., 2003; Kaiser Ferdinand I. 1503-1564, 2003
Ferdinand
III.
Lit.: Hengerer, M., Kaiser Ferdinand III. (1608-1657),
2012
Ferdinandea ist eine manchmal verwendete
Bezeichnung für die Landgerichtsordnung für Österreich unter der Enns von 1656,
die bereits einzelne Tatbestandsmerkmale aufführt..
Fernhandel ist der weiträumige Handel in
Altertum und Mittelalter. Im Frühmittelalter wird der F. vor allem von syrischen
und jüdischen sowie auch friesischen, angelsächsischen und normannischen
Händlern betrieben. Mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft dehnt sich der auch
technisch verbesserte F. über weite Teile Europas aus und geht in der Neuzeit
in einen erdumspannenden F., Außenhandel oder Welthandel über.
Lit.: Warnke, C., Die Anfänge des Fernhandels in
Polen, 1964; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und
frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Teil 1ff. 1985ff.; Siems,
H., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1995;
Fernhandel und Geldwirtschaft, hg. v. Kluge, B., 1993; Mercati e Mercanti
nell’alto medioevo, 1993; Stoob, H., Die Hanse 1995; Nagel, J., Abenteuer
Fernhandel, 2007
Ferrara
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007
Fertigung
Lit.: Müller, W., Fertigung und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976
Fertigungsrecht
Lit.: Escher, A., Zur Geschichte des zürcherischen Fertigungsrechtes,
Jb. f. schweiz. Geschichte 32 (1907), 89
Fest ist die gemeinschaftliche Feier eines Ereignisses.
Verschiedentlich werden auch rechtliche bedeutsame Ereignisse durch ein F.
hervorgehoben (z. B. Friedensschluss, Heirat).
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Fest und Festhistorik, hg. v.
Kopperschmidt, J. u. a., 1999; Becker-Huberti, M., Lexikon der Bräuche und
Feste, 2000; Das Fest, hg. v. Maurer, M., 2004; Festrituale in der römischen
Kaiserzeit, hg. v. Rüpke, J., 2008; Feiern und Erinnern, hg. v. Beck, H. u. a.,
2009; Greek and Roman Festivals, hg. v. Brandt, J. u. a., 2012; Le banquet du
monarque dans le monde antique, hg. v. Grandjean, C. u. a., 2013
Festkrönung ist im Mittelalter die (Wiederholung
einer) Krönung an einem Fest.
Lit.: Klewitz, H., Die Festkrönung der deutschen
Könige, ZRG KA 28 (1939), 48ff.; Brühl, C., Fränkischer Krönungsbrauch und das
Problem der Festkrönung, HZ 194 (1962), 265ff.; Jäschke, K.,
Frühmittelalterliche Festkrönungen?, HZ 211 (1970), 556ff.
Festschrift (1640 erste Festschrift der Welt
mit vielen Beiträgen deutscher Dichter zu Ehern der 200. Wiederkehr des
Buchdrucks mit beweglichen Lettern)
Lit.: Bibliographie juristischer Festschriften, bearb.
v. Dau, H., Bd. 1ff. (1945-1961ff.), 1962ff.
Feststellungsklage ist die auf Feststellung eines
Rechtsverhältnisses gerichtete Klage.
Lit.: Weismann, J., Die Feststellungsklage, 1879
Festuca ist der seit dem Frühmittelalter
(→Lex Salica, →Lex Ribvaria) als Rechtssymbol verwendete Halm oder
Stab. Eine f. wird etwa geworfen, wenn jemand einseitig eine Bindung aufsagt
(Exfestukation). Eine f. wird überreicht, wenn ein Recht einverständlich
übertragen werden soll. In der frühen Neuzeit verschwindet die f.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 23; Köbler, LAW;
Michelsen, A., Über die festuca, 1856; Thévenin, M., Wadium et festuca,
Nouvelle Revue historique du droit, 1880, 69; Amira, K. v., Der Stab in der
germanischen Rechtssymbolik, 1909, 145; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio,
ZRG GA 83 (1966), 1
Festung ist der zum Zweck der Verteidigung
durch Bauwerke besonders (fest) gesicherte Ort in der frühen Neuzeit. Die F.
entsteht im 14./15. Jh. in Italien, als die schweren Geschütze die bisherigen
Befestigungen von Burg und Stadt entwerten. Führend im Festungsbau wird danach Frankreich
(Vauban 1633-1707). 1820 gibt es in Preußen noch 24 Festungen. Spätestens die
Erfindung der Luftwaffe lässt die nur horizontal gesicherten Festungen wertlos
werden.
Lit.: Menne, P., Die Festung des norddeutschen Raumes,
1942; Huber, R./Rieth, R., Festungen, 1979; Neumann, H., Festungsbaukunst und
Festungsbautechnik, 1988; Böhme, H. u. a., Wörterbuch der Burgen, Schlösser
und Festungen, 2004
Festungsbaustrafe ist die in der zwangsweisen
Mitwirkung im Bau einer →Festung bestehende Strafe der frühen Neuzeit (z.
T. bis 1867).
Lit.: Kleinschrod, G., Über die Strafe der
öffentlichen Arbeiten, 1789; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs, 1999;
Ivanovic, I., Zwangsarbeit als Strafe, 2002
Festungshaft ist die in einer →Festung
vollzogene Freiheitsstrafe der mittleren Neuzeit. Sie zieht keine
Ehrenminderung nach sich. 1954 wird sie von den Alliierten verboten, nach
Wiederbelebung als Einschließung 1969 mit Einführung der
Einheitsfreiheitsstrafe aufgegeben.
Lit.: Wächter, C., Lehrbuch des römisch-deutschen
Strafrechts, Bd. 1 1825; Sonntag, K., Die Festungshaft 1872; Otto, W., Die
Festungshaft, Diss. jur. Jena 1939; Uhl, K., Grundlagen der Festungshaft, Diss.
jur. Tübingen 1940 (masch. schr.); Giesing, G., Entbehrlichkeit der
Festungshaft?, Diss. jur. Tübingen 1948 (masch. schr.); Jennings, G., Die
custodia honesta, Diss. jur. Köln 1965 (masch. schr.); Krause, T., Geschichte
des Strafvollzugs, 1999
Feudalismus (frz. féodalité 1722/1727) ist
im Sinne eines idealtypischen Ordnungsbegriffs die soziale, wirtschaftliche und
politische Ordnung einer Gesellschaft, in der eine (adlige) Oberschicht mit
Rechten an Land und anderen Gegenständen als Ausgleich für Kriegsdienste und
andere Dienste ausgestattet wird, im engeren Sinn das Lehnswesen. In Europa
entsteht der F. spätestens im Frühmittelalter. Er bleibt bis in das 19. Jh.
(1848) bestimmend, wenn er auch seit dem ausgehenden 18. Jh. bekämpft wird.
→Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 174;
Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 337; Beaudoin, E.,
Étude sur les origines du régime féodal, 1889; Bloch, M., La société féodale,
Bd. 1f. 1939f.; Brunner, O., Feudalismus, Abh. d. Akad. d. Wiss. Mainz, 1958,
10; Graus, F., Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus, Jb. f.
Wirtschaftsgeschichte 1 (1961), 61; Feudalismus, hg. v. Wunder, H., 1974;
Feudalismus, hg. v. Kuchenbuch, L. u. a., 1977; Guerreau, A., Le féodalisme,
1980; Duby, H., Die drei Ordnungen, 1981; Zum Problem des Feudalismus in
Europa, 1981; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 1985;
Feudalismus, hg. v. Müller-Mertens, E., 1985; Strukturen der Grundherrschaft
im frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Kroeschell, K., Lehnrecht und
Verfassung, 1997; Borgolte, M., Feudalismus, ZHF 25 (1998), 245ff.; Bloch, M.,
Die Feudalgesellschaft, 1999; Blickle, P., Kommunalismus, 2000; Die Gegenwart
des Feudalismus, hg. v. Fryde, N. u. a., 2002; Fiefs et féodalité, hg. v.
Bonnassie, P., 2002; Reynolds, S., The Middle Ages without feudalism, 2012;
Castiglioni, B., L’altro feudalismo, 2010
Feudistik (F.) Wissenschaft vom (mlat.) feudum (N.) bzw.
vom Lehnswesen bzw. vom Lehnsrecht
feudum (mlat. [N.]) Lehen, wahrscheinlich
zu ahd. fihu (N.) Vieh, Erstbeleg Sankt Gallen 786, im 13. Jh. häufiger als
(lat.) beneficium (N.), f. extra curtem (sachlich seit dem hohen Mittelalter,
Wort 18. Jh.) Lehen außerhalb der eigenen Landesherrschaft
Lit.: Köbler, LAW; Prausnitz, O., Feuda extra curtem,
1929; Krawinkel, H., Feudum, 1938; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern
volkssprachiger Herkunft, 1973, 100ff.; Spieß, K., Das Lehnswesen in
Deutschland, 2002, 2. A. 1009
Feuerbach, Paul Johann Anselm von (Hainichen
bei Jena 14. 11. 1775-Frankfurt am Main 29. 5. 1833), unehelich geborenes Kind
eines späteren Anwalts, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena
(1795 Dr. phil., 1799 Dr. iur.) außerordentlicher Professor in Jena, 1801
ordentlicher Professor, 1802 in Kiel und 1804 in Landshut sowie nach Aufgabe
seiner Lehrtätigkeit 1805 Verwaltungsbeamter in München, 1814
Appellationsvizegerichtspräsident in Bamberg und 1817 Appellationsgerichtspräsident
in Ansbach. Auf Grund des 1801 erschienenen Lehrbuchs des gemeinen in
Deutschland gültigen peinlichen Rechtes (Jede Zufügung einer Strafe setzt ein
Strafgesetz voraus - die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Dasein der
bedrohten Handlung - die gesetzlich bedrohte Tat bedingt die gesetzliche
Strafe) wird ihm (1804) die Erarbeitung eines modernen →Strafgesetzbuchs
(1813) in →Bayern übertragen. Wegen seiner von der Aufklärung geprägten
Theorie des psychologischen Zwangs will er mit genauen Tatbeständen ([lat.]
→nullum crimen sine lege) jedermann von Verletzungen der Rechte anderer
abschrecken (→Generalprävention durch Furcht vor Strafe) und dadurch die
wechselseitige Freiheit des Bürgers schützen. Im Verfahren setzt sich F. für
Öffentlichkeit und Mündlichkeit ein. Daneben entwickelt er auch
kriminalsoziologische Vorstellungen.
Lit.: Köbler, DRG 181, 204; Feuerbach, L., Anselm
Ritter von Feuerbachs Leben, 1852; Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907,
Neudruck 1958; Radbruch, G., Paul Johann Anselm Feuerbach, 1934, 2. A. 1957, 3.
A. 1969, 4. A. 1998 (auch in Radbruch-Gesamtausgabe); Blau, G., P. J. A.
Feuerbach, 1948; Wolf, E., Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 543; Naucke,
W., Kant und die psychologische Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Gallas, W., P.
J. A. Feuerbachs „Kritik des natürlichen Rechts“ 1964 (SB Heidelberg); Kipper,
E., Johann Paul Anselm Feuerbach, 1969; Schubert, G., Feuerbachs Entwurf zu
einem Strafgesetzbuch, 1978; Feuerbach, Paul Johann Anselm – Savigny, Friedrich
Carl von, 12 Stücke aus dem Briefwechsel, hg. v. Kadel, H., 1990; Neh, S., Die
posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Küper, W., Das Verbrechen am
Seelenleben, 1991; Feuerbach, P., Reflexionen, hg. v. Küper, W., 1993; Die
Bedeutung P. J. A. Feuerbachs, hg. v. Haney, G., 2003; Feuerbachs Bayerisches
Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2014
Feuerschau ist die im Spätmittelalter in den
Städten und danach auch in den Dörfern entwickelte regelmäßige amtliche Überprüfung
aller Gebäude auf ihre Feuersicherheit, bei der auch Geldstrafe oder Gefängnis
verhängt werden kann.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff., 2, 367ff.
Feuerstrafe ist das Verbrennen eines Täters.
Die F. ist im Altertum bekannt. Sie ist im Frühmittelalter selten. Mit dem
peinlichen Strafrecht wird sie für Brandstiftung, Ketzerei und Unzucht mit
Tieren üblich (Sachsenspiegel Landrecht [1221-1224] II 13 § 7, CCC [1532] Art.
109, 111, 116, 125, 172). Bald werden insbesondere Hexen verbrannt. Als Folge
der Aufklärung wird die F. seit dem 18. Jh. aufgegeben.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961, 639; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, 502, Neudruck 1964; Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tod, 1988
Feuerversicherung ist die Versicherung gegen Schäden
an Sachen durch Feuer. Erste Ansätze finden sich bereits im Mittelalter. In der
Neuzeit wird die F. Zwangsversicherung.
Lit.: ; Kühn, R., Das Brandversicherungswesen im
Königreich Sachsen 1913, Neudruck 2013; Helmer, G., Die Geschichte der privaten
Feuerversicherung in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, Bd. 1f. 1925f.;
Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte und die Anfänge des deutschen
Feuerversicherungsrechts, 1936; Zwierlein, C., Der gezähmte Prometheus - Feuer
und Sicherheit, 2011
Feuerwehr ist die Abwehr von Gefahren des
Feuers meist durch gemeinsame Anstrengung mehrerer Menschen. Sie beginnt als
staatliche Leistung im Grunde mit der Schaffung von Wächtern ([lat.] vigiles
[M.Pl.] Wächter) in Rom unter Kaiser Augustus (27. v. Chr.-14 n. Chr.). Im 19.
Jh. treten freiwillige Feuerwehr in kleinen Gemeinden und berufsmäßige
Feuerwehr in Großstädten einander gegenüber.
Lit.: Wallat, K., Sequitur clades – Die Vigiles im
antiken Rom, 2004
Fiat iustitia et pereat mundus (lat.). Es muss (über kostbare
Waffen bzw. Anmaßungen Hochgestellter gerichtet und) Gerechtigkeit geübt werden
und der Hochmut zu Fall kommen (bzw. im Sinne abgewandelt es muss Gerechtigkeit
geschehen, selbst wenn die Welt darüber zugrunde gehen sollte).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Anfang 16. Jh.); Liebs, D., Das Rechtssprichwort Fiat iustitia et pereat mundus
(in) RIDA 61 (2014), 83 (Papst Hadrian bzw. Adriaan Floriszoon Dedel 1522)
Fichard, Johann (Frankfurt am Main 23. 6.
1512-Frankfurt am Main 7. 6. 1580) wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg
(1528), Freiburg im Breisgau (Ulrich Zasius) und Basel (1530) sowie der
Promotion in Freiburg im Breisgau am 28. 11. 1531 Advokat in Frankfurt am Main,
1532/1533 am Reichskammergericht in Speyer und dann Syndikus in Frankfurt am
Main und nach dem Studium in Padua 1536/1537 Anwalt und Berater in Frankfurt am
Main. Seine wichtigsten Leistungen sind neben den 1539 in Fortführung eines
Werkes des Bernhard Rutilius veröffentlichten (lat.) Vitae (F.Pl.) iurisconsultorum
recentiorum (Lebensbeschreibungen neuerer Rechtsgelehrter) (stark romanisiert)
die Gerichts- und Landesordnung der Grafschaften →Solms (1571) und die
revidierte Reformation der Stadt →Frankfurt am Main (1578).
Lit.: Köbler, DRG 143; Jung, R., Dr. Johann Fichard,
1889; Rivier, A., Über die ars notariatus von Johann Fichard (1539), ZRG RA 13
(1892), 356
Fichte, Johann Gottlieb (Rammenau bei Bischofswerda
19. 5. 1762-Berlin 29. 1. 1814), Philosoph des deutschen Idealismus (Jena
1794-1799, Erlangen 1805-1806, Königsberg 1806-1807, Berlin 1810) bestimmt das
Recht im Sinne eines Verhältnisses der wechselseitigen Freiheitsbeschränkungen,
genannt Rechtsverhältnis, wobei schon im Naturzustand das Rechtsgesetz den
Einzelnen verpflichtet und ein Urrecht auf Freiheit, Unantastbarkeit des
Körpers und Eigentum verleiht.
Lit.: Verweyen, H., Recht und Sittlichkeit in Johann Gottlieb Fichtes
Gesellschaftslehre, 1875; Fichte, J. G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1962ff. (42
Bände)Fichtes Lehre vom Rechtsverhältnis, hg. v. Kahlo, M., 1992; Pauly, W.,
Freiheit und Zwang in Fichtes Staatsphilosophie (in) Recht, Idee, Geschichte,
2000, 591ff.; Eisfeld, J., Erkenntnis, Rechtserzeugung und Staat bei Kant und
Fichte, 2015
Ficker, Julius (Paderborn 30. 4.
1826-Innsbruck 10. 7. 1902) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in
Münster, Berlin und Bonn 1852 (bis 1879) Professor für Geschichte und zeitweise
(1863) Rechtsgeschichte in Innsbruck, wo er zahlreiche unterschiedliche Fragen
an Hand vorwiegend urkundlicher Quellen und später auch vergleichender
Zielsetzungen untersucht.
Lit.: Puntschart, P., Julius Ficker, ZRG GA 23 (1902),
XIV; Jung, J., Julius Ficker, 1907; Brechenmacher, T., Julius Ficker,
Geschichte und Region 5 (1996), 53ff.
fictus (lat. [Adj.]) erdacht, fingiert z. B. (lat.)
fictus possessor, fingierter Besitzer
Fideicommissum (lat. [N.] der Treue Anvertrautes)
ist im römischen Recht zunächst die formlose, nur sittlich verpflichtende
Anordnung (Bitte), die der Erblasser dem in einem Testament eingesetzten Erben
erteilt bzw. mitteilt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) wird das aus
solchen Briefen entstehende Kodizill zusammen mit dem darin enthaltenen f. zu
einer obligatorisch wirkenden Rechtseinrichtung, die der Bedachte vor dem
Konsul, später vor einem besonderen (lat.) praetor (M.) fideicommissarius
(Fideikommissprätor) geltend machen kann. Justinian (527-565) stellt f. und
(lat. [N.]) legatum, Vermächtnis gleich. Beschwert werden kann der Erbe, der
Vermächtnisnehmer, ein anderer Fideikommissar oder der erbende Fiskus,
betroffen sein kann ein einzelner Gegenstand oder die ganze Erbschaft.
Lit.: Kaser § 68 V
Fideikommiss (1543) →fideicommissum, Familienfideikommiss
Lit.: Kunsemüller, E., Zur Entstehung der
westfälischen Fideikommisse, 1909; Heß, K., Junker und bürgerliche
Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fischer, H., Die Auflösung der
Fideikommisse, 2ß13
fideikommissarisch (Adj.) ein Fideikommiss betreffend
Fideiussio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
eine in der späten Republik für jede Schuld zulässige Form der
→Bürgschaft.
Lit.: Kaser § 57 II 2
Fidelis (lat. [M.]) Getreuer, Gläubiger
Lit.: Gladiß, D. v., Fidelis regis, ZRG GA 57 (1937),
442; Hannig, J., Consensus fidelium, ZRG GA 102 (1985), 351
Fidepromissio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die Nachbildung der nur unter römischen Bürgern und neben einer Stipulation
möglichen (lat. [F.]) sponsio (→Bürgschaft) für Nichtbürger.
Lit.: Kaser § 57 II 2; Köbler, DRG 44, 63
Fides (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die anfangs nur sittliche, dann aber auch rechtliche Verpflichtung, zu einem
gegebenen Wort zu stehen. Bona f. ist die gute Treue, mala f. die schlechte
Treue, durch die sich beispielsweise redlicher Besitzer und unredlicher
Besitzer voneinander unterscheiden. Auf die f. stützt das römische Recht vor allem
die Fälle des →bonae-fidei-iudicium (Klage aus den wichtigsten formfrei
begründeten Schuldverhältnissen).
Lit.: Kaser §§ 3 III 3, 13 I 2, 63 I 3; Söllner § 9;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 45; Köbler, LAW; Lombardi, L., Della fides
alla bona fides, 1961; Hagemann, H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83
(1966), 1; Honsell, H., Quod interest im bonae fidei iudicium, 1969; Nörr, D.,
Die fides im römischen Völkerrecht, 1991; Schneider, N., Uberrima fides, 2004;
Fides virtus, hg. v. Forlivesi, M. u. a., 2014
Fiducia (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die Sicherungsübereignung, bei der dem Gläubiger (Fiduziar) als
Sicherungsnehmer vom Schuldner (Fiduziant) als Sicherungsgeber das Eigentum an
einer Sache unter der Treuabrede (f.) verschafft wird, dass die Sache nach
Erreichung des Sicherungszwecks (z. B. Tilgung der gesicherten Schuld) zurückzuübereignen
sei. Im spätantiken römischen Recht stirbt die F. ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 24 II 2, 39 IV 2; Söllner § 9;
Köbler, DRG 41, 62; Noordraven, B., Von der fiducia zur Treuhandschaft,
Österreich. Notariatszeitung 1995, 256; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R.
u. a., 1998; Noordraven, B., Die Fiduzia im römischen Recht, 1999
Fiktion ist der Rechtssatz, der eine in
Wahrheit nicht bestehende Tatsache als bestehend behandelt (z. B. gilt lange
Zeit das uneheliche Kind nicht als mit seinem Vater verwandt, obwohl es
tatsächlich mit ihm verwandt ist). Die F. ist bereits dem römischen Recht an
einzelnen Stellen bekannt (z. B. bei vereitelter Bedingung).
Lit.: Kaser § 10 I 1; Söllner § 9
Fiktionstheorie ist im 19. Jh. die von Savigny
vertretene Ansicht, dass die →juristische Person nur eine →Fiktion
sei.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
filia (lat. [F.]) Tochter
filius (lat. [M.]) Sohn
Film
Lit.: Saekel, U., Der US-Film in der Weimarer Republik, 2011;
Ackermann, A., Film und Filmrecht, 2013; Tiews, A., Fluchtpunkt Film, 2017
final zweckgerichtet
Finale Handlungslehre ist die von Hans Welzel in der
Mitte des 20. Jh.s entwickelte Lehre vom zweckgerichteten Handeln des
Straftäters, nach welcher der →Vorsatz als subjektiver Teil des
Tatbestands zu verstehen ist.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Finanz ist die vom mlat. Verb finare, festgesetzte
Abgabe bezahlen abgeleitete Vermögenslage einschließlich des dafür notwendigen
Rechnungswesens. Der Ausdruck Finanz(en) wird im 16. Jh. gebräuchlich, nachdem
die Verfügbarkeit über Geldmittel als Grundlage von Herrschaftsverwirklichung
erkannt wird. Im 16. und 17. Jh. bestehen landesherrliche und landständische
Finanzverwaltung nebeneinander, doch bricht die landständische Finanzverwaltung
im dreißigjährigen Krieg (1618-1648) vielerorts zusammen. Danach dienen alle
öffentlichen Einnahmen der Befriedigung aller öffentlichen Ausgaben. Im 19. Jh.
setzt sich die Steuer als Einnahmequelle gegenüber den Einnahmen aus Domänen
und Regalien durch. Nach dem ersten Weltkrieg wird unter dem
Reichsfinanzminister Matthias Erzberger die progressive Einkommensteuer mit
Lohnsteuerabzug bei dem Arbeitgeber eingeführt. Das ausgehende 20. Jh. ist von
der zunehmenden Bedeutung der weniger deutlich erkennbaren indirekten Steuer
(Mehrwertsteuer), das Haushaltsbewilligungsrecht des Parlaments, die
öffentliche Haushaltsordnung, durch Kassenordnungen, Rechnungslegungsordnungen
und Prüfungsbehörden gekennzeichnet.
Lit.: Brunner, O., Die Finanzen der Stadt Wien, 1929; Schnee, H., Die
Hoffinanz und der moderne Staat, Bd. 1ff. 1963ff.; Schulz, H., Das System und
die Prinzipien der Einkünfte im werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Stolleis,
M., Pecunia nervus rerum, 1983; Witzleben, A. v., Staatsfinanznot und sozialer
Wandel, 1985; Ullmann, H., Staatsschulden und Reformpolitik, 1986; Buchholz,
W., Öffentliche Finanzen und Finnazverwaltung, 1992; Schremmer, E., Über
gerechte Steuern, 1994; Economic Systems and State Finance, hg. v. Bonney, R.,
1995; Alpers, M., Das nachrepublikanische Finanzsystem, 1995; Buchholz, W.,
Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa, 1996; Schwennicke, A., Ohne
Steuer kein Staat, 1996; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v. Bonney,
R., 1999; Staatsfinanzen - Staatsverschuldung - Staatsbankrotte in der
europäischen Staaten- und Rechtsgeschichte, hg. v. Lingelbach, G., 2000; Mersiowsky,
M., Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000;
Finanzen und Herrschaft, hg. v. Edelmayer, F. u. a., 2003; Ullmann, H., Der
deutsche Steuerstaat - Eine Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005;
Isenmann, M., Die Verwaltung der päpstlichen Staatsschuld, 2005; Schirmer, U.,
Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Handbuch der europäischen
Verfassungsgeschichte im 19. Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., Bd. 1 2006;
Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, hg.
v. Seggern, H. v., 2007; Ullmann, H., Staat und Schulden, 2009; Lehmann, M.,
Finanzinstrumente, 2010; Vom Wohl und Wehe der Staatsverschuldung, hg. v.
Beigel, T. u. a., 2013; Finanzpolitik und Schuldenkrisen 16.-20. Jahrhundert,
hg. v. Hedwig, A., 2014
Finanzausgleich ist der finanzielle Ausgleich
zwischen verschiedenen Personen, insbesondere zwischen Hoheitsträgern (z. B.
Ländern, Gemeinden, Krankenkassen).
Lit.: Hidien, J., Der bundesstaatliche
Finanzausgleich, 1998
Finanzgerichtsbarkeit ist der in Deutschland 1918 aus der
Verwaltungsgerichtsbarkeit gelöste (RGBl 1918, 959 Reichsfinanzhof, 13. 12.
1919 Finanzgericht, 28. 8. 1939 außer Tätigkeit gesetzt), vor allem in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s hauptsächlich für Steuerstreitigkeiten
eingerichtete Zweig der →Gerichtsbarkeit.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Kumpf, J., Die Finanzgerichtsbarkeit, (in) Justizalltag im Dritten Reich,
1988, 81
Finanzverwaltung ist der die Einnahmen des Staates
(und anderer öffentlichrechtlicher Körperschaften) betreffende Teil der
Verwaltung. Die F. erfolgt in Rom durch Verpachtung der Staatseinkünfte an
meistbietende private Unternehmer (Steuerpächter). Im Mittelalter gelangen
trotz des besonderen Hofamtes des →Kämmerers erst die Landesherren allmählich
zu einer geordneten F. (z. B. 1491 Raitkammer König Maximilians in Tirol, im
Reich 1495 Versuch des Gemeinen Pfennigs). Diese gewinnt mit dem Ausbau der
gesamten Staatstätigkeit in der Neuzeit immer größere Bedeutung, wobei in
Preußen seit 1713 ein genauer und regelmäßiger Haushaltsvoranschlag aufgestellt
und 1714 zur Prüfung eine Oberrechnungskammer geschaffen wird. Im 19. Jh. wird
das Finanzwesen weitgehend verrechtlicht. In Deutschland ist die F. in der
Gegenwart in Finanzministerium, Oberfinanzdirektion und Finanzamt gegliedert.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3.
A. 1887, Neudruck 1963; Schmoller, G., Preußische Verfassungs-, Verwaltungs-
und Finanzgeschichte, 1921; Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den
deutschen Territorien des Mittelalters 1200-1500, Z. f. d. ges. Staatswiss. 77
(1923), 168; Handbuch der Finanzwissenschaft, hg. v. Gerloff, W. u. a., Bd. 1
2. A. 1952; Kummer, J., Der Einfluss des Parlaments auf das Finanzwesen, 1964;
Engelhardt, H., Landstände und Finanzwesen in Bayern im 15. und 16.
Jahrhundert, 1967; Wolfe, M., The Fiscal System of Renaissance France, 1972;
Küchler, W., Die Finanzen der Krone Aragón, 1983; Die Kontrolle der
Staatsfinanzen, 1989; Die Verwaltung und ihre Ressourcen, hg. v. Dilcher, G.,
1991; Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland, hg. v. Maddalena, A.
de u. a., 1992; 75 Jahre Reichsfinanzhof - Bundesfinanzhof, 1993; Kanther, M.,
Finanzverwaltung zwischen Staat und Gesellschaft, 1993; Schremmer, E., Steuern
und Staatsfinanzen, 1994; The Rise of the Fiscal State in Europe, hg. v.
Bonney, R., 1999; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006;
Kempny, S., Die Staatsfinanzierung nach dere Paulskirchenverfassung, 2011
Finch, Heneage (1611-1682) wird nach dem Studium am Christ
Church College 1638 Mitglied der Inn of Court Inner Temple in London und 1673
als Lord Chancellor Vorsitzender des →Court of Chancery, wo er eine
zusammenfassende Gestaltung der →equity (des englischen Rechtes) bewirkt.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd.
1ff. 1903ff., 6, 539
Findebuch, Findbuch, ist das archivalische
Hilfsmittel zum Auffinden von Daten bzw. Überlieferungsträgern(z. B. Akten) vor
allem in Archiven.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberling, H., Findbuch zu den
Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987
Findelkind ist das ohne sicheren Hinweis auf seine Eltern
gefundene Kind. Vielleicht anfangs rechtmäßig, wird die Aussetzung eines Kindes
in Rom 374 n. Chr. mit Strafe bedroht. Ausgehend von Italien (Mailand 787,
Siena 832) entstehen Findelhäuser. Um 1800 wird die Zahl der Findelkinder auf
rund 100000 jährlich geschätzt.
Lit.: Hügel, F., Die Findelhäuser und das Findelwesen, 1863; Hunecke,
V., Die Findelkinder von Mailand, 1987; Meumann, M., Findelkinder,
Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Gestrich, A. u. a., Geschichte der Familie, hg.
v. 2003
Finnland ist der zwischen Schweden, Russland
und Estland gelegene nordosteuropäische, hauptsächlich von schon im 4. oder 3.
Jt. v. Chr. aus Asien kommenden Finnen besiedelte Staat. Im Hochmittelalter
(1150-1323) wird das von Schweden aus christianisierte Gebiet zu einem Teil
→Schwedens erklärt. Im frühen 16. Jh. wird die Reformation eingeführt.
1809 muss Schweden zugunsten →Russlands auf F. (autonomes Großfürstentum)
verzichten, doch bleibt das von Schweden geprägte Recht bestehen. Helsinki wird
1812 statt des westlicheren Turku Hauptstadt und erhält 1827 auch die 1640 in
Turku gegründete Universität. 1863 wird Finnisch neben Schwedisch zweite
Amtssprache. Seit 1872 arbeiten die nordischen Länder im Recht verstärkt
zusammen. Unter dem Einfluss der deutschen Rechtswissenschaft entsteht eine
finnische Rechtswissenschaft. 1889/1894 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen.
1906 wird im Rahmen eines allgemeinen Wahlrechts das Frauenwahlrecht
eingeführt. Nach der Oktoberrevolution vom (25. 10./)7. 11. 1917 in Russland
ruft F. am 15. 11. 1917 die Selbständigkeit aus. 1920 erkennt Russland das am
21. 6. 1919 mit einer republikanischen Verfassung begabte F. an. Im zweiten
Weltkrieg verliert das bis 1944 auf Seiten des Deutschen Reiches kämpfende Land
Gebiete an die Sowjetunion und steht lange unter sowjetischem Einfluss. 1961
verbindet es sich mit der Europäischen Freihandelszone. 1975 findet in Helsinki
eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa statt. 1991
ratifiziert F. die Europäische Menschenrechtskonvention. Zum 1. 1. 1995 tritt
es aus der Europäischen Freihandelszone der →Europäischen Union bei. 2000
wird ein Grundgesetz angeommen.
Lit.: Getz, B., Das staatsrechtliche Verhältnis
zwischen Finnland und Russland, 1900, Neudruck 2013; Der Stolypinsche
Gesetzentwurf, hg. v. Habermann, W., 1911, Neudruck 2013; Jutikkala,
E./Pirinen, K., Geschichte Finnlands, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,542,1027, 3,4,485; Klinge, M., A brief history of Finland, 1984;
Vahtola, J., Keskiaika. Suomen historia pikkujättiläinen, 1987; Jodhatus Suomen
oikeushistoriaan, hg. v. Letto-Vanamo. P., 1990; Albrecht, W./Kantola, M.,
Finnland, 1992; Finlands Historia, hg. v. Edgren, T. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.;
Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Finnland
und Deutschland, hg. v. Menger, M. u. a., 1996; Finnisch-deutsche
Kulturbeziehungen, hg. v. Jäntti, A. u. a., 1998; Endemann, H., Das Regierungssystem
Finnlands, 1999; Ettmayer, W., Finnland, 1999; Pesonen, P./Riihinen, O.,
Dynamic Finland, 2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen
Zivilprozessrechts, 2002; Björne, L., Den Nordiska rättsvetenskapens historia,
Bd. 3 1871-1910, 2002; Nesemann, F., Ein Staat, kein Gouvernement, 2003;
Kähönen, A., The Soviet Union, Finland and the Cold War, 2006; Meinander, H.,
Finlands historia, 2006; Silvennoinen, O., Geheime Waffenbrüderschaft, 2010;
Land unter dem Nordlicht, hg. v. Halmesvirta, A., 2013
Firma (1705) ist
der →Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte
betreibt, im weiteren Sinn auch das →Unternehmen. Die F. entsteht aus dem
mittelalterlichen Handel (Italien 12. Jh., in den deutschen Sprachraum am
Anfang des 18. Jh.s entlehnt, ALR [1794] II, 8, 617). Sie kann mit dem
Unternehmen übertragen werden.
Lit.: Erlanger, H., Über Ursprung und Wesen der Firma,
Diss. jur. Tübingen 1891; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Bokelmann, G., Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 1974, 5. A.
2000; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Krause, O, Die Entwicklung des Firmenrechts im 19. Jahrhundert, 1995;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Fischbeck (Stift)
Lit.: Oldermann, R., Stift Fischbeck, 2010, 2. A. 2014
Fischereirecht ist das Recht, in einem
Binnengewässer Fische, Krebse und andere nutzbare Wassertiere, die nicht
Gegenstand des Jagdrechts sind, zu hegen und sich anzueignen. Die ursprünglich
freie Fischerei wird schon im Frühmittelalter an kleinen Gewässern vom Anwohner
als Eigentümer und an größeren Gewässern vom König als Regal beansprucht. Vom
König geht das Regal seit dem Hochmittelalter auf den Landesherrn und damit
später grundsätzlich auf den neuzeitlichen Staat als Eigentümer des Gewässers
über. Der Inhaber des Fischereirechts kann das Fischereiausübungsrecht
verpachten.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Stoffel, F., Die
Fischereiverhältnisse des Bodensees, 1906; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des
altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88; Zumbach, E.,
Die Fischereirechte des Aegerisees, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1922;
Kisch, G., Das Fischereirecht im Deutschordensgebiete, 1932, 2. A. 1978; Münch,
W., Das Fischereirecht des Bodensees im Mittelalter, Diss. jur. Graz 1943;
Cahn, E., Das Recht der Binnenfischerei, hg. v. Kaufmann, E., 1956; Kunz, R.,
Fischereirechte im Untersee und Seerhein, 1984; Jahnke, C., Das Silber des
Meeres, 2000; Lampen, A., Fischerei und Fischhandel im Mittelalter, 2000;
Schütt, E., Geschichte des Fischereirechts und der Fischerei im deutschen
Ostseeraum, 2001; Sahrhage, D., Die Schätze Neptuns, 2002; Zeheter, M., Die
Ordnung der Fischer, 2014
Fiscus (lat. [M.] Korb) (Caesaris) ist im
römischen Recht die Bezeichnung für die Kasse (des Kaisers), in welche die
Einnahmen der Kaiserprovinz aus Steuern, Zöllen, Gebühren und Domänen fließen.
Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.) fasst die verschiedenen fisci zu einem einzigen
f. zusammen. Zumindest später herrscht die Vorstellung, dass der f. gleichsam
Eigentum des Kaisers ist. Am Beginn des 4. Jh.s geht die (vom Senat verwaltete)
Staatskasse (lat. aerarium [N.]) im f. auf., während das Privatvermögen des
Kaisers (lat. [N.] patrimonium) getrennt bleibt. Der f. wird eine Art die
Vermögensrechte des Staates im Privatrechtsverkehr wahrnehmender, vielfach
privilegierter →juristischer Person.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 II B;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 36, 40, 57; Köbler, LAW; Alpers, M., Das
nachrepublikanische Finanzsystem, 1995
Fiskal ist im spätmittelalterlichen und
neuzeitlichen Verwaltungsrecht der Interessenvertreter des (lat. fiscus [M.]
bzw.) Staates. Er findet sich um 1225 in Sizilien unter Kaiser Friedrich II.,
von wo aus er nach Frankreich und Spanien ausstrahlt. 1421 ist Dr. Bartholus
aus Pisa urkundlich als erster F. des Heiligen römischen Reiches nachweisbar.
Aufgaben des Fiskals sind der Schutz der Kronrechte und die Vertretung des
Königs bzw. Kaisers bei der gerichtlichen Verfolgung der Übertretungen der
reichsrechtlichen Rechtssätze (z. B. Durchsetzung der Ansprüche gegenüber
Reichsständen). Neben dem F. am königlichen Kammergericht des 15. Jh.s und am
Reichskammergericht und Reichshofrat entsteht auch in Österreich, Bayern,
Sachsen und Preußen ein F. (Landesfiskal). Am Reichskammergericht wird der F.
im 16. Jh. von einem Vertreter der Interessen des Kaisers zu einem in gewisser
Hinsicht privilegierten, in den Gerichtsbetrieb eingegliederten Angehörigen des
Gerichts. →Fiskalat
Lit.: Demel, H., Geschichte des Fiskalamtes in den
böhmischen Ländern, 1909; Rautenberg, B., Der Fiskal am Reichskammergericht,
2008
Fiskalat ist die
spätmittelalterlich-neuzeitliche, vielleicht an den römischen (lat.) advocatus
(M.) fisci angelehnte Behörde, die von Amts wegen die Rechte des Herrschers
wahrnimmt. Das F. entwickelt sich um 1225 unter Kaiser Friedrich II. in
Sizilien und gelangt von dort noch im 13. Jh. nach Frankreich (ministère
public) und Spanien sowie im frühen 15. Jh. in das Heilige römische Reich (1421
Dr. Bartholus aus Pisa). Unabhängig hiervon wird im 19. Jh. die Staatsanwaltschaft
aus Frankreich übernommen.
Lit.: Ortloff, H., Die öffentliche Anklage in
Deutschland, 16 (1865), 254ff.; Schmidt, E., Fiskalat und Strafprozess, 1921;
Knolle, U., Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats, Diss.
jur. Freiburg im Breisgau 1964
Fiskus (1497) ist der Träger öffentlicher Verwaltung, soweit er in
privatrechtlichen Formen tätig wird. Der F. geht auf den römischen
→fiscus zurück. Das lateinische Wort fiscus (M.) bezeichnet im
Frühmittelalter (vereinzelt das herzogliche und) meist das königliche Vermögen
(u. a. das einzelne Landgut). Bis zum 13. Jh. werden Hausgut und Reichsgut und
damit Person des Königs und F. getrennt. In den Ländern entsteht ein F. des
Landes. Dort wird als F. zunächst die landesherrliche Kasse als solche
verstanden, danach das Finanzvermögen des Staates. Der F. wird zum Träger der
staatlichen Vermögensrechte. Bis zum frühen 19. Jh. wird der Staat in die
juristische Person des öffentlichen Rechtes „Staat“ und die juristische Person
des privaten Rechtes „Fiskus“ aufgeteilt. Seit der Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit im späteren 19. Jh. wird der Staat als einheitliche
juristische Person des öffentlichen Rechtes verstanden, die Bereiche, in denen
diese Person sich aber privatrechtlicher Formen bedient, weiterhin als F.
bezeichnet.
Lit.: Rüfner, W., Verwaltungsrechtsschutz in Preußen,
1962; Machleidt, M., Stellung und Funktion des Fiskus im deutschrechtlichen
Bereich, Diss. jur. Hamburg 1965; Lechner, W., Das deutsche Verwaltungsrecht in
den Kategorien von Res publica, Civitas und Fiscus, Diss. jur. Würzburg 1969;
Schalles-Fischer, M., Pfalz und Fiskus Frankfurt, 1969; Römermann, K., Der
Rechtsschutz bei streitigen Polizei-, Kameral- und Fiskalsachen in Kurköln,
Diss. jur. Bonn 1969; Metz, W., Zur Erforschung des karolingischen Reichsgutes,
1971; Fiskus, Kirche und Staat, hg. v. Kellenbenz, H. u. a., 1994; Maletzky,
M., Das Erbrecht des Fiskus, 2001; Karst, J., Der Fiskus im liberalen
Rechtsstaat, 2016
Flächenstaat ist der durch sein ausgedehntes
Gebiet gekennzeichnete und vom Stadtstaat wie dem Personenverbandsstaat zu
unterscheidende, seit dem Mittelalter entstehende →Staat.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111
Flame ist der fränkisch (bzw. altniederfränlisch
bzw. mittelniederfränkisch) sprechende Bewohner der nordwestlichsten Gebiete
(Flandern) des Heiligen römischen Reichs bzw. der Bürger Belgiens. Flämisches
Recht ist das in Flandern ausgebidete Recht. Seit dem Hochmittelalter wird
modernes flämisches (niederländisches) Recht im Zuge der Ostsiedlung
verbreitet.
Lit.: Goerlitz, T., Das flämische und das
fränkische Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht,
ZRG GA 57 (1937), 138; Van
Winter, J., Vlaams en Hollands recht bij de kolonisatie von Duitsland in de 12e
en 13e eeuw, TRG 21 (1953), 205ff.; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung im
MIttelalter, 1990; Lück, H., Flämische Siedlungen und flämisches Recht in
Mitteldeutschland, (in) Sprachkontakte, hg. v. Stellmacher, D., 2004, 73ff.
Flandern ist das im frühen 8. Jh. erstmals
unter diesem Namen bezeugte Flachland an der Schelde. 843 kommt es zum
westfränkischen Reichsteil, 1384/1385 an das Herzogtum Burgund, 1477 mit
Burgund an Habsburg und 1556 an die spanische Linie Habsburgs. Verkleinert
gelangt F. 1714 qieder an →Österreich, 1794 an Frankreich, 1814 an die
→Niederlande und 1830 überwiegend an →Belgien. Dementsprechend ist
sein Recht anfangs fränkisch und später französisch geprägt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Nowé, H., Les
baillis comtaux de Flandre, 1929; Ganshof, F., Recherches sur les tribunaux de
châtellenie en Flandre, 1932; Sproemberg, H., Die Entstehung der Grafschaft
Flandern, 1935, Neudruck 1965; Ganshof, F., Die Rechtsprechung des gräflichen
Hofgerichtes in Flandern vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 58 (1938),
163; Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954,
Caenegem, R. van, Geschiedenis van het strafprocesrecht in Vlaanderen, 1956;
Ganshof, F., Einwohnergenossenschaft und Graf, ZRG GA 74 (1957), 98; Koch, A.,
Die flandrischen Burggrafschaften, ZRG GA 76 (1959), 153; Roosbroeck, R. van,
Geschichte Flanderns, 1968; Grotte, W. v., Praecones und Magnus Praeco in
Flandern, ZRG GA 90 (1973), 165; Godding, P., Le droit privé dans les Pays-Bas
méridionaux du 12e au 18e siècle, 1987; Van Peteghem, P., De raad van
Vlaanderen, 1990; Jacob, R., Les époux, le seigneur et la cité, 1990; Nicolas,
D., Medieval Flanders, 1992; Opsommer, R., Omme dat leengoed es thoochste dinc
van der weerelt het leenrecht in Vlanderen in de 14de en 15de eeuw, 1995;
Meyer, H., Anwachs und Insel im hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft
Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000;
Le parlement de Flandre à travers ses archives, Revue du Nord Nr. 382; Hortal
Muñoz, J., Los asuntos de Flandes, 2011
Flavius, Gnaeus, ist der Schreiber des
römischen Zensors Appius Claudius Caecus, der 304 v. Chr. die zuvor nur den
Priestern (lat. [M.Pl.] pontifices) vertrauten Prozessformeln (Legisaktionen)
veröffentlicht (sog. ius [N.] civile Flavianum, flavisches römisches Recht der
Bürger).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 29; Wolf, J., Die
literarische Überlieferung der Publikation der Fasten und Legisaktionen durch
Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen 1980, Nr. 2
Flensburg ist die schleswig-holsteinische
Stadt, die 1436 ihr →Grundbuch nach dem Realfoliensystem gestaltet.
Lit.: Aubert, L., Beiträge zur Geschichte der
deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1, 49
Fleta ist das in lateinischer Sprache
verfasste, bald nach 1290 vollendete, in einer mittelalterlichen Handschrift
überlieferte englische Rechtsbuch eines unbekannten Verfassers, das den (lat.)
Tractatus (M.) de legibus (Abhandlung von Gesetzen) →Bractons kommentierend
fortführt.
Lit.: Plucknett,
T., A Concise History of the Common Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; 265
Florentina (Codex Florentinus) ist die in zwei
Bände (1-29, 30-50) getrennte, im 6. oder frühen 7. Jh. vermutlich in Konstantinopel/Byzanz
zweispaltig geschriebene, spätestens im 9. oder 10. Jh. in Italien liegende, in
Süditalien im späteren 11. Jh. wiederentdeckte, wahrscheinlich 1155 von Amalfi
nach Pisa (littera Pisana) und 1406 von Pisa nach Florenz gebrachte, 1553
erstmals gedruckte Handschrift der →Digesten Justinians mit insgesamt 907
Blättern.
Lit.: Söllner § 22; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Florenz am Arno wird vermutlich im 2. Jh.
v. Chr. von den Römern auf älteren Grundlagen als Florentina neu gegründet. 962
ist es Teil Reichsitaliens. 1138 weist F. eigene (lat. [M.Pl.]) consules auf
und wird mit bedeutender Tuchherstellung im 13. und 14. Jh. führende Macht im
mittleren Italien (Währung Florentiner bzw. Gulden). 1348 erlangt es erstmals
eine Universität (1472 Pisa). 1354 erkennt es die Reichshoheit an. Seit dem 15.
Jh. erringt die Familie Medici die Macht. 1531 wird F. Herzogtum. 1718 wird bei
dem Aussterben der Medici der spanische Infant Karl als Erbe eingesetzt,
zugleich aber die gesamte Toskana zum Reichslehen erklärt. 1737 fällt F. an
Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797) verzichtet der Kaiser des
Heiligen römischen Reichs auf alle Reichsrechte in Italien und damit auch auf
F. 1859 gelangt F. an Italien (1865-1871 Hauptstadt).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Davidsohn, R.,
Geschichte von Florenz, Bd. 1ff. 1896ff.; Doren, A., Studien aus der
Florentiner Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2 1908; Grote, A., Florenz, 2. A. 1968;
Hale, J., Die Medici und Florenz, 1979; Firenze e la Toscana dei Medici
nell’Europa, hg. v. Garfagnini, G., 1983; Panella, A., Storia di Firenze, 1984;
Luzzati, M., Firenze e la Toscana nel Medioevo, 1986; Zorzi, A.,
L’amministrazione della giustizia penale nella republica fiorentina, 1988;
Brucker, G., Florenz in der Renaissance, 1990; Turner, A., Renaissance in
Florenz, 1997; Statuti della repubblica Fiorentina, hg. v. Pinto, G. u. a., Bd.
1f. 1999; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001; Dameron,
G., Florence and Its Church, 2005; Najemy, J., A History of Florence 1200-1575,
2006; Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 34; Ciapelli, G., Fisco e
società a Firenze nel Rinascimento, 2009
Floß ist das aus mehreren verbundenen Baumstämmen
gebildete Wasserfahrzeug, das vor allem dem Transport von Holz dient. Seit dem
13. Jh. erscheint das F. häufiger in Quellen. Die Flößerei ist Regal. 1895
regelt ein Reichsgesetz des Deutschen Reiches die Flößerei (vgl. auch Art. 65
EGBGB), die mit der Verbreitung der Eisenbahn und der Lastkraftwagen aber ihre
wirtschaftliche Bedeutung verliert.
Lit.: Sponeck, C. Graf v., Handbuch des Floßwesens, 1825; Jägerschmid,
K., Handbuch für Holztransport und Floßwesen, 1827f.; Herold, H., Trift und
Flößerei in Graubünden, 1982; Hasel, K./Schwartz, E., Forstgeschichte, 1985,
2.A. 2002
Flucht ist das Ausweichen vor einer Gefahr durch
Ortsveränderung. Die F. ist ein Grundverhaltensmuster von Lebewesen. Die F.
eines Menschen kann je nach den Umständen unterschiedliche Rechtsfolgen haben. →Flüchtling
Lit.: Flucht, Vertreibung, Integration, red. v.
Rösgen, P., 2. A. 2006; Schleppen, Schleusen, Helfen, hg. v. Anderl, G. u. a.,
2016
Flüchtling ist der Mensch, der aus seiner
jeweiligen Umgebung flieht. Er ist grundsätzlich Feind, kann aber als Gast
aufgenommen werden. Im 20. Jh. entwickeln sich allgemeine Regeln über die
rechtliche Behandlung der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen.
Lit.: Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte, hg. v.
Bundesministerium für Vertriebene u. s.
w., Bd. 1ff. 1958; Hathaway, J., The Rights of Refugees, 2005; Nicola, A. di u.
a., Bekenntnisse eines Menschenhändlers – Das Milliardengeschäft mit den
Flüchtlingen, 2015; Und das ist erst der Anfang – Deutschland und die
Flüchtlinge, hg. v. Reschke, A., 2015
Flumet
Lit.: Diestelkamp, B., Die Gründungsurkunde der Stadt Flumet (1228),
ZRG GA 94 (1977), 204
Flur ist der vom Wald getrennte einzelne Teil des
bäuerlichen Wirtschaftslands (Wiese, Feld).
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952;
Westfälischer Flurnamenatlas, bearb. v. Müller, G.. 2000ff.
Flurbereinigung ist die Zusammenlegung und
Umgestaltung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke in einem öffentlichrechtlichen
Verfahren zum Zweck ertragreicherer Bewirtschaftung. Sie entwickelt sich in
England und danach in Deutschland (19. Jh., Baden 1856, Hessen 1857, Bayern
1861) mit der Bauernbefreiung als Folge der Auflösung des Gemeinlands
(→Allmende). Am 16. 6. 1937 wird sie im Deutschen Reich durch eine
Reichsumlegungsordnung und am 14. 7. 1953 in der Bundesrepublik Deutschland
durch ein Flurbereinigungsgesetz geordnet. Ihre Ergebnisse sind wegen der sich
am Ende des 20. Jh.s rasch ändernden Betriebsstruktur der Landwirtschaft von
bescheidener Bedeutung.
Lit.: Köbler, DRG 175, 250; Bornhak, C., Grundriss des
deutschen Landwirtschaftsrechts, 1921; Abel, W., Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1962, 3. A. 1978; Berkenbusch, F., Die Rechtsgeschichte der
Flurbereinigung, Diss. jur. Göttingen 1972; Tayama, T., Die
Entwicklungsgeschichte der Landeskultur, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 524; Vergleichende Studien über die
japanische und mitteleuropäische Flurbereinigung, hg. v. Tayama, T., 1998;
Quellen zur Entstehungsgeschichte des Flurbereinigungsgesetzes der
Bundesrepublik Deutschland von 1959, hg. v. Weiß, E., 2000
Flurname ist der besondere Name einer Flur oder eines
Geländeteils (Berg, Tal, Wasser, Wald, Feld). Der F. ist Ortsname im weiteren
Sinn (z. B. Judenbühel, Lehfeld, Langgreid, Hungerwiese, Himmelreich, Paint,
Kach, Hut, Füchsle, Holzacker). Er kann Rechtsvorstellungen enthalten.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Flurnamen und Rechtsgeschichte, ZRG GA 51
(1931), 93ff.; Hänse, G., Die Flurnamen des Stadt- und Landkreises Weimar,
1970; Piirainen, E., Flurnamen in Vreden, 1984; Hessischer Flurnamenatlas, hg.
v. Ramge, H. u. a., 1987; Westfälischer Flurnamenatlas, hg. v. Müller, G., Lief.
1ff. 2000ff.; Mikrotyponyme, hg. v. Meineke, E. u. a., 2011; Scheuermann, U.,
Dlurnamensammlung und Flurnamenforschung in Niedersachsen, 2011; Meineke, B.,
Die Flurnamen der Gemeinde Schlangen, hg. v. Wiemann, H., 2014
Flurschütz (Flurer, Flurknecht, Heye u. a.) ist der die
Aufsicht über die Fluren führende niedere dörfliche Amtsträger.
Lit.: Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde,
Nachbarschaft, 1996
Flurzwang ist die durch Zwang erreichte
einheitliche Bewirtschaftung der Flur. Der F. könnte mit der mittelalterlichen
→Dreifelderwirtschaft entstanden sein. Er verschwindet mit der
Bauernbefreiung des 19. Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 42.; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft,
1996
Föderalismus ist die auf dem Bündnisgedanken
(lat. [N.] foedus, Bund) beruhende gesellschaftliche Vorstellung, die sich
besonders in der machtmäßigenden, mehrstufigen, relative Eigenständigkeit
Beteiligter wahrenden Gestaltung eines Staates auswirkt (Bundesstaat im
Gegensatz zum Einheitsstaat). Als älteste geschichtliche Form des F. gilt der
Stammesföderalismus (z. B. der 12 Stämme Israels), als Geburtsstunde des
politischen Organisationsprinzips F. die Entstehung der Vereinigten Staaten von
Amerika 1787, deren Vorbild die Schweiz (1848), Kanada, Australien und in
veränderter Form Österreich (1861) und der Norddeutsche Bund (1867) folgten..
Eine völkerrechtliche Form des F. ist der Staatenbund, der verschiedentlich
einem Bundesstaat vorausgeht.
Lit.: Baltl/Kocher; Hintze, H., Staatseinheit und
Föderalismus im alten Frankreich, 1928, Neudruck 1989; Der österreichische
Föderalismus, 1969; Rauch, H., Föderalismus und Parlamentarismus im
Wilhelminischen Reich, 1972; Föderalismus, hg. v. Kisch, G., 1977; Héraud, G.,
Prinzipien des Föderalismus und die Europäische Föderation, 1979; Föderalismus
in Deutschland, 1992; Föderalismus, hg. v. Kinsky, F., 1995; Konsens und
Konsoziation, hg. v. Duso, G., 1997; Laufer, H./Münch, U., Das föderative
System der Bundesrepublik Deutschland, 1998; Föderative Nation, hg. v.
Langewiesche, G. u. a., 2000; German federalism, hg. v. Umbach, M., 2002;
Föderalismus in der griechischen und römischen Antike, hg. v. Siewert, P. u.
a., 2005; Kaiser, A., Föderalismus, 2007; Funk, A., Föderalismus in
Deutschland, 2008; Funk, A., Kleine Geschichte des Föderalismus, 2010; Franke,
C., Wandlungen föderalen Regierens im Deutschen Kaiserreich, HZ 293 (2011),
374; Das Februarpatent 1861, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a., 2011; Föderalismus
in historisch-vergleichender Perspektive, Bd. 1 Der Bundesrat 1867-1919, 2014
(725 Biogramme), Bd. 2 Föderale Systeme hg. v. Ambrosius, G. u. a., 2015; Bd. 3
Hähnel, P., Föderale Interessenvermittlung im Deutschen Kaiserreich am Beispiel
der Nahrungsmittelregulierung, 2017
Fodrum (lat. [N.]) ist die
frühmittelalterliche Abgabe (Aquileja 792) (für Futter) an den Grafen bzw.
König. In norditalienischen Städten entwickelt sich das f. im 12. und 13. Jh.
zum Namen der direkten →Steuer.
Lit.: Köbler, LAW; Post, B., Über das Fodrum, Diss.
phil. Straßburg 1880; Brühl, C., Das fränkische fodrum, ZRG GA 76 (1959), 53;
Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Grüninger, S.,
Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien, 2006
Foederati (lat. [M.Pl.], Sg. foederatus) sind
im spätrömischen Recht die besoldeten Verbündeten (z. B. Goten 382 n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 67; Horn, H., Foederati, 1930
foenus (N.) nauticum (lat.) Seedarlehen →fenus
(N.) nauticum
folkland (ae. [858]) Allod?, verliehenes
Königsland?
Folter ist die Zufügung oder Ausnutzung
vermeidbarer, nicht ganz unerheblicher Schmerzen oder Leiden, die von einem
Staat oder einem entsprechenden Machtorgan selbst bzw. mit dessen Bewilligung
oder Duldung eingesetzt wird, um den Gefolterten oder einen Dritten zu einer
Aussage zu zwingen oder einzuschüchtern. Sie wird bereits seit Kaiser Tiberius
(14-42 n. Chr.) gegenüber Freien angewendet, um ein Geständnis zu erreichen.
Vielleicht wird sie im Frühmittelalter gegenüber Unfreien gebraucht. Im
Hochmittelalter (Verona 1228, Recht der Wiener Neustadt [1221/1230 str.],
kirchliche Inquisition 1215/1231/1252 [Bulle Ad exstirpanda], Augsburg 1321, in
München erstmals 1346 und danach erst 1434 wieder erwähnt) darf der
verdächtigte Beschuldigte der F. (zu spätlat. [5. Jh.] poledrus [M.] „Fohlen“)
auf einem Holzbock bzw. durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte,
Daumenschrauben, Strecken, Feuer u. a. ausgesetzt werden (str. ob
Rezeptionsvorgang). Im 15. Jh. wird die F. auch ohne besondere Verdachtsgründe
angewandt. Dagegen setzt die →Constitutio Criminalis Carolina (1532) das
Vorliegen besonderer Indizien vor Anwendung der F. voraus. In Hexenprozssen
fragen örtliche Gerichte bei Fakultäten häufig nach der Anwendbarkeit der
Folter, wogegen die Fakultäten anscheinend einen mäßigenden Einfluss ausüben.
Die Aufklärung wendet sich erfolgreich gegen die F. (Juan Luis Vives 1522,
Michel de Montaigne, Pierre Bayle, Schweden 1734, Preußen 1740, Österreich
[Beschränkung auf mit der Todesstrafe bedrohte Tatbestände 1768] 1776, Polen,
Litauen 1776, Schweiz 1798, Bayern 1806, Baden 1831). In der zweiten Hälfte des
20. Jh.s kämpft insbesondere die private Organisation Amnesty International
gegen die nach wie vor (versteckt) gebrauchte F. Art. 3 der europäischen
Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 stuft die F. als Verletzung der
Menschenrechte ein. Mit der am 10. 12. 1984 beschlossenen, am 31. 12. 1990 in
Kraft getretenen Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere
grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist die F.
weltweit geächtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 34, 118, 156;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Folter
in der deutschen Rechtspflege, 1900, Neudruck 1970; Heijnsbergen, P. van, De
pijnbank in de Nederlanden, 1925; Fehr, H., Gottesurteil und Folter, FS R.
Stammler, 1926; Helbin-Bauer, F., Die Tortur, 1926; Morschel, M., Der Kampf um die
Abschaffung der Folter, Diss. jur. Gießen 1926; Fehr, H., Zur Lehre vom
Folterprozess, ZRG 53 (1933), 317; Vogt, A., Die Anfänge des
Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schünke, W.,
Die Folter im deutschen Strafverfahren, Diss. jur. Münster 1952; Fiorelli, P.,
La tortura giudiziaria nel diritto commune, Bd. 1f. 1953f.; Thomasius, C., Über
die Folter (1705), hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Langbein, J., Torture and the
Law of Proof, 1977; Ruthven, M., Torture, 1978; Schmoeckel, M., Humanität und
Staatsraison, 2000; Das Quälen des Körpers, hg. v. Burschel, P. u. a. 2000;
Kramer, S., Die Folter in der Literatur, 2003; Baldauf, D., Die Folter, 2004;
Hermann, H., Die Folter, 2004; Waltos, S., Die Abschaffung der Folter im Jahre 1776
in Polen und Litauen, 2004; Zagolla, R., Im Namen der Wahrheit, 2006; Gegen
Folter und Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Möhlenbeck, M., Das absolute
Folterverbot, 2008; Sauter, M., Hexenprozess und Folter, 2010; Kimmelmann, A.,
Die Folter im Beweisverfahren der Leges Visigothorum, 2010; Quellen zur
Aufhebung der Folter, hg. v. Zopfs, J., 2010; Schild, W., Folter, Pranger,
Scheiterhaufen, 2010; Die Geschichte der Folter seit ihrer Abschaffung, hg. v.
Altenhain, K. u. a., 2011; Die Wiederkehr der Folter?, hg. v. Altenhain, K. u.
a., 2012; Folter vor Gericht, hg. v. Altenhain, K. u. a., 2012; Krey, V.,
Interrogational torture in criminal proceedings, 2014
Fondaco ist die auswärtige Kaufmannsniederlassung im
Mittelalter (gr. pandocheton, Herberge, arab. funduq, Unterkunft). In Italien
begegnet der F. 1085 in Amalfi, 1191 in Genua, im 13. Jh. in Pisa und Venedig
(F. dei Tedeschi, 1505 abgebrannt, bis 180 Handelshaus deutscher Kaufleute).
Lit.: Simonsfeld, H., Der Fondaco dei Tedeschi, Bd. 1f. 1887, Neudruck
1968; Concina, E., Fondaci, 1997; Constable, O., Housing the Stranger in the
Mediterranean World, 2003
Forderung (812, Forderungsrecht 1766) ist das Recht des Gläubigers gegen
den Schuldner auf eine Leistung. Die ältesten Forderungen entstehen vermutlich
bei den Unrechtserfolgen. Später tritt die rechtsgeschäftliche F. hinzu.
Streitig ist, ob die F. bereits von Anfang an durch ein Einstehenmüssen
(→Haftung) des Schuldners gesichert ist. Die F. erlischt grundsätzlich
mit der Erfüllung.
Lit.: Kaser § 32; Hübner; Buch, G., Die
Übertragbarkeit von Forderungen im deutschen mittelalterlichen Recht, 1912;
Strohal, E., Schuldpflicht und Haftung, 1914; Fecht, W. v. d., Die
Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Forensium institutionum summa (lat. [F.] Gesamtheit der
gerichtlichen Einrichtungen) ist das von König Alfons VIII. (1158-1214)
veranlasste höfische Werk über den →Fuero viejo de Castilla.
Form (1190) ist
die sinnlich wahrnehmbare Gestalt eines Gegenstands oder einer Vorstellung.
Nach einem geflügelten Wort ist die F. die älteste Norm. Es ist aber fraglich,
ob strenge Anforderungen an eine F. in die Anfänge einer Rechtseinrichtung (z.
B. Frühmittelalter) oder erst in eine fortgeschrittenere Entwicklungsstufe
gehören. Die Schriftform ist jedenfalls noch im ausgehenden 20. Jh. im
Vordringen.
Lit.: Kaser § 6ff.; Hübner; Köbler, DRG 42, 126;
Siegel, H., Erholung und Wandelung im gerichtlichen Verfahren, 1863; Siegel,
H., Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Brunner, H., Wort und Form
im altfranzösischen Prozess (1868) (in) Brunner, H., Forschungen zur Geschichte
des deutschen und französischen Rechts, 1894, 260; Stutz, U., Das Stadtrecht
gegen die Formstrenge im Strafverfahren, ZRG GA 38 (1917), 367; Henssler, O.,
Formen des Asylrechts, 1954; Ritzer, K., Formen, Riten und religiöses Brauchtum
der Eheschließung, 1961; Ebel, W., Recht und Form, 1975; Gmür, R.,
Rechtswirkungsdenken in der Privatrechtsgeschichte, 1981; Eckhardt, U.,
Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Symbolische
Kommunikation vor Gericht in der frühen Neuzeit, hg. v. Schulze, R., 2006;
Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009; Schwenk, A.,
Die Formbestimmung des § 313 BGB a. F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Formalismus ist das Betonen einer Form. Nach
überwiegender, aber nicht wirklich belegter Ansicht ist das ältere Recht durch
F. gekennzeichnet (z. B. lat. mancipatio [F.] im römischen Recht) und setzt
sich die →Formfreiheit erst allmählich durch. Im Gegensatz hierzu hält
aber auch das Recht der Gegenwart in vielen Fällen an einer vorgeschriebenen
Form fest. Ein Kennzeichen des modernen Totalitarismus ist es, unerwünschte
Form als bloßen F. abzustufen.
Lit.: Kaser §§ 6, 7, 8, 68; Söllner §§ 9, 11;
Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Wesen und Ursprung des Formalismus, 1898;
Kaufmann, E., Formalismus, HRG Bd. 1 1968, 1166; Dickhuth-Harrach, H. v.,
Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986
Formalvertrag ist der in seiner Entstehung von
der Einhaltung einer vorgesehenen →Form abhängige Vertrag. Nach herkömmlicher
Lehre ist im germanistischen Bereich der älteste Vertrag der F. (str.). Hier
sind Eid, Wortformel und Gebärde die Vertragsform. Im Mittelalter sollen sich
die Formen vereinfacht haben. Allmählich soll die Tendenz zur formlosen
Beredung durchgedrungen sein.
Lit.: Köbler, DRG 74, 91, 126, 164; Hagemann, H., Fides
facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsches
Privatrecht, 9. A. 1981 Kap. 45; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875
Formel ist die förmlich festgelegte häufig
wiederkehrende Aussage. Im altrömischen Recht beispielsweise bringen die
Beteiligten eines Verfahrens vor dem Magistrat in einem ersten
Verfahrensabschnitt regelmäßig in der jeweils erforderlichen Verfahrensform
(lat. [F.] →legisactio), zu der genau vorgeschriebene Spruchformeln
gehören, ihr Vorhaben vor. Das spätere Formularverfahren kennt statt der
wenigen Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene
Klageformeln. Die Verbalkontrakte des klassischen römischen Rechtes erfordern
für die Entstehung der Obligation bestimmte Worte. Außerdem entwickeln sich
etwa für Eide, Gelöbnisse, Einsetzungen
u. s. w. häufig gewisse Formeln. Umfangreichere Formeln (lat. [F.]
→formulae) werden in →Formelsammlungen gesammelt.
Lit.: Köbler, DRG 5, 33, 81, 116; Dilcher, G.,
Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961; Selb, W.,
Formeln mit unbestimmter intentio, 1974; Wiegand, W., Zur Herkunft und
Ausbreitung der Formel „Habere fundatam intentionem“, FS H. Krause, 1976, 126
formell, Adj., die Form betreffend (im Gegensatz zum
Inhalt bzw. der Materie)
Formelles Recht ist das das Verfahren betreffende
Recht (Verfahrensrecht, Prozessrecht) im Gegensatz zum materiellen Recht (z. B.
Privatrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht).
Lit.: Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte,
1996
Formelsammlung ist die bereits im Altertum
bekannte, besonders für das quellenarme Frühmittelalter bedeutsame Sammlung von
allgemeinen Formularen für Urkunden, wie sie auch in der Gegenwart
kautelarjuristisch gepflegt wird. Die bekanntesten frühmittelalterlichen Formelsammlungen
(31 Handschriften) sind die westgotischen (lat. [F.Pl.]) formulae (Cordoba
616-620), die formulae Andecavenses (Angers um 600), die formulae Marculfi (um
650?, 721-735?), die formulae Bituricenses (Bourges 8. Jh.) und die formulae
imperiales (vor 832), wobei das Fehlen von Formelsammlungen aus Italien
bemerkenswert ist. Danach finden sich vielleicht unter dem Einfluss
italienischer Notarskunst seit dem 11. Jh. Formelsammlungen innerhalb der
(lat.) ars (F.) dictandi (z. B. Breviarium de dictamine des Alberich von
Montecassino, um 1080) oder der (lat.) ars (F.) notariae (Rainerius Perusinus
[1185-1245] vor 1234, Rolandinus Passageri Summa artis notariae, 1255/1256,
insgesamt schätzungsweise 3000 Handschriften und Frühdrucke). Für das spätmittelalterlich-frühneuzeitliche
Heilige römische Reich haben besonderes Gewicht der (lat.) Formularius (M.) de
modo prosandi (Baumgartenberg bei Linz A. 14. Jh., 240 Stücke, Formularbuch)
und Perneder, Andreas, Summa Rolandina (vor 1540).
Lit.: Rockinger, L., Über Formelbücher, 1855;
Rockinger, L., Briefsteller und Formelbücher des 11. bis 14. Jahrhuderts,
1863f.; Schröder, R., Über die fränkischen Formelsammlungen, ZRG GA 4 (1883),
75; Collectarius perpetuarum formarum Iohannis de Geylnhusen, hg. v. Kaiser,
H., 1900; Liber Diurnus, hg. v. Foerster, H., 1958; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Uddholm, A., Marculfi formularum libri
duo, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964; Worstbrock,
F./Klaes, M./Lütten, J., Repertorium der Artes dictandi des Mittelalters, Bd. 1
Von den Anfängen bis um 1200, 1992
Formfreiheit ist die Freiheit einer rechtlich
bedeutsamen Handlung von einer besonderen →Form. Es ist streitig,
inwieweit am Beginn rechtlicher Entwicklung F. besteht. Jedenfalls werden schon
in den frühesten Quellen auch feste Formen sichtbar (z. B. lat. [F.]
mancipatio). Im Spätmittelalter setzt sich die Kirche für die F. der Verträge
ein. Auch der Liberalismus bejaht grundsätzlich die F. Dessenungeachtet
entwickeln sich im 20. Jh. neue Formen (z. B. allgemeine Geschäftsbedingungen,
Verbraucherkreditverträge, Arbeitsverträge).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Baltl/Kocher
formulae (lat. [F. Pl.]) →Formelsammlung
Formular ist das die allgemeinen Angaben eines Typs von
Urkunden zwecks leichter individueller Ergänzung enthaltende Schriftstück.
Formularverfahren oder Formularprozess ist das dem
älteren Legisaktionenverfahren (→legisactio) im klassischen römischen
Recht nachfolgende, dem späteren →Kognitionsverfahren vorausgehende
Verfahren. Es ist vielleicht anfangs nur dem Fremden zugänglich und kennt statt
weniger Legisaktionen viele, auf das jeweilige Rechtsverhältnis bezogene
Klageformeln (Formulare). Sie werden auf den formlosen Vortrag der Parteien vor
dem Prätor hin meist schriftlich in einer (lat. [F.]) formula (Schriftformel)
niedergelegt, woraufhin der (lat. [M.]) iudex (Richter) gemäß der Formel Beweis
erhebt und sein Urteil spricht. 17 v. Chr. wird das Legisaktionenverfahren bis
auf geringe Reste abgeschafft.
Lit.: Kaser §§ 80, 82ff.; Söllner § 9; Artner, M.,
Agere praescriptis verbis, 2002
Foro ist die portugiesische Bezeichnung für →Fuero.
1111 wird ein F. an Coimbra verliehen, 1166 an Evora, um 1160 an Trancoso, 1179
an Lissabon (F. von Santarém). Seit dem 14. Jh. wird ein F. nur noch selten
gewährt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 666
Forsman, Jaakko (1839-1899), aus einer
schwedischen Theologenfamilie, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht
in Helsinki 1879 Professor für Strafrecht und Rechtsgeschichte und verfasst
1896 eine Geschichte der finnischen Gesetzgebung (Suomen laindsäädännön
historia).
Forst (Etymologie unklar) ist
seit dem Frühmittelalter der vielleicht dem römischen (lat. [M.]) saltus
nachgebildete, durch →Bann abgesonderte herrschaftliche Wald (meist des
Königs, Austrasien 648, Neustrien 657/661). Im Hochmittelalter gehen die
Forsten des Königs auf die Landesherren über. Örtlich unterschiedlich greift der
absolutistische Fürst entschiedener auf die damit verbundenen Rechte zu. Der
Liberalismus verlangt die Aufhebung der staatlichen Forsthoheit, doch verfahren
die Forstgesetze des 19. Jh.s unterschiedlich. Im 20. Jh. lebt trotz einer
Rahmengesetzgebung durch das Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung
der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz) in Deutschland der hergebrachte
Föderalismus im Forstrecht fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, WAS; Roth, K.,
Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Völker, A., Die
Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922; Goller, F., Die älteren
Rechtsverhältnisse am Wald in Altbaiern, Diss. jur. München 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum,
1960; Rubner, H., Untersuchungen zur Forstverfassung des mittelalterlichen
Frankreichs, 1965; Bothmer, H. v., Mirica, Forst und Gesellschaft, 1965;
Rubner, H., Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, 1967;
Young, C., The Royal Forests of Medieval England, 1979; Mantel, K., Forstgeschichte des 16.
Jahrhunderts, 1980; Rubner, H., Deutsche Forstgeschichte 1933-1945, 1985, 2. A.
1997; Hasel, K., Forstgeschichte, 1986, 2. A. 2006; Knöppel, V.,
Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg 1988; Dasler, C., Forst- und Wildbann,
2001; Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003
Forsthoff, Ernst (Laar bei Duisburg 13. 9.
1902-Heidelberg 13. 8. 1974) wird nach der Promotion bei Carl →Schmitt
1933 Professor für öffentliches Recht in Frankfurt am Main, Hamburg (1935),
Königsberg (1936), Wien (1941) und Heidelberg (1943-1946, 1952-1967). Er setzt
sich für den starken Staat ein, der allein die mit dem technischen Fortschritt
eintretenden Probleme bewältigen könne, und steht einem Wertesystem, der Verfassungsgerichtsbarkeit,
der umfassenden Verwaltungsgerichtsbarkeit und dem Sozialstaat zurückhaltend
gegenüber. Trotz seines konservativen Verfassungsverständnisses ist sein
Verwaltungsrechtsverständnis modern. Sein Lehrbuch des Verwaltungsrechts (1950,
10. A. 1973) ist längere Zeit in Deutschland führend.
Lit.: Storost, U., Staat und Verfassung bei Ernst
Forsthoff, 1978; Doehring, K., Ernst Forsthoff, (in) Juristen im Portrait,
1988, 341; Ernst Forsthoff Kolloquium, hg. v. Blümel, W., 2003; Schütte, C., Progressive
Verwaltungswissenschaft auf konservativer Grundlage, 2006; Briefwechsel Ernst
Forsthoff Carl Schmitt (1926-1974), hg. v. Mußgnug, D. u. a., 2007; Luther, C.,
Hermeneutik und Metaphysik, ZRG GA 131 (2014), 481
Fortescue, Sir John (um 1385-um 1479), nach
Ausbildung in Lincoln’s Inn 1442 oberster Richter am königlichen Gericht
(King’s Bench), von 1463 bis 1471 im Exil in Frankreich, vergleicht in seinem
in der Form eines Lehrgespräches an Prinz Eduard von Lancaster gerichteten
Hauptwerk ([lat.] De laudibus legum Angliae, 1470, Über die Vorzüge des
englischen Rechtes) das englische Recht mit dem festländischen (französischen)
Recht in einer für Laien verständlichen Weise. In (engl.) On the Governance of
the Kingdom of England (Über die Beherrschung des Königreichs England)
(1471/1473) stellt er den politischen Gesamtzustand seines Landes dar.
Lit.: The Works of Sir John Fortescue, hg. v.
Clermont, T., 1869; Heymann, E., Fortescues Laudes legum Angliae, ZRG GA 58
(1938), 615; Kluxen K., Englische Verfassungsgeschichte, 1987
Forum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
der Marktplatz und das dort öffentlich abgehaltene Gericht. Das
mittelalterliche Kirchenrecht bildet von daher die Vorstellung eines (lat.) f.
externum und eines f. internum. Daneben bezeichnet f. auch den Markt.
Lit.: Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 19; Schlesinger,
W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des
Mittelalters, Bd. 1 1961, 275; Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht
im Spätmittelalter, ZRG KA 57 (1971), 83; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5.
A. 1980; Meneghini, R., Die Kaiserforen Eoms, 2015
Forum (N.) externum (lat.) oder (lat.) forum (N.)
iudiciale ist seit dem Ende des 12. Jh.s (Glossenapparat [lat.] Animal est
substantia [vor 1210], Wilhelm von Auvergne um 1225) bzw. seit Thomas von Aquin
(1225-1274) (forum exterius) im mittelalterlichen Kirchenrecht der Bereich des
menschlichen Bußwesens und Gerichtswesens (kirchliche Gerichtshöfe) im Gegensatz
zum nur Gott einsehbaren inneren Gericht des Gewissens ([lat.] forum [N.]
paenitentiale im Beichtstuhl), das in der frühen Neuzeit (nach 1563) als
(lat.) forum (N.) internum bezeichnet wird. Das Verfahren vor dem f. e.
verläuft grundsätzlich streitig. Der Angeklagte muss erscheinen und die
Wahrheit wird in einem von einem Richter (Archidiakon) geleiteten Ablauf
erforscht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963;
Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und externum, ZRG KA
76 (1990), 254ff.
Forum (N.) internum (lat.) ist seit der frühen Neuzeit
(nach 1563) der neuere Name für das zunächst als (lat.) forum (N.)
paenitentiale bezeichnete, im Beichtstuhl erforschte Gewissen im Gegensatz zum
(lat.) →forum (N.) externum. Im f. i. zu erscheinen, steht in der
(freiwilligen) Entscheidung des Betroffenen. Allein auf seinem Bekenntnis
beruht das „Urteil“ des Beichtpriesters (Penitentiars).
Lit.: Fries, B., Forum in der Rechtssprache, 1963;
Trusen, W., Forum internum und gelehrtes Recht im Spätmittelalter, ZRG KA 57
(1971), 83; Trusen, W., Zur Bedeutung des geistlichen Forum internum und
externum, ZRG KA 76 (1990), 254ff.; Goering, J., The Internal Forum and the
Literature of Penance and Confession, Traditio 59 (2004), 175ff.
Fracht ist der Lohn für die Beförderung
eines Gutes und das gegen Lohn beförderte Gut. Der die F. betreffende Vertrag
entsteht im Hochmittelalter und ist Werkvertrag. Der Frachtführer ist Kaufmann.
Seefrachtrecht wird vor allem im Libre del Consolat de Mar, in den Rôles
d’Oléron, im Blackbook of the Admiralty oder im Schiffsrecht von Hamburg
aufgezeichnet. Wichtige gesetzliche Regelungen finden sich im dänischen
Seegesetz (1561), in Ordonnanzen Kaiser Karls V. und Philipps II. für die
Niederlande von 1551 und 1563, in der Ordonnance de la Marine Frankreichs
(1681), im Seerecht Preußens (1727), in den Ordonanzas von Bilbao, im Codice
per la Veneta Mercantile di Marina Venedigs (1786) oder im Code de commerce Frankreichs
(1807) und den ihm folgenden Handelsgesetzbüchern. Ausführlich erörtert C. E.
Münster 1798 das Frachtfahrer-Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd.
1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Pappenheim, M., Zur Entwicklung des Seefrachtvertrags, ZRG GA 51 (1931),
175ff.; Ohler, N., Reisen im Mittelalter, 1986; Basedow, J., Der Transportvertrag,
1987; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996;
Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim Seefrachtvertrag, (in)
Wirkungen europäischer Rechtskultur, 1997, 595; Lopez, R./Raymond, I., Medieval
Trade in the Mediterranean World, 2001; Vahl, C., Die gesetzliche Regelung des
Seefrachtvertrags im deutschen Recht, 2015
Fragment (N.) Bruchstück (z. B. in den Digesten, dort
weitere Unterteilung in [principium und] Paragraphen)
Lit.: Fragmente, hg. v. Gastgeber, C. u. a., 2010
Fragmenta (N.Pl.) Gaudenziana (lat.) (Gaudenzische Fragmente)
sind die von dem Bologneser Professor Augusto Gaudenzi (1858-1916) in einer (um
900 geschriebenen) Handschrift der Bibliothek von Lord Leicester (Codex
Holkhamensis Nr. 210, London, British Museum Add. Mss. 46676) entdeckten, bis
dahin unbekannten, als (lat.) ordo mellifluus in expositione legum Romanarum
betitelten 14 Kapitel (Privatrecht, Prozessrecht) des gotischen Rechtskreises
des 6. Jh.s (?, Provence?).
Lit.: Gaudenzi, A., Un’ antica compilazione di diritto
romano e visigoto, 1886; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953; Vismara, G.,
Fragmenta Gaudenziana, (in) Ius Romanum medi aevi I 2 b aa, 1967; Liebs, D.,
Römische Jurisprudenz in Gallien, 2002; Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004
Fragmenta (N. Pl.) Vaticana (vatikanische Fragmente) sind die auf einem
Palimpsest in der vatikanischen Bibliothek in Rom 1821 von Angelo Mai
entdeckten Bruchstücke einer Rechtssammlung wohl des 4. Jh.s mit Auszügen aus
den Werken des Paulus, Papinians und Ulpians sowie der kaiserlichen
Konstitutionen des (lat.) Codex (M.) Gregorianus und des Codex Hermogenianus.
Fraktion ist das Bruchstück oder (seit 1848) die
Vereinigung von Mitgliedern einer Partei im Parlament. In den Verfassungen
erscheint die politische F. im Gegensatz zur Partei meist nicht, doch sind sie
betreffende Grundsätze in Geschäftsordnungen geregelt. In Einparteiensystemen
gibt es die F. rechtlich oder rechtstatsächlich nicht.
Lit.: Kramer, H., Fraktionsbindungen in den deutschen
Volksvertretungen 1819-1849, 1968; Die Fraktion als Machtfaktor, hg.
v. Schwarz, H., 2009
Franciscus de Accoltis ist der in Arezzo spätestens 1418 geborene,
vielleicht in Bologna ausgebildete und dort sowie in Ferrara, Siena, Ferrara,
Mailand, Siena und Pisa lehrende, 1485, 1486 oder 1488 verstorbene Jurist,
der commentaria zu den Digesten, commentaria zu einzelnen Titeln, commentaria
zum Codex, casus, repetitiones und consilia verfasst.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2
2007, 854
Franche-Comté (Freigrafschaft) →Burgund
Lit.: Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, ZRG GA 79
(1962), 106; Ein Raum im Umbruch?, hg. v. Nowak, J. u. a., 2019
Francia (lat. [F.]) fränkisches Gebiet,
→Franken
Lit.: Lugge, M., Gallia und Francia, 1960
Franckensteinsche Klausel ist die im Streit um die
Verteilung der Finanzen zwischen Deutschem Reich und seinen Bundesstaaten am
12. 7. 1879 in zulässiger Verfassungsdurchbrechung verabschiedete, nach dem
Abgeordneten der Zentrumspartei im Reichstag des Deutschen Reiches Georg
Arbogast Freiherr von und zu Franckenstein (2. 7. 1825-22. 1. 1890) als ihrem
Urheber bezeichnete Klausel (§ 8 I 1 des Gesetzes betreffend den Zolltarif des
deutschen Zollgebiets und den Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer), dass der
Ertrag der Zölle und der Tabaksteuer (des Reiches), der die Summe von 130
Millionen Mark in einem Jahr übersteigt, den Bundesstaaten entsprechend ihren
Bevölkerungszahlen zu überweisen ist. Am 14. 5. 1904 wird sie im Kern
aufgehoben und der Ertrag aus Zöllen und Tabaksteuer ganz dem Reich zugeschlagen.
Lit.: Kittel, J., Franckensteinsche Klausel und die
deutsche Finanzreform, 1894; Thier, A., Steuergesetzgebung, 1999; Ullmann, H.,
Der deutsche Steuerstaat, 2005
Franeker in den Niederlanden (Friesland) ist
von 1585 bis 1811 Sitz einer juristischen Fakultät (Ulrich Huber, Johann
Gottlieb Heineccius).
Lit.: Universiteit te Franeker 1585-1811, hg. v.
Jensma, G. u. a., 1985; Ahsmann, M., De juridische faculteit te Franeker, TRG
54 (1986), 39; Feenstra, R., Heineccius in den alten Niederlanden, TRG 74
(2004), 297ff.; Feenstra, R., Bibliografie van hoogleraren in de rechten aan de
Franeker Universiteit tot 1811, 2003
Frank und frei ist die in der frankophonen Schweiz 1461
(franc et libre de toutes taillés) erstmals nachweisbare Wendung (Paarformel).
Franke („Kühner“) ist der Angehörige einer
258 n. Chr. am Niederrhein erstmals sichtbaren germanischen Völkerschaft, die
im 5. Jh. allmählich in das südlich gelegene, römische Gallien zwischen Rhein
und Somme eindringt (vom 4. bis zum 8. Jh. rund 36000 Personennamen bezeugt).
Die Franken besiegen unter ihrem sie gewaltsam einenden König Chlodwig ([* um
466,] 481/482-511) aus dem Hause der →Merowinger den römischen
Statthalter in Nordgallien (Soissons) (486), die am oberen Rhein und an der
oberen Donau sitzenden Alemannen (496) und die in Südgallien siedelnden
Westgoten (Vouillé 507). Danach bringen ihre merowingischen Könige von dem
Kernraum zwischen Rhein und Loire aus die Thüringer (531/534), Burgunder
(532/534), die Provence (536) und Bayern (bis 545) in eine gewisse
Abhängigkeit. Das Recht der Franken wird im (lat.) →Pactus (M.) legis
Salicae (507/11?) und in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria sowie der
→Ewa Chamavorum aufgezeichnet. Vielfach wird das Reich geteilt, kommt
aber z. B. zwischen 558 und 561 unter Chlothar I. oder auch danach unter
Chlothar II. wieder in eine Hand. Vielleicht erst in den dabei ausgelösten
Wirren verfallen die römerzeitlichen Einrichtungen Galliens weitgehend. Seit
dem späteren 7. Jh. gewinnen die Hausmeier als der Familie der (Arnulfinger
oder) Pippiniden (oder später Karolinger) an Bedeutung (Pippin der Mittlere
687-714, Karl Martell 714-741, Pippin der Jüngere 741-768). 751 löst die
Familie der Karolinger die Merowinger mit Unterstützung Papsts Zacharias‘ durch
Akklamation seitens der Großen im Königtum ab ([lat.] consecratio [F.] durch
die Bischöfe, 754 Salbung durch Papst Stephan II.). Unter Karl dem Großen, der
Weihnachten 800 vom Papst zum (west)römischen Kaiser gekrönt wird, gewinnt das
Reich der Franken seine größte Ausdehnung (Sachsen, Italien 774). 843 wird es
in Westreich, Lotharingien und (deutschsprachiges) Ostreich geteilt, woraus
sich unter einstweiligem Ausscheiden Italiens und Burgunds 887 eine Zweiteilung
entwickelt, die im deutschen Reich einerseits und in Frankreich andererseits
endet. In Frankreich gehen die Franken bald in der unterworfenen gallorömischen
Bevölkerung auf. Im deutschen Reich verlagert sich die Herrschaftsgewalt 919
auf die Herzöge von Sachsen. Das Herzogtum der Franken (ebenso wie ein
Territorialherzogtum Franken [1168]) verschwindet infolge seiner späteren
Königsnähe bald in vollständiger Zersplitterung und hinterlässt nur in den
1838 gebildeten bayerischen Regierungsbezirken Mittelfranken (Ansbach),
Oberfranken (Bayreuth) und Unterfranken (Würzburg) eine blasse Erinnerung.
Auch das fränkische Recht ist nur im Frühmittelalter deutlich erkennbar (s.
Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa Chamavorum).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1,
3; Rübel, K., Die Franken, 1904; Petri, F., Germanisches Volkserbe in Wallonien
und Nordfrankreich, 1937; Zöllner, E. Die politische Stellung der Völker im
Frankenreich, 1950; Petri, F., Zum Stand der Diskussion über die fränkische
Landnahme, 1954; Balon, J., Études franques 1, 1963; Zöllner, E., Geschichte
der Franken bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, 1970; Bosl, K., Franken um 800,
2. A. 1980; Siedlung, Sprache und Bevölkerungsstruktur im Frankenreich, hg. v.
Petri, F., 1973; Schneider R., Das Frankenreich 1982; Schulze, H., Vom Reich
der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Périn, P./Feffer, C., Les Francs,
1987; James, E., The Francs, 1988; Fried, J., Der Weg in die Geschichte, 1994;
Wood, I., The Merovingian Kingdoms, 1994; Franken, Reallexikon der germanischen
Altertumskunde, Bd. 9 1995, 373; Die Franken – Wegbereiter Europas, 1996;
Clovis, hg. v. Rouche, M., 1997; Kasten, B., Königssöhne und Königsherrschaft,
1997; Franks and Alamanni, hg. v. Wood, I., 1998; Die Franken und die
Alemannen, hg. v. Geuenich, D., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v.
Hässler, H., 1999; Siegmund, F., Alemannen und Franken, 2000; Semmler, J., Der
Dynastiewechsel, 2003; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs,
2005; Collins, R., Die Fredegar-Chroniken, 2007; Uffelmann, U., Das frühe
Frankenreich 482-687, 2008; Nonn, U., Die Franken, 2010
Franken ist das von dem 531/vor 720 von den Thüringern
an die Franken gefallenen Gebiet um Würzburg (Herzogtum der Hedene, 10. Jh.
orientalis Francia) ausgehende Gebiet zwischen Rhön und Donau, das im
Mittelalter in zahlreiche kleine Herrschaften zerfällt (Ansbach, Bayreuth,
Hohenlohe, Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Deutscher Orden, Reichsstädte,
Reichsritter, insgesamt 43 Landesherren im fränkischen Reichskreis), am Beginn
des 19. Jh.s insgesamt aber an Bayern gelangt, das die drei Regierungsbezirke
Unterfranken (Würzburg), Mittelfranken (Ansbach mit Nürnberg) und Oberfranken
(Bayreuth) bildet. →Franke
Lit.: Stein, F., Geschichte Frankens, Bd. 1f. 1885f.;
Hartung, F., Geschichte des fränkischen Kreises I, 1910, Neudruck 1973;
Schmidt, G., Das Herzogtum Franken, 1913; Schaumberg, O. Frhr. v. u. a.,
Regesten des fränkischen Geschlechts von Schaumberg, 1930ff.; Franken, hg. v.
Scherzer, C., Bd. 1f. 1955ff.; Historischer Atlas von Bayern, Teil Franken;
Bog, I., Dorfgemeinde, Freiheit und Unfreiheit in Franken, 1956; Merzbacher,
F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae. Das kaiserliche Landgericht des
Herzogtums Franken im Spätmittelalter, 1956; Bosl, K., Franken um 800, 1959;
Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner Staat, 1962; Schrader, E., Vom
Werden und Wesen des würzburgischen Herzogtums Franken, ZRG GA 80 (1963), 27;
Zimmermann, G., Vergebliche Ansätze zu Stammes- und Territorialherzogtümern in
Franken, Jb. f. fränkische Landesforschung 23 (1963), 379ff.; Wöppel, G.,
Prichsenstadt, 1968; Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M.,
Bd. 3 1971; Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. III/1, Franken, hg. v.
Spindler, M. u. a., 3. A. 1997; Der deutsche Territorialstaat im 14.
Jahrhundert Bd. 2, hg. v. Patze, H., 1971, 255ff.; Moraw, P., Franken als königsnahe
Landschaft im späten Mittelalter, Bll. f. dt. Landesgeschichte 112 (1976),
123ff.; Andraschke, J., Arianische und fränkische Missionierung im Regnitz- und
Obermaingebiet um 500 bis 800 n. Chr., Bericht des hist. Vereins Bamberg 135
(1999), 89; Franken von der Völkerwanderungszeit bis 1268, bearb. v. Störmer,
W., 1999; Merz, J., Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine
Nachbarn 1470-1519, 2000; Riedenauer, E., Fränkische Landesgeschichte, hg. v.
Wendehorst, A., 2001; Franken in Vorstellung und Wirklichkeit in der
Geschichte, hg. v. Blessing, W. u. a., 2003; Franken im Mittelalter, hg. v.
Merz, J. u. a., 2004; Edel und Frei, hg. v. Jahn, W. u. a., 2004; Petersohn,
J., Franken im Mittelalter, 2008; Blessing, W., Kleine Geschichte Frankens,
2008; Wieser, E., Geschichte des Frankenreichs, 2013
Franken (M.) Geldeinheit der Schweiz 1881
Lit.: Baltensperger, E., Der Schweizer Franken, 2012
Frankenberg ist die 1243 erstmals erwähnte
Stadt an der oberen Eder, für die 1493 der in Erfurt (1454) und Leipzig
(1457-1459) immatrikulierte, bakkalaurierte Bürgermeisterssohn und Schöffe
Johannes Emmerich († 15. 11. 1494) ein Stadtrechtsbuch vollendet, das in seinem
ersten Teil (Von den burgern) überwiegend auf Gewohnheitsrecht und (1476
verbrannten) Privilegien und in seinem zweiten Teil (Von dem gericht) vor allem
auf dem (in etwa 190 Artikel geteilten) Schwabenspiegel und dem Kleinen Kaiserrecht
(Frankenspiegel) beruht und wohl aus dem Gedächtnis auch die Dekretalen Gregors
IX. und die Institutionen Justinians einbezieht. Es wird 1556 abgeändert nach
Alsfeld übernommen.
Lit.: Diemar, H., Die Chroniken des Wigand Gerstenberg
von Frankenberg, 1909; Spieß, W., Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg,
Diss. jur. Marburg 1922; Anhalt, E., Der Kreis Frankenberg, 1928; Spieß, W.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Frankenberg, 1930; Gerhardt, H., Das Alsfelder
Stadtrechtsbuch, Diss. Freiburg im Breisgau 1993; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 82; Eckhardt, W., Das Stadtgericht
als Oberhof, Zs. f. hess. Gesch. 110 (2005), 21ff.; Das Frankenberger
Stadtrechtsbuch, bearb. v. Eckhardt, W., 2014
Frankenspiegel ist die an Sachsenspiegel,
Deutschenspiegel und Schwabenspiegel ausgerichtete Bezeichnung (Richard Schroeders)
des zwischen 1344 und 1350 bei Frankfurt am Main verfassten, eng an den sog.
Schwabenspiegel angelehnten →Kleinen Kaiserrechts.
Lit.: Köbler, DRG 103; Eckhardt. K.,
Frankenspiegel-Studien, 1923; Stutz, U., Frankenspiegel-Studien, ZRG GA 44
(1924), 316; Hatzfeld, L., Frankenspiegel oder Kaiserrecht, TRG 26 (1958), 15;
Ochsenbein, P. u. a., Neue Bruchstücke einer alemannischen Frankenspiegelhandschrift,
ZRG GA 95 (1978), 237; Munzel-Everling, D., Des keisers recht, 2003
Frankfurt am Main ist die 794 als Pfalz erstmals
erwähnte Stadt am unteren Main. Seit 856 bzw. 1152 ist F. Ort der Königswahl
(bis 1752 36 Könige in F. gewählt), wie dies die Goldene Bulle (1356)
ausdrücklich festlegt, und seit 1562 auch Ort der Krönung. Um 1150 wird
erstmals die Messe in F. erwähnt (seit Ende des 15. Jh.s auch für Bücher,
Buchmesse). Bis 1372 (Erwerb des Pfandrechts am Schultheißenamt) wird F.,
dessen Recht erstmals in einem Weistum für Weilburg über Pfahlbürger (1297)
aufgezeichnet (und auch an Friedberg, Gelnhausen, Steinheim am Main, Hanau,
Limburg und Wetzlar vermittelt) wird, tatsächlich reichsunmittelbar. 1509
reformiert die Stadt ihr Recht und erweitert diese Reformation 1578 durch
Johann →Fichard noch. Die Zahl der danach in F. arbeitenden, häufig in
Gießen ausgebildeten Rechtsanwälte ist überdurchschnittlich groß. Nach dem
Ende des Heiligen römischen Reiches 1806 wird F. Hauptstadt des Rheinbunds mit
Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg im Palais Thurn und Taxis
(1810 Großherzog von F., 1811 Einführung des Code Napoléon). Nach dem Sturz
Napoleons wahrt Karl Freiherr vom Stein die auf dem Wiener Kongress 1815
gesicherte Selbständigkeit der (freien) Stadt. Von 1815 bis 1866 ist F. Sitz
der Bundesversammlung des Deutschen Bundes (und vom 31. 3.-3. 4. 1848 des die
Wahl einer Nationalversammlung vorbereitenden Frankfurter Vorparlaments,
dessen Beschlüsse vom Deutschen Bund anerkannt werden, sowie ab 18. 5. 1848
bis 1849 Sitz der deutschen Nationalversammlung mit 812 Abgeordneten, davon 491
Juristen, viele mit Studien in Göttingen, Heidelberg oder Berlin). 1866 wird es
von Preußen annektiert. Wirtschaftlich entwickelt es sich zur Großstadt. 1914
wird es auf der Grundlage einer Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften
Sitz einer Stiftungsuniversität (1932 Johann Wolfgang Goethe-Universität), in
der 1964 das Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte (Helmut
Coing) gegründet wird. 1945 gelangt es zu Hessen.
Lit.: Köbler, DRG 171; Köbler, Historisches Lexikon;
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bis 1732, 1920; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578, 1935;
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Jahrhundert Frankfurter Justiz, Gerichtsgebäude, hg. v. Henrichs, H. u. a.,
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unter dem Einfluss der westfälischen Gerichtsbarkeit – Feme, 1990; Fischer, R.,
Frankfurts Beitrag für das heutige Hessen, 1990; Frankfurt am Main, hg. v. der
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des Großherzogtums Frankfurt 1806-1813, bearb. v. Rob, K., 1995; Kraß, G., Das
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Mittelalter, 1998; Recht und Juristen in der deutschen Revolution 1848/49, hg.
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H. u. a., 2004; Ihrer Bürger Freiheit - Frankfurt im Mittelalter, hg. v.
Müller, H., 2004; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt
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Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Wintergerst, M.,
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Gerichtslandschaft, hg. v. Amend, A., 2008; Frankfurt im Schnittpunkt der Diskurse,
hg. v. Seidel, R. u. a., 2010; Riemer, R., Frankfurt und Hamburg vor dem
Reichskammergericht, 2011; Roth, R., Die Herausbildung einer modernen
bürgerlichen Gesellschaft – Geschichte der Stadt Frankfurt am Main Band 3
1789-1866, 2013; Burger, T., Frankfurt am Main als jüdisches Migrationsziel zu
Beginn der frühen Neuzeit, 2013; Das alte Frankfurt am Main 1855 bis 1890 –
Photographien v. Mylius, C., 2014; Hundert Jahre Rechtswissenschaft in
Frankfurt am Main, 2014; Hansert, A., Geburtsaristokratie in Frankfurt am Main,
2014; Gruenewaldt, A. v., Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am
Main in der Zeit des Nationalsozialismus, 2015; Stalljohann Schemme, M., Stadt
und Stadtbild in der frühen Neuzeit – Frankfurt amMain, 2016
Frankfurt an der Oder wird im frühen 13. Jh. als
Handelssiedlung gegründet und erhält 1253 das Stadtrecht von Berlin (der
Magdeburger Stadtrechtsfamilie). Ab 1506 ist es Sitz der ersten
brandenburgischen, 1811 nach Breslau verlegten, 1991 erneuerten Universität
(Samuel Stryk, Johann Samuel Friedrich Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius,
Johann Brunnemann, Karl Friedrich Eichhorn).
Lit.: Haalck, J., Zur Spruchpraxis der
Juristenfakultät Frankfurt, (in) Heimatkunde und Landesgeschichte, 1958,
151ff.; Kliesch, G., Der Einfluss der Universität Frankfurt (Oder) auf die
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Universität Frankfurt/Oder, 1970; Huth, E., Die Entstehung und Entwicklung der
Stadt Frankfurt, 1975; Jajesniak-Quast, D./Stoklosa, K., Geteilte Städte an
Oder und Neiße, 2000; Höhle, M., Universität und Reformation, 2002; Frankfurt
an der Oder 1253-2003, hg. v. Knefelkamp, U. u. a., 2003; Kilian-Buchmann, M.,
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Frankfurter Nationalversammlung →Frankfurt am Main
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung 1848/49, 1976; Die Protokolle des volkswirtschaftlichen
Ausschusses der deutschen Nationalversammlung, hg. v. Konze, W. u. a., 1992
Fränkisches Recht ist das für →Franken
geltende Recht. Dem fränkischen Recht untersteht der deutsche König, der auf
fränkischem Boden gewählt und gekrönt wird (Frankfurt am Main, Aachen). Als
besondere Einheit ist es trotz gelegentlicher hochmittelalterlicher
Bezugnahmen kaum fassbar (vielleicht Königsgericht, Königsbann, Königspfalz,
Graf, Lehen, Kesselfang). →Pactus legis Salicae, Lex Ribvaria, Ewa
Chamavorum, Decretio Childeberti, Pactus pro tenore pacis, Praeceptio
Chlotharii, Kapitular
Lit.: Sohm, R., Fränkisches Recht und römisches Recht,
ZRG GA 1 (1880), 1; Beaudoin, E., La participation des hommes libres au
jugement dans le droit franc, 1888; Frommhold, G., Zur Geschichte des
fränkischen Rechts in Schlesien, ZRG GA 13 (1892), 220; Schröder, R., Die
Franken und ihr Recht, ZRG GA 2 (1881), 1; Egger, A., Vermögenshaftung und
Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gál, A., Der Zweikampf im fränkischen
Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Holtzmann, R., Französische
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fränkischen Rechts 1, 1924; Goldmann, E., Neue Beiträge zur Geschichte des
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L., Essai sur l’histoire de la dévolution successorale ab intestat, 1975;
Mordek, H., Studien zur fränkischen Herrschergesetzgebung, 2000
Frankreich ist der aus dem westlichen Teil des
Reiches der →Franken seit 843 allmählich entstandene westeuropäische
Staat, in dem sprachlich die zahlenmäßig unterlegenen Franken in der
romanischen Mehrheit allmählich aufgehen. In ihm entwickeln sich unter den
Karolingern zahlreiche ziemlich selbständige Herrschaften (Aquitanien, Normandie,
Burgund, Blois-Tours, Anjou, Flandern, Toulouse). Seit 888 ist das Königtum
zwischen Karolingern und Robertinern umstritten. Als nach dem Aussterben der
westfränkischen →Karolinger 987 der Robertiner Hugo Capet, Graf von
Paris, zum König ([lat.] rex [M.] Francorum, König der Franken) gewählt wird,
setzt er die Erblichkeit des Königtums durch. Danach tritt an die Stelle des
westfränkischen Reiches F. (mit den Grenzflüssen Schelde, Maas, Saône, Rhône),
das rasch kulturell führend wird. Der König ist zunächst auf die um 1180 nur
ein Zehntel des Reichs ausmachende Krondomäne beschränkt und beherrscht neun
Zehntel des Reichs nicht mehr selbst, drängt aber später die großen Lehnsträger
(rund ein Dutzend Prinzipate) zurück (1328 zwei Drittel Frankreichs
Krondomäne). Der seit 1154 aus dem Haus Anjou-Plantagenet stammende König von
England muss bis 1214 (Schlacht von Bouvines) große Teile Frankreichs an den
französischen König überlassen. Dazu kommen kleinere Erweiterungen (Toulouse
nach 1213, Lyon 1312, Dauphiné 1349, Grafschaft Provence 1482). Zwar herrscht
der König noch im Umherziehen durch sein Reich, doch bleiben ab der Herrschaft
Philipps II. (1180-1233) Parlament und Kanzlei zunehmend in Paris. König Ludwig
IX. (1226-1270, rex Franciae) gelingt die Schaffung wichtiger Verwaltungseinrichtungen
(Staatsrat, Hofgericht, Rechenkammer). Auch die Gesetzgebung wird früh als
Herrschaftsmittel erkannt. 1303 kann der König von F. den Papst gefangennehmen
und 1309 nach Avignon verbringen. Beim Aussterben der →Kapetinger (1328)
kommt es 1337 zum hundertjährigen Krieg mit England (Plantagenet), während dessen
Dauer sich (nach anfänglichen großen Erfolgen Englands) unter dem Haus Valois
(1328-1589) die Erbmonarchie festigt. Durch das Eingreifen der Bauerntochter
Jeanne d’Arc gelingt der nationale Sieg über das sein kontinentales Gut
verlierende England, so dass F. 1453 trotz großer Verwüstungen gestärkt aus dem
Krieg hervorgeht. Gegen 1440 wird das Steuerwesen zu einer festen Einrichtung,
das Heer stehend. 1477 fallen die Lehen des Herzogs von Burgund zurück. 1481
umfasst die Krondomäne des Königs (mit Nevers, Picardie, Anjou, Maine und
Provence) drei Viertel Frankreichs (1491 Bretagne). 1492 wird nach Italien
(Neapel) ausgegriffen. Die religiöse Bewegung des Calvinismus wird durch die
Hugenottenkriege bis 1598 zurückgedrängt (Nacht zum 24. 8. 1572 Bartholomäusnacht
mit rund 12000 Toten in Paris und 20000 Toten in Frankreich). Unter dem zum
Katholizismus zurückgekehrten König Heinrich IV. aus dem Hause Bourbon
(1589-1792) (13. 4. 1598 Edikt von Nantes [an der Loire nahe dem Atlantik] zur
Tolerierung der Hugenotten, Glaubensfreiheit, Gewissensfreiheit, politische
Gleichberechtigung, 1685 aufgehoben) beginnt der Aufbau einer absolutistischen
Herrschaft, in der die Generalstände (états généraux) seit 1614 nicht mehr
einberufen werden, aber doch die Gesetzgebung des Königs nicht wirklich
schrankenlos wird. Unter Kardinal Richelieu als erstem Minister Ludwigs XIII.
wird F. führende Macht Europas. Am Ende des dreißigjährigen Kriegs (1618-1648)
erlangt F. von Habsburg Gebiete im →Elsass, 1659 Roussillon und Artois.
Der mit vier Jahren auf den Thron gelangte König Ludwig XIV. (1643-1715) wird
als Sonnenkönig (mit Schloss Versailles) merkantilistisch tätiges,
Ordonnanzen erlassendes absolutistisches Vorbild in Europa, muss aber am Ende
des spanischen Erbfolgekriegs (1714) trotz sehr hoher Staatsverschuldung ein
Gleichgewicht der Mächte anerkennen. Während des 18. Jh.s wendet sich die
bürgerliche Aufklärung gegen die absolute Herrschaft und stürzt nach
außenpolitischen Misserfolgen im siebenjährigen Krieg und im amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg und innenpolitischen Wirtschaftskrisen trotz Einberufung
der Generalstände (1788, 1789) als auf Betreiben des Abgeordneten Emmanuel
Sieyès am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung erklärter (nichtadliger und
nichtgeistlicher) dritter Stand (tiers, état, rund 98 Prozent der Bevölkerung,
davon 16 Prozent Bürger, 82 Prozent Bauern) am 14. 7. 1789 den König unter den
Schlagworten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (27. 8. 1789 Erklärung der
Menschenrechte, 3. 9. 1791 Verfassung, konstitutionelle Monarchie, 1792 erste
Republik, Februar 1793 Gironde-Verfassungsentwurf., 1793 Jakobinerverfassung).
Nach langjährigen revolutionären Wirren (Schreckensherrschaft unter Marat und
Robespierre) erreicht am 9. 11. 1799 Napoleon Bonaparte (als einer von drei
Konsuln) die Macht und bringt als selbstgekrönter Kaiser (2. 12. 1804) in
kurzer Zeit große Teile Europas unter den Einfluss Frankreichs. Nach
militärischen Niederlagen (Leipzig 16.-19. 10. 1813, Waterloo 18. 6. 1815) Napoleons
wird F. konstitutionelle Monarchie (Bourbon, 1814-1830 Restauration, Juli
1830 Revolution, 1830-1848 Juli-Monarchie, Bürgerkönig Louis Philippe,
Zensuswahlrecht), 1848 (bis 1851) zweite Republik), 1853 (zweites)
Kaiserreich), 1871 (dritte) Republik). 1871 verliert F. den wegen der
Thronfolge in Spanien gegen Preußen und seine deutschen Verbündeten geführten
Krieg. 1894 wird F. durch die Affäre Dreyfus (Offizier Alfred Dreyfus
[1859-1535] aus antisemitischen Gründen mit Hilfe gefälschter Beweise wegen
Spionage zu lebenslanger Haft verurteilt, 1906 rehabilitiert) erschüttert,
wodurch die Trennung von Staat und Kirche beschleunigt wird. Das 1871 verlorene
Elsass-Lothringen gewinnt es am Ende des ersten Weltkriegs (1918) zurück.
Danach verliert es in blutigen Kämpfen allmählich die in der Neuzeit eroberten
Kolonien. Trotz vorläufiger Kapitulation gegenüber dem deutschen Reich (1940)
und Errichtung eines autoritären Regimes im nichtbesetzten Teil (État Français,
Vichyregime) wird es 1945 gleichberechtigte Besatzungsmacht Deutschlands
und erhält einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit
Vetorecht. Rasch verliert es in Freiheitskämpfen die meisten seiner Kolonien
(z. B. Indochina, Algerien). In der vierten Republik (1947-1958) schließt es
sich seit 1952 mit Deutschland, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg
zwecks gegenseitiger Kontrolle (Frankreichs über Deutschland) zu Gemeinschaften
(Staatenverbünden) der Montanindustrie (Montanunion), der Atom-wirtschaft
(Euratom) und der Wirtschaft (EWG) (1957) zusammen (1958 fünfte Republik unter
Charles de Gaulle), aus denen nach Zusammenfügung zu einer Europäischen
Gemeinschaft 1993 insgesamt die →Europäische Union erwächst.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 76, 131, 141, 149,
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Weferling, S., Spätmittelalterliche Vorstellungen vom Wandel politischer
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System der 5. französischen Republik, 2014; Praus, A., Das Ende einer Ausnahme,
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Franz I. (Franz Stephan, Nancy 8. 12. 1708-Innsbruck 18.
8. 1765), 1723 in Wien erzogen, 1729 Herzog von Lothringen, 1732 Statthalter
Ungarns, 12. 2. 1736 Heirat mit Maria Theresia, nach Ländertausch 1737
Großherzog von Toskana, 1745 Kaiser des Heiligen römischen Reiches
Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990, 232ff.
Franz II. (Florenz 12. 2. 1768-Wien 2. 3. 1835), Sohn
Kaiser Leopolds II., in Toskana aufgewachsen, 1784 Wien, 1792 Kaiser des
Heiligen römischen Reiches, 1797 Westgalizisches Gesetzbuch, 1803 Strafgesetz,
1804 auch selbst verfassungswidrig ernannter (erblicher) Kaiser Österreichs,
6. 8. 1806 Niederlegung der Krone des Heiligen römischen Reiches, 1811/1812
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Lit.: Die Kaiser der Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990,
286ff.; Hattenhauer, C., Wahl und Krönung Franz II., 1995
Franz Joseph I. (Schönbrunn 18. 8. 1830-Schönbrunn 21. 11.
1916) folgt am 2. 12. 1848 seinem Onkel Ferdinand I. als Kaiser Österreichs,.
Lit.: Conte Corti, E., Der alte Kaiser, 3. A. 1956; Höbelt, L., Franz
Joseph I., 2009
Franziskaner ist der Angehörige des von Franz von Assisi
(1181/1182-1226) begründeten Ordens der Minoriten (Minderbrüder, einschließlich
der Kapuziner). Bekannt sind Heinrich von Merseburg (um 1242 [lat.] Summa super
V libros decretalium), Balduin von Brandenburg (um 1270 [lat.] Summa
titulorum), Johannes von Erfurt (Ende 13. Jh. [lat.] Tabula iuris utriusque,
Summa confessorum), Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham, Anaklet
Reiffenstuel (1700ff. [lat.] Ius canonicum universum) und Lucius Ferraris
(1746ff. Prompta bibliotheca canonica). Vermutlich sind Deutschenspiegel und
Schwabenspiegel von Franziskanern beeinflusst.
Lit.: Ertl, T., Religion und Disziplin, 2006; Feld, H., Die
Franziskaner, 2008; Grieb, C., Die Selbst- und Fremdwahrnehmung der
Franziskaner, 2010; Franciscan Organisation, hg. v. Robson, M. u. a., 2010
Französisch
Lit.: Tobler, A./Lommatzsch, E., Altfranzösisches Wörterbuch, Bd. 1ff.
1954ff. (11.-14. Jh.)
Französische Revolution ist die revolutionäre Veränderung des
politischen Systems (ancien régime) in →Frankreich 1789/1799. Sie
erwächst aus der zunehmenden Spannung zwischen dem durch Krieg und Hofhaltung
die Staatsverschuldung mehrenden König und dem nach politischen Rechten
strebenden, mit der wirtschaftlichen Lage und wohl auch der mangels eines
Steuerkatasters willkürlichen Steuererhebung unzufriedenen dritten Stand (der
→Bürger [16 Prozent, Bauern 82 Prozent]). Als nach sehr strengen Wintern
(1787, 1788) die zum 1. 5. 1789 nach fast 175 Jahren vom König erstmals wieder
zusammengerufenen Generalstände (états généraux, 300, 300 und 600 Mitglieder
der drei Stände) nach ergebnislosen Beratungen über ein Stimmrecht nach Köpfen
sich am 17. 6. 1789 zur Nationalversammlung (des dritten, hauptsächlich aus Verwaltungsbeamten,
Juristen und Kaufleuten zusammengesetzten Standes) erklären, versucht der
König erfolglos, sie aufzulösen. Nach dem Sturm des politischen Gefängnisses
(Bastille, Stadttorburg im Osten von Paris) am 14. 7. 1789 muss er sie als verfassunggebende
Nationalversammlung bestätigen. Die feudalen Rechte des ancien régime werden
aufgehoben (4./5. 8. 1789). Am 26. 8. 1789 werden von der Nationalversammlung
Menschenrechte und Bürgerrechte verkündet. Am 2. 11. 1789 wird die Kirche
enteignet. Am 3. 9. 1791 wird eine erste →Verfassung geschaffen
(konstitutionelle Monarchie mit Zensuswahlrecht, König als Spitze der
ausführenden Gewalt). Die Schulen werden verstaatlicht. Die zivile Eheschließung
wird eingeführt. Der Staat wird in 83 Departements eingeteilt. 1792 wird eine
neue Nationalversammlung gewählt (radikale Jakobiner, gemäßigte Girondisten).
Gegenüber Österreich und Preußen wird der Krieg erklärt. Am 21. 9. 1792 wird
die Republik ausgerufen. Der König wird wegen Verschwörung gegen die
öffentliche Freiheit und die allgemeine Sicherheit des Staates zum Tode
verurteilt und am 21. 1. 1793 hingerichtet. Am 10. 3. 1793 entsteht ein Revolutionstribunal.
Die darauf folgende Schreckensherrschaft eines Sicherheits- und Wohlfahrtsausschusses
(Robespierre, Marat, Danton) wird mit dem Sturz Robespierres am 27. 7. 1794
beendet. Am 22. 8. 1795 wird eine liberale Verfassung geschaffen. Am 9. 11.
1799 stürzt Napoléon Bonaparte das diktatorisch herrschende fünfköpfige
Direktorium.
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Experiment, 2014; Karla, A., Revolution als Zeitgeschichte, 2014
Französisches Recht ist das in Frankreich geltende
Recht bzw. das in Frankreich geschaffene Recht. Es ist aus zwei großen
Teilgebieten erwachsen. Im Süden Frankreichs (Gascogne, Roussillon, Navarra,
Béarn, Guyenne, Saintogne, Limousin, Lyon, Languedoc, Provence, [überwiegend]
Burgund [sowie Savoyen]) gilt seit dem Untergang des weströmischen Reiches
(476) das in vereinfachter Form (→Breviarium Alaricianum) fortgeführte
römische Recht als Schriftrecht fort (frz. droit [M.] écrit) und wird an den im
Hochmittelalter entstehenden Universitäten (Montpellier, Toulouse und Orléans)
gelehrt. Nördlich der Loire bilden sich auf der Grundlage der fränkischen Volksrechte
(→Pactus legis Salicae) schätzungsweise 360 örtliche oder gebietliche
Gewohnheiten (frz. [F.Pl.] →Coutumes, pays de droit coutumier). Sie
werden seit dem 13. Jh. nichtamtlich aufgezeichnet. Am bekanntesten sind die
→coutumes de Beauvaisis des Philippe de →Beaumanoir (1283). 1454
wird die amtliche Aufzeichnung vom König geboten. Im 16. Jh. entsteht eine
glanzvolle französische Rechtswissenschaft (lat. →mos [M.] Gallicus) mit
dem Mittelpunkt in Bourges (Budé, Duarenus, Cujas/Cuiacius, Doneau/Donellus,
Favre, Gothofredus, Du Moulin, Domat, Charondas, Bourjon, Pothier). Gewicht
gewinnen einzelne königliche ordonnances (1510, 1539, 1566, 1579, 1667, 1673,
1681, 1731, 1735, 1745, 1747). Mit dem Edikt von Saint-Germain (1679) erhält
jede juristische Fakultät eine Professor für französisches Zivilrecht. Die
Aufklärung erweckt ein Streben nach allgemeinen Rechtsregeln. Am 3. 9. 1791
kündigt die Verfassung ein einheitliches bürgerliches Gesetzbuch (frz. Code
[M.] des lois civiles communes) an, doch werden drei Entwürfe nicht
verabschiedet und nur Einzelgesetze gegen Kirche und Adel erlassen (sog. droit
[M.] intermédiaire). Nach der Machtergreifung Napoléons entstehen binnen
weniger Jahre ein →Code civil des Français (Bürgerliches Gesetzbuch
1804), ein der ordonnance von 1667 eng folgender, das europäische
Zivilprozessrecht des 19. Jh.s wesentlich bestimmender →Code de procédure
civile (Zivilverfahrensgesetzbuch, in Kraft zum 1. 1. 1807), ein Code de
commerce (Handelsgesetzbuch 1807), ein Code de l’instruction criminelle (Strafverfahrensgesetzbuch
1808) und ein →Code pénal (Strafgesetzbuch 1810). Sie beeinflussen das
Recht vieler Staaten (u. a. des linksrheinischen Deutschland) und gelten trotz
erheblicher Abänderungen (z. B. Loi Naquet 1884, Reformen von 1975 und 2004 im
Ehescheidungsrecht, 1999 Gesetz über den Pacte civil de solidarité,
Relativierung des Eigentums, Höchstpreise, Verbraucherschutz,
Gefährdungshaftung) teilweise noch in der Gegenwart. Allerdings ist der Versuch
Napoleons, das partikulare Recht der europäischen Länder durch einheitliche
französische Gesetzbücher zu ersetzen, nicht wirklich erfolgreich. 1958 wird
ein neuer Code de procédure pénale (Strafprozessgesetzbuch) geschaffen, (1975
bzw.) 1976/81 ein Nouveau code de procédure civile (Neues Zivilprozessgesetzbuch),
seit 1989 ein neues Strafgesetzbuch. Das Handelsgesetzbuch erfährt schon seit
1867 erhebliche Veränderungen.
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Montaignes Erschließung der Grundlagen des Rechts, 2014
Französische Zone ist die 1945 im Deutschen Reich
eingerichtete Besatzungszone Frankreichs (Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern,
Rheinland-Pfalz), die am 8. 4. 1949 der Bizone angeschlossen wird und danach in
der →Bundesrepublik Deutschland aufgeht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Frau ist der erwachsene weibliche Mensch. In einer
patriarchalischen Gesellschaft ist die F. dem Mann rechtlich nicht in jeder Beziehung
gleichgestellt. Im altrömischen Recht steht die F. grundsätzlich in der
Hausgewalt (lat. [F.] manus, Hand) des Ehemanns (, die mündige Frau sui iuris
unter Geschlechtsvormundschaft, lat. tutela [F.] iuris), im Frühmittelalter in
der Hausgewalt (ahd. munt) des Ehemanns oder der Vormundschaft des nächsten
mündigen männlichen Verwandten. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung beträgt
21 Jahre. Auch das Christentum unterstellt die F. dem Mann. Im Alemannien des
Frühmittelalters können Töchter Grundstücke erben, doch scheint ihr Erbrecht
gesellschaftlich weniger fest verankert zu sein, und können verheiratete
Frauen teils mit und teils ohne Ehemann über Erbgut verfügen. Die Stellung der
F. bessert sich mit ihrem Eintritt in die Marktwirtschaft (Kauffrau). Im 16.
Jh. bricht, wenn auch noch ohne bestimmte rechtliche Folgen, die Erörterung
über die Gleichrangigkeit der Geschlechter auf. Im Zuge der Aufklärung
verlangen zuerst einzelne Frauen die Angleichung bzw. die grundsätzliche
Gleichstellung (Dorothea Erxleben, Mary Wollstonecraft). Dies verstärkt sich
mit der französischen Revolution von 1789 (Olympe de Gouges 1791 Erklärung der
Frauen- und Bürgerinnenrechte). Vereinzelt treten in Deutschland Frauen auch im
Umkreis der politischen Unruhen des Jahres 1848 hervor. 1865 wird ein
Allgemeiner Deutscher Frauenverein gegründet. Danach werden 1869 in Preußen
die Schranken der Handlungsfähigkeit aufgehoben und wird 1877 im Deutschen
Reich Prozessfähigkeit gewährt. 1869 beginnt zwar das Studium von Frauen in
Deutschland, doch lehnt 1892 die medizinische Fakultät der Universität Berlin
die Zulassung von Frauen wegen des in der Natur der Dinge begründeten
Unterschieds in den geistigen Gewohnheiten und der Lebensauffassung ab. Ab 1878
dürfen Frauen in Cambridge und Oxford mit Einschränkungen studieren. 1894
erwächst aus unterschiedlichen Flügeln der Frauenbewegung (Helene Lange,
Gertrud Bäumer, Minna Cauer, Anita Augspurg 1857-1943) der Bund deutscher
Frauenvereine. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) erhält die F. Anteil an der
elterlichen Gewalt. Sie wird 1900 zum Studium (1900 Baden, 1903 Bayern, 1904
Württemberg, 1906 Sachsen, Preußen 1908, Mecklenburg 1909, Österreich 1919 in
Deutschland 1911 43 Rechtsstudentinnen, 1917 117, 1920/1921 2,58 Prozent der
juristischen Studierenden, 1932/1933 6 Prozent, Anita Augspurg erste
juristische Doktorin Deutschlands, erste habilitierte deutsche Juristin
Magdalene Schoch, erste Dr. h. c. der Rechte Marianne Weber, 1919 gleichberechtigte
Zulassung zu allen öffentlichen Ämtern, erste planmäßige Richterin Maria
Hagemayer Juni 1928 Landgericht Bonn, erste Habilitation einer Juristin 1932
bei Albrecht Mendelssohn-Bartholdy in Hamburg, 1948 erste ordentliche
Professorin der Rechtswissenschaft im deutschen Sprachraum Gertrud
Schubart-Fikentscher in Halle), 1919 zu Wahlen (New Jersey 1776-1807, Pitcairn
1838, Wyoming 1869, Pariser Kommune 1871-1871, Neuseeland 1893/1919, Südaustralien
1894, Australien 1902, Finnland 1906, Norwegen 1913, Island 1915, Dänemark
1915, Sowjetunion 1917, Kanada 1918, Österreich 1919, Vereinigte Staaten von
Amerika 1920, Großbritannien 1928, Türkei 1930/1934, Spanien 1931, Frankreich
1944, Italien 1945/1946, Ungarn 1945, Japan 1945, Belgien 1946, China 1949,
Indien 1950, Schweiz 1971, Liechtenstein 1984, Südafrika 1994, Afghanistan
2003, Kuweit 2005) und (1. 7.) 1922 zu den Ämtern der Rechtspflege (1924 erste
Gerichtsassessorin) zugelassen. Die Verfassung des Deutschen Reiches (1919) und
das Bundesverfassungsgesetz Österreichs (1920) erkennen die Gleichberechtigung
der Geschlechter grundsätzlich an. Zum 31. 3. 1953 erklärt das Bundesverfassungsgericht
alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entgegenstehende
Recht als außer Kraft. Weitere wichtige rechtliche Veränderungen schließen sich
an (1965 Berufung der ersten Professorin in der Rechtswissenschaft, 1973
Strafrecht, 1976 Familienrecht, 1980 Arbeitsrecht, 1983, 1987, 1992
Rentenrecht). 1979 wird weltweit eine Vereinbarung zur Abschaffung aller Formen
der Diskriminierung von Frauen beschlossen. 1995 erklärt der Europäische
Gerichtshof eine Bevorzugung einer F. nur wegen ihrer Eigenschaft als F. für
rechtswidrig. Auf die Länge scheint das veränderte Weltbild der F. das durch
den medizinischen Fortschritt ermöglichte Wachstum der Bevölkerung auszugleichen.
Lit.: Kaser § 12; Hübner; Köbler, WAS; Weinhold, K.,
Die deutschen Frauen im Mittelalter, 3. A. 1987; Bartsch, R., Die
Rechtsstellung der Frau, 1903; Weber, M., Ehefrau und Mutter in der
Rechtsentwicklung, 1907; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
Schubart-Fikentscher, G., Das Recht der Frau nach dem Sachsenspiegel, (in) Die
Frau 41 (1933/4), 28; Schmelzeisen, G., Die Stellung der Frau in der deutschen
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1937; Merschberger, G., Die Rechtsstellung der germanischen Frau, ZRG GA 58
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Frauenbewegung in Deutschland, 1997; Stretton, T., Women waging law, 1998;
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weströmischen Frau, 1999; Gilde, A., Die Stellung der Frau im
Reichsstrafgesetzbuch, 1999; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999;
Klemm, S., Frauenbewegung und Familienrecht, Diss. jur. Tübingen 1999;
Hemelrjk, E., Matrona docta, 1999; Kupisch, B., Die römische Frau im
Geschäftsleben, FS B. Großfeld, 1999, 659; Kannappel, P., Die Behandlung von
Frauen im nationalsozialistischen Familienrecht, 1999; Rublack, U., The crimes
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Frauen des Mittelalters, 2000; Medieval Women and the Law, hg. v. Menuge, N.,
2000; Iwersen, J., Die Frau im alten Griechenland, 2002; Die Kaiserinnen Roms,
hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Lauterer, H., Parlamentarierinnen
in Deutschland 1918/19 bis 1949, 2002; Schulz, K., Der lange Atem der
Provokation, 2002; Lauterer, H., Geschichte des Frauenstimmrechts, Universitas
2003, 801; Frauen und Kirche, hg. v. Schmitt, S., 2002; Die Macht der Frauen,
hg. v. Finger, H., 2003; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003;
Höbenreich, E./Rizzelli, G., Fragmente einer juristischen Geschichte der Frauen
im antiken Rom, 2003; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe,
2003; Les femmes antiques, hg. v. Frei-Stolba, R., 2003; Malamud, S., Die
Ächtung des Bösen, 2003; Godineau, D., Les femmes dans la société française
16e-18e siècle, 2003; Wischermann, U., Frauen und Öffentlichkeiten um 1900,
2003; Barth, R., Frauen die Geschichte machten, 2004; Schötz, S., Handelsfrauen
in Leipzig, 2004; Frauen in der frühen Neuzeit, hg. v. Bonnet, A., u. a., 2004;
Frauenrechtsgeschichte, hg. v. Floßmann, U., 2004; Women’s Influence on
Classical Civilization, hg. v. McHardy, F. u. a., 2004; Gender in the Early
Medieval World, hg. v. Brubaker, L. u. a., 2004; Hacke, D., Women, Sex and
Marriage in Early Modern Venice, 2004; Bock, G., Frauen in der europäischen
Geschichte, 2005; Schüller, E., Marie Stritt, 2005; In eigener Sache, hg. v.
Westphal, S., 2005; Kinnebrock, S., Anita Augspurg (1857-1943), 2005;
Juristinnen, hg. v. Deutscher Juristinnenbund, 2005; Frauen an der Macht, hg.
v. Illner, M., 2005; Spitzenfrauen, hg. v. Schulz, A., 2005; Timoschenko, T.,
Die Verkäuferin im wilhelminischen Kaiserreich, 2005; McIntosh, M., Working
Women in English Society 1300-1620, 2005; Makowski, E., A Pernicious Sort aof
Woman, 2005; Frauenrecht und Rechtsgeschichte, hg. v. Meder, S. u. a., 2006;
Schaser, A., Frauenbewegung in Deutschland 1815-1933, 2006; Ilan, T., Jewish
Women in Greco-Roman Palestine, 2006; Rottloff, A., Lebensbilder römischer
Frauen, 2006; Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Stavrianopoulou,
S., Gruppenbild mit Dame, 2006; Die Stellung der Frau im islamischen
Religionsunterricht, hg. v. Oebbecke, J. u. a., 2006; Röhrig, A., Klug, schön,
gefährlich – Die hundert berühmtesten Frauen der Weltgeschichte, 2007; Die
Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, hg. v.
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Reprezentǎri ale feminitǎţii în eposul germanic medieval (Die
Darstellung der Weiblichkeit im mittelalterlichen germanischen Epos), 2007;
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Recht für Mann und Frau, 2008; Majer, D., Frauen - Revolution - Recht, 2008;
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Politik - Österreich 1848-1938, 2009; Une démographie au féminin, hg. v. Oris,
M. u. a., 2009; Diewald-Kerkmann, G., Frauen, Terrorismus und Justiz, 2009;
Ross, S., The Birth of Feminism, 2009; Die Rechtsstellung der Frau um 1900, hg.
v. Meder, S., 2010; Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof, hg.
v. Kolb, A., 2010; Der Weg an die Universität, hg. v. Maurer, T., 2010; Breith,
A., Textaneigung - Das Frauenlegendar der Lichtenthaler Schreibmeisterin
Schwester Regula, 2010; Storgröße „F“ - Frauenstudium, hg. v. Zentrum für
transdisziplinäre Geschlechterstudien, 2010; Zellmer, E., Töchter der Revolte?,
2011; Koloch, S., Frauen im Kulturprozess der frühen Neuzeut, 2011; Röwekamp,
M., Die ersten deutschen Juristinnen, 2011; Karl, M., Die Geschichte der
Frauenbewegung, 2011; Die Kaiserinnen des Mittelalters, hg. v. Fössel, A.,
2011; Female vita religiosa between Late Antiquity and the High Middle, hg. v.
Melville, G. u. a., 2011; Cordes, O., Frauen als Wegbereiter des Rechts, 2012;
The Struggle for Female Suffrage in Europe, hg. v. Rodrigues Ruiz, B. u. a.,
2012; Carius, H., Recht durch Eigentum - Frauen vor dem Jenaer Hofgericht,
2012; The Struggle for Female Suffrage in Europe, hg. v. Rodríguez-Ruiz, B. u.
a., 2012, A Companion to Women in the Ancient World, hg. v. James, S. u. a.,
2012; Reuthner, R., Platons Schwestern, 2013; Gerhard, U., Die Frau als
Rechtsperson, ZRG GA 130 (2013), 281; Augsburg, A., Rechtspolitische Schriften,
hg. v. Henke, C., 2013; Meiners, A., Die Stunde der Frauen, 2013; Biographia –
Lexikon österreichischer Frauen, hg. v. Korotin, I., 2014; Bock, G.,
Geschlechtergeschichten der Neuzeit, 2014; Schulz, K., Sozialistische
Frauenorganisationen, HZ 299 (2013), 653; Die Anfänge des Frauenstudiums in
Württemberg, hg. v. Hardtmann, G. u. a., 2014; Lifshitz, F., Religious Women in
Early Carolingian Francia, 2014; Eingreifende Denkerinnen, hg. v.
Gilcher-Holtey, I., 2015; Busch, A., Die Frauen der theodosianischen Dynastie,
2015; Mächtige Frauen?, hg. v. Zey, C., 2015; Frauen in Sachsen-Anhalt, hg. v.
Labouvie, E., 2015; Birn, M., Die Anfänge des Frauenstudiums in Deutschland,
2015 (1869-1918); Cordes, O., Marie Munk (1885-1978), 2015; Stöcker, H.,
Lebenserinnerungen, 2015; Eichel, H., Elisabeth Seibert und die Gleichstellung
der Frauen, 2015; Greschat, K., Gelehrte Frauen des frühen Christentums, 2015
(12); Limbach, J., „Wahre Hyänen“ – Pauline Staegemann, 2016 (Urgroßmutter
Limbachs); Richter, H. u. a., Frauenwahlrecht, 2018
Fraubrunnen (1246-1528)
Lit.: Leuzinger, J., Das Zisterzienserinnenkloster Fraubrunnen, 2008+
Frauenarbeit ist die →Arbeit der
→Frau außerhalb des Haushalts und der Familie. Sie gewinnt seit dem
ausgehenden 19. Jh. an Bedeutung. Politisches Ziel ist seitdem die Gleichheit
der Arbeit von Frau und Mann.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, W./Willms, A./Handl, J.,
Strukturwandel der Frauenarbeit 1880-1980, 1983; Werkstetter, C., Frauen im
Augsburger Zunfthandwerk, 2001
Frauenhaus ist das in deutschen Städten seit
dem Spätmittelalter als stadteigene Einrichtung erkennbare Bordell. In der
Gegenwart ist F. die Zufluchtsstätte misshandelter Frauen.
Lit.: Schuster, P., Das Frauenhaus, 1992
Frauenraub ist die gewaltsame Entführung einer
Frau (zwecks Eheschließung). Der F. führt in der Frühzeit zur Fehde und
begründet keine Ehe (str.). Im Frühmittelalter ist Buße zu leisten. Die
→Constitutio Criminalis Carolina (1532) übernimmt die Todesstrafe des
römischen Rechtes (C. 9, 13). Die Aufklärung sieht den F. als Freiheitsdelikt
an.
Lit.: Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883;
Gössler, Die Entführung, Diss. jur. Rostock, 1903; Köstler, R., Raub-, Kauf-
und Friedelehe bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Boes, W., Frauenraub und
Raubehe bei den westgermanischen Stämmen des Merowingerreiches, Diss. jur. Bonn
1956
Frauenstimmrecht→Frau, Wahlrecht
fraus (lat. [F.]) Tücke (actio de dolo,
exceptio doli möglich)
Lit.: Behrends, O., Die fraus legis, 1982
Freckenhorst (altsächsische Heberolle des 11.
Jh.s oder von 1116/1119)
Fredus (lat. [M.]) ist das im
→Kompositionensystem des Frühmittelalters (Franken, Alemannen, Bayern,
Thüringer, Friesen) bei einem Unrechtserfolg in verschiedenen Fällen (nicht an
den Verletzten, sondern) an den König, Grafen, Fiskus oder die Kirche in
unterschiedlicher Höhe zu entrichtende Friedensgeld (z. B. 1/3 der Buße).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91; Köbler, LAW;
Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, Habilitationsschrift
Leipzig 2003 (ungedruckt)
Freher, Marquard (Augsburg 26. 7.
1565-Heidelberg 13. 5. 1614), Sohn des Kanzlers der Kurpfalz, wird nach dem
Rechtsstudium in Altdorf und Bourges (Cujas) Rat in der Pfalz und von 1596 bis
1598 Professor in Heidelberg, danach Hofgerichtsvizepräsident. Er veröffentlicht
eine Reihe deutscher Geschichtsquellen und verfasst daneben eigene
Abhandlungen.
Lit.: Freher, M., Germanicarum rerum scriptores,
1600ff.; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Abt. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 680; Schwan, B., Das
juristische Schaffen Marquard Frehers, 1984
Freibauer →Freier, Bauer
Freiberg ist die in der zweiten Hälfte des
12. Jh.s gegründete sächsische Stadt, deren zwischen 1210 und 1218 verliehenes,
ziemlich selbständiges Stadtrecht in einer 1296-1307 entstandenen
Prachthandschrift und 4 weiteren Handschriften überliefert ist. Im Stadtrecht
finden sich erste zusammenhängende Regelungen des erstmals in der Kulmer
Handfeste (1233) erwähnten Freiberger Bergrechts ([lat.] ius [N.] Frybergense
mit freiem Schürfrecht), die in Bergrechten von 1307-1328 bzw. 1346-1375
vertieft werden. 1572 wird das Stadtrecht von den kursächsischen Konstitutionen
verdrängt.
Lit.: Ermisch, H., Das sächsische Bergrecht des
Mittelalters, 1887; Ermisch, H., Das Freiberger Stadtrecht, 1889; Retzlaff, H.,
Die Entwicklung des Rechtsgangs nach dem Freiberger Stadtrechtsbuch, 1929;
Unger, M., Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs, Diss. phil. Leipzig 1957;
Clauss, H./Kube, S., Freier Berg und vermessenes Erbe, 1957; Löscher, H., Zur
Frühgeschichte des Freiberger Bergrechts, ZRG GA 76 (1959), 343ff.; Unger, M.,
Stadtgemeinde und Bergwesen Freibergs im Mittelalter, 1963; Geschichte der
Bergstadt Freiberg, hg. v. Kasper, H. u. a., 1986; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 81; Stadt Freiberg, hg. v. Hoffmann,
Y. u. a., 2003
Freibrief ist die eine Freiheit enthaltende Urkunde
(Brief).
Lit.: Lerchenfeld, G. v., Die altbayerischen landständischen
Freiheitsbriefe, 1853; Nebinger, G., Geburts- und Freibriefe 1543-1700 der
Reichsstadt Kempten, Blätter des bay. Landesvereins für Familienkunde 51
(1988), 60ff.
Freiburg im Breisgau ist der möglicherweise 1091 durch
Herzog Berthold II. von Zähringen neben einem bereits römerzeitlich besiedelten
Burgberg (Schlossberg) gegründete, vielleicht 1120 durch Herzog Konrad von
Zähringen um (oder auf) einen Markt (lat. [N.] forum) oder eine Stadt (lat.
[F.] civitas) erweiterte, (Gewerbetätigkeit bezeugende?,) wohl um 1150
ummauerte Ort am Ausfluss der Dreisam aus dem Schwarzwald, dem der Herzog von
Zähringen als Ortsherr bei Gelegenheit der Erweiterung ein berühmtes
Stadtrechtsprivileg für die (lat.) mercatores (M.Pl.) personati (namhaften
Kaufleute) erteilt (str., Diessenhofen 1178, Freiburg im Üchtland um 1175,
Flumet 1228, Kenzingen 1249). 1368 unterstellt sich F. (1385 rund 9000
Einwohner, 1500 rund 7000 Einwohner) Habsburg (1415-1457 Reichsstadt). 1457
wird eine Universität eingerichtet. 1520 tritt ein von Ulricus Zasius (Ulrich
Zäsy) verfasstes, fünfteilig in Prozess, Schulden und Sachen, Familien und
Erbe, Baurecht und Strafrecht gegliedertes, reformiertes Stadtrecht in Kraft,
das bis 1781 (Allgemeine Gerichtsordnung)/1787 (Josephinisches Gesetzbuch)/1810
(Badisches Landrecht) gilt und auf Tirol (1526), Rheinfelden (1530),
Württemberg (1555), Solms 1571, Frankfurt am Main (1578), Pfalz (1582), Katzenelnbogen
(1591), Solothurn 1604, Baden (1654) Basel (1719) und Mainz (1755) ausstrahlt.
1805/1806 fällt F. von Habsburg bzw. Vorderösterreich an Baden und damit
1951/1952 an Baden-Württemberg.
Lit.: Schreiber, H., Geschichte der Stadt Freiburg im
Breisgau, 1857; Flamm, H., Geschichtliche Ortsbeschreibung der Stadt Freiburg
im Breisgau, Häuserstand 1400-1806, 1903; Flamm, H., Der wirtschaftliche
Niedergang Freiburgs, 1905; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde in Freiburg im
Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Rietschel, S., Neue Studien über die
älteren Stadtrechte von Freiburg im Breisgau, 1907; Beyerle, F., Untersuchungen
zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg i. Br. und Villingen a.
Schw., 1910; Rietschel, S., Das Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 33 (1912), 471;
Albert, P., Achthundert Jahre Freiburg im Breisgau, 1920; Below, G. v.,
Deutsche Städtegründung, 1920; Below, G. v., Zur Deutung des ältesten
Freiburger Stadtrechts, Zeitschrift der Gesellschaft für Geschichte zu Freiburg
36 (1920); Müller, K., Geschichte der Getreidehandelspolitik, 1926; Bastian,
J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Freiburger Urkundenbuch, bearb. v. Hefele,
F., Bd. 1ff. 1938ff.; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht der Stadt
Freiburg, 1937; Gerber, H., Der Wandel der Rechtsgestalt der Albert-Ludwigs-Universität
zu Freiburg im Breisgau, (1957); Aus der Geschichte der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät zu Freiburg im Breisgau, hg. v. Wolff, H.,
1957; Knoche, H., Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, 1957;
Freiburg im Breisgau, hg. v. statistischen Landesamt Baden-Württemberg, 1965;
Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965;
Schlesinger, W., Das älteste Freiburger Stadtrecht, ZRG GA 83 (1966), 63;
Heinemeyer, W., Der Freiburger Stadtrodel, ZRG GA 83 (1966), 116; Nehlsen, H.,
Die Freiburger Familie Snewlin, 1967; Sauter, H., Studien zum mittelalterlichen
Privatrecht der Stadt Freiburg, 1969; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg,
1970; Diestelkamp, B., Gibt es eine Freiburger Gründungsurkunde aus dem Jahr
1120?, 1973; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg, hg. v.
Köbler, G., 1986, 2. A. 2008 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Fontes/NueweStattrechtenundStatutenFreiburgimBreisgau1520.pdf);
Köbler, G., Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; Nasall, W., Das
Freiburger Stadtrecht von 1520, 1989; Die Freiburger Universität in der Zeit
des Nationalsozialismus, hg. v. John, E. u. a., 1991; Blattmann, M., Die
Freiburger Stadtrechte zur Zeit der Zähringer, 1991; Speck, D., Die
vorderösterreichischen Landstände, Bd. 1f. 1994; Freiburg 1091-1120. Neue
Forschungen zu den Anfängen der Stadt, hg. v. Schadek, H. u. a., 1995;
Geschichte der Stadt Freiburg, hg. v. Haumann, H. u. a., Bd. 1ff. 1996, 2. A.
2001; Kälble, M., Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, 2001; Bubach,
B., Richten, Strafen, Vertragen, 2005; Speck, D., Eine Universität für
Freiburg, 2006; Hollerbach, A., Jurisprudenz in Freiburg, 2007; Hundertfünfzig
Jahre Amtsgericht Freiburg, hg. v. Kummle, T., 2007
Freiburg im Üchtland wird 1157 von Herzog Berthold IV.
von Zähringen gegründet. Am 28. 6. 1249 erhält es von den Grafen von Kyburg
(1218) eine (erneuerte) Stadtrechtsurkunde. 1277 wird es von Habsburg gekauft.
1452 fällt es an Savoyen. 1478 wird es freie Reichsstadt. 1481/1502 tritt es
der Eidgenossenschaft der Schweiz bei. 1763 wird eine Rechtsschule geschaffen,
die 1763 in einer neuen Universität aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Welti, F.,
Beiträge zur Geschichte des älteren Stadtrechtes von Freiburg im Üchtland,
1908; Vevey, B. de, Les sources du droit du canton de Fribourg, 1932; Vevey, B.
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Bruckner, A., 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,449, 3,2,1898;
Geschichte des Kantons Freiburg, 1981; Carlen, L. u. a., Hundert Jahre Rechts-
und Wirtschaftsgeschichte, 1982; Histoire de l’université de Fribourg/Suisse,
hg. v. Ruffieux, R., Bd. 1ff. 1991; Pahud de Mortanges, R./Siffert, R., Das
Zivilgesetzbuch für den Kanton Freiburg, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung
3 (1998), 247ff.; Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v. Foerster, H. u. a.,
2003; Utz Tremp, K., Fiat littera ad dictamen sapientum, 2012
Freier ist der nicht von einem anderen
Menschen unmittelbar abhängige Mensch. Im römischen Recht ist insbesondere der
römische Bürger (lat. civis [M.] Romanus) frei. Für die Germanen ist es
streitig, ob den Kern des Volkes eine Vielzahl von Freien bildet. Im
Frühmittelalter stehen sich Adel, Freie, Halbfreie und Unfreie in den
Volksrechten vielfach gegenüber, doch ist unklar, wie groß die Zahl der Freien
in der zunehmend von der →Grundherrschaft gekennzeichneten Gesellschaft
ist. Die Lehre von den Königsfreien sieht in den Freien geradezu Abhängige des
Königs. Im Hochmittelalter erwächst für den Bürger der Stadt und vielfach auch
den Rodungssiedler eine neue Freiheit (→Stadtluft macht frei). Im frühen
19. Jh. verschafft die Bauernbefreiung (Preußen Edikt vom 9. 10. 1807 die
persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend) allgemeine Freiheit.
Damit ist der Begriff des Freien entbehrlich.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 68, 71, 87, 98; Köbler, WAS; Heck, P., Die Gemeinfreien der
karolingischen Volksrechte, 1900; Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände
der Freien, 1905; Molitor, E., Die Stände der Freien in Westfalen und der
Sachsenspiegel, 1910; Schweikert, E., Die deutschen edelfreien Geschlechter des
Berner Oberlandes, 1911; Ernst, V., Mittelfreie, ZRG GA 41 (1920), 410; Diehl,
A., Die Freien der Weibelhube und das Gericht der Siebzehner, Zs. f.
württembergische Landesgeschichte 7 (1943), 209; Bosl, K., Frühformen der
Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, 1964; Wittmann, R., Die
Körperverletzung an Freien im klassischen römischen Recht, 1972; Köbler, G.,
Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89 (1972), 171;
Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und franko-lateinische Bezeichnungen für
soziale Schichten, 1972; Müller, W., Freie Gotteshausleute, ZRG GA 92 (1975),
89; Köbler, G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum
frühalemannischen Recht, hg. v. Schott, C., 1978, 38; Olberg, G. v., Freie,
Nachbarn und Gefolgsleute, 1983; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J.,
1991
Freie Rechtsschule (Freirechtsschule) ist die von wenigen
unterschiedlichen Forschern bzw. Gruppen vor allem zwischen 1903 und 1914
geprägte Richtung (Schule) der Rechtswissenschaft (Ernst Stampe [1856-1942],
Unsere Rechts- und Begriffsbildung, 1907, Freirechtsbewegung, 1911, Ernst Fuchs
[1859-1929], Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1907,
Eugen →Ehrlich [1862-1922], Freie Rechtsfindung und freie
Rechtswissenschaft, 1903, H. U. Kantorowicz [1877-1940]), die davon ausgeht,
dass die einzelne Fallentscheidung des Richters nicht auf logisch-verstandesmäßiger
Unterordnung (Subsumtion) des Sachverhaltes unter den Tatbestand der Norm,
sondern in Wahrheit auf dem Rechtsgefühl beruhe. Deshalb dürfe und müsse der
Richter vom Gesetz abweichen, sobald dieses bei bloßer Subsumtion zu ungerechten
Ergebnissen führen würde, und das lebende Recht nach Maßgabe des
Sozialverhaltens in der Gesellschaft feststellen. Seine Aufgabe bestehe mehr
in der am allgemeinen Wohl ausgerichteten Gesellschaftsgestaltung (Rechtsschöpfung)
als in der strengen Normanwendung. Diese Ansichten setzen sich vor allem
wegen der durch die Gewaltenteilung und damit die Verfassung vorgegebenen
eingeschränkten Aufgabe und Zuständigkeit des Richters nicht durch.
Lit.: Kanigs, H., 25 Jahre Freirechtsbewegung, 1932;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Riebschläger, K., Die Freirechtsbewegung, 1968; Moench, D., Die methodologischen
Bestrebungen der Freirechtsbewegung, 1971; Fuchs, E., Gesammelte Schriften, Bd.
1ff. 1970ff.; Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Rückert, J.,
Autonomie des Rechts in historischer Perspektive, 1988; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Klemmer,
M., Gesetzesbindung und Richterfreiheit, 1996; Bartels-Ishikawa, A., Theodor
Sternberg, 1998; Depping, A., Das BGB als Durchgangspunkt, 2002; Vogl. S.,
Soziale Gesetzgebungspolitik, 2003; Rückert, J., Vom „Freirecht“ zur freien
„Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199
Freie Stadt ist die von der ursprünglich bestehenden
Herrschaft des Bischofs frei (und damit reichsunmittelbar) gewordene Stadt (Regensburg
1255-1800, Straßburg 1263-1681, Speyer 1294-1801, Worms 1247/73-1801, Mainz
1244/1331-1462, Köln 1288/1475-1801, Bremen 1541/1646, Hamburg 1510-1768,
Bescançon 1290/1364-1648, Metz 1180/1210-1552, Toul 1271/1278-1552, Verdun
1156-1552, Cambrai 12. Jh.-1552) des Heiligen römischen Reiches . Die Benennung
als f. S. wird seit der Mitte des 14. Jh.s, die Benennung als (freie)
Reichsstadt am Ende des Mittelalters üblich.
Lit.: Arnold, W., Verfassungsgeschichte der deutschen
Freistädte, 1854; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte,
1967; Möncke, G., Bischofsstadt und Reichsstadt, 1971; Heinig, P.,
Reichsstädte, freie Städte und Königtum 1389-1450, 1983
Freigelassener (lat. [M.] libertus) ist
der von seinem Herrn durch Rechtsgeschäft mit der Freiheit begabte Unfreie. Der
Freigelassene ist im römischen Recht rechtsfähig, verbleibt aber unter einer
Schutzgewalt (Patronat mit gewisser Abhängigkeit) des bisherigen Herrn. Auch im
mittelalterlichen Recht steht der Freigelassene dem Freigeborenen nicht in
jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser §§ 16 II, 58, 62, 66, 69; Söllner §§ 8,
12, 14; Hübner; Köbler, DRG 21, 35, 68, 78, 88, 98; Sohm, R., Die liberti der
altgermanischen Zeit, ZRG GA 21 (1900), 20; Olberg, G. v., Die Bezeichnungen
für soziale Stände, Schichten und Gruppen in den Leges barbarorum, 1991;
Mihailescu-Birliba, L., Les affranchis dans les provinces romaines d’illyricum,
2006; Barschdorf, J., Freigelassene in der Spätantike, 2012
Freigericht ist die Bezeichnung für ein im
Heiligen römischen Reich vom Reich abgeleitetes Gericht (bzw. Gebiet eines
solchen Gerichts).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Thudichum, F., Geschichte
des freien Gerichts Kaichen, 1858; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in
Westfalen, 1909; Müller, W., Das Freigericht Thurlinden, Thurgauische Beiträge
zur vaterländischen Geschichte 103 (1966); Hardt-Friederichs, F., Das
königliche Freigericht Kaichen, 1975 (mit etwa einem Dutzend Dörfern, 1293
erstmals erwähnt)
Freigrafschaft ist eine in verschiedenen Teilen
des Heiligen römischen Reiches seit dem 12. Jh. auftretende Art der Grafschaft,
deren Herkunft ungeklärt ist. Sie ist vielfach mit der Hochgerichtsbarkeit
verknüpft. In Westfalen entsteht aus der F. die →Feme.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brode, R., Freigrafschaft und
Vehme, 1886; Herold, F., Gogerichte und Freigerichte in Westfalen, 1908; Waas,
A., Zur Frage der Freigrafschaften, vornehmlich in der Wetterau, ZRG GA 38
(1917), 146; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft und Gografschaft, 1949;
Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (19545), 167;
Hömberg, A., Die Entstehung der westfälischen Freigrafschaften, 1953
Freigut ist das in unterschiedlicher Weise freie Gut.
Lit.: Wilde, M., Die Ritter- und Freigüter in Nordsachsen, 1997
Freiheit ist die Möglichkeit der uneingeschränkten
Entfaltung. Für viele Menschen besteht bis in das 19. Jh. keine F., weil sie
nicht dem Stand der →Freien (oder des Adels) angehören, was von
grundsätzlich sehr großer Bedeutung ist. Andere erlangen durch Privileg
einzelne besondere Freiheiten. In England ist bereits 1215 in der (lat.) Magna
Charta (F.) F. vor allem der Schutz (zunächst vor allem der Barone) vor
rechtswidriger Verhaftung. (ähnlich Habeas-Corpus-Akte von 1679). Von hier aus
fordert John Locke (1632-1704) Leben, Freiheit und Eigentum als unveräußerliche
Rechte ein. Erst in der französischen Revolution des Jahres 1789 aber setzt
sich unter dem Einfluss der Aufklärung der politische Gedanke einer allgemeinen
F. (frz. liberté) des Menschen durch (, die vermutlich in einem
vorgeschichtlichen Urzustand ohne weiteres bestand). Umstritten ist die
Erklärung der F. als eines Zustands des von einem Herrn Geschütztseins. Die
Privatrechtswissenschaft des 19. Jh.s geht von einer F. in Grenzen aus.
Lit.: Kaser § 16; Kroeschell, DRG 1, 2, 3;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 425; Köbler, WAS; Hölzle, E., Die
Idee einer altgermanischen Freiheit vor Montesquieu, 1925; Keller, R. v.,
Freiheitsgarantien für Person und Eigentum im Mittelalter, 1933; Tellenbach,
G., Libertas, 1936, Neudruck 1996; Voltelini, H. v., Der Gedanke der
allgemeinen Freiheit in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 57 (1937), 182;
Otto, E., Adel und Freiheit, 1937; Waas, A., Die alte deutsche Freiheit, 1939;
Njeussychin, A., Der Freiheitsbegriff im Edikt des Rothari, ZRG GA 66 (1948),
66; Mayer-Maly, T., Zur Rechtsgeschichte der Freiheitsidee in Antike und
Mittelalter, Z. f. öff. Recht 6 (1954), 425; Das Problem der Freiheit in der
deutschen und schweizerischen Geschichte, hg. v. Mayer, T., 1955, 4. unv. A.
1981; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, Bd. 1f. 1972;
Hunke, H., Germanische Freiheit im Verständnis der deutschen Rechtes- und
Verfassungsgeschichtsschreibung, Diss. jur. Göttingen 1972; Immink, P., La
liberté et la peine, 1973; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte
im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Grund- und Freiheitsrechte
im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Pleister,
W., Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Chaimowicz, T.,
Freiheit und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Schott, C.,
Freiheit und libertas, ZRG GA 104 (1987), 84; Battisti, S., Freiheit und
Bindung, 1987; Grund- und Freiheitsrechte, hg. v. Birtsch, G., 1987; Lübtow, U.
v., Die Freiheit, 1988; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J., 1991;
Fairén-Guillen, V., Die rechtlichen Mittel gegen Angriffe und Eingriffe in die
persönliche Freiheit, ZRG GA 109 (1992), 335; Maier, H., Das Freiheitsproblem
in der deutschen Geschichte, 1992; Birtsch, G. u. a., Grundfreiheiten, Menschenrechte
1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; Klementowski, M., Studia nad kszałtowaniem
się gwarancji ochrony wolności osobistej w państwie niemieckim
(10-14 wiek) (Studien zur Entstehung der Freiheitsgarantien für die Person im
deutschen Staat (10.-14. Jahrhundert), 1994; Roche, J., Libertés publiques, 12.
A. 1997; Gesellschaftliche Freiheit und vertragliche Bindung, hg. v. Kervégan,
J. u. a., 1998; Cafagna, E., La libertà, 1998; Kukk, A.,
Verfassungsgeschichtliche Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen
Handlungsfreiheit, 2000; Hofer, S., Freiheit ohne Grenzen? 2001; Schneider, R.,
Appetitus libertatis – Mittelalterliches Freiheitsstreben ZRG 119 (2002), 27;
Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten, 2003; Altes Reich
und Neues Recht, hg. v. Schmidt-von Rhein, G., 2006; Rückert, J., Frei und
sozial als Rechtsprinzp, 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen
Freiheit, 2007; Wirsching, A., Der Preis der Freiheit, 2012; Wehrs, N., Protest
der Professoren. Der „Bund Freiheit der Wissenschaft“, 2014; Würtenberger, T.,
Symbole der Freiheit – Zu den Wurzeln westlicher politischer Kultur, 2017
Freiheit der Meere ist die Freiheit der Nutzung der Meere. Sie
wird am Beginn der Neuzeit zur Rechtsfrage zwischen den europäischen
Großmächten. Dabei nimmt die rechtswissenschaftliche Literatur teils für
Holland (Hugo Grotius 1609), teils für Portugal oder für England Partei. Seit
dem frühen 18. Jh. entstehen Grundsätze über die Rechte der Uferstaaten,
während in der Gegenwart das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom
10. 12. 1982 (1994 in Kraft) entscheidend ist.
Lit.: Davenport, G., European Treaties, 1917; García Arias, L., De la
libertad de los mares, 1946; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere,
1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Freiheitsrechte ist die Gesamtheit der Rechte des
Menschen auf Freiheit in der Entfaltung seiner Persönlichkeit in bestimmter
Hinsicht. Die F. werden auf Grund der gegen den Absolutismus gerichteten
Aufklärung seit der zweiten Hälfte des 18. Jh.s als Schutzrechte des Einzelnen
gegenüber dem Staat verstärkt anerkannt. Seit etwa 1780 werden Freiheitskataloge
erstellt. Sie betreffen beispielsweise die Meinung, die Presse, die Lehre, das
Gewissen, die Religion oder die Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Neumann, F., Freiheitsrechte
in Deutschland, 1957; Klippel, D., Politische Freiheit und Freiheitsrechte im
deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976; Grund- und Freiheitsrechte im
Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981; Weitzel, J.,
Das Reichskammergericht und der Schutz von Freiheitsrechten, (in) Die
politische Funktion des Reichskammergerichts, 1993, 157; Krug, G., Die
Entwicklung ökonomischer Freiheitsrechte, 1995
Freiheitsstrafe ist die im Entzug der körperlichen
Bewegungsfreiheit durch Zuweisung von Zwangsaufenthalt in Haftanstalten
bestehende Strafe. Sie ist im römischen Altertum nur als Begleitfolge anderer
Strafen bedeutsam (D. 48. 19. 8. 9) und begegnet auch im Frühmittelalter kaum.
Erst im 14. Jh. gewinnt sie (wohl nicht zuletzt auf Grund des Zuwachses
wirtschaftlicher Mittel für öffentliche Bauwerke) in den Städten (Brünn bereits
1243) vielleicht in Anlehnung an Kloster und Spital an Bedeutung. In der
Constitutio Criminalis Carolina (1532) wird sie ersatzweise bei kleinem
Diebstahl angedroht (Art. 101) und als sichernde Maßnahme vorgesehen (Art. 176,
195). Seit dem 16. Jh. werden in England (Schloss Bridewell bei London 1555)
und dann in den Niederlanden (Amsterdam 1595) aus religiöser Fürsorge Häuser
errichtet, in denen zunächst Bettler und Arbeitsflüchtlinge und später auch
Straftäter durch Zwangserziehung zur Arbeit angehalten werden können (Bremen
1609, Lübeck 1613, Hamburg 1622, Danzig 1629). Im ausgehenden 17. Jh. wird die
das Zuchthaus allgemein als sinnvoll anerkannt. Im 18. Jh. (1721) werden in
Preußen dort auch Straftäter untergebracht. 1776 wird in Philadelphia die
nächtliche Trennung der Gefangenen angestrebt. 1777 veröffentlicht John Howard
eine Aufsehen erregende Studie über den (sehr schlechten) Zustand der
Gefängnisse in Europa. Am Ende des 18. Jh.s werden Arbeitshaus (für Bettler und
Müßiggänger) und Zuchthaus (für Verurteilte) getrennt. Vielleicht erst im
ersten Drittel des 19. Jh.s wird die Freiheitsentziehung voll als
eigenständige Strafengruppe dem Strafensystem eingeordnet. In England wird
1842 das erste Zellengefängnis errichtet. Danach wird die F. (unter Zurücktreten
der Todesstrafe und Leibesstrafe) bis in das 20. Jh. zur vorherrschenden
Strafe.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119, 158, 205,
236, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Schmidt, E.,
Entwicklung und Vollzug der Freiheitsstrafe in Brandenburg-Preußen, 1915; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Doleich von Dolsberg, F., Die Entstehung der Freiheitsstrafe, 1928, Neudruck
1970; Hippel, R. v., Die Entstehung der modernen Freiheitsstrafe, 1932; Krebs,
A., Freiheitsentzug, hg. v. Müller-Dietz, H., 1978; Kröner, W., Freiheitsstrafe
und Strafvollzug, 1988; Kleinheyer, G., Freiheitsstrafen, ZRG GA 107 (1990),
102; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schidorowitz, M., H. B. Wagnitz und die Reform des Vollzugs, 2000;
Bretschneider, F., Gefangene Gesellschaft, 2008
Freiherr (1359 Ulmisches UB.) ist der unter dem Grafen stehende
niedere Adelige (z. B. Reichsritter), dem seit dem späten 17. Jh. Baron
entspricht.
Lit.: Roth von Schreckenstein, K. Frhr. v., Der
Freiherrentitel, 1888; Hechberger, W., Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter,
2005
Freijahr z. B. von Abgaben freies Jahr (seit dem 12.
Jh., antike Vorbilder im alten Testament der Bibel)
Freilassung (lat. [F.] manumissio) ist
in der ständischen Gesellschaft das Rechtsgeschäft, durch das der Unfreie aus
der Unfreiheit entlassen wird, daneben auch die Beendigung eines
Freiheitsentzugs. Das römische wie das mittelalterliche Recht kennen
verschiedene Formen der F. (→mancipatio, Schatzwurf, Speergedinge, Freilassungsbrief).
Der Freigelassene steht dem Freigeborenen nicht in jeder Hinsicht gleich.
Lit.: Kaser § 16 I; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
21, 57, 71, 88; Fournier, M., Essai sur les formes et les effets de
l’affranchissement, 1885; Goldmann, E., Beiträge zur Geschichte der
germanischen Freilassung durch Wehrhaftmachung, 1904; Fabbrini, F., La
manumissio in ecclesia, 1965; Nitschke, A., Die Freilassung, ZRG GA 99 (1982),
220; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen
Welt, 2009
Freimarkt, freier Markt
Lit.: Lautenschläger, K., Der Freimarkt, Diss. jur. Frankfurt am Main
1958
Freimaurer ist das einzelne Mitglied und die Gesamtheit
einer international verbreiteten Vereinigung seit dem 18. Jahrhundert, die
unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, freie Entwicklung der
Persönlichkeit und allgemeine Menschenliebe eintritt, den einzelnen Menschen
vervollkommnen will, aber keine ethischen Lehrsätze aufstellt, weil sittliche
Regeln sich ständig wandeln. Mitglied kann man nur durch Aufnahme werden, die
in die Regeln einführt. Deswegen hat sich um die Freimaurer ein Mythos des
Geheimbunds gebildet, der aber sachhlich nicht gerechtfertigt ist und die
Mitglieder zu größtmöglicher Offenheit bzw. Transparenz veranlassen sollte.
Lit.: Aufklärung und Geheimgesellschaften, hg. v. Reinalter, H., 1989;
Dosch, R., Deutsches Freimaurerlexikon, 1999, 2. A. 2011; Schuster, J.,
Freimaurer und Justiz in Norddeutschland unter dem Nationalsozialismus, 2007;
Wistinghausen, H. v., Freimaurer und Aufklärung im russischen Reich, 2015;
Huber, Johannes, Mythos Freimaurer, 2017
Freirechtsbewegung →freie Rechtsschule
Freischöffe ist der Schöffe am Freigericht.
→Feme
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Freising ist der Sitz eines um 738 von
Bonifatius in Bayern eingerichteten Bistums, das als Hochstift 1220
reichsunmittelbar wird. Nach F. benannt ist das zum eigenen Gebrauch des in
einer Münchener Urkunde vom 14. 8. 1319 erwähnten Fürsprech Rupprecht (von
Freising) 1328 geschaffene, in 13 (bzw. noch 10) Handschriften überlieferte,
(zu etwa einem Drittel) auf Schwabenspiegel (um 1275), daneben auf Augsburger
Stadtrecht (1276/1281) und bayerischem Landfrieden von 1300 aufbauende
(Freisinger) →Rechtsbuch, das in 278 Artikeln vorwiegend Strafrecht und
Pflichten des Fürsprechers behandelt. Es wird bald (vor 1359) vom
oberbayerischen Landrecht (1335/1346) verdrängt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/FreisingerRechtsbuch1328.pdf;
Knapp, H., Das Rechtsbuch Ruprechts von Freising, 1916; Freisinger Rechtsbuch,
bearb. v. Claußen, H., 1941; Stahleder, H., Hochstift Freising, 1974; Mass, J.,
Das Bistum Freising, 1986; Festschrift aus Anlass der Einweihung des
Ämtergebäudes für das Amtsgericht und das Vermessungsamt am Domberg in Freising
am 21. 7. 1989, zusammengestellt v. Gössl, H., 1989; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58; http://www.bayerische-landesbibliothek-online.de/hsta-freisingertraditionen/; Ehlers, J., Otto von Freising,
2013
Freistaat ist eine Lehnschöpfung für lat.
(F.) res publica (engl. 1646 free state). 1731 bezeichnet J. Moser die Schweiz
als F.Als F. in Deutschland benennen sich (1848 Lübeck und seit 1918 u. a.)
Bayern und Sachsen sowie Thüringen.
Lit.: Dornheim, A., Entwicklung und Bedeutung des Begriffes
Freistaat, 2001
Freistatt (F.) freie Stätte z. B. von Strafverfolgung
freier Asylort
Freistuhl (1279) →Freigericht
Lit.: Fricke, E., Die westfälische Veme, 2002
Freiteil (Seelteil) ist der seit dem
Altertum von der christlichen Kirche (z. B. Augustinus 354-430) vielleicht aus
heidnischen Kultbräuchen und philosophischen Gerechtigkeitsvorstellungen
allmählich als Kindesteil oder fester Bruchteil (z. B. 1/5, 1/3) geforderte
Anteil an jedem Erbe. Er wird im Frühmittelalter (außer bei Sachsen und Thüringern)
übernommen (lat. donatio [F.] reservato usufructu, donatio post obitum) und bildet
unter allmählicher Erweiterung auf sonstige Begünstigte und Entfall mancher
Einschränkungen einen wichtigen Ansatzpunkt für die Zurückdrängung des
Anrechts der nächsten Verwandten auf das Erbe. Am Ende des Mittelalters
besteht allgemeine und grundsätzliche, vielfach aber nicht verwendete
Testierfreiheit.
Lit.: Köbler, DRG 89; Gál, A., Totenteil und Seelteil
nach süddeutschen Rechten, ZRG GA 29 (1908), 225; Schultze, A., Der Einfluss
der Kirche auf die Entwicklung des germanischen Erbrechts, ZRG GA 35 (1914),
75; Schultze, A., Augustin und der Seelteil des germanischen Erbrechts, ZRG GA
50 (1930), 1928; Bruck, E., Kirchenväter und soziales Erbrecht, 1956
Freiwillige Gerichtsbarkeit ist (als Teil der
→Gerichtsbarkeit) eine staatliche Organisation und ein staatliches
Verfahren zur amtlichen Hilfe in privatrechtlichen Angelegenheiten. Die f. G.
schließt an den Ausdruck (lat. iurisdictio [F.] voluntaria) der justinianischen
Digesten (D. 1, 16, 2 principium) an. Sie erwächst aus dem Gedanken herrschaftlicher
Fürsorge seit dem Hochmittelalter vor allem in Nachlasssachen, Vormundschaftssachen,
Beurkundungssachen, Liegenschaftsrechtsübertragungen und Aufgeboten.
Zuständig werden in Anlehnung an streitige Verfahren die Gerichtsbarkeit, verschiedene
Verwaltungsbehörden und die Notare. Allgemeine Vorschriften bringen nach
Reichspolizeiordnungen von 1548 und 1577 die Hypothekenordnung Preußens von
1783, die preußische Allgemeine Gerichtsordnung (1793), das österreichische
Gesetz über das Verfahren in Außerstreitsachen von 1854 (geändert 2003/2005)
und das deutsche Reichsgesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(17. 5. 1898).
Lit.: Köbler, DRG 184, 292; Claproth, J., Primae
lineae jurisprudentiae extrajudicialis, 1759; Oesterley, F., Versuche aus dem
Gebiete der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1830; Puchta, W., Handbuch des
gerichtlichen Verfahrens in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. A.
1831f.; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 2 1879;
Ott, E., Geschichte und Grundlehren des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens,
1906; Hofmann, K., Die freiwillige Gerichtsbarkeit (jurisdictio voluntaria) im
kanonischen Recht, 1929; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 173; Jansen, P., Wandlungen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
1964; Brehm, N., Freiwillige Gerichtsbarkeit, 2. A. 1993; Außerstreitverfahren,
1996; Außerstreitverfahren zwischen 1854 und 2005, hg. v. Rechberger, W.,
2006; Wanke, H., Zwischen geistlichem Gericht und Stadtrat, 2007; Freiwillige
Gerichtsbarkeit und Zivilprozess 2 (1925-1942), hg. v. Schubert, W.,
2013Schmitt, S., Die Herausbildung der freiwilligen Gerichtsbarkeit in
Deutschland, 2014
Freizügigkeit ist das Recht der freien
Ortsveränderung (Abzugsfreiheit, Zuzugsfreiheit, Aufenthaltsfreiheit). F.
besteht nicht für Unfreie und bei fehlendem Zuzugsrecht. Der →Augsburger
Religionsfriede von 1555 gewährt Abzugsfreiheit (für Andersgläubige) gegen
Zahlung von Abzugsabgaben, das preußische Allgemeine Landrecht (1794) das
Recht zu freier Auswanderung, die Deutsche Bundesakte (1815) F. innerhalb des
Bundesgebiets, die Verfassung von 1849 (Art. 133) Niederlassungsfreiheit
innerhalb des Reichsgebiets und Auswanderungsfreiheit (1867 Gesetz über die
Freizügigkeit). In den Europäischen Gemeinschaften bzw. in der Europäischen
Union gilt die vom Europäischen Gerichtshof bejahte und im Vertrag von
Maastricht vom 7. 2. 1992 politisch geregelte F. der Arbeitnehmer bzw. die
Niederlassungsfreiheit für die Angehörigen der Mitgliedstaaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Möhlenbruch, R., Freier
Zug, 1977; Scheuner, U., Die Auswanderungsfreiheit, FS R. Thoma 1950, 199;
Freedom of movement in the middle ages, hg. v. Horden, P., 2007; Stewen, S.,
Die Entwicklung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts der Unionsbürger, 2011
Fremdbesitz ist der das Eigentum eines anderen an einer
Sache anerkennende Besitz (z. B. des Mieters, nicht des Diebes). Fremdbesitzer
ist, wer eine Sache als nicht ihm gehörig besitzt. Gegensatz des Fremdbesitzes
ist der Eigenbesitz (z. B. des Eigentümers oder des Diebes). Im römischen Recht
ist an F. keine Rechtserwerbswirkung und kein Besitzschutz des Prätors
geknüpft (z. B. für Mieter, Entleiher, Verwahrer, Ausnahmen Erbpächter, Prekarist,
Faustpfandgläubiger, Sequester).
Fremder im Verhältnis zu einer Gemeinschaft
von Menschen ist der Mensch, der nicht der Gemeinschaft angehört. Er ist
rechtlos (Feind), kann aber als Gast in das Recht aufgenommen werden. In Rom
entwickelt sich für die freien Nichtbürger (lat. [M.] peregrinus) das besondere
(lat.) →ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Im Frühmittelalter verbietet
Karl der Große 802, dem Fremden das Gastrecht vorzuenthalten. Die territoriale
Rechtspartikularisierung des Hochmittelalters ist dem Fremden nicht günstig.
Dagegen verlangt das frühneuzeitliche Naturrecht die völlige Gleichstellung
des Fremden mit dem Einheimischen und erfasst den Fremden grundsätzlich (Brunnemann,
J./Movius, F., De iure peregrinorum [Über das Recht der Fremden], Frankfurt an
der Oder 1662, Dissertation). Es entsteht das Meldewesen. Der Nationalstaat des
19. Jh.s lehnt Fremde grundsätzlich ab. 1871 werden alle Deutschen im Deutschen
Reich zu Inländern. Wegen des starken Zustroms von Fremden infolge ökonomisch
motivierter internationaler Mobilisierung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
werden detaillierte Ausländergesetze nötig.
Lit.: Söllner §§ 6, 7, 8, 9; Hübner 83, 460;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 88, 120; Köbler, WAS; Bar, L. v., Das
Fremdenrecht und seine volkswirtschaftliche Bedeutung, 1892; Frisch, H. v., Das
Fremdenrecht, 1910; Isay, E., Das deutsche Fremdenrecht, 1923; Weizsäcker, W.,
Die Fremden im böhmischen Landrechte, ZRG GA 45 (1925), 206; L’Étranger, 1958;
Scholla, P., Untersuchungen zur Rechtsstellung der Fremden in der Schweiz des
19. Jahrhunderts, Diss. jur. Freiburg i. Ü. 1987; Die Begegnung mit dem
Fremden, hg. v. Schuster, M., 1996; Seiring, C., Fremde in der Stadt
(1300-1800), 1999; Keechang, K., Aliens in Medieval Law, 2000; Fahrmeir, A.,
Citizens and Aliens, 2000; Lübke, C., Fremde im östlichen Europa, 2001;
Cavallar, G., The rights of strangers, 2002; Gosewinkel, D., Einbürgern und
Ausschließen, 2003; Der Fremde, hg. v. Dummer, J. u. a., 2004; Rici, C., Orbis
in urbe, 2005; Schwanke, I., Fremde in Offenburg, 2005; Strangers and Poor
People, hg. v. Gestrich, A. u. a., 2009; Gammerl, B., Untertanen, Staatsbürger
und andere, 2010; Fremde in der Stadt, hg. v. Bell, P. u. a., 2010; Raphael,
L., Zwischen Duldung, Einbürgerung und Privileg, ZRG GA 129 (2012), 183; The
Foreigner and the Law, hg. v. Achenbach, R. u. a., 2012; Fremd und rechtlos,
hg. v. Coskun, A. u. a., 2014; Personnes déplacées, hg. v. Defrance, S. u. a.,
2015 (mehr als 12 Millionen Displaced Persons an dem Ende des zweiten Weltkriegs)
Freund ist der nahestehende Mensch, vielfach auch
der Verwandte (Blutsfreund). Er ist gesellschaftlich von größerer Bedeutung als
rechtlich.
Lit.: Reinhard, W., Freunde und Kreaturen, 1979; McGuire, B.,
Friendship and Community, 1988; Althoff, G., Verwandte, Freunde und Getreue,
1990; Nötzold-Linden, U., Freundschaft, 1994; Garnier, C., Amicus amicis,
inimicus inimicis, 2000; Seidel, K., Freunde und Verwandte, 2009; Rollinger,
C., Amicitia sanctissima colenda, 2014
Frevel ist im mittelalterlichen Recht die
Waghalsigkeit, die eine Untat bedeuten kann und die sich daraus ergebende
Rechtsfolge (Geldstrafe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, WAS; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 48, Neudruck 1964; Ruoff,
W., Die Züricher Räte als Strafgericht, Diss. jur. Zürich 1941; Kretschmer, B.,
Der Grab- und Leichenfrevel, 2000
Friedberg in Hessen wird nach keltischer, römischer und
germanischer Besiedlung 1216 als Burg (staufische Reichsburg) und 1218 oder 1219
als Stadt (1257 als Reichsstadt bestätigt) genannt. Das Recht der Stadt stimmt
mit dem Recht Frankfurts am Main weitgehend überein. 1802 fällt die Stadt, 1806
die Burg an Hessen. Seit 1834 bilden Stadt und Burg eine Gemeinde.
Lit.: Fertsch, W., Der Rat der Reichsstadt Friedberg, 1913, Schartl,
R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg im Mittelalter, Diss. jur. Gießen
1987, Friedberg in Hessen, hg. v. Keller, M. 1997ff.; Hoos, H., Kehillah
Kedoschah - Spurensuche, 2. A. 2009
Friedberg, Emil (Konitz 22. 12. 1837-Leipzig
7. 9. 1910), Sohn eines 1824 zur evangelischen Kirche übergetretenen
Richters, wirkt nach Promotion (1861 Emil Ludwig Richter) und Habilitation
(1862) als außerordentlicher Professor für Kirchenrecht, Staatsrecht und
Handelsrecht in Halle (1865), Freiburg im Breisgau (1868) und als ordentlicher
Professor in Leipzig (1869). Politisch tritt er für die Trennung von Staat und
Kirche und die Aufsicht des Staates über die Kirche ein (Die Grenzen zwischen
Staat und Kirche 1872). Bedeutsam sind seine kirchenrechtsgeschichtlichen
Editionen (→Corpus iuris canonici, 1879ff., Neudruck 1955, Quinque
compilationes antiquae, 1882, Neudruck 1956, Canonessammlungen zwischen Gratian
und Bernhard von Pavia, 1897, Neudruck 1958) und sein Lehrbuch des katholischen
und evangelischen Kirchenrechts (6. A. 1909). Er ist Anhänger der historischen
Rechtsschule.
Lit.: Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 283
Friedberg-Scheer →Thurn und Taxis
Friede ist der Zustand ungestörter
Ordnung, in dem sich niemand der Gewalt bedient, um seine besonderen Interessen
zu verwirklichen. Ob er unter Menschen außer als Ziel auch als Wirklichkeit
jemals herrscht, ist fraglich. Der F. innerhalb des Volkes lässt sich zunächst
als Aufgabe aller Einzelnen vorstellen. Erst im Laufe des Mittelalters drängt
der Staat mit Unterstützung der Kirche (→Gottesfriede) die →Fehde
durch die Durchsetzung des Gewaltmonopols (→Strafrecht,
→Polizeirecht) zurück. Außerhalb des Volkes bildet der →Krieg
zweier oder mehrerer Völker den Gegensatz zum Frieden. Zur Beendigung des
Krieges bedarf es grundsätzlich eines (völkerrechtlichen) Friedensvertrags (z.
B. Friede von Münster und Osnabrück 1648, mehr als 2000 Friedensverträge in
Europa zwischen 1450 und 1789). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s ist der
Angriffskrieg zu Gunsten des Weltfriedens völkerrechtlich verboten, doch ist
das Verbot gegenüber dem Mächtigen bisher nicht wirklich durchsetzbar.
Lit.: Köbler, DRG 84; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 543; Köbler, WAS; Osenbrüggen, E., Der Hausfrieden, 1863, Neudruck
1968; Rosenstock, E., Herzogsgewalt und Friedensschutz, 1910; Wilke, K., Das
Friedegebot, 1911; His, R., Gelobter und gebotener Friede im deutschen
Mittelalter, ZRG GA 33 (1912), 139; Schneider, B., Friedewirkung und
Grundbesitz, 1913; Prutz, H., Die Friedensidee im Mittelalter, SB. d. Akad. d.
Wiss. München, 1920; Nestle, W., Der Friedensgedanke in der antiken Welt, 1938;
Wiesenthal, F., Die Wandlung des Friedensbegriffs, Diss. phil. München 1949;
Raumer, K., Ewiger Friede, 1953; Achter, V., Über den Ursprung des
Gottesfriedens, 1955; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und
Landfrieden für die Gesetzgebung in Deutschland, Diss. jur. Marburg, 1958; La
Paix, 1961 (Recueils de la Société Jean Bodin 15); Dickmann, F., Der
Westfälische Frieden und die Reichsverfassung, 1965; Weimann, K., Der Friede im
Altenglischen, 1966; Åqvist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Justus, W., Die
frühe Entwicklung des säkularen Friedensbegriffs, 1975; Rabe, H., Der
Augsburger Religionsfriede 1550-1600, 1976; Körner, T., Iuramentum und frühe
Friedensbewegung, 1977; Duchhardt, H., Studien zur Friedensvermittlung in der
frühen Neuzeit, 1979; Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag, 1979;
Renna, T., The Idea of Peace, Journal of Medieval History 6 (1980) 143;
Hattenhauer, H., Pax et iustitia, 1983; Ermacora, F., Der unbewältigte Friede.
St. Germain und die Folgen, 1989; Schildt, B., Der Friedensgedanke im
frühneuzeitlichen Dorfrecht – Das Beispiel Thüringen, ZRG GA 107 (1990), 188;
Hartmann, W., Der Friede im früheren Mittelalter, 1992; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Erkens, M., Die französische
Friedensgerichtsbarkeit, 1994; Träger und Instrumentarien des Friedens, hg. v.
Fried, J., 1996; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Suche nach
Frieden, hg. v. Brieskorn, N. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Howard, M., Die
Erfindung des Friedens, 2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im
Mittelalter, 2001; Koppe, K., Der vergessene Friede, 2001; Schmidt, K., Friede
durch Vertrag, 2002; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in deutschen
Städten vor 1300, 2003; Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18.
Jahrhundert, hg. v. Klueting, H., 2003; Frieden stiften, hg. v. Althoff, G., 2010;
Raaflaub, K., Friedenskonzepte, HZ 290 (2010), 593; Pax perpetua, hg. v.
Schmidt-Voges, I. u. a., 2010; http://www.friedensvertraege.de; Duchhardt,
H., Frieden im Europa der Vormoderne, 2011; Frieden schaffen und sich
verteidigen im Spätmittelalter, hg. v. Naegle, G., 2012; Frieden und
Friedenssicherung in der frühen Neuzeit, hg. v. Braun, G. u. a., 2013
(Festschrift Lanzinner); Gotthard, A., Der liebe vnd wertheFried, 2014
Friedebann ist der besonders auf den Frieden abstellende
Königsbann.
Friedelehe ist (nach umstrittener Ansicht
Herbert Meyers) die durch bloße Vereinbarung der Brautleute (und Aufnahme
einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft) geschlossene Ehe (des
mittelalterlichen Rechtes), bei welcher der Mann im Gegensatz zur Eheschließung
unter Mitwirkung des Vaters der Braut keine Personengewalt (munt) über seine
Friedel (Geliebte) gewinnt. Ihre tatsächliche Bedeutung ist ganz unsicher. Von
der Kirche wird sie abgelehnt. Möglicherweise geht die morganatische Ehe des
Adels auf eine ähnliche Vorstellung zurück.
Lit.: Hübner 642; Meyer, H., Friedelehe und
Mutterrecht, ZRG GA 47 (1927), 198; Haff, K., Das „Werven der echtinge“ des
Friedelkindes, ZRG GA 53 (1933), 316; Köstler, R., Raub-, Kauf- und Friedelehe
bei den Germanen, ZRG GA 63 (1943), 92; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht,
ZRG GA 47 (1927), 198; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen,
1993; Esmyol, A., Geliebte oder Ehefrau?, 2002
Friedensgeld →fredus
Friedensgericht
Lit.: Erkens, M., Die französische Friedensgerichtsbarkeit
1789-1814 unter besonderer Berücksichtigung der vier rheinischen Departements,
1994
Friedensgesetzgebung →Landfriede
Friedensrichter s. Friedensgericht, Richter
Friedensvertrag ist der den Kriegszustand zwischen
mehreren Staaten beendende, vor allem seit Beginn der Neuzeit formalisierte
völkerrechtliche Vertrag am Ausgang eines Krieges (z. B. F. zwischen Ägyptern
und Hethitern 1270 v. Chr., F. zwischen Rom und Karthago 201 v. Chr., F. von
Troyes 1420, F. von Münster und Osnabrück 1648, F. von Nimwegen 1678/9, F. von
Rijswijk 1697, F. von Lunéville 1801, F. von Versailles 1919, F. von St.
Germain 1919).
Lit.: Fisch, J., Krieg und Frieden im Friedensvertrag,
1979; Zwischenstaatliche Friedenswahrung, hg. v. Duchhardt, H., 1991; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Peace treaties and
international law, hg. v. Lesaffer, R., 2004
Friedhof ist der Ort, an dem die Toten bestattet
werden. Die Totenbestattung geschieht anfangs nach unterschiedlichem Brauchtum
(Hügelgräber, Reihengräberfelder mit reichhaltigen Grabbeigaben an Schmuck
und Waffen seit der Mitte des 5. Jh. n. Chr. nach römischem Vorbild der
Körperbestattung bis in das frühe 8. Jh. als Zeichen des Übergangs vom Altertum
in das Mittelalter bzw. als Ausdruck der Selbsteinschätzung sich neu
formierender Gesellschaft aus Römern und Germanen mit einem besonderen
kriegerischen Aspekt). Mit der Christianisierung entwickelt sich in Erwartung
von Auferstehung der F. um die Kirche, auf dem Verbrechern, Selbstmördern,
Ketzern oder Fremden die Bestattung verweigert wird. Mit der neuzeitlichen
Bevölkerungszunahme wird der (mehr und mehr gemeindlich verwaltete) F. an den
jeweiligen Ortsrand verlegt. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) ist
eine Beerdigung nur auf dem öffentlichen F. zulässig. Es werden besondere
Satzungen oder Ordnungen zur rechtlichen Regelung des Friedhofswesens
geschaffen.
Lit.: Cohen, G., Der jüdische Friedhof, 1930; Derwein,
H., Geschichte des christlichen Friedhofs, 1931; Gaedke, J., Handbuch des
Friedhofs- und Bestattungsrechts, 1954, 6. A. 1992, 10. A. 2010; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957; Fischer,
N., Vom Gottesacker zum Krematorium, 1996; Brademann, J., Mit den Toten und für
die Toten, 2013
Friedlosigkeit ist im mittelalterlichen Recht
vermutlich der Zustand des Ausgestoßenseins aus der Rechtsgemeinschaft. Wer
friedlos ist, darf bußlos getötet werden. Das tatsächliche Vorkommen der F. ist
nicht gut bezeugt, so dass die F. als Einrichtung zweifelhaft ist. →Acht,
→Gottesfriede, →Landfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71, 87; Wilda,
W., Das Strafrecht der Germanen, 1842; Brunner, H., Abspaltungen der
Friedlosigkeit, ZRG GA 11 (1890), 62; Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1f. 2. A. 1906ff.; Haff, K., Zur Friedlosigkeit nach holsteinischem Recht,
ZRG GA 62 (1942), 375; Kaufmann, E., Zur Lehre von der Friedlosigkeit im
germanischen Recht, Gedächtnisschrift H. Conrad 1980, 32
Friedrich I. →Friedrich I. Barbarossa
Friedrich II. (Iesi bei Ancona 26. 12.
1194-Castel Fiorentino bei Lucera 13. 12. 1250), Sohn des Staufers Heinrich VI.
und Konstanzes von Sizilien sowie Enkel →Friedrich Barbarossas, wird 1198
König von Sizilien und (1196/)1211/1212 deutscher König (am 27. 7. 1214 Sieg
über den Welfen Otto IV. in der Schlacht von Bouvines, 22. 11. 1220
Kaiserkrönung, 1227 exkommuniziert, 1230 Aufhebung der Exkommunikation, 1245
auf dem Konzil von Lyon für abgesetzt erklärt). Er errichtet in Sizilien mit
Hilfe rechtlicher Regelungen ([20] Assisen von Capua 1220, Konstitutionen von
Melfi September? 1231) eine fortschrittliche Verwaltung. Im eher
vernachlässigten Reich verbrieft er vielleicht mit ähnlicher Zielsetzung die
von den Fürsten errungenen Rechte (→Confoederatio cum principibus
ecclesiasticis, 1220, →Statutum in favorem principum, 1231) und erreicht
1235 einen Landfrieden (Mainzer Reichslandfriede). Seine Mitwelt versetzt er
als (lat.) stupor (M.) mundi in vieler Hinsicht in Erstaunen. Bald nach seinem
Tode enden die Staufer und beginnt das Interregnum.
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106, 108; Historia
diplomatica Friderici secundi, hg. v. Huillard-Bréholles, J., 1852ff.; Blondel,
G., Étude sur la politique de l’empereur Frédéric II, 1892; Kantorowicz, E.,
Kaiser Friedrich II. 1927 (Materialband 1931), 6. unv. A. 1985 (Ergänzungsband
2. A. 1980); Schrader, E., Ursprünge und Wirkungen der Reichsgesetze Friedrichs
II. von 1220, 1231/32 und 1235, ZRG GA 68 (1951), 354; Zinsmaier, P., Zur
Diplomatik der Reichsgesetze Friedrichs II. (1216, 1220, 1231/(12)32, 1235, ZRG
GA 80 (1963), 82; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 1966, 2. A. 1982; Kaiser
Friedrich II. in Briefen und Berichten seiner Zeit, hg. v. Heinisch, J., 1968,
6. A. 1978; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein
Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Probleme um Friedrich II.,
hg. v. Fleckenstein, J., 1974; Ipser, K., Kaiser Friedrich der Zweite, 1977;
Federico II, 1980; Wolf, G., Kaiser Friedrich II. und das Recht, ZRG RA 102
(1985), 327; Zinsmaier, P., Beiträge zur Diplomatik der Urkunden Friedrichs
II., DA 41 (1985), 101; Bibliographie zur Geschichte Kaiser Friedrichs II. und
der letzten Staufer, 1986 (212 Quellentitel, 2014 Monographien und Aufsätze);
Martino, F., Federico II, 1988; Lammers, W., Friedrich II. (1212-1250), (in)
Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 3. A. 1991, 199; Stürner,
W., Friedrich II., 1992, 2. A. 2003, 3. A. 2010; Federico II., hg. v. Toubert,
P., 1994; Rösch, E./Rösch, G., Kaiser Friedrich II., 1995; Friedrich II., hg.
v. Esch, A. u. a., 1996; Die Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich
Sizilien, hg. v. Stürner, W., 1996; Sommerlechner, A., Stupor mundi?, 1999;
Kaiser Friedrich II., hg. v. Eickels, K. van u. a., 2000; Rotter, E., Friedrich
II. von Hohenstaufen, 2000; Die Urkunden Friedrichs II. 1198-1212, bearb. v.
Koch, W., Teil 1 2002, Teil 2 2007, Teil 3, Teil 4 2014; Fumagalli, M.,
Federico II., 2004; Thomsen, M., Ein feuriger Herr des Anfangs, 2005; Federico
II., hg. v. Zecchino, O. u. a., 2005; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen
Willens, 2006; Houben, H., Kaiser Friedrich II., 2008; Kaiser Friedrich II.
(1198-1250), 2008; Federico II nel Regno di Sicilia, hg. v. Houben, H. u. a.,
2008; Kaiser Friedrichs Welt, hg. v. Fansa, M. u. a., 2008; Von der Kunst mit
Vögeln zu jagen, hg. v. Fansa, M., 2008; Rader, O., Friedrich II., 2010;
Stürner, W., Staufisches Mittelalter, 2012; Pacifico, M., Federico II e
Gerusalemme, 2012; Delle Donne, F., Federico II, 2012
Friedrich I. Barbarossa (Rotbart) (nach 1122-Fluss
Saleph/Kleinasien 10. 6. 1190) aus der Familie der →Staufer ist der
zwischen 1152 und 1190 im deutschen Reich herrschende König (1155 Kaiser). Er
führt 1156 im sog. (lat.) →privilegium minus einen Ausgleich zwischen
Staufern und →Welfen herbei, indem er den Welfen das 1138 vom König
entzogene Herzogtum →Bayern, vermindert um das verselbständigte Herzogtum
→Österreich, zurückgibt. 1158 lässt er auf dem Reichstag von Roncaglia
die →Regalien durch Juristen feststellen. Durch Landfriedensgesetze geht
er gegen Rechtsbruch vor. Eine konstante römisch-rechtliche, Rechtsdenken oder
Rechtspraxis prägende Komponente lassen seine Urkunden noch nicht erkennen.
Unter ihm beginnt die Zerschlagung der dem König zu mächtigen Herzogtümer (1156
Bayern, 1180 Sachsen, vgl. auch 1168 Herzogtum Würzburg, 1184 Markgrafschaft
Hennegau) in die das Reich letztlich auflösenden →Länder. (Mit seiner
ersten Frau – Adela von Vohburg - scheint er im siebten Grad verwandt gewesen
zu sein, so dass die Ehe aufgelöst werden musste.)
Lit.: Köbler, DRG 94, 101, 106; Rassow, P., Honor
imperii, 1940; Heimpel, H., Kaiser Friedrich Barbarossa, 1942; Hess-Gotthold,
J., Hausmacht und Politik Friedrich Barbarossas im Raume des heutigen Pfälzer
Waldes, 1962; Die Urkunden Friedrichs I., hg. v. Appelt, H., Bd. 1ff 1975ff.;
Friedrich Barbarossa, hg. v. Wolf, G., 1975; Opll, F., Das Itinerar Kaiser
Friedrich Barbarossas, 1978; Georgi, W., Friedrich Barbarossa und die
auswärtigen Mächte, 1990; Friedrich Barbarossa, hg. v. Haverkamp, A., 1992;
Kaiser Friedrich Barbarossa, hg. v. Engel, E./Töpfer, B., 1994; Petrus de
Ebulo, Liber ad honorem Augusti, 1994; Opll, F., Friedrich Barbarossa, 3. A.
1998, 4. A. 2010; Plassmann, A. Die Struktur des Hofes, 1998; Richter, K.,
Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999; Görich, K., Die Ehre Friedrich
Barbarossas, 2001; Dick, S., Die Königserhebung Friedrich Barbarossas, ZRG GA
121 (2004), 200; Laudage, J., Friedrich Barbarossa, hg. v. Hageneier, L. u. a.,
2009; Friedrich Barbarossa und sein Hof, red. v. Ruess, K., 2009; Görich, K.,
Friedrich Barbarossa, 2011 (unversöhnlich, rangbewusst, dünkelhaft); Pohl, M.,
Rationales Handeln im Zeitalter Friedrich Barbarossas, 2013; Friedrich
Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.-20.
Jh.), hg. v. Görich, K. u. a., 2017
Friedrich II. der Große (Berlin 24. 1. 1712-Potsdam 17. 8.
1786) ist der bedeutendste König in Preußen (1740-1786). Seine militärischen
Erfolge (Eroberung Schlesiens von Österreich) begründen Preußens Stellung als Großmacht
in Europa. Der Samuel von Cocceji übertragene Plan eines deutschen allgemeinen,
sich nur auf die Vernunft und die Landesverfassung gründenden Landrechts
([Prozessordnung] Codex Fridericianus Marchicus 1747 verwirklicht, Projekt
des Corporis juris Fridericiani 1749-1754, gescheitert) und die nach dem
Müller-Arnold-Prozess (1779) gelungene Schaffung des preußischen Allgemeinen
Landrechts (1794) gehen maßgeblich auf den dem aufgeklärten Absolutismus
(1740/1754 Abschaffung der Folter, planvolle Kriminalpolitik, Bauernschutz,
Toleranz) verpflichteten Monarchen zurück.
Lit.: Heymann, E., Über die Bedeutung der Philosophie
Friedrichs des Großen für seine Rechtspolitik, 1934 (SB Berlin); Ritter, G.,
Friedrich der Große, 1936; Jacobs, H., Friedrich der Große und die Idee der
Vaterlandsliebe, 1939; Jessen, H., Friedrich der Große und Maria Theresia,
1965; Merten, D., Der Katte-Prozess, 1980; Hubatsch, W., Friedrich der Große
und die preußische Verwaltung, 2. A. 1982; Schieder, T., Friedrich der Große,
1983; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen
Friedrichs des Großen, 1984; Aretin, K. Frhr. v., Friedrich der Große, 1985;
Panorama der fridericianischen Zeit, hg. v. Ziechmann, J., 1985; Ausstellung
des geheimen Staatsarchivs, 2. A. 1986; Analecta Fridericiana, hg. v. Kunisch,
J., 1987; Friedrich der Große und seine Zeit, hg. v. Hauser, O., 1987;
Fridericianische Miniaturen 2, hg. v. Ziechmann, J., 1991; Kunisch, J.,
Friedrich der Große und die preußische Königskrönung von 1701, 2002; Duffy, C.,
Friedrich der Große, 1994; Tagebuch oder Geschichtskalender aus Friedrichs des
Großen Regentenleben, Bd. 1ff. 2003ff.; Kunisch, J., Friedrich der Große, 2004,
5. A. 2005; Wehinger, B., Geist und
Macht, 2004; Hahn, P., Friedrich der Große und die deutsche Nation, 2007;
Heinrich, G., Friedrich II. von Preußen, 2009; Friedrich der Große als Leser,
hg. v. Lottes, G. u. a., 2010; Burgdorf, W., Friedrich der Große, 2011;
Friedrich der Große in Europa, hg. v. Sösemann, B. u. a., 2012, 2. unv. A.
2013; Hahn, P., Friedrich der Große, 2012; Deutsches Historisches Museum,
Friedrich der Große, 2012; Macke, P., Suum cuique - Jedem das Seine, 2012;
Friedrich der Große in Europa - gefeiert und umstritten, hg. v. Sösemann, B.,
2012, 2. A. 2013
Friedrich III. (Innsbruck 21. 9. 1415-Linz 19. 8. 1495),
Habsburger, (1424 bzw.) 1435 Erzherzog von Steyr, Kärnten und Krain, 2. 2. 1440
(nach seinem Vetter Albrecht II.) König des Heiligen römischen Reiches, 19. 3.
1452 Kaiser, anerkennt 1453 das gefälschte privilegium maius
Lit.: Heinig, P., Kaiser Friedrichs III. Hof, 1997; Koller, H., Kaiser
Friedrich III. 2005
Friedrich III., der Weise (Torgau 17. 1. 1463-Lochau
[Annaburg] 5. 5. 1525), 1486 Kurfürst von Sachsen (Ernestiner), Beschützer
Martin Luthers, unverheiratet
Lit.: Ludolphy, I., Friedrich der Weise, 1984, Neudruck 2006
Friedrich August I. (Dresden 12. 5. 1670-Warschau 1. 2. 1733,
August der Starke), 1694 Kurfürst von Sachsen, 1697 mit Hilfe von
Bestechungsgeldern (unter Übertritt zum Katholizismus) König von Polen, 1724
Codex Augusteus (hg. v. Lünig, J.), Förderer der Porzellanherstellung in Meißen
Lit.: Czok, K., August der Starke und Kursachsen, 1987; Czok, K.,
August der Starke und seine Zeit, 4. A. 2004; Groß, W., Die Wettiner, 2007
Friedrich Wilhelm (Cölln an der Spree 16. 02. 1620-Potsdam 09.
05. 1688) stärkt als Kurfürst von Brandenburg (der große Kurfürst) und Herzog
in Preußen in Kriegen die monarchische Gewalt (geheimer Rat 4. 12. 1651 neu
geordnet, Übergang zu Realunion, stehendes Heer) unter Schwächung der Stände
und privilegiert im Edikt von Potsdam (29. 10. 1685) die aus Frankreich
vertriebenen Hugenotten in Preußen.
Lit.: Opgenorth, E., Friedrich Wilhelm, 1971ff.; Oestreich, G.,
Friedrich Wilhelm, 1971; Neugebauer, W., Die Hohenzollern, 1996
Friese ist der Angehörige des an der
(südlichen) Nordsee siedelnden, im 1. Jh. n. Chr. durch Plinius erwähnten,
friesisch sprechenden germanischen Volkes. 734/785 werden die Friesen von den
→Franken unterworfen. Um 802 wird in der →Lex Frisionum ihr Recht
aufgezeichnet. Dem folgen im Hochmittelalter zahlreiche weitere Quellen des
→friesischen Rechtes. 1464 wird Ostfriesland zu einer Reichsgrafschaft
erhoben. Im ausgehenden 20. Jh. sprechen noch rund 300000 Menschen in
Deutschland und den Niederlanden die friesische Sprache.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Köbler,
Historisches Lexikon; Heck, F., Die altfriesische Gerichtsverfassung, 1894;
Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906), 114; Jaekel, H.,
Êtheling, Frîmon, Frîling und Szêremon, ZRG GA 27 (1906), 275; His, R.,
Friesisches, ZRG GA 28 (1907), 439; Jaekel, H., Die münzmetrologischen
Anhaltspunkte für die Erkenntnis der altfriesischen Ständeverfassung, ZRG GA 30
(1909), 49; Jaekel, H., Chumas und twalepti, ZRG GA 30 (1909), 251; Mayer, E.,
Friesische Ständeverhältnisse, FS Hugo von Burkard, 1910; Die Friesen, hg. v.
Borchling, C. u. a., 1931; Siebs, B., Grundlagen und Aufbau der altfriesischen
Verfassung, 1933; Gosses, J., De friesche hoofdeling, 1933; Buijtenen, M., Het friese
dorp, 1961; Schmidt, H., Politische Geschichte Ostfrieslands, 1975; Handbuch
des Friesischen, hg. v. Munske, H., 2001; Die friesische Freiheit des
Mittelalters, hg. v. Lengen, H. van, 2003; Van der Velden, B., Waar gaan wij
heen met het Fries?, 2004; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html;
Bremmer, R./Vries, O./Laker, S., Advances in Old Frisian Philology, 2007;
Hofmann, D. u. a., Altfriesisches Handwörterbuch, 2008; Directions for Old
Frisian Philology, hg. v. Bremmer jr., R. u. a., 2014.
Friesisches Recht ist das Recht der Friesen. Es
begegnet zuerst in der →Lex Frisionum (um 802). Vielleicht seit dem 11.
Jh. entwickeln die Friesen 17 Küren, 24 Landrechte, 7 Überküren und die
Wundtaxen, die in 16 nach 1276 einsetzenden Handschriften und einem Druck von
1485 (?) teils amtlich, teils nichtamtlich in meist friesischer Sprache für das
gemeinfriesische Gebiet aufgezeichnet werden. Daneben stehen für einzelne
Landschaften etwa die Westerlauwerschen Schulzenrechte (Westfriesland 12.
Jh.), die Hunsigoer Küren (Hunsigo, nördlich von Groningen, 1252), das
Rüstringer Recht (Rüstringen, westlich der Wesermündung 12./13. Jh.), das Brokmer
Recht (Brokmerbrief, um Aurich 1300-1345), das Emsiger Pfennigschuldbuch (1300)
und verschiedene Beliebungen (→Siebenhardenbeliebung 1426)
(altostfriesisch Rüstringer Recht, Brokmer Recht, Emsinger Recht). In der
ersten Hälfte des 13. Jh.s verfasst ein Geistlicher ein auf Rudolf von Schwaben
bezogenes Rechtsbuch (Rudolfsbuch). Im 14. und 15. Jh. entstehen unter Einfluss
der gelehrten Rechte Processus iudicii, Jurisprudentia Frisica und die Excerpta
Legum. Ergänzt werden die allgemeinen Bestimmungen durch rund 1300 Urkunden der
Jahre 1329 bis 1573. Seit dem 16. Jahrhundert wird das friesische Recht
allmählich zurückgedrängt und 1744/1794 durch Preußen in Ostfriesland
beseitigt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen,
1840, Neudruck 1960, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RichthofenKarlVonFriesischeRechtsquellen1840.pdf;
Telting, A., Het oud-friesche Stadrecht, 1882; De friesche Stadrechten, hg. v.
Telting, A., 1883; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und
Landrechte, ZRG GA 20 (1899), 39; His, R., Das Strafrecht der Friesen im
Mittelalter, 1901; Jaekel, H., Hêmêthoga, Liudamon, Ked, Koninges-orkene und
Tolevabôth, ZRG GA 28 (1907), 164; Jaekel, H., Foged, Skelta, Frâna und Bon,
ZRG GA 28 (1907), 205; Die niederdeutschen Rechtsquellen Ostfrieslands, hg. v.
Borchling, C., Bd. 1 1908; Steller, W., Das altwestfriesische Schulzenrecht,
1926; His, R., Untersuchungen zu den älteren
Rechtsquellen Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Tägert, H.,
Familienerbe in Friesland, 1937; Oosten, M. van, De ambtshalve vervolging naar
oudfriesch recht, 1938; Fairbanks, S., The old west Frisian skeltana riucht,
1939; Oudfriese Taal- en Rechtsbronnen, hg. v. Sipma, P. u. a., Bd. 1ff.
1943ff.; Krogmann, W., Zu den Emsgauer Bußen, ZRG GA 69 (1952), 345; Krogmann,
W., Eine lateinische Vorstufe ostfriesischer Bußregister, ZRG GA 75 (1958),
352; Gerbenzon, P., Excerpta Legum, 1956; Snitser Recesboken 1490-1517, hg. v.
Osterhout, M., 1960; Ebel, W., Das Ende des friesischen Rechts in Ostfriesland,
1961; Das Rüstringer Recht, hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1963; Das Brokmer Recht,
hg. v. Buma, W./Ebel, W., 1965; Ostfriesische Bauerrechte, hg. v. Ebel, Wilhelm
1964; Krogmann, W., Volksetymologische Umdeutungen einer friesischen Bußtaxe,
ZRG GA 82 (1965), 298; Krogmann, W., Die friesische Sage von der Findung des
Rechts, ZRG GA 84 (1967), 72; Krogmann, W., Die friesische Vorstufe des „Vetus
Ius Frisicum“ (17 Küren, 24 Landrechte, allgemeine Bußtaxen), ZRG GA 89 (1972),
33, 90 (1973) 31; Meijering, H., De Willekeuren van de Opstallsbom (1323),
1974; Westerlauwerssches Recht 1 Jus municipale Frisonum, hg. v. Buma, W. u.
a., 1977; Köbler, G., Verzeichnis der Übersetzungsgleichungen früher
friesischer Quellen, 1974; Gerbenzon, P., Apparaat voor de Studie van oudfries
Recht, 1981; Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und
neuhochdeutsch-altfriesisches Wörterbuch, 1983; Codex Aysma, hg. und übersetzt
v. Buma, W. u. a., 1993; Lokin, J. u. a., Het Rooms-Friese recht, 1999; Algra,
N., Oudfries recht 800-1256, 2000; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the
17th and 18th Century, 2003; http://www.koeblergerhard.de/afrieswbhinw.html;
Hempenius-van Dijk, B., Hof van Friesland, 2004; Nijdam, H., Lichaam, eer en
recht in middeleeuws Friesland, 2008; Vries, O., Asega, is hetgingzijd?, 2010;
Vries, O., Thet is ac londriucht – Landrechte und Landrecht im
mittelalterlichen Friesland (in) Directions for Old Frisian Philology, hg. v.
Bremmer jr., R u. a., 2014, 571
Friesland ist das (kontinentale) Siedlungsgebiet der
Friesen an der südlichen Nordsee.
Lit.: Iterson, W. van, Feudalisierungsversuche im westerlauwerschen
Friesland, ZRG GA 97 (1962), 72; Agena, G., Eine Studie über die verfassungs-
und verwaltungsrechtlichen Verhältnisse des Norderlandes, 1962; Le
Bailly, M., Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008
Frist (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
der bestimmte oder bestimmbare Zeitraum. Die F. spielt in jeder Gesellschaft,
in der die Zeit berechnet werden kann, eine Rolle. Für die Germanen wird in
diesem Zusammenhang davon berichtet, dass sie nach Nächten zählen und den
Zeitpunkt der Versammlung nach Vollmond und Neumond bestimmen. Mit der
Verrechtlichung aller Lebensverhältnisse gewinnt die genaue Bestimmung von
Fristen (z. B. für Leistungen, Prozesshandlungen, Verjährung u. s. w.) auf römischrechtlicher Grundlage in
der Pandektistik des 19. Jh.s ein immer größeres Gewicht (gesetzliche,
richterliche oder gewillkürte F.).
Lit.: Köbler, DRG 235; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 505;
Grotefend, H., Taschenbuch der Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der
Neuzeit, 13. A. 1991; Landes, D., Revolution in Time, 1983; Ziegeltrum, A.,
Grundfälle zur Berechnung von Fristen, JuS 1986, 705; Kirste, S., Die
Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewusstseins,
1998; Schmitz, M., Die Fristberechnung nach römischem Recht, 2002; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Fristenlösung →Abtreibung
Fritzlar
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Fritzlar, hg. v. Demandt,
K., 1939; Fritzlar im Mittelalter, 1974
Frölich, Karl (Oker/Harz 14. 4. 1877-Gießen 29. 4. 1953),
1924-1945 Rechtshistoriker in Gießen, Rechtsarchäologe
Lit.: Köbler, G., Gießener Gelehrte, 1982, 242
Fron ist (als Ableitung zu ahd. fro [M.] Herr) im
mittelalterlichen deutschen Recht der (Dienst in) Bezug auf einen Herren.
→Fronbote, Frondienst, Fronhof
Fronbote ist im mittelalterlichen deutschen
Recht der Gehilfe eines Richters für tatsächliche Aufgaben (Botendienste,
Ladungen, Wachdienste, Vollstreckungen). Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224)
steht er nach Wahl durch den Richter auf Lebenszeit im Dienst des Königs und
ist durch doppelte Buße geschützt. Ihm entsprechen andernorts Büttel, Scherge
oder Weibel.
Lit.: Eggert, C., Der Fronbote im Mittelalter, 1897;
Peters, W., Bezeichnungen und Funktionen des Fronboten, 1991
Frondienst ist im Mittelalter und in der
frühen Neuzeit vor allem der einem Grundherrn oder Gerichtsherrn zu erbringende
Dienst (z. B. Pflügen, Säen, Eggen, Ernten, Mahlen, Backen, Brauen, Spinnen,
Weben, Fahren, Reiten, Bauen u. s. w.).
Der sog. gemessene F. umfasst selten mehr als die Hälfte der jährlichen Arbeitszeit.
Seit dem Frühmittelalter geht der tatsächlich geleistete F. auch wegen des
Aufkommens der Geldwirtschaft zurück und wird bis zur Mitte des 19. Jh.s durch
die Bauernbefreiung beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Siebeck, O., Der
Frondienst als Arbeitssystem, 1904; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der
deutschen Kaiserzeit, 1939, 46ff.; Abel, W., Geschichte der deutschen
Landwirtschaft, 1962, 93ff., 126ff.; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft
und Klosterherrschaft, 1978, 124; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 3. A.
1987, 25ff.
Fronhof ist der Haupthof (Salhof) des Grundherrn
in der mittelalterlichen →Grundherrschaft. Er wird vom Grundherrn selbst
oder durch Verwalter bewirtschaftet. Zu ihm gehört das umgebende Salland
(Herrenland). Seit dem Hochmittelalter verliert der F. mit dem Übergang zur
→Rentengrundherrschaft einerseits und zur →Gutsherrschaft andererseits
seine Bedeutung und verschwindet mit der Beseitigung der Grundherrschaft im 19.
Jh. gänzlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 77, 96;
Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961;
Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953
Fronung ist im mittelalterlichen deutschen
Recht die öffentliche →Beschlagnahme von Gegenständen (Grundstücken) im
Zuge der Zwangsvollstreckung (zugunsten des Königs). In der (lat. [F.])
Capitulatio de partibus Saxoniae (782/785) wird die F. angeordnet, falls ein
Verurteilter ein Urteilserfüllungsgelöbnis mangels eines Bürgen nicht ablegen
kann, in einem weiteren Kapitular (803), falls der Beklagte auf viermalige
Ladung nicht vor Gericht erscheint. Im Hochmittelalter ist die F. nur in
Ostfalen (Sachsenspiegel, Stadtrechte) gebräuchlich. Sie soll den Schuldner
zur Leistung veranlassen. Im 16. Jh. ist sie allgemein geschwunden.
Lit.: Planitz, H., Die Fronung, ZRG GA 78 (1961),
39ff.; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Frostathingslög ist das in 16 Teile gegliederte
Rechtsbuch des um den Drontheimfjord gelegenen norwegischen Gebiets, dessen
erhaltener Text durch eine zwischen 1260 und 1269 entstandene, 1728 verbrannte
Handschrift überliefert ist (Frostothingsbok). Der F. geht die →Gragas
voraus. Ihrerseits ist sie Vorbild für →Jarnsida und für das Reichsrecht
König Magnus Hakonarsons (1274).
Lit.: Meissner, R., Germanenrechte, 1939; Sveaas
Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977
Frucht (Wort 830, lat. [M.] fructus) ist
das Erzeugnis (z. B. Kalb, Apfel) einer Sache (z. B. Kuh, Baum) und die
sonstige ihrer Bestimmung gemäß aus ihr gewonnene Ausbeute (z. B. Sand) sowie
der seiner Bestimmung gemäß aus einem Recht gewonnene Ertrag (z. B. Dividende).
Im klassisch-römischen Recht wird die F., zu der nicht das folglich dem
Eigentümer der Mutter gehörende Kind der Sklavin und auch nicht der Zins für
ein Kapital zählen, (erst) mit der Trennung von der Muttersache rechtlich
selbständig. Sie wird Eigentum des Eigentümers der Muttersache
(Substantialprinzip), sofern diesem nicht ein anderer Berechtigter (z. B.
Erbpächter) vorgeht. Im mittelalterlichen deutschen Recht fällt die natürliche
F. grundsätzlich dem zu, der die zu ihrer Gewinnung erforderlichen Aufwendungen
erbracht hat (Wer sät, der mäht, Produktionsprinzip). Mit der Aufnahme des
römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringen die romanistischen Regeln
ein. Das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) gibt dem
Fruchtziehungsberechtigten Eigentum bereits an der hervortretenden F.
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) und Bürgerliches
Gesetzbuch (1896/1900) folgen dem römisch-gemeinen Recht.
Lit.: Kaser § 18 III; Hübner 463; Köbler, DRG 39;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 55; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Fernandes
Fortunato, S., Früchte und Nutzungen, 2012
fructus (lat. [M.]) →Frucht
Frühkapitalismus ist die Anfangsstufe des
→Kapitalismus am Beginn der frühen Neuzeit (z. B. Fugger, Welser).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 134; Baltl/Kocher
109, 145; Strieder, J., Zur Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Sombart,
W., Der moderne Kapitalismus, Bd. 2 1916; Trusen, H., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Frühkonstitutionalismus ist die eine Verfassung
(Konstitution) erstrebende bzw. modernisierend-kontrolliert gewährende (oktroyierende)
politische Bewegung des beginnenden 19. Jh.s (nach französischem Vorbild der
Charte Constitutionelle vom 4. 6. 1814 Nassau 1./2. 9. 1814, 1816 Schwarzburg-Rudolstadt,
Schaumburg-Lippe, Waldeck, Sachsen-Weimar, 1818/1819 Sachsen-Hildburghausen,
Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819,
Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt 1820, Sachsen-Coburg 1821, Sachsen-Meiningen
1824). Der F. hält an der Vorherrschaft des Monarchen fest, gewährt aber den
Ständen begrenzte Mitwirkungsrechte unter Einführung des Repäsentationsprinzips
im Landtag (konstitutionelle Monarchie). Im Gegensatz zur vorangehenden
landständischen Verfassung ist der Repräsentant nicht an die Anweisung oder
Interessen seines Standes gebunden, sondern soll seine Entscheidung unter
Berücksichtigung des Wohles des gesamten Landes treffen. (Praktisch wenig
bedeutsame) Staatsbürgerrechte zur Sicherung einer dem unmittelbaren
staatlichen Einfluss entzogenen gesellschaftlichen Sphäre sind anerkannt,
obwohl der Vorrang der Verfassung noch fehlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Brandt, H., Der deutsche
Frühkonstitutionalismus, (in) Hessen, 1997, 39; Schulze, C.,
Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hilker, J., Grundrechte im
deutschen Frühkonstitutionalismus, 2005
Frühmittelalter ist der etwa zwischen dem Untergang
des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) und dem (Aussterben der ostfränkischen
Karolinger [911] bzw. dem) →Investiturstreit (1076) liegende Abschnitt
des Mittelalters.
Lit.: Köbler, DRG 75; Köbler, G., Civis und ius civile
im deutschen Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Bund, K., Thronsturz
und Herrscherabsetzung im Frühmittelalter, 1979; Prinz, F., Von Konstantin zu
Karl dem Großen, 2000; Buc, P., The Dangers of Ritual, 2001; The Early Middle
Ages, hg. v. McKitterick, R., 2001; Grant, M., Die Welt des frühen
Mittelalters, 2003; Goetz, H., Europa im frühen Mittelalter, 2003; Wickham, C.,
Framing the Early Middle Ages, 2005; Von der Spätantike zum frühen Mittelalter,
hg. v. Kölzer, T. u. a., 2009; Recht und Konsens im frühen Mittelalter, hg. v.
Epp, V. u. a., 2017
Frühneuhochdeutsch ist die (von Germanisten des 20.
Jh.s ausgesonderte,) zwischen 1350 (Mittelhochdeutsch) und 1650 (Neuhochdeutsch)
gesprochene, frühe Stufe der neuhochdeutschen Sprache (zeitliche Abgrenzung
zum Mittelhochdeutschen streitig).
Lit.: Götze, A., Frühneuhochdeutsches Glossar, 7. A.
1967; Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, hg. v. Anderson, R. u. a., Bd. 1ff.
1986ff. (bis vielleicht 2027 wohl 16 Bände mit schätzungsweise rund 8000 Seiten
und mehr als 50000 Lemmata); Baufeld, C., Kleines frühneuhochdeutsches
Wörterbuch, 1996
Frühneuzeit
Lit.: Vocelka, K., Frühe Neuzeit 2500-1800), 2013
Frührezeption (des römischen Rechtes) ist der
erste zeitliche Abschnitt der Aufnahme (→Rezeption) des römischen Rechtes
in mittelalterliche Rechtsordnungen. Angesichts der Übernahme
römischrechtlicher Vorstellungen bereits in frühmittelalterliche Volksrechte
lässt sich von F. schon für das Frühmittelalter sprechen. In einem engeren Sinn
schließt F. aber erst an die Wiederaufnahme der Beschäftigung mit dem
justinianischen Rechtstexten seit dem ausgehenden 11. Jh. an.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hageneder, O., Zur
Frührezeption des römisch-kanonischen Prozessverfahrens im Lande ob der Enns,
FS K. Pivec, 1966, 131; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb.
89 (1969), 337
Frühsozialismus ist der erste zeitliche Abschnitt
des Sozialismus. Er lässt sich in seinem Beginn in die Mitte des 16. Jh.s
setzen. Er endet um 1848. Seine Zielsetzungen sind zumindest anfangs noch sehr
allgemein und unterschiedlich.
Lit.: Der Frühsozialismus, hg. v. Ramm, T., 2. A.
1968; Heis, R., Das Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995
Fuchs, Ernst (Weingarten 15. 10. 1859-Karlsruhe 10. 4.
1929), Rechtsanwalt, entschiedener Vertreter der freien Rechtsschule
Lit.: Fuchs, E., Die Gemeinschädlichkeit der konstruktiven
Jurisprudenz, 1909
Fuero (zu lat. [N.] forum, Markt,
Gericht) bzw. foro oder (katalanisch) fur ist in →Spanien (bzw. Portugal)
das teilweise bis in das 20. Jh. geltende landschaftliche Recht des
Hochmittelalters (im engeren Sinn das aufgezeichnete Stadtrecht oder
Gebietsrecht). Vor allem in Aragón und Valencia steht der besondere F. im
Gegensatz zum allgemeinen Recht. Der Name F. erwächst erst allmählich. Die
ersten überlieferten Fueros sind nicht umfangreich (Vorläufer cartas de
población wie z. B. für Valpuesta 804, dann F. von Castrojeriz 974, Sepúlveda 1076,
bekannt F. juzgo 13. Jh., F. de Aragón 1247, Llibre de les Costumes de Tortosa,
Ende 13. Jh.). Von besonderer Bedeutung ist die Bewahrung von aus dem
westgotischen Volksrecht (→Lex Visigothorum) rührendem germanistischem
Rechtsgut. Unterscheiden lassen sich vor allem Privilegien, Urkunden über
Abgaben und Stadtrechte.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragons und
ihre Verbreitung, FS E. Heymann, 1940, 108; Hierneis, O., Das besondere
Erbrecht der sog. Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1 1973, 681; Barrero García, A./Alonso Martín, M., Textos de derecho local
español en la Edad Media, 1989; Suárez Bilbao, F., El fuero judiego en la Espana
cristiana, 2000
Fuero de Aragón ist die Sammlung von Gesetzen oder
Verordnungen, die besonders Aragón betreffen. Den Auftrag hierzu erteilt König
Jakob I. an den Bischof von Huesca und ehemaligen Bologneser Scholasten Vidal
de Canellas. Von dessen zwei Kompilationen billigen die Cortes von Huesca 1247
die kleinere, weniger romanistische. 1283 wird sie in das vom Adel König Peter
III. abgerungene (span.) Privilegio general (allgemeine Privileg) aufgenommen.
Im 14. und frühen 15. Jh. wird sie um je ein Buch der vier in dieser Zeit
herrschenden Könige erweitert.
Lit.: Tilander, G., Los fueros de Aragón, 1937;
Wohlhaupter, E., Die localen Fueros Aragóns, FS E. Heymann, 1940, 108;
Wohlhaupter, E., Das Privatrecht der fueros de Aragón, TRG GA 62 (1942), 89, 63
(1943), 214, 64 (1944), 173; Lalinde Abadía, J., Los Fueros de Aragón, 1976, 4.
A. 1985
Fuero de Burgos ist ein die Hauptstadt der
Grafschaft →Kastilien betreffender Text des spanischen Rechtes.
Lit.: Martínez Díez, G., Fueros en el territorio de la
provincia de Burgos, 1982
Fuero de Castiella ist das älteste Rechtsbuch Kastiliens, in dem
durch einen unbekannten Verfasser in Burgos nicht lange nach 1248 das
kastilische Recht des 13. Jahrhunderts aufgezeichnet wird.
Lit.: Libro de los Fueros de Castiella, hg. v. Sánchez, S., 1924
Fuero de Cuenca ist der ziemlich ausführliche, in
43 Kapitel gegliederte Fuero des spanischen Rechtes im Königreich Leon und
Navarra, den König Alfons VIII. (1189/1190 bzw. zwischen November 1189 und März
1193 oder in der ersten Hälfte des 13. Jh.s) der 1177 zurückeroberten Stadt
Cuenca gewährt.
Lit.: The Code of Cuenca, übers. v. Powers, J., 2000
Fuero de Francos ist der 1095 von König Alfons VI.
von Kastilien dem Dorf Logroño bei der Erhebung zur Stadt verliehene Fuero des
spanischen Rechtes, der später auch anderen Städten gewährt wird (Miranda 1099,
Toledo).
Fuero de Jaca ist das 1063 von Sancho Ramírez
bei der Erhebung des Ortes von einer villa zu einer Stadt verliehene Recht von
→Jaca.
Lit.: Ramos y Loscertales, J., Fuero de Jaca, 1927;
Molho, M., El Fuero de Jaca, 1964
Fuero de la Novenera ist die Sammlung des
aragonesisch-navarrischen Gewohnheitsrechts, in die auch bäuerliches
Gewohnheitsrecht Eingang findet.
Fuero de León ist ein von 1017(-1020) stammender,
sich selbst als (lat. [N.]) Decretum bezeichnender Text des spanischen Rechtes
aus dem Königreich →Leon. Er geht auf Alfons V. zurück. Seine ersten 20
Artikel betreffen das ganze Land, die übrigen 28 nur einzelne Orte.
Lit.: García-Gallo, A., El fuero de León, AHDE 39
(1969), 5
Fuero del trabajo ist das 1938 erlassene, 1967
abgeänderte Arbeitsgesetzbuch →Spaniens.
Fuero de Madrid ist das Recht von →Madrid.
Lit.: Sánchez, G., El Fuero de Madrid, (in) El Fuero
de Madrid, 2. A. 1963
Fuero de Sepúlveda ist der in einem Privileg König
Alfons VI. von Kastilien (1072-1109) enthaltene Fuero des spanischen Rechtes
der südlichen Grenzgebiete des Königreichs Kastilien (1076), den die Könige
Alfons I. und Alfons II. von Aragón auch in Teilen Aragoniens einführen.
Fuero de Soria ist das Recht von Soria in
Kastilien.
Lit.: Sánchez, G., Historia del Fuero de Soria, (in)
Fueros castellanos de Soria de León y Castilla, 1919, 227
Fuero de Teruel ist der ausführliche Fuero des spanischen
Rechtes der 1171 von Alfons II. von Aragón zurückeroberten Stadt Teruel.
Fuero de Toledo ist der die städtischen
Privilegien Toledos zusammenfassende Fuero des spanischen Rechtes, die allen
Bewohnern gemeinsam sind. Er folgt dem nach der Eroberung 1085 gewährten Fuero
de Juzgo (der [westgotischen] Mozaraber) bzw. Fuero der Kastilier bzw. Fuero de
Francos nach.
Lit.: García-Gallo, G., Los Fueros de Toledo, AHDE 45
(1975), 341
Fuero de Zaragoza ist der Fuero des spanischen
Rechtes, der die Interessen der sog. Infanzones (ritterlichen Adligen) stärker
berücksichtigt als die der Bürger.
fuero ecclesiastico (span.) kirchliche Gerichtsbarkeit
in Spanien
Fuero general ist die umfassende private
Sammlung des spanischen Gewohnheitsrechts des Adels und seiner Bauern in Aragón
und Navarra aus dem 13. Jh.
Fuero Juzgo ist die in verschiedenen Fassungen
in das Kastilische übertragene (lat.) →Lex (F.) Visigothorum, die auch
nach der Zerstörung des Westgotenreiches in Spanien durch die Araber für die
unterworfenen Westgoten (Mozaraber) gilt. Der F. J. ist auch das von der
königlichen Rechtsprechung des vereinigten Königreiches von Leon und Navarra in
Leon - nicht in Kastilien - angewendete Recht. Nach 1240 verleiht König
Ferdinand III. den zwölfteiligen F. J. an eroberte Städte in Andalusien und
Levante (Córdoba, Sevilla, Jaén, Murcia, Alicante, Jerez). 1263 wird der F. J.
von König Alfons X. in den →Fuero real (bzw. den Libro de las Leyes)
modernisiert.
fuero militar (span.) Militärgerichtsbarkeit in
Spanien
fuero municipal (span.) Stadtrecht in Spanien
Fuero real (bzw. Libro de las Leyes) ist der
1255 oder 1263 von König Alfons X. dem Weisen von Leon und Navarra aus dem
→Fuero Juzgo modernisierte →Fuero des spanischen Rechtes. Er passt
den aus der frühmittelalterlichen (lat.) Lex (F.) Visigothorum entwickelten
Fuero Juzgo den hochmittelalterlichen Bedürfnissen an und nimmt verschiedene
römischrechtliche und kirchenrechtliche Sätze auf. Er ist in vier Bücher
gegliedert (Verfassung, Verfahren, Familie, Erbe und Schulden sowie Strafe). Er
wird bestimmten Städten in Leon und Kastilien (Valladolid 1255, Madrid 1262)
sowie Burgos und Soria verliehen, doch muss der König 1272 die Fortgeltung der
alten städtischen Fueros anerkennen. Von ihnen werden viele bis 1340 neu
aufgezeichnet.
Lit.: Martínez Díez, G., Leyes de Alfonso X.: Fuero
Real, 1988
Fuero viejo de Castilla ist die umfassende private
Zusammenstellung des kastilischen Gewohnheitsrechts. Eine um 1248 entstandene
Fassung ist unsystematisch. Der F. v. d. C. erhält seine endgültige systematische
und in fünf Bücher gegliederte Gestalt um 1356. Seine wichtigste Quelle ist der
Libro de los Fueros.
Lit.: García González, F., El fuero viejo
assistemático, AHDE 41 (1971), 767
Fugger ist der Angehörige einer 1367 in
Augsburg als Weber genannten Familie, die in der Linie von der Lilie durch die
Fuggersche Handelsgesellschaft, das Kupfermonopol und den Ablasshandel
Weltgeltung erreicht. Als Bankiers der Päpste und der Habsburger erlangen sie
1504 den Adel und 1511 den Grafenrang und finanzieren die Wahl Karls V. zum
Kaiser des Heiligen römischen Reiches . Sie bilden ein anschauliches Beispiel
des →Frühkapitalismus.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pölnitz, G. Frhr.
v., Jakob Fugger, Bd. 1f. 1949ff.; Pölnitz, G. Frhr. v., Fugger und Hanse,
1953; Simnacher, G., Die Fuggertestamente, 1960; Pölnitz, G. Frhr. v., Die
Fugger, 6. A. 1999; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Nebinger, G./Rieber, A., Genealogie des Hauses
Fugger, 1978; Tietz-Strödel, M., Die Fuggerei, 1982; Mandrou, R., Die Fugger,
1997; Häberlein, M., Die Fugger, 2006; Die Welt des Hans Fugger, hg. v.
Burkhardt, J. u. a., 2007; Dauser, R., Informationskultur und Beziehungswissen,
2008; Die Fugger im Bild, hg. v. Bayerische Staatsbibliothek, 2010; Düvel, T.,
Die Gütererwerbungen Jacob Fuggers des Reichen (1494-1525), 2013; Häberlein,
M., Aufbruch ins globale Zeitalter, 2016
Führer ist (der von Adolf →Hitler im
Nationalsozialismus beanspruchte) anführende Rang innerhalb einer
Gemeinschaft. Der F. (Adolf Hitler) steht außerhalb der Verfassung. Er
vereinigt nacheinander unterschiedliche Verfassungsstellungen in sich
(Reichskanzler, Reichspräsident). Sein Wille wird als Gesetz angesehen. Nach
dem Prinzip des Führers wird das →„Dritte Reich“ organisiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222, 226, 229;
Das deutsche Führerlexikon, 1934; Fauser, M., Das Gesetz im Führerstaat, Arch.
f. öff. Recht 1965, 129; Majer, D., Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems,
1987; „Führer—Erlasse – 1939-1945“, hg. v. Moll, M., 1997; Radtke, H.. u. a.,
Straffreiheit durch Führerbefehl?. ZRG GA 129 (2012), 214
Führerschein ist die Urkunde über die
Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Führerscheine werden kurz nach
Erfindung der Kraftfahrzeuge (1876 N. A. Otto stationärer
Viertaktverbrennungsmotor, 1885 C. F. Benz verkehrsfähiges Kraftfahrzeug,
1886 G. Daimler) eingeführt. Die vorläufigen und regional unterschiedlichen
Berechtigungen löst 1910 auf Grund des Gesetzes über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen (3. 5. 1909) der F. in Preußen ab (1910 in Deutschland 36077
Führerscheine, 1924 121431 neue Führerscheine, 1957 rund 1081000, 1991
2122706). Seit 1. 1. 1999 ist der F. in der Europäischen Union vereinheitlicht.
Führungsaufsicht (1975, Vorgänger seit dem 18. Jh.,
nach Code pénal von 1810 Polizeiaufsicht)
Lit.: Ruderich, D., Führungsaufsicht, 2015
Führungsschicht ist die politische oder geistig
führende Gruppe von Menschen einer bestimmten Gesellschaft. Im Mittelalter
stellt der Adel die F. In der Aufklärung tritt der Bürger hinzu. In der
Gegenwart wird die allgemeine Meinung in erheblichem Maß durch die Medien
Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet bestimmt, deren Träger die Führung mitgestalten.
Lit.: Preradovich, N. v., Die Führungsschichten in
Österreich und Preußen 1804-1918, 1955; Deutsche Führungsschichten in der
Neuzeit, hg. v. Hofmann, H. u. a., 1980; Wildenmann, R. u. a., Führungsschicht
in der Bundesrepublik Deutschland, 1981, 1982; Rösch, G., Der venezianische
Adel, 1989
Führungszeugnis
Lit.: Burchardi, K., Strafregister und polizeiliches Führungszeugnis,
2. A. 1944
Fulgosius, Raphael ist der in Piacenza 1367 geborene, in Bologna
und Pavia ausgebildete, ab 1388 in Pavia, Siena und Padua lehrende, am 12. 9.
1427 verstorbene Jurist (commentarium in Digestum vetus, commentarium zum
Codex, Gutachten).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 802
Fulda ist die am 12. 3. 744 von dem
Schüler Sturmi des Bonifatius in Hessen gegründete, 765 reichsunmittelbar
(Reichsabtei) werdende Abtei mit sehr großer Grundherrschaft und bedeutender
Schriftkultur (aber im zweiten Drittel des 12. Jh.s auch Fälschungen durch den
Mönch Eberhard). Die dort 1723/1734 gegründete Universität wird nach der
Säkularisation (1802, Fürst von Oranien-Nassau, dann Königreich Westphalen,
danach Hessen) aufgehoben.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roller, O.,
Eberhard von Fulda, Diss. phil. Marburg 1901; Urkundenbuch des Klosters Fulda,
Bd. 1 1913; Werner-Hasselbach, T., Die älteren Güterverzeichnisse der
Reichsabtei Fulda, 1942; Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen
Mittelalter, ZRG GA 65 (1947), 177; Lübeck, K., Die Fuldaer Bürgeraufstände,
ZRG GA 68 (1951), 410; Mauersberg, H., Die Wirtschaft und Gesellschaft Fuldas,
1969; Jäger, B., Das geistliche Fürstentum Fulda in der frühen Neuzeit, 1986;
Rathsack, M., Die Fuldaer Fälschungen, 1989; Heinemeyer, W. u. a./Fulda in
seiner Geschichte, 1995; Meyer zu Ermgassen, H., Der Codex Eberhardi des Klosters
Fulda, 1995f., (1995, 1996, Index 2007, Bd. 4 Der Buchschmuck, 2009); Theisen,
F., Mittelalterliches Stiftungsrecht, 2002; Codex Diplomaticus Fuldensis,
Index and Introduction, hg. v. Hofmann, J., 2010; Das Kloster Fulda und seine
Urkunden, hg. v. Zwies, S., 2014 (2439 Urkunden)
Fund (9. Jh.) ist das Entdecken und Ansichnehmen einer verlorenen
(besitzlosen, aber nicht eigentümerlosen) beweglichen Sache eines anderen. Der
Finder muss den F. kundtun. Der Eigentümer muss dem Finder nach einzelnen
mittelalterlichen Rechtsquellen einen Lohn zahlen. Meldet sich der Eigentümer
innerhalb einer Frist (nach Aufgebot) nicht, so fällt die Sache teils an den
Finder, teils an den König, Kirche, Gemeinde oder Grundherrn, seit der Neuzeit
an den Finder. Erst das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und das
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900) schaffen einheitliche
Regeln für ihr Geltungsgebiet.
Lit.: Hübner 457; Delbrück, B., Vom Finden verlorener
Sachen, Jh. Jb. 3 (1859), 1ff.; Hopmann, G., Der Eigentumserwerb an der
gefundenen Sache nach deutschen Rechtsquellen, 1905; Vobach, G., Die Lehre vom
Funde, 1910; Hübner, J., Der Fund, 1914; Lins, S., Das Fundrecht des BGB, 1994;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Fünfkirchen (Pécs) ist bereits in römischer Zeit ein
wichtiger Ort (Sopianae, später Quinque ecclesiae) und seit 1367 Sitz einer
Universität, von 1833 bis 1923 Sitz eines Rechtsgymnasiums.
Lit.: Roth, H. u. a., Fünfkirchen, 2010; Pécsi
jogászprofesszorok emlékezete (1923-2008). Antológia [Das Gedächtnis der
Juraprofessoren zu Fünfkirchen. Eine Anthologie], hg. v. Kajtár, I.
2008; A Pécsi Püspöki Joglyceum emlékezete 1833-1923,
hg. v. Kajtár, I. u. 1.-, 2009; Roth, H., Geschichte einer europäischen
Kulturhauptstadt, 2010
Fur (lat. [M.]) ist im römischen Recht der →Dieb.
Der auf frischer Tat ertappte (und damit handhafte) freie Dieb (lat. [M.] f.
manifestus) darf im altrömischen Recht getötet werden und wird später als
Sklave zugesprochen, der unfreie f. manifestus darf vom tarpeischen Felsen
gestürzt werden. Jeder andere f. hat das Doppelte des Wertes zu leisten und
wird infam.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 51 I
Furiosus (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der →Geisteskranke, der ohne weiteres geschäftsunfähig und deliktsunfähig
ist und einen (lat. [M.]) curator (Pfleger) hat.
Lit.: Kaser § 14 IV; Boari, M., Qui venit contra iura.
Il furiosus, 1983
Fürkauf ist im 13. bis 16. bzw. 19. Jh. der
Vorkauf (unter Umgehung des Marktes und in großen Mengen zwecks künstlicher
Verknappung und Verteuerung). Er wird zeitweise verboten. Der Liberalismus
beseitigt die der Bekämpfung des Wuchers dienenden Einschränkungen
grundsätzlich.
Lit.: Crebert, H., Künstliche Preissteigerung, 1916;
Blaich, F., Die Reichsmonopolgesetzgebung im Zeitalter Karls V., 1967; Hof, H.,
Wettbewerb im Zunftrecht, 1983
Furs de Valencia sind die nach 1240 abgefassten
→Fueros (Gesetze bzw. Verordnungen) des Königreichs von Valencia des spanischen
Rechtes, die in einer 1330 entstandenen, völlig romanisierten Fassung Alfons’
IV. bekannt sind. 1482 wird eine erweiterte, chronologisch geordnete Sammlung
von Gabriel de Riucech unter dem Titel Furs e ordinacions de València veröffentlicht,
1707 wird der F. d. V. von König Philipp V. abgeschafft. 1708 werden die Fueros
alfonsinos in Valencia für weitergeltend erklärt.
Lit.: Barrero, A., El Derecho romano en los Furs de
Valencia de Jaime I, AHDE 41 (1971), 639
fur (M.) manifestus (lat.) →handhafter
→Dieb, →Diebstahl
Fur semper in mora (lat.). Der Dieb ist immer in
Verzug (und muss deshalb bei Untergang der entwendeten Sache durch Zufall ohne
Verschulden Schadensersatz leisten).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Tryphoninus um 160-um 220, Digesten 13, 1, 20)
Fürsorge ist zunächst allgemein die Sorge
für das Wohl eines Lebewesens, danach insbesondere die Unterstützung Einzelner
aus allgemeinen Mitteln in Notlagen. F. tätigt anfangs die Familie, dann die
Kirche und die Grundherrschaft, seit der frühen Neuzeit auch der
Wohlfahrtsstaat (Armenpflege für Waisen, Bettler, Witwen, Alte, Kranke,
Straftäter, Verwahrloste, Wohlfahrtspolitik, Sozialpolitik). In Preußen (ALR
II, 19 § 1) wird hierfür das Gesetz über die Verpflichtung zur Armenpflege vom
31. 12. 1842 (Unterstützungswohnsitz) erlassen, im Deutschen Reich das
Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. 6. 1870 (preußisches
Ausführungsgesetz vom 8. 3. 1871)(, die Sozialversicherungsgesetzgebung) und
die Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. 2. 1924, ergänzt durch die
Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge vom
4. 12. 1924 (kein Rechtsanspruch, Träger Ortsarmenverbände bzw. Gemeinden, in
Städten 5,6-8 % Unterstützungsempfänger, auf dem Land 0,5-0,8 %) (gehobene F.)
(1. 4. 1924 Reichsjugendwohlfahrtsgesetz mit wegen der Inflation verringertem
Leistungsumfang). In Deutschland, in dessen östlichem Teil 1956 die
überkommene F. in der Verordnung über die allgemeines Sozialfürsorge des Jahres
1956 zusammengefasst und als Übergangserscheinung auf dem Weg zum Sozialismus
angesehen wird, wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s aus der F. die seit
einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. 6. 1954 Ansprüche
anerkennende →Sozialhilfe (Hilfe, Förderung, Bundessozialhilfegesetz
zum 1. 6. 1962, zum 1. 1. 2005 Sozialgesetzbuch XII, für Jugendliche
Jugendschutzgesetz vom 4. 12. 1951, Jugendwohlfahrtsgesetz vom 11. 8. 1961,
Kinder- und Jugendhilfegesetz zum 1. 1. 1991).
Lit.: Moeller, E. v., Die Elendenbrüderschaften, 1906;
Dilger, A., Die Grundlagen des Fürsorgerechts, Diss. jur. Tübingen 1945
masch.schr.; Scherpner, H., Geschichte der Jugendfürsorge, 2. A. 1979; Sachße,
C./Tennstedt, F., Geschichte der Armenfürsorge, Bd. 1ff. 1980ff.; Jutte, R.,
Obrigkeitliche Armenfürsorge, 1984; Hauser, S., Geschichte der Fürsorgegesetzgebung
in Bayern, Diss. jur. München 1986; Peukert, D., Grenzen der Sozialdisziplinierung,
1986; Breitenhorn, A., Randgruppen im ALR, 1994; Boldorf, M., Sozialfürsorge
in der SBT/DDR 1945-1953, 1998; Armengesetzgebung und Freizügigkeit
(1867-1881), hg. v. Sachße, C. u. a., 2000; Stolleis, M., Geschichte des
Sozialrechts in Deutschland, 2003; Willing, M., Das Bewahrungsgesetz
(1918-1967), 2003; Föcking, F., Fürsorge im Wirtschaftsboom, 2007; Medizin und
Sozialwesen in Mitteldeutschland zur Reformationszeit, hg. v. Oehmig, S.,
2007; Marx-Jaskulski, K., Armut und Fürsorge auf dem Land, 2008; Bulling, S.,
Die zivilrechtliche Erwachsenenfürsorge des 19. Jahrhunderts, 2013; Foege, L.,
Wessenbergs Herzenskind, 2014; Sorge, hg. v. Melville, G. u. a., 2015
Fürsprech, Fürsprecher, Vorsprecher, ist im
hoch- und spätmittelalterlichen deutschen Recht der Vertreter eines Menschen im
Wort vor Gericht (ahd. [einmal] furisprehho um 790 für lat. orator, M.,
Redner). Er wird vielleicht entwickelt, um die möglicherweise allmählich in
bestimmten Verfahrenslagen entstehende Gefahr zu vermeiden, durch einen bloßen
Fehler im Wort (z. B. Husten, Räuspern, Versprechen) einen Rechtsstreit zu
verlieren. Seine Rede kann die im Wort vertretene Partei billigen oder
verwerfen und selbst richtig ausführen. Der F. ist erst im 12. Jh. in
deutschen, französischen und englischen Quellen belegt und könnte eine Antwort
auf das Eindringen gelehrter Genauigkeit in das Verfahren sein. Ein Zwang,
einen F. zu nehmen, erscheint erst im 15. Jh. Im Übrigen kann die Partei einen
F. wählen oder nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) den Richter um einen F.
bitten. Wirkung hat der Vortrag des Fürsprech(er)s nur nach Billigung durch die
Partei. 1255 gibt es in Lübeck bereits 5 berufsmäßige Fürspreche®
(Vorspraken). Seit dem 15. Jh. wird der F. zum frei handelnden Beistand, seit
dem 16. Jh. verschmilzt er mit dem Anwalt zum Vertreter in der Sache. In der
Schweiz ist der Fürsprecher in manchen Kantonen der Rechtsanwalt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Siegel,
H., Die Erholung und Wandelung, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 42 1853; Laß, L.,
Die Anwaltschaft im Zeitalter der Volksrechte und Kapitularien, 1891; Bauhofer, A., Fürsprechertum und Advokatur im
Kanton Zürich, Zürcher Taschenbuch 1926; Bader, K., Vorsprecher
und Anwalt in den fürstenbergischen Gerichtsordnungen, 1931; Schudel, H.,
Fürsprecher und Anwälte im schaffhauserischen Recht, Diss. jur. Zürich 1940;
Müller, L., Die Freiheit der Advokatur, 1972; Failenschmid, H., Anwalt und
Fürsprech nach altwürttembergischen und benachbarten Rechtsquellen, 1981; Meyer,
T., Gefahr vor Gericht, 2009
Fürsprecher →Fürsprech
Fürst ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen
deutschen Recht der Adlige, dessen Stellung (die des Königs oder) ursprünglich
durch die unmittelbare Belehnung durch den König gekennzeichnet ist. Er ist
also Erster oder bei mehreren Ersten einer von diesen. Dazu zählen im
Frühmittelalter die Großen des Reiches und des Königs (Herzöge, Grafen,
Pfalzgrafen, Markgrafen, Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Äbtissinnen). Kennzeichen
sind Teilhabe am Reich und Herrschaft über einen Teil (z. B. eine Grafschaft),
doch ist die Abgrenzung nach unten nicht eindeutig (im 13. Jh. etwa 110-120
Reichsfürsten, davon etwa 90 geistlich, davon etwa 45 Äbte und Äbtissinnen).
Der F. kann unter besonderen Umständen abgesetzt werden (zwischen 768 und 1056
in 177 Fällen erfolgreich, immerhin durchschnittlich alle zwei Jahre einmal).
Das wichtigste Recht der Fürsten ist die Wahl des Königs, die sich aber im 13.
Jh. auf die →Kurfürsten beschränkt. Etwa gleichzeitig wird die Stellung
als Reichsfürst genauer festgelegt auf die meisten Herzöge, einen Teil der
Markgrafen, Pfalzgrafen und Landgrafen und einzelne Grafen (herzogsgleiche
Landesherrschaft und reichsunmittelbares Lehen) sowie die geistlichen
Reichsfürsten (Erzbischöfe, viele Bischöfe, viele Äbte und Äbtissinnen,
einzelne Pröpste). 1184/1188 wird der Graf von Hennegau bzw. Namur als erster
förmlich zum Reichsfürsten erhoben (Braunschweig-Lüneburg 1235). Demgegenüber
wird in Frankreich die Zahl der Fürsten verringert und in England auf den
Prinzen von Wales beschränkt. Als Landesherr gerät der F. im Laufe der Zeit in
einen Interessengegensatz zum König. Im Reichstag des Heiligen römischen
Reiches gibt es 1582 53 Virilstimmen weltlicher und 46 Virilstimmen geistlicher
Fürsten, 1792 64 Virilstimmen weltlicher Fürsten und 38 geistlicher Fürsten.
Seit 14. 8. 1919 darf der Titel F. in Deutschland nicht mehr verliehen werden
und gilt der überkommene Titel F. als Teil des Namens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 111, 130,
149, 154, 167, 195; Köbler, WAS; Seckendorff, V. v., Teutscher Fürstenstaat,
1656, Neudruck 1976; Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt in den deutschen
Fürstenhäusern, 1851; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen
Fürsten, 1901; Fehr, H., Fürst und Graf im Sachsenspiegel, SB. d. sächs. Ges.
d. Wiss. 58, 1906; Schulte, A., Fürstentum und Einheitsstaat in der deutschen
Geschichte, 1921; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1; Kraemer,
H., Der deutsche Kleinstaat des 17. Jahrhunderts im Spiegel von Seckendorffs
Fürstenstaat, 1922, Neudruck 1974; Schroeder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44
(1924), 1; Kienast, W., Die deutschen Fürsten im Dienste der Westmächte, Bd.
1f. 1924ff.; Mayer, T., Fürsten und Staat, 1950; Petersohn, J., Fürstenmacht
und Ständetum in Preußen, 1963; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Lanzinner, M.,
Fürst, Räte und Landstände, 1980; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch,
J., 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56,
1983; Klein, T., Die Erhebungen in den deutschen Fürstenstand 1550-1806, Bll.
f. dt. LG. 122 (1986), 137; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von
Königsmacht, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988; Der Fürst, hg.
v. Weber, W., 1998; Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Schlick, J.,
König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001; Principes, hg. v. Nolte, C., 2002;
Fürstin und Fürst, hg. v. Rogge, J., 2004; Gottwald, D., Fürstenrecht und
Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Hammes, B., Ritterlicher Fürst und
Ritterschaft, 2010
Fürstenberg
Lit.: Barth, F., Die Verwaltungsorganisation der gräflich
fürstenbergischen Territorien, Schriften des Vereins für Geschichte und
Naturgeschichte der Baar 16 (1926), 48; Link, R., Verwaltung und Rechtspflege
im Fürstentum Fürstenberg, 1944; Bieberstein-Krasicki, D. Graf v., Das
Prozessrecht der Gerichts- und Landesordnungen der fürstenbergischen
Territorien, 1948; Bader, K./Platen, A. v., Das große Palatinat des Hauses
Fürstenberg, 1954; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft, 1980;
Asch, R., Verwaltung und Beamtentum, 1986
Fürstenberg
Fürstenbergische Geschichte, Bd. 1ff. bearb. v. Klocke, F. v. 1971; Die
Tagebücher Kaspars von Fürstenberg, hg. v. Bruns, A., 1985, 2. A. 1987
Fürstenspiegel ist die literarische Darstellung
der Pflichten eines Fürsten. Die älteren Quellen des Fürstenspiegels sind
hauptsächlich Xenophons (430-354 v. Chr.) Beschreibung der Erziehung des
Kyros, die aus Plutarch (46-125) erstellte (lat.) Institutio (F.) Traiani, die
Selbstbetrachtungen Marc Aurels (121-180) und Augustinus’ Bild vom glücklichen
Herrscher im Gottesstaat (413-426). Zunächst christlich, später humanistisch
betont bauen auf ihnen F. vom 9. Jh. bis in die Neuzeit (Fürstenlehre) auf (z.
B. Jonas von Orléans, Sedulius Scotus, Hinkmar von Reims, Gottfried und
Johannes von Viterbo, Johann von Salisbury, Polycratius, 1159, Gilbert von
Tournais, Vincenz von Beauvais, Thomas von Aquin, De regimine principum,
1265/1266, Fortescue J., De laudibus legum Angliae, um 1470, Machiavelli, N.,
Il principe, 1532, Fénelon, Les aventures de Télémaque, 1699), wobei seit der
frühen Neuzeit der Landesherr an die Stelle des Königs tritt. Zu Beginn des 19.
Jh.s werden die konservativen Regierungshandbücher entbehrlich.
Lit.: Kleineke, W., Englische Fürstenspiegel, 1937;
Berges, W., Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, 1938; Anton,
H., Fürstenspiegel und Herrscherethos in der Karolingerzeit, 1968; Singer, B.,
Die Fürstenspiegel, 1981; Politische Tugendlehre und Regierungskunst, hg. v.
Mühleisen, H. u. a., 1990; Fürstenspiegel der frühen Neuzeit, hg. v. Mühleisen,
H. u. a., 1996; Graßnick, U., Ratgeber des Königs, 2004; Ahl, I., Humanistische
Politik zwischen Reformation und Gegenreformation, 2004; Fürstenspiegel des
frühen und hohen Mittelalters, hg. v. Anton, H., 2006; Historische Exempla in
Fürstenspiegeln und Fürstenlehren, hg. v. Reinle, C. u. a., 2011
Fürstentum ist das Herrschaftsgebiet und die
Stellung eines →Fürsten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schotte, W., Fürstentum und
Stände in der Mark Brandenburg, 1911; Dunkhase, H., Das Fürstentum Krautheim,
1968; Werner, K., Die Entstehung des Fürstentums, Bd. 1f. 1970; Thomas, H.,
Zwischen regnum und imperium, 1973; Geistliche Staaten in Oberdeutschland, hg.
v. Wüst, W., 2002
Fürstprimas ist der in der Rheinbundakte von
1806 für den bisherigen Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg (1744-1817)
vergebene geistlich-weltliche Titel. Das Fürstentum des F. (Regensburg mit
Aschaffenburg und Wetzlar) wird durch Napoleon (1808) in ein weltliches
Großherzogtum umgewandelt, das 1813 endet.
Lit.: Färber, K., Der Übergang des dalbergischen
Fürstentums Regensburg an das Königreich Bayern, 1985
Fürth
Lit.: Hofmann, M., Die mittelalterliche Entwicklung der
Gerichtsverhältnisse im alten Amt Fürth, 1932; Mauersberg, H., Wirtschaft und
Gesellschaft Fürths, 1974; Windsheimer, B., Geschichte der Stadt Fürth, 2007
Furtum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die Sachentziehung bzw. der Diebstahl ([lat.] contrectatio rei fraudulosa lucri
faciendi gratia, tückische Ergreifung einer Sache zwecks Gewinnerzielung).
→fur
Lit.: Kaser § 51 I; Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48;
Köbler, LAW
Fusion (F.), Gießung, Verbindung
Fusionsvertrag ist der eine Fusion anstrebende oder
bewirkende Vertrag (z. B. 8. 4. 1965 Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen
Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit
Wirkung vom 1. 7. 1967).
Fuß als der unterste Teil des stehenden menschlichen
Körpers wird bis in die Gegenwart als Maßeinheit (zwischen 250 und 429 mm)
verwendet (z. B. engl. foot 304,8 mm).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 141, 196, 213
Füssen
Lit.: Das Füssener Bürgerbuch, hg. v. Weitnauer, S., 1940; Das Füssener
hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, R., 1940; Rump, H., Füssen,
1977
Futhark ist die der herkömmlichen
Zeichenfolge (f, u, th, a, r, k u. s.
w.) entsprechende Benennung der germanischen Runenschrift.
Lit.: Krause, W., Die Runeninschriften im älteren
Futhark, 1966
G
Gabe ist der Vorgang und der Gegenstand der gewollten
Übergabe einer Sache oder eines Menschen von einem Menschen oder einer Person
an einen anderen Menschen oder an eine andere Person. Nach einem jüngeren
Rechtssprichwort soll in der älteren Zeit gegolten haben: G. schielt nach
Entgelt. Demgegenüber kennt das römische Recht die unentgeltliche G.
(→Schenkung). Sie wird allgemein anerkannt, ohne dass sie größere
wirtschaftliche Bedeutung erlangt.
Lit.: Kaser; Hübner 575; Köbler, DRG 74; Heusler, A.,
Institutionen, Bd. 2 1885f., 370ff.; Mauss, M., Essai sur le don, 1923 (= Die
Gabe, 1968); Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der altgermanischen Schenkung,
ZRG GA 53 (1933), 35; Hyland, R., Gifts, 2009
gabella (mlat. [F.]) Abgabe, Steuer (F.)
Gabella (F.) emigrationis (mlat.) ist die im 11./12. Jh.
erscheinende, vor allem in der frühen Neuzeit verbreitete Auswanderungsabgabe
(Abfahrtsgeld, vgl. ALR II 17 §§ 141ff.) in Höhe von meist rund 10% des
inländischen Vermögens.
Gabella (F.) hereditaria (mlat.) ist im Mittelalter die
Erbschaftsabgabe beim Erbfall Fremder an König, Landesherrn oder Stadt. Ein
Gesetz Kaiser Friedrichs II. von 1220 hebt sie auf, wird aber nicht beachtet.
Lit.: Meynal, E., Études sur la gabelle, TRG 3 (1922),
119
gafol (ae.) Abgabe, Zins
Gage (F.) Entlohnung (1. H. 17. Jh.s aus dem
Französischen) zunächst in Heer und Marine, danach am Theater
Gagern, Wilhelm August Heinrich Freiherr
von (Bayreuth 20. 8. 1799-Darmstadt 22. 5. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg und Jena (Burschenschaft) 1821 Regierungsrat in Hessen, am 5. 3.
1848 Leiter des Staatsministeriums Hessen-Darmstadts, und am 19. 5. 1848
Präsident der deutschen Nationalversammlung.
Lit.: Buchner, K., Heinrich von Gagern, 1848;
Schücking, L., Heinrich von Gagern, 1849; Wentzcke, P., Heinrich von Gagerns,
1957; Möller, H., Heinrich von Gagern, 2004
Gagnér, Sten (Uppsala 3. 3. 1921-München 24. 5. 1900) wird
nach dem Studium von Recht, Philosophie, Geschichte und Philologie in Uppsala
und praktischer Tätigkeit bei Polizei und Justiz 1964 Professor für Rechtsgeschichte
in München.
Lit.: Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960;
Rückert, J., Sten Gagnér zum Gedächtnis, ZRG GA 119 (2000), 1094ff.
Gaill, Andreas (Köln 12. 11. 1526-Köln 11. 12. 1587),
Patrizierssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Köln, Orléans, Löwen und Bologna
(Promotion 1555) Anwalt in Köln, 1558 Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer,
1569 Reichshofrat in Wien (1573 von Gaill) und 1584 Kanzler im Erzstift Köln.
In seinen (lat.) Practicarum observationum libri (M.Pl.) duo (Zwei Bücher
praktischer Beobachtungen) (1578) bemüht er sich wie schon zuvor
→Mynsinger (Singularium observationum …) um eine systematische Darstellung
der Entscheidungen des →Reichskammergerichts und gewährt dabei auch
einheimischen Statuten und Gewohnheitsrechtssätzen Raum.
Lit.: Köbler, DRG 143; Burckhard, H., Andreas Gaill,
1887; Kempis, K. v., Andreas Gaill, 1988
Gairethinx (N.) Speergedinge →Launegild
Lit.: Schröder, R., Gairethinx, ZRG GA 7 (1886), 53
Gaius ist der in der Mitte des 2. Jh.s n.
Chr. lebende, hauptsächlich in der Provinz tätige, nicht mit dem (lat.) ius
(N.) respondendi (Antwortrecht) begabte Verfasser (eines Kommentars zu dem in
den Provinzen üblichen Rechtsschutzregister des Privatrechts und) des in vier
Bücher (lat. [M. Pl.] commentarii) über personae (Personen), res (Sachen, 2
Bücher, Sachenrecht, Erbrecht, Schuldrecht) und actiones (Klagansprüche,
Zivilprozess) gegliederten Lehrbuchs →Institutionen (159?, 161?). Er
gehört der Rechtsschule der Sabinianer (→Julian) an. Sein auf (lat.)
→ius (N.) civile (römisches Recht) und (lat.) →ius (N.) gentium
(Fremdenrecht) als Rechtsquellen beschränktes, in einer späteren Fassung vor
allem durch eine wohl dem 5. Jh. entstammende, 1816 in Verona von Barthold
Georg Niebuhr aufgefundene Palimpsesthandschrift und zwei in Ägypten entdeckte
Handschriftenbruchstücke unmittelbar überliefertes System der Einrichtungen
des Rechtes (lat. institutiones) wird im Kern von dem oströmischen Kaiser
Justinian in dessen Institutionen (533) übernommen. In den Digesten sind 542
Fragmente aus Werken des Gaius verwertet.
Lit.: Kaser § 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 34;
Söllner §§ 5, 7, 16, 19, 20, 22, 23; Köbler, DRG 30, 52, 54; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GaiInstitutiones(160nChr).pdf,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GoeschenJohannFriedrichLudwigGaiiInstitutionumCommentariiIV1820.pdf,
Honoré, A., Gaius, 1962; Nelson, H./David, M., Überlieferung, Aufbau und Stil
von Gai Institutiones, 1981; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1
1988, 131; Nelson, H./Manthe, U., Gai Institutiones III 1-87, 1992; Vano, C.,
Il nostro autentico Gaio, 2000; Gaius, Institutiones. Lateinisch und deutsch,
hg. v. Manthe, U., 2004, 2. unv. A. 2010; Vano, C. Der Gaius der historischen
Rechtsschule, 2008
Gaius von Autun (lat. Gaius [M.] Augustodunensis)
ist der in größeren Fragmenten einer Palimpsesthandschrift aus Autun erhaltene
klassizistisch-spätnachklassische Kommentar wohl des 5. Jh.s zu →Gaius.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2; Köbler,
DRG 52
Galater →Kelte
Galeere (F.) mit Rammsporn, Rudern und Segeln
ausgestattetes Kriegsschiff
Galeerenstrafe ist die seit dem 15. Jh. im
Mittelmeerraum (Rom 1471, Spanien 1502, Kirchenstaat 1511, Frankreich 1516)
verhängte Strafe, auf einer Galeere angekettet zu rudern. In den
österreichischen Erblanden und Böhmen wird die G. von 1556 bis 1768 verwendet.
In Frankreich endet sie sachlich mit der Aufgabe der Galeeren (1749), wird aber
rechtlich erst am 27. 3. 1852 abgeschafft. In der Türkei wird sie bis zum 20.
Jh. gebraucht.
Lit.: Frauenstädt, P., Zur Geschichte der
Galeerenstrafe in Deutschland, Z. f. ges. StrafRWiss. 16 (1896), 518; Carlen,
L., Die Galeerenstrafe im Militärstrafrecht, ZRG GA 92 (1975), 210; Carlen, L.,
Die Galeerenstrafe in der Schweiz, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 88 (1976), 557;
Schlosser, H., Die Strafe der Galeere, ZNR 10 (1988), 19; Tournier, G., Les
galères de France, 2005
Galgen ist die meist aus zwei Pfosten
(oder Astgabeln) und einem Querholz bestehende künstliche Vorrichtung (lat.
patibulum, bargus, furca) zur Tötung von Menschen durch Aufhängen an einem
Strick. Bereits die Germanen hängen den Volksverräter. Seit wann dazu der G.
verwendet wird, ist (nicht zuletzt wegen der Vergänglichkeit der verwendeten
Mittel) unklar. Im Hochmittelalter. in dem der Sachsenspiegel Diebstahl mit
Hängen bedroht, ist Erhängen am G. eine ehrenmindernde Strafe, wobei z. B. in
München ein Galgen zwischen 1367 und 1804 erwähnt wird.. Seit 1871 ist die
→Todesstrafe in Deutschland durch Enthaupten zu vollziehen. Die
Alliierten bestrafen die nationalsozialistischen Kriegsverbrecher 1946 durch
Erhängen (ähnlich im Irak 2006). Überreste ehemaliger G. sind in Beerfelden,
Hopfmannsfeld, Kleinschierstedt, Münzenberg, Pfungstadt, Rixfeld, Seeburg und
Wörth am Main vorhanden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 257f.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege, 1940; Wohlhaupter, E., Haargalgen, Müllergalgen,
ZRG GA 63 (1943), 324; Frank, H., Im Angesicht des Galgens, 1953; Martschukat.
J., Inszeniertes Töten, 2000; Over galg en rad, hg. v. Luning, H. u. a., 2010
Galicien ist die im Nordwesten der
iberischen Halbinsel gelegene Landschaft, die zunächst von Kelten besiedelt
ist. Nach dem Ende der römischen Herrschaft dringen im 5. und 6. Jh. Sweben
(Sueben) und Westgoten, 711/718 Araber ein. Mit der Lösung von den Arabern
fällt G. meist an →Leon und mit diesem an →Kastilien. 1979 erhält
G. in Spanien Autonomie.
Lit.: Tranoy, A., La Galice Romaine, 1981; García Oro,
J., Galicia, 1987; Galicia, hg. v. Hann, C. u. a., 2005
Galizien (Halic-Volhynien, →Wolhynien)
ist die nördlich der Karpaten gelegene Hügellandschaft, die nach dem Abzug der
Germanen im 6. Jh. von Slawen (Polen im Westen, Ukrainer im Osten) besetzt
wird. Im 11. bzw. 12. Jh. entsteht ein Fürstentum G. (Galitsch bzw. Halitsch).
G. gelangt im Spätmittelalter (1349/1387) an →Polen. 1772 wird das östliche
G. dem österreichischen Königreich G. und Lodomerien zugeteilt, 1795 kommen
weitere Gebiete hinzu (→Westgalizien, für das 1797 ein Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch erlassen wird). Hauptstadt von Galizien-Lodomerien ist
Lemberg. 1846 wird das seit 1815 selbständige Krakau annektiert und mit
Galizien-Lodomerien vereinigt, welches das größte Kronland Zisleithaniens ist.
1918 annektiert das wiedergebildete Polen G. Ostgalizien wird 1939 von der
Sowjetunion in Besitz genommen. Nach deren Auflösung (1991) ist das seit 1918
als Verwaltungseinheit nicht mehr bestehende G. nur noch in Kultur, Sprache und
Gedächtnis vorhanden.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Stupnicki, H., Das Königreich Galizien und Lodomerien, 1853;
Pohl, D., Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien, 1996;
Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; Bachmann, K., Ein Herd der
Feindschaft gegen Russland, 2001; Fellerer, J., Mehrsprachigkeit im galizischen
Verwaltungswesen, 2004; Struve, K., Bauern und Nation in Galizien, 2005;
Maner, H., Galizien, 2007; Wolff, L., The Idea of Galicia, 2010; Kuzmany, B.,
Brody, 2011; Shanes, J., Diaspora Nationalism and Jewish Identity in Habsburg
Galicia, 2012; Galizien als Kultur- und Gedächtnislandschaft, hg. v. Hanus, A.
u. a., 2015
Gallicus →mos Gallicus
Gallien (lat. [F.] Gallia) ist das Gebiet
zwischen Apennin und Alpen (Gallia citerior) und seit Caesar (58-51 v. Chr.)
das Land der Gallier zwischen Rhein, Alpen, Mittelmeer, Pyrenäen und Atlantik
(Gallia ulterior). Nach der Eroberung Galliens durch die Römer (225-51 v. Chr.)
wird G. romanisiert. Um 500 ist es fast vollständig im Besitz der rasch
romanisierten →Franken. →Frankreich
Lit.: Stroheker, K., Der senatorische Adel im
spätantiken Gallien, 1948 (5 bzw. 8 Namen von insgesamt 411 Personen); Lugge,
M., Gallia und Francia, 1960; Lerat, L., La Gaule romaine, 1977; Gallien in der
Spätantike, hg. v. Römisch-germanischen Zentralmuseum, 1980; Wightman, E., Gallia
Belgica, 1985; King, A., Roman Gaul, 1990; Recht im frühmittelalterlichen
Gallien, hg. v. Siems, H. u. a., 1995; Woolf, G., Becoming Roman, 1998;
Freyberger, B., Südgallien, 1999; Wierschowski, L., Fremde in Gallien, 2001;
Botermann, H., Wie aus Galliern Römer wurden, 2005; Mériaux, C., Gallia
irradiata, 2006; Reddé, M., L’architecture de la Gaule romaine, 2006; Müller,
H., Herrschaft in Gallien, 2013; Johnston, A., The Sons of Remus – Identty in
Roman Gaul and Spain, 2017; Gallische Chroniken, beab. v. Kötter, J. u. a.,
2017
Galway an einer irischen Atlantikbucht
erscheint 1124 erstmals. Im 14. Jh. wird es Stadt. 1845 erlangt es eine
Universität.
Gandinus (de Gandino), Albertus
(Crema/Lombardei um 1245-nach [?] 1311) wird nach dem Rechtsstudium in Padua (1265-1275,
Schüler Guido da Suzzaras) Richter in Lucca (1281), Bologna (1284), Perugia
(1286/1287), Florenz (1288), Bologna (1289, 1294/1295), Siena (1299) und
Perugia (1300), 1305 Herr (Podestà) in Fermo und 1310 Höchstrichter in Florenz.
Eine universitäre Tätigkeit übt er nicht aus. 1286/1287 veröffentlicht er eine
in erster Fassung in Perugia verfasste Sammlung berühmter Rechtsfragen (lat.
libellus de maleficiis, vor allem des Odofredus und des Guido da Suzzara), die
erweitert und erstmals systematisiert (5 Verfahrensarten [lat. accusatio,
denunciatio, inquisitio, exceptio, notorium], gemeinsame Fragen dieser
Verfahrensarten [Ladung, Stellvertretung, Bann
u. s. w.], Strafrecht) 1299 in Siena und 1300 in Perugia erscheint, als
(lat.) Tractatus (M.) de maleficiis (Abhandlung von Verbrechen) bekannt ist und
in Deutschland im 15. Jh. (→Klagspiegel, →Constitutio Criminalis
Bambergensis 1507) aufgenommen wird. Daneben stellt er (lat.) Quaestiones
(F.Pl.) statutorum (Fragen der Statuten) zusammen (Bologna 1289).
Lit.: Albertus Gandinus, Quaestiones, hg. v. Solmi, A,
(in) Bibliotheca Iuridica medii aevi 3, 1901, 155ff.; Kantorowicz, H., Albertus
Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, 1907ff. (in Bd. 2 Ausgabe des
Tractatus); Kantorowicz, H., Geschichte des Gandinus-Textes, ZRG RA 42 (1921),
1, 43 (1922), 1; Kantorowicz, H., Leben und Schriften des Albertus Gandinus,
ZRG RA 44 (1924), 224; Vallerani, M., La giustizia pubblica medievale, 2005;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 468
Ganerbe ist der Angehörige einer rechtlich
ungeteilten Erbengemeinschaft, insbesondere in der Ritterschaft. Eine
Ganerbschaft kann auch durch Vertrag begründet werden. Ziel ist dabei die
Erhaltung des Familienguts, weswegen eine Teilung oft nur hinsichtlich der
Nutzung erfolgt. Der Erhaltung dient auch die Begründung eines →Familienfideikommisses.
Trotz dessen Vordringens bestehen ritterliche Ganerbschaften bis zum 19. Jh.
Lit.: Hübner 157f., 251, 429; Köbler, WAS; Wippermann,
E., Über Ganerbschaften 1873; Zimmermann, J., Ritterschaftliche Ganerbschaften
in Rheinhessen, Diss. phil. Mainz, 1957; Alsdorf, F., Untersuchungen zur
Rechtsgestalt und Teilung der Ganerbenburgen, 1980
Gans, Eduard (Berlin 23. 3. 1797-5. 5. 1839), aus alter
norddeutscher jüdischer Hoffaktorenfamilie, wird nach dem Studium von
Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Berlin, Göttingen und Heidelberg
(Promotion), Ablehnung der Zulassung zu Lehrtätigkeit in Berlin (1822, Savigny)
und nach der Taufe (1825) 1826 in Berlin außerordentlicher, 1828 ordentlicher
Professor für römisches und bürgerliches Recht in Berlin (mit großem Zulauf).
Im Streit mit →Savigny (u. a. über Besitz) tritt er gegen die Erforschung
geschichtlicher Einzelheiten und für der Aufklärung verpflichtete philosophisch-universalgeschichtliche
Studien (Scholien zum Gajus 1819, Das Erbrecht in weltgeschichtlicher
Entwicklung, Bd. 1ff. 1824ff., Neudruck 1963) ein. Er betreibt Rechtsvergleichung
und vertritt Georg Willhelm Friedrich Hegels Philosophie. Einer seiner Schüler
ist Karl Marx.
Lit.: Reissner, H., Eduard Gans, 1965; Braun, J., Die
„Lex Gans“ – ein Kapitel aus der Geschichte der Judenemanzipation in Preußen,
ZRG GA 102 (1985), 60; Eduard Gans, hg. v. Waszek, N., 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 45; Braun, J., Judentum,
1997; Eduard Gans 1797-1839, hg. v. Blänkner, R. u. a., 2002; Gans, E.,
Naturrecht und Universalrechtsgeschichte, hg. v. Braun, J., 2005; Nielsen, E.,
Ehe, väterliche Gewalt und Testierfreiheit in „weltgeschichtlicher Betrachtung“,
2006; Gans, E., Briefe und Dokumente, hg. v. Brun, J., 2011
Ganshof, François-Louis (Brügge 14. 3. 1895-Brüssel 26. 6. 1980),
Schüler Henri Pirennes, Professor für mittelalterliche Geschichte in Gent (Was
waren die Kapitularien?, Was ist das Lehnswesen? 1961, 6. A. 1983)
Lit.: Trüper, H.,
Topography of a Method. François Louis Ganshof and the Writing of History, 2014
Gant (F., zu lat. [in] quantum, [zu] wieviel) ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die Versteigerung eines (verpfändeten)
Gegenstands im Wege der Zwangsvollstreckung. Sie entsteht in der
(oberdeutschen) Stadt (Zürich 1372, Leutkirch 1382, Bremgarten 1417, Augsburg
1447, Nürnberg 1479, Freiburg im Breisgau 1520, Württemberg 1555, Bayern 1611).
Sie will die Selbsthilfe eindämmen und den Schuldner vor übermäßigem
Wertverlust sichern. Zu diesem Zweck werden besondere Gantordnungen (z. B.
Augsburg 1447) erlassen. Danach muss das vom Büttel oder Fronboten verwahrte
(bewegliche) Pfand öffentlich zum Kauf angeboten und an den Meistbietenden
gegen Barzahlung ausgehändigt werden. Im 19. Jh. unterliegt die G. dem
Konkurs.
Lit.: Köbler, DRG 116; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
Bd. 1 1912, 680; Leisner, L., Das bayerische Gantrecht, 1971; Bornhorst, R.,
Das bayerische Insolvenzrecht im 19. Jahrhundert, 2002; Spann, M., Der
Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Garantie ist die einem anderen gegenüber
abgegebene Beteuerung der Richtigkeit einer Erklärung. Sachlich wirkt sich der
Gedanke der G. bereits in der (lat. [F.]) custodia des römischen Rechtes aus.
Als eigener Vertrag erscheint der Garantievertrag wohl erst im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mager, U., Einrichtungsgarantien,
2003
Garantismus ist eine Form des Wohlfahrtsstaats, bei der
ein Grundeinkommen garantiert wird.
Lit.: Opielka, M., Sozialpolitik, 2004
García Goyena, Florencio (1783-1835) wird nach
dem Rechtsstudium in Madrid und Salamanca Verwaltungsbeamter, Richter und
Justizminister (1847). 1851 legt er einen an Frankreich, Preußen und Österreich
orientierten, das partikulare Recht Spaniens missachtenden Entwurf eines
(span.) Codigo civil (Zivilgesetzbuchs) vor. Erst 1888/9 gelingt ein spanisches
Zivilgesetzbuch.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,1,497
Gareis, Karl (Bamberg 24. 4. 1844-München
15. 1. 1923) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Bern, Gießen, Königsberg
und München (Das deutsche Handelsrecht, 9. A. 1909, Enzyklopädie und
Methodologie der Rechtswissenschaft, 5. A. 1920).
Lit.: Schwab, D., Geschichtliches Recht und moderne
Zeiten, FS H. Hübner, 1984, 215; Rehbinder, M., Karl Gareis und Felix Dahn zur
Theorie des Urheberrechts (in) Gedächtnisschrift Herbert Hofmeister, 1996, 621
Garsten ist die im Siedlungsgebiet der Bayern 985
urkundlich erwähnte spätere Marktgemeinde Oberösterreichs, in der 1107 ein 1787
aufgelöstes Benediktinerkloster errichtet wird, aus dem zwei Traditionsbücher
des späteren 12. Jh.s bekannt sind.
Lit.: Haider, S., Studien zu den Traditionsbüchern des Klosters
Garsten, 2008
Garten ist das durch Hecke oder Zaun
abgegrenzte, intensiv durch Pflanzenanbau bewirtschaftete Grundstück. Da der G.
die Allgemeinheit von der Mitbenutzung ausschließt, bedarf seine Einrichtung
zeitweise der Zustimmung der Grundherrschaft oder Gemeinde.
Lit.: Bader, K., Gartenrecht, ZRG GA 75 (1958), 252;
Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutungen der extramuralen Rechtsbereiche
nordostschweizerischer Städte, Diss. jur. Zürich 1967
Gas ist der Zustand eines Körpers und der Körper,
in dem sich alle Moleküle vollkommen frei bewegen und der Körper jeden
verfügbaren Raum vollständig und gleichmäßig ausfüllt.
Lit.: L’industrie du gaz en Europe, hg. v. Paquier, S. u. a., 2005; Auf
der Suche nach Eden, hg. v. Stolberg, E., 2008
Gascogne im Südwesten des Frankenreichs ist
ein nach den mit den Basken verwandten Wasconen benanntes, seit 768
selbständiges Herzogtum, das 1052 an Aquitanien fällt.
Lit.: Histoire de la Gascogne, hg. v. Bordes, M., 1978
Gasparri, Pietro (Ussita 5. 5. 1852-Rom 18.
11. 1934) wird nach der Ausbildung in Rom Doktor der Philosophie, Theologie und
Kanonistik, 1880 Professor für kanonisches Recht und 1901 Sekretär einer
Kurienkongregation. Auf seine Anregung, ein neues kirchliches Gesetzbuch zu
schaffen, ernennt ihn Papst Pius X. 1904 zum Sekretär der für die Gesetzgebung
eingerichteten Kardinalskommission. 1917 wird der von ihr erarbeitete →Codex
iuris canonici veröffentlicht.
Lit.: Stickler, A., Historia iuris canonici latini,
Bd. 1 1950, 376; Müller, A./Elsener, F./Huizing, P., Vom Kirchenrecht zur
Kirchenordnung?, 1968, 29
Gast ist der in den Schutz eines Gastgebers aufgenommene
Mensch, insbesondere der Fremde. Für ihn entwickeln sich schon früh einige
besondere Rechtssätze.
Lit.: Kaser § 13 I 2b; Köbler, DRG 15; Rudorff, H.,
Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess, 1907;
Schultze, A., Über Gästerecht und Gastgerichte, HZ 101 (1908), 473; Hellmuth,
L., Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen, 1984; Peyer, H., Von der
Gastfreundschaft zum Gasthaus, 1987; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 1988, 4.
A. 2007; Berger, J., Die Geschichte der Gastfreundschaft im hochmittelalterlichem
Mönchtum 1999; Stein-Hölkeskamp, E., Das römische Gastmahl, 2005
Gastalde (zu lang. *gastald Erwerb, Gewinn?) ist
im frühmittelalterlichen Italien der vielleicht um 590 (584?) geschaffene
langobardische Amtsträger teils des Königs, teils der Herzöge. Er bleibt in
Oberitalien trotz der teilweisen Umwandlung in den Grafen bis in das
Hochmittelalter bedeutsam.
Lit.: Schneider, F., Die Reichsverwaltung der Toscana,
1914; Mor, C., Lo stato longobardo nel VII secolo, Sett. di Spoleto V 1969, Bd.
1, 271; Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982; Priester, K., Geschichte der
Langobarden, 2004
Gaster
Lit.: Gmür, E., Rechtsgeschichte der Landschaft Gaster, 1905
Gastung ist die einem →Gast meist auf
Grund einer Verpflichtung zu erbringende Leistung.
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, Bd.
1f. 1968
Gastwirt ist der geschäftsmäßig andere Menschen
beherbergende und mit Speisen und Getränken bedienende Unternehmer. Für ihn
gilt bereits im römischen Recht das wohl aus Vertragsgewohnheit entstandene
besondere (lat. [N.]) receptum nautarum cauponum et stabulariorum, das der
Gefährdung der vielfach fremden Gäste durch den bodenständigen G. Rechnung
trägt. Der geschädigte Gast hat die (lat.) actio de recepto. Den nach Aufnahme
des römischen Rechtes entwickelten gemeinrechtlichen Lehren folgend wird am
Ende des 19. Jh.s noch eine vertragliche Haftung angenommen, später die
Haftung als gesetzlich angesehen.
Lit.: Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006;
Zimmermann, R., Geschichte der Gastwirtshaftung in Deutschland, (in) Usus
modernus pandectarum, 2007, 271ff.; Hellwege, P., Der formularmäßige Ausschluss
der Haftung der Gastwirte, ZNR 2007, 240ff.; Girtler, R., Herrschaften wünschen
zahlen, 2008
Gatterzins ist in Mittelalter und früher Neuzeit der vom
Zinsberechtigten am Zaun (Gatter) des Zinspflichtigen (Freien) abzuholende
Zins.
Gattungskauf ist der →Kauf einer nur der
Gattung nach bestimmten Sache. Er ist dem römischen Recht erst in der Form des
Kaufes einer zu einem Vorrat gehörigen Sache bekannt.
Lit.: Kaser § 41 II 2; Ernst, W., Gattungskauf und
Lieferungskauf, ZRG RA 114 (1997), 272; Ernst, W., Kurze Rechtsgeschichte des
Gattungskaufs, ZEuP 1999
Gattungsschuld ist die bereits dem römischen Recht
bekannte, auf die Leistung eines nur der Gattung (lat. [N.] genus) nach
bestimmten Gegenstands gerichtete →Schuld. Bei ihr trägt die Gefahr des
zufälligen Untergangs der Schuldner, der so lange leisten muss, wie die Gattung
nicht erschöpft ist ([lat.] genus non perit bzw. →genus perire non
censetur, Gattung geht nicht unter).
Lit.: Kaser § 34 III 2
Gau ist die als besondere Einheit angesehene kleinere (,
wasserreiche, siedlungsgünstige) Landschaft (lat. [M.] pagus, z. B. Aargau,
Breisgau, Pongau, Rheingau, Thurgau, in den Quellen bis zum 12. Jh. etwa 150
von insgesamt 500 Landschaftsnamen). Sie hat insbesondere im Frühmittelalter
Bedeutung, in dem der G. nach umstrittener Ansicht den örtlichen Tätigkeitsbereich
eines →Grafen (lat. comes, →comitatus) bezeichnet, ohne dass auch
in nur einem einzigen Fall die Deckungsgleichheit der Gauangaben der Quellen
und der jeweils gegebenen Bezirke der Grafen erwiesen und ohne dass von einem
lückenlosen unveränderlichen Netz von Gauen ausgegangen werden kann. Es lassen
sich mehrere Grafschaften innerhalb eines pagus und verschiedene pagi innerhalb
einer Grafschaft nachweisen. Im Dritten Reich wird - vorbereitet durch die
Romantik des 19. Jh.s - vor allem ab 1928 der G. unter einem Gauleiter
künstlich wiederbelebt (Baden, bayerische Ostmark, Berlin, Düsseldorf, Essen,
Franken, Halle-Merseburg, Hamburg, Hessen-Nassau, Koblenz-Trier/Moselland,
Köln-Aachen, Kurhessen, Kurmark, Magdeburg-Anhalt, Mainfranken, Mecklenburg,
München-Oberbayern, Ost-Hannover, Ostpreußen, Pommern, Saarpfalz/Westmark,
Sachsen, Schlesien, Schleswig-Holstein, Schwaben, Süd-Hannover-Braunschweig,
Thüringen, Weser-Ems, Westfalen-Nord, Westfalen-Süd, Württemberg-Hohenzollern,
(1939) Kärnten, Niederdonau, Oberdonau, Salzburg, Steiermark, Tirol-Vorarlberg,
Wien, Sudetenland, Danzig-Westpreußen, Wartheland).
Lit.: Köbler, WAS; Baumann, F., Die Gaugrafschaften im
Wirtembergischen Schwaben, 1879; Curs, O., Deutschlands Gaue im 10.
Jahrhundert, Diss. phil. Göttingen 1908; Werneburg, R., Gau, Grafschaft und
Herrschaft in Sachsen, 1910; Bauer, A., Gau und Grafschaft in Schwaben, 1927;
Prinz, J., Pagus und comitatus in den Urkunden der Karolinger, AUF 17 (1941),
329; Bohnenberger, K., Frühalemannische Landstrichsnamen, Z. f. württ.
Landesgesch. 7 (1943), 99; Bohnenberger, K., Landstrichs- und Gebietsbezeichnungen
in den südwestdeutschen Urkunden des 8.-10. Jahrhunderts, ZGO N. F. 56 (1943),
1; Hamm, E., Herzogs- und Königsgut, Gau und Grafschaft im
frühmittelalterlichen Bayern, Diss. phil. München 1949 (masch.schr.); Krüger,
S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950;
Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA 73 (1956), 361; Diepolder,
G., Die Orts- und in-pago-Nennungen im bayrischen Stammesherzogtum, Z. f. bay.
LG. 20 (1957), 364; Hessler, W., Mitteldeutsche Gaue, 1957; Polenz, P. v.,
Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961;
Wagner, G., Die Verwaltungsgliederung im karolingischen Reich, 1963; Niemeyer,
W., Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Hüttenberger, P., Die
Gauleiter, 1969; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983;
Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften Alemanniens, 1984; Puhl, R., Die Gaue
und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999; Bauer, T.,
Die mittelalterlichen Gaue, 2000; Rumschöttel, H./Ziegler, W., Staat und Gaue
in der NS-Zeit in Bayern, 2003; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die NS-Gaue,
hg. v. John, J. u. a., 2007;
Gaudenzi →Fragmenta Gaudenziana
Gauner ist die vielleicht auf Ionier
(Griechen) anspielende, aus dem Westjiddischen kommende Bezeichnung (16. Jh.,
lat. Liber vagatorum 1510) für Spieler oder Straftäter, die zeitweise eine aus
unterschiedlichen Gegebenheiten erwachsende Schicht von nichtsesshaften Rechtsbrechern
bilden, die im 18. und 19. Jh. eine gewisse Dichte erreicht.
Lit.: Ave-Lallemant, F., Das deutsche Gaunertum, Bd.
1ff. 1858ff.; Frauenstädt, P., Das Gaunertum des deutschen Mittelalters, Z. f.
d. ges. StrafRWiss. 18 (1898), 331; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache,
1919; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951, 291; Küther,
C., Räuber und Gauner in Deutschland, 1976; Schubert, E., Arme Leute, Bettler
und Gauner, 1983; Jütte, R., Abbild und soziale Wirklichkeit, 1988; Blauert, A./Wiebel,
E., Gauner- und Diebslisten, 2001; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und
Gauner, 2001; Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005
Gebärde ist die eine innerliche Einstellung
ausdrückende äußerliche Haltung eines Menschen, insbesondere des Gesichts und
der Hände. Bestimmte Gebärden können in bestimmter Umgebung eine rechtliche
Bedeutung haben (z. B. Erheben der Schwurhand bei einem Eid). Der schwierigen
Untersuchung rechtsgeschichtlicher Gebärden widmet sich die Rechtsarchäologie.
Lit.: Sittl, C., Die Gebärden, 1890; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899ff., Neudruck 1922, 1989, 1994;
Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels,
1905; Panzer, M., Tanz und Recht, 1938; Künßberg, E. Frhr. v., Schwurgebärde
und Schwurfingerdeutung, 1941; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in die
Rechtsarchäologie, 1943; Garnier, F., Le langage de l’image, 1981;
Schmidt-Wiegand, R., Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht,
Frühmittelalterl. Studien 16 (1982), 363; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Schmidt, J., Die Logik der Gesten, 1992; Kocher, G.,
Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Kresse, D./Feldmann, G., Handbuch der
Gesten, 1999
Gebäude ist das von Menschen geschaffene
Bauwerk. Es ist im älteren deutschen Recht Fahrnis und kann daher einen anderen
Eigentümer haben als das Grundstück, auf dem es errichtet ist. Mit der Aufnahme
des römischen, auch besondere Gebäudeservituten kennenden Rechtes seit dem
Spätmittelalter wird es mehr und mehr als wesentlicher Bestandteil des
Grundstücks angesehen. Seit dem 17. Jh. wirkt sich das →Baurecht immer
stärker auf die Errichtung von Gebäuden aus.
Lit.: Hübner 188f.
Gebietsgemeinde ist die auf ein (größeres) Gebiet bezogene Gemeinde
(z. B. österreichisches provisorisches Gemeindegesetz vom 17. 3. 1849, später
wieder aufgegeben).
Geblütsrecht ist das auf Grund der Verwandtschaft
bestehende Recht oder Anrecht auf einen Gegenstand. In Bezug auf das deutsche
Königtum kann sich ein G. gegenüber dem Wahlgrundsatz nicht entscheidend
durchsetzen. Dagegen steigert sich in den Ländern das G. sogar zum Erbrecht
(Erbmonarchie).
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2.
unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 28; Rörig, F., Geblütsrecht und freie Wahl,
Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin, 1948
Gebot ist die hoheitliche Anordnung eines
bestimmten Verhaltens (, im Zivilverfahrensrecht im Rahmen der Zwangsvollstreckung
das Angebot zu einem öffentlichrechtlichen Vertrag). Das G. findet sich, wo
immer Hoheitsgewalt besteht. Seine besondere Bedeutung zeigt sich bei der
Entstehung des →Staates.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot
im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Simon, T., Grundherrschaft
und Vogtei, 1995; Schildt, B., Bauer, Gemeinde, Nachbarschaft, 1996
Gebotenes Ding ist das durch einzelnes
→Gebot besonders festgesetzte →Ding.
Gebotsgewalt ist die Gewalt zum Erlass von Geboten.
Gebrauch (lat.) usus (M.)
Gebrauchsmuster ist die Gestaltung einer Arbeitsgerätschaft
oder eines Gebrauchsgegenstands oder eines Teiles davon, die dem Arbeitszweck
oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung
dienen soll. In Deutschland wird 1876 bzw. 1891 das erste Gebrauchsmustergesetz
erlassen.
Lit.: Müller, E., Die Entwicklung des
Erfindungsschutzes, 1898; Übler, R., Die Schutzwürdigkeit von Erfindungen.
Fortschritt und Erfindungshöhe in der Geschichte des Patent- und
Gebrauchsmusterrechts, 2014
Gebühr ist die Geldleistung, die als Gegenleistung
für eine besondere, vom Einzelnen veranlasste Inanspruchnahme der Verwaltung
verlangt wird (Otto Mayer 1895). Eine solche Gegenleistung ist als (lat. [F.])
sportula bereits dem römischen Recht bekannt. Im Mittelalter entwickeln die
Landesherren, auf welche die Regalien übergehen, und die Grundherren
vielfältige Einnahmequellen. Auch die Kirche verlangt für bestimmte Handlungen
Gegenleistungen, selbst für den besonderen Sündenerlass. Eine eindeutige
Trennung zwischen G. und Steuer vollzieht erst das späte 19. Jh. (Preußen
Landgemeindeordnung vom 3. 7. 1891, Kommunalabgabengesetz vom 14. 7. 1893). In
gewisser Weise spiegelt die G. die Geschichte des Staates, seiner Finanzierung
und Verrechtlichung wider.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 36 II 4; Moll, W.,
Über Gebühren, 1916; Domschke, M., Der Gebührenbegriff, 1928; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939;
Hansmeyer, K./Fürst, D., Die Gebühr, 1968; Sackofsky, U., Umweltschutz durch
nichtsteuerliche Abgaben, 2000; Vom Steuerstaat zum Gebührenstaat, hg. v.
Sackofsky, U. u. 1., 2000
Gebundener Tag ist (im Mittelalter) ein bestimmte rechtlich
bedeutsame Handlungen ausschließender Tag (z. B. Sonntag), vgl. Sachsenspiegel
Landrecht II 66,2).
Geburt (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
der Vorgang, durch den die Leibesfrucht des Menschen (oder eines höheren
Tieres) aus dem mütterlichen Körper an die Außenwelt gelangt. Nach dem
römischen Recht wird zwar das noch ungeborene Kind (lat. →nasciturus) für
die Erbfolge nach seinem Vater als bereits geboren fingiert, doch beginnt im
Übrigen erst mit der G. die →Rechtsfähigkeit. Nach (germanischem? und)
mittelalterlichem Recht muss das Kind nach der G. vom Vater bzw. der Familie
besonders aufgenommen werden. Verschiedentlich wird auch eine gewisse
Lebenskraft als Voraussetzung für einen Rechtserwerb verlangt. Für die
christliche Kirche wird der Mensch erst durch die Taufe zur Person. Seit etwa
1800 wird die G. (auf bestimmtem Gebiet oder von bestimmten Eltern) für den
Erwerb der Staatsangehörigkeit wichtig. In Deutschland führt das Reichspersonenstandsgesetz
vom 6. Februar 1875 die öffentliche Beurkundung jeder G. durch den
Standesbeamten ein. Nach § 1 BGB (1896/1900) beginnt mit Vollendung der Geburt
die Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser § 13 II; Hübner § 6; Köbler, DRG 75, 120,
129; Brunner, H., Die Geburt eines lebenden Kindes und das eheliche
Vermögensrecht, ZRG GA 16 (1895), 63; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1 1985, 248, 253; Peters, R., Der Schutz des neugeborenen, insbesondere des
missgebildeten Kindes, 1988; Labouvie, E., Andere Umstände, 1998, 2. A. 2000;
Uebe, A., Die rechtliche Situation der Hebammen in der Geburtshilfe, 2000;
Schumann, E., Unrechtsausgleich im Frühmittelalter, ungedr. Habilitationsschrift
Leipzig 2003; Drescher, T., Beginn des Menschseins, 2004; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schlumbohm,
J., Lebendige Phantome - Ein Entbindungshospital, 2012 (Göttingen 1751)
Geburtenregister ist das durch das Konzil von Trient
(1545-63) in der Kirche vorgesehene, die →Geburten festhaltende
Verzeichnis. Es geht am Ende des 19. Jh.s auf den Staat über
(→Personenstandsgesetz).
Geburtsstand ist im römischen und
mittelalterlichen Recht der durch die →Geburt erworbene Stand (z. B.
Adliger, Freier, Unfreier, Sklave).
Gedächntnis ist die Speicherung von Erfahrung
in dem Gehirn, das sich durch Vergessen vor der Überfrachtung mit
Sinneseindrücken bewahren kann.
Lit.: Assmann, A., Formen des Vergessens, 2016
Gedächtniszeuge ist der bewusst beigezogene Zeuge im Gegensatz
zum zufälligen Zeugen.
Gedanken sind frei.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 123 (Franck 1541)
Gedinge ist im mittelalterlichen Recht die
Vereinbarung oder auch die Verhandlung. In Frankreich und England wird im 12.
Jh. der Vereinbarung der Vorrang vor dem allgemeinen Recht gewährt (G. bricht
Landrecht), in Deutschland anscheinend im 14. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Stölzel, A.,
Geding, Appellation, Hof, Hofgericht und Räte, Abschied und Urteil, 1912;
Hagemann, H., Gedinge bricht Landrecht, ZRG 87 (1970), 114
Gefahr (Wort um 1275 im Schwabenspiegel) ist die Wahrscheinlich→keit
des Eintritts eines Schadens. Grundsätzlich muss jeder Mensch sich selbst vor
Schäden schützen, weshalb im römischen Recht der Grundsatz gilt (lat.) casum
sentit dominus (den Fall spürt der Herr). Vor der G. des Verfahrensverlustes
durch Verfahrensfehler soll im hochmittelalterlichen Recht der →Fürsprech
schützen. Beim Kauf teilt das römische Recht die G. (lat. [N.] periculum) des
zufälligen Untergangs der Kaufsache zwischen Kaufvertragsabschluss und Vertragserfüllung
grundsätzlich dem Käufer zu, der den Kaufpreis zahlen muss, obwohl er wegen
Freiwerdens des Schuldners von der Leistungspflicht die Kaufsache nicht erhält
(periculum est emptoris, Preisgefahr).
Lit.: Kaser §§ 34, 41, 42, 62; Siegel, H., Die Gefahr
vor Gericht und im Rechtsgang, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 51, 1866; Mitteis,
H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs beim Kaufvertrag, 1913; Ernst, W., Das
klassische römische Recht der Gefahrtragung, Diss. jur. Bonn 1981; Bauer, M.,
Periculum emptoris, 1998; Pennitz, M., Das periculum rei venditae, 2000;
Müller, C., Gefahrtragung bei der locatio conductio, 2002; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefährdung (1794) ist
die Schaffung der Möglichkeit eines Schadenseintritts.
Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefährdungshaftung (Rümelin 1896) ist das einseitig verpflichtende
gesetzliche Schuldverhältnis, in dessen Rahmen der Schaden zu ersetzen ist, der
durch eine erlaubte, abstrakt gefährliche Betätigung oder Anlage entsteht. Die
G. ist eine Art der Erfolgshaftung. Einzelne Fälle von E. kennt bereits das
ältere Recht. Die Erfolgshaftung entsteht als G. in der Zeit, in der sich auf
der Grundlage des Liberalismus der Verschuldensgrundsatz des Schadensersatzrechts
durchsetzt. Beispielhaft verwirklicht wird die G. durch den von Friedrich Carl
von Savigny mittels eines schriftlichen Votums fördernd beeinflussten § 25 des
preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. 11. 1838. Mit der
sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Haftung bei Arbeitsunfall durch
pauschale Versicherungsbeiträge des Arbeitgebers schwindet das Bedürfnis nach
einer allgemeinen Regelung der G. Diese wird Einzelgesetzen überlassen (1871
Reichshaftpflichtgesetz, 1900 Wildschaden, Tierhaltung [im BGB, 30. 5. 1908
gemildert], 1909 Automobilgesetz/Kraftverkehrsgesetz, 1. 8. 1922 Luftfahrzeuge,
29. 4. 1940 Sachschäden durch Eisenbahn und Straßenbahn, 15. 8. 1943
Energieanlagen, 1957 Wasserhaushaltsgesetz, 1959 Atomgesetz, 1961 Arzneimittelgesetz
1961, 1980 Bundesberggesetz, 1989/1990 Produkthaftungsgesetz, 1990 Bundesdatenschutzgesetz,
1990 Gentechnikgesetz, 1991 Umwelthaftungsgesetz, 2007 Umweltschadensgesetz).
In der Regel ist der Umfang der Haftung summenmäßig beschränkt. Ausgeschlossen
ist die G. meist bei höherer Gewalt oder Verschulden des Geschädigten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216, 242;
Ogorek, R., Untersuchungen zur Entwicklung der Gefährdungshaftung, 1975; Baums,
T., Die Einführung der Gefährdungshaftung durch F. C. von Savigny, ZRG GA 104
(1987), 277; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 524ff.; Gadow, O.
v., Die Zähmung des Automobils, 2002; Jansen, N., Die Struktur des
Haftungsrechts, 2003; Bürge, A., Die Entstehung und Begründung der Gefährdungshaftung
im 19. Jahrhundert, FS Canaris 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefahrenabwehr →Gefahr, →Polizei
Gefahrgeneigte Tätigkeit ist im 20. Jh. in Deutschland die
Tätigkeit eines Arbeitnehmers, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu
einem Schaden des Arbeitnehmers, Arbeitgebers oder eines Dritten führt, für
die der Schädigende aus sozialen Gründen nicht nach den allgemeinen
Haftungsgrundsätzen einstehen soll, so dass der Arbeitgeber ohne Verschulden
einstehen muss. 1995 dehnt das Bundesarbeitsgericht diese Risikoverteilung auf
alle Arbeitsverhältnisse aus, so dass die g. T. als solche überflüssig wird.
Lit.: Köbler, G., Mittlere Fahrlässigkeit und
dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 1969, 404; Ehrenberg, S.,
Die rechtshistorischen Wurzeln des Begriffs der gefahrgeneigten Arbeit, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1998; Brandt, P., Geschichtliche Entwicklung, 1998
Gefahrtragung (Tragung der Leistungsgefahr bzw.
Preisgefahr) →Gefahr
Lit.: Heuer, P., Der Annahmeverzug, 1911; Thielmann,
G., Traditio und Gefahrübergang, ZRG RA 106 (1989), 292; Bauer, M., Periculum
emptoris, 1998
Gefahrübergang ist der Übergang der Gefahr der
Tragung eines Verlusts von einer Person auf eine andere Person (z. B. bei einem
Kauf).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gefälle sind im mittelalterlichen deutschen
Recht Abgaben auf der Seite des Leistenden und Einkünfte auf der Seite des
Empfängers.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gefangenenbefreiung
Lit.: Hofmann, H., Die Gefangenenbefreiung, 1903
Gefangener ist der gegen seinen Willen von anderen von
der Bewegungsfreiheit ausgeschlossene Mensch (z. B. Kriegsgefangener,
Strafgefangener).
Gefängnis (13. Jh. „Gefangennahme, Gefangenschaft“) ist
das für einen meist hoheitlich angeordneten Freiheitsentzug eines Menschen
verwendete Gebäude und der für den Betroffenen dort entstehende Zustand. Im
Gegensatz zu dem deutlich älteren Freiheitsentzug durch Kriegsgefangenschaft
oder zur Untersuchung wird der auch in Rom unbekannte Freiheitsentzug als
Strafe (in vergitterten Gebäuden) erst zwischen 1250 und dem 15. Jh.
bedeutsamer (z. B. Venedig, Florenz, Bologna, Siena). Das seit etwa 1400
verbreitete G. dieser Zeit ist einfach und zumindest teilweise unmenschlich,
wogegen sich erstmals John Howard ([engl.] State of prisons in England and
Wales, 1777, Der Zustand der Gefängnisse in England und Wales) wendet. Mit dem
Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) wird die Freiheitsstrafe wichtigste
Strafe. Am 7. 6. 1923 vereinbaren die Länder des Deutschen Reiches Grundsätze
für den Vollzug von Freiheitsstrafen. Einzelne Ansätze zu einer beschränkten
Gefangenenmitverantwortung verdichten sich nur allmählich. 1969 wird das G.
verbal beseitigt (Justizvollzugsanstalt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Quanter, R., Deutsches
Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Bohne, G., Die
Freiheitsstrafe, Bd. 1f. 1922ff.; Hippel, R. v., Deutsches Strafrecht, Bd. 1
1925; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton Solothurn,
1957; Blesken, H., Ältere deutsche Gefängnisnamen, ZRG GA 80 (1963), 357;
Foucault, M., Überwachen und Strafen, 1976; Lawn, E., Gefangenschaft, 1977;
Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich 1982;
The Oxford History of the Prison, ed. by Morris, N., 1996; Schildt, B., Tumult
und Aufruhr in Bernburg, (in) Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth,
R., 1998, 53; Krause, J., Gefängnisse im römischen Reich, 1996; Krause, T.,
Geschichte des deutschen Strafvollzugs, 1999; Sidorowitz, M., H. B. Wagenitz
und die Reform des Vollzuges der Freiheitsstrafe an der Wende vom 18. zum 19.
Jahrhundert, 2000; Nutz, T., Strafanstalt als Besserungsmaschine, 2001;
Dunbabin, J., Captivity and Imprisonment in Medieval Europe 1000-1300, 2002;
Gefängnis und Gesellschaft, hg. v. Ammerer, G., 2003; Breßler, S., Schuldknechtschaft
und Schuldturm, 2004; Schäfer, J., Nicht-monetäre Entlohnung von
Gefangenenarbeit, 2006; Ohlemann, K., Historische Entwicklung der
Gefangenenmitverantwortung in den deutschen Gefängnissen, 2007; Bretschneider,
F., Gefangene Gesellschaft, 2008; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates, 2008;
Geltner, G., The Medieval Prison, 2008; Maes, E., Van gevangenisstraf naar
vrijheidsstraf, 2009; Fülberth, J., Das Gefängnis Spandau 1918-1947, 2014;
VanderBeken, T., The Role of Prison in Europe, 2016; Incarceration and regime
change, hg. v. De Vito C. u. a. 2016; Bergstermann, S., Stammheim, 2016
Geffcken, Heinrich Otto Wilhelm (Berlin 27. 6.
1865-Köln 5. 2. 1916) wird nach dem Studium von Geschichte und Rechtswissenschaft
in Freiburg im Breisgau, Leipzig (Friedberg, Sohm) und Berlin, der Promotion
(1890, 1892) und der Habilitation (1894) 1898 Professor in Rostock, 1903 der
Handelshochschule Köln.
Gefolgschaft (19. Jh.) ist
im germanischen Recht möglicherweise die Gruppe (lat. [M.] comitatus,
Begleitung) um einen Adligen gescharter junger Krieger (Tacitus, Germania c.
13, 14). Die Verbindung zu jüngeren Erscheinungen (z. B. Vasallität) ist
ungesichert. Weiterreichende Vorstellungen (Georg Waitz 1844, Otto von Gierke
1868, Heinrich Brunner 1906, Richard Schröder 1932) sind fragwürdig.
Lit.: Brunner, H., Zur Geschichte des fränkischen
Gefolgswesens, ZRG GA 9 (1888), 210; Seeck, O., Das deutsche Gefolgswesen auf
römischem Boden, ZRG GA 17 (1896), 97; Kienle, R. v., Germanische
Gemeinschaftsformen, 1939; Naumann, H., Germanisches Gefolgschaftswesen, 1939;
Rehfeldt, B., König, Gefolgschaft und Volk im germanischen Altertum, 1942;
Bretschneider, G., Die altnordische Gefolgschaft, Diss. jur. Bonn 1950;
Schlesinger, W., Herrschaft und Gefolgschaft in der deutschen
Verfassungsgeschichte, HZ 176 (1953), 225; Kuhn, H., Die Grenzen der
germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 77 (1960), 1; Kroeschell, K., Haus und
Herrschaft im frühen deutschen Recht, 1968; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und
Gefolgsleute, 1983; Kristensen, A., Tacitus’ germanische Gefolgschaft, 1983;
Kroeschell, K., Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995,
183
Gegen den Lügner gibt es keine
Redlichkeit.
→Lüge
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Graf/Dietherr 1864)
Gegenkönig ist der nach Abschwächung des
frühmittelalterlichen Geblütsrechts und vor Verfestigung des
spätmittelalterlichen Wahlrechts gegenüber einem gewählten König gewählte
zweite König des 11. bis 14. Jh.s (Rudolf von Rheinfelden 1077, Hermann von
Salm 1081, Konrad von Franken 1127, Friedrich II. 1212, Heinrich Raspe 1246,
Wilhelm von Holland 1248, Alfons von Kastilien 1257, Karl IV. 1346, Günther von
Schwarzburg 1349).
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944;
Muylkens, M., Reges geminati - Die Gegenkönige in der Zeit Heinrichs IV., 2012
Gegenpapst ist der gegenüber einem gewählten Papst
gewählte zweite Papst (lat. antipapa 1127, etwa 25-40).
Lit.: Anastasio, L., Istoria degli Antipapi, 1754
Gegenreformation (Johann Stephan Pütter, Leopold von Ranke) ist
die mit Hilfe staatlicher Gewalt (Religionsbann, lat. ius reformandi) ausgeführte
Gegenbewegung der katholischen Kirche gegen die kirchliche Reformation Martin
→Luthers (1517) zwischen 1555 und 1648 bzw. die gewaltsame
Rekatholisierung protestantisch gewordener Gebiete hauptsächlich durch
Jesuiten (im sog. Zeitalter der Konfessionalisierung). Sie beruht gedanklich
auf dem im Augsburger Religionsfrieden gesicherten Grundsatz (lat.)
→cuius regio, eius religio. Sie wirkt sich deutlich in Bayern, Fulda,
Würzburg, Österreich (Böhmen, Oberösterreich, Niederösterreich), Oberpfalz und
Kurpfalz aus, bis der Friede von Münster und Osnabrück 1648 den Untertanen den
Bekenntnisstand des Jahres 1624 gewährt. In Spanien, Italien und Frankreich,
Ungarn, Polen und dem Baltikum ist die dem Absolutismus verbundene G.
ebenfalls erfolgreich, in England, den Niederlanden und Skandinavien scheitert
sie. Die von der Kirche in der G. in Anspruch genommene Hilfe des Staates
bewirkt das Staatskirchentum des Absolutismus.
Lit.: Köbler, DRG 130; Elkan, A., Entstehung und
Entwicklung des Begriffs Gegenreformation, HZ 112 (1914), 473; Brandi, K.,
Gegenreformation und Religionskriege, 1930, 2. A. 1941; Zeeden, E., Das
Zeitalter der Gegenreformation, 1967; Die Territorien des Reiches im Zeitalter
der Reformation und Konfessionalisierung 1500-1650, hg. v. Schindling, A. u.
a., 1989ff.; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 1991, 4. A. 1997, 5.
A. 2002; Herzig, A., Der Zwang zum rechten Glauben, 2000; Pörtner, R., The
Counter-Reformation in Central Europe, 2001; Lotterer, J., Gegenreformation als
Kampf um die Landesherrschaft, 2003; Deventer, J., Gegenreformation in
Schlesien, 2003; Weiß, D., Katholische Reform und Gegenreformation, 2005;
Staatsmacht und Seelenheil, hg. v. Leeb, R. u. a., 2007
Gegenstand (1579) ist die vom Menschen
behandelte Gegebenheit. Der G. kann körperlich oder unjörperlich sein.
Lit. Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gegenzeichnung ist die Unterschrift eines zweiten
Menschen nach der Unterschrift eines zu einer Handlung in erster Linie
zuständigen Menschen. Sie wird seit dem 19. Jh. als G. eines Ministers (Preußen
1808) zur Einschränkung der Rechte des Monarchen verwendet.
Lit.: Köbler, DRG 193, 194; Schulz, A., Die
Gegenzeichnung, 1978; Weber, C., Das Gegenzeichnungsrecht, 1997
Gehalt ist die alimentierende Vergütung
des →Beamten und Angestellten (Westfalen 1571, Zuordnung zu
Tätigkeitsgruppen seit 19. Jh.), die seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
verstärkt in das allgemeine Entgelt eingeordnet wird.
Lit.: Schulz, G., Die Angestellten seit dem 19.
Jahrhundert, 2000
geheim, Adj., nicht öffentlich
Lit.: Jütte, D., Das Zeitalter des Geheimnisses, 2. A. 2012; Deutsche
Geheimgesellschaften, hg. v. Hermand, J. u. a., 2013
gehegtes Ding →Hegung, Ding
Geheimdienst ist die staatliche Einrichtung zur geheimen
Ermittlung gegen dem Staat drohende Gefahren.
Lit.: Krieger, W., Geschichte der Geheimdienste - von den Pharaonen bis
zur CIA, 2009; Secret Intelligence in the European States System 1918-1989,
2013; Heidenreich, R. u. a., Geheimdienstkrieg in Deutschland, 2016
Geheimer Rat ist die Gesamtheit der den Fürsten
nichtöffentlich beratenden Personen. Der geheime Rat entsteht zu Beginn der
frühen Neuzeit aus dem Hofrat in Österreich (1527), Bayern (vor 1550, 1579),
Kursachsen (1547/1574), Brandenburg (1604), Württemberg (1629), Baden (1655),
Frankreich und Burgund (1604). Er berät oder entscheidet in den wichtigsten
Angelegenheiten (mit anderen Behörden). Er wird seit dem späten 17. Jh. durch
das Kabinett (Konferenz, Staatsrat) und im 19. Jh. durch das Ministerium
verdrängt. Der Titel Geheimer Rat wird 1919 beseitigt.
Lit.: Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 19. A. 1992, §§ 35, 41; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett
in den ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Matthias, E., Zwischen Räten
und Geheimräten, 1970; Die Rolle des Juristen bei der Entstehung des modernen
Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen
Reich, hg. v. Paravicini, W. u. a., 2005; Das geheime Consilium von Sachsen-Weimar-Eisenach,
hg. v. Wahl, V., 2014 (Regesten von 20500 Vorgängen zwischen 1776 und 1786)
geheimer Vorbehalt →Mentalreservation
geheime Staatspolizei →Gestapo
Lit.: Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995
Geheimschrift ist die bereits früh entwickelte, der Abwehr
der Kenntnis unbefugter Dritter von einem Inhalt einer verkörperten Erklärung
dienende Schrift.
Lit.: Meister, A., die Anfänge der modernen diplomatischen
Geheimschrift, 1902; Dröscher, E., Die Methoden der Geheimschrift, 1921;
Beutelspacher, A., Kryptologie, 1987, 7. A. 2005; Singh, S., Geheime
Botschaften, 2002
Gehilfe (um 1000) ist der einem anderen Menschen
helfende, eher nachgeordnete Mensch.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gehilfenhaftung ist die Haftung eines Herrn für
einen Gehilfen. Sie findet sich schon im römischen Recht ([lat.] →noxae
datio [F.]). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird zwischen
→Erfüllungsgehilfen des rechtsgeschäftlichen Bereiches und
→Verrichtungsgehilfen des außerrechtsgeschäftlichen Bereiches
unterschieden.
Lit.: Köbler, DRG 27, 214; Seiler, Die deliktische
Gehilfenhaftung, JZ 1967, 525; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des
Geschäftsherrn für Verrichtungsgehilfen, 2000
Geisel ist der in Gewahrsam genommene
Mensch, der mit Freiheit oder Leben für die Erfüllung bestimmter Pflichten
(oder das Erreichen eines sonstigen Zieles) haftet. Das vereinbarte Stellen und
das einseitige Nehmen einer G. sind sehr alt. Sie finden sich sowohl unter
Völkern wie auch unter Einzelnen. Der bzw. die G. darf anfangs bei
Nichterfüllung getötet oder verknechtet werden. Im Privatrecht endet das
Tötungsrecht bereits früh und wird das Stellen oder Nehmen von Geiseln schon im
frühen Mittelalter durch andere Sicherungsmittel ersetzt. Im Völkerrecht
schließt das Genfer Abkommen zum Schutz der Kriegsopfer von 1949 die
Geiselnahme aus. Das gewaltsame Nehmen einer Geisel durch Straftäter findet
sich bis zur Gegenwart.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 74, 128; Köbler, WAS;
Lechner, A., Das Obstagium oder die Geiselschaft nach schweizerischen Quellen,
1906; Gierke, O., Schuld und Haftung im älteren deutschen Recht, 1910, 50, 127;
Lutteroth, A., Der Geisel im Rechtsleben, 1922; Ogris, W., Die persönlichen
Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Allen, J., Hostages and
Hostage-Taking in the Roman Empire, 2006
Geisteskranker (geisteskrank 1807, Geisteskrankheit 1846) ist
der an einer erheblichen Störung der Geistestätigkeit leidende Mensch. Er ist
als (lat. [M.]) →furiosus im römischen Recht ohne weiteres
geschäftsunfähig und deliktsunfähig und erhält einen (lat.) curator (M.,
Pfleger). Auch das mittelalterliche deutsche Recht schließt den Geisteskranken
vom Handeln im Rechtsverkehr aus. Am Ende des Spätmittelalters wird das römische
Recht aufgenommen. Der Geisteskranke kann durch →Entmündigung unter
Vormundschaft gestellt werden. Zum 1. 1. 1992 wird in Deutschland die
Entmündigung durch die →Betreuung ersetzt.
Lit.: Kaser § 14 IV; Hübner; Köbler, DRG 36; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981, Kap. III 6; Selesnick, S.,
Geschichte der Psychiatrie, 1969; Jetter, D., Grundzüge der Geschichte des
Irrenhauses, 1981; Kuban, S., Das Recht der Verwahrung und Unterbringung,
1997; Platen-Hallermund, A., Die Tötung Geisteskranker, 3. unv. A. 1998;
Dettling, A., Von Irren und Blödsinnigen, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Griebl, L., Die
Behandlung von Verschwendern und Geisteskranken, 2010; Madness in Medieval Lawand
Custom, hg. v. Turner, W., 2010; Horn, J., Die Entstehung der Vorschriften zur
Gehilfenhaftungim Bürgerlichen Gesetzbuch, 2007 (kaum neue Erkenntnisse)
Gehirn
Lit.: Monyer, H./Gassmann, M., Das geniale Gedächtnis.
Wie das Gehirn aus der Vergangenheit undere Zukunft macht, 2015; Markus, M.,
Das nackte Gehirn, 2016; Scheurle, H., Das Gehirn ist nicht einsam – Resonanzen
zwischen Gehirn, Leib und Umwelt, 2, A, 2016; Fuchs, T. Das Gehirn – ein
Beziehungsorgan, 5. A. 2017
Geisteswissenschaft ist die auf den Geist des Menschen
im Gegensatz zur Natur (Naturwissenschaft) bezogene Wissenschaft (z. B.
Sprachwissenschaft, Religionswissenschaft, Sozialwissenschaft).
Lit.: Eckel, J., Geist der Zeit, 2008
geistiges Eigentum (seit Ende des 18. Jh.s in
Naturrecht und Rechtsphilosophie vertretene Auffassung des eigentumsgleichen
Erfinderrechts, intellectual property, Johann Gottlob Fichte 1793)
→Urheberrecht
Lit.: Lamprecht, G., Versuch eines vollständigen Systems
der Staatslehre, 1784; Fichte, J., Sämtliche Werke, Bd. 8 19846, 223;
Klostermann, R., Das geistige Eigentum an Schriften, Kunstwerken und
Erfindungen, 1867ff.; Kohler, J., Das Autorrecht, 1880; Wadle, E., Das geistige
Eigentum in der Reichsverfassung, (in) Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989,
929; Wadle, E., Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Löhnig, M., Der Schutz des
geistigen Eigentums von Autoren im preußischen Landrecht von 1794, ZNR 2007,
197ff.; Grundlagen und Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L.
u. a., 2008; Ahrens, H. u. a., Modellgesetz für geistiges Eigentum, 2011; Von
Goethe zu Google, hg. v. Götz von Olenhusen, I. u. a., 2011; Richardson,
M./Thomas, J., Fashioning Intellectual Property, 2012; Ahrens, H. u. a.,
Modellgesetz für geistiges Eigentum. Normtext und Begründung. 2012;
Biographisches Handbuch des geistigen Eigentums, hg. v. Apel, S. u,. a. , 2017
geistlich (Adj.) den Geist betreffend, kirchlich
Geistliche Bank ist die Gesamtheit der geistlichen
Fürsten eines Verfassungsgremiums (insbesondere des Reichstags des Heiligen
römischen Reiches [deutscher Nation]). 1521 enthält die Reichsmatrikel 50 geistliche
Fürsten und 83 Reichsprälaten. 1792 umfasst die g. B. dort 35 Virilstimmen und
2 Kuriatstimmen der schwäbischen und rheinischen Prälatenbank mit zusammen
zuletzt etwa 40 Mitgliedern und Vorsitz Österreichs bzw. Salzburgs.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat
von 1495-1654, 1882; Conrad, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 1966, 97
Geistliche Gerichtsbarkeit ist vor allem die Gerichtsbarkeit der
christlichen Kirche. Sie geht auf den Apostel Paulus (1. Kor. 5, 12-13, 6, 1-8,
2. Kor. 13, 10) und Kirchenväter (z. B. Tertullian, Cyprian) zurück. In den
ersten drei Jahrhunderten n. Chr. entsteht die (lat. [F.]) episcopalis
audientia (bischöfliche Anhörung). 318 verleiht Kaiser Konstantin den
Bischöfen Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Sachen (auch über Nichtchristen) (CT
1, 27, 1). 323 stellt Kaiser Konstantin in einem Reskript (Const. Sirmond. 1)
das Urteil des Bischofs dem Urteil des Präfekten gleich und sieht Vollstreckung
durch weltliche Amtsträger vor. Gegen die Entscheidung des Bischofs ist
Berufung an die Provinzialsynode möglich. Vielleicht seit dem 4./5. Jh. übernimmt
der Bischof außer dem Schutz der Geistlichen auch den Schutz der Armen, Witwen,
Waisen und Fremden. Diese römischrechtlich geprägte g. G. dauert unter Aufnahme
einheimischer Gegebenheiten (z. B. Reinigungseid, Gottesurteil) im
Mittelalter fort. Hinzukommen grundherrliche Gerichtsbarkeit und aus dem bischöflichen
Visitationsrecht hervorgehende Sendgerichtsbarkeit (Sendhandbuch Abt Reginos
von Prüm um 906). Seit Papst Innozenz II. (1130-1143) ist die Berufung an den
Papst möglich, der unabhängig von der Gerichtsbarkeit der Bischöfe, die
ihrerseits einen Teil ihrer Gerichtsbarkeit an Archidiakone abgeben, wegen
der Vielzahl der Fälle delegierte Richter (in der Nähe der Parteien) einsetzt.
In Frankreich im ausgehenden 12. Jh., im Heiligen römischen Reich seit dem 13.
Jh. wird der Offizial als Einzelrichter Stellvertreter des Bischofs in der
Gerichtsbarkeit. Die geistlichen Gerichte wenden das im 12. Jh. ausgebildete
römisch-kanonische Verfahren (mit Schriftlichkeit) an, beachten die Verhandlungsmaxime
und sichern die Vollstreckbarkeit. Sie entwickeln ein von Papst Clemens
(1305-1314) festgeschriebenens, summarisches und deswegen schnelleres
Verfahren (Clem. 2. 1. 2), ein besonderes Verfahren in Ehesachen und ein
Schiedsgerichtsverfahren. Seit Papst Innozenz III. (1198-1216) entwickelt sich
ein Offizialmaxime und Instruktionsmaxime verbindendes Inquisitionsverfahren,
das seit dem 15. Jh. das Akkusationsverfahren verdrängt. Papst Gregor IX.
ordnet 1231 die Ketzerverfolgung durch Inquisitoren (Dominikaner, Franziskaner)
an, Papst Innozenz IV. lässt 1252 unter Berufung auf die Rechtssetzung Kaiser
Friedrichs II. die Folter durch weltliche Amtsträger zu.
Lit.: Jacobi, E., Der Prozess im Decretum Gratiani, ZRG KA 3 (1913),
223ff.; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962;
Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich,
1967; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister (1348-1352), 2001; Kéry,
L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Nörr, K., Über die mittelalterliche
Rota Romana, ZRG KA 93 (2007), 220ff.
Geistlicher (Kleriker) ist der Inhaber eines höheren
kirchlichen Amtes der anerkannten öffentlichrechtlichen
Religionsgemeinschaften (z. B. Priester). Er wird schon im Altertum vom Laien
durch besonderes Recht geschieden. Infolge seiner Schriftkundigkeit ist er
seinen Mitmenschen auch im Mittelalter überlegen. Zahlreiche Rechtsvorschriften
gewähren ihm besonderen Schutz.
Lit.: Köbler, DRG 99; Prochnow, F., Das Spolienrecht
und die Testierfreiheit der Geistlichen, 1919, Neudruck 1965; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geistlicher Fürst ist der Landesherr (→Fürst)
des Heiligen römischen Reiches , dem seine Landesherrschaft auf Grund seines
geistlichen Amtes zusteht (z. B. Erzbischof von Mainz). Am Beginn des 19. Jh.s
umfassen die weltlichen Herrschaftsgebiete der (66) geistlichen Fürsten des
Heiligen römischen Reichs rund 95000 Quadratkilometer mit mehr als drei
Millionen Einwohnern.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geistliche Staaten
in Oberdeutschland im Rahmen der Reichsverfassung, hg. v. Wüst, W., 2003
Geistlicher Vorbehalt (lat. reservatum [N.] ecclesiasticum)
ist der für den Fall eines Übertritts eines Inhabers eines geistlichen Amtes
(z. B. Fürstbischofs, Fürstabts) vom katholischen Glauben zum protestantischen
Glauben im Augsburger Religionsfrieden (1555, § 18) durch einseitige, von den
protestantischen Reichsständen nur geduldete Anordnung des Kaisers festgelegte
Vorbehalt gegenüber dem Grundsatz (lat.) cuius regio, eius religio (ius
reformandi), dass der Inhaber des geistlichen Amtes zwar seine persönliche
Rechtsstellung behält, aber sein geistliches Amt und die damit verbundenen
(weltlichen Herrschafts-)Rechte aufgeben muss und das für die Besetzung der
Stelle zuständige Gremium einen katholischen Nachfolger wählen kann. Damit
werden auch die Mehrheitsverhältnisse im Fürstenrat und im Kurfürstenrat des
Reichstags zu Gunsten der katholischen Mehrheit gefestigt und wird die Wahl
eines protestantischen Königs bzw. Kaisers eigentlich ausgeschlossen. 1648 wird
eine Garantie des Besitzstands vom 1. 1. 1624 vereinbart.
Lit.: Brandi, K., Reformation und Gegenreformation,
1927; Gotthard, A., Der Augsburger Religionsfriede, 2004; Als Frieden möglich
war, hg. v. Hoffmann, C. u. a., 2005
Geistliches Recht (lat. ius [N.] canonicum) ist das
die christliche(n) Kirche(n) betreffende, im Gegensatz zum weltlichen Recht
(lat. ius [N.] civile) stehende Recht. →Kirchenrecht
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Geld (Wort in einfacherem Sinn bereits germanisch
belegt, Geldrente 1507) ist
das (von einem Staat oder einer durch ihn ermächtigten Stelle beglaubigte,) zum
Umlauf in der Öffentlichkeit bestimmte Zahlungsmittel. Seine Zwecke
(Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Recheneinheit), Stoffe (Nichtmetall,
Metall, Papier, elektrischer Strom) und seine Übertragungsformen
(Übereignung, Abtretung) ändern sich im Laufe der Geschichte. Die Geschichte
der Metallmünzen beginnt wohl bei den indogermanischen Lydern in dem Westen
Kleinasiens um 670 v. Chr. Im altrömischen Recht ist Tauschmittel anfangs das
Vieh (lat. [N.] pecus →lat. pecunia [F.] G.). Dann wird Rohkupfer zuerst
gewichtsmäßig gehandelt und im 4. Jh. v. Chr. nach kleinasiatischem Vorbild (7.
Jh., Griechenland 6. Jh. v. Chr.) in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben
gebracht. Um 300 v. Chr. werden Münzen von 330 g (lat. libra [F.] Pfund mit 12
Unzen oder 72 Solidi) geschaffen, denen später Silbermünzen (281 v. Chr., 187
v. Chr. Silberdenar mit 10 As = Ganzes von anfangs 4,55 g Gewicht), seit Caesar
(† 44 v. Chr.) Goldmünzen (lat. [M.Pl.] aurei) folgen. Die Germanen kennen zwar
römische Münzen, verwenden sie aber nicht als G. Im Frühmittelalter sind
Pfennig, Schilling und Pfund hauptsächlich Rechnungseinheiten, wenn auch in
karolingischer Zeit ein königlicher Silberdenar geprägt wird (wohl ältester
erhaltener mittelalterlicher Denar bzw. Pfennig des deutschen Raumes zwischen
747 und 751 unter dem Hausmeier Pippin in Silber aus 1,18 Gramm geschlagen,
1981 in Trier gefunden, ein Pfund = 20 Schillinge, 240 Pfennige). Als
Grabbeigaben aufgefundene Feinwaagen deuten darauf hin, dass auch bei Münzen
das Gewicht des Metalls noch entscheidend ist. Um 1000 sind etwa Goslar, Köln,
Dortmund, Duisburg, Aachen und Regensburg Münzstätten. Im Hochmittelalter
bewirkt das als einfachstes Tauschmittel anerkannte und damit als
Zahlungsmittel wieder vorherrschende G. die Umwandlung der Naturalwirtschaft in
die Geldwirtschaft. Etwa seit dem 12. Jh. reichen dabei die gewonnenen
Edelmetallbestände (z. B. Silber in Freiberg, Friesach, Iglau oder Kuttenberg)
für den Geldverkehr breiterer Bevölkerungsschichten aus (Venedig 1194 grosso
mit 2,19 Gramm, Frankreich 1266 gros turnois, um 1300 Prager Groschen, 1242
Goldprägung in Genua und Florenz [fiorino, Gulden, seit etwa 1340 auch im
Rheinland], Venedig 1284 Dukaten bzw. Zechinen), wobei das Münzrecht vom König
auf die Landesherren übergeht. Seit der frühen Neuzeit, in der im 16. Jh. in
Mitteleuropa der Silberbergbau wiederbelebt wird (Schwaz, Schneeberg,
Annaberg, Buchholz, Joachimsthal bzw. Joachimstal, große Silbermünze Taler)
und große Silbermengen zwischen 1550 und 1650 aus Amerika eingeführt werden,
tritt nach vielen Münzkrisen vor allem als Folge zahlreicher Kriege im 18. Jh.
zum Metallgeld (Münze) das Papiergeld hinzu (Österreich, Frankreich, Preußen,
England, gesetzliches Zahlungsmittel England 1833, Frankreich 1870), seit der
Mitte des 19. Jh.s zum Hartgeld (im Deutschen Bund im Norden Taler, im Süden
Gulden, im Deutschen Reich 1873 Goldwährung mit Mark) und Zeichengeld das durch
Guthaben bei einer Kontostelle gebildete unkörperliche Buchgeld (Giralgeld),
seit dem Ende des 20. Jh.s das elektronisch gespeicherte Guthaben (Plastikgeld,
Netzgeld). 1914 wird im Deutschen Reich die Pflicht der Reichsbank aufgehoben,
ihre Banknoten in Gold einlösen zu müssen. Im Juli 1944 einigen sich die
Vertreter von 44 Staaten in Bretton Woods auf eine neue Weltwährungsordnung
fester Wechselkurse, die bis 1959 im Wesentlichen umgesetzt wird, aber 1971
zusammenbricht. Im März 1979 verabschieden acht Staaten der europäischen Gemeinschaften
ein europäischen Währungssystem, aus dem auf Grund des Vertrags von Maastricht
von 1992 zum 1. 1. 1999 eine europäische Währungsunion hervorgeht (Belgien,
Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Österreich, Portugal, Spanien, 2001 Griechenland, 2004 Slowenien, weiter
Estland, Lettland, Malta, Slowakei, Zypern, assoziiert Andora, Monaco, San
Marino, Vatikanstadt, 2015 Litauen), die zum 1. 1. 2002 Euro und Cent in Münzen
und Banknoten einführt. Für Münzen und Geldscheine gilt im Wesentlichen das
Recht der Sachen. Ungelöst ist die Problematik der Geldentwertung (Inflation),
die aus dem Ungleichgewicht zwischen Geldmenge und Gütermenge erwächst bzw. von
daran Interessierten angestrebt wird.
Lit.: Kaser §§ 26 III, 32 II; Hübner; Köbler, DRG 96,
97, 119; Köbler, WAS; Taeuber, W., Geld und Kredit im Mittelalter, 1933;
Mickwitz, G., Die Systeme des römischen Silbergeldes im 4. Jahrhundert nach
Christus, 1933; Laurent, H., La loi de Gresham au moyen âge, 1933; Gaettens,
R., Das Geld- und Münzwesen der Abtei Fulda, 1957; Völlmy, H., Zur Geschichte
des schweizerischen Papiergeldes, Diss. staatswiss. Basel 1966; Nau, E.,
Epochen der Geldgeschichte, 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der Privatrechtsdogmatik
des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u.
a., Bd. 5 1980, 27; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; La
repubblica internazionale del denaro tra 15 e 16 secolo, hg. v. Maddalena, A.
de u. a., 1986; Spufford, P., Money, 1988, 2. A. 1989, 3. unv. A. 1993; North,
M., Das Geld, 1994; Duncan-Jones, R., Money and Government, 1994; Howgego, C.,
Geld in der antiken Welt, 2000, 2. A. 2009; Sprenger, B., Das Geld der Deutschen,
3. A. 2001; Ott, K., Geld und Geldwerttheorien, 1998; Weatherford, J., Eine
kurze Geschichte des Geldes, 1999; Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v.
Kaenel, H. u. a., 2004; Geld im Mittelalter, hg. v. Grubmüller, K. u. a., 2005;
Steinbach, S., Das Geld der Nonnen und Mönche, 2007; Gray, R., Money Matters,
2008; The Monetary Systems of the Greeks and the Romans, hg. v. Harris, W.,
2008; Brodbeck, K., Die Herrschaft des Geldes, 2009, 2. A. 2011; Giesecke &
Devrient - Banknotendruck 1854-1943, 2009; Grabowski, H., Kleiner deutscher
Papiergeldkatalog von 1871 bis heute, 2010; Schnaas, D., Kleine
Kulturgeschichte des Geldes, 2010, 2. A. 2012; Gerber, J. u. a.,
Gedenkbanknoten der Welt 2011; Le Goff, J., Le Moyen Age et l’argent, 2010 bzw.
Geld im MIttelalter, 2011; Devrient, L. u. a. Giesecke & Devrient -
Banknotendruck 1955-2002, 2014; Bongartz, O., Deutsche Geldgeschichte –
dargestellt am Beispiel Bremens, 2014; Desan, C., Making Money, 2014Türcke, C.,
Mehr! Philosophie des Geldes, 2015; Klüßendorf, N., Das Notgeld der Stadt
Melsungen seit 1917. 2016; Geld, Gott und Glaubwürdigkeit, hg. v. Abmeier, K.,
2016; Sahr, A., Das Versprechen des Heldes – Eine Praxiistheorie des Kredits,
2017 (Geld ist keine Ware, sondern ein Zahlungsversprechen); Scholz, C., Geldmarktsteuerung
und Krisenprävention, 2016; Pettifor, A., Die Produktion des Geldes – Ein
Plädoyer wider die Macht der Banken, 2018
Geldbuße ist im 20. Jh. die für eine Ordnungswidrigkeit
(§ 1 Ordnungswidrigkeitengesetz von 1952) an den Staat zu entrichtende
Geldleistung (Verwaltungssanktion für rechtswidrige Handlungen mit geringerem
Unrechtsgehalt ohne sozialethisches Unwerturteil über die Tat und die Person
des Täters). Die inhaltliche Abgrenzung zur Geldstrafe ist schwierig.
Lit.: Goldschmidt, J., Das Verwaltungsstrafrecht, 1902, Schmidt, E.,
Das neue westdeutsche Wirtschaftsstrafrecht, 1950;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Geldern
Lit.: Jappe Alberts, W., De Staten van Gelre en Zutphen, 1950; Geldersche
Wyssenissen van het Hoofdgerecht te Roermond, hg. v. Janssen de Limpens, K.,
1953; Reichsarchiv der Provinz Gelderland in Arnheim, bearb. v. Vollmer, B.,
1957; Nikolay, W., Die Ausbildung der ständischen Verfassung in Geldern und
Brabant während des 13. und 14. Jahrhunderts, 1985; Lieven, J., Adel,
Herrschaft und Memoria, 2008; Berkvens, A., Plakkaten,
Ordonnanties en Circulaires voor Pruisisch Gelre 1713-1798, 2012
Geldkondemnation (lat. condemnatio [F.] pecuniaria)
ist im klassischen römischen Recht die (notwendige) Verurteilung des Schuldners
auf den Schätzwert (lat. quanti ea res erit, was die Sache wert ist) einer
streitigen bestimmten Sache im →Formularverfahren. Sie soll es auch einem
Dritten gestatten, den Beklagten auszulösen. Sie tritt im
→Kognitionsverfahren zurück.
Lit.: Kaser § 35 I 2; Söllner § 9; Köbler, DRG 33, 34,
42
Geldschuld ist die in Geld zu erfüllende
Schuld. Die G. wird schon im römischen Recht als Gattungsschuld angesehen. Mit
Ausweitung der Geldwirtschaft wird sie immer häufiger.
Lit.: Kiefner, H., Geld und Geldschuld in der
Privatrechtsdogmatik des 19. Jahrhunderts, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H., Bd. 2 1977, 74ff.; Ahrens, M., Der mittellose Geldschuldner,
1994
Geldstrafe ist die auf Geldleistung an den
Staat lautende →Strafe, wird teilweise aber auch als jede als Sanktion
für ein Unrecht vom Täter an die öffentliche Gewalt oder das Opfer
(Privatstrafe) zu zahlende, nicht nur Schaden ausgleichende Geldsumme verstanden.
Vielleicht aus dem plebejischen Bereich stammend, ist sie bereits dem späteren
altrömischen Recht bekannt. Im Frühmittelalter herrscht die davon zu
unterscheidende, in Geld nur berechnete Buße des →Kompositionensystems
vor, von der nur ein Teil (lat. [M.]→fredus) an die Allgemeinheit fällt,
doch wird z. B. in einem Neungeld, Achtgeld oder Gewette auch eine besondere
Einwirkung auf den Täter gesehen. Die hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen
peinlichen Strafen sind in Geld nur ablösbar. In der frühen Neuzeit schließt
zwar die Constitutio Criminalis Carolina (1532) die G. aus, doch sehen die
Reichspolizeiordnung von 1530, Landesordnungen und Stadtrechte in vielen
Fällen G. vor. Das preußische Allgemeine Landrecht (1794) droht G. bei
Münzdelikten, Bestechung, Wucher, Fälschung und Betrügerei an. Das preußische
Strafgesetzbuch (1851) und das Reichsstrafgesetzbuch (1871) dehnen die G.
aus, sind aber noch durch die Freiheitsstrafe gekennzeichnet. Die Strafrechtsreformen
(21. 12. 1921/1. 1. 1922, 9. 4. 1923, 1969, 1975) des 20. Jh.s verstärken vor
allem auch wegen der ungünstigen Auswirkungen kurzer Freiheitsstrafen (43
Prozent aller Verurteilungen) auf die Täter diese Entwicklung (um 1980 mehr als
80 Prozent aller Strafurteile). Dabei wird aus relativen Gleichheitsvorstellungen
nach skandinavischem Vorbild die Höhe der G. von den wirtschaftlichen Verhältnissen
(Einkünften) des Täters abhängig (sog. Tagessätze, 1975). Eine besondere Art
der G. ist die Vermögensstrafe (anteiliger oder vollständiger Einzug des
Vermögens des Täters, z. B. § 43a StGB zwischen 1992 und 2002).
Lit.: Köbler, DRG 20, 119, 158, 205, 236; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Neumaier, R., Die geschichtliche
Entwicklung der Geldstrafe, Diss. jur. Tübingen 1947; Gudian, G., Geldstrafrecht
und peinliche Strafe im späten Mittelalter, FS A. Erler 1977, 273; Die
Geldstrafe im deutschen und ausländischen Recht, hg. v. Jescheck, H. u. a.,
1978; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A.
2007; Stapenhorst, H., Die Entwicklung des Verhältnisses von Geldstrafe zu
Freiheitsstrafe seit 1882, 1993; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen
Privatrecht, 2004; Malolepszy, M., Geldstrafe und bedingte Freiheitsstrafe nach
deutschem und polnischem Recht, 2007
Geldwäsche ist der Umtausch des aus
rechtswidrigem Verhalten erlangten Geldes ist nicht erkennbar rechtswidrig
erlangtes Geld (in Deutschland seit 1992 strafbar).
Lit.: Remmers, B., Die Entwicklung der Gesetzgebung
zur Geldwäsche, 1998; Hartmann, A., Geldwäsche in Europa, 2018
Geldwirtschaft ist die auf den Gebrauch von
→Geld als Zahlungsmittel aufbauende Wirtschaft (z. B. seit dem
Hochmittelalter). Die G. verdrängt die Naturalwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 29, 96, 97; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930
Gelegenheit macht Diebe.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 71 (Pistorius 1716)
Gelehrter Richter ist der durch universitäre
Ausbildung gekennzeichnete Richter. Der gelehrte Richter erscheint im 13. Jh.
im kirchlichen Gericht (als →Offizial). Im königlichen Kammergericht des
Reiches begegnen Doktoren der Rechte seit dem Beginn des 15. Jh.s. Im
Reichskammergericht muss 1495 die Hälfte der Beisitzer gelehrt sein. Erst
später wird es üblich, dass (auch) der Richter als der Vorsitzende gelehrt ist.
Im Übrigen sind die Mitglieder der Gerichte (Urteiler, Schöffen) bis in das 18.
Jh. vielfach Laien. Im 18. Jh. werden die Assessorstellen der Obergerichte mit
nach besonderen Vorschriften geprüften Juristen besetzt.
Lit.: Stölzel, A., Die Entwicklung des gelehrten
Richtertums in deutschen Territorien, Bd. 1f. 1872; Lenel, P., Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 53; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes
im 12. Jahrhundert, 1974; Gelehrte im Reich, hg. v. Schwinges, R., 1996;
Verger, J., Le gens de savoir, 1997
Gelehrtes Recht ist das an der Universität durch
Lehre vermittelte Recht. G. R. ist demnach das römische (weltliche) Recht und
das kirchliche (geistliche) Recht. Dem gelehrten Recht steht das einheimische
Recht der einzelnen Rechtsgebiete gegenüber. In den Rechtsquellen der Neuzeit
werden g. R. und einheimisches Recht in vielfältiger Weise zu neuen Einheiten
verknüpft (→Reformation, →Kodifikation).
Lit.: Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1962;
Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Budischin, H., Der
gelehrte Zivilprozess in der Praxis geistlicher Gerichte, 1974; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Nörr, K., Zum institutionellen
Rahmen der gelehrten Rechte im 12. Jahrhundert, FS H. Coing 1982, 233; Gouron,
A., Zu den Ursprüngen des gelehrten Strafrechts, FS H. Thieme 1986, 43; Trusen,
W., Gelehrtes Recht, 1997 Geleit ist die Begleitung und meist auch
sichere Führung eines Reisenden (oder einer Sache durch Bewaffnete gegen
Entgelt, lat. [M.] conductus). Das G. zu gewähren ist im Mittelalter ein bedeutsames,
Einkünfte und Gewalt vermittelndes Recht, das vom König auf den Landesherrn
übergeht (Regal, Westfalen 1180). Im Einzelnen werden viele Arten von G.
unterschieden. Im 19. Jh. schwindet das G. (Reichsdeputationshauptschluss für
Frankfurt, Deutscher Zollverein 1833/1834, Schweiz 1848). Freies G. ist das
Recht auf ungehinderte Hinreise und Rückreise (z. B. im Rahmen eines
Prozesses).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 113; Kalisch,
H., Über das Verhältnis des Geleitsregals zum Zollregal, Diss. jur. Berlin
1901; Fiesel, L., Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, ZRG GA 41
(1920), 1; Wilhelm, R., Das Zollgeleit in der Grafschaft und im Herzogtum
Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Wiederkehr, G., Das freie Geleit, 1977;
Müller, U., Das Geleit, 1991
Geleit
Lit.: Straube, M., Geleitswesen und Warenverkehr im
thüringisch-sächsischen Raum zu Beginn der frühen Neuzeit, 2014
Gelnhausen ist der 1133 erstmals bezeugte Ort
(der Reginbodonen, 1158 Erzbischof von Mainz, 1160 Kaiser Friedrich Barbarossa,
1170 Stadtrecht) im unteren Kinzigtal, in dessen Pfalz 1180 das Verfahren gegen
Herzog →Heinrich den Löwen stattfindet, in dem er nach Landrecht in Acht
getan und nach Lehnrecht seiner Herzogtümer →Sachsen und →Bayern
verlustig erklärt wird, so dass die Herzogtümer in →Länder aufgeteilt
werden können. Die Reichsstadt G. wird mehrfach verpfändet und verliert 1803 die
Reichsunmittelbarkeit. →Konrad von G.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Junghans, F.,
Versuch einer Geschichte der freien Reichsstadt Gelnhausen, 1886; Güterbock,
F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920;
Schmerbach, K., Der Oberhof Gelnhausen, Geschichtsbll. f. Gelnhausen 1966,
13ff.; Der Reichstag von Gelnhausen, hg. v. Patze, H., 1981; Zunft- und
Handwerksurkunden der freien Reichsstadt Gelnhausen, hg. v. Weyrauch, T., 1996;
Zieg, M., Gelnhäuser Regesten, 2008
Gelöbnis ist die Erklärung, mit der jemand
zustimmt (z. B. →Erbenlaub) oder verspricht. Das G., dem im römischen
Bereich die (lat.) sponsio (F.) entspricht, erscheint bereits im Frühmittelalter
(z. B. Urteilserfüllungsgelöbnis) und kann von Gebärden begleitet sein. Die
Folgen des Bruches des Gelöbnisses hängen von verschiedenen Umständen ab und
reichen von der Leistungsklage über die Schadensersatzklage, die Buße und die
Geldstrafe bis zur →Strafe an Leib und Leben. In der Neuzeit wird das.
G. durch die Bezeichnung Versprechen zurückgedrängt, doch werden noch immer
(feierliche) Gelöbnisse abgegeben.
Lit.: Hübner 521, 632, 677; Köbler, DRG 15;
Puntschart, P., Schuldvertrag und Treugelöbnis, 1896; Gierke, O., Schuld und
Haftung, 1910; Reincke, H., Die Bedeutung der Gelöbnisgebärde, ZRG GA 40
(1919), 280; His, R., Schlichtes Gelöbnis und Gelöbnis auf Treue, ZRG GA 41
(1920), 386; Strätz, H., Treu und Glauben, 1974; Nanz, K., Die Entstehung des
allgemeinen Vertragsbegriffs im 16. und 18. Jh., 1985
Geltung ist die Anwendbarkeit und die
Anwendung. Ein Rechtssatz gilt rechtsdogmatisch, wenn eine entsprechende Sollensanforderung
besteht. Er gilt rechtssoziologisch, wenn er tatsächlich angewendet wird.
Lit.: Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher
Dokumente im früh- und hochmittelalterlichen Reich, 1942; Luig, K., Der
Geltungsgrund des römischen Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione
storica, Bd. 2 1977, 819; Nehlsen, H., Aktualität und Effektivität der ältesten
germanischen Rechtsaufzeichnungen, (in) Vorträge und Forschungen 23 1977, 449;
Wagner, W., Geltungsbereiche ausländischer Kodifikationen im Deutschen Reich,
Ius commune 14 (1987), 203; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des
römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989
Gemara (F.) →Mischna
Gemeinde ist die einfache unmittelbare
kommunale(, dem Staat eingegliederte) Gebietskörperschaft mit (vom Staat
abgeleiteter) Gebietshoheit zur Selbstverwaltung universal überlassener
örtlicher (eigener) Aufgaben und zur Fremdverwaltung zugewiesener (staatlicher)
Aufgaben. Als solche Gemeinden sind im Altertum außer Rom (und anderen
Stadtstaaten) die Provinzstädte anzusehen, für welche die Kaiser
Gemeindeordnungen erlassen (z. B. Salpensa, Malaca, Irni[um]). Im Mittelalter
findet sich die G. wohl zuerst in Italien (Mailand 11. Jh.). Im Heiligen
römischen Reich erscheint die G. (Stadt, Dorf) seit dem Hochmittelalter
(12./13. Jh.). Sie hat eigene Organe. Befugnisse und Mittel (z. B. Allmende).
In der frühen Neuzeit verliert sie ihre älteren Rechte durch
(vereinheitlichende) Maßnahmen des absoluten Staates (und der
Grundherrschaft). Insbesondere unter Napoleon werden in den von ihm
beherrschten Gebieten (1797-1813) die Gemeinden zu untersten Behörden des
Staates. Im 19. Jh. erhält die G. (wieder) →Selbstverwaltung (Preußen
19. 11. 1808 Städteordnung, 17. 3. 1831 revidiert, Bayern 1818/1839, Württemberg
1822, Baden 1831 Gemeindegesetz, Sachsen 1832, Kurhessen 1834, Braunschweig
1834, Hannover 1851, Westfalen 1841 Landgemeindeordnung, Rheinprovinz 1845
Gemeindeordnung, Preußen 30. 9. 1853 Städteordnung, Bayern 1869 Gemeindeordnung,
Preußen 1872 Kreisordnung, 1875 Provinzialordnung, 3. 7. 1891 Landgemeindeordnung
[, Österreich 4. 3. 1849 provisorisches Gemeindegesetz, 5. 3. 1862 Reichsgemeindegesetz],
Neuregelung Art. 115-120 B-VG 12. 7. 1962). Vorübergehend beseitigen das
Dritte Reich, in dem sich anscheinend die Gemeinden den Zielen des Nationalsozialismus
zumindest teilweise öffnen, und die Deutsche Demokratische Republik die in Art.
127, 17 II WRV (und 28 GG) verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltung.
Insgesamt bleibt die G. aber in durch Verwaltungsreformen vergrößertem Umfang
bestehen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 I 4; Köbler, DRG
197; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 726; Köbler, WAS; Gierke, O.,
Das deutsche Genossenschaftsrecht, 1868ff.; Bilinski, L. v., Die
Gemeindebesteuerung und deren Reform, 1878, Neudruck 2013; Ryffel, H., Die
schweizerischen Landsgemeinden, 1904; Schrötter, R., Die rechtliche Natur der
sogenannten Gemeindenutzungen in Bayern, 1934; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Heider, J.,
Von der Gemain zur politischen Gemeinde, Schwäbische Blätter für Heimatkunde 9
(1958), 70; Siegrist, J., Die Gemeinde Unterkulm, 1957; Die Anfänge der
Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., Bd. 1f. 1964; Heffter, H., Die
deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1969; Handbuch der bayerischen
Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799-1980, hg. v. Volkert, W., 1983; Ogris, W.,
Die Entwicklung des österreichischen Gemeinderechts im 19. Jahrhundert, (in)
Die Städte Mitteleuropas, hg. v. Rausch, W., 1983, 83; Blickle, P.,
Gemeindereformation, 1985; Steiner, P., Die Gemeinden, Räte und Gerichte im
Nidwalden des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Basel 1986; Weiß, J., Die
Integration der Gemeinden in den modernen bayerischen Staat, 1986; Wunder, H.,
Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, 1986; Ennen, E., Die europäische Stadt
des Mittelalters, 4. A. 1987; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG
GA 105 (1988), 122; Landgemeinde und Stadtgemeinde, hg. v. Blickle, P., 1991;
Nolte, P., Gemeindebürgertum und Liberalismus in Baden 1800-1850, 1994;
Schachner-Blazizek, A., Gemeinderecht und Gemeindeverwaltung, 1995, Gemeinde
und Staat im alten Europa, hg. v. Blickle, P., 1998; Information, Kommunikation
und Selbstdarstellung in mittelalterlichen Gemeinden, hg. v. Haverkamp, A.,
1998; Gemeindeleben, hg. v. Rudert, T. u. a. 2001; Gotto, B.,
Nationalsozialistische Kommunalpolitik, 2006; Die Gemeinde - FS Heiko Faber,
hg. v. Frank, F. u. a., 2007; Land, Dorf und Kirche - Gemeindebildung vom
Mittelalter bis zur Neuzeit in Nordwestdeutschland, hg. v. Vogtherr, T. u. a.,
2009; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als Geschichte administrativer
Praxis, 2011
Gemeinderecht ist die Gesamtheit der die
→Gemeinde betreffenden Rechtssätze. Im römischen Altertum erhalten die
einzelnen Gemeinden in Italien zunächst eine ziemlich verschiedene Stellung
als (lat.) oppidum (N.), colonia (F.) oder municipium (N.) mit teils eigener,
teils römischer Verwaltung, bis vermutlich unter Caesar eine in Magistrate,
Senat (lat. ordo [M.] decurionum, Gemeinderat) und Volksversammlung gegliederte,
einheitliche Kommunalverfassung eingerichtet wird ([lat.] lex [F.] Iulia
municipalis, julisches Stadtgesetz). Im deutschen Reich ist das G.
unterschiedlich. Umfassende staatliche Regelungen werden erst im 19. Jh. geschaffen.
1935 wird eine einheitliche Deutsche Gemeindeordnung erlassen. Nach 1945 ist
das G. wieder Landesrecht, so dass es sich von Land zu Land unterscheidet.
Lit.: Köbler, DRG 197, 198, 234, 259; Haase, C., Die
oldenburgische Gemeindeordnung von 1855, Oldenburger Jahrbuch 55 (1955), 1;
Oberndorfer, P., Gemeinderecht und Gemeindewirklichkeit, 1971; Engeli, C./Haus,
W., Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in Deutschland, 1975;
Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.;
Low, P., Kommunalgesetzgebung im NS-Staat, 1992; Die bayerischen Gemeindeordnungen,
hg. v. Knemeyer, F., 1994
Gemeinderschaft ist die aus der (von Brüdern
gebildeten) Erbengemeinschaft der bäuerlichen Miterben entwickelte gesamthänderische
Personenvereinigung des deutschen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Rechtes
(z. B. Ganerbschaft). Sie wird später weitgehend durch den Teilungsgrundsatz
einerseits und durch das Anerbenrecht andererseits verdrängt.
Gemeinderschaftliche Vorstellungen leben in der offenen Handelsgesellschaft
und in der Kommanditgesellschaft bzw. der Gesamthand fort.
Lit.: Hübner 154ff.; Huber, M., Die Gemeinderschaft
der Schweiz, 1897
Gemeindeverfassung ist die Verfassung der
→Gemeinde.
Gemeindezeuge ist der als Nachbar oder Genosse
über ihm bekannte Verhältnisse in der Gemeinde aussagende Zeuge (Heinrich Brunner),
dessen Bedeutung seit dem Spätmittelalter schwindet.
Lit.: Ruth, H. Zeugen und Eideshelfer, 1922; Kornblum.
U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhois. Diss. jur. Frankfurt 1960
Gemeiner Pfennig ist die am 7. 8. 1495 im Heiligen
römischen Reich (im Rückstand gegenüber
der weiter fortgeschrittenen Steuergesetzgebung der Nachbarländer,
besonders Frankreichs) für vier Jahre eingeführte Abgabe (versuchte Kopfsteuer
für die gesamte Bevölkerung). Der gemeine Pfennig ist je nach Vermögen auf 1/24
Gulden, ½ Gulden und 1 Gulden festgesetzt. Er wird nur teilweise eingesammelt
und nur teilweise an die sieben dazu bestimmten Schatzmeister abgeliefert
(43254 Gulden statt 2 Millionen erwarteter Gulden). Ähnliche Versuche der Jahre
1512, 1542 (700000 Gulden) und 1544 400000 Gulden) scheitern gleichfalls weitgehend.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Gothein, E., Der gemeine
Pfennig auf dem Reichstage von Worms, 1877; Lanzinner, M., Friedenssicherung,
1993; Schmidt, P., Der gemeine Pfennig von 1495, 1989; Rauscher, P., Zwischen
Ständen und Gläubigern, 2004; Das Steuerregister des gemeinen Pfennigs für das
Bistum Worms, hg. v. Lohmann, E., 2005
Gemeines deutsches Privatrecht ist das dem gemeinen (römischen
Privat-)Recht seit dem 17. Jh. (Conring, Thomasius, Beyer) gegenübergestellte
Privatrecht deutschrechtlicher Herkunft (→deutsches Privatrecht). Mit
der Schaffung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1896/1900) verliert es
seine unmittelbare Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 186, 205; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Borrmann, K., Gemeines
deutsches Privatrecht bei Carl Joseph Anton Mittermaier, 2009
Gemeines Recht ist das allgemeine Recht im
Gegensatz zu einem besonderen Recht. Schon (in der Philosophie des Aristoteles,
384-322 v. Chr. und) im römischen Recht (z. B. Institutionen des Gaius [um 160
n. Chr.] 1, 1, Institutionen Justinians [534 n. Chr.] 1, 2, 1) ist eine
derartige Gegenüberstellung eines (lat.) ius (N.) commune und mehrerer
besonderer Rechte etwa der römischen Bürger oder eines räumlich bzw. ständisch
bzw. personal abgegrenzten Bereichs bekannt, wobei meist dem besonderen Recht
der Vorrang eingeräumt wird. Sie findet sich vereinzelt auch im frühen
Mittelalter, häufiger seit dem Hochmittelalter. Als g. R. kann dabei das
römische Recht, das kirchliche Recht, das römische und (mit abnehmendem Gewicht
das) kirchliche Recht oder auch ein sonstiges allgemeines Recht im Gegensatz zu
einem besonderen Recht (einschließlich eines Privilegs) bezeichnet werden. Im
Verhältnis beider entwickeln die Juristen der oberitalienischen Städte im
Hochmittelalter den grundsätzlichen Vorrang des eigenen besonderen Stadtrechts
(Statutes) vor dem gemeinen Recht (römisch-kanonischem Recht). Dem folgt § 3
der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der wohl die redlichen ehrbaren und
leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der Fürstentümer, Herrschaften
und Gerichte dem gemeinen Recht vorgehen lässt. Allerdings müssen sie redlich,
ehrbar und leidlich sein und besonders vorgebracht, d. h. nachgewiesen werden.
Weil die Anforderungen an diese Voraussetzungen verschärft werden, hat im 17.
Jh. das gemeine Recht in der Form des römischen Rechtes die Vermutung der Anwendbarkeit
für sich. Zusätzlich wird vor allem für bestimmte Sachgebiete ein gemeines
deutsches Privatrecht erarbeitet (z. B. Johann Stephan Pütter 1725-1809, Justus
Friedrich Runde 1741-1807), dessen Anwendbarkeit im Verhältnis zum gemeinen
Recht im Einzelfall geklärt wird. Im 18. Jh. werden das gemeine Recht und das
gemeine deutsche Privatrecht durch die inhaltlich von ihnen mitgeprägten
Kodifikationen (ALR, ABGB) zurückgedrängt. Mit dem Inkrafttreten des
→deutschen Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) endet für 16,5 Millionen
Menschen in Hessen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Mecklenburg,
Neuvorpommern, Rügen, Schleswig-Holstein
u. s. w. (insgesamt in 93 verschiedenen Gebieten) die unmittelbare
Geltung des gemeinen Rechtes in Deutschland. →Allgemeines deutsches
Recht, →common law
Lit.: Söllner §§ 2, 3, 25; Köbler, DRG 107, 137, 184;
Linck, H., De dubia ac difficili iuris communis definitione, 1680; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Zur Herkunft
und Ausbreitung der Formel habere fundatam intentionem, FS Hermann Krause 1975,
126ff.; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit,
1977; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 1988; Wesener, G., Einflüsse
und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern in
der Neuzeit, 1989; Gemeines Privatrecht in der Europäischen Gemeinschaft, hg.
v. Müller-Graf, 1993; Schlosser, H., Grundzüge der neueren
Privatrechtsgeschichte, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Nève, P., (Europäisches) ius
commune und (nationales) gemeines Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, 1997ff.; Watson, A., Legal
history and a common law for Europe, 2001; Schröder, J., Recht als Wissenschaft,
2001, 2. A. 2012; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor Gericht, 2002; Daniel, A.,
Gemeines Recht, 2003; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
Gemeines Sachsenrecht ist das auf der Grundlage des
→Sachsenspiegels (1221-1224), der Glosse zum Sachsenspiegel und der sog.
Richtsteige (sowie des sächsischen Weichbildrechts Magdeburgs [str.]) entwickelte,
in Sachsen mehr oder weniger allgemein anerkannte Recht, dessen Durchsetzung
vor allem die Schöffenstühle von Magdeburg, Leipzig, Dohna, Halle und (1529)
Wittenberg, die juristischen Fakultäten in Leipzig, (1502) Wittenberg und Jena
sowie die verschiedenen Hofgerichte (Leipzig, Wittenberg, Jena) fördern. Die
Gesetze einzelner Länder engen zwar den Geltungsbereich des gemeinen
Sachsenrechts ein, entwickeln dieses aber auch durch ihre Grundgedanken fort
(z. B. Kursächsische Konstitutionen). Die Geltung des gemeinen Sachsenrechts
betrifft das Kurfürstentum Sachsen (bis 1863/1865), Schlesien, Brandenburg, die
sachsen-ernestinischen Teilfürstentümer (z. B. Sachsen-Weimar-Eisenach,
Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg: „Thüringen“ bis
1900), Schwarzburg, Reuß, Anhalt (bis 1900), Hannover, Lüneburg, Lauenburg,
Holstein, Braunschweig (bis 16. Jh.) und dazwischenliegende kleinere Länder.
Gegen 1700 wird das gemeine Sachsenrecht auch bescheidener Lehrgegenstand an
den Universitäten Sachsens. Die Rechtsakte Kursachsens werden 1724 von Johann
Christian Lünig in einer amtlichen Sammlung (Codex Augusteus, Teil 1)
veröffentlicht. Mit dem sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuch (1863/1865) und
dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1. 1. 1900) wird die Geltung des
gemeinen Sachsenrechts (zuerst in Sachsen und dann auch in Thüringen und
Anhalt) beendet.
Lit.: Weiske, J., Die Quellen des gemeinen sächsischen
Rechts, 1846; Haubold, C., Lehrbuch des königlich-sächsischen Privatrechts, 3.
A. 1847; Heimbach, C., Lehrbuch des partikulären Privatrechts, 1848;
Emminghaus, G., Pandekten des gemeinen sächsischen Rechts, 1848; Schultze von
Lasaulx, H., Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 51;
Günther, G., Römisches Recht in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (Druck 2008).;
Sachsen im Spiegel des Rechts, hg. v. Schmidt-Recla, A. u. a., 2001;
Kroeschell, K., recht und unrecht der sassen, 2005; Grundlagen für ein neues
Europa, hg. v. Lück, H. u. a. 2009
Gemeines Strafrecht ist das auf der Grundlage der
→Constitutio Criminalis Carolina (1532), die den örtlichen Gewohnheiten
und Satzungen nachgehen will, gebildete deutsche Strafrecht des 16. bis 18.
Jh.s.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gemeinfreier ist (seit dem späten 18. Jh.) der
allgemeine →Freie der germanischen Zeit und des frühen Mittelalters. Im
Gegensatz zur klassischen Lehre der deutschen Rechtsgeschichte ist es in der
Gegenwart streitig geworden, ob es in der fraglichen Zeit eine breite, „den
Staat tragende“ Schicht freier Leute unter einem Adel mit schwach ausgeprägten
Vorrechten gegeben hat. In jedem Fall nimmt die Zahl der Freien im
Frühmittelalter infolge der Ausbreitung der →Grundherrschaft ab.
Lit.: Köbler, DRG 71; Brunner, H., Nobiles und
Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76; Heck, P., Die Gemeinfreien der
karolingischen Volksrechte, 1900; Mayer, T., Königtum und Gemeinfreiheit im
frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Das Problem der Freiheit, hg. v. Mayer,
T., 4. unv. A. 1981
Gemeingebrauch (um 1830) ist der aus mehreren Wurzeln (z. B.
Allmende, römisches Recht) erwachsene, grundsätzlich jedermann gebührenfrei
offen stehende bestimmungsgemäße Gebrauch einer der Allgemeinheit
gehörenden oder gewidmeten Sache (z. B. Fluss, Straße, Wald?). Gegensatz
hierzu ist die gebührenpflichtige Sondernutzung öffentlicher Sachen.
Lit.: Ubbelohde, A., Die Interdikte zum Schutz des Gemeingebrauchs,
1893; Lewy, R., Zur Geschichte und heutigen Berechtigung des Begriffs
öffentliche Sachen im Gemeingebrauch, Diss. jur. Greifswald 1910; Knapp, M.,
Gemeingebrauch und Staatseigentum, 2003
Gemeinschaft (Wort 765, gemeinschaftlich 1691,
gemeinschaftliches Testament 1766) ist die durch eine Gemeinsamkeit
verbundene Mehrheit von Personen, insbesondere im Schuldrecht die
gemeinschaftliche Inhaberschaft eines einzelnen Rechtes durch mehrere. G. ist
im klassischen römischen Recht die vielleicht in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten
aus wirtschaftlichen Gründen entwickelte (lat.) →communio (F.) pro
indiviso, bei der über die ganze Sache alle Gemeinschafter zusammen verfügen
können und jeder Gemeinschafter unabhängig von den anderen über seinen
(rechnerischen) Anteil. Aufgelöst wird diese G. mit Hilfe der jederzeit
möglichen allgemeinen Teilungsklage (lat. actio [F.] communi dividundo). Seit
dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche, dem Gesamthandsgrundsatz
widersprechende G. in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 23 IV; Köbler, DRG 25; Schultze, A., Zur
Rechtsgeschichte der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264;
Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der Privatrechtsordnung des 18. und
beginnenden 19. Jahrhunderts, 1956; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1
1985, 293, 549; Person und Gemeinschaft im Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1988; Schnorr, R., Die Gemeinschaft nach Bruchteilen, 2004; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gemeinschaftsrecht →Europäische Gemeinschaft
Lit.: Emmerich, W., Gemeinschaftsrecht und nationale
Rechte, 1971; Nicolaysen, G., Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1979
Gemeinwerk ist die vielleicht aus der
mittelalterlichen Grundherrschaft entwickelte Pflicht der Mitglieder einer
örtlichen Gemeinschaft zur tatsächlichen Leistung persönlicher Dienste zu
Gunsten der Gemeinschaft und das daraus entstehende Werk (z. B. Mauer, Deich,
Straße, Brücke). Das G. ist vor allem im mittelalterlichen Dorf bedeutsam. Seit
dem 18. Jh. wird als Ergebnis der Geldwirtschaft das G. weitgehend durch
Abgaben bzw. Steuern ersetzt.
Lit.: Gremler, F., Die Naturaldienste im preußischen
Gemeinderecht, Diss. jur. Bonn 1912; Durgiai, E., Das Gemeinwerk, Diss. jur.
Bern 1943; Bader, K., Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde,
1962.
Gemeinwohl (lat. salus [F.] publica, bonum
(N.) commune) ist das allgemeine Wohl einer Gesellschaft. Das G. ist vielfach
Ziel eines Staates (Wohlfahrtsstaat). Es kann dabei zur Unterdrückung missbraucht
werden. Im Liberalismus soll es sich durch eigennütziges Handeln aller von
selbst einstellen.
Lit.: Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS
Alfred Schultze 1940, 2. A. 1968; Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen
Recht, 1974; Honsell, T., Gemeinwohl und öffentliches Interesse, ZRG RA 95
(1978), 93; Hibst, P., Utilitas publica, 1991; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft,
Rechtsstaat, hg. v. Ebel, F., 1995; Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische
Semantiken politischer Leitbegriffe, hg. v. Münkler, H. u. a., 2001; Biehler,
B., Der Eigennutz, 2011; Gemeinsinn und Gemeinwohl in der römischen Antike, hg.
v. Jehne, M. u. a., 2013
Gemischtes Bezirksamt ist in Österreich von 1852 bis 1868 die
staatliche, durch Zusammenlegung von Bezirkshauptmannschaft und
Bezirksgericht entstehende Verwaltungs- und Gerichtsbehörde erster Instanz.
Genannter
Lit.: Schall, K., Die Genannten in Nürnberg, 1971
Genealogie (F.) Familienkunde
Lit.: Köbler, DRG 2; Forst de Battaglia, O.,
Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Melville, G., Vorfahren und Vorgänger,
(in) Die Familie als sozialer und historischer Verband, 1987, 203; Europäische
Stammtafeln, hg. v. Schwennicke, D., 1998, 2. A. 2005, N. F. Bd. 26 2008;
Hlawitschka, E., Die Ahnen der hochmittelalterlichen deutschen Könige, Kaiser
und ihrer Gemahlinnen 1 (911-1137), 2007, 2 (1138-1197) 2009, 3 (1198-1250)
2014
Genehmigung (1747) ist
die Erklärung des Einverständnisses mit dem Verhalten eines anderen. Sie ist
bereits dem römischen Recht bekannt. Sie entwickelt sich im Verwaltungsrecht
zu einer Erlaubnis oder zu einer nachträglichen Billigung, im Privatrecht zur
nachträglichen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 11 IV, 49 II, 53 I; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Generalauditeur ist im 17. Jh. nach spanisch-niederländischem
(1587) und schwedischem (1621) Vorbild im Heiligen römischen Reich der Leiter der Rechtspflege des Heeres
(1638/1651 Brandenburg, vor 1649 Reich). 1898 wird der G. durch die
Militärstrafgerichtsordnung beseitigt.
Lit.: Meyer, O., Die Stellung des preußischen
Generalauditeurs, Arch. Mil.R. 3 (1911/2), 138, 4 (1912/3), 349; Hülle, W., Das
Auditoriat in Brandenburg-Preußen, 1971; Modéer, K., Gerichtsbarkeit der
schwedischen Krone, 1975
Generaldirektorium (Generaloberfinanzkriegs- und
-domänendirektorium) ist die aus einer zentralen Fachbehörde der Domänenverwaltung
und aus dem Generalkriegskommissariat erwachsene oberste Behörde in
→Preußen im 18. Jh. (1722/1723-1806/1807), die 1749 Österreich als
Vorbild dient.
Lit.: Hartung, F., Die Entwicklung des Generaldirektoriums
in Preußen 1723-1876, FuF 18 (1942), 110; Neugebauer, W., Residenz, Verwaltung,
Repräsentation, 1999
Generalgouvernement ist die im frühen 19. Jh. und von 1939 bis
1945 verwendete Bezeichung für eine umfassende Verwaltungseinrichtung.
Lit.: Napoleon, hg. v. Veltzke, V., 2007
Generalhypothek ist die im römischen Recht mögliche
→Hypothek am ganzen Vermögen eines Pfandschuldners. Sie wird teilweise in
der Neuzeit in Deutschland aufgenommen. Sie verunsichert durch fehlende
Offenkundigkeit das Kreditwesen, weshalb sie später beseitigt wird.
Lit.: Kaser § 31; Köbler, DRG 41; Wagner, H.,
Voraussetzungen, Vorstufen und Anfänge der römischen Generalverpfändung, 1967;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Generalklausel (1896?) ist
der nur einen allgemeinen Grundsatz aufstellende, die konkrete Bestimmung im
Einzelfall den Gerichten überlassende Rechtssatz (z. B. §§ 138, 157, 242, 826
BGB, lat. generalis clausula, D. 4. 6. 26. 1 und 4. 6. 33 pr.). Die G. hat (wie
Billigkeit oder Naturrecht) den Vorzug der Offenheit für nichtvorhersehbare
Umstände zu Gunsten inhaltlicher Gerechtigkeit für sich und den Nachteil der
Rechtsunsicherheit gegen sich. Im 20. Jh. wird dem Gesetzgeber die Flucht in
die Generalklauseln vorgehalten.
Lit.: Köbler, DRG 229; Hedemann, J., Die Flucht in die
Generalklauseln, 1933; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989;
Nowak, C., Die praktische Bedeutung der Generalklauseln und unbestimmten
Rechtsbegriffe in den großen Kodifikationen der DDR, Diss. jur. Köln 1993; Die
Generalklausel im europäischen Privatrecht, hg. v. Baldus, C. u. a., 2006
Generalkriegskommissar (z. B. Brandenburg-Preußen 1609-1722)
Generalpfand ist das im römischen Recht mögliche Pfand am
gesamten gegenwärtigen Vermögen eines Pfandschuldners. →Generalhypothek
Generalprävention ist der →Strafzweck, der auf
allgemeine Vorbeugung gegenüber Straftaten durch Abschreckung auch unbekannter
Dritter gerichtet ist (Feuerbach 1813).
Lit.: Köbler, DRG 204; Rüping, H./Jerouschek, G.,
Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Generalstaatsanwalt ist der oberste Leiter einer
gesamten Staatsanwaltschaft (z. B. DDR).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Generalstände (M.Pl.) allgemeine →Stände,
états généraux
Lit.: Soule, C., Les États généraux de France
(1302-1798), 1968; Bulst, L., Die französischen Generalstände, 1992
Genf am Ausfluss der Rhone aus dem Genfer See wird unter
den 121 v. Chr. den Kelten folgenden Römern um 400 Sitz eines Bischofs und
gelangt 1033 mit Burgund an das deutsche Reich. Seit 1536 wirkt in G. Calvin
reformatorisch. 1559 erhält es eine Akademie für Theologie und humanistische
Fächer. 1815 wird G. Mitglied der Eidgenossenschaft der →Schweiz. Im
frühen 19. Jh. werden Privatrecht und Prozessrecht (1819) gesetzlich geregelt
(→Bellot). 1873 erlangt G. durch Aufnahme der Medizin eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Cramer, J., Précis
de l’histoire du droit genevois, 1761; Borgeaud, C. u. a., Histoire de
l’Université, Bd. 1ff. 1900ff.; Rivoire, É. u. a., Les sources du droit du
canton du Genève, Bd. 1f. 1927ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,450, 3,2,1866; Histoire de Genève, hg. v. Guichonnet, P., 1974, 3.
A. 1986
Genfer Konvention ist die (seit dem 22. 8. 1864) in
Genf abgeschlossene völkerrechtliche Vereinbarung (z. B. zur Humanisierung
des Kriegsrechts).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Genom (1920 von Hans Winkler geprägt)
als Erbgut eines Lebewesens oder Virus ist die Gesamtheit der materiellen
Träger der vererbbaren Informationen einer Zelle oder eines Viruspartikels: Die
Genomgröße beträgt bei HIV 9700, bei dem Menschen 3,27 x 109 (3,2
Milliarden Bausteine pro Zelle) und bei dem Lungenfisch 7,8 - 1010,
die Zahl der Gene bei dem Blattfloh-Endosymbionten 182, bei dem Menschen 23000
und bei dem Gemüsekohl 100000.
Lit.: Rutherford, A., Eine kurze geschichte von jedem,
der jemals gelebt hat, 2018
Genosse →Genossenschaft
Genossenschaft ist die Personenvereinigung zur
Erfüllung der von ihren Mitgliedern (Genossen, Mitnutzern) angestrebten
Zwecke, insbesondere der Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft mittels
gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs. Sie ist im Gegensatz zur Herrschaft
durch Gleichheit gekennzeichnet. Ihre ältesten Formen betreffen die vielleicht
von Verwandtschaften ausgehende gemeinsame Nutzung von Land. Bedeutsam ist
die möglicherweise noch ins Frühmittelalter zurückreichende →Markgenossenschaft.
Besondere Erwähnung verdient auch die durch eidlich bestärkte Vereinbarung
entstehende →Eidgenossenschaft. Eine stärkere Verfestigung zeigt die
im 12. Jh. sichtbare (als G. erklärbare) Stadtgemeinde. Genossenschaftlich
organisiert sind im Hochmittelalter auch →Gemeinderschaft,
→Zunft, Bruderschaft, →Universität, bergrechtliche →Gewerkschaft,
Waldgenossenschaft und Deichgenossenschaft. In der frühen Neuzeit drängt
der Einfluss der gelehrten Rechte die G. zugunsten der römischrechtlichen
(lat. [F.]) →societas bzw. (lat. [F.]) →universitas zurück. Die G.
neigt zur Verselbständigung und zur Ersetzung der Einstimmigkeit durch die
Mehrheit. Die hierauf gegründete Theorie des 19. Jh.s, dass die
→juristische Person eine Fiktion sei, wird von Georg von →Beseler
(1809-1888, 1843) und Otto von →Gierke (1841-1821) (Theorie der realen
Verbandspersönlichkeit 1868ff.) bekämpft. In Preußen bzw. dem Norddeutschen
Bund wird 1867/1868, in Österreich am 9. 4. 1873 ein Gesetz betreffend die G.
(Gesellschaft mit offener Mitgliederzahl, bei Eintragung in das Genossenschaftsregister
juristische Person) geschaffen (Konsumgenossenschaft, Raiffeisengenossenschaft,
Wohnungsbaugenossenschaft).
Lit.: Hübner 123ff.; Köbler, DRG 96, 121, 174, 177,
207, 218; Köbler, WAS; Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd.
1ff. 1868ff.; Gierke, O. v. Die Genossenschaftstheorie, 1887; Solmi, A., Le
associazioni in Italia, 1898; Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der
mittelalterlichen Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Weimann,
K., Die Mark- und Walderbengenossenschaften des Niederrheins, 1911; Bader, K.,
Das mittelalterliche Dorf, Bd. 1ff. 1957ff.; Schlosser, M., Genossenschaften
in der Grafschaft Ysenburg, 1956; Faust, H., Geschichte der
Genossenschaftsbewegung, 1965; Bludau, K., Nationalsozialismus und Genossenschaften,
1968; Laufs, A., Genossenschaftsdoktrin und Genossenschaftsgesetzgebung vor
100 Jahren, JuS 1968, 311; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur
Betriebsgemeinschaft, 1982; Schröder, J., Zur älteren Genossenschaftstheorie,
Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und
Recht, 1985; Gericht, Genossenschaft und Policey, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
1986; Schubert, W., Zur Entstehung der Genossenschaftsgesetze Preußens und des
Norddeutschen Bundes (1863-1868), ZRG GA 105 (1988), 97; Hundert Jahre
Genossenschaftsgesetz, hg. v. Institut für Genossenschaftswesen u. a., 1989;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945, Protokolle der Ausschüsse 4, Ausschuss
für Genossenschaftsrecht, hg. v. Schubert, W., 1989; Hettrich, E./Pöhlmann, P.,
Genossenschaftsgesetz, 1995; Hardtwig, W., Genossenschaft, Sekte, Verein,
1997; Helin, I., Vom Brodverein zur co op, 1998; Zinke, J., Die Entwicklung der
landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Weimarer Republik, 1999;
Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Wilcken, C., Die
Reformbestrebungen zum Genossenschaftsgesetz in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2000; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von Gierkes,
2002; Schneider, R., Altrechtliche Personenzusammenschlüsse, 2003; Janssen,
A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes, ZRG GA
122 (2005), 352; Schlütz, F., Ländlicher Kredit, 2013; Roeckl, P., Geschichte
der Genossenschaftsgesetzgebung im Königreich Bayern, 2015
Genossenschaftsgesetz →Genossenschaft
Genozid (N., M.,) →Völkermord
Lit.: Grenke, A., Der Genozid in der Weltgeschichte,
2001; Genesis des Genozids, hg. v. Mallmann, K. u. a., 2004; Barth, B.,
Genozid, 2006; Kallis, A., Genocide and Fascism, 2009; The Genocide Convention,
hg. v. Wilt, H. van der u. a., 2012
gens (lat. {[F.]) Sippenverband, Volk
Gent an der Leie (kelt. ganda Zusammenfluss, 7./8. Jh.
[lat.] pagus [M.] Gandao) erscheint im 10. Jh. als Handelsort. Nach Paris ist
es zweitgrößte Stadt nördlich der Alpen. Im 12. Jh. erlangen die Kaufleute
wichtige Rechte. Über Flandern, Burgund (1384) gelangt G. an Habsburg (1477)/Spanien
(M. 16. Jh.s) (1568 Freiheitskampf der Niederlande). Von den Niederlanden löst
sich 1830 Belgien (mit G.). 1879 wird G. Sitz einer Universität.
Lit.: Oppermann, O., Die älteren Urkunden des Klosters
Blandinium und die Anfänge der Stadt Gent, 1928; Werveke, H. van, Kritische
studiën betreffende de oudste geschiedenis van de stad Gent, 1933; Werveke, H.
van, De gentsche stadsfinanciën, 1934; Verhulst, A., De Sint-Baafsabdij te Gent
en haar grondbezit, 1958; Koch, A., Gentse keuren van vóór 1240, 1960; Verhulst,
A., Die Frühgeschichte der Stadt Gent, FS Edith Ennen, 1972, 108; Gent, red.
Decavele, J., 1989
Gentechnologie ist die auf die Gene der Lebewesen bezogene, in Deutschland seit 20. 6. 1990
gesetzlich geregelte Technologie.
Lit.: Salem, S., Die öffentliche Wahrnehmung der
Gentechnik in der Bundesrepublik Deutschland seit den 60er Jahren, 2013
Gentile ist der Angehörige eines Sippenverbands
(lat. [F.] gens) im römischen Recht. Er ist nachrangig Erbe.
Lit.: Kaser § 12 I 1; Söllner §§ 4, 8; Köbler, DRG 21
Gentili, Alberico (1552-1608) wird nach
dem Rechtsstudium in Perugia Richter in Ascoli. Auf der Flucht der Familie vor
der Inquisition gelangt er 1581 nach Oxford (1587 Professor für civil law) und
veröffentlicht vor allem bedeutende völkerrechtliche (kriegsrechtliche) Werke
(De iure belli commentationes [F.Pl.] tres, 1588f., Drei Abhandlungen zum
Kriegsrecht). Nach 1590 wird er als Anwalt tätig.
Lit.: Hugo Grotius and International Relations, hg. v.
Bull, H. u. a., 1990, 133
gentry (engl.) Landadel (seit 15. bzw. 16.
Jh.)
Lit.: Gentry, hg. v. Jones, M., 1986
Genua am südlichen Steilabfall der Alpen
zum Mittelmeer kommt über Römer, Ostgoten, Byzantiner und Langobarden an die
Franken. Seit dem 10. Jh. erlangt es eine eigene Verwaltung. Vielfach unter
fremder Herrschaft, wird es 1815 mit dem Königreich Sardinien-Piemont (1861
Italien) vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Chiaudano, M.,
Contratti commerciali Genovesi, 1925; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,162; Airaldi, G., Genova, 1986; Schweppenstette, F., Die Politik
der Erinnerung, 2003; Veronesi, M., Oberdeutsche Kaufleute in Genua 1350-1490,
2014
genus (lat. [N.]) Geschlecht, Gattung
Genus perire non censetur (lat.). Von einer Gattung wird
nicht angenommen, dass sie untergeht. →Gattungsschuld
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Genuss
Lit.: Menninger, A., Genuss im kulturellen Wandel, 2. A. 2008
Gény, François (1861-1959) kommt über Algier (1887) und
Dijon (1892) nach Nancy (1901, 1905 ordentlicher Professor für bürgerliches
Recht) und verfasst bedeutsame Studien über Natur und Methode des Privatrechts
(Méthode d’interprétation et sources en droit privé positif, 1899, Science et technique
en droit privé positif, 1913ff.).
Lit.: Dabin, J. u. a., Le centenaire du doyen François
Geny, 1963
geometricus →mos geometricus
Georgenberger Handfeste ist die umfangreichere (von
mehreren) Urkunde(n) über den am 17. 8. 1186 auf dem im Bereich der Stadt Enns
liegenden St. Georgsberg (Georgenberg) (mündlich) abgeschlossenen Erbvertrag
zwischen dem kinderlosen, kranken Herzog Otakar IV. von →Steiermark und
Herzog Leopold V. von →Österreich, auf Grund dessen mit dem Tod Otakars
IV. 1192 die Steiermark an Österreich fällt.
Lit.: Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher; Spreitzhofer, K.,
Die Georgenberger Handfeste, 1986
Gerade ist vielleicht schon im
germanischen Recht die Ausstattung der Braut für die Verheiratung (vgl. rhedo
in der [lat.] Lex [F.] Thuringorum [802, 35] und mahalareda in der [lat.] Lex
[F.] Burgundionum [um 500, 86]). Im Hochmittelalter umfasst sie im Verbreitungsgebiet
des Sachsenspiegels (Ssp LdR I 5, 24, 27, 28, III 38) Schmuck, Kleider, Gefäße
und Hausrat (Bett, Kiste, Gebetbuch, vielleicht Gänse, Enten, Schafe). Beim Tod
des Hausvaters fällt sie (vor allem in der Stadt) als Voraus an die Ehefrau,
beim Tod der Frau (vor allem auf dem Land) an eine bestimmte nichtverheiratete
weibliche (nächste) Verwandte (oder einen Geistlichen). Seit dem Spätmittelalter
(Lübeck 1275) tritt die G. zurück (Braunschweig-Lüneburg 1618, Sachsen 1814).
Letzte Spuren finden sich noch im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863/1865)
und des Deutschen Reiches (1896/1900, Hausrat).
Lit.: Hübner 664, 739; Köbler, DRG 89, 123, 162;
Hradil, P., Zur Theorie der Gerade, ZRG GA 31 (1910), 67; Heukamp, B., Die
Gerade, 1912; Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Frommhold, E., Das
Recht der Gerade, Diss. jur. Leipzig 1934; Bungenstock, W., Heergewäte und
Gerade, Diss. jur. Göttingen 1966; Ottenjohann, H., Das Sondervermögen
„Gerade“, (in) Aus dem Leben gegriffen, 1995, 379; Gottschalk, K., Streit um
Frauenbesitz, ZRG GA 114 (1997), 182; Gottschalk, K., Eigentum, 2003
Gerber, Karl Friedrich Wilhelm (Ebeleben
11. 4. 1823-Dresden 23. 9. 1891), Gymnasialdirektorssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg (Mittermaier, Vangerow, Puchta, Hänel,
Albrecht), der Promotion in Heidelberg (2. 2. 1843), einer praktischen
Tätigkeit in Sondershausen und der Habilitation in Jena (1844) 1846 außerordentlicher
Professor in Jena, 1847 ordentlicher Professor in Erlangen, 1851 Tübingen, 1862
Jena und 1863 Leipzig. 1871 wird er Kultusminister Sachsens. 1846 legt er eine
von Puchta beeinflusste Untersuchung über das wissenschaftliche Prinzip des
→gemeinen deutschen Privatrechts vor, in der er das deutsche Recht statt
als Rechtsquelle als bloßes System von Rechtsgedanken (Geist des deutschen
Rechtes) auf der Grundlage des freien Willens versteht. Hierauf gründet er sein
erfolgreiches romanistisch beeinflusstes Lehrbuch System des deutschen
Privatrechts (1848/9, 17. A. 1898), in dem er den Geist des deutschen Rechtes
in konkrete juristische Sätze fasst. 1852 lässt er die auf den Willensäußerungen
der Einzelnen als Glieder der Volksverbindung beruhende Untersuchung über
öffentliche Rechte folgen, die 1865 zu Grundzügen eines Systems des deutschen
Staatsrechts (mit den vier Abteilungen Staatsgewalt [Willensmacht des Staates],
Organe des Staates, [Formen der] Willensäußerungen des Staates, Rechtsschutz)
werden, die den →Staat als →juristische Person verstehen und in
Ersetzung der staatswissenschaftlichen Betrachtung durch konsequent
juristisches Denken die moderne deutsche Staatsrechtswissenschaft begründen (3.
A. 1880).
Lit.: Köbler, DRG 205; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GerberCarlFriedrichSystemdesdeutschenPrivatrechtsErsteAbtheilung1848.pdf¸
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GerberCarlFriedrichGrundzuegedesSystemseinesdeutschenStaatsrechts1865.pdf
Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Pauly,
W., Der Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Pöggeler,
W., Einleitung zu Gerber, C., Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen
deutschen Privatrechts, Neudruck 1998; Lewinski, K. v., Deutschrechtliche
Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001; Briefe deutscher und Schweizer
Germanisten an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v. Jeowik, L., 2001;
Schmidt-Radefeldt, S., Carl Friedrich von Gerber (1823-1891), 2003; Bürger, J.,
Carl Friedrich Wilhelm von Gerber als sächsischer Kultusminister, 2007; Kremer,
C., Die Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des
Carl Friedrich von Gerber, 2008
Gerechter Krieg (lat. bellum [N.] iustum) ist der
gerechtfertigte Fall einer gewaltsamen Auseinandersetzung von Völkern oder
Staaten. Nach Cicero (106-43 v. Chr., De re publica 3, 23) begründen Rache und
Vertreibung von Feinden allein den gerechten Krieg. In gleicher Weise anerkennt
das Christentum (Augustinus 354-430) Verteidigung und Strafe als Grund eines
gerechten Krieges, zu dem noch die rechte Gesinnung des Kriegführenden
hinzukommen muss. Thomas von Aquin (um 1270) fordert die (lat. [F.]) auctoritas
des Herrschers, den gerechten Grund und die rechte Einstellung (Summa
Theologiae 2, 2, q. 40 a. 1). Fehde und Krieg lassen sich allerdings kaum
trennen. Bei Bartolus (Tractatus represaliarum, 1354) steht das Recht der
Kriegführung auch selbständigen Fürsten und Stadtstaaten zu. Francisco de
Vitoria († 1546) begründet mit Hinweis auf den in einem unüberwindlichen Irrtum
Befangenen die Lehre vom beiderseits gerechten Krieg. Nach Alberico Gentili
(1588) schränkt Grotius (1583-1643) demgegenüber dahin ein, dass zwar nur einer
der Kriegsführenden im Recht sein könne, beide aber in gutem Glauben streiten
könnten. Im 18. Jh. wird auf eine Untersuchung von ungerechten Kriegen und
gerechten Kriegen verzichtet. Im 19. Jh. herrscht die Lehre vom freien
Kriegsführungsrecht der souveränen Staaten. Dagegen erfolgt nach dem ersten
Weltkrieg (1914-1918) eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg (Satzung des
Völkerbunds, Briand-Kellogg-Pakt 1928, Satzung der Vereinten Nationen), so
dass der Angriffskrieg verboten wird.
Lit.: La Paix, 1961, Recueils de la Société Jean Bodin
15; Tooke, J., The Just War in Aquinas and Grotius, 1965; Russel, F., The Just
War, 1975; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Stumpf, C.,
Vom heiligen Krieg zum gerechten Krieg, ZRG KA 118 (2001), 1; Loreto, L., Il
bellum iustum e i suoi equivoci, 2001; Guerra giusta?, hg. v. Calore, A., 2003;
From Just War to Modern Peace Ethics, hg. v. Justenhoven, H. u. a., 2012
gerechter Preis →Preis, (lat.) iustum
pretium (N.)
Gerechtigkeit ist das zeitlos gültige Maß
richtigen Verhaltens. Bereits Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterscheidet die
ausgleichende G. (lat. iustitia [F.] commutativa) zwischen den Einzelnen und
die austeilende G. (lat. iustitia [F.] distributiva) zwischen Allgemeinheit und
Einzelnen. Ulpian (170-223) erklärt die G. (lat. [F.] iustitia) als den
ständigen Willen, jedem sein Recht dadurch zu gewähren, dass man ehrbar lebt, den
anderen nicht verletzt und jedem das Seine gibt. Das Christentum bestimmt die
G. durch die in der Natur sich zeigende göttliche Ordnung. Seit der Neuzeit
versucht der Mensch die G. mit Hilfe der (der Natur des Menschen
entsprechenden) Vernunft zu ermitteln. Die G. vollkommen zu verwirklichen,
muss dabei wohl als wünschenswertes Ideal angesehen werden, das tatsächlich
nicht oft genug erreicht wird. Wie vieles andere Unsichtbare versucht der
Mensch auch, die G. in Bildern (Gerechtigkeitsbildern) hilfsweise sichtbar zu
machen.
Lit.: Köbler, DRG 2, 254; Frommhold, G., Die Idee der
Gerechtigkeit in der bildenden Kunst, 1925; Simon, K., Abendländische
Gerechtigkeitsbilder, 1948; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231;
Welzel, H., Naturrecht und materiale Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Kissel,
O., Die Justitia, 1984, 2. A. 1997; Schimmler, B., Recht ohne Gerechtigkeit,
1984; Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Recht und
Gerechtigkeit im Spiegel der europäischen Kunst, hg. v. Pleister, W. u. a.,
1988; Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Schild, W.,
Bilder von Recht und Gerechtigkeit, 1995; Manthe, U., Beiträge zur Entwicklung
des antiken Gerechtigkeitsbegriffes, ZRG RA 114 (1997), 1; Gerechtigkeit, hg.
v. Assmann, J. u. a., 1998; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A.,
2002; Prodi, P., Eine Geschichte der Gerechtigkeit, 2003; Hayek, F. v., Recht,
Gesetz und Freiheit, 2003; Brüschweiler, A., Gerechtigkeit durch Ironisierung,
2003; Duvanel, L., La justice contractuelle, 2004; Schröder, J., Verzichtet
unser Rechtssystem auf Gerechtigkeit?, 2005; Petersen, J., Nietzsches
Genialität der Gerechtigkeit, 2008; Schlotmann, K., Recht und Gerechtigkeit im
Werk Heinrich Bölls, 2008; Rüthers, B., Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, 3.
A. 2009; Sutter, C., Flämische Gerechtigkeitsbilder, 2009; Sen, A., Die Idee
der Gerechtigkeit, 2010; Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des
späteren Mittelalters, hg. v. Schulte, P. u. a., 2012; Justice in Warteime and
Revolutions. Europe 1795-1950, hg. v. De Koster, M. u. a., 2012; Straube, S.,
Zum gemeinsamen Ursprung von Recht, Gerechtigkeit und Strafe in der Philosophie
Friedrich Nietzsches, 2012; Soziale Gerechtigkeit heute, hg. v. Tschentscher,
A. u. a., 2015; Justice within the State without the State – Judicial
Self-Regulation in the Past and Present, hg. v. Collin, P., 2016
Gerhabe ist an manchen Orten eine mittelalterliche
Bezeichnung für den →Vormund.
Lit.: Haff, K., Gerhaben-Stellen aus
unveröffentlichten Urkunden des Allgäus, ZRG GA 51 (1931), 512
Gericht ist die (staatliche) Einrichtung,
welche die Entscheidung in Streitigkeiten durch Rechtsanwendung auf die
Wirklichkeit ausüben soll. Das altrömische Recht unterscheidet dabei (im
Zivilverfahren) zwischen dem G. (lat. [N.] ius) und dem Richter (lat. [M.]
iudex). Das G. findet auf dem Markt (lat. [N.] forum) vor dem zuständigen
Magistrat (seit 367 v. Chr. lat. [M.] praetor) statt, der darüber entscheidet,
ob die Rechtsordnung für das Begehren des Verfolgers einen Schutz (lat. [F.]
actio) enthält und danach gegebenenfalls unter Auswahl oder Auslosung seitens
der Parteien den Richter ermittelt. Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) tritt
an die Stelle von Magistrat und Richter der einheitliche öffentliche Amtsträger
des →Kognitionsverfahrens, der untersucht und entscheidet. Bei den
Germanen finden demgegenüber die Entscheidungen in Streitigkeiten anfangs
vermutlich in der vom König oder mehreren Großen geleiteten →Volksversammlung
unter freiem Himmel statt, wobei ein Entscheidungsvorschlag aus dem
→Umstand vorgebracht wird. Im Frühmittelalter leitet zunächst der König
oder der (fränkische) (lat.-ad. [M.]) →thunginus (Dingmann) die
Versammlung auf dem →Malberg, und →Rachinburgen schlagen ein Urteil
vor. Später verdrängt der →Graf den thunginus. Zwischen 770 und 780
ersetzt Karl der Große die Rachinburgen durch →Schöffen als Urteiler. Im
geistlichen Gericht (Lüs. aus lat. [F.] correctio?) des fränkischen Reiches
entsprechen dem Grafen und den Schöffen der Bischof bzw. Archidiakon bzw. Archipresbyter
und die Sendschöffen, bis seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemeiner
seit 1246 der gelehrte →Offizial des Bischofs als ständiger, ordentlicher
(berufsmäßiger) Einzelrichter, der selbst entscheidet, erscheint. Noch im
Reichskammergericht (1495) ist der Richter grundsätzlich nur
Verhandlungsleiter und ist die Hälfte der Beisitzer (Assessoren) nur adlig und
(zunächst) nicht rechtsgelehrt. Im Laufe der frühen Neuzeit wird das mehr und
mehr in festen Gebäuden tagende, bei anderen Einrichtungen (z. B. rechtswissenschaftlichen
Fakultäten) unter Aktenversendung Rat erbitten könnende G. aber zu Lasten der
Laien zunehmend mit rechtsgelehrten Berufsjuristen besetzt und entscheidet
(auch) der Richter (zumindest mit). Demgegenüber belebt der Liberalismus des
19. Jh.s das Laienelement wieder (→Schwurgericht). Zugleich ordnet er
die Gerichte durch Gesetz (Gerichtsverfassungsgesetz, Gerichtsorganisationsgesetz)
und verdrängt die nichtstaatliche Streitentscheidung. In der Gegenwart ist in
Deutschland die →Gerichtsbarkeit in unterschiedliche Zweige von Gerichten
(ordentliches Gericht, Arbeitsgericht, Finanzgericht, Sozialgericht,
Verfassungsgericht, Verwaltungsgericht) gegliedert. Diese sind in mehrere
Instanzen gestuft (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht,
Bayerisches Oberstes Landesgericht [bis 2004], Bundesgerichtshof). Die
meisten der sehr vielen Rechtsstreitigkeiten werden durch Berufsrichter
entschieden. Neben der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten übernimmt das G.
bereits im Mittelalter auch Verwaltungsaufgaben (Registergericht, freiwillige
Gerichtsbarkeit).
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Köbler, DRG 111, 116, 150;
Köbler, WAS; Luschin von Ebengreuth, A., Geschichte des älteren Gerichtswesens
in Österreich, 1879; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 1 1889, Neudruck 1968, 1984; Das älteste
Gerichtsbuch der Stadt Wiesbaden, hg. v. Otto, F., 1900; Funk, M., Die
lübischen Gerichte, ZRG GA 26 (1905), 53; Lenel, P., Die Scheidung von Richter
und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Brünneck, W. v., Zur Geschichte der
Gerichtsverfassung der Stadt Frauenburg (im Ermlande), ZRG GA 37 (1916), 313;
Jecklin, C., Das Chorherrengericht zu Schiers, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft Graubündens 49 (1919); Pöhlmann, C.,
Gerichtssäule, ZRG GA 41 (1920), 387; Hillmann, H., Das Gericht als Ausdruck
deutscher Kulturentwicklung im Mittelalter, 1930; Frölich, K., Stätten
mittelalterlicher Rechtspflege auf südwestdeutschem Boden, 1938; Grosse, W.,
Land- und Godingstätten in den Schwabengaugrafschaften, Festschrift für
Walter Möllenberg, 1939, 53; Grosse, W., Die mittelalterlichen Gerichte und
Dingstätten im Harzgau, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und
Altertumskunde 72 (1939), 1; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der
Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG 75 (1958), 108; Köbler, G.,
Richten, Richter, Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Müller-Volbehr, J., Die
geistlichen Gerichte in den Braunschweig-Wolfenbüttelschen Landen, 1972;
Krause, H., Mittelalterliche Anschauungen vom Gericht, 1974 (SB München);
Köbler, G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G.
Schmelzeisen, 1980, 166; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung
1869-1877, 1981; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Keller, O., Die Gerichtsorganisation
des Raumes Marburg im 19. und 20. Jahrhundert, 1982; Handbuch der bayerischen
Ämter, Gemeinden und Gerichte, hg. v. Volkert, W., 1983; Schumacher, U.,
Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Turner, R., The English
Justiciary, 1985; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Dülmen, R.
van, Theater des Schreckens, 1985; Recht, Gericht, Genossenschaft und Policey,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Franz, E./Hofmann, H./Schaab,
M., Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20.
Jahrhundert, 1989; Das Oberste Gericht der DDR, 1989; Ackermann, R.,
Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG GA 110 (1993), 530; Rose, M.,
Das Gerichtswesen des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert, 1994;
Klemmer, K./Wassermann, R./Wessel, T., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993;
Justizgebäude in Sachsen, 1995; Ishikawa, T. Das Gericht im Sachsenspiegel, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung, 1997; Richter, K., Friedrich Barbarossa hält Gericht, 1999;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht,
2001; Lenzing, A., Gerichtslinden und Thingplätze in Deutschland, 2005;
Höchstgerichte in Europa, hg. v. Auer, L. u. a., 2007; Gerichtskultur im
Ostseeraum, hg. v. Knothe, H. u. a., 2007; Deutsche Justizinstitutionen in
Geschichtswerken und Festschriften, hg. v. Vormbaum, T., 2007 (Bibliographie);
Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Loroch, S.,
Zeitungsrubrik Gerichtssaal, 2009; Waldstätten, A., Staatliche Gerichte in
Wien seit Maria Theresia, 2012; Oestmann, P., Geistliche und weltliche Gerichte
im Alten Reich, 2012; Gerichtsstätten in Hessen, bearb. v. Eckhardt, W., 2012 http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/gsr;
European Supreme Courts, hg. v. Van Rhee, R., 2013; Diestelkamp, B., Vom
einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013; Mit Freundschaft
oder mit Recht?, hg. v. Cordes, A., 2014; Das Münchner Weltgerichtsspiel und
Ulrich Tenglers Büchlein vom jüngsten Gericht, hg. v. Schulze, U., 2014;
Färber, R., Römische Gerichtsorte – Räumliche Dynamiken von Jurisdiktion im
Imperium Romanum, 2014; Oestmann, P., Wege zur Rechtsgeschichte –
Gerichtsbarkeit und Verfahren, 2015; Krey, A., Die Praxis der
spätmittelalterlichen Laiengerichtsbarkeit, 2015; Minkner, M., Die
Gerichtsverwaltung in Deutschland und Italien, 2015; Schlesinger, P., Richter
und Gerichtete, Neudruck 2018
Gerichtliche Medizin (oder Gerichtsmedizin) ist die
rechtlich bzw. verfahrensrechtlich bedeutsame Medizin. Im Mittelalter werden
allmählich ärztliche Sachverständige in das Verfahren vor Gericht eingeführt.
Die erste bekannte richterliche Leichenöffnung findet in Bologna 1302 statt.
Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) behandelt die Bedeutung verständiger
Frauen und verständiger Ärzte für das Strafverfahren allgemein. Im 18. Jh.
erscheint die (lat.) medicina (F.) forensis als Vorlesung an den Universitäten.
Eigene Lehrstühle folgen etwas später nach (Wien 1804, Prag 1807), ein eigenes
Fach 1835. 1901 wird im Deutschen Reich g. M. für einige Zeit Pflichtfach des
Studiums.
Lit.: Die Entwicklung der medizinischen Spezialfächer,
1970; Bader, K., Ärztliche Sachverständige im Mittelalter, 1976
Gerichtsakte ist die (unter Einschränkung der
Mündlichkeit) seit dem 14. Jh. einsetzende) →Akte eines Gerichts.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Gerichtsbarkeit ist die auf Verwirklichung der
bestehenden Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit (des Staates bzw. der
Allgemeinheit) (Judikative). →Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit
über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882), 102; Goldhardt,
O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen Hennegaues, 1909;
Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit, Bd. 1ff. 1952ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 1922, 2. A. 1958; Lieberich, H., Zur Feudalisierung der
Gerichtsbarkeit in Baiern, ZRG GA 71 (1954), 242; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit des deutschen Königs und Reiches im 15. Jahrhundert, 1965;
Hageneder, O., Die geistliche Gerichtsbarkeit in Ober- und Niederösterreich,
1967; Laufs, A., Die Anfänge einheitlicher höchster Gerichtsbarkeit in
Deutschland, JuS 1969, 256; Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und
Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall, 1971; Modéer, K.,
Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, Bd. 1
1975; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund
1806-1866, 1975; Rödel, U., Königliche Gerichtsbarkeit, 1979; Globig, G.,
Gerichtsbarkeit als Mittel sozialer Befriedung, 1985; Schild, W., Alte
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen
Absolutismus und Liberalismus, 1987; Schild, W., Geschichte der
Gerichtsbarkeit, 1995; Oberste Gerichtsbarkeit und zentrale Gewalt im Europa
der frühen Neuzeit, hg. v. Diestelkamp, B., 1996; Harendil, H.,
Gesellschaftliche Gerichtsbarkeit, 1997; Royer, J., Histoire de la justice en
France, 1997; Albert, D., Der gemeine Mann vor dem geistlichen Richter, 1998;
Drecktrah, V., Die Gerichtsbarkeit in den Herzogtümern Bremen und Verden, 2002;
Shirley, K., The Secular Jurisdiction of Monasteries, 2004; Praxis der
Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, hg. v.
Arlinghaus, F., 2006; Murauer, R., Die geistliche Gerichtsbarkeit im Salzburger
Eigenbistum Gurk im 12. und 13. Jahrhundert, 2009; Die Höchstgerichtsbarkeit im
Zeitalter Karls V., hg. v. Czeguhn, I. u. a., 2011; Popular Justice in Europe
(18th-19th Centuries, hg. v. Delivré, É. u. a., 2014; Taguchi, M., Königliche
Gerichtsbarkeit und regionale Konfliktbeilegung im deutschen Spätmittelalter
(1314-1347), 2017
Gerichtsbote ist in Mittelalter und Frühneuzeit der
Entscheidungen (z. B. Ladungen) des Gerichts übermittelnde Gerichtsbedienstete
(z. B. Fronbote, Büttel, Waibel).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953
Gerichtsbuch ist das bei einem →Gericht
(vielleicht seit dem 13. Jh.) geführte Buch über gerichtliche Handlungen der
streitigen oder freiwilligen Tätigkeit (z. B. Urteile, Rügen, Klagen, Protokolle,
Vergleiche, Rechtsgeschäfte). Gerichtsbücher sind (mit unterschiedlichen
Bezeichnungen) beispielsweise überliefert aus den Städten Worms, Bamberg,
Bingen, Stralsund, Luckau und aus vielen Dörfern (z. B. Niederingelheim,
Eppelsheim, Hamm, Erpolzheim, vor allem in Bayern, Pfalz, Schlesien und
Brandenburg).
Lit.: Rehme, P., Über Stadtbücher als
Geschichtsquelle, 1913; Frommhold, G., Das Gerichtsbuch von Pfalzfeld, ZRG GA
47 (1927), 664; Schultheiß, W., Über spätmittelalterliche Gerichtsbücher aus Bayern
und Franken, FS H. Liermann, 1964, 264; Das Kulmer Gerichtsbuch (1330-1430),
hg. v. Lückerath, C. u. a., 1999
Gerichtsgebäude ist das (seit etwa 1730 [Kammergericht] bzw.
1830 [Köln vor 1834]) der räumlichen Unterbringung (nur) des Gerichts dienende
Gebäude.
Lit.: Klemmer, K., Deutsche Gerichtsgebäude, 1993; Justizgebäude in
Sachsen, hg. v. sächs. Staatsministerium der Justiz, 1995; Kähne, V., Stätten
der Justiz in Berlin, 2007; Der Wiener Justizpalast, hg. v. Bundesministerium
der Justiz, 2007; Müller, S., Das Reichsgericht in Leipzig, 2008
Gerichtsgebrauch ist (seit dem 16./17. Jh.) die an
einem oder mehreren Gerichten geübte besondere Art der Rechtsanwendung.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am Reichshofrat, 1973;
Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der praktischen Jurisprudenz,
1979
Gerichtsgefälle sind die an ein →Gericht zu
erbringenden vermögenswerten Leistungen (Gefälle, Wort vereinzelt seit 13.
Jh.). Sie dienen der Unterhaltung der mit der Gerichtsbarkeit betrauten
Menschen. Zu ihnen gehört z. B. das Friedensgeld. Seit dem Mittelalter begegnen
Geldleistungen für einzelne Gerichtshandlungen, wie beispielsweise auch für
die Tätigkeit des →Gerichtsschreibers. Hieraus entwickeln sich bis zum
Beginn der Neuzeit an vielen Stellen besondere Ordnungen für im voraus zu
erhebende →Gebühren (Kosten), die der im Verfahren Unterliegende zu
erstatten hat. Später finden die G. über den allgemeinen Staatshaushalt Verwendung
zur Besoldung des Gerichtspersonals mit festen Gehältern.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege,
1953, 75ff.; Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15. Jahrhundert, 1968
Gerichtsherr ist der Herr des Gerichts, der Herrschaft über
das Gericht hat (z. B. König, Landesherr, Stadt, Grundherr).
Gerichtshof ist das mit mehreren Richtern
besetzte (obere) Gericht bzw. ein Hof, an dem Gericht gehalten wird. Seit 2009
bezeichnet sich der 1951 geschaffene Europäische Gerichtshof als G., während
das Gesamtsystem der Gerichtsbarkeit der Europäischen Union G. der Europäischen
Union genannt wird.
Lit.: Zimmermann, R., Der oberste Gerichtshof für die
britische Zone (1948-1950), ZNR 3 (1981), 158; Constitutionalising the EU
Judicial System, hg. v. Cardonnel, P. u. a., 2012
Gerichtslaube ist der als Laube gestaltete Ort der Abhaltung
eines Gerichts. Bereits 809 sieht ein Kapitular Kaiser Karls des Großen Dächer
für Gerichtsversammlungen als Schutz gegen schlechtes Wetter vor. Seit dem 13.
Jh. tagt in Städten das Gericht (auch) in nach drei Seiten offenen steinernen
Lauben an Rathäusern (z. B. Freiburg im Breisgau 1280).
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Klemmer, K. u. a.,
Deutsche Gerichtsgebäude, 1993
Gerichtsmagistrat ist in Rom der für die Gerichtsbarkeit und
damit für die Einsetzung von entscheidenden Gerichten zuständige Magistrat
(Prätor, kurulischer Ädil, Statthalter u. a.).
Gerichtsmedizin (oder gerichtliche
Medizin)ist die
für gerichtliche Zwecke notwendige medizinische Betrachtung (z. B.
Leichenschau, Lehrstuhl Heidelberg 1766, seit 1835 als Fach eingerichtet,
Institut Berlin 1887, 1968 Rechtsmedizin).
Lit.: Handbuch der gerichtlichen Medizin, hg. v. Maschka,
J., 1881; Geschichte der gerichtlichen Medizin, hg. v. Mallach, H., 1996;
Lorenz, M., Kriminelle Körper – Gestörte Gemüter, 1999; Herber, F.,
Gerichtsmedizin unterm Hakenkreuz, 2002; 100 Jahre Deutsche Gesellschaft für
gerichtliche Medizin, hg. v. Madea, B., 2004
Gerichtsordnung ist die Gesamtheit der für ein
→Gericht unmittelbar geltenden Rechtssätze. Sie entwickelt sich aus dem
von der Kirche geförderten Gedanken, dass ein rechtliches Verfahren in klarer
Weise geordnet sein soll (lat. ordo [M.] iudiciarius). In der Neuzeit wird
hieraus die →Prozessordnung.
Lit.: Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903;
Meier, A., Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im
Gebiete der heutigen Schweiz, 1910; Meyer, D., Gerichtsverfahren und
Zivilprozess nach der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen
1972; Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause
1975, 110; Dank, E., Die Appellationsvorschriften der bayerischen
Gerichtsordnung von 1520, 1977; Loschelder, M., Die österreichische Allgemeine
Gerichtsordnung von 1781, 1978; Bader, K., Landes- und Gerichtsordnungen im
Gebiet des Fürstentums Fürstenberg, FS G. Schmelzeisen, 1980, 9
Gerichtsschreiber ist der wohl seit dem 14. Jh. an
einzelnen →Gerichten zur Aufzeichnung von Rechtshandlungen bestellte
besondere →Schreiber. Seine Rechtskenntnisse sind vielfach denen des
ungelehrten Richters und der ungelehrten Schöffen überlegen. 1923/1927 wird im
Deutschen Reich die Amtsbezeichnung G. durch Urkundsbeamter ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt
und Kanzlei des Reichshofgerichts 1235-1491, 1974; Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber
zum Rechtspfleger, 1993
Gerichtsstab →Richterstab
Lit.: Rintelen, M., Der Gerichtsstab in den
österreichischen Weistümern, FS H. Brunner, 1910, 631; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971
Gerichtsstand ist die örtliche, teilweise auch
sachliche Zuständigkeit eines Gerichts. Nach dem G. entscheidet sich, ob eine
an einem Gericht erhobene Klage zulässig ist. Der G. ist spätestens seit dem
Hochmittelalter sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Battenberg, F., Die
Gerichtsstandsprivilegien der deutschen Kaiser und Könige, 1983; Hubig, S., Die
historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002; Quick, E., Forum contractus. Eine
Untersuchung zur Gerichtsstandslehre im usus modernus, 2011
Gerichtsstätte ist die Stätte, an der Gericht
stattfindet. Sie befindet sich anfangs unter freiem Himmel (bei den Franken auf
dem Malberg, [lat.] mallobergus). 809 empfiehlt Karl der Große Lauben. Seit dem
13. Jh. erscheinen in den Städten steinerne Gerichtslauben und danach
Gerichtshäuser (z. B. Justizpaläste im 19. Jh.).
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
1 1879; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1938; Funk, W.,
Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Braun, E., Die Entwicklung der Gerichtsstätten
in Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1944; Klemmer, K. u. a., Deutsche
Gerichtsgebäude, 1993; Dolch, M., Öffentliche Gerichtsstätten in
mittelrheinischern Urkunden des Hoch- und Spätmittelalters (in) Archiv für
hess. Gesch. N. F. 68 (2010), 1 (360 Angaben)
Gerichtsverfahren ist das vor und von →Gerichten
durchgeführte Verfahren. Dabei wird bereits im altrömischen Recht zwischen
Zivilverfahren und Strafverfahren und zwischen Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsverfahren
unterschieden. Allerdings setzt sich das G. nur langsam gegenüber der
→Selbsthilfe des Verletzten durch. Mit der Entwicklung Roms zum Weltreich
wird dabei die gerichtliche Tätigkeit des Staates immer umfassender. Umgekehrt
ist auch in den germanischen Anfängen das G. gegenüber der →Selbsthilfe
(→Fehde) selten. König und Kirche fördern das G. seit dem
Frühmittelalter. Auf die Klage des Verletzten und die Klagantwort des Beklagten
entscheiden die unter der Leitung des →Richters versammelten
→Schöffen den Streit durch ein meist zweizüngiges →Urteil.
Entlastet sich der Beklagte nicht (durch Eid), so siegt der Kläger. Die
Vollstreckung führt der Kläger selbst durch. Eine Überprüfung des Urteils steht
nur dem König zu. Wohl erst im Hochmittelalter (str.) treten Zivilverfahren und
Strafverfahren auseinander. Im Strafverfahren gewinnt die amtliche
Untersuchung an Bedeutung. Das Zivilverfahren wandelt sich unter oberitalienisch-kanonistischem
Einfluss (Schriftlichkeit). Die Berufung (Appellation) an ein Obergericht
wird möglich. In England ändert sich das G. am stärksten zwischen 1154 und 1272.
In der Neuzeit erlangt eine Sonderstellung auch das Gebiet des sächsischen
Rechtes. Im 19. Jh. beeinflusst das freiere Verfahren der französischen Gesetze
Zivilprozess und Strafprozess in den deutschen Staaten.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen
Zivilprozesses, 1861, 3. unv. A. 1978; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J.,
Das Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung von
1571, 1908; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Leiser,
W., Der gemeine Zivilprozess in den badischen Markgrafschaften, 1961; Wesener,
G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Schmidt, E.,
Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1966;
Markov, J., Das landrechtliche Gerichtsverfahren in Böhmen und Mähren bis zum
17. Jahrhundert, ZRG GA 83 (1966), 145; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach
der Solmser Gerichtsordnung von 1571, Diss. jur. Göttingen 1972; Caenegem, R.
van, History of European Civil Procedure, 1973; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Fowler-Magerl, I., Ordo
iudiciorum vel ordo iudicicarius, 1984; Green, F., Verdict According to
Conscience, 1985
Gerichtsverfassung ist die grundsätzliche
organisatorische Gestaltung der Rechtspflege im Sinne einer allgemeinen
Verfasstheit. Sie ist anfangs ziemlich einfach, entwickelt sich aber seit dem
hohen Mittelalter mit dem Übergang wesentlicher Teile der Gerichtsbarkeit vom
König auf die Landesherren zu großer Vielfalt. 1877/1879 wird im Deutschen
Reich die partikuläre G. durch das Gerichtsverfassungsgesetz vereinheitlicht
(im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit Amtsgericht, Landgericht,
Oberlandesgericht, Reichsgericht, in Österreich Jurisdiktionsnorm von 1895
mit Bezirksgerichten, Landesgerichten (bzw. Kreisgerichten), Oberlandesgerichten
und Oberstem Gerichtshof [in Wien]). Veränderungen seit 1933 werden 1945 wieder
beseitigt (Gesetz Nr. 4 des Alliierten Kontrollrats vom 30. 10. 1945). 1950
folgt dem untergegangenen Reichsgericht der Bundesgerichtshof. Neben den
ordentlichen Gerichten stehen Verfassungsgerichte, Verwaltungsgerichte,
Arbeitsgerichte, Sozialgerichte und Finanzgerichte. Die Sonderentwicklungen
in der sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik
(1949, Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte vom 11. 6. 1968, Gesetz vom
27. 9. 1974) werden 1990 rückgängig gemacht. Beeinflusst wird die nationale G.
seit 1951/1952 auch zunehmend durch europäische Gerichte. →Gericht
Lit.: Kaser §§ 80, 87; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG
183, 200; Kühns, F., Geschichte der Gerichtsverfassung und des Prozesses der
Mark Brandenburg, Bd. 1f. 1865ff., Neudruck 1969; Sohm, R., Die fränkische
Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884), 1; Probst, K., Die Entwicklung der
Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911; Meister, E.,
Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Lenel, P., Die Scheidung
von Richter und Urteilern, ZRG RA 34 (1913), 440; Knapp, H., Alt-Regensburgs
Gerichtsverfassung, Strafverfahren und Strafrecht, 1914, Neudruck 1978;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht in der mittelalterlichen Gerichtsverfassung
Bayerns, 1929; Blankenhorn, R., Die Gerichtsverfassung der Carolina, Diss. jur.
Tübingen 1939; Baltl, H., Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, Archiv
f. österreich. Gesch. 118 (1951); Schlesinger, W., Zur Gerichtsverfassung des
Markengebietes östlich der Saale, Jb. f. d. Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands
2 (1953); Beiträge zur Geschichte des Gerichtswesens im Lande Braunschweig,
1954; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Lohmann, U.,
Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in der DDR, 1966; Weinkauff, H./Wagner, A.,
Die Umgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens- und Richterrechts
im nationalsozialistischen Staat, 1968; Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in
Oberhessen, 1978; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung (1869-1877),
1981; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und rechtsstaatlicher
Gerichtsverfassung, 1997; Lück, H., Die kursächsische Gerichtsverfassung, 1997;
Grilli, A., Die französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998;
Forster, M., Die Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing,
Diss. jur. Regensburg 1999; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in
Frankfurt am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136
Gerichtsverfassungsgesetz →Gerichtsverfassung
Gerichtsvollzieher ist seit dem 19. Jh. der mit den
Zustellungen, Ladungen und Vollstreckungen zu betrauende Beamte (schon
1793/195 AGO Preußens Exekutoren). Zuvor werden seine Aufgaben vom Büttel,
Fronboten oder Gerichtsdiener wahrgenommen. Vorbild des Gerichtsvollziehers
ist der huissier des Code de procédure civile Frankreichs von 1806 (in Kraft
1807), der in Berg 1813 und in den Generalgouvernements Mittelrhein und
Niederrhein 1814 in G. umbenannt wird (Baden 1851). 1877/1879 werden die
territorial unterschiedlichen Gestaltungen grundsätzlich, 1964 entsprechend
der früheren preußischen Regelung stärker vereinheitlicht.
Lit.: Köbler, DRG 202; Schneider, E., Die rechtliche
Stellung des Gerichtsvollziehers 1910; Schneider, J., Das
Gerichtsvollzieherwesen in den deutschen Ländern, 1934; Ziegler, H., Die
Stellung des Gerichtsvollziehers in der Zwangsvollstreckung nach dem Entwurf
einer ZPO von 1931, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1936; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Deutsch, A., 200 Jahre modernes
Gerichtsvollzieherwesen, DGVZ 2007, 1
Gerichtszeugnis ist vor allem die Aussage des
→Gerichts (Richter und Schöffen) über Handlungen und Ereignisse vor
Gericht. Das G. wird im Hochmittelalter häufig. Es erbringt vollständigen
Beweis einer Behauptung und kann nicht gescholten werden. Sachlich kann ein G.
auch in einer Gerichtsurkunde enthalten sein. Mit zunehmender
Verschriftlichung des menschlichen Lebens einschließlich des Rechtes verliert
das G. an Bedeutung. Nach § 291 ZPO bedürfen gerichtsbekannte Tatsachen keines
Beweises.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 2 1897, 157; Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
1985; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am
Reichshofrat, 1973; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite, 1986
Germane ist der Angehörige der Völker, die
sich von den Indogermanen abgespaltet haben und die besondere gemeinsame
Sprache Germanisch sprechen. Die Germanen werden vielleicht (in der ersten
Hälfte des 2. Jt.s v. Chr. oder) in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. in
Norddeutschland (und Südskandinavien) sichtbar. Sie lassen sich in mehrere
Großgruppen (z. B. Nordgermanen, Ostgermanen, Westgermanen, im Einzelnen str.)
und viele (bei Ptolemäus 68) kleinere, seit 325 v. Chr. im griechisch-römischen
Schrifttum genannte Völker gliedern(, für die sich 54 Fälle von Bündnissen oder
Feindschaften ermitteln lassen). Sie siedeln meist in Dörfern mit bis zu 20
Höfen mit bis zu 30 Metern langen Wohnstallhäusern. Ihr nicht sicher deutbarer
Name ist um 90 v. Chr. bei dem antiken Schriftsteller Poseidonios erstmals
bezeugt. Seit dem 1. Jh. v. Chr. dringen einzelne Gruppen nach Süden (Teutonen
102 v. Chr. bei Aix, Kimbern 101 v. Chr. bei Vercellae von den Römern
geschlagen). Die Benennung von Anführern als rex (König) könnte von Rom
beeinflusst sein. Auf etwa 235 n. Chr. ist ein 2008 entdeckter
römisch-germanischer Kampfplatz bei Northeim am Westrand des Harzes zu
datieren. Die zahlreichen germanischen Offiziere in der spätrömischen Armee lassen
sich als Wahlrömer verstehen. Im 4. Jh. überwinden die Germanen den ab 84 n.
Chr. von den Römern gegen sie errichteten Grenzwall (lat. [M.] →limes)
und brechen unter dem Druck der Hunnen ab 375 in der →Völkerwanderung in
das weströmische Reich ein. 476 setzt der Söldnerführer →Odowakar den
weströmischen Kaiser Romulus Augustulus ab. Es entstehen im Zuge einer
Umgestaltung der römischen Welt verschiedene Reiche einzelner, aus den G.
hervorgegangener Stämme (Franken, Goten, Burgunder, Alemannen, Langobarden,
Vandalen, Angelsachsen). Das Wissen über die G. entstammt im Wesentlichen den
römischen Schriftstellern (Caesar, Tacitus) und archäologischen Funden.
Lit.: Köbler, DRG 66; Dahn, F., Die Könige der
Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Ross, D., The early history of landholding among
the Germans, 1883; Rhamm, K., Die Großhufen der Nordgermanen, 1905; Grönbech,
W., Kultur und Religion der Germanen, Bd. 1f. 1909ff. 1937ff., 13. A. 2002;
Kossinna, G., Die Herkunft der Germanen, 1911; Reallexikon
der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J., 1911-1919, 2. A. 1973-2007
(35 Bände, 22358 Seiten, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952 Tafeln, 2
Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungsbände); Roessingh,
D., Het gebruik en bezit van den grond, 1915; Mayer, E., Germanische
Geschlechtsverbände und das Problem der Feldgemeinschaft, ZRG GA 44 (1924), 30;
Frahm, F., Cäsar und Tacitus als Quellen für die altgermanische Verfassung,
Historische Vierteljahrsschrift 24 (1928), 145; Koehne, C., Die Streitfragen
über den Agrarkommunismus der germanischen Urzeit, 1928; Voltelini, H. v.,
Nordgermanische Grabfunde, ZRG GA 51 (1931), 111; Neckel, G., Liebe und Ehe,
1932; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Ostgermanen, 2. A.
1934; Höfler, O., Kultische Geheimbünde der Germanen, 1934; Gædeken, P.,
Retsbrudet, 1934; Wührer, K., Beiträge zur ältesten Agrargeschichte des
germanischen Nordens, 1935; Eckhardt, K., Irdische Unsterblichkeit, 1937;
Schultz, W., Altgermanische Kultur, 4. A. 1937; Germanische Altertumskunde, hg.
v. Schneider, H., 1938; Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938;
Meyer, H., Das Wesen des Führertums in der germanischen Verfassungsgeschichte,
1938; Schmidt, L., Geschichte der deutschen Stämme. Die Westgermanen, 1938;
Eckhardt, K., Ingwi und die Ingweonen, ZRG GA 59 (1939), 1; Haller, J., Der
Eintritt der Germanen in die Geschichte, 1939; Paulsen, P., Axt und Kreuz bei
den Nordgermanen, 1939; Kienle, R., Germanische Gemeinschaftsformen, 1939;
Thaerigen, G., Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939; Eckhardt, K., Ingwi
und die Ingweonen, 2. A. 1940; Kramer, K., Die Dingbeseelung in der
germanischen Überlieferung, 1940; Rehfeldt, B., Recht, Religion und Moral bei
den frühen Germanen, ZRG GA 71 (1954), 1; Scovazzi, M., Le origini del diritto
germanico, 1957; Germanen, hg. v. Krüger, P., 5. A. 1988; Mildenberger, G.,
Sozial- und Kulturgeschichte der Germanen, 2. A. 1977; Uslar, R. v., Die
Germanen, 1980; Steuer, H., Frühgeschichtliche Sozialstrukturen in
Mitteleuropa, 1982; Germanenprobleme aus heutiger Sicht, hg. v. Beck, H.,
1986; Jacoby, M., Germanisches Recht und Rechtssprache zwischen Mittelalter und
Neuzeit, 1986; Picard, E., Germanisches Sakralkönigtum?, 1991; Price, A., The
Germanic Warrior Clubs, 2. A. 1996; Wolfram, H., Die Germanen, 1995, 7. A.
2002, 8. A. 2005; Günnewig, B., Das Bild der Germanen und Britannier, 1998;
Todd, M., Die Germanen, 2000; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Ernst, P./Fischer,
G., Die germanischen Sprachen, 2001; Krause, A., Die Geschichte der Germanen,
2002; Hermand, J./Niedermeier, M., Revolutio germanica. Die Sehnsucht nach der
alten Freiheit der Germanen 1750-1820, 2002; Bemmann, K., Arminius und die
Deutschen, 2002; Maier, B., Die Religion der Germanen, 2003; Simek, R.,
Religion und Mythologie der Germanen, 2003, 2. A. 2014; Arminius und die
Varusschlacht, hg. v. Wiegels, R. u. a., 3. A. 2003; Simek, R., Götter und
Kulte der Germanen, 2004; Maier, G., Ämter und Aufträge in der Romania Gothica,
2004; Kakoschke, A., Germanen in der Fremde, 2004 (174 Fälle); Busch, J., Das
Germanenbild der deutschen Rechtsgeschichte, 2004; Fruscione, D., Zur Frage
eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1; Rothenhöfer, P.,
Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien, 2005; Wiwjorra, I., Der
Germanenmythos, 2006; Die Germanen in der Völkerwanderung, hg. v. Goetz, H. u.
a., 2006; Timpe, D., Römisch-germanische Begegnung in der späten Republik und
frühen Kaiserzeit, 2006 (Aufsätze); Simek, R., Die Germanen, 2006; Ausbüttel,
F., Germanische Herrscher, 2007; Wells, P., Die Germanen sprechen 2007;
Feindliche Nachbarn - Rom und die Germanen, 2008; Bleckmann, B., Die Germanen,
2009; Tausend, K., Im Inneren Germaniens, 2009; Mohr, A., Eheleute,
Männerbünde, Kulttransvestiten, 2009; Ausbüttel, F., Die Germanen, 2009;
Euler, W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen, 2009; Kleineberg,
A., Germania und die Insel Thule, 4. A. 2010, 2. unv. A. 2011 (!); Timpe, D.,
Die Varusschlacht HZ 294 (2012). 593; Zwischen Germanomanie und Antisemitismus,
hg. v. Penke, N. u. a., 2016; Rubel, A., Religion und Kult der Germanen, 2016
Germania (bzw. De origine et situ Germaniae)
ist ein 98 n. Chr. (?) verfasstes Werk des römischen Schriftstellers Publius
Cornelius Tacitus (um 55-nach 115, 97 Konsul) über die Germanen und das von
ihnen bewohnte Gebiet (lat.) G. (zwischen Rhein, Donau, Weichsel und Ostsee),
wobei die Römer zwischen ihren Provinzen (lat.) Germania superior und Germania
inferior bzw. Germania I und Germania II sowie der nichtrömischen Germania im
Nordosten trennen und der Name G. bezeugt ist bei Caesar, Cicero, Velleius
Paterculus, Plinius maior, Pomponius Mela, Frontin, Tacitus, Plinius minor,
Sueton, Ptolemaeus (Ptolemäus), Junianus Justinus, Ammianus Marcellinus,
Historia Augusta u. s. w. sowie in den Digesten. Die G. schildert das Naturvolk
der Germanen als ein gegen den Sittenverfall in Rom nachzuahmendes Vorbild.
Deshalb bedürfen die Aussagen dieser für die germanische Zeit wichtigsten
Geschichtsquelle sorgfältiger Prüfung. Überliefert ist die G. durch eine
Hersfelder bzw. Fuldaer, 1455 nach Italien gebrachte und dort in ihrem die G.
betreffenden Teil verschollene Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jh.s.
Lit.: Müllenhoff, K., Die Germania des Tacitus, 1900,
neuer Abdruck 1920; Norden, E., Die germanische Urgeschichte in Tacitus’
Germania, 1920, 6. A.. 1974; Lintzel, M., Germanische Monarchien und Republiken
in der Germania des Tacitus, ZRG GA 54 (1934), 227; Die Germania des Tacitus,
hg. v. Much, R. u. a., 1937, 3. A. 1967; Melander, K., Tacitus Germania als
Quelle der deutschen Frühgeschichte, 1940; Krapf, L., Germanenmythos und
Rechtsideologie, 1979; Beiträge zum Verständnis der Germania des Tacitus, Teil
1f., hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989ff.; Gall, L., Die Germania als Symbol
nationaler Identität, 1993; Altes Germanien, hg. v. Goetz, H. u. a., 1995;
Germania, hg. v. Fuhrmann, M., 2000; Germania inferior, hg. v. Grünewald, T.,
2001; Däumer, J., Aufstände in Germanien und Britannien, 2005; Krebs, C.,
Negotiatio Germaniae, 2005; Riemer, U., Die römische Germanienpolitik, 2006;
Römische Präsenz und Herrschaft in Germanien, hg. v. Lehmann, G u. a., 2007;
Schulz, M., Caesar zu Pferde, 2008; Roms vergessener Feldzug, hg. v.
Pöppelmann, H. u. a., 2013
Germanische Sprache ist die aus späterer Überlieferung germanischer
bzw. germanistischer Sprachen (Gotisch, Burgundisch, Wandalisch, Altnordisch,
Altenglisch, Altfriesisch, Altniederfränkisch, Altsächsisch, Althochdeutsch,
Langobardisch bzw. Mittelenglisch, Mittelniederdeutsch, Mittelmitteldeutsch,
Mittelhochdeutsch bzw. Schwedisch, Dänisch, Norwegisch, Isländisch, Färöisch,
Englisch, Deutsch, Niederländisch, Friesisch, Afrikaans, Jiddisch und
Amerikanisch) rückerschlossene gemeinsame Sprache der germanischen Völker
(oder Germanen). Sie ist wie Altindisch, Altiranisch, Griechisch, Lateinisch,
Keltisch oder Slawisch eine aus dem Indogermanischen entstandene Sprache.
Besondere Kennzeichen sind Festlegung des ursprünglich freien Akzents auf die
Stammsilbe und dadurch bedingte Kürzung der Endsilben, erste (germanische)
Lautverschiebung, grammatischer Wechsel, Beschränkung auf die Zeiten
Gegenwart und Vergangenheit, Bildung schwacher Verb(form)en mittels eines
Dentalsuffixes (ed) und schwache Formen bei Adjektiven nach dem Muster der
Substantive. Der Vorgang des sprachlichen Umbaus vom Indogermanischen zum
(Ur-)Germanischen wird auf Mitteleuropa bezogen (z. B. Aller, Elz, Ohm) und mit
der Sesshaftwerdung (und der Schnurbandkeramik) verbunden. Das Germanische ist
von anderen Sprachen beeinflusst (z. B. Latein, Keltisch, Baltisch,
Griechisch) und hat andere Sprachen beeinflusst (z. B. Finnisch). Gegliedert
wird es beispielsweise in Nordgermanisch, Westgermanisch, Südgermanisch und
Ostgermanisch.i
Lit.: Krahe, H., Sprache und Vorzeit, 1954; Sonderegger, S., Grundzüge
deutscher Sprachgeschichte, 1979; Köbler, G., Germanisches Wörterbuch, 2. A.
1982 (rund 12000 Ansätze); Germanische Rest- und Trümmersprachen, hg. v. Beck,
H., 1986; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Scardigli,
P., Der Weg der deutschen Sprache, 1994; Pohl, W., Die Germanen, 2000; Euler,
W./Badenheuer, K., Sprache und Herkunft der Germanen. Abriss des
Protogermanischen vor der ersten Lautverschiebung, 2009; Euler, W., Das
Westgermanische, 2014
Germanisches Recht ist die Gesamtheit der bei den
verschiedenen Stämmen der →Germanen geltenden Rechtssätze, deren Bestand
aus unterschiedlichen Überlegungen verschiedentlich angezweifelt wird. Das
germanische Recht ist infolge der bescheidenen Überlieferung nur teilweise
(z. B. durch Caesar und Tacitus) bekannt oder (aus jüngeren Texten mit
erheblicher Ungewissheit) erschließbar. Es ist vermutlich größtenteils als
Gewohnheitsrecht entstanden, wenngleich auch einzelne Rechtssetzungsakte wahrscheinlich
sind. Ein mythischer Gesetzgeber ist ebensowenig anzunehmen wie ein
germanischer Rechtsgott. Die einzelne, in Raum und Zeit individuelle
germanische Völkerschaft behandelt ihre allgemeinen Angelegenheiten in der von
einem König oder mehreren Vornehmen geleiteten →Volksversammlung. Dort
entstehen auch (Meinungen, Entscheidungen oder) Urteile in Streitigkeiten.
Eine allgemeine Verfolgung findet nur bei wenigen Verhaltensweisen
(Volksverrat, Unzucht) statt. In der Familie steht der Hausvater an der
Spitze. Die Ehe ist grundsätzlich Einehe und wird vom Gewalthaber (Vater,
Vormund) über die Frau mit dem Mann abgeschlossen. Sie kann durch
Einverständnis der Eheleute oder durch Erklärung des Mannes aufgelöst werden.
Beim Tod fallen die Güter an die Kinder oder weiteren Verwandten. Ein Testament
gibt es nicht. Streitig ist, ob neben Haus und Hof auch Acker und Wiese einzeln
zugeordnet sind und der Berechtigte über sie verfügen kann. Die wohl seltenen
Tauschgeschäfte und Vergabungen erfolgen als Handgeschäfte. Unrechtserfolge
ziehen die →Fehde nach sich, doch ist ein Ausgleich durch Leistungen, die
teils an den Verletzten, teils an die Allgemeinheit gehen, möglich.
Lit.: Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842,
Neudruck 1960; Grundriss der germanischen Philologie, hg. v. Paul, H., 1890
(Recht v. Amira, K. v.); Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A.
1906, Neudruck 1958; Schreuer, H., Altgermanisches Sakralrecht, ZRG GA 34
(1913), 313; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang,
1915; Amira, K., Die germanischen Todesstrafen, 1922; Sonderegger, S., Die
ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. S: Bader 1965, 419;
Wiebrock, I., Die Sippe bei den Germanen der Frühzeit, 1979; Murray, Germanic
Kinship Structure, 1983; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung,
1984; Kroeschell, K., Germanisches Recht als Forschungsproblem, FS H. Thieme,
1986; Landau, P., Prinzipien germanischen Rechts als Grundlage
nationalistischer und völkischer Ideologie, (in) Zur Geschichte und Problematik
der Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F., 1999; Fruscione, D., Zur
Frage eines germanischen Rechtswortschatzes, ZRG GA 122 (2005), 1
Germanist ist der sich mit den (Germanen und)
Deutschen befassende Rechtswissenschaftler oder Sprachwissenschaftler (oder
auch Historiker). Er steht in Gegensatz zum Romanisten. Die Unterscheidung
entwickelt sich seit dem (17. Jh. [Conring, H.], De origine iuris Germanici,
1643, Hauschild 1741, Cg. [!] 1780 bzw.) 19. Jh. (Eichhorn, Grimm, Brunner). 1846
in Frankfurt am Main und 1847 in Lübeck treffen sich Germanisten der Staaten
des Deutschen Bundes zu (auch politisch geprägten) Tagungen. Die für Nürnberg
und das Jahr 1848 geplante Fortsetzung entfällt wegen der revolutionären
Unruhen. Danach verliert die Gegenüberstellung von juristischen Germanisten
und juristischen Romanisten allmählich mit der Positivierung, Kodifizierung und
auch Internationalisierung des Rechtes an Bedeutung. Ab 1860 wird ein deutscher
Juristentag veranstaltet, ab 1927 ein deutscher Rechtshistorikertag.
Lit.: Gierke, O. v., Die historische Rechtsschule und
die Germanisten, 1903; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus
der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Röther, K., Die
Germanistenverbände, 1980; Dilcher, G./Kern, B., Die juristische Germanistik
des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 101 (1984), 1; Zur Geschichte und Problematik der
Nationalphilologien in Europa, hg. v. Fürbeth, F. u. a., 1999; Internationales
Germanistenlexikon 1800 bis 1950, hg. v. König, C., 2003; Netzer, K.,
Wissenschaft aus nationaler Sehnsucht – Verhandlungen der Germanisten 1846 und
1847, 2006; Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008; Dilcher, G., Die
Germanisten und die historische Rechtsschule – Bürgerliche Wissenschaft
zwischen Romanistik, Realismus und Rationalisierung, 2016
Germanistik ist die (Germanen und) Deutsche betreffende
Wissenschaft in Recht, (Sprache und Geschichte) in Gegensatz etwa zu Recht
fremder Herkunft oder zu fremden Sprachen. Als Wissenschaft des einheimischen deutschen
Rechtes wird sie 1699 von Christian Thomasius in seinem Summarischen Entwurf
derer Grundlehren gefasst. Dem folgen bis etwa 1750 die protestantischen
Universitäten (z. B. Halle, Göttingen, Erlangen), danach auch die katholischen.
1741 wird anscheinend erstmals von G. geschrieben. Wichtigste Inhalte sind
deutsches Privatrecht (bis etwa 1970), partikulares einheimisches Recht (bis
etwa 1918) und Handelsrecht und Wechselrecht (1847 bzw. 1861 durch gesetzliche
Regelungen verselbständigt). Germanistische Juristen sind (nach Conring und
Thomasius) etwa Beyer, Kestner, Senckenberg, Heineccius, Pütter, Selchow,
Grimm, Eichhorn. Heise, Reyscher, Beseler, Mittermaier, Schmidt, Sohm, Gerber,
Eugen Huber oder Gierke. Seit etwa 1900 betrifft G. hauptsächlich die
Sprachwissenschaft
Lit.: Gierke, O., Die historische Rechtsschule, 1903; Germanistik und
deutsche Nation, hg. v. Müller, J., 1974, Neudruck 2000; Dilcher, G./Kern, B.,
Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 100 (1984), 1;
Schäfer, F., Juristische Germanistik, 2008; Schäfer, F., Zwischen BGB und
Schützengräben, ZNR 2009, 52; Schäfer, F., Aufbruch in die Moderne, ZRG GA 129
(2011), 212; Schäfer, F., Von der Genossenschaft zur Volksgemeinschaft, ZRG GA
132 (2015), 323; Wyss, U., Geschichte der Germanistik – Gesammelte Aufsätze,
hg. v. Buhr, C. u. a., 2015; Lück, C., Die Deutschen und ihr Recht, 2017;
Liebrecht, J., Die junge Rechtsgeschichte – Kategorienwandel in der
rechtshistorischen Germanistik der Zwischenkriegszeit, 2018
Gerüfte (Gerüft) ist
im mittelalterlichen deutschen Recht die durch Rufen bzw. Geschrei erfolgende
Verlautbarung eines (rechtswidrigen) Geschehens (z. B. einer Vergewaltigung)
oder einer drohenden Gefahr. Dem G. ist zwecks Hilfestellung von vielen Folge
zu leisten. Es befreit den Rufenden von dem Verdacht der Verheimlichung einer
Tat (z. B. Vorwurf des Mordes bei Tötung [in Notwehr]).
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 70; Köbler, WAS; Grimm,
J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994,
190, 517; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang, ZRG GA 37 (1916),
382; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1ff. 1920ff.,
Neudruck 1964
Gesamtgläubigerschaft ist die Gläubigerschaft, bei der
jeder Gläubiger die gesamte Schuld verlangen kann, der Schuldner aber nur
einmal zu leisten verpflichtet ist.
Lit.: Riedler, A. Gesamt- und Teilgläubigerschaft,
1998
Gesamthand (1864, gesamte Hand um 1275 Deutschenspiegel) ist die Mehrheit von Menschen,
denen ein Sondervermögen in besonderer Art und Weise (gesamthänderisch)
zusteht. Vielleicht fällt in einfachen Gesellschaften der Nachlass eines
Menschen an mehrere Erben allgemein in der Art und Weise an, dass der einzelne
Beteiligte über seinen Anteil (am Nachlass und einzelnen Nachlassgegenständen)
nicht (allein) verfügen kann. Jedenfalls deuten die mittelalterlichen
Rechtsquellen auf eine derartige Gestaltung (zu gesamter Hand) in Deutschland
(→Ganerbschaft, →Gemeinderschaft, →Handelsgesellschaft). In
der frühen Neuzeit behandelt die Rechtswissenschaft diese Verbindungen meist
als (lat. [F.]) →societas oder →communio. Daneben entwickelte sich
seit dem Ende des 17. Jh.s für eheliche Gütergemeinschaft, Gesamtbelehnung, Ganerbschaft
und Markgenossenschaft auch eine Vorstellung eines (lat.) dominium (N.) plurium
in solidum (Eigentum mehrerer als Einheit). Im 19. Jh. versteht Georg
→Beseler (1809-1888, Lehre von den Erbverträgen 1835, [lat.] dominium
plurium in solidum, Juristenrecht und Volksrecht 1843, System des gemeinen
deutschen Privatrechts, 1847) unter der G. eine Gemeinschaft, die für bestimmte
Beziehungen die Grenzen der Persönlichkeit ihrer Glieder aufhebt und dieselbe
gleichmäßig über die den Gliedern gemeinsam gewordene Rechtssphäre erweitert,
ohne dass jedoch ein neues selbständiges Rechtssubjekt in der Vereinigung
begründet wird. In der Schweiz anerkennt Johann Caspar Bluntschli für das
Privatgesetzbuch Zürichs (1854/1856) neben dem Miteigentum ein Gesamteigentum
(vgl. Art. 652ff. ZGB 1907/1911). Nach dem Protest Otto von →Gierkes
(1888/1889), dass ein Bürgerliches Gesetzbuch, das deutsch sein wolle, den
deutschen, sozialen Gemeinschaftsgedanken nicht aus dem Recht weisen dürfe,
wird auf Grund von Vorschlägen des Stettiner Rechtsanwalts Emil von Boyens die
G. als Prinzip, als dessen Kennzeichen die gemeinsame Verfügung der mehreren
Beteiligten über den Gegenstand und die Anwachsung der Berechtigung beim
Wegfall eines Beteiligten (an die Berechtigungen der Verbleibenden) angesehen
werden, an einzelnen Stellen noch in die in Kraft gesetzte Fassung des
deutschen →Bürgerlichen Gesetbuchs (1. 1. 1900) aufgenommen (Gesellschaft,
eheliche Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft). Die G. ist nicht juristische
Person. Ihre rechtliche Gestaltung ist lange streitig. 2001 spricht der Bundesgerichtshof
Deutschlands der nach außen im Rechtsverkehr auftretenden Gesellschaft des
bürgerlichen Rechtes als Gesamthand Rechtsfähigkeit zu, womit die G. von ihren
geschichtlichen Wurzeln gelöst wird.
Lit.: Hübner 154, 250, 570, 680; Kroeschell, DRG 2, 3;
Köbler, DRG 122, 207; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2
1873, 923; Frommhold, G., Zur Geschichte der gesamten Hand, ZRG GA 37 (1916),
504; Breitbach, H., Gesamthand und Unternehmen, Diss. jur. 1929; Steinbach, R.,
Die deutschen Rechtsgemeinschaften zur gesamten Hand, Diss. jur. 1936; Buchda,
G., Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, 1936;
Schulze-Osterloh, J., Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972; Seif,
U., Die Gesamthand als Konstruktion der Germanistik, ZRG GA 118 (2001), 302;
Wächter, T., Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürgerliche
Gesetzbuch, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Limbach, F., Gesamthand und Gesellschaft, 2016
Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) ist die
Nachfolge in einen Inbegriff oder eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen
ohne einzelne Übertragungsakte. Sie ist schon dem römischen Recht bei der
→Erbfolge bekannt. An tatsächlicher Bedeutung wird sie aber von der im
Übrigen vorgesehenen Einzelrechtsnachfolge (z. B. durch Übereignung)
übertroffen.
Lit.: Kaser § 65 II; Köbler, DRG 37, 59, 210;
Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Gesamtschuld (Gesamtschuldner 1807) ist die Schuld, die mehrere in der
Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der
Gläubiger aber die Leistung insgesamt nur einmal zu fordern berechtigt ist. Sie
ist bereits im klassischen römischen Recht (lat. [N.] [debitum] in solidum)
zumindest in den Wurzeln angelegt (Celsus D. 31, 16 frühes 2. Jh., Papinian E.
2. Jh.) und in der Kompilation Justinians (527-534) von der Stipulation aus
verallgemeinert. Wegen ihrer Brauchbarkeit für den Gläubiger mehrerer Schuldner
hat sie sich bis zur Gegenwart behauptet.
Lit.: Kaser § 56 II 1; Köbler, DRG 44; Ehmann, H., Die
Gesamtschuld, 1972; Winter, H., Teilschuld, Gesamtschuld und unechte
Gesamtschuld, 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 51 (Solidarität); Schmieder, P., Duo rei.
Gesamtobligationen im römischen Recht, 2007; Meier, S., Gesamtschulden, 2010;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gesandter ist der diplomatische Vertreter
eines Staates bei einem anderen Staat oder einer internationalen Organisation.
Bereits im römischen Recht ist der fremde Gesandte wegen der Wichtigkeit
auswärtiger Beziehungen unverletzlich. Im 15. Jh. wird in Italien der ständige
Gesandte geschaffen. Seit dem 19. Jh. wird das Völkerrecht bezüglich des
Gesandten bzw. der Gesandtschaft (z. B. Unbetretbarkeit des Gebäudes) genauer
ausgestaltet (Wiener Reglement vom 19. 3. 1815, Aachener Protokoll vom 21. 11.
1818, danach Wiener Übereinkommen vom 18. 4. 1961).
Lit.: Krauske, O., Zur Entwicklung der ständigen
Diplomatie, 1885; Menzel, V., Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter,
1892; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch der Karolinger mit den Abbasiden,
1976; Cuttino, G., English Medieval Diplomacy, 1985; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Gesandtschafts- und Botenwesen im
spätmittelalterlichen Europa, hg. v. Schwinges, R. u. a., 2003; Aus der
Frühzeit europäischer Diplomatie, hg. v. Zey, C. u. a., 2008; Antonio degli
Albissz, L. d‘ u. a., Legazione alla corte di Francia, 2015
Geschäft (um 765 belegt)
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Geschäftsfähigkeit (1779, geschäftsfähig 1573) ist die Fähigkeit, mit rechtlicher
Wirkung durch eigene Handlung Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Sie wird bereits vom
römischen Recht dem Kind (lat. [M.] infans) (unter 7) (und dem Geisteskranken
sowie dem Verschwender) abgesprochen. Der etwas ältere Unmündige (lat. [M.]
impubes infantia maior) kann rechtlich unvorteilhafte Geschäfte nur mit
Einverständnis des Vormunds vornehmen. Um 200 v. Chr. sieht eine (lat.) lex
(F.) Laetoria vor, dass die noch nicht 25jährigen (lat. minores) geschützt
werden, woraus die Möglichkeit entwickelt wird, durch Wiederherstellung des früheren
Zustands (lat. in integrum restitutio [F.]) die Leistungen und sonstigen
benachteiligenden Maßnahmen wieder rückgängig zu machen. Im germanischen Recht
steht das Kind bis zu seiner Verselbständigung unter der Hausgewalt des
Hausvaters oder bis zur Wehrhaftmachung bzw. Geschlechtsreife unter der
Hausgewalt des Vormunds. Zwar sind die Geschäfte von Unmündigen wohl an sich
wirksam, aber die Unmündigen können die von ihnen oder vom Inhaber der
Personalgewalt getätigten Geschäfte nach Erreichen der Mündigkeit widerrufen
und umgekehrt Geschäfte, durch die sie verpflichtet werden, nicht erfüllen,
solange ihr Vermögen von einem Gewalthaber verwaltet wird. Mit der Aufnahme
des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden dessen Regeln
(abgeändert) übernommen. Geschäfte der Geschäftsunfähigen sind nichtig
(Kinder unter 7, Entmündigte, Geisteskranke), Geschäfte der beschränkt
Geschäftsfähigen bedürfen der Genehmigung des gesetzlichen Vertreters, soweit
sie nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Der Ausdruck G. wird am 12. 7.
1875 in Preußen verwendet. Die unbeschränkte G. tritt nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1. 1. 1900) mit 21 Jahren ein, in der Deutschen Demokratischen
Republik (1950) mit 18 Jahren und in der Bundesrepublik Deutschland 1975 auch mit
18 Jahren(, vgl. auch § 105a BGB von 2002).
Lit.: Kaser § 14 I; Hübner 55; Köbler, DRG 160, 207;
Knothe, H., Die Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen, 1983; Wolter, U.,
Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, 1991; Benöhr, H., Über Udo Wolters
Buch zu Termingeschäftsfähigkeit kraft Information, ZRG GA 112 (1995), 413;
Minzenmay, S., Die Wurzeln des Instituts der Geschäftsfähigkeit im Naturrecht
des 17. Jahrhunderts, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Geschäftsführung ohne Auftrag (Geschäftsführung 1691,
Geschäftsführung ohne Auftrag 1811, Geschäftsführer 1807, Geschäftsherr 1351)
ist das gesetzliche, unvollkommen zweiseitige Schuldverhältnis, das dadurch
entsteht, dass ein Geschäftsführer (ohne Auftrag) für einen anderen
(Geschäftsherrn) ein Geschäft besorgt, obwohl zwischen ihnen noch kein
Rechtsverhältnis (Auftrag) besteht. Die G. o. A. (lat. negotia [N.Pl.] gesta,
geführte Geschäfte) ist im römischen Recht entsprechend ihrer Stellung im Edikt
des Prätors vermutlich von der Vertretung (eines abwesenden Freundes) im
Rechtsstreit ausgegangen. Die Verpflichtungen aus der Tätigkeit (Herausgabe
des vom Geschäftsführer Erlangten, Ersatz der Aufwendungen des
Geschäftsführers) werden wie beim Auftrag auf die Treue (lat. [F.] fides)
begründet. Justinian ordnet die G. o. A. als Quasikontrakt ein. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes wird die G. o. A. als gesetzliches
Schuldverhältnis in Deutschland übernommen.
Lit.: Kaser § 44 II; Söllner § 9; Köbler, DRG 47;
Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, § 98; Sippel, H., Geschäftsführung ohne
Auftrag, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Geschäftsgrundlage ist die Gesamtheit der wesentlichen, nicht
(besonders vereinbarten) Vertragsbestandteil gewordenen Voraussetzungen
eines Vertragsschlusses. Oertmann gibt der Lehre vom Wegfall der G. eine sich
im 20. Jh. durchsetzende Gestalt. 2002 erfolgt eine allgemeine Aufnahme in das
Bürgerliche Gesetzbuch Deutschlands. →clausula rebus sic stantibus
Lit.: Zirker, M., Vertrag und Geschäftsgrundlage,
1996; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und italienischen
Recht, 2002; Huang, Z., Zur Lehre von der Geschäftsgrundlage nach altem und
neuem Recht, 2009
Geschäftsordnung ist die einer Geschäftsführung
einer Gruppe von Menschen zugrundegelegte Ordnung. Sie entsteht anfangs nur
inhaltlich, wird aber im politischen Bereich in England seit dem 16. Jh. in
Fallsammlungen abgebildet. In Frankreich gibt sich 1814 die Abgeordnetenkammer
eine formelle G. die zum Vorbild für viele weitere Geschäftsordnungen wird.
Lit.: Hatsell, J., Precedents of proceedings in the
House of Commons, 1781; Die Geschäftsordnungen deutscher Parlamente seit 1848,
hg. v. Deutschen Bundestag, 1986; Hayungs, C., Die Geschäftsordnung des
hannoverschen Landtages, 1999; Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter
der Kodifikationen, 2004
Geschäftsunfähigkeit →Geschäftsfähigkeit
Geschäftszeuge ist der zu einem Geschäft als
→Zeuge zugezogene Mensch. Er findet sich bereits im frühen römischen und
wohl auch im germanischen Recht. Mit Vordringen der Schriftlichkeit verliert er
gegenüber der dauerhafteren Urkunde seit dem Hochmittelalter grundsätzlich an
Bedeutung.
Lit.: Ruth, R., Zeugen und Eideshelfer, 1922; Lepsius,
S., Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003
Geschichte
ist das in der
Dimension Zeit Geschehene und die (im Rahmen der Rhetorik) damit befasste
Wissenschaft (Anfänge bei [Eunapios, ]Herodot und Thukydides in der
griechischen Antike), wobei als Urgeschichte die schriftlose Zeit und als
Frühgeschichte die nur durch extern erstellte Schriftquellen beleuchtete Zeit
verstanden und im Übrigen herkömmlicherweise zwischen Altertum, Mittelalter und
Neuzeit (einschließlich der Zeitgeschichte) unterschieden wird. Besondere
Gebiete der G. sind beispielsweise das Recht, die Gesellschaft oder die
Wirtschaft. Methode der G. ist das Verstehen des Vergangenen durch den
gegenwärtigen Betrachter. Grundfiguren der Geschichtsschreibung sind nach Alexander
Demandt Dekadenzgedanke, Fortschrittsbewusstsein samt Fortschrittskritik,
Kreislauftheorien, Epochenbewusstsein, Aufklärung, historischer
Idealismus, universaler Individualismus, Historismus, historischer Materialismus,
paradigmatisches Geschichtskonzept, Morphologie der Weltgeschichte, Geschichtsbiologismus
und posthistorische Apokalyptik. Im 19. Jh. wird die G. zu einer
eigenständigen Wissenschaft (Leopold von Ranke, Johann Gustav Droysen)
Lit.: Wattenbach, W., Deutschlands Geschichtsquellen
im Mittelalter, 1858; Below, G. v., Die deutsche Geschichtsschreibung, 1916;
Rothenbücher, K., Über das Wesen des Geschichtlichen, 1926; Wattenbach, W.,
Deutschlands Geschichtsquellen, Bd. 1ff. 1938ff.; Brandenburg, E., Der Begriff
der Entwicklung, 1941 (SB Leipzig); Weis, E., Geschichtsschreibung und
Staatsauffassung in der französischen Enzyklopädie, 1956; Dahlmann/Waitz,
Quellenkunde der deutschen Geschichte, 10. A. Bd. 1f. 1969ff.; Fuchs, K./Raab,
H., Wörterbuch Geschichte, 11. A. 1998; Baumgart, W., Bücherverzeichnis zur
deutschen Geschichte, 15. A. 2003, 17. A. 2010, 18. A. 2014; Brandt, A.,
Werkzeug des Historikers, 1958, 17. A. 2007; Postel, R., Johann Martin Lappenberg,
1972;Henze, D., Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher der Erde, Bd. 1ff.
1978ff. (Sonderausgabe 2011); Meister, K., Die griechische
Geschichtsschreibung, 1990; Simon, C., Historiographie, 1996; Demandt, A.,
Geschichte der Geschichte, 1997; Burkardt, J., Die historischen
Hilfswissenschaften in Marburg, 1997; Iggers, G., Deutsche
Geschichtswissenschaft, 4. A. 1997; Hauptwerke der Geschichtschreibung, hg. v.
Reinhardt, V., 1997; Flach, D., Römische Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Das
europäische Geschichtsbuch, 1998; Kirste, S., Die Zeitlichkeit des positiven
Rechts, 1998; Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, 1999;
Das Jahrtausend im Spiegel der Jahrhunderte, hg. v. Gall, L., 1999; Chun, J.,
Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, 2000; Geschichtskultur, hg. v. Mütter,
B. u. a., 2000; Henning, E., Auxilia historica, 2000, 2. A. 2004, 3. A. 2015;
Mehl, A., Römische Geschichtsschreibung, 2001; Kompass der Geschichtswissenschaft,
hg. v. Lottes, G. u. a., 2001; Internet-Handbuch Geschichte, hg. v. Jenks, S.
u. a., 2001; Wolfrum, E., Geschichte als Waffe, 2001; Die Nation schreiben, hg.
v. Conrad, C. u. a., 2002; Geschichtswissenschaft um 1950, hg. v. Duchhardt,
H., 2002; Lexikon Geschichtswissenschaft, hg. v. Jordan, S., 2002;
Geschichte(n) der Wirklichkeit, hg. v. Landwehr, A., 2002; Kompass der
Geschichtswissenschaft, hg. v. Eibach, J. u. a., 2002; Fellner, F.,
Geschichtsschreibung und nationale Identität, 2002; Formen römischer Geschichtsschreibung
von den Anfängen bis Livius, hg. v. Eigler, U., 2003; Howell, M./Prevenier, W.,
Werkstatt des Historikers, 2004; Freytag, N./Piereth, W., Kursbuch Geschichte,
2004; Griff nach der Deutungsmacht, hg. v. Winkler, A., 2004;
Geschichtspolitik, hg. v. Fröhlich, C. u. a., 2004; Wozu Geschichte(n)?, hg. v.
Sommer, A. u. a., 2004; Fried, J., Der Schleier der Erinnerung, 2004; Herbst,
L., Komplexität und Chaos, 2004; Schramm, G., Fünf Wegscheiden der
Weltgeschichte, 2004; Fasolt, C., The Limits of History, 2004; Clemens, G.,
Sanctus amor patriae, 2004; Zwenger, T., Einführung in die
Geschichtsphilosophie, 2005; Tschopp, S., Das Unsichtbare begreifen, HZ 280
(2005), 39; Geschichtsdarstellung, hg. v. Borsò, V. u. a., 2005; Baberowski,
J., Der Sinn der Geschichte, 2005; Nolte, H., Weltgeschichte, 2005; Geschichte
für Leser, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 2005; Völkel, M., Geschichtsschreibung,
2005; Historische Hilfswissenschaften, hg. v. Diederich, T. u. a., 2005;
Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs, 2005 (Mayer, Aubin, Baethgen, Heimpel,
Grundmann, Tellenbach, Schlesinger, Bosl, Beumann); Fellner, F. u. a., Österreichische
Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2006; Christ, K., Klios Wandlungen.
Die deutsche Althistorie, 2006; Hasberg, W., Didaktik der Geschichte, 2006;
Pape, J., Der Spiegel der Vergangenheit, 2006; Völkel, M., Geschichtsschreibung,
2006; Große, J., Kritik der Geschichte, 2006; Timpe, D., Antike
Geschichtsschreibung, 2007; Langewiesche, D., Zeitwende. Geschichtsdenken
heute, hg. v. Plaert, U. u. a., 2008; Österreichische Historiker 1900-1945,
hg. v. Hruza, K., Bd. 1f. 2008ff.; Geschichte, hg. v. Budde, G. u. a., 2008;
Die Rückkehr der deutschen Geschichtswissenschaft, hg. v. Pfeil, U., 2008;
Goetz, H., Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter,
2. A. 2009; Henning, E., 175 Fragen & Antworten rund um die historischen
Hilfswissenschaften, 2009; WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., Bd. 1ff.
2009ff.; Nolte, H., Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; Daniels, M.,
Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009; Geschichte schreiben, hg. v.
Rau, S. u. a., 2009; 150 Jahre Geschichtsforschung, 2009; Historiographie an
europäischen Höfen, hg. v. Völkerl, M. u. a., 2009; Nolte, H., Weltgeschichte
des 20. Jahrhunderts, 2009; Näf, B., Antike Geschichtsschreibung, 2010; Fritz,
H. u. a., Fachwissenschaft Geschichte, 2010; Mégier, E., Christliche
Weltgeschichte im 12. Jahrhundert, 2010; Paravicini, W., Die Wahrheit der
Historiker, 2010; Geschichtswissenschaft in der Demokratie, hg. v. Cornelißen,
C., 2010; Vademekum der Geschichtswissenschaften, 9. A. 2010, 10. A. 2012;
Dunkhase, J., Werner Conze, 2010; Kamp, A., Vom Paläolithikum zur Postmoderne -
Die Genese unseres Epochen-Systems, Bd. 1 2010; Greiert, A., Viele sind
berufen, aber wenige auserwählt, HZ 292 (2011), 398; Demandt, A., Philosophie
der Geschichte, 2011; Haber, P., Digital Past, 2011; The Oxford History of
Historical Writing, hg. v. Woolf, D., Bd. 1ff. 2011ff.; The Oxford Handbook of
World History, hg. v. Bentley, J., 2011; The Oxford History of Historical
Writing, hg. v. Woolf, D., Bd. 2 20012; Geschichtsvorstellungen, hg. v.
Patzold, S. u. a., 2012; Gierl, M., Geschichte als präzisierte Wissenschaft -
Johann Christoph Gatterer, 2012; A Companion to World History, hg. v. Northrop,
D., 2012; Gerber, D., Analytische Metaphysik der Geschichte, 2012;
Geschichtsschreibung als herrschaftskritische Aufgabe, hg. v. Kuretsidis-Haider, C. u. a., 2013; Mazower,
M., Die Welt regieren, 2013; Braudel, F., Geschichte als Schlüssel zur Welt, hg.
v. Schöttler, P., 2013; Rohbeck, J., Zukunft der Geschichte, 2013; Iggers, G.
u. a., Geschichtskulturen, 2014; Rösener, W., Das Max-Planck-Institut für
Geschichte (1956-2006) - Fünfzig Jahre Geschichtsforschung, 2014;
Geschichtsphilosophie – Stellenwert und Aufgaben in der Gegenwart, hg. v.
Langthaler, R. u. a., 2014; Geschichte denken, hg. v. Wildt, M., 2014; Heß. P.,
Geschichte als Politikum, 2014; Geschichtsforschung in Deutschland und
Österreich im 19. Jahrhundert, hg. v. Ottner, C. u. a., 2014; Gehrke, H.,
Geschichte als Element ntiker Kultur, 2014; Die Wirklichkeit der Geschichte,
hg. v. Haas, S. u. a., 2015; Hasselhorn, B., Johannes Haller, 2015; Neugebauer,
W., Otto Hintze, 2015 (1861-1940); Dworok, G., Historikerstreit und
Nationswerdung, 2015; Schöttler, P., Die „Annales“-Historiker und die deutsche
Geschichtswissenschaft, 2015 (statt Männern, Kriegen und Diplomatie nunmehr
Ökonomie, Gesellschaft, Technik und Mentalität); Transformationen des
Historischen, hg. v. Finger, D., 2015; Die Wirklichkeit in der Geschichte, hg.
v. Haas, S. u. a., 2015; Rödder, A., 21.0 Eine kurze Geschichte der Gegenwart,
2015, 2. A. 2015; Lemberg, J., Der Historiker ohne Eigenschaften, 2015; Rohr,
C., Historische Hilfswissenschaften, 2015; ; Dworok, G., Historikerstreit und
Nationswerdung, 2015; Schnicke, F., Die männliche Disziplin – Zur
Vergeschlechtlichung der deutschen Geschichtswissenschaft 1780-1900, 2015; Karl
Lamprecht (1856-1915), hg. v. Flöter, J., 2015; Will, W., Herodot und
Thukydides – Die Geburt der Geschichte, 2015Heinzel, R., Theodor Mayer, 2016;
Raaflaub, K., Die große Heruasforderung – Herodot, Thukydides und die Erfindung
einer neuen Form von Geschichtsschreibung, HZ 302 (2016) 593; Land – Geschichte
– Identität, hg. v. Gräf, H. u. a., 2016; Vorgeschichte der Gegenwart, hg. v.
Doering-Manteuffel, A. u. a., 2016; Schneider, B., Erich Maschke, 2016 (bis
1945 überzeugter Nationalsozialist)
Geschlecht ist der (agnatische) Familienverband und die
natürliche Verschiedenheit von Lebewesen hinsichtlich der Fortpflanzungsfunktion
(Geschlechterforschung).
Lit.: Stoob, H., Die dithmarsischen Geschlechterverbände, 1951;
Frauen in der Geschichte des Rechts, hg. v. Gerhard, U., 1997; Duncker, A.,
Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Gottschalk, K., Eigentum,
Geschlecht, Gerechtigkeit, 2003; Fried, J., Konradiner und kein Ende, ZRG GA
123 (2006), 1; Geschlechterbeziehungen in Ostmitteleuropa nach dem zweiten
Weltkrieg, hg. v. Kraft, C., 2008; Gender Difference in European Legal
Cultures, hg. v. Gottschalk, K., 2013
Geschlechtsvormundschaft →Vormundschaft, Frau
Lit.: Signori, G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft,
ZRG GA 116 (1999), 119
Geschmacksmuster ist das ästhetisch wirkende
gewerbliche Muster oder Modell, das durch Gesetz zugunsten des Urhebers
besonders geschützt ist. Seine Anfänge gehen auf Zunftordnungen in Florenz
(1418), Genf (1432), Flandern und Burgund zurück. Staatliche Regelungen werden im
18. Jh. in Frankreich (1711, 1744) und England (1787) erlassen. Eine
Unterscheidung zwischen Kunstwerk und G. findet Frankreich (1787, 1806). In
Deutschland wird am 11. 1. 1876 das Geschmacksmustergesetz geschaffen.
Lit.: Schmid, P., Die Entwicklung des Geschmacksmusterschutzes,
1896; Werner, H., Die Geschichte des deutschen Geschmacksmusterrechtes, Diss.
jur. Erlangen 1954
Geschworener (lat. [M.] iuratus) ist der Mensch,
der einen Schwur (→Eid) abgelegt hat (, eine Handlung rechtmäßig auszuführen).
Geschworene treten im römischen Recht und auch im Frühmittelalter im deutschen
Recht auf. Insbesondere Inhaber eines Amtes müssen einen Eid leisten, ihr Amt
rechtmäßig auszuüben (z. B. Richter, Schöffe, Bürgermeister, Ratmann). Im 19.
Jh. wird das →Schwurgericht mit besonderen Geschworenen besetzt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 11; Köbler, DRG 263; Biener,
F., Beitrag zur Geschichte des Inquisitionsprozesses und der
Geschworenengerichte, 1827, Neudruck 1965; Gneist, R. v., Die Bildung der
Geschworenengerichte in Deutschland, 1849, Neudruck 1967; Mayer, E.,
Geschworenengericht und Inquisitionsprozess, 1916; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Behrends, O., Die römische Geschworenenverfassung,
1970; Kleinz, A., Individuum und Gemeinschaft in der juristischen Germanistik,
2001
Geschworenengericht ist in Österreich bis 1993 das Gericht, in dem
seit 18. 5. 1848 Laien (Geschworene, zunächst nur in Pressedelikten, in
sonstigen Delikten 17. 1. 1850, 1852 abgeschafft, wiedereingeführt für
Pressedelikte mit Gesetz vom 9. 3. 1869, allgemein ab 23. 5. 1873) allein über
die Schuldfrage zu entscheiden haben (aufgehoben vom 19. 6. 1934-22. 11.
1950).
Lit.: Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in Österreich bis
1918, 2004
Geselle ist ursprünglich der Mensch, der
(mit einem anderen Menschen) im selben Raum lebt. Im 18. Jh. wird G. (in
Ablösung von Knecht) zur Bezeichnung des Handwerkers, der nach einer Lehrzeit
eine Prüfung bestanden hat und noch nicht Meister ist.
Lit.: Köbler, WAS; Schanz, G., Zur Geschichte der
deutschen Gesellenverbände, 1877; Wissell, R./Hahm, K., Des alten Handwerks
Recht und Gewohnheit, Bd. 1ff. 2. A. 1981; Reininghaus, W., Die Entstehung der
Gesellengilden im Spätmittelalter, 1981; Historische und rechtshistorische
Beiträge und Untersuchungen zur Frühgeschichte der Gilde, hg. v. Jankuhn, H. u.
a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Wesoly, K.,
Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985; Reith, R., Arbeits- und
Lebensweise im städtischen Handwerk, 1988; Bräuer, H., Gesellen im sächsischen
Zunfthandwerk 1989; Wadauer, S., Die Tour der Gesellen, 2005
Gesellschaft (Wort 830 Tatian, Gesellschaftsvermögen 1742) ist die Gesamtheit von Menschen,
insbesondere im Privatrecht die Vereinigung mehrerer Menschen (ausnahmsweise
nach neuerer Entwicklung auch die Tätigkeit eines einzigen Menschen) durch
Rechtsgeschäft zur Erreichung eines (gemeinsamen) Zweckes. Im altrömischen
Recht schließt sich die G. an die Hauserbengemeinschaft (lat. [N.]
→consortium, ohne persönliche Haftung der Gesellschafter) an. Daneben
entwickelt sich in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten ein formfreier
Zusammenschluss zu gemeinschaftlichen Handelsunternehmungen. Aus beiden
entsteht die G. (lat. [F.] →societas). Wohl auch im Anschluss an die
Miterbengemeinschaft bilden sich im Hochmittelalter vertragliche Zusammenschlüsse
zu Handelszwecken unterschiedlicher Ausgestaltung (stille G., offene G.,
beschränkte Haftung, unbeschränkte Haftung, Mitarbeit, Kapitaleinsatz,
wahrscheinlich persönliche Haftung des Gesellschafters, erstmals jedenfalls
angeordnet in Stadtrechtsreformationen). Hieraus werden allmählich die
offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die stille G. Nach
Entdeckung der neuen Welt bewirken hoher Kapitalbedarf und großes Risiko (der
Seefahrt) die Ausbildung der →Aktiengesellschaft (Anfang 17. Jh.). In
den Kodifikationen zwischen 1794 und 1811 wird das Gesellschaftsvermögen zum
eigenen Haftungsvermögen. Im 19. Jh. wird das Recht der G. genauer geregelt
(Code de commerce, ADHGB 1861). 1892 wird im Deutschen Reich durch Gesetz eine
besondere →G. mit beschränkter Haftung geschaffen. Die Grundform der
nichtrechtsfähigen G. wird im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) als
→Gesamthand ausgestaltet. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird
zunächst bei der G. mit beschränkter Haftung die →Einmanngesellschaft
zugelassen und 2001 die Teilrechtsfähigkeit und damit auch die Parteifähigkeit
einer bürgerlichrechtlichen Außengesellschaft anerkannt.
Lit.: Kaser § 43; Hübner § 41; Köbler, DRG 14, 17, 29,
45, 46, 51, 64, 67, 98, 121, 135, 146, 167, 176, 207, 225, 252; Köbler, WAS;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 801; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Lehmann, K., Die geschichtliche Entwicklung
des Aktienrechts, 1895, Neudruck 1968; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, 1898; Silberschmidt, W., Beteiligung und Teilhaberschaft,
1915; Lévy-Bruhl, H., Histoire juridique des Sociétés de Commerce en France,
1938; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften,
1976; Servos, R., Die Personenhandelsgesellschaften und die stille
Gesellschaft, Diss. jur. Köln 1984; Weißen-Micus, M., Tatbestandsmerkmale des
Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, § 107; Blickle, P., Unruhen in der ständischen
Gesellschaft, 1988, 2. A. 2010, 3. A. 2012; Misera, K., Klagen manente
societate, FS R. Nirk, 1992, 697; Reiter, H., Die Handelsgesellschaft Villeroy
& Boch, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften, 1993; Gall, L.,
Von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft, 1993, 2. A. 2012;
Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und Obrigkeit, 1997; Cordes, A.,
Spätmittelalterlicher Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W.,
Geschichte und Rechtsstellung der Compagnie in Europa, Diss. jur. Bonn 2000;
Hofmeister, J., Die Entwicklung des Gesellschafterwechsels, 2002; Thomas, F.,
Die persönliche Haftung von Personengesellschaftern, 2003; Meissel, F.,
Societas, 2004; Weiss, M., Rechtsfähigkeit, Parteifähigkeit und
Haftungsordnung der BGB-Gesellschaft, 2005; Politische Vereine, Gesellschaften
und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2005;
Jahntz, K., Privilegierte Handelscompagnien in Brandenburg und Preußen, 2006;
Hasselmann, N., Die Lehre Ulmers zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts, 2007;
Oechsler, J., Die Geschichte der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, NJW
2008, 2471; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Stamm, V., Soziale Zwischengruppen in der mittelalterlichen
Agrargesellschaft, HZ 291 (2010), 1; Riedel, M., Bürgerliche Gesellschaft,
2011; Cassels, N., Social Legislation of the East India Company, 2013; Schlögl,
R., Anwesende und Abwesende – Grundriss für eine Gesellschaftsgeschichte der
frühen Neuzeit, 2014; Die Grenzen des Netzwerks 1200-1600, hg. v. Hitzbleck, K.
u. a., 2014; Die demographische Zeitbombe, hg. v. Kaufmann, F. u. a., 2015;
Brauner, C., Kompanien, Könige und Caboceers, 2015; Di Fabio, U., Schwankender
Westen, 2015; Schlögl, R., Anwesende und Abwesende, 2014
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist die im Vergleich zur älteren
Aktiengesellschaft einfacher gestaltete, rechtsfähige Kapitalgesellschaft,
die unter Aufnahme einzelner Züge der englischen limited company (act von
1882) (am 20. 4.) 1892 im Deutschen Reich (Österreich 6. 3. 1906, Schweiz
1937) durch besonderes Gesetz geschaffen wird und die im 20. Jh. beachtliche
Verbreitung erfährt. Zulässig wird die Einpersonengesellschaft. Im Wettbewerb
mit der Limited des englischen Rechtes werden am Beginn des 21. Jh.s die
formalen Voraussetzungen herabgesetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 218, 272;
Schubert, W., Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini
11/12 (1982/3), 589; Entwurf des Reichsjustizministeriums zu einem Gesetz über
Gesellschaften mit beschränkter Haftung von 1939, hg. v. Schubert, W., 1985;
Akademie für deutsches Recht 1933-1945. Ausschuss für GmbH-Recht, 1986; Stroth,
R., Das Recht der GmbH, Diss. jur. Tübingen 1991; Koberg, P., Die Entstehung
der GmbH in Deutschland und Frankreich, 1992; Stupp, M., GmbH-Recht im Nationalsozialismus,
2002; Kalss, S./Eckert, G., Zentrale Fragen des GmbH-Rechts, 2005;
Rechtstransfer in der Geschichte, hg. v. Duss, V. u. a., 2006, 446ff.; Bezler,
E., Die Bedeutung des Stammkapitals für die GmbH, 2009; Spiegel, S., Einführung
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2009; Kautzsch, M., Die GmbH, 2010;
Georg, D., Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, 2011; Quellen zur
GmbH-Reform von 1958 bis zum GmbH-Änderungsgesetz von 1980, hg. v. Schubert,
W., 2011; Geißler, M., Geschichte und juristische Gegenwart
gesellschaftsinterner Nutzungsüberlassung, 2010; Communicating Sustainability,
hg. v. Mantl, J. u. a., 2012
Gesellschafter (Wort Nürnberg 1484) ist
das Mitglied einer (wirtschaftlichen) →Gesellschaft.
Lit. Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Gesellschaftsrecht (1615) ist die Gesamtheit der (handelsrechtliche)
→Gesellschaften betreffenden Rechtssätze. Das G. verselbständigt sich
als besonderes Rechtsgebiet seit dem 19. Jh.
Lit.: Adler, K., Zur Entwicklungslehre und Dogmatik
des Gesellschaftsrechts, 1895; Löber, B., Das spanische Gesellschaftsrecht im
16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1967; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2969; Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, hg. v.
Crone, H. v. d., 2003; VOC 1602-2002 400 Years of Company Law, hg. v.
Gepken-Jager, E. u. a., 2005; Wörner, B., Adelbert Düringers Einfluss als
Richter am Reichsgericht, 2007; Hein, J. v., Die Rezeption US-amerikanischen
Gesellschaftsrechts in Deutschland, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Meincke, J., Das
Gesellschaftsrecht in den Institutionen Iustinians FS Georg Maier-Reimer, 2010,
443; Bahnbrechende Entscheidungen – Gesellschafts- und
Kapitalmarktrechtsgeschichten, hg. v. Kalss, S. u. a., 2016
Gesellschaftsvertrag (1793 Fichte) ist nach älteren Vorläufern (u. a.
Plato, Cicero, Althusius, Hobbes] politisch der von den Mitgliedern der
menschlichen Gesellschaft zur Beseitigung des Kampfes aller gegen alle
(idealtypisch) geschlossene Vertrag (Jean Jacques →Rousseau [1712-1778],
[frz.] contrat [M.] social 1762), durch den sich jeder Einzelne verpflichtet,
sich dem allgemeinen, auf das allgemeine Wohl ausgerichteten Willen zu
unterwerfen (kritisch dazu Kant, Hegel, Bentham, Marx und Engels),
privatrechtlich der zwischen den Gesellschaftern einer (Handel treibenden)
→Gesellschaft abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 191; Crezelius, G., Neuzeitliche
Gesellschaftsverträge, 1987; The Social Contract from Hobbes to Rawls, hg. v.
Boucher, D. u. a., 1994; The Social Contract Theorists, hg. v. Morris, C.,
1999; Pezzillo, L., Rousseau et le Contrat social, 2000; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Blath, S.,
Societas sive communio – Zum Begriff des Personengesellschaftsvertrags vom
Humanismus bis zum 19. Jahrhundert,
2010; Avant le contrat social, hg. v. Foronda, F. u. a., 2011
Gesetz ist die abstrakte und allgemeine,
in einem festgelegten Verfahren durch Festsetzung geschaffene rechtliche
Regelung. Sein Kern ist die bewusste Festsetzung eines Inhalts durch besondere
Handlung der dazu Berechtigten oder sich dazu berechtigt Fühlenden. Als G.
erscheint - (nach dem Codex Urnammu
des Königs Urnammu von Lagusch [Ur, um 2100 v. Chr.] und dem Codex des
babylonischen Königs →Hammurapi [1728-1686 v. Chr. ],) nach den
Festsetzungen →Lykurgs, →Solons und →Drakons in griechischen
Stadtstaaten sowie nach sagenhaften römischen Königsgesetzen - in Rom 451/450
v. Chr. in das →Zwölftafelgesetz (lat. lex [F.] duodecim tabularum). In
der Folge gibt es zahlreiche römische, jeweils nach ihrem Urheber benannte
Einzelgesetze (→lex). Seit Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) greift der
Herrscher (Prinzeps, Kaiser) vielfach zur Festsetzung (lat. [F.] constitutio),
um das Recht zu gestalten. Dabei werden am Ende des Altertums umfassende,
älteres Recht aber nur kompilierende Gesetzbücher (lat. [M.Pl.] codices) in
Kraft gesetzt (→Codex Theodosianus, →Codex). Demgegenüber ist bei
den Germanen wegen ihrer einfachen gesellschaftlichen Verhältnisse die Setzung
von Recht wohl selten. Die fränkischen Herrscher schließen deshalb in einzelnen
Konstitutionen und zusammenfassenden Kapitularien eher an römische Vorbilder
an. Im 11. und 12. Jh. tritt der Setzungsgedanke wieder hervor (→Landfriede,
str., a. M. Thomas Simon im Anschluss an Fritz Kern). Er bleibt im Heiligen
römischen Reich aber wegen der Schwäche des Königs bzw. Kaisers und der damit
verbundenen Schwerfälligkeit des Gesetzgebungsverfahrens eher Ausnahme.
Dagegen wird der absolutistische Landesherr vielfach gesetzgeberisch tätig. Die
gewichtigsten Zeugnisse dieses Wirkens sind die →Polizeiordnungen,
→Reformationen und vor allem die naturrechtlichen Gesetzbücher
(→Kodifikationen) der Wende vom 18. zum 19. Jh. ([Bayern 1751-1756],
preußisches Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812), doch ist bis dahin eine
durchgehende Trennung von Gesetz und untergesetzlicher Normsetzung unbekannt,
zumal Gesetzgebung und Gesetzesausführung noch nicht getrennt sind. Mit dem 19.
Jh. beginnt eine noch immer steigende, vom Rechtsstaatsgedanken und der
beachtlichen Vergütung der gesetzgeberischen Tätigkeit der Abgeordneten und
ihrer Gehilfen nicht unwesentlich beeinflusste Gesetzesflut. Paul Laband trennt
das formelle G. vom materiellen Gesetz (Rechtsverordnung).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler, DRG 4, 6,
31, 50, 52, 78, 101, 138, 181, 189, 199, 254; Köbler, WAS; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 863; Schubert, A., Augustins Lex-aeterna-Lehre,
1924; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 1958; Kopp, H., Inhalt und
Form der Gesetze, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte der
Gesetzgebung, 1960; Kirschenmann, D., „Gesetz“ im Staatsrecht und in der
Staatsrechtslehre des Nationalsozialismus, 1970; Köbler, G., Das Recht im
frühen Mittelalter, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Schott, C., Rechtsgrundsätze und Gesetzeskorrektur, 1975; Genicot, L., La Loi,
1977; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und verwaltungsinterne Gesetzgebung,
(in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 601; Berman, H., Law and Revolution,
1983; Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der Gesetzgebung im
neunzehnten Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104; Zum römischen und
neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends, O. u. a., 1987; Karpen, U.,
Entwicklung des Gesetzesbegriffes in Deutschland, Gedächtnisschrift W.
Martens, 1987; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz (1919-79), ZRG GA 106
(1989), 46; Das Gesetz in Spätantike und Frühmittelalter, hg. v. Sellert, W.,
1992; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik, 1994; Nomos und Gesetz,
hg. v. Behrends, O. u. a., 1995; Klemmer, M., Gesetzesbindung und
Richterfreiheit, 1996; Schilling, L., Gesetzgebung im Frankreichs Ludwigs
XIII., Ius commune 24 (1997), 91; Simon, T., Krise oder Wachstum?, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung im Europa
der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., 1998; Weber, R., Das Gesetz bei
Philon von Alexandria und Flavius Josephus, 2001; Igwecks, T., Die drei
Lesungen von Gesetzen im deutschen Bundestag, 2002; Elster, M., Die Gesetze der
mittleren römischen Republik, 2003; Holzborn, T., Die Geschichte der
Gesetzespublikation, 2003; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Stolleis,
M., Das Auge des Gesetzes, 2004, 3. A. 2014; Schröder, J., Gesetz und
Naturgesetz in der frühen Neuzeit, 2004; Gesetz und Vertrag, hg. v. Behrends,
O. u. a., 2004ff.; Schilling, L., Normsetzung in der Krise, 2005; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005 Albrecht, M.,
Die Methode der preußischen Richter, 2005; Vec, M., Recht und Normierung in der
industriellen Revolution, 2006; Der biblische Gesetzesbegriff, hg. v. Behrends,
O., 2006; Schennach, M., Zuschreiben von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133;
Transformation des Gesetzesbegriffs im Übergang zur Moderne? hg. v. Walther, M.
u. a., 2008; Kullmann, W., Naturgesetz in der Vorstellung der Antike, 2010;
Landau, P., Kritische Anmerkungen zu Thomas Simons Bestreitung der
gesetzespositivistischen Umwälzung des hohen Mittelalters (in FS Jan Schröder,
2013, 81; Schmidt-Gabain, F., Die Seelen der Gesetze, 2014; Das Gesetz – The
Law – La Loi, hg. v. Speer, A. u. a., 2014; Hummel, L., Allgemeines Gesetz und
Einzelfallgerechtigkeit im kanonischen und staatlichen Recht, 2015
Gesetzblatt ist das amtliche Druckwerk, in dem
Gesetze (und Rechtsverordnungen) zu veröffentlichen sind (nach älteren lokalen
vermischten und oft nur teilweise abdruckenden Intelligenzblättern z. B.
Frankreich 4. 12. 1793 Bulletin des lois de la république, 1795 bzw. 1803 feste
Zeitpunkte für das Inkrafttreten, Bayern 1799 bzw. 1800/1802 Kurbayrisches
Regierungs- und Intelligenzblatt, Baden 1803 Kurfürstliches Regierungsblatt,
Württemberg 1807 Königlich württembergisches Staats- und Regierungsblatt,
Westphalen 1807, Großherzogtum Hessen 1808 Großherzoglich Hessische Zeitung,
Preußen 1810 Gesetzessammlung, Mecklenburg-Schwerin 1812, Oldenburg 1814,
Hannover 1818, Sachsen 1818, Österreich 1. 10. 1849 Allgemeines Reichs-Gesetz-
und Regierungsblatt für das Kaisertum Ö., Schleswig-Holstein 1849, Verfassung
des Deutschen Reiches von 1871, Frist von 14 Tagen). Um etwa 1860 ist die
formelle Gesetzespublikation durchgesetzt, die inhaltliche Kenntnisnahme der
Öffentlichkeit zweitrangig.
Lit.: Lukas, J., Über die Gesetzespublikation in Österreich
und dem Deutschen Reiche, 1903; Silvestri, G., Die deutschsprachigen
Gesetzblätter Österreichs, 1967; Willoweit, D., Gesetzespublikationen und
verwaltungsinterne Gesetzgebung in Preußen vor der Kodifikation, Gedächtnisschrift
H. Conrad 1979, 601; Ruppert, S., Die Entstehung der Gesetzblätter (in)
Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999, 67ff.; Holzborn, T., Die
Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Mertens, B., Gesetzgebungskunst,
2004
Gesetzbuch (1410?) ist das umfassende Gesetz. Es findet sich (als
Kompilation) bereits im Altertum (Codex Theodosianus, Codex Justinianus).
Danach erscheint es (als Kodifikation) wieder in der frühen Neuzeit (z. B. ALR,
Code civil, ABGB u. s. w.).
Lit.: Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Strauch, D., Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130 (2013), 37
Gesetzesauslegung →Auslegung,
→Interpretation, →Gesetz
Lit.: Wesel, U., Rhetorische Statuslehre und
Gesetzesauslegung der römischen Juristen, 1967; Pauly, S., Organisation,
Geschichte und Praxis der Gesetzesauslegung des königlich preußischen
Oberverwaltungsgerichts 1875-1933, 1987
Gesetzesinitiative ist die Initiative zur Schaffung eines Gesetzes.
Sie steht zunächst dem Monarchen zu (Baden 1818, Bayern 1818, Sachsen 1831),
wird aber bald auch den Volksvertretungen zugesprochen (Kurhessen 1831,
Preußen 1850). Im Deutschen Reich von 1871 hat sie der Bundesrat und der
Reichstag sowie nach streitiger Ansicht der Kaiser, 1919 die Reichsregierung
und die Mitglieder des Reichstags (daneben Volksentscheid), in der
Bundesrepublik Deutschland (1949) die Bundesregierung, der Bundestag und der
Bundesrat, in Österreich (1920 die Mitglieder des Nationalrats, der Bundesrat
bzw. ein Drittel seiner Mitglieder und die Bundesregierung (seit 1991 auch
Volksbegehren), in der Schweiz (1919) jedes Mitglied der Bundesversammlung,
jede politische Kommission, jeder Kanton und der Bundesrat (Regierung, daneben
u. U. das Staatsvolk).
Gesetzespositivismus ist die Form des Positivismus im
Recht, die im letzten Drittel des 19. Jh.s das Recht allein auf das den
Volkswillen verkörpernde →Gesetz gründet. Der G. geht davon aus, dass das
ordnungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes Willkür ausschließt und
Gerechtigkeit gewährleistet. Deshalb bindet er den Richter fest an das Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 189
Gesetzessammlung, Gesetzsammlung, ist die
Zusammenstellung von einzelnen Gesetzen zwecks Vermehrung der Rechtssicherheit.
Sie erfolgt im Altertum zunächst privat (→Codex Gregorianus 294,
→Codex Hermogenianus) und danach im besonderen Gesetzbuch (→Codex
Theodosianus, →Codex). Auch in der Neuzeit erweisen sich teils amtliche,
teils private Gesetzessammlungen als notwendig oder sinnvoll.
Lit.: Köbler, DRG 181; Codex Austriacus, 1704, 1748,
1752, 1777; Justizgesetzsammlung (Österreichs), 1780-1848; Politische
Gesetzsammlung (Österreichs) 1793-1848; Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht,
hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931
Gesetzessprecher ist der für Island (930-1262/1271)
gesicherte bzw. abgeändert auch vielleicht für Norwegen (um 1100) und Schweden
wahrscheinliche, auf Zeit oder Lebenszeit gewählte Rechtskundige, der in der
Volksversammlung (→Ding) das Recht mündlich vorträgt. Die Herkunft des
Gesetzessprechers ist unbekannt. In Island verschwindet der G. im 13. Jh.
wieder (1263 Anschluss an Norwegen).
Lit.: Köbler, DRG 70; Maurer, K., Das Alter des
Gesetzessprecheramtes in Norwegen, FG L. Arndt, 1875, 1; Schröder, R.,
Gesetzsprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215;
Lehmann, K., Zur Frage nach dem Ursprunge des Gesetzsprecheramtes, ZRG GA 6
(1885), 193; Haff, K., Der germanische Rechtssprecher als Träger der Kontinuität,
ZRG GA 66 (1948), 364; Rehfeldt, B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34;
See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964, 44, 82, 107, 195
Gesetzesumgehung →Umgehungsgeschäft
Lit.: Schröder, J., Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung,
1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004
Gesetzesvorbehalt ist die Notwendigkeit einer gesetzlichen
Ermächtigung für Eingriffe (der Verwaltung) in Rechte der Bürger. Nach älteren
Ansätzen der Polizeirechtswissenschaft des 18. Jh.s wird der G. 1878 von Paul
Laband gefordert. Das Wort wird 1895 von Otto Mayer geprägt.
Lit.: Jesch, D., Gesetz und Verwaltung, 2. A. 1968; Engert, M., Die
historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt, 2002
Gesetzgeber ist der Urheber eines
→Gesetzes. In monarchisch geprägten Zeiten ist dies der →Monarch
(z. B. Augustus, Diokletian, Justinian), in demokratisch strukturierten
Gesellschaften das →Parlament als die Vertretung des Volkes.
Lit.: Kleeberger, W., Die Aufgaben der bayerischen
Gesetzgebung in der Vorstellungswelt des 18. Jahrhunderts, Diss. jur. München
1958; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76 (1959),
173; Archi, G., Giustiniano legislatore, 1970; Hesse, H., Gesetzgeber und
Gesetzgebung in Bayern 1848-1870, 1984; Kipper, E., Johann Paul Anselm
Feuerbach, 2. A. 1989; Kummerer, C., Der Fürst als Gesetzgeber in den
lateinischen Übersetzungen von Averroes, 1989; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter,
Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999; Miersch, M., Der
sogenannte référé législatif. Eine Untersuchung zum Verhältnis Gesetzgeber,
Gesetz und Richteramt, 2000
Gesetzgebung ist die Schaffung eines (formellen)
→Gesetzes. Sie ist im Altertum in erheblichem Umfang üblich. Im Frühmittelalter
ist sie möglich, aber wohl selten. Im Hochmittelalter wird sie verstärkt aufgegriffen.
Dabei entsteht im Umkreis der oberitalienischen Städte auf der Grundlage der
von der Scholastik aufgenommenen Politik des Aristoteles die erste Gesetzgebungslehre,
welche die Gesetzgebung in die Mitte der Regierungstätigkeit des Fürsten
stellt, aber nördlich der Alpen erst am Ausgang des Mittelalters wirksam wird.
Die größte Bedeutung erlangt die G. seit dem Absolutismus (Kodifikationen) und
der Aufteilung der Gewalten sowie der Anerkennung des Rechtsstaats. Ab 1888
entwickelt sich in Deutschland eine eigenständige Methodenbewegung legislative
Rechtswissenschaft (Rudolf Stammler), seit etwa 1970 eine Gesetzgebungslehre.
Angesichts der Professionalisierung der Gesetzgebung nimmt die Zahl der
Gesetzgebungsakte auf vordem unbekannte Größe zu (Gesetzgebungsflut des
seine Daseinsberechtigung nachweisen wollenden Parlaments).
Lit.: Köbler, DRG 191; Niese, H., Die Gesetzgebung der
normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hartz, W., Die Gesetzgebung
des Reichs und der weltlichen Territorien in der Zeit von 1495-1555, Diss.
phil. Marburg, 1931; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland,
1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und
Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Gagnér, S., Studien zur Geschichte der
Gesetzgebung, 1960; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und
althellenischen Gesetzgebung, 1963; Wolf, A., Typen der Gesetzgebung im
Mittelalter, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le concept de code en
Europe occidentale, 1967; Birtsch, G., Gesetzgebung und Repräsentation im
späten Absolutismus, HZ 208 (1969), 265; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs
II., 1975; Ziller, G., 30 Jahre Bundesgesetzgebung, (in) Bulletin der
Bundesregierung 11. September 1979, Nr. 103, 960; Kussmaul, P., Pragmaticum und
lex, 1981; Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen
Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 157; Kocher, G., Zur Funktion der Gesetzgebung
im 18. Jahrhundert, (in) Das achtzehnte Jahrhundert, Bd. 1 1983, 44; Jakobs,
H., Wissenschaft und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Stolleis, M.,
Condere leges et interpretari. Gesetzgebungsmacht und Staatsbildung im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 101 (1984), 89; Gesetzgebung als Faktor der
Staatsentwicklung, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz als Grundlage
der Gesetzgebung im nationalsozialistischen Staat, 1985; Renaissance du pouvoir
législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a., 1988; Gesetzgebung und
Dogmatik, hg. v. Behrends, O. u. a., 1989; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa
1100-1500, 2. A. 1996; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag,
1996; Simon, T., Krise oder Wachstum? FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Gesetz und Gesetzgebung in der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer, B.
u. a., 1998; Legislation und Justice, hg. v. Padoa Schioppa, A. u. a., 1995;
Fuhrmann, J., Theorie und Praxis in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in
Deutschland, 2001; Prudentia legislatoria, hg. v. Maier, H. u. a., 2003;
Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003; Mertens, B.,
Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004; Schöler, C., Die
deutsche Rechtseinheit, 2004; Schwieger, C., Volksgesetzgebung in Deutschland,
2005; Emmenegger, S., Gesetzgebungskunst, 2006; Mohnhaupt, H., Grundlinien in
der Geschichte der Gesetzgebung auf dem europäischen Kontinent vom 16. bis 18.
Jahrhundert, ZNR 28 (2006), 124ff.; Gesetzgebung in antiken Gesellschaften -
Israel, Griechenland, Rom, hg. v. Burckhardt, L. u. a., 2007; Meyer, A.,
Dominus noster vult - Anmerkungen zur päpstlichen Gesetzgebung im
Spätmittelalter, HZ 289 (2009), 607; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft,
2010; From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle- Legislation as a
source of Law in Criminal Tribunals, hg. v. Martyn, G. u. a., 2013;
Gesetzgebung und politische Kultur in der römsciehnRepublik, hg. v. Walter, U.,
2014; Fischer, J., Zur Auslegung von Unberührtheitsklauseln, 2015; Izumo, T.,
Die Gesetzgebungslehre im Bereich des Privatrechts bei Christian Thomasius,
2015; Heller, H., Die Zivilrechtsgesetzgebung im Dritten Reich. 2015;
Steinbach, A., Rationale Gesetzgebung, 2017
gesetzlich (Adj.) auf Gesetz beruhend, Gesetz betreffend
Gesetzlicher Richter ist der vom Gesetz durch
allgemeine Regeln für den einzelnen Fall vorweg festgelegte zuständige Richter.
Mit dieser Einrichtung soll im Rechtsstaat unlauterer persönlicher Einflussnahme
vorgebeugt werden. Nach älteren, bis ins Mittelalter (Kirchenrecht C. 2. q. 1.
c. 7) zurückreichenden Ansätzen (z. B. auch Petition of right 1628, Bill of
rights 1701, Act of settlement 1701, Art. 171 der Verfassung Frankreichs von
1791) wird sie (unabhängig vom modernen Rechtsstaatsbegriff) im Deutschen Bund
in den Verfassungen des 19. Jh.s verwirklicht (Baden 1818 ordentlicher Richter,
Hessen 1820 g. R., Verfassung des Deutschen Reiches 1848, Gerichtsverfassungsgesetz
von 1877/1879, Einschränkungen im Nationalsozialismus und in der Deutschen
Demokratischen Republik, Sicherung in Art. 6 I EMRK).
Lit.: Köbler, DRG 200; Pfeiffer, W., Die
Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Richteramtes, 1851; Menzel, W.,
Ausnahmegericht und gesetzlicher Richter, Diss. jur. 1925; Kern, E., Der
gesetzliche Richter, 1927; Scupin, H., Der gesetzliche Richter im Bonner
Grundgesetz, Diss. jur. Tübingen 1963; 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit,
2003; Müßig, U., Der gesetzliche Richter ohne Rechtsstaat?, 2007
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist die Bindung der Tätigkeit der
staatlichen Verwaltungsbehörden an rechtliche Vorschriften. Die G. d. V. wird
erstmals 1810 von W. J. Behr zur Verhinderung übermäßiger Einschränkungen der
menschlichen Handlungsfreiheit eingefordert (System der allgemeinen angewandten
Staatslehre).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199
Gesinde (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
die Gesamtheit der in einem Hauswesen beschäftigten und der Personalgewalt des
Hausvaters unterstehenden Dienstboten (um 1800 10% der Bevölkerung). Zu
unterscheiden ist dabei zwischen unfreiem und freiem G. Für das unfreie G.
gelten zunächst die allgemeinen Regeln der →Grundherrschaft. Für das
freie G. entwickeln sich in den Städten im Spätmittelalter besondere Gesindevorschriften
(z. B. Freiberg um 1300). Im 18. Jh. werden im Heiligen römischen Reich
zahlreiche Gesindeordnungen erlassen und werden (nach einem Landrechtsentwurf
Friedrich Esaias Philipp von Pufendorfs in den Jahren 1770-1772) dann auch in
Kodifikationen allgemeine Regeln festgelegt.
Lit.: Köbler, DRG 127; Köbler, WAS; Dorn, J., Versuch
einer ausführlichen Abhandlung des Gesinderechts, 1794; Hertz, G., Die
Rechtsverhältnisse des freien Gesindes, 1881, 2. A. 1935; Wuttke, R.,
Gesindeordnungen und Gesindezwangsdienst in Sachsen, 1893; Kähler, W.,
Gesindewesen und Gesinderecht in Deutschland, 1896; Fuld, L., Das bürgerliche
Recht und das Gesinderecht, 1899; Lennhoff, E., Das ländliche Gesindewesen in
der Kurmark Brandenburg, 1906; Könnecke, O., Rechtsgeschichte des Gesindes in
West- und Süddeutschland, 1912, Neudruck 1970; Götsch, S., Beiträge zum
Gesindewesen in Schleswig-Holstein zwischen 1740 und 1840, 1978; Vormbaum, T.,
Politik und Gesinderecht im 19. Jahrhundert, 1981; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Schröder, R., Zur
Arbeitsverfassung des Spätmittelalters, 1984; Schröder, R., Das Gesinde war
immer frech und unverschämt, 1992; Dürr, R., Gesinde in der Stadt, 1995;
Gesinde im 18. Jahrhundert, 1995; Arbeiten im Mittelalter, hg. v. Postel, V.,
2006; Dienstbotinnen, hg. v. Barth-Scalmani, G. u. a., 2007; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Sagemann, M., Krankenfürsorge für das Gesinde, 2012; Pierson, T., Das Gesinde
und die Herausbildung moderner Privatrechtsprinzipien, 2016
Gesta (N.Pl.) municipalia (lat.) sind im ausgehenden
Altertum gemeindliche Verzeichnisse oder öffentliche Akten.
Lit.: Hirschfeld, B., Die gesta municipalia, Diss.
Marburg 1904; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977
Gestaltungsrecht ist das Recht auf Gestaltung bzw. Änderung
einer Rechtslage in einem fremden Rechtsbereich durch eigene Handlung (z. B.
einseitiges Rechtsgeschäft). Es geht in seiner Entwicklung auf Savigny
(anfechtbares Rechtsgeschäft), Windscheid (1856), Brinz und Zitelmann zurück.
Den Begriff Gestaltungsrecht prägt Emil Seckel (1903).
Lit.: Steiner, R., Das Gestaltungsrecht, 1984; Hattenhauer, C.,
Einseitige private Rechtsgestaltung, 2011
Geständnis (lat. [F.] confessio) ist das
Eingestehen der Wahrheit einer von einem anderen behaupteten Tatsache durch
einen Verfahrensbeteiligten. Das G. gehört, weil es weiteren Streit entbehrlich
macht, schon in die Anfänge des Verfahrensrechts. Dort wird es später als
Königin der Beweismittel angesehen. Seiner Erzielung dient vor allem vom 13.
Jh. bis zum 18. Jh. die →Folter. In der Gegenwart dienen fast drei
Viertel der strafverfahrensrechtlichen Ermittlung der Erlangung eines
Geständnisses und beruht rund die Hälfte der Verurteilungen auf einem G., wobei
über das G. eine Absprache möglich ist.
Lit.: Kaser § 84 I 2; Köbler, DRG 117; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, 1879; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1914, 400; Kleinheyer, G., Zur Rolle des Geständnisses
im Strafverfahren, (in) Gedächtnisschrift H. Conrad, 1980, 367ff.; Hauser, J.,
Geständnis und Absprache, 2007
Gestapo (geheime Staatspolizei) ist die aus
meist fähigen und harten, dem Staat aus Überzeugung dienenden, selbst vor
brutalsten Maßnahmen nicht zurückschreckenden Polizisten zusammengesetzte
politische Polizei (z. B. im nationalsozialistischen Deutschen Reich). Etwa
einem Drittel der Gestapochefs des Jahres 1938 gelingt die Erreichung einer
ihrer Ausbildung entsprechenden beruflichen Stellung in der Bundesrepublik
Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weyrauch, W., Gestapo
V-Leute, 1989; Gellately, R., Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft, 2. A.
1994; Heuer, H., Geheime Staatspolizei, 1995; Die Gestapo, hg. v. Paul, G. u.
a., 1995; Johnson, E., Nazi Terror, 1999; Stolle, M., Die Geheime Staatspolizei
in Baden, 2001; Schmidt, S., Gestapo, Strafjustiz und „Kanzelmissbrauch“ in
Südbayern 1933 bis 1939, 2002; Bornschein, J., Gestapochef Heinrich Müller,
2004; Dams, C. u. a., Die Gestapo, 2008; Die Gestapo nach 1945, hg. v.
Mallmann, K. u. a., 2009; Wallbaum, K., Der Überläufer - Rudolf Diels
(1900-1957, 2010; Thalhofer, E., Entgrenzung der Gewalt, 2010; Lageberichte
rheinischer Gestapostellen, Bd. 1 bearb. v. Faust, A. u. a., 2012; Breit, J.,
Das Gestapo-Lager Innsbruck-Reichenau, 2017
gestio (lat. [F.]) Betragen, Führung
Gesundes Volksempfinden ist im Dritten Reich (1933-45) die
der Ideologie entsprechende allgemeine Anschauung, die als Korrektiv eines
formaljuristisch gefundenen, dem →Nationalsozialismus unannehmbar erscheinenden
richterlichen Ergebnisses verwendet wird.
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ - eine
Erbschaft Savignys, ZRG GA 103 (1986), 199
Gesundheit ist der Zustand vollkommenen Wohlbefindens
eines Lebewesens. 1876 wird im Deutschen Reich als oberste Reichsbehörde für
das Medizinalwesen ein Kaiserliches Gesundheitsamt gegründet (1918 Reichsgesundheitsamt,
1952 Bundesgesundheitsamt, 1994 aufgelöst zu Gunsten des Bundesinstituts für
Infektionskrankheiten, des Bundesinstituts für Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin und des Bundesinstituts für Arzneimittel und medizinische
Produkte).
Lit.: Bergmann, A., Der entseelte Patient, 2004, 2. A. 2015; Möller,
C., Medizinalpolizei, 2005; Grumbach, T., Kurmainzer Medicinalpolicey, 2006
(von 1650 bis 1803 etwa 240 landesherrliche „Gesetzte“); Hüntelmann, A.,
Hygiene im Namen des Staates, 2008; Vasold, M., Grippe, Pest und Cholera, 2008,
2. A. 2012(, Taschenbuch 2015)Briesen, D., Das gesunde Leben, 2010; Hierholzer,
V., Nahrung nach Norm, 2010; Schlich, T., The Origins of Organ Transplantation
Surgery and Laboratory Science, 1880-1930, 2010; Kerscher, W., Der preußische
Weg zum Impfzwang, 2011; Oliver, L., The Body Legal in Barbarian Law, 2011 Die
Behandlung der Sozial- und Gesundheitspolitik in den thüringischen Landtagen,
hg. v. Thüringer Landtag, 2012; Umehara, H., Gesunde Schule und gesunde Kinder,
2013; Jütte, R., Krankheit und Gesundheit in der frühen Neuzeit, 2013; Cavallo,
S. u. a., Healthy Living in Late Renaissance Italy, 2013; Mölling, K.,
Supermacht des Lebens, 2014; Schwerin, A., Strahlenforschung, 2015; Geschichte
der Prävention, hg. v. Hähner-Rombach, S., 2015; Technisierung des Alltags, hg.
v. Weber, K. u. a., 2015; ; Lauterbach, K., Die Krebsindustrie – Wie eine
Krankheit Deutschland erobert, 2015; Linek, J., Gesundheitsvorsorge in der DDR
zwischen Propaganda und Praxis, 2016; Zimmer, T., Welt ohne Krankheit, 2017
Geteiltes Eigentum ist das (seit dem Hochmittelalter
in Anlehnung an die im römischen Recht dem Erbpächter eröffnete [lat.] rei
vindicatio [F.] utilis anerkannte,) an mindestens zwei in unterschiedlicher
Stärke berechtigte Beteiligte aufgeteilte „Eigentum“ (z. B. Obereigentum mit
Anrecht auf Substanz, Untereigentum [neben Recht auf die Substanz vor allem
Nutzung]). Es wird von Naturrecht, Liberalismus, Kant und vor allem von
→Thibaut (1801) abgelehnt und zwar noch nicht vom Allgemeinen Landrecht
Preußens (1794) und dem Allgemeinen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812, § 357
ABGB, veraltet spätestens mit der Grundentlastung 1848), aber doch bereits
vom Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863) und vom deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ausgeschlossen. Es soll in veränderter Form im
Vorbehaltseigentum, im Sicherungseigentum oder in der Wohnraummiete fortleben
(str.).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Pichler, J., Das geteilte
Eigentum im ABGB, ZNR 1986, 23; Krauss, F., Das geteilte Eigentum im 19. und
20. Jahrhundert, 1999; Lehmann, J., Sachherrschaft, 2004
Getto (Ghetto) (1531 Geto nuovo neue
Gießerei in Venedig, seit 1595 Judenviertel)
Lit.: Die Yad Vashem Enzyklopädie der Ghettos während
des Holocaust, hg. v. Guy, M u. a., 2014; Der Arzt Hermann Strauß 1868-1944,
hg. v. Reincke, H., 2014Bethke, S., Tanz auf Messers Schneide – Kriminalität
und Recht in den Ghettos Warschau, Litzmannstadt und Wilna, 2015
Geverde (F.) Gefahr, Gefährdung
Lit.: Gudian, G., Zur rechtlichen Bedeutung der Formel „ane geverde“ im
Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 333
Gewähr (Sachsen 1390)
Lit.:
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gewährleistung (Hannover 1706) ist das Einstehen für die
Mangelfreiheit (Freiheit von Sachmangel und Rechtsmangel) einer Sache oder
eines Werkes. Sie findet sich bereits im römischen Kaufrecht (→Wandelung,
→Minderung, Entwerung). Entsprechend muss auch der Vermieter einstehen.
Mit der Aufnahme des römischen Rechtes wird sie (den einheimischen Grundsatz
„Augen auf, Kauf ist Kauf“ zurückdrängend) übernommen.
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Köbler, DRG 46, 214;
Lautner, J., Grundsätze des Gewährleistungsrechts, 1937; Jakab, E:, Praedicere
und cavere beim Marktkauf, 1997; Ernst, W., Neues zur Sachmängelgewährleistung,
ZRG GA 116 (1999), 208; Wenzel, A., Das Gewährleistungsrecht in der
Spruchpraxis des preußischen Kammergerichts von 1794-1810, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Wiegard, G., Vom tempus utile zum bref délai, 2014
Gewährschaft ist das Einstehen des Veräußerers einer
Sache für den Fall, dass ein Dritter von dem Erwerber die Sache herausverlangt.
Im römischen Recht erhält der Erwerber aus der (lat. [F.]) mancipatio das
Recht, in einem solchen Fall den Veräußerer als seinen (lat. [M.]) auctor zu
prozessualer Beistandschaft zu veranlassen, um die Sache gegen den
(angreifenden) Dritten zu verteidigen. Verweigert der Veräußerer die
Unterstützung oder erteilt er sie erfolglos, so dass der Dritte die Sache
erhält, so haftet der Veräußerer dem Erwerber auf den doppelten Kaufpreis.
Außerhalb der (lat. [F.]) mancipatio wird dieses Ergebnis durch eine
vertragliche Abrede auf Leistung des doppelten Kaufpreises erreicht. Im
deutschen Recht entwickelt sich im Frühmittelalter (str.) eine
Gewährschaftsbürgschaft und daraus eine allgemeine G.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577f.; Rabel, E., Die
Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Recht, 1902; Gillis, F.,
Gewährschaftszug und laudatio auctoris, 1911; Ullrich, G., Eine Urkunde über Gewährschaft
nach fränkischem Recht, ZRG GA 59 (1939), 269; Eckhardt, K., Gewährschaft und
Übereignung, Beiträge zur Geschichte der Werralandschaft 4, 1937; Partsch, G.,
Zur Entwicklung der Rechtsmangelhaftung des Veräußerers, ZRG GA (1960), 87
Gewalt (Wort 790 belegt) ist der Einsatz von Kraft zur
Erreichung eines Zieles sowie die Möglichkeit hierzu. Der moderne Staat strebt
das Gewaltmonopol an. Deswegen versucht er die G. des Einzelnen möglichst
auszuschließen. →väterliche Gewalt
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 817; Böckenförde, E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981;
Buisson, L., Potestas und caritas, 2. A. 1982; Wenninger, L., Geschichte der
Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Richardi, H., Schule der Gewalt,
1983; Willoweit, D., Die Herausbildung des staatlichen Gewaltmonopols, (in)
Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer, A. u. a., 1986, 313; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Die Gewalt in der Geschichte, hg. v.
Sieferle, R., 1998; Lacour, E., Schlägereien und Unglücksfälle, 2000; Violence
in Medieval Society, hg. v. Kaeuper, R., 2000; Ruff, J., Violence in early
modern Europe 1500-1800, 2001; Töngi, C., Geschlechterbeziehungen und Gewalt,
2002; Gewalt, hg. v. Bulst, N. u. a., 2004; Töngi, C., Um Leib und Leben, 2004;
Hahn, J., Gewalt und religiöser Konflikt, 2004; A Great Effusion of Blood?, hg.
v. Meyerson, M. u. a., 2004; Gewalt im Mittelalter, hg. v. Braun, M. u. a.,
2005; Gewalt in der frühen Neuzeit, hg. v. Ulbrich, C. u. a., 2005; Angenendt,
A., Toleranz und Gewalt, 2006; Boari, M., La coercizione privata nella Magna
Glossa, 2007; Extreme Formen von Gewalt in Bild und Text des Altertums, hg. v.
Zimmermann, M., 2009; Metz, K., Geschichte der Gewalt, 2010¸ Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; North, D. u. a., Gewalt und
Gesellschaftsordnungen, 2011; Schimrosczyk, C., Zivilrechtliche
Schutzmöglichkeiten gegen Gewalt in der Ehe, 2012; Spierenburg, P., Violence
and Punishment, 2012; Loetz, F., Sexualisierte Gewalt 1500-1850, 2012; ; 1989
und die Rolle der Gewalt, hg. v. Sabrow, M., 2012; Kollektive Gewalt in der
Stadt - Europa 1890-1939, hg. v. Lenger, F., 2013; Schäfer, G., Gewalt und
Politik, hg. v. Schyga, P., 2014; Mauntel, C., Gewalt in Wort und Tat, 2014;
Politische Gewalt in Deutschland, hg. v. Brunner, J. u. a., 2014; Schreiber,
H., Restitution von Würde, 2015; Gewalt und Widerstand in der politischen
Kultur des späten Mittelalters, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 2015; Baberowski,
J., Räume der Gewalt, 2015; Weinke, A., Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit, 2016
Gewaltenteilung (Gewaltentrennung) ist
die Aufteilung der staatlichen Hoheitsgewalt in mehrere grundsätzlich autonome
und als gleichwertig geltende, sich gegenseitig kontrollierende und beschränkende,
von unterschiedlichen Menschen innegehabte Gewalten. Die Vorstellung von der
Notwendigkeit der G. entsteht unabhängig von älteren Gedankengängen (z. B.
Herodot, Plato [427-347 v. Chr.], Aristoteles [384-322 v. Chr., dreigliederige
Funktionszuschreibung von gesetzgebender, ausführender und richterlicher
Staatskompetenz], Polybios [2. Jh. v. Chr.], Cicero [106-43 v. Chr.]) und
Wirklichkeitsansätzen (römische Republik) in der frühen Neuzeit (Florenz 16.
Jh., Henning Arnisaeus, Johannes Limnaeus) als Folge der gegen den
→Absolutismus eines Monarchen gerichteten Aufklärung. Vielleicht schon
(vor) 1690 entwickelt John →Locke (1632-1704) in England zur Sicherung
der Freiheit des Einzelnen die Trennung von ausführender Gewalt (executive
power) und gesetzgebender Gewalt (legislative power) (1690 Two Treatises of
Government, Zwei Abhandlungen über die Regierung). 1730/1731 greift dort Henry
St. John Viscount Bolingbroke (1678-1751) in seinen Remarks on the History of
England die dreigliederige G. des Aristoteles theoretisch wieder auf. 1748
setzt sich in Frankreich Charles de Secondat Baron de la Brède et de
→Montesquieu (1689-1755) unter Ausschluss rechtsfreier Handlungsspielräume
etwa des Königs sehr wirkungsvoll für die Dreiteilung Exekutive, Legislative
und Judikative ein (De l’ésprit des lois, Vom Geist der Gesetze). Als
staatlicher Grundsatz werden diese Gedanken erstmals 1776 in Nordamerika in den
Bill of Rights von 1776 und 1780 und in der Philadelphia Convention umgesetzt.
In Frankreich greifen dies 1789 die Déclaration des droits de l’homme et du
citoyen (Erklärung der Menschenrechte und Bürgerrechte, Art. 16), am 16. 8.
1790 ein besonderes Gesetz und 1791 (III, Art. 3-5), 1795 und 1848 die
Verfassungen auf. Im deutschen Bereich behält die Vorstellung von der Einheit
des Staates und der Macht der Fürsten Gewicht, steht die Staatswissenschaft der
Gewaltenteilungslehre mehrheitlich kritisch gegenüber und übernehmen die
meisten, entweder dem Vorbild Frankreichs von 1814 oder dem Vorbild Belgiens
von 1831 folgenden Verfassungen der deutschen Einzelstaaten in ihren Text
(nur) die Bestimmung, dass alle Gesetze der Zustimmung des Landtags bedürftig
seien, welche die Freiheit oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffen.
Später wird das Gewaltenteilungsschema leitendes Ordnungsprinzip. In der
Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 ist die G. zwischen Exekutive und
Legislative im Nebeneinander von Reichstag und Reichsrat einerseits und
monarchischem Präsidium andererseits erkennbar. Durch die Verfassung von
Weinmar (1919) wird das dreigliederige Gewaltenteilungsprinzip im Deutschen
Reich eingeführt. In der Demokratie, in der alle Gewalt vom Volk ausgeht, wird
die G. verschiedentlich in Frage gestellt (z. B. Volksdemokratie), hat aber
auch hier als Schutz vor Missbrauch tatsächliche Vorzüge. Vom 24. 3. 1933/30.
1. 1934 bis 1945 wird die Gewaltenteilung im Deutschen Reich zumindest
tatsächlich aufgehoben. Art. 20 II GG kehrt zur G. zurück. In England werden
die Gewalten 2003 entflochten.
Lit.: Köbler, DRG 190, 197, 200; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1975, 923; Klimowski, E., Die englische Gewaltenteilungslehre bis zu
Montesquieu, 1927; Kägi, O., Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des
Gewaltenteilungsprinzips, 1937; Imboden, M., Montesquieu und die Lehre von der
Gewaltentrennung, 1959; Korioth, S., Monarchisches Prinzip und Gewaltenteilung
unvereinbar? (in) Der Staat 37(1998), 27ff.; Gewaltentrennung im Rechtsstaat,
hg. v. Merten, D., 1989; Executive and Legislative Powers in the Constitutions
of 1848-1849, hg. v. Dippel, H., 1999; Pahlow, L., Justiz und Verwaltung, 2000;
Pahlow, L., Zur Theorie der Gewaltenteilung im 18. Jahrhundert (in) Aufklärung
15 (2003), 275; Máthé, G., Die Problematik der Gewaltentrennung, 2004; Racky,
M., Die Diskussion über Gewaltenteilung und Gewaltentrennung im Vormärz, 2005;
Höchli, D., Der Florentiner Republikanismus, 2005; Maier, C., Gewaltenteilung
bei Aristoteles, 2006; Riklin, A., Machtteilung, 2006; Hegewisch, N.,
Verwaltung und Gewaltenteilung im Vormärz, 2016
Gewaltverhältnis ist das von Gewalt bestimmte
Verhältnis (z. B. zwischen Allgemeinheit und Einzelnem).
Lit.: Wenninger, L., Geschichte der Lehre vom
besonderen Gewaltverhältnis, 1982
Gewann ist die vielleicht in der Grundherrschaft
im Hochmittelalter und im Spätmittelalter ausgebildete Unterteilung der
Ackerflur des mittelalterlichen Dorfes in Gruppen gleichförmiger und
einheitlich zu bewirtschaftender Streifen, wobei jeder Hofstätte eines Dorfes
in jedem Gewann ein Flurstück zugeteilt wird. Die Gewanne werden wegen ihrer
verhältnismäßigen Unwirtschaftlichkeit in der maschinenbestimmten
Landwirtschaft durch die Flurbereinigung beseitigt.
Lit.: Haff, K., Gewann – Aas, ZRG GA 42 (1921), 465;
Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1
1957, 42; Rösener, W., Bauern im Mittelalter, 1985; Rösener, W.,
Agrarwirtschaft, 1992
Gewedde s. Gewette
Lit.: Ebel, F., Der Traktat „Von gewedde, ZRG GA 99 (1982), 276
Gewerbe ist die erlaubte, auf Dauer und
Gewinnerzielung (str.) gerichtete selbständige Tätigkeit. In Rom finden sich
neben der Plantagenwirtschaft von Großgrundherren auch mit Hilfe von Sklaven
betriebene Manufakturen für Textilien, Metallwaren und Keramik, die noch
keinen Maschineneinsatz kennen. In den Wirren des 3. Jh.s n. Chr. verfällt die
gewerbliche Produktion. Sie beginnt neu in der frühmittelalterlichen
Grundherrschaft (z. B. Schmied, Töpfer, Weber), gelangt aber erst in der hochmittelalterlichen
Stadt zu größerer Bedeutung. Dort wird das G. in der →Zunft organisiert
und reglementiert. Im 19. Jh. löst der Liberalismus die Zwangsordnung auf,
nimmt den Zünften den Zunftzwang und schafft die →Gewerbefreiheit, aber
auch die staatliche Gewerbeaufsicht.
Lit.: Köbler, DRG 67, 78, 97, 134, 175, 225, 250;
Eberstadt, R., Das französische Gewerberecht, 1899; Schulte, E., Das
Gewerberecht der deutschen Weistümer, 1909; Peterka, O., Das Gewerberecht
Böhmens im 14. Jahrhundert, 1909; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen
Weistümer, 1909; Fecht, O., Die Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Koehne, C.,
Gewerberechtliches in deutschen Rechtssprichwörtern, 1915; Heimpel, H., Das
Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Mannert, L., Die öffentliche Förderung der
gewerblichen Produktionsmethoden, 1930; Huber, H., Die Arbeitsverfassung im
Süderländer und Siegener Eisengewerbe, Diss. jur. Göttingen 1956; Kreutzberger,
E., Das Gewerberecht der Reichsstadt Goslar, 1959; Henning, F., Wirtschafts-
und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v.
Willoweit, D. u. a., 1982; Weyrauch, T., Städtische Amts- und Gewerbeordnungen,
1987; Reininghaus, W., Gewerbe in der frühen Neuzeit, 1990; Ziekow, J.,
Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992; Karl, M., Fabrikinspektoren in
Preußen, 1993; Kraushaar, M., Die Gewerbegerichte, (in) Arbeit und Recht, 1995,
313; Rohde, J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und
Immissionsschutzrecht von 1810 bis in die Gegenwart, 2000; Vorindustrielles
Gewerbe, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2004; Sack, R., Das Recht am
Gewerbebetrieb, 2007
Gewerbefreiheit ist die Freiheit der gewerblichen
Betätigung (Frankreich 1791, Preußen 1807/1810/1811/1845, England 1814,
Dänemark 1849/1857, Österreich 1859). Sie ist im Einzelnen im Deutschen Reich
durch die →Gewerbeordnung (ursprünglich des Norddeutschen Bundes) von
1869 näher ausgestaltet. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen
Union sind alle nicht aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses notwendigen
Beschränkungen grenzüberschreitender gewerblicher Betätigung rechtswidrig
bzw. verboten.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Rohrscheidt, K. v., Vom
Zunftzwange zur Gewerbefreiheit, 1898; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3527; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Baryli, A.,
Konzessionssystem contra Gewerbefreiheit, 1984; Quante, C., Die geistesgeschichtlichen
Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland, 1984;
Schnattinger, A., Die Rückwirkung des Europarechts auf das deutsche
Gewerberecht, 2005
Gewerbegericht ist das für Gewerberechtsstreitigkeiten
(Arbeitsrechtsstreitigkeiten) zuständige Gericht. Nach mittelalterlichen
Vorläufern innerhalb der Zünfte entstehen zu Beginn des 19. Jh.s auf deutschem
Boden besondere gewerbliche Fachgerichte, die aber von geringer Bedeutung
bleiben. In Frankreich gründet Napoleon für Lyon am 18. 3. 1806 einen Conseil
de Prud’hommes als Ausnahme von der ordentlichen Gerichtsbarkeit, was von 1809
an verallgemeinert wird und über das Rheinland und Elsass-Lothringen auch
Eingang im deutschsprachigen Raum findet. Die Gewerbeordnung Preußens von
1845 sieht für Streitigkeiten die Anrufung des Gemeindevorstehers vor, was die
Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1869 übernimmt. Am 29. 7. 1890 wird
ein Reichsgesetz betreffend Gewerbegerichte geschaffen. Die danach
eingerichteten Gewerbegerichte (Bayern etwa 80) erweisen sich nur als bedingt
erfolgreich und werden 1927 durch die Arbeitsgerichte (23. 12. 1926/1. 7. 1927)
abgelöst.
Lit.: Zimmermann, U., Die Entwicklung der Gewerbegerichtsbarkeit in
Deutschland, 2005; Maier, H., Die württembergische Gewerbe- und
Kaufmannsgerichtsbarkeit und insbesondere deren Rechtsprechung zur fristlosen
Kündigung aus wichtigem Grund, 2015
Gewerbeordnung ist die rechtliche Regelung des
Rechtes der →Gewerbe (z. B. Gesetz über die polizeilichen Verhältnisse
der Gewerbe, 1811 [Preußen], Braunschweig 1821, Bayern 1825, 1868, Württemberg
1828, Hohenzollern-Hechingen 1842, Allgemeine preußische Gewerbeordnung vom
17. 1. 1845, Hannover 1847, Entwürfe im Deutschen Bund 1848, 1849, Österreich
1859, Nassau 1860, Sachsen 1861, Oldenburg 1861, Baden 1862, Sachsen-Meiningen
1862, Waldeck 1862, Gotha 1863, Reuß jüngere Linie 1863, Coburg 1863, Hamburg
1864, Schwarzburg-Rudolstadt 1864, Schwarzburg-Sondershausen 1865, Lübeck 1866,
Reuß ältere Linie 1868), insbesondere im Norddeutschen Bund das am 21. 6. 1869
geschaffene, später etwa durch die Handwerksordnung oder das Gaststättengesetz
sachlich eingeschränkte Gesetz.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GewerbeordnungFuerDenNorddeutschenBund1869.htm;
Miritz,
T., Geschichte des Gewerberechts von 1869 bis zur Gegenwart, 1983; Ziekow, J.,
Freiheit und Bindung des Gewerbes, 1992;
Rohde,
J., Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und Immissionsschutzrecht
von 1810 bis in die Gegenwart, 2000
Gewerbesteuer ist die vom Gewerbeertrag zu
leistende Steuer.
Lit.: Köbler, DRG 55; Heni, G., Historische Analyse
und Entwicklungen der Gewerbesteuer, 1991; Schnädter, H., Die Geschichte des
Gewerbesteuerrechts, Diss. jur. Köln 1993
Gewerblicher Rechtsschutz (um 1900) ist der gewerbliche Rechte
betreffende Schutz durch die Rechtsordnung. Er umfasst das Recht der Patente
(Venedig 1474, England 1623/1624, Frankreich 1791), der Gebrauchsmuster
(Deutschland 1871), der Geschmacksmuster (Frankreich 1711, Deutschland 1876),
der Zeichen (Deutschland 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936) und des
unlauteren Wettbewerbs (Deutschland 12. 5. 1894, 7. 6. 1909).
Lit.: Tolksdorf, B., Der gewerbliche Rechtsschutz in
Deutschland, 1908; Zimmermann, P., Frühe Beispiele aus der Welt der
gewerblichen Eigentumsrechte, GRUR 69 (1969), 173; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,4205; Simon, J., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine
gewerblichen Erscheinungsformen, 1981; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1f. 1991; Wadle, E., Geistiges Eigentum,
Bd. 1f. 1996f.; Ausschüsse für den gewerblichen Rechtsschutz, hg. v. Schubert,
W., 1999; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Gewere ist im mittelalterlichen deutschen
Recht (der sachenrechtliche Vorgang [Einkleidung eines Menschen mit einer
Sache oder einem Amt, lat. investitura] und) das (aus diesem Vorgang
erwachsende) Verhältnis eines Menschen zu einer Sache oder einem Amt, kraft
dessen der Träger vor allem rechtswidrige Zugriffe auf den Gegenstand
(defensiv) abwehren und den Gegenstand nach Wegnahme (offensiv)
herausverlangen sowie außerdem (translativ) übertragen darf. Die G. gilt der
herrschenden Meinung als urtümliche Grundfigur des germanischen Sachenrechts.
Wahrscheinlich wird sie aber im spätantiken Kirchenrecht zur Sicherung
gegenüber sich wandelnden Sachenrechtsverhältnissen entwickelt. Sie wird
formelhaft als Kleid (d. h. äußere Erscheinungsform) des (als rein
gedanklichen Gebildes unsichtbaren) Sachenrechts (z. B. Eigentum an einem
Grundstück) beschrieben. Sie zeigt sich augenscheinlich beispielsweise im
Innehaben und Benutzen des Gegenstands. Der Aufteilung des Sachenrechts auf
mehrere Berechtigte (z. B. Obereigentümer, Untereigentümer) entspricht die
Aufteilung in eine ideelle (unkörperliche) und eine leibliche (körperliche) G.
Der G. werden eine Offensivfunktion, eine Defensivfunktion und eine Translativfunktion
zugeschrieben. Durch Ausübung einer ursprünglich fehlerhaft begründeten, auf
Schein beruhenden G. während einer bestimmten Zeit ohne gerichtliche Inanspruchnahme
seitens des Berechtigten kann rechte G. entstehen. Mit der Aufnahme des
römischen Rechtes seit dem späten Mittelalter wird das Wort G. durch das zu
(lat. [F.]) possessio gebildete Wort Besitz abgelöst, innerhalb dessen zwischen
mittelbarem und unmittelbarem Besitz unterschieden wird.
Lit.: Hübner 198, 430; Köbler, DRG 74, 90, 123, 162;
Köbler, WAS; Albrecht, W., Die Gewere, 1828; Heusler, A., Die Gewere, 1872;
Huber, E., Die Bedeutung der Gewere im deutschen Sachenrecht, 1894; Meyer, H.,
Entwerung und Eigentum im deutschen Fahrnisrecht, 1902; Kiesel, K., Die
Bedeutung der Gewere des Mannes am Frauengute für das Ehegüterrecht des
Sachsenspiegels, 1906; Bückling, G., Die Wechselwirkung gewererechtlicher und
fronungsrechtlicher Elemente im Liegenschaftsrecht des deutschen Mittelalters,
1911; Iterson, W. van, Der Ausdruck „mit allerschlachter Nut“ und sein
Zusammenhang mit der Gewere, ZRG GA 84 (1967), 310; Levy, E., The Law of
Property, 1975; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43 (1975), 195; Laske,
W., Die Bedeutung des „Gewereanschreibens“ gemäß dem Tractatus de iuribus
incorporalibus von 1679, ZRG GA 93 (1976), 344; Ishikawa, T., Die Gewere im
Sachsenspiegel, FS H. Thieme, 1986, 59
Gewerkschaft ist der Zusammenschluss von
Menschen zu einem gewerblichen Zweck, insbesondere im Arbeitsbereich der freiwillige
Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen
und sozialen Bedingungen. Im Bergrecht ist die G. eine wohl im 13. Jh. (Iglau
1249) aus älteren Arbeitsgenossenschaften gebildete Gesellschaftsform ohne
festes Grundkapital. Die vor dem Allgemeinen Berggesetz für die preußischen
Staaten vom 24. 6. 1865 gebildete ältere bergrechtliche G. ist
→Gesamthand (mit herkömmlich 128 Wertanteilen [Kuxen] am Gesellschaftsvermögen),
die G. neueren Rechtes (Preußen 1865) ist juristische Person mit zwischen 100
und 10000 Kuxen. Beide werden in Deutschland im Gefolge des Bundesberggesetzes
vom 13. 8. 1980 aufgehoben und in andere Gesellschaftsformen umgewandelt. Im Arbeitsrecht
bildet sich aus älteren Gesellenvereinen die G. (engl. trade union) zuerst in
England, wo sie durch Gesetz (Combination Laws von 1799 bzw. 1800) bis 1824
verboten wird. In Deutschland entwickelt sich die G. nach unbedeutenden
Anfängen in der Mitte des 19. Jh.s als arbeitsrechtliche G. nach der Aufhebung
gesetzlicher Vereinigungsverbote (Sachsen 1861, Preußen [Verbot 1845] 1867,
Norddeutscher Bund 21. 6. 1869 [§ 152 I Gewerbeordnung]). Sie ist regelmäßig
nichtrechtsfähiger →Verein. 1868 entsteht ein allgemeiner deutscher
Arbeiterschaftsverband (von 12 sog. freien Gewerkschaften), 1869 ein Verband
der deutschen Gewerkenvereine. 1890 gründen die freien Gewerkschaften die Generalkommission
der Gewerkschaften Deutschlands (1919 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund).
1894 entwickeln sich christliche Gewerkschaften. Am 23. 12. 1918 wird vom Rat
der Volksbeauftragten eine Tarifvertragsverordnung erlassen, welche die Betätigungsfreiheit
der Gewerkschaften sichert. 1919 gewährt Art. 159 WRV die Vereinigungsfreiheit
zur Verbesserung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Am 30. 10. 1923
wird eine Schlichtungsordnung erlassen. Nach Auflösung der freien
Gewerkschaften und Einbeziehung der übrigen Gewerkschaften in die Deutsche
Arbeitsfront von 1933 bis 1945 wird 1949 in der Bundesrepublik der Deutsche
Gewerkschaftsbund mit (16) Einzelgewerkschaften gegründet, dem die Deutsche
Angestelltengewerkschaft und der Deutsche Beamtenbund zur Seite stehen. Seit
dem ausgehenden 20. Jh. verlieren die (zumindest mittelbar Herstellungskosten
steigernden und damit Arbeitslosigkeit verursachenden) Gewerkschaften Mitglieder
und Einfluss.
Lit.: Hübner 312; Köbler, DRG 167, 177, 218, 24;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1 1868, Neudruck 1954,
971; Deutsch, J., Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, Bd.
1f. 1908ff.; Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954;
Jühe, R./Niedenhoff, H./Pege, W., Gewerkschaften in der Bundesrepublik
Deutschland, 2. A. 1982; Hägermann, D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen,
1986; Schulte Beerbrühl, M., Vom Gesellenverein zur Gewerkschaft, 1991; Schneider,
M., Kleine Geschichte der Gewerkschaften, 2. A. 2000; Stadtland, H., Herrschaft
nach Plan und Macht der Gewohnheit, 2001; Zwickel, K., Geben und Nehmen, 2005;
Hildebrandt, J., Gewerkschaften im geteilten Deutschland, 2010; Der Freie
Deutsche Gewerkschaftsbund, hg. v. Mielke, S. u. a., 2011
Gewette (Gewedde) ist
(bei ungeklärter Herkunft) in Ostfalen (Sachsenspiegel) im Hochmittelalter die
vom Täter an den Richter zu erbringende Leistung (Strafgeld für schuldhafte
Handlungen gegen Recht und Gericht?), die neben der Leistung an den verletzten
Kläger steht. →fredus, Bann
Lit.: Sperling, H., Zur Geschichte von Buße und
Gewette im Mittelalter, Diss. jur. Straßburg 1874; Friese, V., Das Strafrecht
des Sachsenspiegels, 1898, 196; Ebel, F., Der Traktat „Von Gewette“, ZRG GA 99
(1982), 276
Gewicht →Maß
Lit.: Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel,
1910
Gewissen ist der das Handeln des Menschen an Hand
sittlicher Gründe leitende Teil des Bewusstseins. Wer seinem G. folgt, hat ein
gutes oder reines Gewissen, wer ihm zuwiderhandelt ein schlechtes Gewissen.
Geprägt ist das G. von allgemeinen Einstellungen der umgebenden Gesellschaft
und von eigenen Erfahrungen.
Gewissensfreiheit ist die Freiheit der
Gewissensbildung wie der Gewissensbetätigung. Sie wird nach Anfängen im
Altertum als Teil der Glaubensfreiheit (in Frankreich) um 1600 erkannt. Sie
wird über die Virginia Bill of Rights (1776) und das Allgemeine Landrecht
Preußens (II 11 § 2) fester Bestandteil der →Grundrechte (§ 144 S. 1
Verfassung des Deutschen Reiches von 1848, Art. 135 Verfassung von 1919, Art. 4
I GG).
Lit.: Borowski, M., Die Glaubens- und Gewissensfreiheit
des Grundgesetzes, 2006; Kaupisch, J., Das Grundrecht der Religionsfreiheit,
2008
Gewohnheit
Lit.: Buchda, G., „Gewohnheiten“ in der Pößnecker
Schöffenspruchsammlung, ZRG GA 78 (1961), 64; Gewohnheit, Gebot, Gesetz, hg. v.
Jansen, N., 2011
Gewohnheitsrecht ist das durch langdauernde Übung in
der Überzeugung, damit recht zu handeln, von dem Beteiligten geschaffene Recht.
Vermutlich erwachsen die ersten Rechtssätze auf Grund der einfachen
gesellschaftlichen Verhältnisse allgemein aus Gewohnheiten und entsteht erst
zusätzlich hierzu die bewusste Setzung von Recht durch →Gesetz. In Rom
wird in der Spätantike neben der kaiserlichen Konstitution auch die von Kaiser
Konstantin (319) noch bekämpfte Gewohnheit (lat. [M.] mos, [F.] consuetudo) als
Quelle neuen Rechtes anerkannt. Im Mittelalter wird das partikuläre G. zusammen
mit einzelnen Gesetzen (Konstitutionen) in →den den Volksrechten und Rechtsbüchern
(→Landrechten) aufgezeichnet. In der Neuzeit ist das G. als
ausschließliches Erzeugnis des Volkes dem Gesetz zunächst noch gleichwertig,
wird aber ab etwa 1650 dem Gesetzgeber unterstellt, so dass zu seiner
Entstehung die (vermutetete) Zustimmung des Gesetzgebers erforderlich ist. Im
18. Jh. verlegt man zwar den Entstehungsgrund des Gewohnheitsrechts wieder
allein in das Volk zurück, indem man den gesetzlichen Vorschriften ein
allgemeines Einverständnis des Gesetzgebers entnimmt, doch wendet sich der
absolute Staat mit seiner Gesetzgebung (Kodifikation) gegen das G. (vgl. Einl.
§ 60 zum ALR, § 10 ABGB). Auch der liberale Rechtsstaat des 19. Jh.s bevorzugt
trotz der abweichenden Einschätzung durch die (eigentlich auf das
wissenschaftliche Recht zielende) →historische Rechtsschule das Gesetz.
Dennoch gibt es noch in der Gegenwart gewohnheitsrechtliche Rechtsbildung (z.
B. auch Völkergewohnheitsrecht).
Lit.: Köbler, DRG 4, 52, 101, 142, 185, 227, 254;
Puchta, G., Das Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Brie, S., Die Lehre vom
Gewohnheitsrecht, 1899; Kaser, M., Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA
59 (1939), 52; Smidt, J. de, Rechtsgewoonten, 1954; Schmiedel, B., Consuetudo
im klassischen und nachklassischen römischen Recht, 1966; Köbler, G., Zur Frührezeption
der consuetudo in Deutschland, Hist. Jb. 89 (1969), 337; Fürst, C., Zur
Rechtslehre Gratians, ZRG KA 57 (1971), 276; Bühler, T., Gewohnheitsrecht,
Enquête, Kodifikation, 1977; Diestelkamp, B., Das Verhältnis vom Gesetz und
Gewohnheitsrecht im 16. Jahrhundert, FS H. Thieme, 1977, 1; Gilissen, J., La
coutume, 1982; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, hg. v.
Dilcher, G. u. a., 1992; Overdijk, D., De gewoonte, 1999; Geyer, P., Das
Verhältnis von Gesetzes- und Gewohnheitsrecht in den privatrechtlichen
Kodifikationen, Diss. jur. Göttingen 1998; Garré, R., Consuetudo, 2005; Maisel,
S., Das Gewohnheitsrecht der Beduinen, 2006; Meder. S., Ius non scriptum, 2008,
2. A. 2009
Gewohnheitsverbrechergesetz
Lit.: Müller, C., Das Gewohnheitsverbrechergesetz,
1997
Gibraltar ist die an der Südspitze Spaniens
gelegene Kronkolonie Großbritanniens (6,5 Quadratkilometer, 27100 Einwohner).
G. hat seinen Namen (Felsen des Tarik) von dem 711 n. Chr. hier eine
Befestigung anlegenden arabischen Feldherrn Tarik. 1462 wird G. von Spanien
zurückerobert und 1704 von England besetzt. Dementsprechend ist sein Recht
nacheinander islamisch, spanisch und englisch beeinflusst.
Gierke, Otto von (Stettin 11. 1.
1841-Berlin 10. 10. 1921), Sohn des Stadtsyndikus von Stettin, wird nach dem
Rechtsstudium in Heidelberg und Berlin und nach der Promotion (1860, Homeyer)
und Habilitation in Berlin (1867, Beseler) Professor in Breslau (1871),
Heidelberg (1884) und Berlin (1887). In seiner mehrbändigen, unvollendeten
Untersuchung Das deutsche Genossenschaftsrecht (Bd. 1ff. 1868ff.) unternimmt
er den Versuch der Ermittlung der großen Entwicklungslinien der Geschichte der
menschlichen Verbände, in seinem unvollständigen deutschen Privatrecht (Bd.
1ff. 1895ff.) den Versuch der umfassenden Darstellung der deutschen
Privatrechtsentwicklung aus deutschrechtlicher Sicht. Rechtspolitisch
beeinflusst er die Gestaltung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) und
des deutschen Rechtes in sozialrechtlicher Richtung (Der Entwurf eines
bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, 1888/1889 (Neudruck 2013),
→Gesamthand, Kauf bricht nicht Miete). 1911 wird er geadelt.
Lit.: Köbler, DRG 207; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GierkeOttoDeutschesPrivatrecht1895Band1.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GierkeOttoDerEntwurfeinesbuergerlichenGesetzbuchs1889.pdf;
Festschrift Otto Gierke, 1911; Stutz, U., Zur Erinnerung an Otto von Gierke,
ZRG GA 43 (1922), VII (mit Schriftenverzeichnis); Mogi, S., Otto von Gierke,
1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 543;
Jobs, F., Otto von Gierke und das moderne Arbeitsrecht, Diss. jur. Frankfurt am
Main, 1968; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, 1974; Mundt, H., Sozialpolitische Wertungen als
methodischer Ansatz in Gierkes privatrechtlichen Schriften, 1976; Otto Gierke,
Associations and Law, hg. v. Heiman, G., 1977; Spindler, H., Von der
Genossenschaft zur Betriebsgemeinschaft, 1982; Pfeiffer-Munz, S., Soziales
Recht ist deutsches Recht, 1979; Haack, T., Otto von Gierkes Kritik, 1997;
Pfennig, C., Die Kritik Otto von Gierkes, 1997; Repgen, T., Die soziale Aufgabe
des Privatrechts, 2001; Peters, M., Die Genossenschaftstheorie Otto von
Gierkes, 2002; Janssen, A., Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts
Otto von Gierkes, ZRG GA 122 (2005), 353
Gießen an der Lahn, 1197 als Wasserburg
der Grafen von Gleiberg erstmals genannt, gelangt 1265 an Hessen und ist seit
1607 Sitz einer (lutherischen) Universität mit einer juristischen Fakultät
(1945-1965 geschlossen).
Lit.: Hall, A., Die juristische Fakultät der
Universität Gießen im 17. Jahrhundert, Ludwigs-Universität, 1957, 1-16; Köbler,
G., Gießener juristische Vorlesungen 1607-1982, 1982, 2. A. 2007 im Internet;
Köbler, G., Zur Herkunft der Gießener Rechtslehrer des 19. Jahrhunderts, FS W.
Mallmann, 1978, 117; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988;
Chroust, P., Gießener Universität und Faschismus, 1994; 800 Jahre Gießener
Geschichte, hg. v. Brake, L., 1997; Panorama 400 Jahre Universität Gießen, hg.
v. Carl, H. u. a., 2007; Rechtswissenschaft im Wandel, hg. v. Gropp, W., 2007;
Kirschbaum, J., Die Etablierung der historischen Rechtsschule an der
Ludoviciana (1814-1824), 2011; Kischkel, T., Die Spruchtätigkeit der Gießener Juristenfakultät,
2016
Gilde ist die Vereinigung mehrerer
Menschen zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zwecken im
mittelalterlichen nördlichen Europa. Eine G. wird erstmals 688-726 in England
als Empfänger von →Wergeld erwähnt. 779 begegnet eine G. im Kapitular von
Herstal. In Skandinavien erscheint die G. im 12. Jh. Im Hochmittelalter bilden
die Gewerbetreibenden Gilden. In der Neuzeit verliert die G. an Bedeutung und
beschränkt sich seit der Gewerbefreiheit des 19. Jh.s auf die Brauchtumspflege
(z. B. Schützengilde). →Zunft
Lit.: Köbler, DRG 121; Köbler, WAS; Wilda, W., Das
Gildenwesen im Mittelalter, 1831, Neudruck 1964; Pappenheim, M., Die
altdänischen Schutzgilden, 1885; Nitzsch, K., Die niederdeutsche Kaufgilde, ZRG
GA 13 (1892), 1; Nitzsch, K., Die niederdeutschen Verkehrseinrichtungen neben
der alten Kaufgilde, ZRG GA 15 (1894), 1; Joachim, H., Gilde und Stadtgemeinde
in Freiburg im Breisgau, FG Anton Hagedorn, 1906, 25; Silberschmidt, W., Die
Bedeutung der Gilde, ZRG GA 51 (1931), 132; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Engemann, H., Die Gilden der Stadt
Goslar, 1957; Reininghaus, W., Die Entstehung der Gesellengilden im
Spätmittelalter, 1981; Black, A., Guilds, 1984; Gilden und Korporationen, hg.
v. Friedland, K., 1984; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985; Anz,
C., Gilden im mittelalterlichen Skandinavien, 1998; Cordes, A., Stuben und
Stubengesellschaften, 1993; Maniatis, G., The Guild System in Byzantium and
Medieval Western Europe, Byzantion 76 (2006), 463; Guilds and Craftsmen in the
Medieval and Early Modern Periods, hg. v. Jullien, E. u. a., 2016
Giphanius (van Giffen), Hubert (Buren
1533/4-Prag 1604) wird nach dem Studium in (Löwen,) Orléans, Bourges, Paris und
Orléans teils gefeierter, teils umstrittener Professor in Straßburg (1570),
Altdorf (1583) und Ingolstadt (1590) und 1599 Reichshofrat.
Lit.: Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät, 1973, 134
Gladbach
Lit.: Gödde, K., Landesherrschaft und Stadtrechte in Gladbach bis 1609,
Diss. jur. Bonn 1959
Gladiator (M.) Berufskämpfer in Rom
Lit.: Meijer, F., Gladiatoren, 2004
Glanvill, Ranulf de (Suffolk um 1140?-Akkon
1190), aus normannischer (?), begüterter Familie, wird 1163 als Sheriff von
Yorkshire (bis 1170) und 1173 als Sheriff von Lancashire genannt und 1180 zum
ersten Rechtsberater (lat. [M.] capitalis iustitiarius) König Heinrichs II. von
England erhoben. Seit dem 13. Jh. wird ihm der durch mehr als 30 Handschriften
überlieferte (lat.) Tractatus (M.) de legibus et consuetudinibus regni Angliae
(Treatise on the Laws and Customs of England, Abhandlung von den Gesetzen und
Gewohnheiten Englands) zugeschrieben, eine kurze, klare, in einfachem Latein
vielleicht zwischen 1187 und 1189 verfasste Darstellung des englischen, von den
Gerichten geformten Rechtes (Buch 1-13 Zivilklagen mit 76 Formularen eines
königlichen writ [Buch 7 Erbrecht], Buch 14 Strafklagen), in dem die
römischrechtlichen und kirchenrechtlichen Einflüsse den Kern des einheimischen
Rechtes nicht berühren. Der Tractatus ist das älteste book of authority des
→common law. Es wird von Henry de →Bracton benutzt.
Lit.: Holdsworth, W., A History of English Law, Bd. 2
4. A. 1936, 188; Peter, H., Actio und writ, 1957, 20, 105; The Treatise on the
Laws, hg. v. Hall, G., 1965; Caenegem, R. van, The Birth of the English Common
Law, 1973, 2. A. 1988
Glarus ist das seit 1352 zur
Eidgenossenschaft der Schweiz gehörige, 1803 als Kanton anerkannte Gebiet an
der Linth, das sich am 22. 5. 1887 eine Verfassung gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Stucki, F.,
Beiträge zur Geschichte des Landes Glarus, 1936; Liebeskind, W., Stab und
Stabgelübd im Glarner Landrecht, 1936; Zweifel, E., Johann Jakob Blumer und das
glarnerische bürgerliche Gesetzbuch (Diss. jur. Zürich 1965), 1966; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Die Rechtsquellen des Kantons Glarus,
hg. v. Stucki, F., Bd. 1ff. 1983ff.; Schießer, F., Entstehung und Inhalt der
Verfassung des Kantons Glarus, Jb. d. hist. Ver. d. Kantons Glarus 71 (1986)
Glas
Lit.: Herb, C. u. a. Glas – Von den Anfängen bis ins
frühe Mittelalter, 2016
Glaser, Julius (bzw. Josua) (Postelberg
19. 3. 1831-Wien 26. 12. 1885), Kaufmannssohn, wird 1856/60 Strafrechtsprofessor
in Wien und erarbeitet als liberaler Justizminister (1871-1879) die
österreichische Strafprozessordnung des Jahres 1873.
Lit.: Unger, J., Julius Glaser, 1885; Sinzheimer, H.,
Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft, (1938) 1953, 127; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 184
Glasgow in Schottland erhält um 548 eine
erste Kirche. 1136 wird es Sitz eines Bischofs. Sein Marktrecht von 1189 wird
1689 in Stadtrecht umgewandelt. 1451 bzw. 1796 entstehen zwei Universitäten.
Lit.: Durkan, J./Kirk, J., The University of Glasgow,
1977
Glatz
Lit.: Schubert, F., Das älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA
45 (1925), 250
Glaube ist die menschliche Grundhaltung des (nicht
sicher wissenden) Vertrauens (z. B. an einen Gott).
Lit.: Glaubensflüchtlinge, hg. v. Bahlcke, J., 2008; Der Ungläubige in
der Rechts- und Kulturgeschichte, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2015
Glaubensfreiheit ist die Freiheit, einen eigenen
religiösen Glauben zu bilden und dafür zu werben. Dabei treten mit der Reformation
des Jahres 1517 mehrere Arten von Glauben nebeneinander. 1848 will die
Verfassung des Deutschen Reiches Glaubens- und Gewissensfreiheit, Kultusfreiheit
und religiöse Vereinigungsfreiheit sichern. Die G. ist weiter z. B. durch Art.
14 I des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (1867
in Österreich, Art. 63 II Friedensvertrag von Saint Germain öffentliche
Religionsausübung, 1949 Europäische Menschenrechtskonvention Schutz für
nichtreligiöse Weltanschauungen) und Art. 135 der Weimarer Reichsverfassung geschützt.
→Religionsfreiheit
Lit.: Borowski, M., Die Glaubens- und
Gewissensfreiheit des Grundgesetzes, 2006
Gläubiger (1350, lat. [M.] →creditor,
Gläubigerverzug 1895) ist der aus einem Schuldverhältnis zu einer Leistung
Berechtigte. Er ist bereits dem römischen Recht allgemein bekannt. Wird er
benachteiligt, so gewährt der Prätor während des Vollstreckungsverfahrens die
Wiederherstellung des vorherigen Zustands (lat. →in integrum restitutio
[F.]) und nach dem Vollstreckungsverfahren ein wiederherstellendes Edikt,
woraus sich bei Justinian die (lat.) →actio (F.) Pauliana
(Gläubigeranfechtungsrecht) entwickelt, die in Deutschland seit dem
Spätmittelalter aufgenommen und mit ähnlichen Gestaltungen des mittelalterlichen
Stadtrechts verbunden wird.
Lit.: Kaser § 32 I; Hübner; Oertel, R., Entwicklung
und Bedeutung des Grundsatzes anteiliger Gläubigerbefriedigung im älteren
deutschen Recht, 1901; Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen
des Schuldners, ZRG GA 41 (1920), 210; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Popp, A., Gläubigerschädigung, 2014
Gläubigeranfechtung s. Gläubiger, Anfechtung,
Gläubigerbenachteiligung
Lit.: Schultze, A., Über Gläubigeranfechtung und
Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem Stadtrecht des
Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210
Gläubigerbenachteiligung ist die bereits dem römischen Recht
bekannte, durch Verschiebung von Vermögensteilen des von Zwangsvollstreckung
und Konkurs bedrohten Schuldners erfolgende Benachteiligung von Gläubigern
([lat.] alienatio [F.] in fraudem creditorum) Der römische Prätor schützt den
Gläubiger durch die (lat.) restitutio (F.) in integrum, das (lat.) interdictum
(N.) fraudatorium und die (lat.) denegatio (F.) actionis. Justinian fasst alles
zur (lat.) actio (F.) Pauliana (paulianischer Klaganspruch) zusammen. In der
Neuzeit sollen der G. besondere gesetzliche Regeln (Anfechtungsgesetz)
entgegenwirken.
Lit.: Kaser § 9 III
Gläubigerverzug (lat. mora creditoris) ist
die bereits dem römischen Recht bekannte Verzögerung der Erfüllung durch Fehlen
eines zum Eintritt der Erfüllung notwendigen Verhaltens (z. B. Annahme) des
Gläubigers. Durch G. wird der Schuldner nicht von der Leistungspflicht befreit,
doch muss er für den Untergang des Leistungsgegenstands nur noch für Vorsatz
(lat. dolus) einstehen.
Lit.: Kaser § 37 III; Köbler, DRG 44; Heuer, P., Der
Annahmeverzug im älteren deutschen Privatrecht, 1911; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im
klassischen römischen Recht, 2005
glebae adscriptus (lat. [M.]) Schollengebundener
(Kolone bzw. Bauer)
Gleichberechtigung ist die Gleichstellung bezüglich
der Rechte (für Frauen und Männer). Der Grundsatz der G. wird in Abkehr von der
älteren patriarchalischen Familienstruktur im Gefolge der Aufklärung seit der
Mitte des 19. Jh.s (1848) verlangt, nachdem zuvor die Ausnahme von der Gleichheit
als angesichts der Schwachheit der Frau und ihrer mangelnden Begabung zu
vernünftiger Erkenntnis notwendige Schutzmaßnahme erklärt worden war. Danach
werden 1869 in Preußen wichtige Einschränkungen der Handlungsfähigkeit der
Frau aufgehoben und wird 1877 die Prozessunfähigkeit der Ehefrau beseitigt.
Nach 1900 wird die Frau zum Universitätsstudium zugelassen, 1908 wird ihr ein
politisches Wirken eröffnet, 1919 erhält sie durch die Verfassung das aktive
und passive Wahlrecht, seit 1922 kann sie die Befähigung zum Richteramt
erwerben. Durch Art. 3 II GG wird die G. von Männern und Frauen unmittelbar
geltendes Bundesrecht. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Deutschlands tritt zum 31. 3. 1953 alles dem Gleichberechtigungsgrundsatz des
Grundgesetzes entgegenstehende Recht außer Kraft. Das
Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 bringt eine Neuregelung. Am 29. 7.
1959 entscheidet das deutsche Bundesverfassungsgericht gegen den Vorrang des
Mannes bei der gesetzlichen Vertretung der Kinder (Gleichberechtigungsgesetz).
Mit Gesetz vom 14. 6. 1976 wird die G. im Eherecht verwirklicht. Das
Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16. 12. 1997 ermöglicht die gemeinsame
elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern durch beiderseitige
Erklärung.
Lit.: Hübner 71, 656; Köbler, DRG 238; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GesetzUeberDieGleichberechtigung1957.pdf;
Hippel, T. v., Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber, 1792, Neudruck
1981; Wollstonecraft, M., Vindication of the rights of Women, 1793; Boehmer,
G., Die Teilreform des Familienrechts durch das Gleichberechtigungsgesetz,
1962; Ramm, T., Gleichberechtigung und Hausfrauenehe, JZ 23 (1968), 41, 90;
Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Müller-List, G.,
Gleichberechtigung als Verfassungsauftrag, 1996; Leicht-Scholten, C., Die
Gleichberechtigung im Grundgesetz, 2000; Wendrich, J., Die Entwicklung der
familienrechtlichen Entscheidungsbefugnisse der Ehefrau, 2002; Franzius, C.,
Bonner Grundgesetz und Familienrecht, 2005; Riedel, T., Gleiches Recht für Mann
und Frau, 2008; Der Kampf ums gleiche Recht, hg. v. schweizerischen Verband für
Frauenrechte, 2009
Gleichheit ist die Übereinstimmung bezüglich eines
Umstandes. Sie entwickelt sich seit der Aufklärung (nach 1770) zu einem
Grundrecht, das sich die Revolution in Frankreich von 1789 zum Ziel setzt. Es wird 1919 in Art. 109 der
Verfassung aufgenommen.→Gleichberechtigung, →Gleichheitsgrundsatz
Lit.: Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung,
1980; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten des 12. bis 15.
Jahrhunderts, 2000; Damm, S., Menschenwürde,
Freiheit, komplexe Gleichheit, 2005; Hupe, D., Von der Hierarchie zur Egalität
in den Zivilrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts, 2015; Milanovic, B.,
Haben und Nichthaben, 2017
Gleichheitsgrundsatz ist der Grundsatz, dass alle
Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Gleichheit der Menschen bejahen
theoretisch schon die antiken Philosophen (Stoa, Cicero) und das Christentum.
Dennoch sind antike und mittelalterliche Gesellschaft durch die Ungleichheit
oder die nur stufenförmige Gleichheit gekennzeichnet. Erst in der Aufklärung
des 18. Jh.s wird die Beseitigung der ständischen Ungleichheit zur politischen
Forderung (→Montesquieu, →Voltaire, →Rousseau). Seit 1776
nehmen die Verfassungen den G. auf (Frankreich [égalité] 1791, Bayern 1818,
Österreich 1848, Preußen 1850, Weimarer Reichsverfassung 1919). Eine
Unterscheidung zwischen Staatsbürgern bzw. Unionsbürgern und Ausländern ist bei
den Bürgerrechten möglich. Unterscheidungen sind nur bei objektiven
Gesichtspunkten rechtmäßig.
Lit.: Köbler, DRG 206, 252; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 997; Adams, W., Das Gleichheitspostulat in der
amerikanischen Revolution, HZ 212 (1977), 59; Erler, A., Alle Menschen sind vor
dem Gesetz gleich, 1967; Dann, O., Gleichheit und Gleichberechtigung, 1980; Von
der ständischen Gesellschaft zur bürgerlichen Gleichheit, 1980; Kleinheyer, G.,
Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft 4, 1980, 7; Chaimowicz, T., Freiheit
und Gleichheit im Denken Montesquieus und Burkes, 1985; Böttger, B., Das Recht
auf Gleichheit und Differenz, 1990; Maldeghem, C. v., Die Evolution des
Gleichheitssatzes, 1997; Frenz, B., Gleichheitsdenken in deutschen Städten,
2000; Duncker, A., Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe, 2003; Rabe, C.,
Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006
Gleve (F.) Einheit im Ritterheer
Lit.: Schulze, W., Die Gleve, 1940
Globalisierung ist die Veränderung der Erde zu einer
umfassenden Einheit in Kugelgestalt in der Sicht des Menschen. Sie ist durch
die technisch-wissenschaftliche Betrachtung vor allem in der Neuzeit bedingt.
Seit dem 19. Jh. bewirken die Erfindungen schnellerer Verkehrsmittel und
Wissensübertragungssysteme früher unvorstellbare Verdichtungen in allen Teilen
der Erde.
Lit.: Globalisation and the Rman World, hg. v. Pitt, M. u. a., 2014;
Globalized Antiquity, hg. v. Schüren, U. u. a., 2015; Osterhammel, J., Die
Fluhöhe der Adler, 2017
Globig, Hans Ernst von (Grauwinkel bei Wittenberg 2.
11. 1755-Dresden 21. 11. 1826, Sekretär des Kurfürsten von Sachsen, Assessor am
Appellationsgericht in Dresden (1779-1789), Assessor am Reichskammergericht
(1789-1799), Reichstagsgesandter in Regensburg, 1806 Geheimrat, tritt 1777
gegen Folter und Todesstrafe ein
Lit.: Abhandlung von der Criminal-Gesetzgebung, 1785; Schmidt, S., Die
Abhandlung von der Criminalgesetzgebung, 1990; Röthlin, N., Die Verbesserung
des Strafrechts, ZRG GA 121 (2004), 238
Glocke ist das aus einem metallenen Hohlkörper und
einer metallenen Stange (Klöppel) bestehende, wohl im 8. Jh. von Irland auf das
europäische Festland gelangte Gerät zur Erzeugung von Tönen, die auch
Rechtshandlungen anzeigen oder Rechtswirkungen auslösen können.
Lit.: Lippert, E., Glockenläuten als Rechtsbrauch, 1939; Carlen, L.,
Orte, Gegenstände und Symbole kirchlichen Rechtslebens, 1999; Beyer, F.,
Geheiligte Räume, 2008
Glogau
Lit.: Goerlitz, T., Die Gubener Handschrift des Glogauer Rechtsbuchs,
ZRG GA 64 (1944), 319
Glorious Revolution ist die Bezeichnung für den 1688
durch Eingreifen des Parlaments unblutigen Wechsel vom 1672 katholisch
gewordenen König Jakob II. aus dem Hause Stuart zu Maria II. Stuart und ihrem
protestantischen Ehemann Wilhelm III. von Oranien. Obwohl die G. R. keine
wirkliche Revolution ist, sondern die aristokratische Ordnung vordergründig
eher festigt, legt die in der →Bill of Rights (1689) errungene Sicherung
der Rechte des →Parlaments die Grundlage für die weitere
verfassungsmäßige Entwicklung zum Parlamentarismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
glossa →Glosse
Glossa (F.) ordinaria (lat., ordentliche Glosse) ist die
Zusammenfassung aller einzelnen →Glossen zum römischen Recht bzw. zum
kirchlichen Recht zu einer kettenförmig um den Text gelegten Einheit durch
Accursius (1182/1185-1260/1263, 96940 Einzelglossen, 22365 zum Digestum vetus,
17969 zum Digestum infortiatum, 22243 zum Digestum novum, 17814 zum Codex
[1-9], 4737 zu den Institutionen, 7013 zum Authenticum, 680 zu den Libri
feudorum in insgesamt 5 Bänden, durch etwa 1200 Handschriften belegt) bzw.
Johannes Teutonicus (1216). Die bereits 1258 in Florenz, wenig später in
Frankreich (Toulouse 1275-1300), Spanien und Portugal sowie gegen Ende des 13.
Jh.s in Deutschland (Johannes von Erfurt 1285, Brügge 1291) verwendete g. o.
des Accursius enthält u. a. etwa 10400 als von früheren Verfassern (z. B.
Irnerius 330, Martinus 590, Bulgarus 315) stammend gekennzeichnete Glossen. Im
Heiligen römischen Reich wird im 14. Jh. der Sachsenspiegel glossiert (Johann
von Buch vielleicht bereits vor 1325 nach dem Vorbild des Accursius, zwei
Rezensionen, weiter Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede Lüneburg 1442, Dietrich
von Bocksdorff, Petrus de Posena, Stendaler Glosse, insgesamt 204 Handschriften
und Fragmente, 82 noch vollständig vorhandene Handschriften)
Lit.: Accursii Glossa, 1487ff., Neudruck 1968ff.;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Die althochdeutsche und
altsächsische Glossographie, hg. v. Bergmann, R. u. a., 2009 (1878 S.)
Glossator ist der Verfasser einer oder mehrerer Glossen.
zum gelehrten Recht in Oberitalien im Hochmittelalter (z. B. Pepo, Irnerius, Bulgarus,
Martinus, Jacobus, Hugo, Bassianus, Azo, Accursius ) →Glosse
Lit.: Kantorowicz, H., Studies in the Glossators of
the Roman Law, 1938, Neudruck 1969; Schrage, E., Utrumque ius, 1992, e-book
2013; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter Band 1 Die Glossatoren, 1997
Glosse (griech. Zunge, Sprache, Wort, Erklärung, zu idg.
*glōgʰ-, *gləgʰ-, Sb., Stachel,
Spitze) ist das
ungewöhnliche und deshalb erklärungsbedürftige Wort, dessen Erklärung und die Gesamtheit
aller Erklärungen erklärungsbedürftiger Wörter eines Textes (z. B. der Bibel).
Die manchmal in Rechtstexten nur in der Nennung verwandter Stellen (Allegationen)
bestehende Erklärung wird meist an den Rand (Marginalglosse) oder zwischen die
Zeilen (Interlinearglosse) des zu erklärenden Textes gesetzt (z. B. zwischen
dem 8. und 15. Jh. in mehr als 1250 Handschriften rund 250000
Einzelglossenbelege zu rund 27000 altdeutschen Ansätzen). Im Recht beginnt die
Glossierung mit dem Ziel der analysierenden Aufschließung des Textes, dann der
Erleichterung des Verständnisses und schließlich der synthetisierenden
Entwicklung einer widerspruchsfreien Einheit der justinianischen Texte wohl
mit (Pepo von Bologna,) Irnerius (1060?-1125?) in Bologna. Ihm folgen vor allem
die vier Doktoren Bulgarus, Hugo, Jacobus und Martinus. Seit etwa 1160 werden
die Glossen durch Namenssiglen gekennzeichnet. Weitere bekannte Glossatoren
sind Rogerius, Albericus, Aldricus, Wilhelmus de Cabriano, Placentinus,
Henricus de Baila, Johannes Bassianus, Pilius (Pillius), Cyprianus, Otto
Paiensis, Lotharius, Burgundio von Pisa, Vacarius, Azo, Hugolinus, Jacobus de
Ardizone, Jacobus Columbi, Jacobus Balduini, Tancredus, Bagarottus, Damasus,
Bernardus Dorna, Pontius de Ilerda, Karolus de Tocco, Symon Vicentius,
Roffredus und Odofredus sowie Accursius. Nach 1215 wird die Tätigkeit der
Glossatoren durch Begutachtung (Konsilien der Konsiliatoren) und Kommentierung
(Kommentare der Kommentatoren) ersetzt. →Malbergische Glosse, Sachsenspiegelglosse
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 106, 107; Köbler,
LAW; Savigny, C., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3ff. 2.
A. 1834ff.; Schulte, J. v., Die Glosse zum Dekret Gratians, 1872; Engelmann,
W., Die Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938; Calasso, F., I
glossatori e la teoria della sovranità, 2. A. 1951; Dilcher, H., Die Theorie
der Leistungsstörungen bei Glossatoren, Kommentatoren und Kanonisten, 1960;
Söllner, A., Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG
RA 77 (1960), 182; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Fried, J., Die Entstehung
des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Villata di Renzo, G., La tutela,
1975; Glosse preaccursiane alle Istituzioni, hg. v. Caprioli, S. u. a., Bd. 1f.
1984ff.; Dolezalek, G., Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani,
1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Otte, G., Logische
Einteilungstechniken bei den Glossatoren, (in) Dialektik und Rhetorik, hg. v.
Fried, J., 1997, 157; Mittelalterliche volkssprachige Glossen, hg. v. Bergmann,
R. u. a., 2001; Glossen zum Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Kaufmann, F.,
2002; Maceratini, R., La glossa ordinaria al Decreto di Graziano e la Glossa di
Accursio al Codice di Giustiniano, 2003; Althochdeutscher und altsächsischer
Glossenwortschatz, hg. v. Schützeichel, R., Bd. 1ff. 2004; Glossen zum
Sachsenspiegel Lehnrecht Teil 1, hg. v. Kaufmann, F., 2006; Wallinga, T., The
Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005; Jakobs, H., Magna Glossa, 2006;
Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie, hg. v. Bergmann,
R./Stricker, S., 2009; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die ältere Glosse,
hg. v. Kaufmann, F., 2012; Schiegg, M., Frühmittelalterliche Glossen, 2015
(Handschrift Archiv des Bistums Augsburg Hs. 6)
Glück ist der als (erhoffte) Erfüllung einer
Vorstellung durch eigenes Streben oder Zufall eintretende, als vorteilhaft
empfundene menschliche Zustand.
Glück, Christian Friedrich von; geb. Halle
01. 07. 1755; gest. 20. 01. 1831, 1770 Studium Rechtswissenschaft Universität
Halle, 1776 Referendar Magdeburg, 1777 Promotion Universität Halle, 1784
Professor Universität Erlangen, 1820 geheimer Hofrat, 1827 Nobilitierung, ist
der Verfasser der (unvollendeten) ausführlichen Erläuterung der Pandekten in 34
Bänden (1790ff.).
Lit.: Wendehorst, A., Geschichte der Universität
Erlangen-Nürnberg 1743-1993, 1993; Hirata, A., Die Vollendung des usus modernus
pandectarum, ZRG RA 123 (2006), 330
Glücksspiel ist das im Ergebnis wesentlich vom
Zufall abhängige Spiel um Vermögen. Bereits das römische Recht unterscheidet
zwischen erlaubten, dem Gewinner eine Klagemöglichkeit gewährenden Spielen
und unerlaubten, dem Verlierer eine Herausgabeklagemöglichkeit einräumenden
Spielen. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) muss der Erbe Spielschulden des
Erblassers aus Doppelspiel (Würfelspiel) nicht bezahlen. In der Neuzeit werden
im Heiligen römischen Reich die römischen Bestimmungen aufgenommen. Das
Allgemeine Landrecht Preußens (1794) sieht Strafen für die Beteiligten vor (II
20 §§ 1298ff.), die über das Strafgesetzbuch Preußens von 1851 in das
Reichsstrafgesetzbuch (1871) übergehen und am 23. 12. 1919 verschärft werden,
doch bestehen zwecks Erzielung staatlicher Einnahmen Ausnahmen für
Spielbanken ([lat.] pecunia non olet, Geld stinkt nicht).
Lit.: Seelig, E., Das Glücksspielstrafrecht, 1923
GmbH →Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gnade (Wohlwollen, Gunst) →Begnadigung
Lit.: Beyerle, K., Von der Gnade im deutschen Recht,
1910; Butz, H., Gnadengewalt und Gnadensachen, 1975; Laske, W., Die rechtliche
Unzulässigkeit der Mönchung als Gnadenakt im fränkischen Hofgericht, ZRG GA 95
(1978), 239; Mickisch, C., Die Gnade im Rechtsstaat, 1996; Vrolijk, M., Recht
door gratie, 2004; Ludwig, U., Das Herz der Justitia, 2008
Gnadenjahr
Lit.: Brünneck, W., v. Die gesetzliche Leibzucht und
das Gnadenjahr, ZRG GA 27 (1906), 1
Gneist, Heinrich Rudolf Hermann Friedrich
von (Berlin 13. 8. 1816-Berlin 22. 7. 1895), Justizkommissarssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny), der Promotion (1838) und der
Habilitation (1839) 1845 (Abgeordneter der Berliner Stadtverordnetenversammlung
und) außerordentlicher Professor(, Richter am Obertribunal Preußens bis 1850,
drei Reisen nach England 1846, 1848, 1850) und 1858 ordentlicher Professor
(1857/1860 Das heutige englische Verfassungs- und Verwaltungsrecht). Er wirkt
als Politiker (1859-1893 Mitglied des Abgeordnetenhauses Preußens, 1867-1884
Mitglied des Reichstags) zunächst gegen Bismarck und später Bismarck
unterstützend gegen Sozialisten und Klerikale und fördert maßgeblich das
Zustandekommen der Reichsjustizgesetze (1877/1879) und die Einführung des
richterlichen Prüfungsrechts, der freien Rechtsanwaltschaft und der
gerichtlichen Überprüfung der unteren Verwaltungstätigkeit. Zwischen 1868 und
1893 steht er 12 Juristentagen vor. 1888 wird er geadelt.
Lit.: Schiffer, E., Rudolf von Gneist, 1929; Weber,
D., Die Lehre vom Rechtsstaat, Diss. jur. Köln 1968; Luig, K., Soziale
Monarchie oder soziale Demokratie, ZRG GA 111 (1994), 464; Hahn, E., Rudolf von
Gneist, 1995; Eßer, D., Gneist als Zivilrechtslehrer, 2004
Go ist der hochmittelalterliche Dorfschaftsverband
(Landgemeinde) in Sachsen zwischen Eider, Elbe, Rhein und Ems (mit vielleicht
20 bis 40 Dörfern). Meist zweimal jährlich findet eine Versammlung der
Gobewohner statt (Goding). Das Alter des G. ist ebenso streitig wie die
Herkunft. Im 16./17. Jh. beseitigt der Landesherr den G. zugunsten des Amtes.
Lit.: Heck, P., Der Sachsenspiegel und die Stände der
Freien, 1905, 118, 137; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, FS K. Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische
Gogerichtsbarkeit, Diss. phil. Münster 1961; Landwehr, G., Gogericht und
Rügegericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Bemmann, K, Neue Aspekte zur Entstehung der
sächsischen Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht
in Holstein und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die
Gogerichtsbarkeit, Diss. jur. Münster 1997; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung 1423-1550, 1997; Schubert, E., Geschichte Niedersachsens, 2,
1, 1997; Kroeschell, K., recht unde unrecht der sassen, 2005
Go (M.) Gau, Gebiet, Dorf
Gobler, Justin (Sankt Goar [um]
1503-Frankfurt am Main 21. 4. 1567) wird nach dem Rechtsstudium (u. a. Mainz,
Erfurt, Bourges [Alciat], Orléans 1535 licentia in legibus) und der Heirat
(1527) der Witwe des Trierer Rates Ulrich Fabricius Schreiber in Koblenz, Professor
in Trier, um 1539 Rat in Hannoversch-Münden (Braunschweig-Calenberg), 1544
nach Promotion Hofrichter in Hannoversch-Münden, 1546 Kanzler des Bischofs von
Münster, 1549 Rat in Nassau-Dillenburg und (vor allem verstärkt nach einem
Unfall 1559 in Frankfurt am Main) Publizist. Er übersetzt (und kommentiert) als
erster (vor 1543) die →Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532
ins Lateinische. Durch sein umfangreiches, vielfach angefeindetes Gesamtwerk
(Gerichtlicher Process 1536, Rechten-Spiegel 1550, Statutenbuch 1553,
Übersetzung der Institutionen Justinians 1551, der Novellen 1564, des
Hexabiblos 1564, Editionen, Gutachtensammlung 1565) fördert er sowohl die
Aufnahme des römischen Rechtes in Deutschland wie auch die Kenntnis deutschen
Rechtes im europäischen Umfeld.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der deutschen
Rechtswissenschaft, Bd. 1 1880, Neudruck 1957, 1978, 582; Kantorowicz, H.,
Goblers Karolinenkommentar, 1904; Deutsch, A., Der Klagspiegel und sein Autor,
2004
Goch
Lit.: Liesegang, E., Einige Rechtsaufzeichnungen aus dem
Privilegienbuch der Stadt Goch, ZRG GA 33 (1912), 224
Gode (M.) altisländischer Priester(häuptling) unbekannter
Herkunft (zwischen 930 und 1264, jeweils 36-48 goda, mit Einführung der
Jarnsida 1271 beseitigt)
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964,
107; Karlsson, G., Godar og baendur, 1972; Sigurdsson, J., Chieftains and Power
in the Icelandic Commonwealth, 1999
Godefroy (Gothofredus), Denis (Dionysius)
(Paris 17. 10. 1549-Straßburg 7. 9. 1622), adliger Parlamentsratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Paris (Baudoin), Löwen, Köln, Heidelberg und Orléans
(1579) als hugenottischer Glaubensflüchtling Professor in Genf, Straßburg
(1591), Heidelberg (1600), Straßburg (1601) und Heidelberg (1604-1621). Er
veröffentlicht 1583 eine humanistisch gebesserte kritische Ausgabe der
justinianischen Gesetzbücher (lat. [N.] →corpus iuris civilis), die bis
1776 die allgemein anerkannte Edition bleibt.
Lit.: Söllner §§ 22, 23; Köbler, DRG 143;
Godefroy-Ménilglaise, D., Les savants Godefroys, 1873, Neudruck 1971; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Godefroy (Gothofredus), Jacques (Jacobus)
(Genf 1587-1652), Sohn des Denis Godefroy (Dionysius Gothofredus [1549-1622]),
wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (1611) und weiteren Studien in Paris
1619 Professor des Rechtes in Genf, Ratsmitglied, Syndikus und Diplomat. Er
veröffentlicht 1665 eine kommentierte, kritische Ausgabe des →Codex
Theodosianus in sechs Bänden, die bis zur Gegenwart nicht ersetzt ist. Neben
kleineren Quelleneditionen verfasst er ein sehr erfolgreiches Handbuch der
(römischen) Rechtsgeschichte (lat. Manuale [N.] iuris, 1632).
Lit.: Jacques Godefroy (1587-1652), hg. v. Schmidlin,
B. u. a., 1991
Goding →Gogericht
Lit.: Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein und Niedersachsen, ZRG
GA 111 (1994), 536
Goethe, Johann Wolfgang (Frankfurt am
Main 28. 8. 1749-Weimar 22. 3. 1832), Sohn des promovierten Juristen,
kaiserlichen Rates und Privatmanns Johann Kaspar Goethe und einer Stadtschultheißentochter,
wird nach Privatunterricht und dem Rechtsstudium in Leipzig (1765-1768,
krankheitsbedingter Unterbrechung) und Straßburg (1770, Lizentiat, wegen
Ablehnung der verlorenen Dissertation De legationibus nicht zum Doktor promoviert)
am 3. 9. 1771 Advokat in Frankfurt am Main (28 Prozesse), 1772 Praktikant am
Reichskammergericht in Wetzlar und (7. 11.) 1775 mit 26 Jahren Rat des
(18jährigen) Herzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach (zwei räumlich getrennte, 1900
Quadratkilometer und rund 100000 Einwohner umfassende Fürstentümer), für den er
vor allem in den ersten zehn Jahren für mehr als 20000 Verwaltungsangelegenheiten
vielleicht ein Drittel seiner Zeit aufwendet (1786-1788 Aufenthalt in Italien).
In sein berühmtes dichterisches Werk (u. a. Götz von Berlichingen, 1774 die
Leiden des jungen Werther, Faust, Wilhelm Meisters Wanderjahre, Weimarer
Ausgabe mit 146 Bänden) fließen auch seine rechtlichen Erfahrungen ein. Goethes
Wortschatz umfasst etwa 90000 verschiedene Wörter (2014 bis Museensammlung
bearbeitet).
Lit.: Meisner, J., Goethe als Jurist, 1885;
Wieruszowski, A., Goethe als Rechtsanwalt, 1909; Fuchs, J., Advokat Goethe,
1932; Fischler, M., Der Ordnungsgedanke in Goethes Rechtsdenken, (um 1940);
Schubart-Fikentscher, G., Goethes Straßburger Thesen vom 6. 8. 1771, 1949;
Goethes amtliche Schriften, Goethes Tätigkeit im geheimen Consilium, Bd. 1ff.
1950ff.; Schubart-Fikentscher, G., Goethes amtliche Schriften, 1977;
Goethe-Wörterbuch, hg. v. Schadewaldt, W. u. a., Bd. 1ff. 1978ff., 2010 Bd. 5
inhaftieren-liedern, Bd. 6 Medizinalausgabe-Promenade 2018); Goethe-Zitate für
Juristen, hg. v. Pausch, A. u. a., 4. A. 2000; Pausch, A./Pausch, J., Goethes
Juristenlaufbahn, 1996; Unwandelbar G., hg. v. Schünemann, P., 1998; Boyle, N.,
Goethe, Bd. 1ff. 1999ff.; Heinze, M., Der Advokat Goethe, NJW 1999, 1897;
Goethes Amtliche Schriften, Band 5 Kalendarium über Goethes amtliche Tätigkeit
1776-1819, hg. v. Wahl, V., 2000; Wadle, E., Goethes Wünsche zum
Nachdruckschutz außerhalb des Deutschen Bundes, ZRG GA 122 (2005), 301; Müller,
M., Goethes merkwürdige Wörter, 2010 (rund 1000 Wörter); Ogris, W.,
Dichterfürst und Fürstendiener, EXTRA Lexikon der Wiener Zeitung vom 28./29.
August 2010; Seibt, G., Mit einer Art von Wut – Goethe in der Revolution, 2014;
Das geheime Consilium von Sachsen-Weimar-Eisenach, hg. v. Wahl, G., 2014;
Hinkfoth, H., Eckermann – Goethes Gesprächspartner, 2014; Stodolkowitz, S.,
Götz von Berlichingen _Goethes Drama als Spiegel der Rechtsgeschichte, 2018
Gogericht (Goding) ist das Gericht des
Gografen über die Gogemeinde in Sachsen im Mittelalter. Seine Zuständigkeit ist
im Sachsenspiegel (1221-1224) hauptsächlich auf Fälle niederer Strafgerichte
eingeschränkt, umfasst aber nach den Zeugnissen der Wirklichkeit weitere Bereiche.
Alter und Herkunft des Gogerichts sind streitig.
Lit.: Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des
Sachsenspiegels, ZRG GA (1884), 1; Sauer, H., Die ravensbergischen Gogerichte,
Diss. phil. Münster 1909; Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft, Gografschaft,
1949; Kroeschell, K., Zur Entstehung der sächsischen Gogerichte, FS K.
Hugelmann, Bd. 1 1960, 295; Schmeken, E., Die sächsische Gogerichtsbarkeit,
Diss. phil. Münster, 1961; Landwehr, G., Gogericht und Rügegericht, ZRG GA 83
(1966), 127; Bemmann, K., Neue Aspekte zur Entstehung der sächsischen
Gogerichte, ZRG GA 109 (1992), 95; Laur, W., Goding und Gogericht in Holstein
und Niedersachsen, ZRG GA 111 (1994), 536; Hachenberg, W., Die Gogerichte,
Diss. jur. Münster 1997; Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen
Landgerichtsordnung von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578,
2004
Gografschaft
Lit.: Hömberg, A., Grafschaft, Freigrafschaft,
Gografschaft, 1949
Gold ist das dem Menschen am
kostbarsten erscheinende Metall, dessen irdischer Umfang angeblichlich in einem
Würfel von etwa 20 Metern Kantenlänge Platz hätte. Es wird vielfach für Schmuck
und seit dem 7. Jh. v. Chr. (bis in die Gegenwart) für Münzen verwendet. Es
wird durch Gewässer aus dem Boden ausgewaschen und in Bergwerken ausgegraben.
Lit.: Striedinger, I., Der Goldsucher Marco Bragdino,
1928; Hardt, M., Gold und Herrschaft, 2004; Häßler, H., Frühes Gold. Ur- und
Frühgeschichtliche Goldfunde aus Niedersachsen, 2004; Gold & Silber, hg. v.
H. Gietl Verlag, 2012; Friedberg, R., Gold Coins oft he World, 1958, 8. A. 2016
(mehr als 21000 Goldmünzen, schwarz-weiße Abbildungen)
Goldast von Haiminsfeld, Melchior (Espen [in]
Bischofszell/Thurgau 6. 1. 1578-Gießen 11. 8. 1635) wird nach dem Schulbesuch
in Memmingen und dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Altdorf
(Magister artium) sowie einem nach eigenen Angaben 1604 von der Stadt Genf verliehenen,
aber nicht angenommenen Doktortitel Erzieher und (nicht unumstrittener)
Herausgeber einheimischer Quellen (z. B. Imperatorum ... statuta, 1607, als
Voraussetzung für die Entwicklung des Staatsrechts als eigenständigen Wissenschaftsfachs)
und Rat (Weimar 1613, Bückeburg 1615, Kaiser 1627). Seine in der Gegenwart 4151
Bände umfassende Büchersammlung wird 1647 vom Rat Bremens erworben.
Lit.: Schecker, H., Melchior Goldast von Haiminsfeld,
1930; Hertenstein, B., Joachim von Watt (Vadianus), Bartholomäus Schobinger,
Melchior Goldast, 1975; Friedrich, F., Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft,
1997; Caspary, G., Späthumanismus und Reichspatriotismus, 2006
Goldene Bulle (lat. bulla aurea) ist das vor
allem die Rechte der →Kurfürsten regelnde, seit 1400 nach dem seinen
sieben erhaltenen, vielfache Wortlautvarianten zeigenden Ausfertigungen (5
für Kurfürsten von Böhmen, Mainz, Trier, Köln und die Pfalz, nachträglich je
eine für Frankfurt am Main und Nürnberg, keine vollständige Ausfertigung für
Brandenburg und Sachsen, Prachthandschrift König Wenzels um 1400, mehr als 170
weitere mittelalterliche Abschriften) anhängenden, nach byzantinischem Vorbild
im 9. Jh. im Westen eingeführten, von Karl IV. häufig verwendeten goldenen
Siegel benannte, lateinisch gefasste, vielleicht weitgehend vom Hofkanzler
Johann von Neumarkt formulierte Reichsgesetz (lateinisch lex, constitutio,
edictum) Kaiser Karls IV. (1346-1378) vom 10. 1. 1356 (Kapitel 1-23 in Nünberg)
bzw. 25. 12. 1356 (Kapitel 24-31 in Metz, Name erstmals 1400 bezeugt, Erstdruck
1474). Obwohl die G. B. sich als Privileg darstellt, fasst sie eigentlich nur
bereits weitgehend anerkannte Sätze zusammen. Dabei festigt sie ohne Eingehen
auf die Beteiligung des Papstes das Wahlrecht der sieben (Böhmen gegen den
Sachsenspiegel einschließenden) Kurfürsten (Mehrheitsgrundsatz) für den (lat.)
rex (M.) Romanorum in imperatorem promovendus (den zum Kaiser zu erhebenden
König der Römer), erkennt zu Lasten des Reiches die unbeschränkte
Gerichtshoheit, das Bergregal, Judenregal und Zollregal, das Münzrecht und die
Landerwerbsberechtigung der Kurfürsten an und regelt das kurfürstliche
Erbfolgerecht (Kapitel 7 Primogeniturerbfolge im unteilbaren Fürstentum).
Andere goldene Bullen sind die G. B. von Rimini Kaiser Friedrichs II. vom 26.
3. 1226 (überlieferte Fassung wohl um 1235 erneuert), mit der er dem Deutschen
Orden die Herrschaft über das zu erobernde Kulmer Land östlich der unteren
Weichsel bestätigt, die bestätigende G. B. von Rieti des Papstes Gregor IX. von
1234 mit gleichem Inhalt, Urkunden der Könige Andreas II. (1224 für Siedler in
Siebenbürgen) und Béla IV. von Ungarn oder die Goldbulle von Eger vom 12. 7.
1213, in der König Friedrich II. den Bischöfen in Deutschland die freie Bischofswahl
zuerkennt und auf das Spolienrecht und das Regalienrecht verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 101; Neue Sammlung der
Reichsabschiede, 1747, 1, 45ff.; Ludewig, J. v., Vollständige Erläuterung der
Güldenen Bulle, 2. A. 1752, Neudruck hg. v. Hattenhauer, H. 2005; Olenschlager,
J., Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kayser Carls IV., 1766, Neudruck hg. v.
Buschmann, A., 2008; Lindner, T., Die Goldene Bulle und ihre
Originalausfertigungen, MIÖG 5 (1884), 96; Altmann, W., Die alte Frankfurter
deutsche Übersetzung, ZRG GA 18 (1897), 107; Zeumer, K., Die Goldene Bulle
Kaiser Karls IV., 1908, Neudruck 1972; Quellensammlung zur Geschichte der
deutschen Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913, 192ff.; Werminghoff,
A., Zum fünften Kapitel der Goldenen Bulle von 1356, ZRG GA 36 (1915), 275;
Stutz, U., Die Abstimmungsordnung der Goldenen Bulle, ZRG GA 43 (1922), 217;
Petersen, E., Studien zur Goldenen Bulle von 1356, DA 22 (1966), 227; Die
güldin bulle, hg. v. Wolf, A., 1968; Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in
der Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA
86 (1969), 75; Die Goldene Bulle, König Wenzels Handschrift, hg. v. Wolf, A.,
1977; Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Faksimile der Ausfertigung
für den Kurfürsten von Köln, 1982; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und Städte
zu Nürnberg 1355/6, 1983; Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember
1356, bearb. v. Fritz, W., 1988 (MGH, Constitutiones 11, 537-641); Die Goldene
Bulle. König Wenzels Handschrift, Kommentar von Wolf, A., 2002; Laufs, A., Das
Reichsgrundgesetz von 1356, NJW 2006, 3189; Die Kaisermacher. Frankfurt am Main
und die Goldene Bulle 1356-1806, hg. v. Brockhoff, E. u. a., 2006; Die Goldene
Bulle. Politik - Wahrnehmung - Rezeption, hg. v. Hohensee, U. u. a., 2008;
Bojcov, M., Der Kern der Goldenen Bulle von 1356, DA 69 (2013), 581; Kaiser
Karl IV. (1316-1378) und die Goldene Bulle, bearb. v. Frauenknecht, E. u. a.,
2016
Goldene Regel ist vielleicht seit 1724 der Name
für die schon dem Alten Testament bekannte, lateinisch quod ab alio odis fieri
tibi, vide ne alteri tu aliquando facias und deutsch was du nicht willst, dass
man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu lautende Erfahrungsregel oder
Lebensweisheit.
Lit.: Mayer-Maly, T., Der Weg der goldenen Regel, FS
A. Söllner, 2000
Goldenes
Vlies (Orden vom
Goldenen Vlies) ist der (Name des) von Herzog Philipp dem Guten von Burgund am
10. 1. 1430 gestiftete(n) Orden(s) mit 24 bzw. 30 Mitgliedern.
Lit.: Terlinden, C. de, Der Orden vom Goldenen Vlies,
1970; Das Haus Österreich und der Orden vom Goldenen Vlies, hg. v. d.
Ordenskanzlei, 2007
Goldmann, Emil (Karlsbad 3. 11. 1872-Cambridge 6. 5.
1942), österreichischer, 1938 nach England emigrierter Rechtshistoriker und
Volkskundler (Nachruf ZRG GA 67 [1950], 532 Lentze, Hans)
Goldschmidt, Levin (Danzig 30. 5. 1829-Bad
Wilhelmshöhe (oder Berlin) 16. 7. 1897), Großkaufmannssohn, wird nach dem
Studium von Medizin (1847) bzw. Recht (1848) in Berlin, Bonn, Heidelberg und
Berlin (Dissertation De societate en commandite, Halle 1851) 1855 in Heidelberg
habilitiert, 1860 außerordentlicher Professor in Heidelberg, 1866
ordentlicher Professor, 1869 Rat um Bundesoberhandelsgericht in Leipzig sowie
1875 in Berlin Inhaber der ersten deutschen Handelsrechtsprofessur. In seinen
handelsrechtlichen und handelsrechtsgeschichtlichen Arbeiten (1858 Gründung
der Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Handbuch des Handelsrechts,
1864ff., Universalgeschichte des Handelsrechts, [Bd. 1 3. A.] 1891, Neudruck
1957) bemüht er sich auch um die Verbindung von römischrechtlichen und
nichtrömischrechtlichen Sätzen, um Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher
Erkenntnisse und um Berücksichtigung der praktischen Rechtsanwendung mit dem
Ziel einer möglichst vielseitigen Sehweise. 1874 ist er Mitglied einer
Kommission zur Vorbereitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 1892 erleidet er ein
Schlaganfall, nach dem er nicht mehr lehren kann. Er ist beeinflusst von Karl
Joseph Anton Mittermaier und beeinflusst seinerseits Max Pappenheim, Philipp
Heck, Max Weber, Paul Rehme und andere. Seine Privatbibliothek umfasst mehr als
6000 Bände.
Lit.: Goldschmidt, Levin. Ein Lebensbild in Briefen,
1898; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen Rechtswissenschaft,
1938, 2. A. 1952; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u.
a., 1993; Weyhe, L., Levin Goldschmidt, 1996
Göllnitz (Gelnica) ist
ein 1264 von König Bela IV. mit Stadtrecht begabter Bergbauort in der
Unterzips, der um 1500 etwa 5000 Einwohner zählt und aus dem ein frühneuhochdeutsches
Stadtbuch überliefert ist.
Lit.: Protze, H., Das älteste Stadtbuch der königlich freien Bergstadt
Göllnitz/Gelnica in der Unterzips und seine Sprache, 2002
Gönner, Nikolaus Thaddäus von (Bamberg
18. 12. 1764-München 18. 4. 1827) wird zunächst in Bamberg, seit 1799 in
Ingolstadt bzw. 1800 in Landshut Professor und wechselt 1811 in den
Justizdienst Bayerns (1813 geadelt). Vom Reichsstaatsrecht (Teutsches Staatsrecht,
1804) kommend wendet er sich der politischen Entwicklung folgend der einzelstaatlichen
Gesetzgebung zu (Hypothekengesetz 1822). Bedeutsam sind auch seine
öffentlichrechtliche Erfassung der Rechtsgrundlagen des Berufsbeamtentums (Der
Staatsdienst, 1808) und sein auf die Natur der Sache ausgerichtetes Handbuch
des deutschen gemeinen Prozesses (Bd. 1ff. 1801ff.).
Lit.: Koch, J., Nikolaus Thaddäus von Gönners
Staatslehre, 1902; Schaffner, L., Nikolaus Thaddäus von Gönner, Diss. jur.
Würzburg 1955 (masch.schr.); Stolleis, M., Das Bayerische Hypothekenbankgesetz
von 1822, (in) Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing,
H. u. a., Bd. 3 1976
Görlitz an der Neiße wird 1071 erstmals
erwähnt und hat um 1500 rund 10000 Einwohner. Das Görlitzer Rechtsbuch ist ein
in einer in der ersten Hälfte des 14. Jh.s (um 1300?) geschriebenen Abschrift
(101 Blätter) erhaltenes, vermutlich in Görlitz entstandenes Stadtrechtsbuch
eines unbekannten Verfassers für G., das eine wortgetreue ungereimte
Übersetzung des (lat.) →Auctor (M.) vetus de beneficiis ins Mittel(mittel)deutsche
(Artikel 1-30 von insgesamt 47 gezählten, bzw. 46 tatsächlichen Artikeln) mit
Auszügen aus dem Landrecht des Sachsenspiegels, dem Weichbildrecht, vermutlich
auch dem sächsischen Landfrieden (1221) und der Magdeburg-Görlitzer Rechtsweisung
(1304) verbindet und dabei in seinem zweiten Teil vielleicht auf dem
(verlorenen) lateinischen Auctor vetus (Sachsenspiegel Landrecht) beruht.
Lit.: Köbler, DRG 103; Des Sachsenspiegels … Teil 2,
2, hg. v. Homeyer, C., 1844; Buhr, J., Das Görlitzer Rechtsbuch, Diss. jur.
Bonn 1941 (verloren); Auctor vetus, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Lemper, E.,
Görlitz, 4. A. 1980; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 30; Anders, I./Wolfrum, P., Görlitz, 1996; Behrisch, L., Städtische
Obrigkeit und soziale Kontrolle, 2005
Görres, Josef (1776-1848)
Lit.: Raab, H., Josef Görres, 1978; Görres, hg. v. Raab, H., 1985;
Fink-Lang, M., Joseph Görres, 2013
Görz (Grafschaft nahe der Adria), Güter zwischen
1335 und 1500 an Habsburg, 1754 gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca, 1816
Küstenland, 1919 Italien
Goslar am Harz (urkundlich Siedlung
erstmals 1005 erwähnt) ist Ort einer bedeutenden, an die Stelle der älteren
Pfalz Werla tretenden Königspfalz (mit einem 1050 geweihten, 1556 evangelischen
Reichsstift), neben der eine Stadt (1131 lateinisch civitas) entsteht, welcher
der Staufer Friedrich II. am 13. 7. 1219 einen großen Freiheitsbrief gibt.
Wirtschaftliche Bedeutung erlangt sie infolge des seit dem späten 10. Jh.
betriebenen Silberbergbaus im nahegelegenen Rammelsberg. Zu Beginn des 14.
Jh.s erringt sie die Reichsunmittelbarkeit und zeichnet vermutlich um 1330 oder
zwischen 1348 und 1360 ihr Recht in den Goslarischen Statuten (860 bzw. 892
Artikel, 5 bzw. sieben Handschriften zweier Redaktionen) auf (1271 Bergordnung
Herzog Albrechts, Verlust bürgerlicher Berechtigungen an den Landesherrn durch
Riechenberger Vertrag vom 13. 6. 1552).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frölich, K., Die
Gerichtsverfassung von Goslar im Mittelalter, 1910; Feine, H., Der goslarische
Rat, 1913; Frölich, K., Verfassung und Verwaltung der Stadt Goslar im späteren
Mittelalter, 1921; Völker, A., Die Forsten der Stadt Goslar bis 1552, 1922;
Wiederhold, W., Goslar als Königsstadt und Bergstadt, 1922; Brinkmann, H., Das
Brauwesen der kaiserlich freien Reichsstadt Goslar, 1925; Frölich, K., Die
Verfassungsentwicklung von Goslar im Mittelalter, ZRG GA 47 (1927), 287; Meier,
P., Die Stadt Goslar, 1926; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer
Wasserwirtschaft, 1928; Steinberg, S., Die Goslarer Stadtschreiber, 1933;
Cordes, G., Schriftwesen und Schriftsprache in Goslar, 1934; Frölich, K., Die
Goslarer Straßennamen, 1949; Frölich, K., Das Stadtbild von Goslar im
Mittelalter, 1949; Frölich, K., Das älteste Archivregister der Stadt Goslar,
1951; Engemann, H., Die Gilden der Stadt Goslar, 1957; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch des 16. Jahrhunderts, 1961; Kreutzberger, E., Das
Gewerberecht der Reichsstadt Goslar im 18. Jahrhundert, 1959; Ebel, W., Das
Stadtrecht von Goslar, 1968; Goslar im Mittelalter, hg. v. Engelke, H., 2003;
Kelichhaus, S., Goslar um 1600, 2003; Kroeschell, K., recht unde unrecht der
sassen, 2005; Der Goslarer Ratskodex - Das Stadtrecht um 1350 - Edition,
Übersetzung und begleitende Beiträge, hg. v. Lehmberg, M. 2013; Renaissance in
Holz – Das Brusttuch in Goslar, hg. v. Piegsa, G., 2016; Arnhold, E., Aus Stein
gebaut – Goslars mittelalterliche Wohnhäuser, 2016
Gote ist der Angehörige eines in der Völkerwanderungszeit
von der Ostsee (Gotland) über den Südosten (Krim) unter dem Druck der Hunnen
375 n. Chr. in das römische Reich eindringenden germanischen Volkes, das sich
in →Ostgoten (Italien) und →Westgoten (Gallien, Spanien) aufteilt
und zwischen dem 6. und dem 12. Jahrhundert in Italienern und Spaniern aufgeht.
Zwischen 25 und 50% der als Goten bezeichneten Menschen dürften nach ihrer
volksmäßigen Herkunft Goten gewesen sein. Ihr Ursprung in Skandinavien wird
bezweifelt.
Lit.: I Goti in occidente, 1956 (Spoleto); Burn, T., A
History of the Ostrogoths, 1984; Teillet, S., Des Goths à la nation gothique,
1984; Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Wolfram, H., Die Goten, 4. A.
2001; Heather, P., Goths and Romans, 1991; Köbler, G., Neuhochdeutsch-gotisches
Wörterbuch, 1993; Heather, P., The Goths, 1996; Sonderegger, S., Tradition und
Erneuerung der germanischen Rechtssprache aus der Sicht des Gotischen, FS K.
Kroeschell, 1997; Mussot-Goulard, R., Les Goths, 1999; Petit, C., Iustitia
Gothica, 2001; Christensen, A., Cassiodorus, Jordanes and the History of the
Goths, 2002; Giese, W., Die Goten, 2004; Wolfram, H., Gotische Studien, 2005;
Bronisch, A., Die Judengesetzgebung im katholischen Westgotenreich von Toledo,
2005; Maier, G., Amtsträger und Herrscher in der Romania Gothica, 2005; Koch,
M., Ethnische Identität im Entstehungsprozess des spanischen Westgotenreiches,
2012; Wiemer, H., Die Goten in Italien, HZ 296 (2013), 593; Finazzi, R. u. a.,
Gothica Bononiensia (in) Aevum 87 (2013) 113ff. (zweifoliale
Palimpsesthandschrift aus dem Archiv von San Petronio in Bologna); Faber, E.,
Von Ulfila bis Rekkared – Die Goten und ihr Christentum, 2014
Göteborg am Kattegat wird 1619 angelegt und
1621 mit Stadtrecht begabt. 1891 erhält es eine Universität.
Gothofredus →Godefroy
Gotland →Gutalagh
Lit.: Kattinger, D., Die gotländische Genossenschaft, 1999; Lerbom, J.,
Mellan två riken, 2003
Gott ist nach jüdischer und christlicher Lehre der Schöpfer
des Himmels und der Erde. Er ist der Herr über das Recht, das er als Gebot und
Verbot den Menschen gegeben hat (→Dekalog). Im jüngsten Gericht zieht er
den Menschen zur Rechenschaft und urteilt über dessen (irdisches) Leben.
Lit.: Köbler, DRG 108; Kern, F., Gottesgnadentum und
Widerstandsrecht, 1915; Bibel und Recht, hg. v. Eckert, J. u. a., 1994; Lang,
B., Jahwe der biblische Gott, 2002; Eckart, O., Gottes Recht als Menschenrecht,
2002; Leisner, W., Gott und Volk, 2008; Leuenberger, M., Gott in Bewegung,
2011; Persönliche Frömmigkeit, hg. v. Friese, W. u. a. 2012; Römische
Götterbilder der mittleren und späten Kaiserzeit, hg. v. Buschung, D. u. a.,
2014;;http://www.myth-gen.eu/ (Gesamtverzeichnis von 5770 antiken mediterranen
Göttern und Göttinnen); Gott und Götter in den Weltreligionen, hg. v. Mühling,
M., 2014; Sonnabend, H., Götterwelten, 2014; Die geretteten Götter aus dem
Palast vom Tell Halaf, hg. v. Cholidis, N. u. a. (Ausstellungskatalog); Strahm,
H., Die Geburt des Monotheismus im alten Iran, 2014, 2. A. 2015;
Gottesgedanken, hg. v. Feldmeier, R. u. a., 2016; Markschies, C., Gottes
Körper, 2016; Wilson-Wright, A., Athtart, 1016
Gottesfriede (lat. [F.] pax Dei) ist das in
Südfrankreich im späten Frühmittelalter ([Le Puy in der Auvergne um 975,
placitum publicum,] Charroux 1. 6. 989, Narbonne um 990, Limoges 994, Le Puy
994, Poitiers 1000, Beauvais 1023, Ivois/Meuse 1023, Amiens 1033/1036) von der
Kirche in Wiederholung merowingischer und karolingischer Kapitularien,
Konzilienbeschlüsse (Orléans 511-548, Tours 567, Mâcon 585, Paris 614, Quierzy
857, Ver-sur-Launette 884, Metz 893) und Bußbücher ausgehende, Gewalt
zurückdrängende Friedensgebot, dessen Verletzung kirchliche Folgen nach sich
zieht. Der G. erreicht von Südfrankreich aus Katalonien, Kastilien, Italien und
gegen Ende des 11. Jh.s das deutsche Reich (Lüttich 1082, Köln 1083, Bamberg
1085). Inhaltlich sehen beschworene Beschlüsse geistlicher und weltlicher
Herren Exkommunikation, Verfluchung, Bußen für Mord, Diebstahl, Raub u. s. w. vor. Besonders geschützt werden
Mönche, Kaufleute, Bauern, Frauen, Kirchen oder Vieh. Besondere Zeiten des
Friedens sind die hohen Feste und die Tage von Donnerstag bis Sonntag. Seit dem
ausgehenden 11. Jh. weicht der G. dem →Landfrieden. Die Verfolgung von
Rechtsverletzungen wird nunmehr Aufgabe der (weltlichen) Allgemeinheit.
Lit.: Köbler, DRG 118; Wasserschleben, H., Zur
Geschichte der Gottesfrieden, ZRG GA 12 (1891), 112; Huberti, L., Der Gottesfriede
in der Kaiserchronik, ZRG GA 13 (1892), 133; Huberti, L., Studien zur
Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden, 1892; Winterfeld, L. v., Nochmals
Gottesfrieden und deutsche Stadtverfassung, ZRG GA 54 (1934), 238; Wohlhaupter,
E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in Spanien, 1933;
Conrad, H., Gottesfrieden und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Achter,
V., Über den Ursprung der Gottesfrieden, 1955 (29 S.); Hattenhauer, H., Die
Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss. jur. Marburg 1958; Hoffmann, H.,
Gottesfriede und Treuga Dei, 1964, Neudruck 1986; Körner, T., Iuramentum und
frühe Friedensbewegung, 1977; Goetz, H., Gottesfriede und Gemeindebildung, ZRG
GA 105 (1988), 122; Wadle, E., Gottesfrieden und Landfrieden, (in) Funktion und
Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63; Barthélemy, D., L’an mil et la
paix de Dieu, 1999; Gergen, T., Pratique juridique de la paix et trêve de Dieu,
2004; Goetz, H., Gott und die Welt, 2011
Gottesgnadentum ist die Begründung weltlicher Herrschaft mit
göttlicher Gnade. Nach Vorbildern in der Herrschervergottung des Altertums wird
das G. im Frühmittelalter bei den Karolingern (751 n. Chr.) sichtbar. Im
Investiturstreit (1075-1122) wird diese Vorstellung zurückgedrängt. Das G. hält
sich aber letztlich bis zum Ende der Monarchie in der Neuzeit.
Lit.: Legitimation des Herrschers, hg. v. Weber, H., 1992; Körntgen,
L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, 2001; Erkens, F., Herrschersakralität
im Mittelalter, 2006
Gotteslästerung (vgl. Leviticus 24,11-16) ist die
im römischen Recht (Todesstrafe in Novelle 77 Justinians) und seit dem Spätmittelalter
(1495) strafbare, besonders verletzende öffentliche Kundgabe der Missachtung
des christlichen Gottes, die seit dem 18. Jh. problematisiert wird (von 1813
bis 1827 in Bayern straflos) und 1969 in Deutschland straflos wird.
Lit.: Köbler, DRG 19; Ettinger, J., Zur Lehre von den
Religionsvergehen, 1919, 29; Forrer, D., Der Einfluss von Naturrecht und
Aufklärung auf die Bestrafung der Gotteslästerung, 1973; Leutenbauer, S., Das
Delikt der Gotteslästerung, 1984; Pahud de Mortanges, R., Die Archetypik der
Gotteslästerung, 1987
Gottespfennig ist seit der zweiten Hälfte des 13. Jh.s eine
Bezeichnung für das Angeld (arrha, Weinkauf, die seit der Neuzeit an Bedeutung
verliert und in einem Gutachten des Reichsfinanzhofs des Deutschen Reiches vom
11. 7. 1936 als nicht mehr zeitgemäß eingestuft wird.
Lit.: Beyerle, F., Weinkauf und Gottespfennig, FS A Schultze, 1934, 251
Gottesstaat ist die Vorstellung von der
Herrschaft des christlichen Gottes auf der Erde. Sie wird maßgeblich von
Augustinus (354-430) geprägt, der in seinem Werk (lat.) De civitate Dei
(413-426) einen Gegensatz von (lat.) civitas (F.) Dei (Staat Gottes) und (lat.)
civitas (F.) terrena (irdischer Staat) bildet.
Lit.: Köbler, DRG 82; Loewenich, W. v., Augustin, 1965
Gottesurteil ist das Urteil (eines?) Gottes in
einer umstrittenen menschlichen Angelegenheit. Im mittelalterlichen, wohl
insofern von der christlichen Kirche beeinflussten Recht ist das G. die bei
Fehlen anderer Beweismittel mögliche Entscheidung über die Schuld oder die
Unschuld eines Beschuldigten durch ein nach allgemeiner Wahrscheinlichkeit
nicht zu erwartendes und deshalb auf (das Eingreifen des christlichen)
→Gott(es) zurückgeführtes äußeres Zeichen (z. B. [folgenloses] Tragen
eines glühenden Eisens, [folgenloses] Schreiten über glühende Pflugscharen,
[folgenloses] Eintauchen des Armes in siedendes Wasser, [folgenloses] Treten
vor die Leichenbahre eines Toten u. s.
w.). In den fränkischen Gerichtsurkunden des Frühmittelalters findet es sich
(nur) in 0,3 Prozent aller beurkundeten Fälle, in späteren Zeiten eher noch
seltener. Streitig ist, ob Zweikampf und Los Gottesurteile sind. Die Stellung
der Kirche zum G. ist lange Zeit uneinheitlich. 1215/1219/1222 wendet sie sich
deutlicher gegen das G., das Kaiser Friedrich II. 1231 für Sizilien als
vernunftwidrig verbietet. Dennoch erhält sich das G. bis in das 17. Jh. (z. B.
Bahrprobe in München bis in das 16. Jh.), bis es vielleicht durch die
Verwendung der Folter zur Erzielung eines Geständnisses, die Aufnahme des
römischen Rechtes oder die zunehmende Vernünftigkeit des Menschen verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 86; Karasconyi,
J. u. a., Registrum Varadinense examinum ferri candentis, 1903; Pappenheim, M.,
Über die Anfänge des germanischen Gottesurteils, ZRG GA 48 (1928), 136;
Schwerin, C. Frhr. v., Rituale für Gottesurteile, 1933 (SB Heidelberg); De
ordaliis, collegit Browe, P., 1932/1933; Schwerin, C. Frhr. v., Das Gottesurteil
des Poppo, ZRG GA 58 (1938), 69; Erler, A., Der Ursprung der Gottesurteile,
Paideuma 2, 1941, 44; Nottarp, H., Gottesurteile, 1949; Thoma,
H., Ein Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Nottarp, H.,
Gottesurteilsstudien, 1956; Hexter, R., Equivocal Oaths and Ordeals, 1975;
Bürge, A., Realität und Rationalität der Feuerprobe, ZRG GA 100 (1983) 257;
Bartlett, R., Trial by fire and water, 1986; Köbler, G., Welchen Gottes Urteil
ist das Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, hg. v. Brieskorn, N.,
1994, 89; Nehlsen-von Stryk, K., Reinigungseid und Geständniszwang (in)
Grundlagen des Rechts, hg. v. Helmholtz, R. u. a., 2000, 621; Kéry, L.,
Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006; Dinzelbacher, P., Das fremde
Mittelalter, 2006; Schmoeckel, M., Die Überzeugungskraft der Ordale in
merowingischer Zeit (in) Von den leges barbarorum, 2008, 198ff.
Gottfried
von Straßburg (um
1210) ist der Verfasser des unvollendeten Versromans von Tristan und Isolde mit
guten Kenntnisses des Rechtes seiner Zeit.
Lit.: Huber, C., Gottfrieds Tristan, 2. A. 2001; Wolg,
J., Buch und Text, 2008
Göttingen an der Leine (953 Gutingi nahe der
Pfalz Grone) wird um 1200 Stadt und im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg (1235)
bzw. Hannover (1736/)1737 unter Kurfürst Georg August (König Georg II. von
England) Sitz einer nach dem Vorbild Halles aufgeklärten, im 18. Jh. in
Deutschland führenden Universität (1751 Societät der Wissenschaften,
Göttingische gelehrte Anzeigen, →Pütter, →Hugo), von deren 172000
Studenten der ersten 225 Jahre rund 70000 Rechtswissenschaft studieren. Am 18.
11. 1837 protestieren (nach dem Ende der Personalunion Hannovers mit
Großbritannien) sieben (von insgesamt 32 bzw. 48) Göttinger Professoren (Jacob
Grimm und Wilhelm Grimm, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Gottfried
Gervinus, Wilhelm Eduard Albrecht [Jurist], Wilhelm Eduard Weber, Heinrich
Ewald) gegen die am 1. 1. 1837 erfolgte Aufhebung der am 26. 9. 1833 von König
Wilhelm IV. von England gewährten Verfassung seitens des Nachfolgers Ernst
August von Hannover, an die sich selbst weiter gebunden fühlen, und verlieren
in uneindeutiger Rechtslage ohne Anhörung dadurch am 14. 12. 1837 ihr Amt und
ihr Gehalt. Am 1. 9. 1945 eröffnet G. als erste deutsche Universität nach dem
zweiten Weltkrieg wieder den Lehrbetrieb (unter Entlassung Ebels, Erlers und
Siegerts). In die juristische Fakultät kommen nacheinander vor allem
Professoren aus Leipzig und Straßburg (z. B. Schaffstein, Huber, Michaelis,
Weber, Wieacker).
Lit.: Köbler, DRG 136, 170; Pütter, J., Versuch einer
academischen Gelehrtengeschichte von der Georg-August-Universität in Göttingen,
Bd. 1ff. 1765ff., Neudruck 2005; Dahlmann, F., Gutachten, 1839; Grimm, J., Über
meine Entlassung, 1838, Neudruck 1985; Cornberg, H. v., Beiträge vornehmlich
zum Privatrecht der Stadt Göttingen, 1910; Arnim, M., Corpus academicum
Gottingense 1737-1928, 1930; Kück, H., Die Göttinger Sieben, 1934, Neudruck
1987; Selle, G. v., Die Georg-August-Universität zu Göttingen, 1937; Smend, R.,
Die Göttinger Sieben, 1951; Klugkist, E., Die Göttinger Juristenfakultät als
Spruchkollegium, 1952; Gundelach, E., Die Verfassung der Göttinger Universität,
1955; Ebel, W., Zur Geschichte der Juristenfakultät und des Rechtsstudiums an
der Universität Göttingen, 1961; Catalogus professorum Gottingensium 1734-1962,
hg. v. Ebel, W., 1962; Die Privilegien und ältesten Statuten der
Georg-August-Universität zu Göttingen, hg. v. Ebel, W., 1961; Mohnhaupt, H.,
Die Göttinger Ratsverfassung vom 16. bis 19. Jahrhundert, 1965; Wittram, G.,
Die Gerichtsverfassung der Stadt Göttingen, 1966; Tütken, H., Geschichte des
Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Eysel, H., Die Steuerverfassung
Göttingens, Diss. jur. Göttingen 1968; Ebel, W., Memorabilia Gottingensia,
1969; Kallmann, R., Das bürgerliche Recht, 1972; Boockmann, A., Urfehde und
ewige Gefangenschaft, 1980; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F.,
1987; Göttingen, hg. v. Denecke, D., 1987ff.; Die Universität Göttingen unter
dem Nationalsozialismus, hg. v. Becker, H. u. a., 1987, 2. A. 1998; Dilcher,
G., Der Protest der Göttinger Sieben, 1988; Zur geistigen Situation der Zeit
der Göttinger Universitätsgründung 1737, hg. v. Stackelberg, J. v., 1988; 250
Jahre Georgia Augusta, 1988; Neitzert, D., Die Stadt Göttingen führt eine
Fehde, 1992; Die Geschichte der Verfassung und der Fachbereiche der
Georg-August-Universität, hg. v. Schlotter, H., 1994 (Aufsätze); Steenweg, H.,
Göttingen um 1400, 1994; See, K. v., Die Göttinger Sieben, 1997, 3. A. 2000;
Boockmann, H., Göttingen, 1997; Jeske, R., Bürgertum in der Universitätsstadt
Göttingen, 1999; Szabó, A., Vertreibung, Rückkehr, Wiedergutmachung, 2000;
Göttinger Gelehrte, hg. v. Arndt, K. u. a., 2001; Göttingen, hg. v. Böhme, E.
u. a., Bd. 2 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Die Ortsnamen des Landkreises
Göttingen, 2004; Saage-Maaß, M., Die Göttinger Sieben, 2007; Über die Pflicht
zum Ungehorsam gegenüber dem Staat, hg. v. Albach, H., 2007; Kontinuitäten und
Zäsuren, hg. v. Schumann, E., 2008; Butt, A., Die Stadt Göttingen und ihre
Rechte im ländlichen Raum, 2012; Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften
zu Göttingen, Bd. 1 hg. v. Starck, C. u. a., 2013; Wendepunkte der
Rechtswissenschaft, hg. v. Heun, W. u. a., 2014
Göttliches
Recht ist das auf
Gott als Schöpfer zurückgeführte Recht. G. R. nehmen nach römischen und
stoischen Vorläufern die lateinischen Kirchenväter (z. B. Augustinus 354-430)
an. Über Isidor von Sevilla findet die Vorstellung Eingang in das Decretum
Gratians (um 1140). Eine eindeutige und klare Abgrenzung zum Naturrecht gelingt
nicht.
Lit.: Wolf, U., Ius divinum, 1970; Ratzinger,
J./Maier, H., Demokratie in der Kirche, 2001
Goudelin →Gudelinus
Grab ist der Ort der Beerdigung eines toten
Menschen. Vermutlich wird der Tote anfangs nur von den Überlebenden zurückgelassen.
Danach entwickeln sich Sitten für den Umgang mit Toten (z. B. Hügelgrab, Brandgrab,
Körpergrab, Pyramide, Mausoleum, Katakombe u. s. w.). Im römischen Zwölftafelgesetz
(451/450 v. Chr. sind Beerdigungen und Verbrennungen in Rom verboten. Auf
dieser Grundlage entwickeln sich mit zunehmender Verdichtung immer mehr
Rechtssätze bezüglich des Grabes (u. a. Friedhofszwang mit Friedhofsordnung).
Lit.: Paret, O., Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart,
1937Sterben und Totenbestattung, hg. v. Cox, H. u. a., 2002; Schrumpf, S.,
Bestattung und Bestattungswesen im römischen Reich, Diss. Bonn 2006
Grad (zu lat. [M.] gradus) ist allgemein der
Schritt oder die Stufe. Akademischer G. ist die wissenschaftliche
Qualifizierung auf Grund einer Prüfung. Der akademische G. geht auf
Bezeichnungen in der römischen Verwaltung zurück (z. B. lat. [M.) magister
equitum, Heermeister, doctor gladiatorum, Fechtlehrer, seit dem 3. Jh. n. Chr.
magister auch Ehrenbezeichnung für christliche Große). Missstände im
hochmittelalterlichen Lehrbetrieb des 13. Jh.s bewirken Regelungen (z. B. Paris
1215 Bedingungen für den [lat.] magister [M.) artium und magister theologiae,
1233 Lehrerlaubnis für jeden in Toulouse geprüften [lat.] magister). Als Grade
entwickeln sich (lat. [M.]) baccalaureus, magister und doctor, wobei im
Heiligen römischen Reich das Bakkalaureat seit dem 16. Jh. schwindet und mit
der Wandlung der artistischen Fakultät zur philosophischen Fakultät der (lat.
[M.]) magister artium zum doctor philosophiae wird. 1402 wird im Heiligen
römischen Reich erstmals für Juristen der Grad doctor iuris utriusque (Lehrer
beider Rechte, d. h. geistliches Recht, weltliches Recht) verliehen. Mit dem G.
werden sonstige Vorteile verbunden (teilweise Adelsgleichheit). Wegen der
Vielzahl der meist mit schriftlichen Arbeiten verbundenen Promotionen zum
Doktor wird seit dem 18. Jh. zunehmend die Lehrerlaubnis (lat. venia [F.]
legendi des Universitätslehrers) mit der Habilitation in einem Einzelfach
oder mehreren Einzelfächern verknüpft, zumal teilweise in Abwesenheit zum
Doktor promoviert (Jena 1841 Karl Marx, erst ab etwa 1882 allmählich
abgeschafft) oder der G. auch durch eine bloße mündliche Prüfung erworben
werden kann (Heidelberg bis 1908, Österreich drei Rigorosen bis um 1990). Seit
etwa 1820 erscheint der ehrenhalber erteilte G. (Dr. h. c.). 1899 erhalten im
deutschen Reich auch die neuen technischen Hochschulen das Recht zur
Verleihung von Graden. Seit dem Ende des 20. Jh.s werden in der Europäischen
Union die akademischen Grade zunehmend vereinheitlicht (Bologna-Modell mit dreijährigem
Bachelor-Studium, anschließendem Magisterstudium und anschließendem Doktoratsstudium),
während die Habilitation in Deutschland rechtlich als Voraussetzung der
Professur aufgegeben ist.
Lit.: Oberbreyer, M., Die Reform der Doktorpromotion, 3. A. 1878;
Wretschko, A. v., Die akademischen Grade, 1910; Roß, G., Das Aufkommen der juristischen
Ehrenpromotion, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1967; Bleek, W., Von der Kameralausbildung
zum Juristenprivileg, 1972; Prahl, H., Gesellschaftliche Funktionen von
akademischen Abschlussprüfungen und Graden, 1974; Zimmerling, W., Akademische
Grade und Titel, 2. A. 1995; Mierau, J., Die juristischen Abschluss- und
Diplomprüfungen in der SBZ/DDR, 2001; Wollgast, S., Zur Geschichte des
Promotionswesens in Deutschland, 2001
Graecus (lat. [M.]) Grieche z. B. Graeca non leguntur
(Griechische Stücke etwa in den Novellen Justinians werden im lateinischen
Westen bis zum Humanismus des 16. Jh.s nicht gelesen, bzw. nicht beachtet).
Lit.: Barta, H., Graeca non leguntur?, Bd. 1ff. 2010ff.
Graf (lat. [M.] comes) ist im Frankenreich im Mittelalter
der ursprünglich königliche Amtsträger. Der Titel (lat. [M.]) comes (Gefährte,
Begleiter) findet sich im römischen Altertum seit Kaiser Diokletian
(284-313/316) für hohe Höflinge und danach für örtliche Amtsträger (u. a. auch
[lat.] comes civitatis z. B. in Trier, Autun und Marseille zwischen 460 und
470). Fast die Hälfte der bekannten (lat.) comites des 6. Jh.s trägt einen
romanischen Namen. Der frühmittelalterliche fränkische comes soll den Frieden
wahren, Übeltäter verfolgen und Schutzbedürftige sichern. Daneben kennt die
fränkische (lat. [F.]) Lex Salica einen vielleicht zu got. gagrefts, Befehl, zu
stellenden afrk. grafio, der auf Verlangen eines Rechtsuchenden Sachen
wegnehmen oder unerwünschte Siedler vertreiben soll und der möglicherweise ein
örtlicher königlicher Befehlshaber ist. Spätestens in der Mitte des 8. Jh.s
verschmilzt dieser grafio anscheinend mit lat. comes, dessen Aufgaben in
karolingischer Zeit in der Erhaltung des Königsguts, der Aufbietung der
Heerfolgepflichtigen, der Erhebung von Zöllen, der Einziehung von verfallenem
Gut und der Leitung des Rechtsstreits um Freiheit und Grund bestehen. Zwar ist
der G. grundsätzlich absetzbar, doch wird seine Stellung in vornehmen Familien
bald tatsächlich erblich. Die richterlichen Aufgaben treten in den Vordergrund.
Seit dem 11. Jh. gerät die gräfliche Gewalt unter den Einfluss nichtköniglicher
Mächte. Der Grafentitel wird zu einer Standesbezeichnung. Ein Teil der Grafen
wird mittelbarer landsässiger Adel, die reichsständischen Grafen treten im
Reichsfürstenrat zusammen (schwäbische, wetterauische [1524], fränkische
[1640] und westfälisch-niedersächsische [1653/1654] Grafenkurie). Das Gericht
des Grafen wird vielfach Landgericht. In der Reichsmatrikel von 1521 finden
sich 143 Grafen und Herren, von denen am Ende des 18. Jh.s (infolge von
Erhebungen in den Fürstenstand, Mittelbarmachungen und Aussterbens) nur zwei
Drittel noch verzeichnet sind. Mit dem Ende des Heiligen römischen Reiches
(deutscher Nation, 1806) verliert auch der reichsunmittelbare G. seine
selbständige Bedeutung. G. wird zum (verliehenen) höheren Adelstitel.
Lit.: Köbler, DRG 84, 86; Köbler, WAS; Ficker, F., Vom
Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 72, 95; Fehr, H., Fürst und Graf im
Sachsenspiegel, 1906; Hausgeschichte und Diplomatarium des Reichs-Semperfreien
und Grafen Schaffgotsch, hg. v. Kaufmann, J., 2, 2, 1925; Schlesinger, W., Die
Entstehung der Landesherrschaft, 1941, Neudruck 1964; Krüger, S., Studien zur
sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert, 1950; Guttenberg, E. v.,
Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel 1952, 93; Sprandel, R., Dux und
comes in der Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Schöllkopf, R., Die
sächsischen Grafen, 1957; Mitterauer, M., Die Grafenfamilien der bayrischen
Marken in der Karolingerzeit, Diss. phil. Wien 1960 (masch.schr.); Bosl, K.,
Franken um 800, 2. A. 1980; Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der
ehemaligen Grafen von Schwalenberg, 1963; Schulze, H., Grundprobleme der
Grafschaftsverfassung, Z. f. württemberg. LG. 44 (1985), 265; Borgolte, M.,
Die Grafen Alemanniens, 1986; Zotz, T., Grafschaftsverfassung und Personengeschichte,
ZGO 136 (1988), 1; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein, 1989; Hechberger,
W., Adel im fränkisch-deutschen Reich, 2005; Grafen und Herren in
Südwestdeutschland, hg. v. Andermann, K. u. a., 2006; Deutinger, R.,
Königsherrschaft im ostfränkischen Reich, 2006
Grafenbann ist der vom König im
Frühmittelalter dem →Grafen verliehene →Bann von 15 Schillingen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
grafio →Graf
Grafschaft ist der Amtsbezirk des
→Grafen (lat. comes, →lat. comitatus). Im Gegensatz zu älteren
Forschungen werden trotz etwa der erheblichen Anstrengungen von Herrschern wie
Pippin des Jüngeren oder Ludwig des Frommen in der Gegenwart die Vorstellung
einer Deckungsgleichheit von Gauangaben der Quellen und jeweils gegebenen
Bezirken von Grafen und die Vorstellung eines lückenlosen Systems von
Grafschaften für das Frühmittelalter abgelehnt (Amtsgrafschaften neben auf
verstreuten Königsgut gegründeten Streugrafschaften). Zu einer stärkeren
Geschlossenheit von Amtsbezirken scheint es mit der Festigung der Landesherrschaft
zu kommen.
Lit.: Köbler, WAS; Hömberg, A., Grafschaft, 1949;
Krüger, S., Studien zur sächsischen Grafschaftsverfassung im 9. Jahrhundert,
1950; Metz, W., Studien zur Grafschaftsverfassung Althessens, ZRG GA 71 (1954),
167; Schulze, H., Die Grafschaftsverfassung der Karolingerzeit in den Gebieten
östlich des Rheins, 1973; Borgolte, M., Geschichte der Grafschaften
Alemanniens, 1984; Schulze, H., Grundprobleme der Grafschaftsverfassung, Z. f.
württemberg. LG. 44 (1985), 265; Hoffmann, H., Grafschaften in Bischofshand, DA
46 (1990), 375; Holzfurtner, L., Die Grafschaft der Andechser, 1994; Puhl, R.,
Die Gaue und Grafschaften des frühen Mittelalters im Saar-Mosel-Raum, 1999
Gragas (Graugans) ist die auf einem Irrtum
beruhende, 1548 nachweisbare, seit dem 17. Jh. übliche Bezeichnung für das aus
Gesetzen, Gutachten, privaten Aufzeichnungen und Formelsammlungen
zusammengesetzte, nach älteren Aufzeichnungen (z. B. Christenrecht zwischen
1122 und 1133) zwischen 1258 und 1271 bzw. um 1250 aufgezeichnete und vor
allem durch das später in der königlichen Bibliothek in Kopenhagen verwahrte
Königsbuch (Konungsbok, [lat.] Codex [M.] regius) und das (nach Hans Henning
Hoff ursprünglichere) im 16. Jh. auf einem Hof in Westisland entdeckte
Stadarholsbuch (Stadarholsbok, [lat.] Codex [M.] Arnamagnaeanus) der zweiten
Hälfte des 13. Jh.s (bzw. um 1270) (insgesamt durch 130 Handschriften,
Fragmente und Abschriften) überlieferte, altisländische Recht ([930 bzw.
1030-1264] Christenrecht, Strafrecht, Eherecht, Erbrecht, Grundgüterrecht und
Vertragsrecht). Nach Hans Henning Haff lassen sich vor allem methodische, aber
auch inhaltliche Einflüsse des römischen (bzw. oströmischen) Rechtes
feststellen. Die Geltung der G. auf Island wird nach der Unterwerfung
→Islands unter Norwegen (1262/4) 1271/81 durch das Gesetzbuch König
Magnus Hakonarsons (→Jarnsida, →Jonsbok) aufgehoben.
Lit.: Gragas Konungsbok, hg. v. Finsen, V., 1852,
Neudruck 1974; Gragas Stadarholsbok, hg. v. Finsen, V., 1879, Neudruck 1974;
Gragas Skalholsbok, hg. v. Finsen, F, 1883, Neudruck 1974; Bechert, R., Eine
dunkle Stelle der Graugans, ZRG GA 48 (1928), 442; Isländisches Recht. Die
Graugans, hg. v. Heusler, A., 1937; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 120; Foote, P., Some Lines in Logréttutháttr, FS P.
Foote, 1984, 155; Byock, Medieval Iceland Society, sagas and power, 1988; Beck,
H., Wortschatz der altisländischen Grágás, 1993 (Konungsbok); Hoff, H.,
Haflidhi Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás, 2012
(Aufnahme römischen Rechts in Island wohl eher am Ende des 12. und Beginn des
13. Jh.)
Granada an der Sierra Nevada geht auf eine
keltische Gründung zurück. Im Mittelalter ist es Mittelpunkt eines maurischen
Königreichs (1030-1050, 1238-1492). 1526/1531 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladero Quesada, M., Granada, 1988
Grande ordonnance de réformation du
royaume ist das
französische Gesetz von 1302, durch das der König den Schutz der Kirche auch in
den Gebieten der Landesherren (Herzöge, Grafen, Barone) übernimmt.
Grangie (12. Jh., Scheune) ist
der hochmittelalterliche klösterliche Wirtschaftshof vor allem der
Zisterzienser (mit einer Größe bis zu 400 Hektar), deren Ideale sich allerdings
nicht dauerhaft durchhalten lassen.
Lit.: Wiswe, H., Grangien niedersächsischer
Zisterzienserklöster, Braunschweig. Jb. 34 (1953), 5; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957, 175f.; Villa,
curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983; Lohrmann, D., Kirchengut im nördlichen
Frankreich, 1983; Schneider, R., Vom Klosterhaushalt zum Stadt- und Staatshaushalt,
1994; Kuczera, A., Grangie und Grundherrschaft, 2003; Untermann, M.,
Ausgrabungen und Bauuntersuchungen in Klöstern, 2003
Grass, Nikolaus (Volderwald bei Ampass bei Innsbruck 28. 7.
1913-Innsbruck 5. 10. 1999) ist der nach dem Studium in Innsbruck in
Geschichte, Recht und Wirtschaft promovierte, 1946 für Geschichte
habilitierte, 1948 in die rechtswissenschaftliche Fakultät übergetretene, 1949
zum außerordentlichen und 1959 zum ordentlichen Professor ernannte, 1983
emeritierte Rechtshistoriker, der eine eigene Schule Tiroler Rechtsgeschichte
der Alpwirtschaft gründet.
Lit.: Carlen, L., Nachruf ZRG GA 118 (2001), 896; Oberkofler, G.,
Einige wissenschaftshistorische Miniaturen aus Briefen und seine Korrespondenz
mit dem Prager Juden Guido Kisch, 2008
Gratian (Carraria um 1100-Bologna? nach
1143 [um 1145 oder um 1150?]), (Mönch und) Magister der Theologie in Bologna
(sowie vielleicht später Bischof von Chiusi?), verfasst zwischen 1125 und 1140
das Rechtsbuch →concordia discordantium canonum (→Decretum
Gratiani). Er begründet mit diesem in der endgültigen Fassung 3945 Kapitel
([lat.] capitula) kirchenrechtlicher Quellen in einer schwer verständlichen Systematik
zusammenfassenden, die Widersprüche kommentierend auflösenden Werk die
kirchenrechtliche Wissenschaft. Als erster Teil des um 1500 nichtamtlich, 1582
amtlich so genannten Corpus iuris canonici bleibt es bis 1918 in Geltung.
Lit.: Köbler, DRG 102, 105; Plöchl, W., Das Eherecht
des Magisters Gratianus, 1935; Kuttner, S., Graziano, 1953, 20; Weigand, R.,
Die Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967, 132; Kuttner, S.,
Research on Gratian, (in) Seventh International Congress of medieval Canon Law,
1984; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht im Dekret Gratians, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997, 1331; Winroth, A., The Making of
Gratian’s Decretum, 2000; Larson, A., An Abbreviatio of the First Recension of
Gratian’s Decretum in Munich? (in)
BMCL 29 (2011/2012) 51 (Dlm 22272 f. 117r-122r); EIchbauer, M., From the First
to the Second Recension – The Progressive Ecolution of the Decretum (in) BMCK
29 (2011/2012) 119
Graubünden ist der aus antihabsburgischen
Bündnissen (1367 Gotteshausbund, 1395 Oberer oder Grauer Bund) entstandene,
seit 1497ff. zur →Eidgenossenschaft in Beziehung tretende Kanton
(1803/1815) der →Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Jecklin, F.,
Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gemeiner III Bünde, Teil 1f. 1907ff.;
Caliezi, B., Der Übergang der Herrschaft Räzüns an den Kanton Graubünden, 1920;
Pieth, F., Die Umbildung des Freistaates der
drei Bünde in den Kanton Graubünden, Jahresbericht der
historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 57 (1928); Liver, P., Vom
Feudalismus zur Demokratie, Jahresbericht der historisch-antiquarischen
Gesellschaft von Graubünden 1930; Lalive-Acatos, K., Das
gesetzliche Erbrecht Graubündens, 1931; Gillardon, P., Geschichte des
Zehngerichtenbundes, 1936; Zur Fünfjahrhundertfeier des Zehngerichtenbundes,
1936; Müller, I., Die Entstehung des grauen Bundes 1367-1424, Zs. f. schweiz.
Gesch. 21 (1941), 137; Maron, C., Das Zivilgericht nach den bündnerischen
Statutarrechten, 1942; Bündner Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Meyer-Marthaler,
E. u. a., 1947ff.; Die lex Romana Curiensis, hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959;
Staatsarchiv Graubünden, Einbürgerungen 1801-1960, hg. v. Jenny, R., 1965;
Padrutt, C., Staat und Krieg im alten Bünden, 1965; Caroni. P., Einflüsse des
deutschen Rechtes Graubündens südlich der Alpen, 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,451; Der Gotteshausbund, hg. v. Schorta, A., Bd. 1f.
1980f.; Bundi, M., Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Graubündens,
1982; Geschichte und Kultur Churrätiens, 1986; Cavigelli, M., Entstehung und
Bedeutung des Bündner Zivilgesetzbuches von 1861, 1994; Rathgeb, C., Die
Verfassungsentwicklung Graubündens im 19. Jahrhundert, 2003; Der Zehngerichtenbund,
bearb. v. Meyer-Marthaler, E., 2008
gravamen (lat. [N.]) Last, Beschwerde (im
Gegensatz zu Vorteil, Gewinn)
Gravina, Gian Vincenzo (1664-1718), nach
dem Studium in Scaela (Caloprese) und Neapel (Biscardi) seit 1689 in Rom, wird
Professor zunächst für Zivilrecht, 1703 für kirchliches Recht. Sein Hauptwerk
sind die 1701 veröffentlichten (lat.) Origines (F.Pl.) iuris civilis (Ursprünge
des weltlichen Rechtes).
Lit.: Ghisalberti, C., Gian Vincenzo Gravina, 1962
Graz (zu slaw. gradec, Bürglein) an der Mur wird 1164 als
Markt neben einer Burg genannt (Bestätigung der Freiheiten 27. 2. 1281 durch
Rudolf von Habsburg). Seit 1379 ist es Residenz. (1584/)1586 erhält es zum
Zweck der Gegenreformation eine (Jesuiten-)Universität, neben der und an der
auch juristischer Unterricht stattfindet. 1778 wird nach Aufhebung des
Jesuitenordens eine juristische Fakultät eingerichtet.
Lit.: Popelka, F., Geschichte der Stadt Graz, 1928;
Popelka, F., Die Bürgerschaft der Stadt Graz, 1941; Die Handschriften der
Universitätsbibliothek Graz, bearb. v. Kern, A., 1942; Ebert, K., Die Grazer Juristenfakultät
im Vormärz, 1969; Ebert, K., Die Pflege der Rechtsgeschichte an der Universität
Graz, ZRG GA 87 (1970), 239; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978;
850 Jahre Graz, hg. v. Steinböck, W., 1978; Reformen des Rechts. Festschrift
zur 200-Jahr-Feier der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz,
hg. v. Sutter, N., 1979; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992; Wesener,
G., Österreichisches Privatrecht an der Universität Graz, 2002; Geschichte der
Stadt Graz, hg. v. Brunner, W., 2003; Professoren erinnern sich, hg. v. Wünsch,
H., 2008; Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften aus Graz, hg. v.
Acham, K., 2010
Gregor VII. („Hildebrand“ Sovana/Toskana um
1020/1025-Salerno (Exil) 25. 5. 1085) wird um 1045 vielleicht (lat.)
cappellanus Papst Gregors VII., nach Rückkehr aus einem Exil (in Köln)
Kardinalsubdiakon, 1058/1059 Archidiakon und am 22. 4. 1073 mit etwa 50 Jahren
durch Akklamation Papst. Im Investiturstreit bekämpft er den weltlichen
Einfluss auf die Besetzung kirchlicher Ämter. Unter ihm erhalten kirchliche
Rechtstexte größere Bedeutung.
Lit.: Berman, H., Recht und Revolution, 1991; Cowdrey, H., Pope Gregory
VII., 1998; Blumenthal, U., Gregor VII., 2001; Schieffer, R., Papst Gregor
VII., 2010
Gregorius ist der Verfasser des →Codex
Gregorianus.
Gregor von Tours (Clermont 30. 11. 538/539-Tours
17. 11. 594), aus gallorömischer adeliger Bildungsschicht, seit 573 bzw. 576
Bischof von Tours, überliefert in seinen zehn Büchern Geschichte (lat. Decem
libri [M.Pl.] historiarum) glaubhaft. aber auslegungsbedürftig wichtige
Gegebenheiten der frühmerowingischen Frankenzeit.
Lit.: Gregorii episcopi Turonensis historiarum libri
X, hg. v. Krusch, B., 1884, 2. A. 1937ff.; Ringel, W., Das Strafrecht des
Gregor von Tours, Diss. jur. Leipzig 1912; Weidemann, M., Kulturgeschichte der
Merowingerzeit, 1982; Goffart, W., The Narrators of Barbarian History, 1988;
Heinzelmann, M., Gregor von Tours, 1994; Scheibelreiter, G.,
Mentalitätsgeschichte der europäischen Achsenzeit, 1999; The World of Gregory
of Tours, hg. v. Mitchell, K. u. a., 2002; A Companion to Gregory of Tours, hg.
v. Murray, A., 2015 (hilreich, aber nicht vollständig befriedigend)
Greife ist der Angehörige eines vor 1124
christianisierten Herzogsgeschlechts der Pomoranen (Pommern), das seit 1215
einen Greifen im Wappen führt und 1631 ausstirbt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wehrmann, M.,
Genealogie des pommerschen Herzogshauses, 1937
Greifswald nahe der Ostsee am Fluss Ryck (um
1241 Marktsiedlung des Klosters Eldena, 1248 oppidum Gripheswald) mit
→lübischem Stadtrecht (1250) erhält 1456 eine Universität (1456-1524 3317
Immatrikulationen, Matrikel von 1456 bis 1700 von Ernst Friedländer 1893f.
veröffentlicht, Spruchfakultät 1561-1891, 1631-1815 unter der Herrschaft
Schwedens, Professoren wirken auch am Konsistorium, am Hofgericht und am
Oberappellationsgericht), die 1945 von der Sowjetunion in ihrer Besatzungszone
geschlossen, im Februar 1946 aber in Teilen und 1991 im Bundesland
Mecklenburg-Vorpommern der Bundesrepublik Deutschland auch in der
Rechtswissenschaft wieder eröffnet wird.
Lit.: Molitor, E., Die Greifswalder Juristenfakultät,
FS zur 500-Jahrfeier der Universität Greifswald, Bd. 2 1956; Seth, I., Die
Universität Greifswald und ihre Stellung in der schwedischen Kulturpolitik
1637-1815, 1956; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Feltkamp,
K./Biederstedt, R., Greifswald, 1983; Vorholz, I., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät, 2000; Das älteste Greifswalder Stadtbuch
(1291-1332), bearb. v. Poeck, D., 2000; Matthiesen, H., Greifswald in
Vorpommern, 2000; Link, A., Auf dem Weg zur Landesuniversität, 2000;
Greifswald, hg. v. Wernicke, H., 2000; Fietz, J., Nordische Studenten an der
Universität Greifswald, 2004; Die Matrikel der Universität Greifswald, hg. v.
Schmidt, R. u. a., Teil 1ff. 2004ff.; Die Universität Greifswald und die
deutsche Hochschullandschaft im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Buchholz, W.,
2004; Justitia in Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2004; Universität und
Gesellschaft, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2006; Die pommerschen Hofgerichte,
hg. v. Jörn, N., 2007; Bausteine zur Greifswalder Universitätsgeschichte, hg.
v. Alvermann, D. u. a., 2008; Das Dekanatsbuch der philosophischen Fakultät der
Universität Greifswald 1456-1662, übers. v. Thümmel, H., 2008; Greifswald -
Spiegel der deutscher Rechtswissenschaft 1815 bis 1945, hg. v. Lege, J., 2009;
Ott, S., Die Rechtsprechung des Greifswalder Oberappellationsgerichts in
Strafsachen (1815-1849), 2009; Thümmel, H., Greifswald, 2010; Igel, K.,
Zwischen Bürgerhaus und Frauenhaus, 2010; Quellen zur Verfassungsgeschichte der
Universität Greifswald, hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1f. 2011f.; Eberle, H.,
Ein wertvolles Instrument, 2015; „„…die letzten Schranken fallen lassen“.
Studien zur Universität Greifswald im Nationalszialismus, hg. v. Alvermann,
D.. 2014; Geschichtswissenschaft in Greifswald, hg. v. Hegewisch, N. u. a.,
2015
Grenze (mhd. granizze 1262, aus slaw. hranice, lat.
granica älter, aus slaw. hranice, vorhergehende ahd. Bezeichnung marka) ist die Trennungslinie zwischen
zwei Bereichen, insbesondere zwei Staaten oder zwei Grundstücken. Ursprünglich
nur wenig genau bestimmt, wird die G. mit wachsender Bevölkerungsdichte und
zunehmender Territorialisierung immer eindeutiger gekennzeichnet und gesichert
(z. B. Grenzsteine, 14. Jh. Schlagbäume). Für die Grenzfestlegung entwickeln
sich besondere technische Verfahren, deren Einhaltung strafrechtlich bewehrt
wird. Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit findet vielfach ein der
Herkunft nach unbekannter, der Vergewisserung dienender gemeinsamer
jährlicher Grenzumgang von Dorffluren und anderen Bereichen statt. Die
Dialekte in Grenzorten gleichen sich seit der Neuzeit infolge der Medien meist
der Standardsprache der übergeordneten politischen Einheit an.
Lit.: Hübner; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 69; Erben, W., Deutsche
Grenzaltertümer aus den Ostalpen, ZRG GA 43 (1922), 1; Bader, K., Der schwäbische
Untergang, 1933; Grenzrecht und Grenzzeichen (, hg. v. Bader, K.), 1940; Karp,
H., Grenzen in Ostmitteleuropa, 1972; Nicklis, H., Von der grenitze zur Grenze,
Bll. f. d. Landesg. 128 (1992), 1; Deutschlands Grenzen in der Geschichte, hg.
v. Demandt, A., 3. A. 1993; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft,
1996; Simmerding, F., Grenzzeichen, 1997; Menschen und Grenzen in der frühen
Neuzeit, hg. v. Schmale, W. u. a., 1998; Grenze und Differenz im frühen
Mittelalter, hg. v. Pohl, W. u. a., 2000; Grenzen in Ostmitteleuropa, hg. v.
Lemberg, H., 2000; Grenzen weltweit, hg. v. Becker, J. u. a., 2. A. 2006; Die
Grenze als Raum, hg. v. François, J. u. a., 2007; Grenzen in Europa, hg. v.
Gehler, M. u. a., 2009; Philippi, N., Grenzsteine in Deutschland, 2009;
Grenzziehungen, hg. v. Schwark, T. u. a., 2011; Grenzen im Raum - Grenzen in
der Literatur, hg. v. Geulen, E. u. a. 2011; The Transformation of Foreign Polcy
– Drawing and Managing Boundaries, hg. v. Hellmann, G. u. a., 2016
Greyerz
(Gruyères)
Lit.: Vevey, B. de, Le droit de Gruyères,
1939,;Rennefahrt, H., Der Geltstag des letzten Grafen von Greyerz, Zs. f.
schweiz. Gesch. 22 (1942), 321
Grieche ist der Angehörige des die
griechische Sprache sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Volkes, das
im 2. Jt. v. Chr. in den Südosten Europas eindringt. Nach dunklen, erst mit den
27803 Versen (Homers) von Ilias und Odysee sich lichtenden Jahrhunderten (1200-800
v. Chr.) bilden die Griechen in der Mitte des 1. Jt.s v. Chr. den Stadtstaat
(griech. [F.] polis) aus (Sparta, Athen und viele andere). Sie führen die
Wissenschaften auf einen hohen Stand (Thales, Anaximander, Anaximenes,
Xenophanes, Heraklit, Demokrit, Pythagoras, Sokrates, Plato, Aristoteles,
Geschichtsschreiber Herodot, Thukydides, Polybios). Ihr Recht ist durch schon
im 8. oder 7. Jh. v. Chr. einsetzende Gesetzgebung (Lykurg, Solon, Drakon,
weiter Zaleukos, Charondas, Philolaos, Pheidon) und die rechtsphilosophische
Unterscheidung von natürlichem Recht (→Naturrecht) und von Menschen
gesetztem Recht gekennzeichnet. Eine besondere Rechtswissenschaft ist nicht
näher bekannt. Im 5. Jh. v. Chr. wird die politische Freiheit gegenüber der
Tyrannei bewusst. Aus dem 5. und 4. Jh. v. Chr. sind Gerichtsreden und
Inschriften (u. a. Recht von Gortyn auf Kreta um 450 v. Chr.) überliefert, seit
dem 3. Jh. v. Chr. Papyri (in Ägypten). Insgesamt ist die erhaltene griechische
Literatur der Antike (Homer, Hesiod, Herodot, Pindar. Thukydides, Sophokles,
Eurypides, Lysias, Aristophanes) sehr viel umfangreicher als die lateinische.
Europa verdankt den Griechen vor allem die Vorstellung politischer und
persönlicher Freiheit sowie Grundlagen von Literatur, Philosophie und
Wissenschaft. Das Brill Dictionary of Ancient Greek umfasst 140000 Stichwörter.
Lit.: Köbler, DRG 15, 16, 29; Zachariae von
Lingenthal, K., Geschichte des griechisch-römischen Rechtes, 1877, 3. A. 1892,
Neudruck 1955; Mühl, M., Untersuchungen zur altorientalischen und
althellenischen Gesetzgebung, 1963; Mummenthey, H., Zur Einführung:
Griechisches Recht, JuS 1969, 307; Wolff, H., Das Recht der griechischen Papyri
Ägyptens, 1978; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982; Triantaphyllopoulos,
J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Lendle, O., Einführung in die
griechische Geschichtsschreibung, 1992; Greek Law, hg. v. Foxhall, L. u. a.,
1996; Burkert, W., Die Griechen und der Orient, 2003; Cerchiai, L. u. a., Die
Griechen in Süditalien, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004, 2. A. 2011;
Greek Colonization, hg. v. Tsetskhladze, G., 2006ff.; Karvounis, C., Aussprache
und Phonologie im Altgriechischen, 2007, 2. A. 2009; Köbler, G.,
Altgriechisches Abkunfts- und Wirkungswörterbuch, 2007 (im Internet); Szlezák,
T., Was Europa den Griechen verdankt, 2010; Handbuch der griechischen Literatur
der Antike, hg. v. Zimmermann, B., Bd. 1 2011; A new Working Bibliography of
Ancient Greek Law, hg. v. Sundahl, M. u. a., 2011; Robinson, E., Democracy
beyond Athens, 2011; Scheer, T., Griechische Geschlechtergeschichte, 2011;
Dmitriev, S., The Greek Slogan of Freedom, 2011; A Companion to Ancient Greek
Government, hg. v. Beck, H., 2013; Dillon, M. u. a., The Ancient Greeks, 2013;
Schmitz, W., Die griechische Gesellschaft, 2014; Grote, O., Die griechischen
Phylen, 2016
Griechenland ist der südosteuropäische, zwischen
Italien und der Türkei gelegene, seit 1. 1. 1981 der →Europäischen
Gemeinschaft (1993 →Europäischen Union) angehörende Staat. Sein anfangs
durch viele Stadtstaaten (z. B. →Athen) gekennzeichnetes Gebiet wird seit
336 v. Chr. unter Makedonien vereinigt, gelangt 146 v. Chr. unter die
Herrschaft der Römer, wird 330 n. Chr. Ostrom bzw. →Byzanz zugeteilt und
fällt 1453 an die Osmanen (Türken). Seit dem 4. 3. 1821 erheben sich die
Griechen gegen die osmanische Herrschaft. Nach Erringung der Unabhängigkeit
wird 1828 bzw. mit Gesetz vom 23. 2. 1835 der →Hexabiblos (von 1345 n.
Chr.) als vorläufiges Zivilgesetzbuch bestimmt. Am 3. 2. 1830 wird G. als
unabhängige Erbmonarchie anerkannt, zu dessen König 1832 der bayerische Prinz
Otto von Wittelsbach bestimmt wird. Der Code de commerce (Handelsgesetzbuch)
Frankreichs wird übernommen. Das danach geschaffene Recht ist vom deutschen
Recht der Pandektistik geprägt (1832-1834 bzw. 1833-1835 Georg Ludwig von
Maurer Strafgesetz, Strafprozessordnung, Gerichts- und Notariatsordnung,
Zivilprozessordnung, Vorbereitung eines Zivilgesetzbuchs, daneben Ionisches
Zivilgesetzbuch 1841, Zivilgesetzbuch von Samos 1899, Kretisches Zivilgesetzbuch
1903). Das Verwaltungsrecht steht unter dem Einfluss Frankreichs. 1940 wird das
vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, aber auch von Frankreich und der Schweiz
beeinflusste Zivilgesetzbuch geschaffen, dessen Inkrafttreten am 23. 2. 1946
die Geltung des gemeinen Rechtes (→Hexabiblos) beendet. Am 21. 4. 1967
putscht die Armee gegen den König, am 1. 6. 1973 wird die Republik ausgerufen.
1981 tritt Griechenland den europäischen Gemeinschaften bei, so dass das
griechische Recht seitdem unter den Einfluss des europäischen Rechtes der
Europäischen Gemeinschaft(en) bzw. der Europäischen Union gerät. Um 2010 gerät
G. wegen seines überhöhten Staatshaushaltdefizits ain eine wirtschaftlich
sehr schwierige Lage.
Lit.: Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zachariae von Lingenthal,
K., Bd. 1ff. 1856ff.; Lipsius, J., Das attische Recht, Bd. 1ff. 1905ff.,
Neudruck 1984; Ius Graeco-Romanum, hg. v. Zepos, J. u. a., 1931, Neudruck 1962;
Jones, J., The Law and Legal Theory of the Greeks, 1956; Mantzoufas, G., Über
griechisches Privatrecht, 1955; Sontis, J., Das griechische Zivilgesetzbuch,
ZRG RA 78 (1961), 355; Plagianokos, G., Die Entstehung des griechischen
Zivilgesetzbuchs, 1963; Woodhouse, C., The story of modern Greece, 1968; Wolff,
H., Zur griechischen Rechtsgeschichte, 1968; Larsen, J., Greek Federal States,
1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,473; Lexikon des frühgriechischen Epos,
hg. v. Thesaurus linguae Graecae, begr. v. Snell, B., Bd. 1-5 1979 ff.;
Gschnitzer, F., Griechische Sozialgeschichte, 1981, 2. A. hg. v. Chaniotis, A.
u. a. 2013; Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985;
Bengtson, H., Griechische Geschichte, 8. A. 1994; Schuller, W., Griechische Geschichte,
4. A. 1995, 6. A. 2008; Bauman, R., Political Trials in Ancient Greece, 1990,
Neudruck 2013; Inschriftliche Gesetzestexte der frühen griechischen Polis, hg.
v. Hallof, K., 1993; Selb, W., Antike Rechte im Mittelmeerraum, 1993; Passow,
F., Handwörterbuch der griechischen Sprache, 5. A. 1993; Inschriftliche
Gesetzestexte, hg. v. Hallof, K., 1993; Troianos, S. u. a., Istoria dikaiou,
1993, 3. A. 2002; Argyriades, C., Staatsbilder und Rechtspraktiken, 1994;
Christ, C., Griechische Geschichte, 1996; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3.
A. 2006; Osborne, R., Greece in the Making (100-479 BC), 1996, 2. A. 2009;
Rhodes, P./Lewis, D., The Decrees of the Greek States, 1997; Einleitung in die
griechische Philologie, hg. v. Nesselrath, H., 1997; Große Gestalten der
griechischen Antike, hg. v. Brodersen, K., 1999; Price, S., Religions of the
Ancient Greeks, 1999; Thomas, C./Conant, C., Citadel to City-State, 1999;
Botsiou, K., Griechenlands Weg nach Europa, 1999; Hölkeskamp, K.,
Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im antiken Griechenland, 1999;
Rosen, K., Griechische Geschichte erzählt, 2000; Riemer, P./Weißenberger,
M./Zimmermann, B., Einführung in das Studium der Gräzistik, 2000;
Verfassungsgeschichte und Staatsrechtslehre. Griechisch-deutsche Wechselwirkungen,
hg. v. Kassimatis, G. u. a., 2000; Encyclopedia of Greece and the Hellenic
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Mythologie, (10. A.) 2003; Buckler, J., Aegean Greece in the Fourth Century BC,
2003; Stahl, M., Gesellschaft und Staat bei den Griechen, 2003; Barceló, P.,
Kleine griechische Geschichte, 2004; Köbler, G., Rechtsgriechisch, 2004; Barta,
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Welser, 2004, 27; Osborne, R., Greek History, 2004; Sünderhauf, E.,
Griechensehnsucht und Kulturkritik, 2004; Linke, B., Religion und Herrschaft im
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Greek Law, hg. v. Gagarin, M., 2005; A Companion to the Classical Greek World,
hg. v. Kinzl, K., 2006; Freitag, K., Ethnogenese, Ethnizität und die
Entwicklung der griechischen Staatenwelt in der Antike, HZ 285 (2007), 373;
Low, P., Interstate Relations in Classical Greece, 2007; Schmitz, W., Haus und
Familie im antiken Griechenland, 2007; Prosopography and Onomasticon of Aegean
Thrace, hg. v. Parissaki, M., 2007; Gagarin. M., Writing Greek Law, 2008;
Introduction to Greek Law, hg. v. Kerameus-Kouyris, K., 3. A. 2008; Das Bild
Griechenlands im Spiegel der Völker, hg. v. Konstantinou, E., 2008; Schulz,
R., Kleine Geschichte des antiken Griechenland, 2008; Fischer, J., Griechische
Frühgeschichte bis 500 v. Chr., 2009; Zeitler, C., Zwischen Formalismus und
Freiheit, Diss. jur. Passau 2009 (Prozess gegen Sokrates); Cartledge, P.,
Ancient Greece, 2009; A Companion to Archaic Greece, hg. v. Raaflaub, K. u. a.,
2009; Bers, V., Genos dikanikon, 2009; Die griechische Welt, hg. v.
Stein-Hölkeskamp, E. u. a., 2010; Barta, H., Graeca non leguntur?, 2010ff.;
Welwei, K., Griechische Geschichte, 2011; Griechische Heiligtümer als
Erinnerungsorte, hg. v. Haaske, M. u. a., 2011; Dreyer, B., Polybios, 2011;
Heftner, H., Alkibiades, 2011; Parashu, D., Die Weimarer Reichsverfassung und
die Verfassung der 2. hellenischen Republik von 1927, 2012; Farenga, V.,
Citizen and Self in Ancient Greece, 2012; Lambert, S., Inscribed Athenian Laws
and Decrees 352/1-322/1 BC, 2012;
Rutishauser, B., Athens and the Cyclades, 2012; Polybios und seine Historien,
hg. v. Grieb, V. u. a., 2013; Froehlich, S., Handlungsmotive bei Herodot, 2013;
Greek Federal States ant their Sancuaries, hg. v. Funke, P., 2013; Parker, V.,
A History of Greece, 2014; Garland, R., Wandering Greeks, 2014; Scott, M.,
Delphi, 2014; Die Okkupation Griechenlands im zweiten Weltkrieg, hg. v. Kambas,
C. u. a., 2015; Konflikt und Koexistenz, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2015;
Stein-Hölkeskamp, E., Das archaische Griechenland, 2015; Lee, M., Body, Dress
and Identity in Ancient Greece, 2015; Bringmann, K., Im Schatten der Paläste,
2016; Mazower, M., Griechenland unter Hitler, 2016 (im Original 1995); Králová,
K., Das Vermächtnis der Besatzung – Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940.
2016
Grimm, Jakob (Jacob Ludwig Carl) (Hanau 4. 1. 1785-Berlin
20. 9. 1863), Amtmannssohn, wird nach der Kindheit in Steinau, dem frühen Tod
des Vaters und der Mutter und dem Schulbesuch in Kassel (1798), dem
Rechtsstudium in Marburg (1802) (Savigny) und der Begleitung Savignys
(Januar-September 1805) nach Paris 1806 Sekretäranwärter des Kriegskollegiums
in Kassel und nach dem abschlusslosen Abbruch des Rechtsstudiums (1807) 1808
Privatbibliothekar des Königs von Westphalen in Kassel, 1816 nach dem Ende
Westphalens kurfürstlicher zweiter Bibliothekar in Kassel (1819 philologischer
Ehrendoktor Marburgs, 1828 nach Erscheinen der deutschen Rechtsaltertümer
juristischer Ehrendoktor der Universitäten Berlin und Breslau sowie später
Prag) und 1829/1830 Professor der Germanistik in Göttingen. 1837 wird er als
einer der Göttinger Sieben (→Göttingen) des Amtes enthoben, 1838/1840 mit
festen Bezügen nach Berlin an die Akademie der Wissenschaft geholt. 1828
erscheinen nach den Kinder- und Hausmärchen (1812ff., zusammen mit Wilhelm
Grimm [Hanau 24. 2. 1786-Berlin 16. 12. 1859, 1803 Studium der
Rechtswissenschaft in Marburg, 1806 Abschluss, 1819 Ehrendoktor Marburg]), den
deutschen Sagen (1816ff.) und der deutschen Grammatik (1819) seine deutschen
Rechtsaltertümer, über die er in Berlin auch Vorlesungen hält, seit 1840 seine
deutschen Weistümer sowie 1854ff. sein seit 1836 oder 1837 vorbereitetes
deutsches Wörterbuch von Luther bis Goethe, durch die Jakob G. den
germanistischen Teil der historischen Rechtsschule nicht unmaßgeblich
beeinflusst.
Lit.: Köbler, DRG 188; Grimm, J., Von der Poesie im
Recht, Z. f. gesch. Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Grimm, J./Grimm, W.,
Deutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1854ff.; Hübner, R., Jakob Grimm und das
deutsche Recht, 1895; Briefe der Brüder Grimm, hg. v. Leitzmann, A., 1923;
Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Karl Lachmann, hg. v.
Leitzmann, A., 1927; Gerstner, H., Brüder Grimm, 1952, 9. A. 1997; Briefe der
Brüder Grimm an Savigny, hg. v. Schoof, W., 1953; Wieacker, F., Gründer und
Bewahrer, 1959, 144; Ebel, W., Jakob Grimm und die deutsche Rechtswissenschaft,
1963; Schuler, T., Jacob Grimm und Savigny, ZRG GA 80 (1963), 197; Grimm, J.,
De desiderio patriae, hg. v. Ebel, W., 1967; Denecke, L., Jakob Grimm und sein
Bruder Wilhelm, 1971; Jacob Grimms deutsche Altertumskunde, hg. v. Ebel, E.,
1974; Seitz, G., Die Brüder Grimm, 1984; Wyss, U., Jakob Grimms
Selbstbiographie, 1984; Dilcher, G., Jakob Grimm als Jurist, JuS 1985, 931; Der
Nachlass der Brüder Grimm, bearb. v. Breslau, R., 1997; Hussong, U., Jacob
Grimm und der Wiener Kongress, 2002; Kultur und Politik, hg. v. Heidenreich, B.
u. a. 2003; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo,
hg. v. Bialas, S., 2004; Die Brüder Grimm in Berlin, red. v. Kaindl, K. u. a.,
2004; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit den Verlegern des
„Deutschen Wörterbuchs“, hg. v. Kirkness, A., 2007; Martus, S., Die Brüder
Grimm, 2009; Die Brüder Grimm in Marburg, hg. v. Hedwig, A., 2013
Groenbech, Vilhelm Peter (Allinge/Bornholm 14. 6. 1873-Helsingoer/Nordseeland
21. 4. 1948), 1902 Dissertation zur Lautgeschichte des Türkischen dänischer
Religionshistoriker in Kopenhagen (1915-1943), der eine Gesamtschau der
germanischen Kultu versucht.
Lit.: Vor folkeaet i oldtiden, 1909ff.; Nachruf ZRG GA 66 (1948), 597f.
(Erler, Adalbert)
Groicki, Bartolomaeus (Rzesszów 1534?-Krakau 1605),
1559 Schreiber des Oberhofs Krakaus, 1558 erstes juristisches Buch in
polnischer Sprache, seine Werke ersetzen in der Gerichtspraxis das fehlende
Gesetzbuch des Stadtrechts
Lit.: Kowalski, G., Bartlomiej Groicki, 2005
Grolman, Karl Ludwig Wilhelm von (Gießen
23. 6. 1775-Darmstadt 14. 2. 1829) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen und
Erlangen Professor in Gießen und 1819 Staatsminister in Hessen-Darmstadt. Er
setzt sich für die Auffassung ein, dass es Sinn der Strafe sei, durch
Einwirkung auf Straftäter deren künftigen Verbrechen vorzubeugen
(→Spezialprävention).
Lit.: Esselborn, K., Grolman, (in) Hessische
Biographien, Bd. 3 1934, 157; Röger, M., Karl Ludwig Wilhelm von Grolman, Diss.
jur. Gießen 1995; Cattaneo, M., Karl Grolmans strafrechtlicher Humanismus, 1998
Groningen wird im Jahre 1000 erstmals
erwähnt. 1559 wird es in den Niederlanden Sitz eines Bischofs. 1614 erhält es
eine Universität Jean Barbeyrac, Anton Matthäus).
Lit.: Peters, C., Oud Groningen, 1907; Iterson, W.
van, Die Stadt Groningen und ihre Beziehungen zum Reich, ZRG GA 85 (1965), 99;
Onderwijs en onderzoek, hg. v. Huussen, A. jr., 2003
Grönland ist die verwaltungsmäßig zu
→Dänemark gehörende größte Insel der Erde. G. wird wohl schon 900 von
→Wikingern entdeckt. Die ab 982 anschließende Besiedlung geht im
Spätmittelalter unter. 1721 beginnt eine Neubesiedlung unter Dänemark. Unter dem
dänischen Recht erhält G. 1979 Selbstverwaltung.
Lit.: Dúason, J., Grønlands retsstilling i
middelalderen, 1934; Dúason, J., Die koloniale Stellung Grönlands, 1955; Gad,
F., The History of Greenland, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,525; Schmidt, M., Grönland - Wo Nacht und Kälte wohnt, 2011
Großbritannien ist der nordwesteuropäische,
zwischen Irland und Frankreich gelegene, seit 1. 1. 1973 der →Europäischen
Gemeinschaft bzw. seit 1993 der →Europäischen Union angehörende Staat. Er
entsteht 1707 durch die Überführung der 1603 gebildeten Personalunion zwischen
England und Schottland in eine →Realunion (Vereinigung des englischen und
schottischen Parlaments). Sein amtlicher Name lautet United Kingdom of Great
Britain and Northern Ireland (Selbstverwaltung 1999, zeitweise aufgehoben).
Seit der Thronbesteigung des Hannoveraners Georg I. (1714) wird es durch
Handel und Industrie das reichste Land der Welt (ein Viertel der Erdoberfläche,
ein Viertel der Weltbevölkerung, aber Autonomie seit 1855 für Neufundland, 1867
Kanada, 1901 Australien, 1907 Neuseeland, 1920 Südafrika). Seit dem 20. Jh.
geht seine Bedeutung weltweit zurück. Durch das Westminsterstatut vom 11. 12.
1931 wird die Bezeichnung Empire für das britische Weltreich durch die
Bezeichnung Commonwealth ersetzt. Die ungeschriebene Verfassung
Großbritanniens nähert sich unter dem Einfluss des Europarechts den
kontinentaleuropäischen Verfassungen an (1998 Human Rights Act zur Aufnahme der
Europäischen Menschenrechtskonvention). →England, →Schottland,
→Irland
Lit.: Jennings, I., The British Constitution, 4. A.
1961; Hrebek, R./Keutsch, W., Gesellschaft und Staat in Großbritannien, 1971;
Ritter, G., Parlament und Demokratie in Großbritannien, 1972; Wellenreuther,
H., Der Aufstieg des ersten britischen Weltreichs, 1987; Metz, K.,
Industrialisierung und soziale Sicherheit, 1988; British Biographical Index,
hg. v. Bank, D., 1990; Speck, W., A Concise History of Britain, 1993; Rubin,
G., Private Property, 1994; Händel, H./Gossel, D., Großbritannien, 3. A. 1994;
Oxford Dictionary of National Biography, Bd. 1ff. 1992ff.; Hübner, E./Münch,
U., Das politische System Großbritanniens, 1998; Brodersen, K., Das römische
Britannien, 1998; The Oxford History of the British Empire, hg. v. Marshall,
P., Bd. 1f., 1998ff.; Ottow, R., Eine kommentierte Bibliographie zum britischen
Verfassungsdenken der frühen Neuzeit, 1999; Todd, M., Romain Britain, 3. A.
1999; Oxford History of the British Empire, Bd. 3 hg. v. Winks, R., 1999; A
Handbook of Dates, for Students of British History, ed. by Cheney, C. R.,
revised by Jones, M., 2000; Tompson, R., Islands of law, 2000; Schnurmann, C.,
Vom Inselreich zur Weltmacht, 2001; Wende, P., Großbritannien 1500 bis 2000,
2001; Schieren, S., Die stille Revolution – Der Wandel der britischen
Demokratie unter dem Einfluss der europäischen Integration, 2001; Moeder, R.,
Inzidente Gesetzesprüfung im Vereinigten Königreich, 2002; Fröhlich, M.,
Geschichte Großbritanniens von 1500 bis heute, 2004; Mergel, T., Großbritannien
seit 1945, 2005; Asch, R., Jakob I. (1566-1625), 2005; Webster, A., The Debate
on the Rise of the British Empire, 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the
Protestant Interest 1688-1756, 2006; The Hanoverian Dimension in British
History 1714-1837, hg. v. Simms, B. u. a. 2007: Wende, P., Das britische
Empire, 2008; Games, A., The Web of Empire, 2008; The Seventeenth Century, hg.
v. Wormald, J., 2008; The Judicial House of Lords 1876-2009, hg. v. Blom-Cooper,
L., 2009; Brüggemeier, F., Geschichte Großbritanniens im 20. Jahrhundert, 2010;
Wasson, E., A History of Modern Britain, 2010; Rose, A., Zwischen Empire und
Kontinent, 2011; Angster, J., Erdbeeren und Piraten - Die Royal Navy und die
Ordnung der Welt 1770 bis 1860. 2012, 2. A. 2012; Dietz, B., Neo-Tories, 2012;
Ibhawoh, B., Imperial Justice. Africans in Empire’s Court, 2013; Darwin, J.,
Das unvollendete Weltreich, 2013; Paterson, A., Final Judgment, 2013; Blick,
A., Beyond Magna Carta – A constitution for the United Kingdom, 2015; Black,
J., The British Empire, 2015; Hausteiner, E., Greater than Rome, 2015; Simms,
B., Die Briten und Europa, 2019
großdeutsch (Adj.) den deutschen Sprachraum
einschließlich Österreichs umfassend
Großherzog ist der den Fürstentitel Herzog
erhöhende Fürstentitel (Toskana 1569, Berg, Hessen-Darmstadt 1806, Luxemburg
1815).
Grotius (de Groot), Hugo (Huig) (Delft 10.
4. 1583-(nach Schiffbruch bei) Rostock 28. 8. 1645), Patrizierssohn, wird nach
dem 1594 begonnenen Studium (vor allem der Philologie und Geschichte) in Leiden
und der (wohl vor allem ehrenhalber erfolgten) juristischen Promotion in
Orléans (1598, 15jährig, 1598-1600 Traktat de republica emendanda) 1599 mit 16
Jahren Anwalt in Den Haag, 1607 Oberstaatsanwalt bei dem Gerichtshof von
Holland und 1613 Syndikus Rotterdams 1604/1605 oder 1606-1608 erarbeitet er in
und nach Verteidigung von Ansprüchen der Vereinigten Ostindischen Kompagnie
(VOC von 1602), deren Aktionär er war, gegen auf Aneignung, Besitz, Papst und Gewohnheit
gegründete Ansprüche Portugals das auch auf römisches Recht und antike Ethik
gestützte Werk (lat.) De iure praedae commentarius (Vom Recht der Beute,
verfasst 1604-1606, 12. Kapitel veröffentlicht 1609 unter dem Titel Mare
liberum, Freies Meer), in dem er zu Gunsten der Handelsgesellschaft den
Grundsatz der Freiheit der Meere vertritt. 1619 wird er mit 36 Jahren als
Remonstrant aus politischen Gründen zu lebenslanger Haft verurteilt, aus der er
1621 in einer Bücherkiste nach Frankreich flieht (1631 Holland, 1632 Hamburg,
1634 Botschafter Schwedens in Frankreich, 1645 Rückreise nach Schweden). In der
Gefangenschaft (1619-1621) verfasst er die 1631 veröffentlichte niederländische,
der Systematik der Institutionen Justinians folgende Inleydinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheyd, in der Verbannung (1621ff.) auf der Grundlage der
spanischen Spätscholastik Vitoria, Soto, Vasquez de Menchaca, Molina) sein das
Recht der ganzen Menschheit umfassendes Hauptwerk (lat.) De iure belli ac pacis
libri tres (, 1625, Drei Bücher Kriegs- und Friedensrecht [einschließlich etwa
von Eigentum, Vertrag, unerlaubter Handlung oder Strafe], 90 Prozent der Zitate
aus der antiken Literatur). Damit begründet er über die aus der Moraltheologie
stammenden Naturrechtslehren das Naturrecht in der Rechtswissenschaft,
dessen Sätze unmittelbar aus der vernünftigen Natur des Menschen folgen und
auch gelten würden, wenn es Gott nicht gäbe, und festigt das Völkerrecht.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GrotiusHugoDeJureBelliAcPacisLibriTres1625.pdf;
Lee, R., The Jurisprudence of Holland by Hugo Grotius, 1926; Inleidinge tot de
Hollandsche Rechts-Geleerdheid, beschreven bij Hugo de Groot, hg. v. Fockema
Andreae, S./Apeldoorn, L. van, 1926; Wolf, E., Grotius, Pufendorf, Thomasius,
1927; Ter Meulen, J. u. a., Bibliographie des écrits imprimés de Hugo Grotius,
1950; Wellschmied, K., Zur Entstehung und Bedeutung der Inleidinge tot de
Hollandsche Rechts-Geleerdheid von Hugo Grotius, ZRG GA 69 (1952), 155; Groot,
Hugo de, Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-Geleerdheid, hg. v. Dovring, F.
u. a., 1952; Wehberg, H., Hugo Grotius, 1956; Dießelhorst, M., Die Lehre des
Hugo Grotius vom Versprechen, 1959; ter Meulen, J./Diermanse, P., Bibliographie
des écrits sur Hugo Grotius imprimés au 17e siècle, 1961; Hugonis Grotii
Instutiones juris Hollandici e Belgico in Latinam sermonem translatae, hg. v.
Fischer, H., 1962; De Pauw, F., Grotius and the Law of Sea, 1965; Brandt, R.,
Eigentumstheorien von Grotius bis Kant, 1974; Link, C., Hugo Grotius als
Staatsdenker, 1983; The World of Hugo Grotius, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1984;
Hugo Grotius and International Relations, hg. v. Bull, H. u. a., 1990, 133; Das
römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Schnepf, R.,
Naturrecht und Geschichte bei Hugo Grotius, ZNR 1998, 1; Grunert, F., Von der
Morgenröte zum hellen Tag, ZNR 2003, 204; Staat bei Hugo Grotius, hg. v.
Konegen, N. u. a. 2005; Straumann, B., Hugo Grotius und die Antike, 2007;
Nellen, H., Grotius, 2007; Hugo, Grotius. Liberum mare (1609-2009), hg. v.
Feenstra, R.,, 2009; Aure, A., The Right to Wage War (jus ad bellum) – The
German reception of Grotius 50 years after De iure belli ac pacis ,2015;
Straumann, B., Roman Law in the State of Nature. 2015
Grund (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen)
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Grundbuch (Wort in einem einfacheren Sinn Wien 1389
belegt, Grundbuchamt Preußen 1872, Grundbuchberichtigung 1872) ist das vom Grundbuchamt geführte,
alle die Rechtsverhältnisse an Grundstücken betreffenden Beurkundungen
aufnehmende öffentliche Register. Die ältesten Belege des Wortes verstehen
unter G. allerdings nur ein Verzeichnis der Grundstücke und Einkünfte einer
Grundherrschaft. Die Ursprünge des Grundbuchs liegen im Mittelalter
(→Köln um 1130 →Schreinskarten, Metz [1197], Andernach [12. Jh.],
Lübeck [1284], österreichische Städte [14. Jh.]). Die Ordnung erfolgt zunächst
nach Geschehniszeitpunkten oder nach Personen (Personalfoliensystem), in Anklam
(1401) und Hannover (1428) bereits nach einzelnen Grundstücken (Realfoliensystem).
Die Aufzeichnung dient anfangs der Gedächtnisstützung, gewinnt später aber
selbständigen (konstitutiven) Rechtswert. Die Aufnahme des römischen Rechtes
drängt das G. zurück. Zwecks Verbesserung des Grundstücksverkehrs ordnet
Preußen am 28. 9. 1693 für Berlin ein Erb- und Lagerbuch mit der Folge
mangelnder Geltung von Pfandrechten bei Nichteintragung an, erlässt eine
Hypothec- und Concursordnung vom 22. 2. 1722 und eine allgemeine
Hypothekenordnung vom 20. 12. 1783 (Realfolium). Zunächst nur in Sachsen, seit
dem 19. Jh. allgemein (Sachsen Grundbuch- und Hypothekengesetz vom 6. 11. 1843,
Österreich [1794 böhmisches Landtafelpatent, 1812 Allgemeines Bürgerliches
Gesetzbuch mit Eintragungsgrundsatz und Vertrauensgrundsatz,] 1871 Grundbuchsgesetz
[in Tirol und Vorarlberg chronologisch geordnete Verfachbücher bis 1897 bzw.
1900, 1951 Anlegung des Grundbuchs in Vorarlberg vollendet, 1955 Neufassung
Allgemeines Grundbuchsgesetz ohne grundlegende Neuerungen], Preußen Gesetz über
den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke 5. 5. 1872,
Deutsches Reich Grundbuchordnung 24. 3. 1897), setzt es sich aus Verkehrsbedürfnissen
durch (Dreiteilung in a) Eigentümer und Erwerbsgrund, b) Belastungen wie
Reallasten, Dienstbarkeiten u. s. w., c)
Grundpfandrechte wie Hypotheken u. s.
w., 1935 Vereinheitlichung der in den Ländern unterschiedlichen Ausführung).
1995 beschließt Griechenland als (bislang) letzter Mitgliedstaat der
Europäischen Union, (bis 2009) ein G. einzurichten. Seit etwa 1980 wird das
Grundbuch elektronisiert bzw. digitalisiert (vgl. § 126 I 1 GBO).
Lit.: Hübner 235; Köbler, DRG 125, 163, 212; Mascher,
H., Das deutsche Grundbuch- und Hypothekenwesen, 1869; Randa, A., Die
geschichtliche Entwicklung des Institutes der öffentlichen Bücher in
Österreich, Z. f. d. Privat- und öffentl. Recht 6 (1879), 81; Aubert, L.,
Beiträge zur Geschichte der deutschen Grundbücher, ZRG GA 14 (1893), 1; Rehme,
P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903; Das zweite
stralsundische Stadtbuch (1310-1342), bearb. v. Ebeling, R., 1903; Rehme, P.,
Über das älteste bremische Grundbuch (1438-1558), 1908; His, E., Geschichte des
Basler Grundbuchs, 1915; Kovats, F., Pressburger Grundbuchführung, ZRG GA 39
(1918), 45; Grundbuch des Kölner Judenviertels 1135-1425, bearb. v. Kober, A.,
1920, Neudruck 2000; Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19.
Jahrhundert, II, 2, 1935; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Demelius, H., Österreichisches Grundbuchsrecht,
1948; Abendroth, K., Die Klauseleintragungen der hamburgischen Grundbücher,
Diss. jur. Hamburg 1950; Wandel, R., Der Beitrag der Steuer- und Güterbücher
zur Entwicklung des Grundbuches in Württemberg, Diss. jur Tübingen (um 1958);
Hammer, E., Die Geschichte des Grundbuchs in Bayern, 1960; Deckwirth, H., Das
Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F.
(1971), 1; Brauneder, W., Grundbuch und Miteigentum im „Tractatus de iuribus
incorporalibus“, ZRG GA 94 (1977), 218; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und
Immobiliarrecht, 1978; Niklaus, J., Die Geschichte des Grundbuchs im Kanton
Bern, 1999; Böhringer, W., Historie und Vergleich, Rechtspfleger-Studienhefte
1997, 33; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Grunddienstbarkeit (1721) ist die →Dienstbarkeit (lat. [F.] servitus), bei
der ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen
Grundstücks in der Weise belastet wird, dass dieser das Grundstück in einzelnen
Beziehungen benutzen darf, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht
vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechtes ausgeschlossen
ist. Dem älteren deutschen Recht ist die G. fremd. Mit der Zunahme der
Siedlungsdichte entwickeln sich Nutzungsrechte an fremden Grundstücken. Mit
der Aufnahme des römischen Rechtes im ausgehenden Mittelalter dringt die
Unterscheidung von bloß bestimmten Personen zustehenden (persönlichen)
Dienstbarkeiten und den dem jeweiligen Eigentümer eines Grundstücks zustehenden
Dienstbarkeiten (Grunddienstbarkeiten) ein.
Lit.: Köbler, DRG 41; Naendrup, H., Zur Geschichte
deutscher Grunddienstbarkeiten, 1900; Vleuten, M. van, Die Grunddienstbarkeiten
nach altwestnordischem Rechte, 1902; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Grundeigentum ist das →Eigentum an einem
→Grundstück. Im Mittelalter ist das Grundstück vielfach lehnsrechtlich
oder grundherrschaftlich gebunden. Im 19. Jh. werden diese Bindungen aufgehoben.
Lit.: Judeich, A., Die Grundentlastung in Deutschland,
1863; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und
Westpreußen, 1891, 1895, 1896; Hausmann, S., Die Grundentlastung in Bayern,
1892; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Dyckerhoff, E.,
Die Entstehung des Grundeigentums und die Entwicklung der gerichtlichen
Eigentumsübertragung an Grundstücken in der Reichsstadt Dortmund, 1909; Ernst,
V., Die Entstehung des deutschen Grundeigentums, 1926; Haff, K., Zur Geschichte
des germanischen Grundeigentums, ZRG GA 49 (1929), 433; Schabinger Freiherr von
Schowingen, K., Das sankt gallische Freilehen, 1938; Habermann, N., Die
preußische Gesetzgebung zur Herstellung eines frei verfügbaren Grundeigentums,
(in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1976, 3;
Goeke, U., Das Grundeigentum im Luftraum und im Erdreich, 1999; Bertram, K.,
Die Gesetzgebung zur Neuregelung des Grundbuchs in der ersten Phase der
freanzösischen Revolution, 2000
Grundentlastung ist die Aufhebung der Grundherrschaft (und
Patrimonialgerichtsbarkeit) (z. B. in Österreich durch Grundentlastungspatent
vom 30. 8. 1848 Richstag/7. 9. 1848 Kaiser auf Antrag Hans Kudlichs vom 26. 7.
1848, geldliche Abwicklung durch Entschädigungszahlung der Bauern innerhalb
zehner Jahre weitgehend gelungen). →Bauernbefreiung.
Gründerleihe ist die Bodenleihe an
Siedlungsgründer (z. B. Gent 941, Holländer an der Unterelbe 1106, Freiburg im
Breisgau 1120?) als freie Erbleihe.
Lit.: Arnold, W., Zur Geschichte des Eigentums, 1861;
Kroeschell, K., Weichbild, 1960
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist
(im losen sprachlichen Anschluss an ältere [lat.] leges fundamentales, grundlegende
Gesetze) die Verfassung(surkunde) der Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5.
1949 (am 8. 5. 1949 für eine Übergangszeit beschlossen, mit 24. 5. 1949 in
Kraft). Das G. entsteht auf Veranlassung der westlichen Besatzungsmächte des
Deutschen Reiches. Ein von den 11 Ministerpräsidenten berufener
Verfassungskonvent arbeitet vom 10. bis 23. 8. 1948 auf Herrenchiemsee einen
Entwurf eines vorläufigen Organisationsstatuts aus. Dieser wird von einem
→Parlamentarischen Rat in Bonn überarbeitet, von den drei westlichen
Militärgouverneuren genehmigt und von den Vertretungen von 10 der 11 damaligen
Länder angenommen. Er versteht die Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat,
Rechtsstaat, Sozialstaat, Republik und streitbare Demokratie und gliedert sich
in einen Grundrechtsteil (mit unmittelbarer Geltung) und einen Organisationsteil
(Bundesstaat, Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident, Bundeskanzler,
Bundesverfassungsgericht und [5 weitere] Bundesgerichte) mit insgesamt 11336
Wörtern. Es ist inzwischen vielfach geändert, trägt aber noch den
ursprünglichen Namen, der informell auch mit Bonn in Beziehung gebracht werden
kann (Bonner Grundgesetz). Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts haben
unmittelbare Geltung. Im Zuge von Europäisierung und Globalisierung sind
geschichtliche Einzelheiten vermutlich zu überdenken.
Lit.: Köbler, DRG 256; Maunz, T./Zippelius,
R./Würtenberger, T., Deutsches Staatsrecht, 32. A. 2008; Vorgeschichte der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Becker, J., 1979; Buchner, P., Der Verfassungskonvent
auf Herrenchiemsee, 1981; Diestelkamp, B., Die Verfassungsentwicklung in den
Westzonen, NJW 1989, 1312; Das Grundgesetz und die Bundesrepublik Deutschland,
hg. v. Benz, W. u. a., 1989; Robbers, G., Die Änderungen des Grundgesetzes,
NJW 1989, 1125; Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung, hg. v.
Schneider, H., Bd. 1ff. 1990ff. (z. B. Bd. 14 Art. 50-53 2019); Wehner, G., Die
Westalliierten und das Grundgesetz, 1994; Kahl, W., Die Entstehung des
Grundgesetzes, JuS 1997, 1083; Bauer, A./Jestaedt, M., Das Grundgesetz im
Wortlaut, 1997; Niclauß, K., Der Weg zum Grundgesetz, 1998; Wilms, H.,
Ausländische Einwirkungen auf die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Wilms,
H., Die Entstehung des Grundgesetzes, 1999; Schneider, H., 50 Jahre
Grundgesetz, NJW 1999, 1497; Die Entstehung des Grundgesetzes, hg., v. Feldkamp,
M., 1999; Auf dem Weg zum Grundgesetz, hg. v. Brakelmann, G., 1999; Dokumente
zur neuesten deutschen Verfassungsgeschichte, hg. v. Wilms, H., 2001; Spevack,
E., Allied Control and German Freedom, 2002; Ausländische Einwirkungen auf die
Entstehung des Grundgesetzes – Dokumente -, hg. v. Wilms, H., 2003;
Frankenberg, G., Grundgesetz, 2004; Das Grundgesetz zwischen Stabilität und
Veränderung, hg. v. Huber, P., 2007; Grundgesetz - Textausgabe mit sämtlichen
Änderungen, hg. v. Dreier, H. u. a., 2006, 2. A. 2007, 4. A. 2009, 5. A. 2010,
6. A. 2011, 7. A. 2012, 8. A. 2013, 9. A. 2014; 60 Jahre Grundgesetz, hg. v.
Stern, K., 2010; Bauer, J., Der Beitrag der FDP-Fraktion im Parlamentarischen
Rat zur Ausarbeitung des Grundgesetzes, 2013; Gundling, L., Ein Naturrechtseinfluss
auf das Grundgesez?, 2016; Daum, O., Dokumentation des Grundgesetzes, 2017; 70
Jahre Grundgesetz, hg. v. Heinig, H., 2019
Grundgesetz über die Reichsvertetung →Februarverfassung
(1861)
Grundherr →Grundherrschaft
Grundherrschaft (M. 19. Jh.s) ist die von einem (weltlichen oder
geistlichen) Grundherrn (z. B. König, Herzog, Bischof, Abt) beherrschte
Gesamtheit von Gütern samt den darauf befindlichen Leuten, die dieser von einem
Haupthof (→Fronhof, Salhof) aus mit Hilfe abhängiger Bauern (Grundholden,
Hintersassen) bewirtschaftet (so genannte Villikationsverfassung). Bereits
im Altertum finden sich Verbindungen von umfangreichem Eigentum an Grundstücken
und Herrschaftsrechten über Menschen. Wie weit die Germanen Vorformen der G.
kennen, ist trotz der Hinweise Tacitus’ nicht sicher. Jedenfalls ist bereits im
Frühmittelalter die G. (als Herrschaft über Land und Leute mit bis zu 5000
Höfen) im Reich der Franken weit verbreitet. In sie treten Bauern häufig durch
Vergebung ihres Hofes an einen Herren ein. Die meist unfreien Hintersassen
haben für die Nutzung des ihnen überlassenen Grundstücks →Abgaben und
→Dienste zu leisten. Der Grundherr gewährt (außer Landnutzung) Schutz und
Schirm. Die G. ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung von Landesherrschaft.
Der Grundherr erlangt danach vielfach Patrimonialgerichtsbarkeit und
Polizeigewalt. Mit dem Eindringen der Geldwirtschaft im Hochmittelalter wird
die G. zur →Rentengrundherrschaft, in der Herrschaftsrechte allmählich
auf den Staat übergehen. Im Nordosten des Reiches entwickelt sich die G. seit
dem Spätmittelalter zur →Gutsherrschaft. Wo die Grundherren die Eigenwirtschaft
aufgeben und das betreffende Land an Bauern ausgeben, entfällt die
Verpflichtung zu Frondienst. Bereits im 15. Jh. können unterschiedliche Arten
von Herrschaft über Land aus der G. entwickelt sein. Seit dem ausgehenden 18.
Jh. wird die G. bis zur Mitte des 19. Jhs. allgemein beseitigt (→Bauernbefreiung,
Ablösungsgesetzgebung, Österreich Grundentlastungspatent vom 30. 8. 1848
Reichstag/7. 9. 1848 Kaiser). Grundsätzlich ist die (bäuerliche) G. vom
(adligen) →Lehen streng zu trennen.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 32, 51, 77, 96, 111, 133,
174; Wittich, W., Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Knapp, T.,
Die Grundherrschaft im südwestlichen Deutschland, ZRG GA 22 (1901), 48;
Kötzschke, R., Studien zur Verwaltungsgeschichte der Großgrundherrschaft
Werden, 1901; Stengel, E., Grundherrschaft und Immunität, ZRG GA 25 (1904),
286; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 264;
Grosch, G., Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren
Mittelalter, 1911; Hofbauer, S., Die Ausbildung der großen Grundherrschaften im
Reiche der Merowinger, 1927; Klein, H., Die bäuerlichen Eigenleute des
Erzstifts Salzburg im Mittelalter, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde 73 (1933), 74 (1934); Perrin, C., Recherches sur la seigneurie
rurale, 1935; Lütge, F., Die mitteldeutsche Grundherrschaft, 1934, 2. A. 1957;
Dopsch, A., Herrschaft und Bauer in der deutschen Kaiserzeit, 1939; Klebel, E.,
Die Grundherrschaften um die Stadt Villach, Archiv für vaterländische
Geschichte 27 (1942); Adel und Bauern im deutschen Staat des Mittelalters, hg.
v. Mayer, T., 1943; Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof im älteren deutschen
Agrarwesen, 1953; Schreiber, A., Rudolfingen, 1954; Kirchner, G., Probleme der
spätmittelalterlichen Klostergrundherrschaft in Bayern, Z. f. bay. LG. 19
(1956), 1; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Sprandel, R., Das Kloster St. Gallen, 1958;
Bergengruen, A., Adel und Grundherrschaft im Merovingerreich, 1958; Lennard,
R., Rural England, 1959; Feigl, H., Die niederösterreichische Grundherrschaft,
1964; Kuchenbuch, L., Bäuerliche Gesellschaft und Klosterherrschaft im 9.
Jahrhundert, 1978; Henning, F., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft in
Deutschland, Bd. 1f. 1978f.; Lindkvist, T., Landborna i Norden, 1979; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Vassberg, D.,
Land and Society in Golden Age Castile, 1984; Strukturen der Grundherrschaft im
frühen Mittelalter, hg. v. Rösener, W., 1989; Braasch-Schwersmann, U., Das
Deutschordenshaus Marburg, 1989; Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein,
hg. v. Fink, K. u. a., 1989; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991;
Kuchenbuch, L., Grundherrschaft, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft,
Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter, 1992; Troßbach, W.,
Bauern 1648-1806, 1993; Scherner, K., Ut propriam familiam nutriat - Zur Frage
der sozialen Sicherung in der karolingischen Grundherrschaft, ZRG GA 111
(1994), 330; Čechura, J., Die Struktur der Grundherrschaften im
mittelalterlichen Böhmen, 1994; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995;
Grundherrschaft und bäuerliche Gesellschaft im Hochmittelalter, hg. v. Rösener,
W., 1995; Strutture e trasformazioni della signoria rurale, hg. v. Dilcher, G.
u. a., 1996; Grundherrschaft – Kirche – Stadt zwischen Maas und Rhein während
des hohen Mittelalters, hg. v. Haverkamp, A. u. a., 1997; Otto, G., Die
Arbeitsverfassung der bayerischen Grundherrschaft, 1998; Kuchenbuch, L.,
Abschied von der „Grundherrschaft“, ZRG GA 121 (2004), 1; Grüninger, S.,
Grundherrschaft im frühmittelalterlichen Churrätien, 2006 Winkelbauer, T.,
Gundaker von Liechtenstein als Grundherr, 2008; Heuvel, G. van den, Adlige
Herrschaft, bäuerlicher Widerstand und territorialstaatliche Souveränität,
2011; Rösener, W., Die Grundherrschaft als Forschungskonzept, ZRG GA 120 (2012),
41; Stamm, V., Grundbesitz in einer spätmittelalterlichen Marktgemeinde, 2013
(Gries bei Bozen); Freudenberg, S., Trado atque dono, 2013; Kuchenbuch, L., Die
Neuwerker Bauern und ihre Nachbarn im 14. Jahrhundert, 2013
Grundholde →Grundherrschaft
Grundlagenvertrag ist der am 21. 12. 1972/6. 6. 1973
zwischen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik
abgeschlossene Vertrag.
Lit.: Nakath, D., Die Verhandlungen zum
deutsch-deutschen Grundlagenvertrag 1972, 1993
Grundpfandrecht ist (als abstrakte
wissenschaftliche Gattungsbezeichnung) das in der Verpfändung eines Grundstücks
bestehende beschränkte dingliche Recht (besitzloses Pfandrecht des Grundpfandgläubigers
an einem Grundstück). →Hypothek, →Grundschuld
Lit.: Köbler, DRG 212; Meibom, V. v., Das deutsche
Pfandrecht, 1867; Mutzner, P., Geschichte des Grundpfandrechts in Graubünden,
1909; Weyermann, M., Zur Geschichte des Immobiliarkreditwesens in Preußen,
1910; Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Kölner Schreinskarten, ZRG GA 54
(1934), 1; Hedemann, H., Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jh., II 2
1935, Neudruck 1968, 192; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936,
Neudruck 1983; Herold, P., Geschichte des Zürcher Grundpfandrechts, 1939;
Natzel, N., Die Entwicklung des vertraglichen Grundpfandrechts, Diss. jur.
Bochum 1970; Schulin, H., Zur Entwicklung des Grundpfandrechts in der Schweiz,
(in) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts, hg. v. Coing, H. u. a.,
Bd. 3 1976; Buchholz, S., Absstraktionsbegriff und Immobiliarrecht, 1978;
Schapp, J., Zum Wesen des Grundpfandrechts (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 477
Grundrecht ist das dem Einzelnen zustehende,
verfassungsmäßig verbürgte elementare Recht gegen den Staat als einheitlichen
Herrschaftsträger (subjektives öffentliches Recht). Eine lose Vorform des
Grundrechts wird in den Rechten sichtbar, die der englische König Johann
Ohneland am 15. 6. 1215 den Baronen in der (lat.) →Magna Charta (F.)
libertatum (große Urkunde der Freiheiten) als Privileg verbriefen muss (z. B.
Steuerbewilligung, Pairsgericht). Zur gleichen Zeit sehen einzelne
naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274) Leben, Freiheit und
Eigentum als dem Zugriff des Staates entzogene allgemeine Rechte des Menschen
an. In der Neuzeit betonen die Erklärung vom Dordrecht (15./16. 7. 1572) in den
Niederlanden sowie Petition of Rights (1628), Habeas-Corpus-Act (1679) und
Declaration of Rights (1689) in England besondere Rechte des Einzelnen. In den Einzelstaaten
Nordamerikas finden zu Beginn des Unabhängigkeitskriegs gegen England auch
fundamentale Rechte ([engl.] inherent rights, unalienable rights, [franz.] 1770
droits fundamentaux) des Einzelnen in die formellen Verfassungen (12. 6. 1776
Virginia Bill of Rights) Eingang (26. 8. 1789 Déclaration des droits de l’homme
et du citoyen 26. 8. 1789 Frankreich). Nach Emanuel Joseph Sieyès (1748-1836,
Januar 1789) ist man nicht durch Privilegien frei, sondern durch Rechte, die -
entsprechend der französischen Revolutionsforderung der Gleichheit - allen
gehören. 1791 wird die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika mit den
ersten zehn amendments um die (Federal) Bill of Rights ergänzt. Dem folgen
deutsche Verfassungen im 19. und 20. Jh. (schwach ausgeprägt in Bayern und
Baden 1818 und Württemberg 1819, Österreich 25. 4. 1848 nur
Staatszielbestimmungen, Kremsierer Entwurf, 4. 3. 1849 Grundrechtspatent für
Cisleithanien, im Silvesterpatent 1851 aufgehoben, sehr modern „Grundrechte“
des geplanten aber gescheiterten Deutschen Reiches 27. 12. 1848 [17. 1. 1849 in
Kraft und zwar auch für Österreich, 23. 8. 1851 durch Beschluss des Deutschen
Bundes aufgehoben], eher rückständig Preußen 1850, nicht die Verfassung von
1871, Österreich 21. 12. 1867), wobei sich viele Grundrechte bereits in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vom politischen Programmsatz zum
einlösbaren Rechtsanspruch wandeln. Inhaltlich bilden die verschiedenen Formen
der →Freiheit und der →Gleichheit (→Gleichheitsgrundsatz)
den Kern der in erster Linie gegen den Staat gerichteten Grundrechte, die
darüber hinaus selbst Grundlage von Herrschaft und sozialer Sicherung sein
sollen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stärkt die Bedeutung der
politisch-liberalen Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte in vielfacher
Hinsicht, so dass sie nicht zuletzt durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts eine kaum zu überschätzende Bedeutung für die
Gesamtrechtsordnung gewinnen. →Menschenrecht, Charta der Grundrechte
der Europäischen Union vom 12. 12. 2007, seit 1. 12. 2009 den Gemeinschaftsverträgen
gleichgestellt
Lit.: Köbler, DRG 191, 194, 195, 231, 232, 257;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2 1975, 1047; Mommsen, T., Die Grundrechte
des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969; Fürstenau, H., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1891; Eckhardt, E., Die Grundrechte vom Wiener Kongress bis
zur Gegenwart, 1913; Jellinek, G., Die Erklärung der Menschen- und
Bürgerrechte, 4. A. 1927 (e-book 2013); Grundrechte und Grundpflichten der
Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Voigt, A., Geschichte
der Grundrechte, 1948; Bohatec, J., England und die Geschichte der Menschen-
und Bürgerrechte, 1956; Genzmer, H., Die Grundrechte in der Hamburger
Konstituamte, Diss. jur. Hamburg 1957; Schnur, R., Zur Geschichte der Erklärung
der Menschenrechte, 1964; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte und
Grundfreiheiten im Umriss, 1968, 2. A. 1978; Hartung, F., Die Entwicklung der
Menschen und Bürgerrechte, 4. A. 1972; Die Grundrechtsdiskussion in der
Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im
süddeutschen Konstitutionalismus, 1973; Huber, E., Grundrechte im Bismarckschen
Reichssystem, FS U. Scheuner, 1973, 163; Oestreich, G., Geschichte der Menschenrechte
und Grundfreiheiten, 2. A. 1978; Grund-
und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch,
G., 1981; Grundrechte im 19. Jahrhundert, hg. v. Dilcher, G. u.
a., 1982; Starck, C., Entwicklung der Grundrechte, 1982; Sutter, B., Die
Entwicklung der Grundrechte, 1982; Loew, W., Die Grundrechte, 2. A. 1982;
Stern, K., Grundideen europäisch-amerikanischer Verfassungsstaatlichkeit, 1984;
Köck, H., Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von
den Grundrechten, 1987; Eisenhardt, U., Die gerichtliche Überprüfung, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, 1987, 75; Grund- und Freiheitsrechte von der
ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. v. Birtsch, G., 1987;
Brauneder, W., Geschichte der Grundrechte in Österreich, 1992; Dreier, H.,
Dimensionen der Grundrechte, 1993; Böhme, H., Politische Rechte des Einzelnen
in der Naturrechtslehre, 1993; Oechsle, K., Die steuerlichen Grundrechte, 1993;
Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Kröger, K.,
Grundrechtsentwicklung, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius
commune 25 (1998), 121; Hufen, E., Entstehung und Entwicklung der Grundrechte,
NJW 1999, 1504; Lamprecht, R., Vom Untertan zum Bürger, 1999; Müller, J.,
Grundrechte in der Schweiz, 1999; Eisenhardt, U., Zur Entwicklung des Grundrechtsverständnisses,
FS A. Söllner, 2000; Die Grundrechte im Spiegel des Plakats, hg. v. Artinger,
K., 2000; Austermühle, G., Zur Entstehung und Entwicklung eines persönlichen
Geheimsphärenschutzes, 2002; Das Menschenbild der Grundrechte, hg. v.
Schünemann, B. u. a., 2002; Schäfer, H., Die ungeschriebenen Freiheitsrechte
in der schweizerischen Bundesverfassung, 2002; Quellen zur Entstehung der
Grundrechte in Deutschland, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 2002; Köster, F.,
Entstehungsgeschichte der Grundrechtsbestimmungen des zweiten Hauptteils der
Weimarer Reichsverfassung, 2003; Handbuch der Grundrechte, hg. v. Merten, D.
u. a., Bd. 1ff. 2004ff.; Goller, P./Oberkofler, G., Grundrechtskatalog für Österreich?,
2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Suppé, R., Die Grund-
und Menschenrechte in der Staatslehre des 19. Jahrhunderts, 2004; Das
Lüth-Urteil, hg. v. Henne, T. u. a., 2005; Hilker, J., Grundrechte im deutschen
Frühkonstitutionalismus, 2005; Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, hg.
v. Stern, K., Bd. 4 2006f.; Mahlmann, M., Elemente einer ethischen
Grundrechtstheorie, 2008; Pannenborg, E., Inhalt und Bedeutung der Grundrechte
der Paulskirchenverfassung von 1848/49, 2013; First fundamental rights
documents in Europe, hg. v. Suksi, M. u. a., 2015
Grundrente ist der Ertrag, den der Grund
(Grundstück) ohne Arbeitsaufwand und Kapitalaufwand des Eigentümers abwirft.
Die G. ist eine vermögensrechtliche →Reallast ohne persönliche oder
dingliche Abhängigkeit. Sie hat sich vermutlich aus der →Erbleihe
entwickelt. Später wird die G. vor allem durch →Rentenkauf geschaffen.
Seit dem 14. Jh. überwiegt die Geldrente die Rente in Naturalleistungen. In der
Neuzeit wird die G. durch das verzinsliche hypothekarisch gesicherte
→Darlehen ersetzt. Mit der Beseitigung des kanonischen Zinsverbots wird
sie entbehrlich und in ihren Resten bei der Grundentlastung des 19. Jh.s
aufgehoben. In einem anderen Sinn ist Grundrente auch eine Mindestrente im Rahmen
der Sozialabsicherung.
Lit.: Hübner 397; Delbanco, G., Entwicklungsgeschichte
der Grundrentelehre, 1921; Patzig, R., Kritische Dogmengeschichte der
Grundrente, 1923 (masch. schr.); Winter, H., Der Rentenkauf in der freien
Reichsstadt Schweinfurt, 1970
Grundruhr ist die Berührung des Grundes durch
ein Schiff (beim Schiffbruch). Die anfängliche Folge der G. ist, dass das Gut
(anfangs einschließlich der Besatzung) dem zufällt, der es (auf seinem Grund
und Boden) in Besitz nimmt. Seit dem 12. Jh. wird dies von Kirche (1110, 1179)
und Kaiser (1177) bekämpft und durch das Strandregal zu ersetzen versucht. Das
Völkerrecht der Gegenwart gesteht ein Strandrecht bzw. Bergerecht dem
Küstenstaat zu.
Lit.: Kämpffer, J., Jus appulsus, Diss. jur. Jena
1680; Nittemaa, V., Das Strandrecht in Nordeuropa im Mittelalter, 1955
Grundschuld (1807) ist eine Belastung eines Grundstücks in der Weise,
dass an den, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, eine bestimmte Geldsumme
aus dem Grundstück zu zahlen ist. Die in Mecklenburg ausgebildete G. wird 1900
in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 213; Buchholz,
S., Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Grundsteuer ist die von →Grundstücken und
grundstücksgleichen Rechten zu entrichtende →Steuer. Sie wird bereits
von dem römischen Kaiser Diokletian (284-313/316) erhoben. Der frühneuzeitliche
Staat greift dies wieder auf. Wegen der bisher eher geringen Höhe ist künftig
mit verstärkter Abschöpfung zu rechnen.
Lit.: Köbler, DRG 55, 152; Mit dem Zehnten fing es an,
hg. v. Schultz, U., 3. unv. A. 1992
Grundstück (1571, nach 1650?) ist
der abgegrenzte Teil der Erdoberfläche (, der im Bestandsverzeichnis eines
Grundbuchblatts unter einer besonderen Nummer gebucht ist). Im römischen Recht
sind die italischen Grundstücke (lat.) →res (F.Pl.) mancipi
(handgreifbare Sachen), die durch (lat.) mancipatio) übertragen werden. Im
deutschen Recht wird das G. vielfach anders behandelt als die bewegliche Sache.
Dementsprechend wird nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) das
Eigentum an beweglichen Sachen grundsätzlich durch Einigung und Übergabe, das
Eigentum an Grundstücken durch Einigung (Auflassung) und Eintragung in das
Grundbuch übertragen. Im 20. Jh. ist der Erwerb landwirtschaftlich genutzter
Grundstücke durch das Erfordernis staatlicher Genehmigung eingeschränkt (Grundstücksverkehrsbekanntmachung
vom 15. 3. 1918, Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. 7. 1961, österreichische
Grundverkehrsordnung vom 9. 8. 1915, Grundverkehrsgesetz 1919).
Lit.: Kaser §§ 18, 28; Hübner 181; Köbler, DRG 90;
Böckel, F., Die Grundstücksübereignung in Sachsen-Weimar-Eisenach, 1911;
Hallermann, H., Die Erbleihe an Grundstücken in den westfälischen Städten,
1925; Richter, G., Die Grundstücksübertragung im ostfälischen Sachsen, 1934;
Merk, W., Die Grundstücksübertragung in Meersburg am Bodensee, ZRG GA 55
(1935), 169, 56 (1936), 1; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im
ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und
Grundbucheintragung in Köln während des Mittelalters, 1935; Mayer-Edenhauser,
T., Das Recht der Liegenschaftsübereignung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die
altdeutsche Liegenschaftsübereignung, 1957; Köbler, G., Die rechtliche Regelung
des Eigentumserwerbs an Grundstücken in Preußen, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 3 1967, 201; Müller, W., Fertigung
und Gelöbnis mit dem Gerichtsstab, 1976; Hofmeister, H., Zur Entwicklung des
Eigentumserwerbs an Grundstücken und des Grundkredits in Österreich unter
besonderer Berücksichtigung des Einflusses der preußischen Gesetzgebung von
1872, Wissenschaft und Kodifikation 3, 1976, 346; Hofmeister, H., Die
Grundsätze des Liegenschaftserwerbs in der österreichischen
Privatrechtsentwicklung seit dem 18. Jahrhundert, 1977; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984; Schwenk, A., Die Formbestimmung des
§ 313 BGB a. F., 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Gründungsstadt ist die durch bewusste
Gründungshandlung geschaffene →Stadt (z. B. Freiburg im Breisgau 1120?).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Grundvertrag →Grundlagenvertrag
Grüne
Lit.: Mende, S., „Nicht rechts, nicht links, sondern
vorn“. Eine Geschichte der Gründungsgrünen, 2011
Grupen, Christian Ulrich (1692-1767)
Lit.: Hoppenstedt, D., Christian Ulrich Grupen als Jurist und
Rechtshistoriker, Hannoversche Geschichtsblätter, neue Folge 25 (1971)
Gubernium ist die ab 1744 von Maria Theresia auf
Betreiben Haugwitz‘ in den einzelnen Ländern unter Ausschluss ständischer
Mitwirkung eingerichtete absolutistische Zentralstaatsbehörde für politische
Verwaltung und Finanzverwaltung (Repräsentation und Kammer), von der 1763 die
Finanzverwaltung abgetrennt wird, zu der aber die Justiz hinzukommt (in
Österreich unter der Enns und in Schlesien Regierung). 1782 wird vom G. das
Appellationsgericht verselbständigt. 1849 wird das G. durch die Statthalterei
ersetzt.
Lit.: Buchmann, W., Hof - Regierung - Stadtverwaltung, 2002; Küpper,
H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
Gudelinus (Goudelin), Petrus (Ath 1550-Löwen
1619) wird nach dem Rechtsstudium (1567) in Löwen und einer Tätigkeit als
Advokat 1582 Professor in Löwen. In seinen posthum veröffentlichten Werken
verbindet er römisches Recht mit den Gewohnheitsrechten der Niederlande und
Frankreichs.
Lit.: Leuven. 550 jaar universiteit, 1976, 301
Guilelmus de Cuneo ist ein in Südfrankreich vielleicht um 1270
geborener, promovierter, zeitweise in Toulouse lehrender Jurist (lecturae,
additiones ad glossam, Traktate).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 567
Gulathingsbok ist das in einer in Kopenhagen
aufbewahrten Handschrift der Mitte des 13. Jh.s (Codex Rantzovianus um 1250)
und in weiteren Fragmenten (um 1180?, um 1200) überlieferte, vielleicht in
verschiedenen Redaktionen (Olavstext, Magnustext) des späten 11. bis 13. Jh.s
gefasste Recht des Things von Gula (Gulen) nahe dem Sognefjord, das die älteste
norwegische Rechtsaufzeichnung darstellt (daneben Frostathingsbok,
Eidsivathingsbok, Borgarthingsbok). Es behandelt in zehn Abschnitten etwa
Kirche (Christenrecht), Familie, Erbe, Strafe, Landleihe und Handel. 1267 setzt
König →Magnus Hakonarson eine neue, nur in ihrem Christenrecht erhaltene
G. in Kraft (bis 1274). Zahlreiche Bestimmungen werden 1274 in das norwegische
Reichsrecht (Landslag) übernommen.
Lit.: Maurer, K., Die Entstehungszeit der älteren
Gulathingslög, 1872; Norwegisches Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, hg. v.
Meißner, R., 1935; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A.
1960, 112; Sveaas Andersen, P., Samlingen av Norge, 1977, 247
Gülte, Gült (zum Zeitwort gelten), ist eine Bezeichnung für
die mittelalterliche →Grundrente.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Adler,
S., Das Gültbuch von Nieder- und Oberösterreich, 1898; Maidhof, A., Das
Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358
Gundling, Nicolaus Hieronymus (Kirchensittenbach
25. 2. 1671-Halle 9. 12. 1729), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der
Theologie in Altdorf, Jena, Leipzig und Altdorf 1699 Hofmeister in Halle. Als
Schüler Thomasius’ und wohl Stryks wird er nach der Promotion (12. 7. 1703)
1705 Professor für Beredsamkeit und Naturrecht in Halle (Abriss zu einer
rechten Reichshistorie, 1708). Er befasst sich auch mit Fragen des Buchnachdrucks.
Lit.: Hempel, C., Nicolai Hieron. Gundlings
umständliches Leben und Schriften, 1736; Stolleis, M., Geschichte des
öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 302
Gürtel ist das zum Zusammenhalten oder
Hochhalten der Bekleidung in der Leibesmitte dienende Band. Der G. ist auch
Gegenstand der Rechtssymbolik.
Lit.: Schopphoff, C. Der Gürtel, 2009
Gutachten ist die Beurteilung einer Frage
durch einen Fachmann. Bereits die klassische römische Jurisprudenz ist dadurch
gekennzeichnet, dass seit Augustinus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) einzelnen
Rechtskundigen (sog. Respondierjuristen) das Recht verliehen wird, auf eine
Anfrage im Namen des Staatsoberhaupts (lat. [M.] princeps) eine gutachtliche
Antwort (lat. [N.] responsum) zu erteilen, welcher der (lat. [M.] iudex)
Richter zu folgen hat. Seit dem 13. Jh. erteilen die oberitalienischen Juristen
(→Konsiliatoren, z. B. Johannes Bassianus als Schüler des
→Bulgarus, Azo [1150?-1220]) G. Mit der →Aktenversendung beginnt
seit dem 14. Jh.eine reiche gutachterliche Tätigkeit der juristischen
Fakultäten (bis 1877/1879) und entsteht ein Markt, auf dem
rechtswissenschaftliche Dienstleistungen in großer Zahl angeboten und
nachgefragt werden. Die Technik des Gutachtens geht von der aufgeworfenen Frage
des Bestellers aus und folgert von Voraussetzungen auf ein Ergebnis hin.
Lit.: Söllner §§ 9, 10, 14, 15, 17; Köbler, DRG 107;
Seeger, H., Die strafrechtlichen Consilia Tubingensia, 1877; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Klugkist,
E., Die Göttinger Juristenfakultät als Spruchkollegium, Diss. jur. Göttingen
1951 masch.schr.; Baumgärtel, G., Die Gutachter- und Urteilstätigkeit der
Erlanger Juristenfakultät, Diss. jur. Erlangen 1952; Mayer, H., Die Bedeutung
der Rechtsgutachten in der Rezeptionszeit, Diss. jur. Basel (um 1962); Schott,
C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät
Ingolstadt-Landshut-München, Diss. jur. Mannheim 1976; Falk, U., Consilia.
Studien zur Praxis der Rechtsgutachten in der frühen Neuzeit, 2006; Lange, H., Recht
und Macht, 2010; Brix, T., Ein unbekanntes Rechtsgutachten von Felinus Sandeus
über die Auslegung des Testaments des Juristen Johannes de Lignano, 2016
Gutalagh ist das vielleicht um 1220 auf
Betreiben Erzbischof Andreas Sunesons oder nach 1285 (str.) in der
Volksversammlung nach norwegischem Vorbild entstandene, in zwei Handschriften
(um 1350, [1470 bzw.] 1587) überlieferte, bis 1595 gebrauchte, ziemlich
selbständige Recht (der Bauern) der Insel Gotland (Schwedens), das um 1400 in
die deutsche Sprache und im 16. Jh. in die dänische Sprache übersetzt wird.
Lit.: Wessén, E., Lex Gotlandiae, 1945; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 108; Sjöholm, E.,
Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte, 1976; Pernler. S., Gotlands
medeltida kyrkoliv, 1977
Gütergemeinschaft (Wort 1772) ist der (vertragliche) Güterstand,
bei dem grundsätzlich das gesamte Vermögen der Ehegatten, das sie bei Eingehung
der →Ehe haben oder später erwerben, kraft Gesetzes gemeinschaftliches
Vermögen (Gesamtgut) wird. Die G. findet sich bereits im Frühmittelalter bei
Franken und Westfalen in der Form der →Errungenschaftsgemeinschaft. Im
Hochmittelalter dringt sie in örtlich recht verschiedener Form weiter vor,
wobei die Verwaltung der Güter grundsätzlich dem Mann zusteht. Das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) lässt die G. zu (vgl. § 1234
ABGB), erschwert sie aber (bevorzugte G. auf den Todesfall rechtstatsächlich bedeutungslos).
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird die für rund 11 Millionen
Menschen bestehende allgemeine Gütergemeinschaft zu einem vertraglich
festlegbaren Ehegüterstand (Wahlgüterstand), für den der Grundsatz der
→Gesamthand gilt.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 207, 210, 267;
Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff., Neudruck 1967; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche Güterrecht
im 19. Jahrhundert, 1978; Schmüser, S., Die Anwendung der Vorschriften des
allgemeinen Landrechts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jelowik, L., Gütergemeinschaft als
Bürgschaftshindernis im Fuldaer Recht um 1890, ZRG GA 129 (2012), 409
Guter Glaube (1429) ist das Vertrauen auf die
Richtigkeit eines Anscheins. Im römischen Recht ist die (lat.) bona fides (gute
Treue) Geltungsgrundlage und Beurteilungsmaßstab formloser Konsensualverträge
(Treu und Glauben) und gilt (nach D. 50, 17, 54) der Grundsatz (lat.)
→nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet (niemand kann mehr
Rechte übertragen als er hat), so dass nur der wahre Berechtigte ein Recht
übertragen kann, doch schützt bei freiwillig aus der Hand gegebenen Sachen
(also nicht bei gestohlenen, verlorenen oder [in klassischer Zeit auch]
unterschlagenenen Sachen) ein rechtmäßiger Erwerbsgrund (z. B. Kauf) nach
Ablauf der einjährigen Ersitzungsfrist den Erwerber vor dem Herausgabeanspruch
des Berechtigten. Demgegenüber sichern hochmittelalterliche deutsche Quellen
(z. B. Sachsenspiegel II, 60, 1) den Erwerber von Sachen, die der Berechtigte
freiwillig aus der Hand gegeben hat, ohne dass Unkenntnis des Rechtsmangels vom
Dritten verlangt wird. Das lübische Recht führt 1586 im Interesse des
Verkehrsschutzes den gutgläubigen Erwerb an beweglichen Sachen (Fahrnis) ein.
Der Entwurf gebliebene (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, II, 8 § 4, vgl. §
367 ABGB von 1811) lässt den sofortigen Erwerb durch den gutgläubigen Erwerber
in bestimmten Fällen zu. Gedanklich beeinflusst könnte dabei die Formulierung
g. G. von der lateinischen bona fides (F.) (guten Treue) sein. Nach Kant
entspricht der gutgläubige Erwerb distributiver Gerechtigkeit. Art. 306 ADHGB
(1861) teilt bei nicht gestohlenen oder verlorenen beweglichen Sachen dem
redlichen Erwerber in einem Handelsbetrieb das Eigentum zu. Dem folgen das
Bürgerliche Gesetzbuch 1900 und das Schweizer Recht (vgl. auch §§ 892f. BGB,
Art. 973f. ZGB für Grundtücksrechte, während das Zivilgesetzbuch der Deutschen
Demokratischen Republik (1975-1990) einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten
für nicht erforderlich hält.
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 212;
Bruns, C., Das Wesen der bona fides bei der Ersitzung, 1872; Hübner, H., Der
Rechtsverlust im Mobiliarsachenrecht, 1955; Kofferath, G., Stand der Forschung
über die geschichtlichen Grundlagen des Gutglaubensschutzes (§§ 932ff. BGB),
Diss. jur. Bonn 1962; Kaiser, M., Der gute Glaube im Codex iuris canonici,
1965; Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in romanistischer Sicht, FS
H. Coing, 1982, 389; Ogris, N., Guter Glaube an die Vertretungsmacht, 1987;
Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Scavo Lombaro,
L., La buona fede nel diritto canonico 1995; Imbusch, B., Der gutgläubige
rechtsgeschäftliche Erwerb gestohlener Sachen im deutschen Recht, 1999; Good
Faith in European Contract Law, ed. by Zimmermann, R. u. a., 2000; Engstfeld,
J., Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Kiehnle, A., Der Erwerb kraft
öffentlichen Glaubens in der württembergischen Pfandgesetzgebung, 2004;
Cardilli, R., Bona fides tra storia e sistema, 2004; Meyer, R., Bona fides und
lex mercatoria in der europäischen Rechtstradition, 2004; Göhlert, T., Der
Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten, 2007;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Güterrecht (1814, Güterrechtsregister 1895) →Ehegüterrecht
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Güterstand ist die Gesamtheit der güterrechtlichen Verhältnisse
in einer Ehe. Eine vertragliche Regelung ist in bestimmten Grenzen möglich.
Sonst gilt der so genannte gesetzliche G.
Gütertrennung (1846) ist der Ehegüterstand, bei dem jeder Ehegatte
alleiniger Berechtigter der ihm bei der Eheschließung gehörigen Güter bleibt
und alleiniger Berechtigter der von ihm in der Ehe erworbenen Güter wird. Bei
den Germanen wird, sofern die Frau Gut (Aussteuer, Unterhaltssicherung) in die
Ehe einbringt, dieses Gut wohl vom Mann (nur) verwaltet. Dieser Güterstand der
grundsätzlichen Gütertrennung mit Verwaltungseinheit auf der Seite des
Mannes, besteht anscheinend im Frühmittelalter bei den deutschen Stämmen mit
Ausnahme der Franken und Westfalen. Später wird die G. von der
→Gütergemeinschaft zurückgedrängt. Die neuzeitlichen Kodifikationen
behandeln die G. als einen Regelgüterstand. In Österreich sieht § 1237 ABGB
(1811/1812) Gütertrennung vor, die aber infolge verschiedener unklarer
Vermutungen inhaltlich als „vermutete“ Verwaltungsgemeinschaft verstanden
wird. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die G. ein
Wahlgüterstand. Die mit dem Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 als
Regelgüterstand festgelegte →Zugewinngemeinschaft ist inhaltlich G. mit
Wertausgleich der Zugewinne beider Ehegatten nach Auflösung der Ehe. Daneben
ist die einfache G. zulässig.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 88, 122, 161, 210, 267;
Schröder R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland, Bd. 1ff.
1863ff., Neudruck 1967; Martitz, F., Das eheliche Güterrecht des Sachsenspiegels,
1867; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in Österreich, 1973;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Gutes altes Recht ist das Schlagwort für die von
Fritz Kern verbreitete Ansicht, dass das germanische Recht deswegen gegolten
habe, weil es alt und gut gewesen sei, so dass im Mittelalter Recht nicht
geschaffen, sondern nur nach Beseitigung der von den Menschen bewirkten
Verdunkelung wiederentdeckt habe werden können. Diese Ansicht widerspricht der
germanischen und mittelalterlichen Wirklichkeit, in der sich Recht unablässig
entsprechend den menschlichen Bedürfnissen ausformt (z. B. Strafe,
Inquisitionsprozess, Königswahl, Lehen, Grundherrschaft, Stadtrecht,
Handelsrecht, Gesellschaft, Wechsel). Sie deckt sich unausgesprochen allerdings
mit der christlichen Trias von Paradies, Sündenfall und Erlösung, der im Recht
der göttliche Dekalog, die menschliche Verirrung (Rechtsverdunkelung) und die
(Möglichkeit der) Rückkehr zum von Gott gegebenen (und deswegen
notwendigerweise guten, alten) Recht entspricht, wie sie die christliche Kirche
auch im Mittelalter verkündet. In der Gegenwart wird die Lehre Kerns als
widerlegt angesehen, doch neigen manche Stimmen dazu, auf der Basis
anthropologischer Universalien dem Grundgedanken gleichwohl zuzustimmen.
Lit.: Kern, F., Über die mittelalterliche Anschauung
vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter,
1971; Rückert, J., Die Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel
der Forschung, ZRG GA 111 (1994), 272; Köbler, G., Recht, Gesetz und Ordnung im
Mittelalter, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93;
Willoweit, D., Vom guten alten Recht, Jb. d. historischen Kollegs, 1997, 23;
Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007; Liebrecht, J., Fritz Kern und das „gute
alte Recht“, 2016
Gute Sitten (lat. →boni mores [M.Pl.],
Sg. bonus mos) sind die vom Recht für anerkennenswert gehaltenen Verhaltensweisen.
Im römischen Recht werden Geschäfte, die das (gute) Herkommen der Vorfahren
(lat. [boni] mores [M.Pl.] maiorum) verletzen, wie beispielsweise die
Schenkung einer erwarteten Erbschaft eines noch lebenden Dritten, von den
Juristen und den Kaisern als rechtswidrig bekämpft. Mit der Aufnahme des
römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter werden die guten Sitten als
Bewertungsmaßstab ab dem 16. Jh. in Stadtrechten und Landrechten übernommen
(vgl. Art. 1131, 1133 code civil, §§ 79, 90 sächs. BGB, § 138 I BGB). Als
unbestimmter Rechtsbegriff sind die g. S. schwer zu fassen.
Lit.: Kaser § 9 II; Köbler, DRG 43; Simitis, K., Gute
Sitten und Ordre public, 1960; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit
der Rechtsgeschäfte in historischer Sicht, 1973; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 414; Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der
Rechtsgeschäfte im totalitären Staate, 1996; Herzog, A., Sittenwidrige
Rechtsgeschäfte, 2001; Ruff, H., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte, 2007
Güteverfahren ist das auf Güte im Gegensatz zum
Streit gegründete Verfahren innerhalb oder außerhalb der Gerichtsbarkeit. Seine
Gedanken wirken sich wohl in Verhandlungen über die Höhe einer Buße oder in
Vereinbarungen von Schiedsgerichten bereits früh aus. Anscheinend schon im
Ausgang des Mittelalters werden Richter auf die Vorteile eines Vergleichs
besonders hingewiesen (Leipzig, Wittenberg). Nach Ansätzen etwa im jüngsten
Reichsabschied von 1654 (Art. 110) und in Preußen (1737) gewährt die deutsche
Reichszivilprozessordnung (1877/187) dem Kläger die Befugnis, den Beklagten zu
einem Sühneversuch zu laden. Nach wechselvollen Bestrebungen des 20. Jh.s wird
in Deutschland aus Kostengesichtspunkten 2000 den Ländern die Möglichkeit
eingeräumt, für bestimmte Klagen einen vorgeschalteten außergerichtlichen
Güteversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung vorzusehen, wovon einige Länder
Gebrauch machen. Seit dem 1. 1. 2002 sieht § 278 II ZPO grundsätzlich für die
erste Instanz die Durchführung eines obligatorischen Gütetermins vor der
mündlichen Verhandlung vor.
Lit.: Koch, C., Der preußische Zivilprozess, 2. A.
1855, Neudruck 1994; Sellert, W., Prozessgrundsätze und stilus curiae am
Reichshofrat, 1973; Loschelder, M., Die österreichische allgemeine
Gerichtsordnung von 1781, 1978; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers, 2001;
Peters, B., Der Gütegedanke im deutschen Zivilprozessrecht, 2004
Gutglaubensschutz →guter Glaube
Gutgläubiger Erwerb ist der Erwerb einer nicht dem
Veräußerer gehörigen Sache zu Lasten des Berechtigten durch einen Erwerber, der
→guten Glauben in Bezug auf das Recht des Veräußerers haben, also den in
Wirklichkeit nichtberechtigten Veräußerer (fälschlich) für den Eigentümer
halten muss (z. B. gutgläubiger Erwerb beweglicher Sachen Codex Theresianus II,
8, § 4, ABGB § 367, ADHGB Art. 306, BGB § 932, gutgläubiger Erwerb von
Grundstückseigentum Württemberg 1828, Sachsen 1843, Preußen 1872). Der vom
mittelalterlichen deutschen Recht geschützte, vom römischen Recht abgelehnte,
von den naturrechtlichen Gesetzbüchern aber in bestimmten Grenzen anerkannte
gutgläubige Erwerb dient dem Verkehrsinteresse.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Anners, E., Hand wahre
Hand, 1952; Anners, E., Äganderätt och handelsinteresse, 1960; Dünkel, H.,
Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970; Anners, E., Från
lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och godtrosförvärven, 1989;
Hinz, W., Die Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, 1991; Hinz, W., Die
Entwicklung des gutgläubigen Fahrniserwerbs, ZEuP 1995, 398; Engstfeld, J., Der
Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002; Lang, N., Erwerberschutz in Europa, 2004;
Kiehnle, A., Der Erwerb kraft öffentlichen Glaubens in der württembergischen
Pfandgesetzgebung von 1825/1828 und im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2004; Göhlert,
T., Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten,
2007
Gutsgebiet ist in Österreich zwischen 1848 und 1918 das
keiner Gemeinde angehörende, dem Eigentümer verwaltungsmäßig (ausgenommen das
Polizeistrafrecht) ohne gewählte Organe unterstehende Gebiet.
Gutsherrschaft ist das geschlossene, in
Eigenwirtschaft durch Tagelöhner bewirtschaftete Großgrundeigentum
(→Grundherrschaft), in dem der Eigentümer meist auch die unteren
hoheitlichen Befugnisse (Gerichtsbarkeit, Polizei) ausübt. Sie entsteht ohne
scharfe Abgrenzung als Folge der mittelalterlichen Ostsiedlung, in welcher der
oft ritterliche Siedlungsunternehmer Vorrechte erlangt. Seit dem
Spätmittelalter sieht sich der adlige, im Kriegswesen entbehrlich werdende
Ritter darauf verwiesen, seine Eigenwirtschaft auszuweiten. Unter Verwendung
der ihm vom Landesherrn überlassenen Herrschaftsrechte verdrängt er seit der
Mitte des 16. Jh.s (die) Bauern von ihren Höfen (Bauernlegen). Seit dem Ende
des 18. Jh.s wird die G. von der Aufklärung bekämpft. Im 19. Jh. werden viele Güter
aufgeteilt und bzw. oder gehen an Bürger oder Bauern über, 1945 findet eine
sozialistische Enteignung der (ostdeutschen) Gutsherren statt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Knapp, G., Die Bauernbefreiung,
1887; Fuchs, C., Zur Geschichte des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in
der Mark Brandenburg, ZRG GA 12 (1891), 17; Maybaum, H., Die Entstehung der
Gutsherrschaft im nordwestlichen Mecklenburg, 1926; Spies, K., Gutsherr und
Untertan in der Mittelmark Brandenburg zu Beginn der Bauernbefreiung, 1972; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., 1983; Konflikt und
Kontrolle, (in) Kaak, H., Die Gutsherrschaft, 1991;
Gutsherrschaftsgesellschaften, hg. v. Peters, J., 1997; Schmidt, C.,
Leibeigenschaft im Ostseeraum, 1997; North, M., Die Entstehung der
Gutswirtschaft im südlichen Ostseeraum, ZHF 26 (1999), 43; Schleinert, D., Die
Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast, 2001; Maur, E., Gutsherrschaft und
zweite Leibeigenschaft in Böhmen, 2001; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte,
2005; Stefanová, D., Erbschaftspraxis, Besitztransfer und Handlungsspielräume
der Untertanen in der Gutsherrschaft, 2008
H
Haager Landkriegsordnung ist das auf den
Friedenskonferenzen in Den Haag (Niederlande) 1899/1907 geschlossene Abkommen
über die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Haar ist der aus der äußeren Haut von Säugetieren
wachsende, dem Schutz vor Kälte, Hitze, Nässe und Dürre dienende Hornfaden
unterschiedlicher Tönung und Länge. Der Mensch verbindet vor allem mit dem
Haupthaar auf dem Kopf zahlreiche unterschiedliche Vorstellungen (z. B.
Freiheit, Zugehörigkeit zu einer Gruppe u. s. w.). Eine umfassende
Rechtsgeschichte des Haares steht anscheinend noch aus.
Haarscheren ist eine Form der Körperstrafe oder
sonstigen kennzeichnenden Behandlung.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Habe (F.) Gut, Vermögen, z. B. Fahrhabe
Habeas-corpus-Akte (du mögest einen Körper haben-Gesetz)
ist das der Magna Charta von 1215 folgende 1679 zum Schutz der Freiheit
erlassene englische Gesetz, nach dem niemand ohne richterlichen Haftbefehl
verhaftet oder ohne richterliche Überprüfung in →Haft gehalten werden
darf.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HabeasCorpusAct1679.htm;
Duker, W., A constitutional history of Habeas corpus, 1980; Kluxen, K.,
Englische Verfassungsgeschichte, 1987; Hartlaub, I., Theorie und Praxis der
Freiheitsentziehungen, 2000; Federman, C., The body and the state, 2006
Haberfeldtreiben ist ein seit der frühen Neuzeit bis in das 20.
Jh. belegter dörflicher Volksbrauch vor allem zwischen Isar und Inn, bei dem
die unverheirateten Burschen (Haberer) mit geschwärzten Gesichtern einem
Betroffenen lärmend (sittliche) Vorhaltungen machen.
Lit.: Zipperer, F., Das Haberfeldtreiben, 1938; Schieder, E., Das
Haberfeldtreiben, 1983
Habilitation ist der Nachweis vertiefter
wissenschaftlicher Befähigung zu Lehre und Forschung in Deutschland (lat.
disputatio pro loco) seit dem frühen 19. Jahrhundert (Berlin 1810/1816 mit
öffentlichem Vortrag, um 1870 in Tübingen erst 58 Prozent der ordentlichen
Professoren habilitiert).
Lit.: Kundert, W., Katalog der Helmstedter
juristischen Disputationen, 1984; Bruch, R. vom, Forschung und Lehre, 2000, 69
Habsburg (Habichtsburg) ist die um 1020 von
Bischof Werner von Straßburg an der oberen Aare (in der heutigen
Nordostschweiz) errichtete Burg, nach der sich seit 1090 (bzw. 1108) eine
alemannische bzw. südwestdeutsche, bis in das 10. Jh. zurückzuverfolgende
Adelsfamilie benennt, die 1273 den deutschen König (Rudolf von H.) stellt. Sie
belehnt sich 1282 in den Söhnen des Königs mit dem 1278 von Ottokar von Böhmen
heimgefallenen Reichslehen →Österreich, Steiermark, Krain und Windischer
Mark und baut von dort unter Annahme des Namens Haus H. eine Hausmacht auf
(1335 Kärnten, 1363 Tirol, 1438-1457 Ungarn und Böhmen, 1477 Burgund, 1504/1516
Spanien (europäische Großmacht, 1521/1522 Linienteilung - in eine spanische
Linie nach Karl V. mit Spanien, den Niederlanden, Mailand, Neapel, Sizilien und
den spanischen Kolonien in Amerika und Asien sowie eine österreichische Linie
mit den seit dem Mittelalter habsburgischen Ländern und 1526 Böhmen und Ungarn
- unter Fortführung des Namens Casa d’Austria), 1526-1918 Ungarn und Böhmen).
Vom Spätmittelalter (1273-1308, ab 1438) bis 1740 (bzw. als Haus
Habsburg-Lothringen ab 1745 bis) 1806 stammt der König bzw. Kaiser des Heiligen
römischen Reichs (fast durchgehend) aus
dieser mehrfach (z. B. 1379-1490, 1564-1665) in unterschiedliche Linen
geteilten Familie. Nebenlinien regieren ab 1765 die Toskana und ab 1814 Modena.
Von 1806 bis (12. 11.) 1918 herrscht sie im selbständig gewordenen Österreich(-Ungarn)
weiter, wird nach Verlusten in Italien am Ende des ersten Weltkriegs aber
ausgewiesen (Karl I.) und enteignet (4. 3. 1919 Gesetz betreffend die
Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses
Habsburg-Lothringen, 1935 aufgehoben, 1945 wieder in Kraft) und nach Rückgabe
des Privatvermögens 1939 nochmals enteignet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 131; Köbler, Historisches
Lexikon; Das habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Schmidlin,
J., Ursprung und Entfaltung der habsburgischen Rechte im Oberelsass, 1902;
Regesta Habsburgica, Bd. 1ff. 1924ff.; Ammann, H., Die Habsburger und die
Schweiz, Argovia 43 (1931); Meyer, B., Das habsburgische Archiv in Baden, Zs.
f. schweizerische Geschichte 23 (1943), 169; Feine, H., Die Territorialbildung
der Habsburger im deutschen Südwesten, ZRG GA 67 (1950), 176; Wandruszka, A.,
Das Haus Habsburg, 1956; Die Auflösung des Habsburgerreiches, 1970; Die
Habsburgermonarchie 1848-1918, Bd. 1ff., hg. v. Wandruszka, A. u. a., 1973ff.;
Wandruszka, A., Das Haus Habsburg, 1978; Wachter, D., Der Aufstieg der
Habsburger, 1982; Kohler, A., Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V.,
1982; Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, 1986;
Die Habsburger, hg. v. Hamann, B., 1988, 4. A. 2002; Kamm, R., Geschichte des
Habsburgerreiches, 1990; Baum, W., Kaiser Sigismund, 1993; Kaiser Friedrich
III. (1440-1493) in seiner Zeit, hg. v. Heinig, P., 1993; Krieger, K., Die
Habsburger im Mittelalter, 1994, 2. A. 2004; Heinig, P., Kaiser Friedrich III.
(1440-1493), 1997; Bankl, H., Die kranken Habsburger, 1998; Hansert, A., Der
Prinz wird König, 1998; Noflatscher, H., Räte und Herrscher, 1998; Die
Habsburger im deutschen Südwesten, hg. v. Quarthal, F./Faix, G., 1999; Erbe,
M., Die Habsburger, 2000; Heimann, H., Die Habsburger, 2001; Laubach, E.,
Ferdinand I. als Kaiser, 2001; Niederstätter, A., Die Herrschaft Österreich,
2001; Nuss, P., Les Habsbourg en Alsace, 2002; Leidinger, H./Moritz,
V./Schippler, B., Schwarzbuch der Habsburger, 2003; Sauter, A., Fürstliche
Herrschaftsrepräsentation, 2004; Böhmer, P. u. a., Die Erben des Kaisers, 2004;
Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18. Jh.,), hg. v. Pauser, J. u. a.,
2004; Kadgien, M., Das Habsburgergesetz, 2005; Wolf, S., Die Doppelregierung
Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486-1493), 2005; Koller, H.,
Friedrich III., 2005; Regesta Habsburgica 5, 1, bearb. v. Lackner, C., 2007;
Hengerer, M., Ferdinand III. (1608-1657), 2008; Höbelt, L., Franz Joseph I.,
2009; Höbelt, L., Die Habsburger, 2009; Vocelka, K., Die Familien Habsburg und
Habsburg-Lothringen, 2010; Strohmeyer, A., Die Habsburger Reiche 1555-1740,
2012; Bled, J., Franz Ferdinand, 2013; Langmaier,
K., Erzherzog Albrecht VI. von Österreich (1418-1463), 2015; Judson, P., The
Habsburg Empire, 2016; Die Königserhebung Friedrichs des Schönen im Jahr 1314,
hg. v. Becher, M. u. a., 2017; Judson, P., Habsburg – Geschichte eines
Imperoiums 1740-1918, 2017
Hader (M.) Streit
Haderbuch ist eine Selbstbezeichnung
spätmittelalterlicher Gerichtsbücher (z. B. in Ingelheim, Nürnberg, Landshut).
Lit.: Kallmann, L., Zank im Dorf, 2002; Als die Welt in die Akten kam,
hg. v. Lepsius, S. u. a., 2008; Die Ingelheimer
Haderbücher, hg. v. Marzi, W., Bd. 1 Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495,
2011, Bd. 2 2013; Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi,
W. u. a., 2012
Hafen ist der anerkannte Landeplatz und
die Liegestelle für Schiffe. Der H. erscheint schon im Altertum. Der besondere
Freihafen gewährt allen Schiffen Zutritt und dient nur dem Warenumsatz
(1869/1888 im Norddeutschen Bund bzw. Deutschen Reich Zollausland, in der
europäischen Zollunion Freizone).
Lit.: Schröder, R., Das Eigentum am Kieler Hafen, ZRG
GA 26 (1905), 34; See- und Flusshäfen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung,
hg. v. Stoob, H., 1986; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und
Schifffahrtsrechts in Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Wawrzinek, C., Tore
zur Welt, 2015
Haflidaskra ist das 1117/1118 in →Island
eingeführte, nicht überlieferte Recht, das in der →Gragas aufgeht.
Lit.: Johannesson, J., Islands Historie, 1969; Hoff,
H., Hafliđi Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás,
2012 (die dortige Ansicht der Aufnahme römischen Rechtes um 1117/1118 ist
zweifelhaft, eherspätes 12. Jh. oder frühes 13. Jh.)
Haft ist die amtliche Entziehung der Bewegungsfreiheit vor
allem zum Zweck der Untersuchung oder Bestrafung und der Erzwingung einer
Handlung. Ihre Voraussetzungen sind zunächst nicht festgelegt. Bereits hoch-
und spätmittelalterliche Quellen (mit Schöffenvorbehalten) sowie dann die
englische →Habeas-corpus-akte (1679) verlangen aber vielleicht als Folge
des Aufkommens des Inquisitionsprozesses einen richterlichen Haftbefehl bzw.
eine richterliche Untersuchung. Im Rechtsstaat des 19. Jh.s wird jeder
staatliche Eingriff in die Freiheit von einer gesetzlichen Gestattung abhängig
gemacht (Bayern 1818, Baden 1818, Württemberg 1819 u. s. w.).
Lit.: Köbler, DRG 205; Thissen, M., Das
Verhaftungsrecht, Diss. jur. Bonn 1961; Hermes, T., Der Haftgrund der
Verdunkelungsgefahr, 1992; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts
im Verhaftungsrecht, 1997; Seabourne, G., Imprisoning Medieval Women, 2011
Haftbefehl (1868) ist
die schriftliche Anordnung eines Richters, einen Menschen in Haft zu nehmen.
Der H. setzt die Verfolgung von Unrechtstaten durch die Allgemeinheit voraus.
Vorstufen des Haftbefehls sind sowohl der englische warrant of commitment, der
dem Büttel (constable) aufgibt, den Beschuldigten in das Gefängnis zu bringen,
wie auch der französische →lettre de cachet, der oft den königlichen
Befehl enthält, sich in ein Gefängnis zu begeben. Demgegenüber bestimmt nach
der englischen →Habeas-corpus-akte (1679) vor allem die französische
→Déclaration des droits de l’homme et du citoyen (1789) zur Sicherung der
revolutionär geforderten Freiheit, dass kein Mensch in Haft genommen oder gefangengehalten
werden darf, außer in den durch Gesetz bestimmten Fällen und nach den vom
Gesetz vorgeschriebenen Förmlichkeiten. Die französische Verfassung von 1791
fordert für jede Verhaftung einen polizeilichen oder gerichtlichen H. Nach der
Verfassung von 1795 muss der H. den Haftgrund und die Rechtsgrundlage enthalten
und dem Verhafteten abschriftlich ausgehändigt werden. Die Verfassung von 1799
verlangt einen richterlichen H. Der 1808 erlassene Code d’instruction
criminelle unterscheidet vier Arten von Haftbefehlen und wirkt in der Folge auf
das deutsche Strafverfahrensrecht ein (Bayern 1813, Deutsches Reich 1848,
Reichsstrafprozessordnung 1877/1879). Unter der nationalsozialistischen
Herrschaft (1933-1945) und in der Deutschen Demokratischen Republik (1949-1989)
verliert der H. rechtstatsächlich seine Schutzwirkung zu Gunsten des
Verdächtigen.
Lit.: Thissen, M., Das Verhaftungsrecht, Diss. jur.
Köln 1961; Pugh, R., Imprisonment in medieval England, 1968; Speck, H., Die
Geschichte der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, Diss.
jur. Kiel 1969; Fricke, K., Politik und Recht in der DDR, 1979; Die Rechtsordnung
der DDR, hg. v. Heuer, U., 1995
Haftpflichtversicherung ist die für den Fall der
gesetzlichen Verpflichtung zu einer →Haftung abzuschließende oder
abgeschlossene →Versicherung (z. B. [1939] des Halters eines
Kraftfahrzeuges).
Lit.: Peyer, P., Die Haftpflichtversicherung des
Motorfahrzeughalters, 1934
Haftung (Wort um 900) ist das Unterworfensein des
Schuldners als Person mit seinem Vermögen unter den Vollstreckungszugriff des
Gläubigers. Die H. ermöglicht deshalb die Erzwingung der Erfüllung, die der
Schuld als solcher (vermutlich) fehlt. Dementsprechend gibt es (nur noch
einzelne Fälle von) H. ohne Schuld und Schuld ohne H. Im römischen Recht ist
nach Ersetzung des ursprünglichen rächenden Zugriffsrechts des Verletzten
gegenüber dem unrecht handelnden Täter durch eine Sühnegabe auch die
künstliche Herstellung einer H. durch Geschäft möglich (z. B. lat. [N.]
→nexum, [F.] →sponsio - stipulatio). Später tritt neben der H. auch
der Gedanke der Schuld hervor. Spätestens in der jüngeren Republik wird in der
(lat. [F.]) →obligatio neben der H. die Schuld mitverstanden. Ähnliche
Verhältnisse sind auch für das germanische Recht anzunehmen. Dementsprechend
setzt sich seit dem Frühmittelalter die Auffassung durch, dass jede Schuld auch
ohne besondere zusätzliche Vereinbarung eine H. zur Folge habe. Auf dieser
Grundlage wird seit dem Spätmittelalter mit der Aufnahme des römischen Rechtes
auch die römische Vorstellung von der (lat. [F.]) obligatio aufgenommen. Die
älteste Form der leiblichen Haftung (z. B. Geiselschaft, Schuldknechtschaft,
Schuldhaft) endet dabei im Jahre 1868 (Wechselarrest). Im Übrigen steht neben
der Haftung eines einzelnen bestimmten Gegenstands (Sache, Recht) die
allgemeine, grundsätzlich unbeschränkte persönliche Vermögenshaftung.
Vertraglich ist jeweils auch eine Haftungsbeschränkung möglich.
Lit.: Kaser § 32 II; Köbler, DRG 26, 59, 127, 167;
Hammer, O., Die Lehre vom Schadensersatze nach dem Sachsenspiegel, 1885; Egger,
A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903; Gierke, O. v.,
Schuld und Haftung im älterem deutschem Recht, 1910, Neudruck 1969; Kaufmann,
H., Rezeption ind usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958; Goerlitz, T.,
Die Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner
nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966), 150; Schneider-Horn, W., Die Haftung
des Verkäufers für Rechtsmängel nach lübischem Recht, Diss. jur. Hamburg 1969;
Benöhr, H., Zur außervertraglichen Haftung im gemeinen Recht, FS M. Kaser,
1976, 689; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in) Wissenschaft
und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21; Schubert, W., Die
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 589;
Eska, A., Schuld und Haftung, Diss. jur. Potsdam 1998; Jansen, N., Die Struktur
des Haftungsrechts, 2003; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Hagen
Lit.: Linscheidt, P., Das Landgericht Hagen, 2004
Hagenrecht ist das im 11./12. Jh. im Weserbergland
(zuerst in Eschershausen) sichtbar werdende günstige Bodennutzungsrecht der
persönlich freien Häger der hochmittelalterlichen deutschen Rodungssiedlung
(in Pommern z. B. Halteshagen 1262). Das Hagenhufendorf ist meist ein lang
gestrecktes Straßendorf.
Lit.: Blohm, R., Die Hagendörfer in Schaumburg-Lippe,
1943; Engel, F., Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen, 1949; Kroeschell, K.,
Waldrecht und Landsiedelrecht, Hess. Jb. f. LG. 4 (1954), 117; Molitor, E.,
Verbreitung und Bedeutung des Hägerrechts, (in) Adel und Bauern, 2. A. 1967,
331; Asch, J., Grundherrschaft und Freiheit, Nds. Jb. 1978, 107
Hagestolz
ist in Schweizer,
Kurpfälzer und westfälischen Quellen des 13. und 14. Jh.s der unverheiratete
erwachsene Mensch ohne eigene Hausstatt, der beim Tode vom Grundherrn beerbt
wird. Spätestens im 19. Jh. endet das besondere Recht.
Lit.: Brünneck, W. v. Zur Geschichte des
Hagestolzenrechts, ZRG GA 22 (1901), 1f.; Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof,
1919; Stoll, F., Das Hagestolzenrecht, 1970; Storost, J., Entschieden ist also
wol nichts, Beitr. z. Gesch. de. Sprachwiss. 5 (1995), 253
Hagerup, Francis (1853-1921), Beamtensohn,
wird nach dem Rechtsstudium in München, Leipzig und Paris 1887 Professor und
1895 Ministerpräsident in Norwegen. Durch eine Reihe wichtiger Beiträge zu
verschiedenen Rechtsgebieten (Privatrecht, Methodenlehre, Strafprozess,
Zivilprozess, Strafrecht) wird er zu einem der bedeutendsten Rechtswissenschaftler
→Norwegens.
Lit.: Kaartvedt, A., Hoyres Historie, Bd. 1 1984, 133
Halberstadt wird als Bistum 804 (?) in Sachsen gegründet.
Neben der Bischofsburg lassen sich seit dem 10. Jh. Handwerker und Kaufleute nieder.
1214 werden (lat.) universi civitatis burgenses genannt. Das Stadtrecht ist von
Goslar beeinflusst. Die Altstadt wird am 8. 4. 1945 nahezu gänzlich zerstört.
Lit.: Urkundenbuch der Stadt Halberstadt, hg. v. Schmidt, G., Bd. 1f.
1878f.; Urkundenbuch des Hochstifts Halberstadt, bearb. v. Schmidt, G., Bd.
1ff. 1883ff., Bd. 5 2015; Schmidt-Ewald, W., Die Entstehung des weltlichen
Territoriums des Bistums Halberstadt, 1916; Bogumil, K., Das Bistum Halberstadt
im 12. Jahrhundert, 1972; Militzer, K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980;
Urkundenbuch des Stifts S(ank)t Johann bei Halberstadt 1119/1123-1804, hg. v.
Diestelkamp, A. u. a., 1989; Geschichte und Kultur des Bistums Halberstadt
804-1648, hg. v. Siebrecht, A., 2006
Hale, Sir Matthew (1609-1676), früh verwaist, wird nach
kurzem Theologiestudium in Cambridge (1626) 1628 Mitglied von Lincoln’s Inn in
London, 1636 Anwalt, 1654 Richter und Parlamentsmitglied, nach der Wiedereinsetzung
des englischen Königs Karl II. 1660 Richter am Court of Exchequer und 1671
Chief Justice of the King’s Bench. In seinen nach seinem Tod teilweise gedruckten
Schriften versucht er eine Ordnung des englischen Strafrechts (Pleas of the
Crown), eine methodische Erfassung des Rechtes (Analysis of the Civil Part of
the Law), eine Geschichte des Strafrechts (History of the Pleas of the Crown)
und eine Geschichte des Common Law (History of the Common Law).
Lit.: Burnet, G., Life and Death of Sir Matthew Hale,
1682; Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 6 1937, 574
Halle an der Saale ist der wegen des
dortigen Salzvorkommens schon um 1000 v. Chr. besiedelte Ort (Ersterwähnung 806
castellum, 961 an Moritzkloster in Magdeburg), der wohl im 12. Jh. Stadt wird.
1235 teilt der Schöffenstuhl das Recht Halles der Stadt Neumarkt in Schlesien
mit (Halle-Neumarkter Recht, nur abschriftlich bezeugt, inhaltliche Nähe zum
Sachsenspiegel ohne Nachweis unmittelbarer Benutzung, möglicherweise verbreitet
in 500 Städten und Dörfern). 1266 setzt die Überlieferung von Schöffenbüchern
ein. Nach dem 1680 erfolgten Übergang vom Erzstift Magdeburg an den Markgrafen
von Brandenburg richtet dieser 1694 eine aufgeklärte Modelluniversität in H.
ein (→Thomasius, Samuel Stryk, Johann Peter von Ludewig, Nicolaus
Hieronymus Gundling, Justus Henning Böhmer, Johann Gottlieb Heineccius,
Christian Wolff) (bis 1806). Nach dem Erwerb der Gebiete Sachsens um Wittenberg
durch Preußen (1815) wird die 1813 von Napoleon geschlossene Universität
Wittenberg nach Halle verlegt und am 12. 4. 1817 die Universität Halle-Wittenberg
gegründet (am 24. 4. 1945 bei 18 Mitgliedern der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät geschlossen, zum 1. 2. 1946 mit den
rechtswissenschaftlichen Professoren Wolfgang Hein, Rudolf Joerges, Wilhelm
Herschel und Rudolf Schranil wiedereröffnet. Von 1947 bis 1952 ist H.
Hauptstadt des Landes Sachsen-Anhalt, von 1952 bis 1990 Hauptstadt des Bezirks.
Lit.: Köbler, DRG 136; Gaupp, E., Das alte
magdeburgische und hallische Recht, 1826; Die hallischen Schöffenbücher
(1266-1640), bearb. v. Hertel, G., Teil 1f. 1882ff.; Meinardus, O., Das
Neumarkter Rechtsbuch, 1906; Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für
Neumarkt in Schlesien und das älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137;
Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger Recht, ZRG GA 36 (1915), 526;
Urkundenbuch der Stadt Halle, bearb. v. Bierbach, A., Bd. 1ff. 1930ff.; Sandow,
E., Das Halle-Neumarkter Recht, 1932; Goerlitz, T., Zum Jahr 1181 der
hallischen Rechtsmitteilung an Neumarkt, ZRG GA 56 (1936), 378; Buchda, G., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät in ihrem äußeren Verlauf, Teil
1, ZRG GA 62 (1942), 210, Teil 2 ZRG GA 63 (1943), 251, Teil 3 ZRG GA 64
(1944), 223, 68 (1951), 308 (Schluss); 250 Jahre Universität Halle, 1944;
Buchda, G., Zur Geschichte des hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950),
416; Körner, H., Stadt- und grundherrliche Rechte in Halle, Diss. jur. Halle
1952; Buchda, G., Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät (Nachtrag),
ZRG GA 71 (1954), 367; Winter, E., Halle als Ausgangspunkt der deutschen
Russlandkunde im 18. Jahrhundert, 1953; Schildt, B., Schubart-Fikentscher, G.,
Hallesche Spruchpraxis, 1960; Die Spruchtätigkeit der Halleschen
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1980 (Manuskript); Halle, 2. A. 1983; Brümmer, M., Staat kontra Universität, 1991; Jelowik, L., Kuriosa aus der Geschichte
der halleschen Juristenfakultät, ZRG GA 109 (1992), 382; 300 Jahre Universität
Halle, hg. v. Speler, R., 1994; Maier, H., Aufklärung, Pietismus,
Staatswissenschaft, HZ 261 (1995), 769; Hallesche Rechtsgelehrte jüdischer
Herkunft, hg. v. Pauly, W., 1996; Hüls, T., Die Juristenausbildung an der
Universität Halle, 1997; Rechtsgeschichte in Halle, hg. v. Lieberwirth, R.,
1998; Jelowik, L., Tradition und Fortschritt, 1998; Herrmann, V., Die
Entwicklung von Halle (Saale) im frühen und hohen Mittelalter, 2001; Eberle,
H., Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus, 2002;
Kannowski, B. u. a., Der hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235, ZRG
GA 120 (2003), 61; Rüdiger, A., Staatslehre und Staatsbildung, 2005;
Lieberwirth, R., Geschichte der juristischen Fakultät der Universität
Halle-Wittenberg nach 1945, 2008, 2. A. 2010; Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
im Nationalsozialismus, hg. v. Lück, H. u. a., 2011; Aktuelle Beiträge zur
Rechtswissenschaft und zu ihren geistesgeschichtlichen Grundlagen, 2013;
Stengel, F., Ausgeschlossen – zum Gedenken an die 1933-1945 entlassenen
Hochschullehrer der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2013, 2. A.
2016 (43 Menschen, davon 39 Hochschullehrer der Universität im engeren Sinne,
darunter Anderssen Walter, Fleischmann, Max, Joerges, udolf, Kisch, Gudo,
Kitzinger, Friedrich und Wegner, Arthur).; Udolph, J., Die Ortsnamen Hall, Halle,
Hallein, Hallstatt und das Salz, 2014 (Halle an der Saale eher zu Halde?);
Taatz-Jacobi, M., Harmonie, 2014
Haldensleben
Lit.: Böcker, H., Die Stadtbücher von Haldensleben (ca. 1255-1486) -
Analysen und Register,, 2010
Hallstein, Walter (Mainz 17. 11. 1901-Stuttgart 29. 3.
1982), wird nach dem Studium des Rechtes 1932 Professor für bürgerliches Recht,
Handelsrecht und internationales Privatrecht in Rostock und 1941 Professor in
Frankfurt am Main (1954 Verzicht, 1969 emeritiert), 1950 Staatssekretär im
Bundeskanzleramt und 1951 im Außenministerium (Hallstein-Doktrin) sowie nach
Mitwirkung bei der Verhandlung der europäischen Verträge von 1957 von 1958 bis
1967 erster Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Er hat sich um die Europäische Gemeinschaft in vielfacher Hinsicht sehr
verdient gemacht.
Lit.: Nachruf JZ 1982, 435f. (T. Oppermann); Kilian, M., Hallstein, Jb.
d. öff. Rechts N. F. 53 (2005), 369
Halm ist der Stengel des Grases (bzw. Getreides), der im
mittelalterlichen Recht vielfach als Symbol der →Investitur mit einem Gut
verwendet wird.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 168 u. ö.
Haloander (Meltzer), Gregor (Zwickau
1500-1531) gibt 1528-1531 auf der Grundlage der Vorarbeiten Polizians und
Bolognins sowie der Florentiner Handschrift eine (humanistische) unglossierte
Ausgabe der justinianischen Rechtstexte mit unvollständigen griechischen
Bestandteilen in Pandekten und Codex und griechischen Novellen heraus, in der
er die mittelalterliche Gliederung der Pandekten beseitigt, die Inskriptionen
beachtet und im Codex die Subskriptionen herstellt.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,645
Hals und Hand ist im deutschen Mittelalter eine
Paarformel für die Lebensstrafe bzw. Leibesstrafe.
Lit.: Kocher, G., Der Hals im Recht, Signa iuris 2
(2008), 9
Halseisen ist im deutschen Mittelalter die
Vorrichtung, mit deren Hilfe ein Straftäter am →Pranger befestigt werden
kann.
Lit.: Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur.
Erlangen 1949
Halsgericht (13. Jh. [1296]) →Hals und
Hand, Halsgerichtsordnung
Halsgerichtsordnung ist die Strafverfahrensordnung am
Beginn der frühen Neuzeit ([Nürnberg 1314,] Würzburg 1447, Ellwangen 1466,
Nürnberg 1485, (unter Berücksichtigung des Vorverfahrens) Tirol 1499, [Volkach
1504,] Radolfzell 1506, Bamberg 1507 (1516 Ansbach, Bayreuth), Laibach 1514,
Krain 1535, Niederösterreich 1514/1540, Kärnten, Steiermark, Oberösterreich
1559, [Regensburg 1565/1575, Eberstein 1609/1622]). Als H. wird auch die
→Constitutio Criminalis Carolina Karls V. von 1532 benannt. In den
Halsgerichtsordnungen ist zu erkennen, wie sich das Schwergewicht des
Verfahrens in Strafsachen auf das ermittelnde Vorverfahren verlagert.
Lit.: Köbler, DRG 139; Schmidt, E., Die Maximilianischen
Halsgerichtsordnungen, 1949; Merzbacher, F., Das alte Halsgerichtsbuch des
Hochstifts Eichstätt, ZRG GA 73 (1956), 375; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechts, 1957, 10; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung
Karls V., ZRG GA 77 (1960), 288; Schild, W., Die Halsgerichtsordnung der Stadt
Volkach, 1997
Halslösung ist die Ablösung der Todesstrafe durch
Geldzahlung. Sie erscheint wohl mit der Todesstrafe. Sie verschwindet bis zur
Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. von 1532.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina,
1928
Hambacher Fest ist das vom 27. bis zum 30. 5.
1832 auf der Burgruine von Hambach (Maxburg, Kästenburg) in der Pfalz auf
Einladung (20. 4. 1832) des Schriftstellers Philipp Jakob Siebenpfeiffer
(1785-1849) (und des Journalisten Johann Georg August Wirth) als politische
Kundgebung des Liberalismus mit etwa 25000 Teilnehmern durchgeführte Fest. Die
geplante Wahl einer provisorischen Nationalregierung zwecks Abschaffung der
Monarchie und Bildung eines Bundes von Republiken nach amerikanischem Muster
scheitert. Die Hauptverantwortlichen werden auf Drängen Österreichs und
Preußens zu Haft verurteilt, doch gilt das H. F. als Geburtsstunde der
Demokratie in Deutschland. →Deutscher Bund
Lit.: Wirth, J., Das Nationalfest der Deutschen zu
Hambach, Teil 1f. 1832; Valentin, V., Das Hambacher Nationalfest, 1932; Süß,
E., Die Pfälzer im „schwarzen Buch“, 1956; Das Hambacher Fest, hg. v. Baumann,
K., 2. A. 1982; Freiheit, Einheit und Europa - das Hambacher Fest von 1832, hg.
v. Kermann, J. u. a., 2006; Kreutz, W., Hambach 1832, 2006
Hamburg ist der vielleicht aus einem
Königshof Karls des Großen nahe der Mündung der Alster in die Elbe erwachsene
Stadtstaat. 831 (?) wird H. Sitz eines Bistums. Zwischen 834 und 845 erhält der
Ort Marktprivilegien und Zollprivilegien. 845 wird der Ort von Wikingern
zerstört und das Bistum mit Bremen vereinigt. 1189 bestätigt Kaiser Friedrich
I. Barbarossa der 1188 gegründeten Neustadt H. umfangreiche Handels-, Zoll- und
Schifffahrtsrechte. Um 1270 wird das Recht von dem gelehrten Ratsnotar Jordan
von Boizenburg im sog. Ordeelbook aufgezeichnet. 1292 erhält die Stadt vom
Stadtherrn das Recht der eigenen Rechtssetzung. Sie erwirbt umfangreiche
Landgebiete. Am Beginn des 15. Jh.s wird die Reichsunmittelbarkeit wohl
anerkannt (1460 Reichsstadt?). 1497 wird das Recht durch den in Bologna
ausgebildeten Bürgermeister Hermann Langenbeck neu gefasst (Ratsexemplar als
Bilderhandschrift), 1603 nach dem Vorbild Nürnbergs von 1564 in neuhochdeutsher
Sprache unter Einbeziehung der Gerichtsordnung von 1560 reformiert (1605
publiziert). 1618 stuft das Reichskammergericht des Heiligen römischen Reichs
H. als freie Reichsstadt ein (1768 von Dänemark anerkannt). Weitere Rechtsquellen
sind Gerichtsordnungen von 1622, 1632 und 1645, eine Banquerotieordnung von
1647, eine Wechselordnung von 1711, eine Fallittenordnung von 1753 und eine
Vormundschaftsordnung von 1844. Um 1800 hat die Stadt mehr als 100000
Einwohner. 1806 wird H. von Frankreich besetzt, das 1807 den Code civil
einführt, 1814 aber wieder abzieht. 1815 wird H. Mitglied des Deutschen Bundes
(1820 gemeinsames Oberappellationsgericht mit Bremen, Frankfurt am Main und
Lübeck). 1860 erhält es eine Verfassung. 1867 wird es Mitglied des
Norddeutschen Bundes und als Großstadt damit 1870/1871 Bundesstaat des
Deutschen Reiches. 1920 gibt es sich eine demokratische Verfassung, die nach
dem zwischenzeitlichen Verlust der Eigenständigkeit (1933-1945) 1952 erneuert
wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Der Stadt Hamburg
Gerichtsordnung und Statuta, hg. v. Ver. f. hamburg. Gesch., 1842;
Hamburgisches Urkundenbuch, hg. v. Lappenberg, H. u. a., Bd. 1ff. 1842ff.;
Baumann, H., Das Privatrecht der freien und Hansestadt Hamburg, Bd. 1f. 1856;
Die Bilderhandschrift des hamburgischen Stadtrechts von 1497, 1917 (mit einem
Wörterverzeichnis); Reincke, H., Hamburg, 1925; Reincke, H., Agneta Willeken,
1928; Schalk, E., Einführung in die Geschichte des Liegenschaftsrechts der
freien und Hansestadt Hamburg, 1931; Schubert, K., Die Hamburger ehelichen
Güterrechtsverhältnisse, 1934; Bücherkunde zur hamburgischen Geschichte, Bd.
1ff. 1939ff.; Reincke, H., Forschungen und Skizzen zur Geschichte Hamburgs,
1951; Strehlow, G., Die holländischen Einwanderungen, Diss. jur. Hamburg 1951;
Ewald, M., Der hamburgische Senatssyndicus, 1954; Reincke, H., Das hamburgische
Ordeelbook von 1270 und sein Verfasser, ZRG GA 72 (1955), 82; Kausche, D.,
Untersuchungen zur älteren Rechtsgeschichte und Topographie Harburgs, Zs. d.
Vereins f. hamburg. Geschichte 43 (1956), 105; Genzmer, H., Die Grundrechte in
der Hamburger Konstituante, Diss. jur. Hamburg 1957; Winter, G., Das eheliche Güterrecht
im älteren hamburgischen Recht, Diss. jur. Hamburg 1958; Otto, F., Die
rechtlichen Verhältnisse des Domstiftes zu Hamburg von 1719 bis 1802, Diss.
jur. Göttingen 1958; Hamburgische Burspraken, hg. v. Bolland, J., 1960;
Dokumente zur Geschichte der hamburgischen Reichsfreiheit, bearb. v. Reincke,
H., 1961; Pitz, E., Die Zolltarife der Stadt Hamburg, 1961; Schultze-von
Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961; Die Hamburger
Elbkarte aus dem Jahre 1568, gez. v. Lorichs, Melchior, hg. v. Bolland, J.,
1964; Ipsen, H., Hamburgs Verfassung und Verwaltung, 1965; Die
Bilderhandschrift des Hamburger Stadtrechts 1497, erl. v. Reincke, H., 1968;
Hamburger Testamente, bearb. v. Loose, H., 1970; Rückleben, H., Die
Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt, 1970; Ramcke, R., Die Beziehungen
zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, 1969; Richter, K.,
Untersuchungen zur Hamburger Wirtschafts- und Sozialgeschichte um 1300, 1971;
Gabrielson, P., Struktur und Funktion der Hamburger Rentengeschäfte 1471-1490,
1971; Wenner, H., Handelskonjunkturen und Rentenmarkt, 1972; Hamburg, hg. v.
Loose, H., 1982; Augner, G., Die kaiserliche Kommission der Jahre 1708-1712,
1983; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der freien und Hansestadt
Hamburg von 1731, 1990; Voß, J. v., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hamburg,
1988; Stadtgeschichte Hamburg, red. v. Schöller, A., 1990; Hochschulalltag im
Dritten Reich, hg. v. Krause, E. u. a., 1991; Recht und Juristen in Hamburg,
hg. v. Albers, J., 1994; Hoppe, C., Die Bürgschaft im Rechtsleben Hamburgs,
1997; Rademacher, R., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 3 1997; Hamburgische Biografie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd.
1ff. 2001ff. (Band 6 2012); Kleßmann, E., Geschichte der Stadt Hamburg, 2002;
Martens, H., Hamburgs Weg zur Metropole, 2004; Das Hamburger Ordeelbook von
1270, hg. v. Eichler, F., 2005; Weber, S., Die Stellung Hamburgs in der
Verfassung des alten Reiches, 2005; Krieger, M., Geschichte Hamburgs, 2006;
Kähler, J., Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den
Hansestädten Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Hamburgische
Biographie, hg. v. Kopitzsch, F. u. a., Bd. 3 2006; Eichler, F., Das Hamburger
Ordeelbook in der Erstfassung von 1270, 2007; Die Langenbeck’sche Glosse zum
Hamburger Stadtrecht von 1497, hg. v. Eichler, F., 2008; Schröder, H., Ernst
Friedrich Sieveking 2009, Hamburg-Bibliographie online; Riemer, R., Frankfurt
und Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011; Knibbs, E., Ansgar, Rimbert and
the Forged Foundations of Hamburg-Bremen, 2011; Lütke, T., Hanseatische
Tradition und demokratischer Umbruch – Die Verfassung der freien und Hansestadt
Hamburg vom 7. Januar 1921, 2016; Bachmann, S., Die kaiserliche Notariatspraxis
im frühneuzeitlichen Hamburg, 2017
Hamm
Lit.: 700 Jahre Stadt Hamm, hg. v. Magistrat, 1926
Hammer ist ein anfangs aus Stein, später aus Metall
(Kopf) und Holz (Stiel) bestehendes Werkzeug des Menschen zur Bearbeitung
von Stein(, Holz) und Metall, das auch rechtssymbolisch verwendet werden kann
(z. B. Hammer und Sichel, Werfen, Vorsitz im Gericht, Auktion), rechtsgeschichtlich
aber noch nicht monographisch erfasst zu sein scheint.
Lit.: Lurker, M., Bibliographie zur Symbolkunde, 1968
Hammurapi (1793-1750 bzw. 1728-1686 v. Chr.),
König von Babylon, veranlasst die bekannteste, 1901/1902 in Susa auf einer 2,25
Meter hohen, in der Gegenwart in Paris befindlichen Dioritstele entdeckte, aus
rund 30 Tontafelabschriften ergänzte Rechtssammlung des orientalischen Altertums
(Codex Hammurapi) mit etwa 8000 Wörtern in Prolog, 280 bzw. 282 Abschnitten
über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und über unterschiedliche
Sachverhalte des Privatrechts und Strafrechts (z. B. 192 Wenn ein Mann einem
Manne einen Zahn ausgeschlagen hat, wird sein Zahn ausgeschlagen) (80 Prozent
des Textes) und Epilog. Noch älter ist der →Codex Urnammu.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CodexHammurapi_en.htm;
Codex Hammurabi, hg. v. Eilers, W., 5. A. 1932, Neudruck 2009; Fehr, H.,
Hammurapi und das salische Recht, 1910; Koschaker, P., Rechtsvergleichende
Studien zur Gesetzgebung Hammurapis, 1917; Driver, G. u. a., The Babylonian
Laws, 1952ff.; Nörr, D., Studien zum Strafrecht im Kodex Hammurapi, 1954;
Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher Quellen, 1965; Müller,
D., Die Gesetze Hammurabis, 1975; Ringer, J., Noch einmal: Was war der „Kodex“
Hammurapi, (in) Rechtskodifikation, hg. v. Gehrke, H., 1994; Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Strenge, I., Codex Hammurapi und die
Rechtsstellung der Frau, 2006; Der Codex Hammurabi in deutscher Übersetzung,
hg. v. Winckler, H., 2010
Hand ist das zum Greifen dienende menschliche Gliedmaß, das
im Recht vielfach symbolisch verwendet wird. →Hals und Hand, handhaft
Lit.: Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer, Bd. 1f. 4. A.
1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die Handgebärden in den Bilderhandschriften
des Sachsenspiegels, 1905; Jursch, H./Jursch, L., Hände als Symbol und Gestalt,
8. A. 1951; Schmidt-Wiegand, R., Mit Hand und Mund, Frühmittelalterliche
Studien 25 (1991), 283; Wirth, H., Die linke Hand, 2010
Hand wahre Hand ist im spätmittelalterlichen
deutschen Recht (seit dem 14. Jh. bzw. später) die eingängige Wendung, die zum
Ausdruck bringen soll, dass der Eigentümer, der einem anderen eine bewegliche
Sache anvertraut, diese nur von ihm, nicht dagegen von einem Dritten, an den
die Sache gelangt ist, zurückverlangen kann (Lübeck 1586 3, 2, 1 und 2). Alter
und Herkunft der Wendung sind streitig. Der Sache nach enthält zwar bereits der
Sachsenspiegel (Landrecht II 60 § 1) einen entsprechenden Satz, doch sind die
mittelalterlichen Lösungen dieses Rechtsproblems durchaus unterschiedlich
(z. B. Goslar, München nach h. M. abgelehnt vom Ingelheimer Oberhof). Mit der
Aufnahme des römischen Herausgabeanspruches (Vindikation) des Eigentümers
seit dem Spätmittelalter erweist sich ein erneutes Durchdenken der Frage als
erforderlich, als dessen Folgen der (aus den römischrechtlichen Sätzen über die
Ersitzung hergeleitete) →gute Glaube des Erwerbers bedeutsam und die
Fahrnisverfolgung gegenüber Dritten unter Verpflichtung der Aufwanderstattung
(Lösungsrecht) erweitert wird. Der →Codex Theresianus (1766 II, 8 § 4) erkennt
den gutgläubigen Eigentumserwerb des Erwerbers an. Streitig ist in der Folge,
inwieweit der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten auf dem Satz H. w. H.
beruht.
Lit.: Hübner 433; Köbler, DRG 125, 163; Planitz, H.,
Fahrnisverfolgung im deutschen Recht, ZRG GA 34 (1913), 424; Meister, E.,
Fahrnisverfolgung und Unterschlagung, FS Adolf Wach 1913; Anners, E., Hand
wahre Hand, 1952; Korte, A., Anwendung und Verbreitung des Rechtssatzes Hand
wahre Hand im mittelalterlichen Privatrecht, 1981; Völkl, A., Das Lösungsrecht
von Lübeck und München, 1991; Hurst-Wechsler, M., Herkunft und Bedeutung des
Eigentumserwerbs kraft guten Glaubens nach Art. 933 ZGB, 2000; Engstfeld, J.,
Der Erwerb vom Nichtberechtigten, 2002
Handel (Wort 1267) ist der Ankauf und Verkauf von
Waren auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher. An seinem Anfang steht der
→Tausch. Mit der Verwendung von →Geld beginnt der →Kauf den
Tausch abzulösen. Bedeutsam ist der H. im Stadtstaat des Altertums und seit dem
Hochmittelalter in der Stadt. Mit dem 19. Jh. tritt die Selbstversorgung
allgemein hinter der Versorgung durch Markt und Handel zurück.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 29, 67, 78, 97, 167, 176,
217, 225, 242, 271; Stein, W., Handels- und Verkehrsgeschichte der deutschen
Kaiserzeit, 1922, Neudruck 1967; Rundstedt, H. v., Die Regelung des
Getreidehandels in den Städten, 1930; Weider, M., Das Recht der deutschen
Kaufmannsgilden im Mittelalter, 1931; Beutin, L., Der deutsche Seehandel, 1933;
Koppe, W., Lübeck-Stockholmer Handelsgeschichte, 1933; Müller, K.,
Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934, Neudruck 1962; Laurent, H., Un grand
commerce d’exportation, 1935; Köhler, E., Einzelhandel im Mittelalter, 1938;
Aubin, G./Kunze, A., Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen
Mitteldeutschland, 1940; Peyer, H., Zur Getreidepolitik oberitalienischer
Städte im 13. Jahrhundert, 1950; Kehn, W., Der Handel im Oderraum im 13. und
14. Jahrhundert, 1968; Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und
frühgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa, Bd. 1ff. hg. v. Düwel, K.,
1985ff. (Bd. 3 Der Handel im frühen Mittelalter); Siems, H., Handel und Wucher
im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; North, M., Kommunikation,
Handel, Geld und Banken, 2000; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute,
2001; Hornbogen, J., Travail national – nationale Arbeit – die
handelspolitische Gesetzgebung in Frankreich und Deutschland, 2002; Reyerson,
K., The Art of the Deal, 2002; Nagel, J., Abenteuer Fernhandel. Die
Ostindienkompagnien, 2007; Hahn, B., Welthandel, 2009; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Praktiken des
Handels, hg. v. Häberlein, M. u. a.,
2010; Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters, hg. v. Fouquet, G. u.
a., 2010; Dejung, C., Die Fäden des globalen Marktes, 2013; Quaas, R., Fair
Trade, 2015
Handelsbrauch ist der im Handel beachtete und im Zweifel zu
beachtende Brauch.
Lit.: Müller, K., Welthandelsbräuche 1480-1540, 1934
Handelsbuch ist das seit dem Spätmittelalter
vom Händler über seine Geschäfte geführte →Buch, das in der Neuzeit auch
rechtlich den Beweis erleichtert (ALR [1794]).
Lit.: Köbler, DRG 167; Schmidt-Busemann, W., Entstehung und Bedeutung der Vorschriften
über Handelsbücher, Diss. rer. pol. Göttingen 1977; Stockalpner, K. v.,
Handels- und Rechnungsbücher, hg. v. d. schweizerischen Stiftung für das
Stockalperschloss u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Dunkmann, C., Die Beweiskraft der
Handelsbücher, 2007
Handelsgericht ist das für Handelssachen
zuständige Gericht.
Lit.: Schön, D., Die Handelsgerichtsbarkeit im 19.
Jahrhundert, Diss. jur. Bonn 1999
Handelsgesellschaft ist die →Handel treibende,
auf Gewinnerzielung gerichtete →Gesellschaft. Sie erscheint zum einen
ohne klare Verbindungen zum römischen Recht des Altertums im Mittelmeerraum
(Venedig, Genua, Pisa), wobei die (lat. [F.]) commenda (Seedarlehen,
einseitige Kapitalbeteiligung) gegenüber der H. (lat. societas [F.] maris)
(Seegesellschaft, beidseitige Kapitalbeteiligung) zumindest zeitweise den
Vorrang hat. Aus der Erbengemeinschaft entwickelt sich die →offene H.
Sie wird in Florenz 1408 durch die Beschränkung der Haftung abgeändert, woraus
sich im 16. Jh. als neue Form die →Kommanditgesellschaft ergibt. Im
nordischen Bereich finden sich ebenfalls genossenschaftliche Unternehmungen.
Bedeutsam sind hierbei die Kommission (→sendeve) und das vielleicht
den Rahmen hierfür abgebende Darlehen (wederlegginge, einseitige Kapitalführung).
In Oberdeutschland bilden Familien offene Handelsgesellschaften (z. B.
Fugger). Mit der Entdeckung der neuen Welt seit 1492 werden hohes Kapital und
breite Gefahrenstreuung notwendig. Hieraus entwickelt sich die
→Aktiengesellschaft (1602 Niederländische ostindische Handelskompagnie).
Allgemein befasst sich der deutsche Gesetzgeber mit der H. im Allgemeinen
Landrecht (Preußens) von 1794 (II, 8, §§ 614ff. ohne Unterscheidung einzelner
Formen). Frankreich, das bereits 1673 und 1681 ordonnances zum Handel erlassen
hatte, setzt 1808 einen eigenen (franz.) Code de commerce (Handelsgesetzbuch)
in Kraft, der die Aktiengesellschaft (franz.) société (F.) anonyme gesetzlich
regelt. Im Deutschen Bund behandelt 1861 das als allgemeines deutsche Gesetz
der souveränen Bundesstaaten entstandene →Allgemeine Deutsche
Handelsgesetzbuch die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft,
die Aktiengesellschaft und (außerdem) die stille Gesellschaft. Das
Handelsgesetzbuch von 1897 nimmt zusätzlich die Kommanditgesellschaft auf
Aktien auf. Mit dem 20. 4. 1892 wird die →Gesellschaft mit beschränkter
Haftung geschaffen, mit dem 30. 1. 1937 die Aktiengesellschaft in einem eigenen
Gesetz verselbständigt. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen
Union werden die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (1985/1988),
die Europäische Gesellschaft (Europäische Aktiengesellschaft, Societas Europaea,
2004) und die Societas Cooperativa Europaea neu geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 127; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften, 1889; Weber, M., Zur Geschichte der Handelsgesellschaften,
hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, Bd. 1
1923; Pollack-Parnau, F. v., Eine österreichisch-ostindische Handelskompagnie
1775-1785, 1927; Ammann, H., Die Diesbach-Watt-Gesellschaft, 1928; Fitzler, M.,
Die Handelsgesellschaft Felix v. Oldenburg & Co. 1753-160, 1931;
Condanari-Michler, S., Zur frühvenezianischen collegantia, 1937; Silberschmidt,
W., Von collegantia und rogadia zu widerlegung und sendeve, Studi di storia e
diritto in onore di Enrico Besta, 1938; Bruhl-Lévy, H., Histoire juridique des
Sociétés de Commerce en France, 1938; Lopez, R., The Commercial Revolution of
the Middle Ages, 1971; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler Handelsgesellschaften im
Spätmittelalter, FS F. Vischer, 1983, 557; Cordes, A., Spätmittelalterlicher
Gesellschaftshandel im Hanseraum, 1998; Hartung, W., Geschichte und
Rechtsstellung der Compagnie in Europa, 2000; Societates, hg. v. Cordes, A. u.
a., 2003; Söhnchen, M., Die historische Entwicklung der rechtlichen
Gründungsvoraussetzungen, 2005; Mehr, R., Societas und universitas -
Römischrechtliche Institute im Unternehmensgesellschaftsrecht vor 1800, 2008;
Amend-Traut, A., Brentano, Fugger und Konsorten, 2009; Klosa, S., Die
Brandenburgische-Africanische Compagnie in Emden, 2011;Veronesi, M.,
Oberdeutsche Kaufleute in Genua 1350-1490, 2014
Handelsgesetzbuch ist das den Handel regelnde
besondere Gesetzbuch. Es erscheint 1808 als (franz.) Code (M.) de commerce in
Frankreich, wo schon →ordonnances von 1673 und 1681 vorangegangen waren
(→Spanien 1829 [Código de comercio], →Portugal 1833,
→Niederlande 1838). Im →Deutschen Bund wird nach einem vergeblichen
Versuch von 1848 auf bayerischen Antrag und unter Verwendung preußischer und
österreichischer Vorlagen 1861 durch Vereinbarung unter den Bundesstaaten ein
eher dem objektiven System Levin Goldschmidts als dem subjektiven System
Johann Heinrich Thöls folgende →Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch
geschaffen, das die einzelnen Mitgliedstaaten (weitgehend identisch) als
eigenes Gesetz in ihrem Staatsgebiet einführen. Es wird im Deutschen Reich 1897
in das Handelsgesetzbuch mit auf den Kaufmann abstellendem subjektivem System
umgeformt. Das in Österreich 1938 zum 1. 3. 1939 eingeführte H. des deutschen
Reiches wird 2007 durch ein Unternehmensgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 182, 184, 217; Protokolle der
Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hg.
v. Lutz, J., Bd. 1ff. 1858, Neudruck 1984; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/AllgemeinesDeutschesHandelsgesetzbuch1861.htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Handelsgesetzbuch1897.htm;
Wild, P., Der Einfluss des Allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches auf die
Privatrechtsdogmatik, Diss. jur. Saarbrücken 1966; Schubert, W., Die
Einführung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuchs als Bundesgesetze 1869, ZHR 144 (1980), 484;
Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), hg.
v. Baums, T., 1982; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897,
hg. v. Schubert, W., 1986ff.; 100 Jahre Handelsgesetzbuch, hg. v. Paschke, M.
u. a., 1998; Kiehnle, A., Hofackers Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für
Württemberg und die Rechtsvergleichung, ZRG GA 130 (2013), 406; Döge, M., Der
Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Stadt Frankfurt am Main von 1811, Bd.
1f. 2016
Handelskammer ist die im 19. Jh. geschaffene
Körperschaft des öffentlichen Rechtes zur Wahrung und Förderung der Interessen
der Mitglieder im Bereich des Handels (Frankreich, linksrheinische deutsche
Gebiete ab 1801, Preußen 1848, Österreich 1850, Hamburg 1868, Preußen 1870).
In Frankreich entsteht die H. als Unterbau des in Paris 1700 durch Ludwig XIV.
eingerichteten Handelsrats zwecks Leitung des Handels und der Gewerbe nach den
Grundsätzen des Merkantilismus. Warum in Preußen auch rechtsrheinisch nach 1830
Handelskammern nach französischem Vorbild neben Gilden gegründet werden, ist
noch nicht wirklich geklärt.
Lit.: Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung
und Staat, 1964; Die Bozner Handelskammer, 1981; Bibliographie zur Geschichte
und Organisation der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986;
Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010;
Faulwetter, S., Von der Zunft zur Handelskammer, 2011
Handelsrecht (1734) ist das Recht des →Handels bzw. subjektiv das
Sonderprivatrecht der →Kaufleute. Es entwickelt sich trotz einiger
besonderer Einrichtungen für den Handel im Altertum und verschiedener Zeugnisse
für Handel und Markt im Frühmittelalter erst seit dem Mittelalter in
Oberitalien (Genua 1056, Pisa 1161 Constitutum usus, Mailand 1170) und Spanien
(Barcelona, Valencia). Führend sind dabei die genossenschaftlichen Zusammenschlüsse
der Kaufleute. Bemerkenswert sind Einflüsse der Araber. Für das Seerecht
gewinnen Rhodos (8. Jh.), Trani (11. Jh.), Oléron (12. Jh.), Pisa (1161), Genua
(1350) und Barcelona (1348 →Consolat del Mar) besondere Bedeutung, im
nordeuropäischen Raum die →Hanse. In der frühen Neuzeit findet sich H.
hauptsächlich in den städtischen Statuten (Hamburg 1603, 1642 u. ö., Nürnberg
1647, 1654, Leipzig 1682 u. a.), daneben auch in Reichspolizeiordnungen (1523,
1530, 1548, 1577 u. ö.). Etwa zu dieser Zeit setzen auch wissenschaftliche
Bemühungen um das H. ein (Pedro de Santarém, Benvenuto Stracca 1553, Juan de
Hevia Bolaños 1603, Sigismondo Scaccia 1618, Johann Marquard 1662 Tractatus
politico-iuridicus de iure mercatorum et commerciorum singulari, Savary,
Jacques, Le Parfait Négociant, 1675 Neudruck 2011). In Frankreich erlässt
Ludwig XIV. 1673 die (frz.) →ordonnance du commerce und 1681 die (frz.)
→ordonnance de la marine. Im Heiligen römischen Reich befasst sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen
mit dem H. Die erste zusammenfassende Regelung ist im preußischen
→Allgemeinen Landrecht (1794) als Standesrecht der Kaufleute enthalten.
Demgegenüber veröffentlicht Karl Gottlob Rössig (1752-1806) 1796 eine eigene
systematische Darstellung des Leipziger Handelsrechts, Georg Friedrich von
Martens (1756-1821) 1797 einen besonderen Grundriss des Handelsrechts und fasst
der vom Code civil (1804) bewusst getrennte französische →Code de
commerce (1808) das H. als sachliches Sonderrecht des Handels auf. Eine
eigenständige deutschrechtliche Sonderentwicklung im deutschen Bereich lässt
sich nicht erkennen, obgleich sich die Lehrbücher des gemeinen deutschen
Privatrechts besonders auch des Handelsrechts annehmen. In der Folge erlangt
das Handelsrecht wegen des Wandels der Agrargesellschaft zur
Industriegesellschaft und anschließend zur Dienstleistungsgesellschaft und dem
damit verbundenen Übergang von der Hauswirtschaft zur Marktwirtschaft sowie
der nicht vorher gesehenen Entfaltung des Verkehrswesen in Richtung globaler
Weltwirtschaft zentrale Bedeutung. →Handelsgesetzbuch
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 205; Goldschmidt, L.,
Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Raisch, P., Die Abgrenzung des Handelsrechts vom
bürgerlichen Recht als Kodifikationsproblem des 19. Jahrhunderts, 1962;
Raisch, P., Geschichtliche Voraussetzungen, 1965; Scherner, K., Anfänge einer
Handelsrechtswissenschaft im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 465; Handbuch der
Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,797, 2,2,571, 3,3,2853; Köbler, G., Die
Wissenschaft des gemeinen deutschen Handelsrechts, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 277; Gelehrte in Hamburg, hg.
v. Loose, H., 1976 (Büsch 1728-1800); Bergfeld, C., Einzelkaufmann und
Unternehmer, Person und Organisation im Handelsrecht, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126; Sonnleithner, G. v.,
Bearbeitung des Handelsrechts durch Ignaz von Sonnleithner, 1982; Montag, J.,
Die Lehrdarstellungen des Handelsrechts von Georg Friedrich Martens bis Meno
Pöhls, 1986; Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, hg. v. Schubert, W. u. a.,
Bd. 1f. 1986ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,3, 1986; Mohnhaupt, H., „Jura
mercatorum durch Privilegien“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 308; The Courts and the development of commercial law, hg. v.
Piergiovanni, V., 1987; Lammel, S., Zur Entstehung von Handelsrecht, 1987;
Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht im frühmittelalterlichen
Nordeuropa, 1990; Modernisierung des Handelsrechts im 19. Jahrhundert, hg. v.
Scherner, K., 1993; Ittenbach, H., Handelsrechtssysteme, 1994; Eisenhardt, U.,
Zu den deutschrechtlichen Wurzeln des Handelsrechts, FS P. Raisch, 1998, 51;
From lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni, V., 2005, Neudruck
2013; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Iglesia Ferreirós, A., Liber usaticorum Barchinone I 1, 2012; Eine Grenze in
Bewegung - öffentliche und private Justiz im Handels- und Seerecht, hg. v.
Cordes, A. u. a., 2012; From lex mercatoria to commercial law, hg. v. Piergiovanni,
V., 2005, Neudruck 2013
Handelsregister ist das handelsrechtliche Sachverhalte
verzeichnende öffentliche, bei den Amtsgerichten geführte Register. Frühe, von
Notaren wahrzunehmende Ansätze werden in Frankfurt am Main 1666 (Protocollum)
sichtbar. 1829 wird im Codigo de comercio Spaniens der Verwaltung die Führung
eines Handelsregisters übertragen, 1839/1840 nach einem Entwurf Württembergs
erstmals Gerichten.
Lit.: Rintelen, M., Das Ragionenbuch der Augsburger Kaufmannschaft,
Hist. Zeitschrift für Schwaben und Neuburg 39 (1913), 96; Rintelen, M., Das
Wiener Merkantilprotokoll, ZRG GA 34 (1913), 258; Rintelen, M., Untersuchungen
über die Entwicklung des Handelsregisters, 1914; Heimann, R., Die Entwicklung
der handelsrechtlichen Veröffentlichung vom ALR bis zum ADHGB, 2008;
Entwicklungsgeschichte des Handelsrechts. Synoptische Darstellung, bestehend
aus ADHGB, HGB, 1897, heutigem deutschem Handelsrecht und österreichischem
Unternehmensgesetzbuch, hg. v. Flume, J. u. a., 2009
Handelsvertrag ist der den →Handel zwischen
mindestens zwei →Staaten betreffende Vertrag. Er findet sich nach
Vorläufern des Altertums (z. B. Könige von Ebla und Assur Mitte 3. Jt.s v.
Chr., Rom und Karthago 509 v. Chr.?) seit dem 12. Jh., und zwar neben dem
Privileg des Herrschers. Seit der frühen Neuzeit setzen die (europäischen)
Kolonialmächte ihre Interessen außer mit Gewalt auch mit ungleichen
Handelsverträgen durch. Seit dem ausgehenden 18. Jh. wird die vor allem von
Adam Smith (On the Origin and Causes of the Wealth of Nations 1776) entwickelte
Vorstellung des Liberalismus grundlegend bedeutend. 1947 schafft das von 23
Staaten abgeschlossene, am 1. 1. 1948 in Kraft getretene General Agreement on
Tariffs and Trade (GATT, völkerrechtlicher Vertrag, Deutschland 1951, Schweiz 1966)
einen 1994 erneuerten Rahmen für den weltweiten Handel. 1995 wird von den
damals 123 Mitgliedstaaten die Welthandelsorganisation (World Trade
Organization WTO, Sitz in Genf) gegründet, die als Dachorganisation für
weltweite Handelsvertragsabkommen dient.
Lit.: Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit
Caprivis, Diss. phil. Berlin 1933; Prüser, J., Die Handelsverträge der
Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg, 1962; Krug, G., Amity & Commerce,
1999; Bayer, F., Das System der deutschen Handelsverträge von 1853 und 1914,
2004; Kleinschmidt, H., Das europäische Völkerrecht und die ungleichen Verträge
um die Mitte des 19. Jahrhunderts, 2007; Damler, D., Imperium contrahens, 2008;
Pahre, H., Politics and Trade Cooperation in the Nineteenth Century, 2008;
Kleinschmidt, H., Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden. e-book 2013
Handelsvertreter (bis 1953 Handlungsagent) ist
der als Vertreter tätige Gehilfe des →Kaufmanns.
Lit.: Schmidt, D., Die Reform des Rechts der
Handelsvertreter, 1995; Bromm, B., Die Entstehungsgeschichte des Berufs der
Handelsvertreter, 2000; Schmidt, K., Vom Handelsvertreterrecht zum modernen
Vertriebsrecht, JuS 2008, 665
Handfeste ist eine mittelalterliche Bezeichnung
für ein mit der Hand (Unterschrift) gefestigtes Schriftstück (Privileg) (vgl.
gr. [N.] cheirógraphon, Handschrift) (z. B. Georgenberger H. 1186, Kulmer H.
1233, Berner H. 1218?).
Lit.: Die Freiburger Handfeste von 1249, hg. v.
Foerster, H. u. a., 2003; Armgart, M., Die Handfesten des preußischen
Oberlandes bis 1410 und ihre Aussteller, 1995; Stephan, J., Die Handfesten des
Elbinger Komtureibuches, Jb. f. d. Gesch. Ost- und Mitteldeutschlands 54
(2008), 97
Handgemal (Handmahal) (N.) ist im deutschen Mittelalter
(Erstbeleg hantmal im Abrogans der Mitte des 8. Jh.s, hantgemal noch verwendet
in der Glosse zum sächsischen Weichbildrecht vom Ende des 14. Jh.s) das Handzeichen
(?) und das vielleicht damit bezeichnete Stammgut (str.).
Lit.: Köbler, WAS; Homeyer, C., Über die Heimat nach
altdeutschem Recht, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1852; Keller, S., Handmahal
und anthmallus, ZRG GA 30 (1909), 224; Sohm, R., Über das Hantgemal, ZRG GA 30
(1909), 103; Meyer, H., Das Handgemal als Gerichtswahrzeichen des freien Geschlechtes
bei den Germanen, 1934; Krogmann, W., Handmahal, ZRG GA 71 (1954), 126; Balon,
J., L’Handgemal à l’épreuve du droit, ZRG GA 73 (1956), 141; Krogmann, W.,
Rechtsgeschichte ohne Philologie?, ZRG GA 74 (1957), 271; Schmidt-Wiegand,
hantgemaelde, FS Werner Schröder, 1989, 333ff.
Handhafte Tat ist im Mittelalter die durch
Ergreifen des Täters in oder unmittelbar nach der Ausführung gekennzeichnete
Tat (vgl. im römischen Recht das [lat.] furtum [N.] manifestum). Vielleicht
darf in germanischer Zeit der handhafte Täter sofort getötet werden. Die
frühmittelalterlichen Volksrechte gestatten die Tötung zwar nicht (mehr) in
allen Fällen, aber doch bei nächtlicher Tat, bei Widerstand oder Flucht. Vor
Gericht ist dem Handhafttäter der →Reinigungseid verwehrt. Im Hochmittelalter
darf nur noch der handhafte Ehebrecher sofort getötet werden. In der vom Inquisitionsprozess
gekennzeichneten Constitutio Criminalis Carolina (1532) scheint ein besonderes
Verfahren bei handhafter Tat nicht mehr auf, doch ist noch nach § 127 StPO
(1877/1879), wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und er
der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt
werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 21 I; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 70, 86; Köbler, WAS; Scherer, M., Die Klage gegen den toten Mann,
1909; Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann und die Klage mit der toten
Hand, ZRG GA 31 (1910), 235; Meyer, H., Gerüft, Handhaftverfahren und Anefang,
ZRG GA 37 (1916), 382; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952; Ebert,
I., Pönale Elemente, 2004
Handlung (Wort um 900) ist das menschliche Verhalten, das
als von Willen beherrschbar gedacht ist und daher objektiv zugerechnet werden
kann. In den Einzelheiten problematisch wird die H. erst der neuzeitlichen
Rechtswissenschaft. Im Strafrecht setzt sich am Ende des 19. Jh.s eine rein
kausale Handlungslehre durch (Franz von List, Beling), die in der Mitte des 20.
Jh.s von einer finalen Handlungslehre (Hans Welzel) bekämpft wird.
Lit.: Köbler, DRG 204, 208; Bubnoff, E. v., Die
Entwicklung des strafrechtlichen Handlungsbegriffes von Feuerbach bis Liszt,
1966; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Handlungsfähigkeit →Geschäftsfähigkeit, Deliktsfähigkeit
Handlungsfreiheit ist die grundsätzlich bestehende
Freiheit des Menschen, zu tun und zu lassen, was er will. Sie wird seit dem 18.
Jh. in Verfassungsurkunden aufgenommen. Ihre bei dichtem Zusammenleben notwendigen
Schranken finden sich vor allem in Gesetzen.
Lit.: Kukk, A., Verfassungsgeschichtliche
Aspekte zum Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, 2000
Handschenkung ist die am Anfang der Entwicklung
der →Schenkung stehende, auch in der Gegenwart bei geringwertigen Gütern
übliche, sofort vollzogene Schenkung.
Lit.: Meinig, I., Die Entwicklung der Lehre von der
Handschenkung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972
Handschlag ist das Vertrauen
versinnbildlichende gegenseitige Handgeben zweier Vertragspartner zum Zeichen
des Abschlusses des Geschäfts im deutschen Recht, dem bei den Römern lat. manum
dare (Hand geben) entspricht.
Lit.: Siegel, H., Handschlag und Eid, 1892
Handschrift ist die mit der Hand ausgeführte
Schrift und das dadurch geschaffene umfangreichere Ergebnis. Die H. entsteht
mit der Entwicklung der →Schrift und geht seit der Mitte des 15. Jh.s für
bedeutsamere Schreibergebnisse in das gedruckte →Buch über. Möglicherweise
konnte ein Schreiber täglich etwa sieben Seiten schreiben. In Bologna wurden
dabei seit 1250 Handschriften jeweils in Lagen an Berufsschreiber zur
Vervielfältigung abgegeben (Peciensystem). Seit der Mitte des 19. Jh.s
werden Schreibmaschinen zur Herstellung einzelner Schriftstücke verwendet, seit
dem dritten Drittel des 20. Jh.s damit verknüpfte Rechner und Drucker. Die Zahl
der im Mittelalter (im deutschen Sprachraum) erstellten Handschriften wird auf
2 Millionen geschätzt (davon 1,1 Millionen im 15. Jahrhundert), von denen noch
rund 120000 vorhanden sind (davon etwa 12000 bzw. 10 Prozent in deutscher
Sprache).
Lit.: Mazal, O., Lehrbuch der Handschriftenkunde, 2.
A. 1986; Verzeichnisse der deutschen Handschriften österreichischer
Bibliotheken, Bd. 2 Salzburg, bearb. v. Jungreithmayr, A., 1988; Le livre au
Moyen Age, hg. v. Glenisson, J., 1988; Die datierten Handschriften der
bayerischen Staatsbibliothek München, Teil 1ff., bearb. v. Schneider, K. u. a.
1994ff.; Die Handschriften der Universitätsbibliothek München.
Mikrofiche-Edition 1994-1995 (99 deutschsprachige mittelalterliche
Handschriften, 447 lateinische mittelalterliche Handschriften); Katalog der
illuminierten Handschriften der württembergischen Landesbibliothek Stuttgart 3,
1, bearb. v. Sauer, C. u. a., 1996; Schriftkultur und Reichsverwaltung unter
den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Bischoff, B., Katalog der
festländischen Handschriften des 9. Jahrhunderts, Bd. 1f. 1998ff.; Soetermeer,
F., Utrumque ius in peciis, 2002; Literaturbericht Handschriftenkataloge, DA 57
(2001), 555; Köbler, G., Altdeutsch - Katalog aller allgemein bekannten
altdeutschen Handschriften, 2005; Mentzel-Reuters, A., Literaturbericht
Handschriftenkataloge, DA 63 (2007), 135; Orth, P., Über Nutzen und Perspektiven
eines gedruckten Initienverzeichnisses, DA 63 (2007), 125; Murano, G., Opere
diffuse per Exemplar e Pecia, 2005; Hoffmann, H., Italienische Handschriften in
Deutschland, DA 65 (2009), 29; Manuscripta germanica, hg. v. Breith, A. u. a.,
2012; Rechtshandschriften des deutschen Mittelalters, hg. v. Carmassi, P. u.
a., 2015
Handschuh ist das Bekleidungsstück der
menschlichen Hand, das im (deutschen) Recht in unterschiedlichen Zusammenhängen
als Symbol Verwendung findet (z. B. Fehdehandschuh).
Lit.: Norton-Kyshe, J., The Law and Customs relating
to Gloves, 1901; Schwineköper, B., Der Handschuh im Recht, 1938, Neudruck 1981
Handwerk ist Bearbeitung und Verarbeitung
von Stoffen für andere ohne vorrangige Verwendung industrieller Arbeitsformen
(z. B. Schreiner, Zimmermann, Maurer, Bäcker, Metzger, Fischer). Im Altertum
wird diese Tätigkeit überwiegend für andere von →Sklaven ausgeführt, im
Frühmittelalter im Rahmen der →Grundherrschaft. Dagegen bildet sich in
der hochmittelalterlichen Stadt das freie H. in vielfältiger Aufgliederung aus
und schließt sich zur Sicherung der Einkünfte gegenüber Dritten
genossenschaftlich ab (→Zunft, →Gilde, →Innung). Wer in einem
H. tätig sein will, muss dieses mit einer mehrjährigen Lehre bei einem Meister
erlernen. Danach kann er als Geselle wirken. Vollberechtigt ist er im H. erst,
wenn er Meister geworden ist. In manchen Städten (z. B. Straßburg, Zürich)
nehmen seit dem 14. Jh. die Angehörigen des Handwerks an der Stadtherrschaft
teil. 1731 soll eine Reichshandwerksordnung im Heiligen römischen Reich
Missbräuche der Gesellen beseitigen. Im Kampf mit der liberalen
→Gewerbefreiheit des 19. Jh.s (Preußen 1810) gelingt dem H. die Bewahrung
der durch Prüfungen nachzuweisenden Qualifikationsmerkmale bis in die
Gegenwart (Handwerksordnung). Trotz der Konkurrenz der Industrie vermag das H.
sich zu halten, tritt aber um 1900 an Bedeutung hinter Fabriken und Bergwerken
zurück.
Lit.: Köbler, DRG 78, 111; Stockbauer, J.,
Nürnbergisches Handwerksrecht des 16. Jahrhunderts, 1879; Haandværksskik i
Danmark, hg. v. Nyrop, C., 1903; Schulte, E., Das Gewerberecht der deutschen
Weistümer, 1909; Bock, H., Die Entwicklung des deutschen Schuhmachergewerbes,
1922, Wissell, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, hg. v. Hahm, K.,
Bd. 1f. 1929, 2. A. 1981ff.; Hornschuch, F., Aufbau und Geschichte der
internationalen Kesslerkreise in Deutschland, 1930; Weichs, E. Frhr. v.,
Studien zum Handwerkerrecht des ausgehenden 17. Jahrhunderts, 1939; Zatschek,
H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Proesler, H., Das gesamtdeutsche
Handwerk im Spiegel der Reichsgesetzgebung, 1954; Fischer, W., Handwerksrecht
und Handwerkswirtschaft um 1800, 1955; Schraepler, E., Handwerkerbünde und
Arbeitervereine, 1972; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973;z, C.,
Die Zürcherische Handwerksordnung von 1681, FS J. Bärmann, 1975; Göttmann, F.,
Handwerk und Bündnispolitik, 1977; Renzsch, W., Handwerker und Lohnarbeiter in
der frühen Arbeiterbewegung, Diss. phil. Göttingen 1981; Landolt, K., Das Recht
der Handwerkslehrlinge, 1977; Das Handwerk in vor- und frühgeschichtlicher
Zeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., Bd. 1f. 1981ff.; Schichtel, P., Das Recht des
zünftigen Handwerks im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1986; Deter, G.,
Rechtsgeschichte des westfälischen Handwerks im 18. und 19. Jahrhundert, 1990;
John, P., Handwerk im Spannungsfeld zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit,
1987; Deter, G., Handwerksgerichtsbarkeit zwischen Absolutismus und
Liberalismus, 1987; Lexikon des alten Handwerks, hg. v. Reith, R., 1990; Brand,
J., Zur Rechtsfunktion des Gelages im alten Handwerk, ZRG GA 108 (1991), 297;
Schultz, H., Das ehrbare Handwerk, 1993; Spohn, R., Kampf um die Arbeitskraft,
1993; Weyrauch, T., Handwerkerorganisationen, 1996; Wiener Neustädter
Handwerksordnungen, hg. v. Scheutz, M. u. a., 1997; Brohm, U. Die
Handwerkerpolitik Herzog Augusts des Jüngeren, 1999; Handwerk in Europa, hg. v.
Schulz, K., 1999; Handwerk zwischen Zunft und Gewerbefreiheit, hg. v. Bernert,
H., 1999; Stadt und Handwerk, hg. v. Kaufhold, H. u. a., 2000; Blume, H., Ein
Handwerk – eine Stimme, 2000; Winzen, K., Handwerk – Städte – Reich, 2002;
Deter, G., Handwerk vor dem Untergang, 2005; Will, M., Selbstverwaltung der
Wirtschaft, 2010; Schulz, K., Handwerk, Zünfte und Gewerbe - Mittelalter und
Renaissance, 2010; Bulach, D., Handwerk im Stadtraum, 2013 (Ledergewerbe);
Elkar, R. u. a., Handwerk, 2014; Deter, G., Zwischen Gilde und Gewerbefreiheit,
2015
Handwörterbuch
zur deutschen Rechtsgeschichte
ist das von Wolfgang Stammler, Adalbert Erler und Ekkehard Kaufmann 1964
begründete, nach 34 Jahren in erster Auflage 1998 in 5 Bänden mit mehr als 5000
Stichwörtern abgeschlossene, seit 2004 von Albrecht Cordes, Heiner Lück und
Dieter Werkmüller in zweiter Auflage unter philologischer Beratung (Ruth
Schmidt-Wiegand, Christa Bertelsmeier-Kierst) in verstärkter Einbeziehung der
jüngeren Rechtsgeschichte und deutlicherer Betonung des europäischen Kontexts
herausgegebene, von der Stiftung Rechtsstaat Sachsen-Anhalt e. V.
unterstützte, alphabetisch geordnete Nachschlagewerk zur deutschen Rechtsgeschichte.
Lit.: HRGdigital.de
Hänel, Albert (1833-1918) wird nach dem Rechtsstudium und
nach der Habilitation in Leipzig als Professor in Königsberg und seit 1863 in
Kiel ein bedeutender liberaler Vertreter des Staatsrechts (Deutsches
Staatsrecht, 1892).
Lit.: Friedrich, M., Zwischen Positivismus und materialem
Verfassungsdenken, 1971; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd.
2 1992, 355
Hängen ist das Töten eines Menschen durch
Aufhängen an einem Strick (→Todesstrafe, →Galgen). Das H. ist dem
römischen Altertum fremd, den Germanen (bei Volksverrat) bekannt. Seit dem
Hochmittelalter (Sachsenspiegel 1221-1224) wird vor allem der Dieb gehängt. Im
18. Jh. wird in England das H. mittels einer sich unter dem Verurteilten
ruckartig öffnenden Falltür eingeführt. Seit 1771 (Schleswig-Holstein) wird das
H. im deutschen Sprachraum durch das Enthaupten ersetzt. Mit dem Verbot der
→Todesstrafe verschwindet es im 20. Jh. allgemein. In den
Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg werden 1946 die Todesurteile durch H.
vollstreckt, ebenso im Irak 2006 (Saddam Hussein).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922; Evans, R., Rituale der Vergeltung, 2001
Hannover ist das aus Braunschweig-Lüneburg
hervorgegangene, nach der Stadt (1163? bzw. 1189, Privileg 1241, Statutenbuch
1303) H. an der Leine (1636 Residenz, 1831 Technische Hochschule) benannte norddeutsche
Fürstentum (1692/1708 Kurfürstentum, 1714-1837 Personalunion mit England,
1807-1813 Zuordnung zu Frankreich bzw. dem Königreich Westphalen), das 1814
zum Königreich aufsteigt und 1819 eine oktroyierte Verfassung erhält. Am 1. 1.
1837 hebt der (neue) König (Ernst August) verfassungswidrig das
Staatsgrundgesetz vom 26. 9. 1833 auf und löst damit einen Verfassungskonflikt
aus, in dem sieben protestierende Göttinger Professoren (u. a. Brüder Grimm)
entlassen werden. Am 6. 8. 1840 wird ein neues Landesverfassungsgesetz
geschaffen, 1850 eine Bürgerliche Prozessordnung. Die nach 1848 geschaffene
Justizorganisation (Amtsgericht, Obergericht, Oberappellationsgericht)
beeinflusst die Gesetzgebung anderer Bundesstaaten undwirkt sich noch aucf die
Reichsjustizgesetze von 1877/1879 aus. 1866 wird H. von Preußen annektiert und
gelangt 1946 unter Zerschlagung Preußens zu Niedersachsen. →Göttingen
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Allgemeine Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 4. 12.
1847, Bürgerliche Prozessordnung für das Königreich Hannover vom 8. 11. 1850,
Neudruck 1971; Hassell, W., Geschichte des Königreichs Hannover, 1898ff.;
Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte, 1904;
Florin, W., Der fürstliche Absolutismus, 1952; Ohnsorge, W., Zweihundert Jahre
Geschichte der königlichen Bibliothek zu Hannover 1665-1866, 1962; Besecke, K.,
Das Vogtgericht der Altstadt Hannover, Diss. jur. Göttingen 1964; Landwehr, G.,
Die althannoverschen Landgerichte, 1964; Pufendorf, F., Entwurf eines
hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970; Deckwirth, H., Das Haus- und
Verlassungsbuch der Altstadt Hannover, Hans. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1;
Der hannoversche Verfassungskonflikt 1837/1838, ausgew. v. Real, W., 1972;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2618, 3,3,2896; Müller, S., Stadt,
Kirche und Reformation, 1987; Rechtsquellen aus den hannoverschen Landen 1501
bis 1803, hg. v. Oberschelp, R., 1999; May, J., Vom obrigkeitlichen
Stadtregiment zur bürgerlichen Kommunalpolitik, 2000; Roolfs, C., Der
hannoversche Hof von 1814 bis 1866, 2005; Kroeschell, K., recht und unrecht der
sassen, 2005; Festschrift zum 175-jährigen Bestehen der Universität Hannover,
Bd. 1ff., hg. v. Seidel, R. u. a., 2006; Thompson, A., Britain, Hanover and the
Protestant Interest 1688-1756, 2006; Kempf, S., Wahlen zur Ständeversammlung im
Königreich Hannover 1848-1866, 2007; Harding, N., Hannover and the British
Empire 1700-1837, 2007; Lampe, J., „Freyheit und Ordnung“ - Die
Januarereignisse von 1831, 2009; Piepenbring-Thomas, C., Recht in der Stadt
Hannover, 2011; Mahrenholz, E., Ein Königreich wird Provinz, 2011; Köster, F.,
Ende des Königreichs Hannover 1865-1866, 2012; Boetticher, E., v., Die
Justizorganisation im Königreich Hannover, 2014; Hannover, Großbritannien und
Europa, hg. v. Asch, R., 2014
Hanse (ahd. hansa, Schar) ist der von
hochmittelalterlichen Kaufleuten ausgehende, ziemlich offene norddeutsche
→Städtebund (und Kaufleutebund, in den durch das hansen aufgenommen
wird). Seinen Anfang bildet vielleicht die schon im beginnenden 11. Jh.
bevorrechtigte Genossenschaft deutscher Kaufleute in England. Bedeutsam wird
danach die Gründung deutschbesiedelter Städte von Lübeck (1143) bis Riga
(1201), Reval (nach 1219) und Dorpat (um 1230). Seit den Wirren des
Interregnums (1254-1273) fassen die einander nahestehenden Städte auf
Hansetagen oder im Umlauf gemeinsame Beschlüsse (Wismar 1256, Lübeck 1358
[mnd.] stede von der dudeschen hanse). Außer in London (1281, 1474 Guild Hall,
Stalhof bis 1598, 1852 verkauft) bestehen bedeutsame Niederlassungen (Kontore)
in Nowgorod (1191/um 1200-1494), Brügge (1309) und Bergen (um 1340/1343-1754).
Unter der Führung der H., der bis zu 70 Städte mit bis zu 130 weiteren
vertretenen Städten zwischen Zaltbommel, Visby, Dorpat, Krakau und Köln
angehören (Dinant, Duisburg, Düsseldorf, Emmerich, Grieth, Köln, Neuss,
Nimwegen, Roermond, Tiel, Venlo, Wesel, Zaltbommel, Arnhem, Deventer, Doesborg,
Elburg, Harderwijk, Hasselt, Hattem, Kampen, Ommen, Staveren, Zutfen, Zwolle,
Groningen, Bremen, Stade, Buxtehunde, Hamburg, Ahlen, Allendorf, Altena,
Arnsberg, Attendorn, Balve, Beckum, Belecke, Bielefeld, Blankenstein, Bocholt,
Bochum, Bödefeld, Borgentreich, Borken, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Coesfeld,
Dorsten, Dortmund, Drolshagen, Dülmen, Essen, Eversberg, Freienohl, Fürstenau,
Geseke, Grevenstein, Hachen, Hagen, Haltern, Hamm, Hattingen, Herford,
Hirschberg, Hörde, Hüsten, Iburg, Iserlohn, Kallenhardt, Kamen, Langenscheid,
Lemgo, Lippstadt, Lüdenscheid, Lünen, Melle, Menden, Minden, Münster, Neheim,
Neuenrade, Neustadt in Hessen, Nieheim, Oldenzaal in den Niederlanden, Olpe,
Osnabrück, Paderborn, Peckelsheim, Plettenberg, Quakenbrück, Ratingen,
Recklinghausen, Rheine, Rüthen, Schwerte, Soest, Solingen, Sundern, Telgte, Unna,
Vörden in Westfalen, Vreden, Warburg, Warendorf, Warstein, Wattenscheid, Werl,
Werne, Westhofen, Wetter, Wiedenbrück, Alfeld, Aschersleben, Bockenem, Braunschweig,
Einbeck, Gardelegen, Goslar, Gronau, Halberstadt, Hameln, Hannover, Helmstedt,
Hildesheim, Lüneburg, Magdeburg, Osterburg, Quedlinburg, Salzwedel, Seehausen,
Stendal, Tangermünde, Uelzen, Werben, Duderstadt, Erfurt, Göttingen, Halle,
Merseburg, Mühlhausen in Thüringen, Naumburg, Nordhausen, Northeim, Osterode,
Uslar, Berlin, Brandenburg, Cölln an der Spree, Frankfurt an der Oder,
Havelberg, Kyritz, Perleberg, Pritzwalk, Kiel, Lübeck, Wismar, Rostock,
Stralsund, Greifswald, Demin, Anklam, Stettin, Belgard (nicht Belgrad),
Gollnow, Greifenberg, Kammin, Kolberg, Köslin, Rügenwalde, Schlawe, Stargard in
Pommern, Stolp, Treptow an der Rega, Wollin, Braunsberg, Danzig, Elbing,
Königsberg, Kulm, Thorn, Breslau, Krakau, Dorpat, Fellin, Goldingen,
Kokenhusen, Lemsal, Pernau, Reval, Riga, Roop, Wenden, Windau, Wolmar, Kalmar,
Nyköpjng?, Stockholm, Wisby sowie Geldern und [Hannoversch] Münden), kann im
Kampf gegen Dänemark 1368 Kopenhagen erobert werden. Später wenden sich die
Landesherren gegen die H. In der frühen Neuzeit treten viele Städte aus der H.
aus, so dass nach 1669 nur noch ein Schutzbündnis von Bremen, Hamburg und
Lübeck verbleibt.
Lit.: Köbler, DRG 97; Köbler, WAS; Frensdorff, F., Das
Reich und die Hansestädte, ZRG GA 20 (1899), 115, 248; Schäfer, D., Die
deutsche Hanse, 1914; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Rundstedt, H. v., Die Hanse
und der deutsche Orden in Preußen, 1937; Denucé, J., Die Hanse und die Antwerpener
Handelskompagnien in den Ostseeländern, 1938; Rörig, F., Vom Werden und Wesen
der Hanse, 1940, 3. A. 1943; Pagel, K., Die Hanse, 1942, 3. A. 1963; Ebel, W.,
Hansisches Recht, 1949; Reibstein, E., Das Völkerrecht der deutschen Hanse, Zs.
f. ausländ. öff. Recht 17 (1956), 38; Dollinger, P., La Hanse, 1966, 4. A.
1989, 5. A. 1998; Olechnowitz, K., Handel und Seeschifffahrt der späten Hanse,
1965; Bruns, F./Weczerka, H., Hansische Handelsstraßen, Bd. 1f. 1962ff.; Die
deutsche Hanse als Mittler zwischen Ost und West, 1963; Sauer, H., Hansestädte
und Landesfürsten, 1971; Stark, W., Lübeck und die Hanse, 1973; Spading, K.,
Holland und die Hanse, 1973; Schildhauer, J., Die Hanse, 6. A. 1985; Die Hanse,
3. A. 1999; Quellen zur Hansegeschichte, hg. v. Sprandel, R., 1982; Fahlbusch,
F. u. a., Beiträge zur westfälischen Hansegeschichte, 1988; Der hansische
Sonderweg?, hg. v. Jenks, S. u. a., 1993; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Ziegler,
H., Die Hanse, 1996; Niedergang oder Übergang?, hg. v. Graßmann, A., 1998;
Genossenschaftliche Strukturen in der Hanse, hg. v. Jörn, N. u. a., 1999;
Hammel-Kiesow, R., Die Hanse, 2000, 4. A. 2008; Pichierri, A., Die Hanse, 2000;
Pitz, E., Bürgereinung und Städteeinung, 2001; Daenelle, E., Die Blütezeit der
deutschen Hanse, 3. A. 2001; Novgorod, hg. v. Angermann, N. u. a., 2002;
Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse (1365-1614), 2003; Behrmann, T., Herrscher
und Hansestädte, 2004; Hansisches und hansestädtisches Recht, hg. v. Cordes,
A., 2007; Burkhardt, M., Der hansische Bergen-Handel im Spätmittelalter, 2009;
Die Hanse, hg. v. Kiesow, R. u. a., 2009; Skvajrs, E., Die Hanse in Novgorod,
2009 (auch Squires, C.); Selzer, S., Die Hanse, 2010; Oestmann, P., Prozesse
aus Hansestädten vor dem Königs- und Hofgericht in der Zeit vor 1400, ZRG GA
128 (2011), 114; Poeck, D., Die Herren der Hanse, 2010; The Hanse in Medieval
and Early Modern Europe, hg. v. Wubs-Mrozewicz, J./Jenks, S., 2013;
Hammel-Kiesow, R. u. a., Die Hanse, 2015; Iwanov, I., Die Hanse im Zeichen der
Krise, 2016 (1550-1620); Groth, C., Hanse und Recht, 2016
Hansegraf ist im Mittelalter verschiedentlich
die Benennung für einen Amtsträger in der Stadt mit unterschiedlichen Aufgaben
(Regensburg 1184, Brügge 1187, Wien 1266, Kassel 1323, Bremen 1405).
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980, 58, 284
Hansen ist vielleicht die Aufnahme in die
Hanse (Köln 1259), aus der sich das Hänseln entwickelt haben soll.
Lit.: Rauers, F., Hänselbuch, 1936
Hardburi
Lit.: Krogmann, W., As. hardburi, ahd. hartpuri, ZRG GA 74 (1957), 233
(Stammesobrigkeit)
Hardehausen
Lit.: Urkunden des Klosters Hardehausen, bearb. v. Müller, H., 2002
Hardenberg, Karl August (Essenrode bei Lehre
bei Helmstedt 31. 5. 1750-Genua 26. 11. 1822) wird nach dem Rechtsstudium in
Göttingen (1766, Pütter) und Leipzig (1768) 1770 Verwaltungsbeamter in
Hannover, 1781 in Braunschweig, danach nach Ehescheidung in Preußen (1791
Staatsminister für Ansbach und Bayreuth nach Inbesitznahme für Preußen), 1803
Außenminister Preußens, 1807 auf Druck Napoleons entlassen (September 1807
Reformdenkschrift), 4. 6./6. 10. 1810-1822 Staatskanzler in Preußen. Mit seinem
Namen verbinden sich die Maßnahmen der Stein-Hardenbergschen Reformen (Bauernbefreiung,
Gewerbefreiheit 1810, Regulierungsedikte 14. 9. 1811, 1816), doch steht
neben dem Modernisierungswillen auch deutliche autoritär-bürokratische
Tradition.
Lit.: Vaupel, R., Die Reorganisation des preußischen
Staates unter Stein und Hardenberg, 1938; Zeeden, E., Hardenberg und der
Gedanke einer Volksvertretung in Preußen, 1940; Thielen, P., Karl August von
Hardenberg, 1967; Vogel, B., Allgemeine Gewerbefreiheit, 1983; Hardenberg, Karl
August von, 1750-1822. Tagebücher, hg. v. Stamm-Kuhlmann, T., 1999; Hermann,
I., Hardenberg, 2003; Bruyn, G. de, Die Somnambule oder des Staatskanzlers Tod,
2015 (über die Beziehung zu Friewderike Gähnel, in deren Armen H. stirbt),
Harderwijk ist eine Stadt der Hanse in den Niederlanden
und von 1648 bis 1814 Sitz einer Universität.
Häresie ist die dem kirchlichen Dogma
widersprechende Irrlehre (Ketzerei). Sie wird schon im ausgehenden Altertum
durch Verbote von Gottesdiensten, Enteignung von Gütern und Androhung der
Todesstrafe sowie im Mittelalter seit 1231/1232 durch besondere Inquisitoren
(Untersucher) bekämpft.
Lit.: Köbler, DRG 117; Grundmann, H., Religiöse
Bewegungen im Mittelalter, 1935; Selge, K., Die ersten Waldenser, Bd. 1f. 1967;
Lerner, E., The Heresy, 1972; Merlo, G., Eretici, 1977; Segl, P., Ketzer in
Österreich, 1984; Häresie und vorzeitige Reformation, hg. v. Smahel, F., 1998;
Lambert, M., Häresie im Mittelalter, 2001; Forrest, I., The Detection of
Heresy, 2006; Heresy and Identity in Late Antiquity, hg. v. Iricinschi, E. u.
a., 2006; Utz Tremp, K., Von der Häresie zur Hexerei, 2008; Segl, P.,
Mittelalterliche Häresien, 2010; Sackville, L., Heresy and Heretics in the
Thirteenth Century, 2011; Larsen, A., The School of Heretics, 2011
Harlem wird 1752 Sitz einer Universität.
Harmenopulos, Konstantinos, verfasst 1345 als
Richter von Thessaloniki ein →Hexabiblos genanntes Gesetzeshandbuch des
spätbyzantinischen Reiches in sechs Büchern, das nach weiter Verbreitung auf
dem Balkan während der Osmanenzeit 1828 in Griechenland als vorläufiges
Zivilgesetzbuch (bis 1946) Verwendung findet.
Lit.: Söllner §§ 23; Köbler, DRG 107; Juristen, hg. v.
Stolleis, M., 1995
Harmschar (F.) Qual, Schande als Buße (oder
Strafe) im Frühmittelalter
Harpprecht, Johannes Friedrich (Walheim am
Neckar 20. 1. 1560?-Tübingen 18. 9. 1639), früh verwaister Juristensohn, wird
nach dem Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Straßburg, Tübingen
und Marburg 1589 in Tübingen promoviert und nach kurzer Tätigkeit am Reichskammergericht
1592 Professor der Institutionen in Tübingen. Sein bekanntestes Werk ist ein
vierbändiger Kommentar zu den Institutionen Justinians (Opera [N.Pl.] omnia
multis insignibus quaestionibus adaucta, 1627-1630, Gesammelte, mit vielen
berühmten Untersuchungen vermehrte Werke), der auch die Praxis und das
heimische Recht berücksichtigt, aber weder systematische oder naturrechtliche
Ansätze aufweist.
Lit.: Schnee, H., Die Professoren Dr. Harpprecht und
Dr. Schöpf, FS G. Schreiber, 1963, 272; Scholz, W., Johann Harpprecht, Diss.
jur. Tübingen 1980
Hartmann von Aue (Oberrheingebiet 1160/1165-nach
1210?), mittelhochdeutscher Dichter, der vielleicht von (lat.) legibus
(Gesetzen) gelesen hatte und dadurch (mhd.) legiste geworden ist. Seine Werke
(Klage, Gregorius, der arme Heinrich Erec, Iwein) erfassen zahlreiche
rechtliche Geschehnisse.
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931;
Wapnewski, P., Hartmann von Aue, 3. A. 1967; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches
und Rechtssprachliches, 1961; Wolf, J., Einführung in das Werk Hartmanns von
der Ause, 2007
Häscher (Martin Luther um 1530) Verfolger
Hasel ist der seit 9000 v. Chr.
großflächig verbreitete, Nüsse liefernde Busch, der vielleicht auch rechtliche
Verwendung findet.
Lit.: Beuchert, M., Symbolik der Pflanzen, 2004
Hasse, Johann Christian (1779-1830) wird nach dem
Rechtsstudium in Kiel (Thibaut) Professor in Jena, Königsberg, Berlin und Bonn.
In seinem Buch Die Culpa des römischen Rechtes (1815) teilt er die (lat. [F.])
culpa unter Missachtung der Quellen in die Widerrechtlichkeit
(Rechtswidrigkeit) und die Schuld (culpa).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HasseJohannChristianDieCulpadesroemischenRechts1815.pdf;
Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,
1880ff., Neudruck 1957, 1978, III 2, 289
Hassfurt
Lit.: Tittmann, A., Hassfurt, 2002
Hattingen an der Ruhr wird 990 erstmals als Reichshof
erwähnt und erwächst bis zur Neuzeit zu einer Kleinstadt. Aus ihr ist ein von
1629 bis 1652 reichendes Ratsprotokollbuch erhalten. Es erweist noch ein
Vorherrschen mittelalterlicher Strukturen.
Lit.: Piel, H., Die Protokolle des Rates der Stadt Hattingen von 1629
bis 1652, 2008
Hauberggenossenschaft ist die im Siegerland übliche, seit
dem 15. Jh. belegte, von 1562 bis 1890 in Ordnungen geregelte Genossenschaft
zur landwirtschaftlich-gewerblichen Nutzung des Niederwaldes (Eichen, Birken
als Heizmittel und Gerbemittel) im Turnus von 16-18 bzw. 15-25 Jahren. Sie
entwickelt sich zur Gesamthandsgemeinschaft bzw. juristischen Person.
Wirtschaftlich unterliegt die H. in der Mitte des 20. Jh.s der Steinkohle und
besseren Gerbemitteln.
Lit.: Achenbach, H., Die Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1863; Delius, W., Hauberge und Haubergsgenossenschaften des
Siegerlandes, 1910; Lorsbach, J., Hauberge und Hauberggenossenschaften des
Siegerlandes, 1956; Lerner, R., Hauberggenossenschaften im Kreis Altkirchen,
1993
Häuptling (lat. [M.] capitaneus) ist ein
Anführer wie z. B. in Friesland seit dem 14. Jh.
Lit.: Boden, F., Die isländischen Häuptlinge, ZRG GA
24 (1903), 148
Hauptstadt ist im neuzeitlichen Staat der
amtlich festgelegte Ort des Sitzes der Herrschaftsgewalt.
Lit.: Pagenkopf, O., Die Hauptstadt in der deutschen
Rechtsgeschichte, 2004 (Diss. jur. Bonn 2003)
Hauriou, Maurice (1856-1929), Professor
für Verwaltungsrecht (1888) und Verfassungsrecht (1920) in Toulouse,
begründet, ausgehend vom Verwaltungsakt, die Wissenschaft vom
Verwaltungsrecht in Frankreich (Précis de droit administratif et de droit
public général, 1892, Grundriss des Verwaltungsrechts und allgemeinen öffentlichen
Rechtes).
Lit.: Sfez, L., Essai sur la contribution du doyen
Hauriou au droit administratif français, 1966
Haus ist das zum Benutzen durch Menschen bestimmte größere
Gebäude. Seinem Schutz dient der Hausfriede. Die Hausgewalt steht lange Zeit in
erster Linie dem Hausvater zu. Die Hausdurchsuchung ist nur unter bestimmten
Voraussetzungen erlaubt. Der Bau eines Hauses unterliegt bei dichterer
Besiedlung öffentlichrechtlichen Vorschriften (Baurecht, hochmittelalterliche
Stadt, 19. Jh.). Übertragen ist H. auch das Geschlecht (oder Herrschaftsgebiet
des Geschlechts). Die Wendung Haus und Hof ist erstmals in Aarau 1301 bezeugt.
Hausbau s. Baurecht
Lit.: Kaser §§ 4, 12; Hübner 127; Köbler, DRG 21, 71,
88, 120, 160; Köbler, WAS; Haus und Siedlung im Wandel der Jahrtausende, 1937;
Kramer, K., Haus und Flur im bäuerlichen Recht, 1950; Lhotsky, A., Was heißt
„Haus Österreich“?, Anz. d. Akad. d. Wiss. Wien, phil.-hist. Kl. 93 (1956),
155; Dölling, H., Haus und Hof in westgermanischen Volksrechten, 1958;
Benedikt, H., Die Monarchie des Hauses Österreich, 1968; Kroeschell, K., Haus
und Herrschaft, 1968; Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der Altstadt
Hannover, Hann. Geschichtsbll. N.F. 26 (1971), 1; Köbler, G., Das Recht an Haus
und Hof im spätmittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v. Friedland,
K., 1980, 31; Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. v.
Haverkamp, A., 1984; Histoire de la vie privée, hg. v. Aries, P. u. a., Bd. 2
1985; Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a.,
1997; Haus- und Familienbücher, hg. v. Studt, B., 2007; Binding, G., Methoden
und Probleme bei der Datierung von mittelalterlichen Bauwerken, 2009
Haus-, Hof- und Staatskanzlei ist die am 17. 2. 1742 aus der österreichischen
Hofkanzlei herausgenommene Behörde zur Besorgung der auswärtigen Geschäfte und
der geheimen Haussachen, die 1848 in das Ministerium des kaiserlichen Hauses
und des Äußeren umgewandelt wird.
Hausarbeit (Heimarbeit) ist die seit dem 14. Jh.
erkennbare handwerksartige Tätigkeit in eigenen Räumen für Zwischenmeister
oder Unternehmer. Bedeutsam ist sie vor allem im frühen 19. Jahrhundert. Für
die 1882 etwa 480000 Heimarbeiter in Deutschland wird 1911 ein Hausarbeitgesetz
geschaffen.
Lit.: Leuthier, O., Entstehung und Entwicklung des Hausarbeitgesetzes,
2006
Hauser, Kaspar ist der Name eines am 26. Mai 1828 in
Nürnberg aufgefundenen, der Sprache unkundigen jungen, am 17. Dezember 1833 an
den Folgen eines Anschlags vom 14. Dezember 1833 verstorbenen Mannes, dessen
Herkunft insbesondere P. J. Anselm von Feuerbach sehr beschäftigte, ohne dass
sie bislang geklärt ist.
Lit.: Küper, W., Das Verbrechen am Seelenleben, 1991; Forker, A.,
Kaspar Hauser, (in) Die Bedeutung P. J. A. Feuerbachs (1775-1833) für die
Gegenwart, 2003, 99; Peters, D., Der Fall Kaspar Hauser, 2014
Hauserbe (lat. suus heres [M.]) ist im
römischen Recht der Mensch, der durch den Tod des Vaters gewaltfrei (lat. sui
iuris) wird, nämlich vor allem der (mündige) Sohn, die (mündige) Tochter, das
adoptierte Kind, der adrogierte Sohn sowie die gewaltunterworfene Ehefrau.
Lit.: Kaser § 66; Söllner § 8; Köbler, DRG 23, 38
Hausfriede ist das Recht, innerhalb der
eigenen Wohnung und des umfriedeten Lebensbereichs ungestört zu sein. Bereits
im Frühmittelalter sind Tötung und Verletzung innerhalb des Hauses mit höherer
Buße bewehrt. Im Hochmittelalter wird der Friede für das Haus allgemein
erfasst. Danach schaffen partikulare Rechte (vgl. ALR II 20 §§ 529ff. Privatverbrechen,
Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) sowie 1871 das deutsche Reichsstrafgesetzbuch
einen besonderen Tatbestand des Hausfriedensbruches.
Lit.: Osenbrüggen, E., Der Hausfriedensbruch, 1857,
Neudruck 1968; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Trabandt, J., Der kriminalrechtliche Schutz des
Hausfriedens, Diss. jur. Hamburg 1970
Hausgesetz ist die von einer hochadligen
Familie für sich vereinbarte oder gesetzte besondere Rechtsordnung. Das H.
findet sich seit Anfang des 14. Jh.s. Es betrifft vor allem die Erbfolge, die
Ehe und die Veräußerlichkeit des Familiengutes (z. B. →Dispositio
Achillea für die Hohenzollern 1473, →Pragmatische Sanktion vom 19. 4.
1713 für Österreich, Privatfürstenrecht). Im 19. Jh. wird das H. von der
Genehmigung durch den Staat abhängig.
Lit.: Schulze, H., Die Hausgesetze der regierenden
deutschen Fürstenhäuser, Bd. 1ff. 1862ff.; Turba, G., Die Grundlagen der
pragmatischen Sanktion, 1911; Marxer, W., Das Hausgesetz des Fürstentums
Liechtenstein, 2003
Hausgewalt →Haus
Hausgut ist das einem Haus gehörende Gut.
Es ist anfangs vor allem Gegenstand des Erbes. Seit dem Hochmittelalter ist in
Bezug auf das Reich zumindest gedanklich das H. der Königsfamilie vom Reichsgut
zu scheiden. Die Trennung von Privatvermögen und Staatsvermögen ist auch nach
Ende der Monarchie im Deutschen Reich (1918) noch nicht in allen Einzelheiten
abgeschlossen.
Lit.: Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft unter
Lothar III., 1969; Laufs, A., Das Eigentum an Kulturgütern aus badischem
Hofbesetu, 2008
Haushalt ist ursprünglich die häusliche
Verbrauchsgemeinschaft, seit dem 20. Jh. die Gesamtheit der der Erfüllung der
öffentlichen Aufgaben dienenden Einkünfte und Ausgaben einer
→juristischen Person des öffentlichen Rechtes (→Staatshaushalt),
die nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 19. Jh.
(Sachsen-Coburg 1821, vgl. auch Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Kurhessen
1821/1831, Bayern 1818), Verfassung des Deutschen Reiches von 1848/1849 Art.
VII, IX, Art. 72 Verfassung von 1871, Art. 8 WRV) vom Parlament durch ein
Haushaltsgesetz beschlossen werden müssen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 129; Schroeter, O. v., Das Recht
der Haushaltführung und Haushaltkontrolle in Preußen, 1938; Friauf, K., Der
Staatshaushaltsplan, 1968; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983;
Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1987;
Haushalten in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Richarz, I., 1994; Strube, S.,
Die Geschichte des Haushaltsrechts, 2002; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Ullmann, H., Das Abgleiten in den
Schuldenstaat, 2017
Hauskind ist im römischen Recht das unter
der väterlichen Gewalt lebende →Kind.
Lit.: Kaser §§ 12 I 2b, 33 III, 49 I, 50 III 4a, 66
VI, 68 III 2
Häusler (Bezeichnung im Mittelalter selten) ist
der nur ein Haus und kein Feld besitzende Dorfbewohner (Gärtner, Kossäte,
Seldner).
Lit.: Schröder, R./Künßberg, E. v., Lehrbuch der
Deutschen Rechtsgeschichte, 7. A. 1932, Neudruck 1966, 457
Hausmarke (Wort 16. Jh.) ist
im Mittelalter und in der Neuzeit das bestimmte, dem Wappen des Adels
vergleichbare schriftartige Erkennungszeichen für einen Menschen oder ein Haus
(u. a. Handelsmarke, Notarssignet).
Lit.: Homeyer, C., Haus- und Hofmarken, 1870,
Neudruck, 1964; Heyne, M., Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer, Bd. 1 1899;
Grohne, E., Die Hausmarken und Hauszeichen, 1912; Gmür, M., Schweizerische
Bauernmarken und Holzurkunden, 1917, 2. unv. A. 1991; Ruppel, K., Die
Hausmarken, ZRG GA 60 (1940), 320; Graphische Symbole in mittelalterlichen
Urkunden, hg. v. Rück, P., 1996
Hausmeier (lat. maior [M.] domus) ist der
Leiter einer Hausverwaltung im spätrömischen Italien und im Frühmittelalter
(Burgunder, Ostgoten, Franken). Bei den fränkischen Königsfamilien finden sich
(anfangs unfreie) H. seit dem 6. Jh. Im Jahre 751 verdrängt der austrasische H.
Pippin der Jüngere aus dem Geschlecht der Arnulfinger oder Pippiniden den König
aus dem Geschlecht der →Merowinger und begründet die Königsfamilie der
→Karolinger, womit zugleich der H. als entbehrlich verschwindet.
Lit.: Köbler, DRG 76; Hermann, E., Das Hausmeieramt,
1880, Neudruck 1970; Heidrich, J., Titulatur und Urkunden der arnulfingischen
Hausmeier, Archiv f. Diplomatik 11/12 (1965/6), 71; Haas, K., Studien zur
Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des fränkischen maior-domus-Amts, Diss.
phil. Heidelberg 1968; Heidrich, J., La maison du palais Neustriens, Francia
Beiheft 16/1 1989, 217; Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesellschaft, 1999
Hausname ist der seit dem 13. Jh. bezeugte Name des
einzelnen Hauses einer Siedlung (z. B. zur Tanne in Basel, zu der schönen Ecke
in Freiburg im Breisgau, ad Gernodum in Worms, zur roten Türe in Köln), der
seit dem 19. Jh. von der Hausnummer verdrängt wird.
Lit.: Grohne, E., Die Hausnamen und Hauszeichen, 1912
Hausrat ist die Gesamtheit der zur Haushaltsführung
notwendigen Geräte. Als Gerade kann der H. einer besonderen Erbfolge
unterliegen. Die Hausratsverordnung vom 21. 10. 1944 legt die Aufteilung des
Hausrats bei Ehescheidung fest (bis 2009).
Lit.: Schmitt, A., Das Fortleben der Gerade, 1913; Vlassopoulos, I.,
Der eheliche Hausrat, 1983
Haussuchung ist die Durchsuchung eines Hauses.
Nach altrömischem Recht kann bei Diebstahlsverdacht eine (lat.) quaestio (F.)
lance et licio (Untersuchung mit Schüssel und Schurzfell) erfolgen, bei welcher
der Suchende nackt, nur mit einem Schurzfell (lat. [N.] licium) bekleidet und
eine Schüssel (lat. [F.] lanx) tragend, das Haus betreten muss und der Täter
bei erfolgreicher Suche als handhafter Dieb (lat. fur [M.] manifestus) getötet
werden darf. Im Mittelalter ist H. bei Verfolgung einer abhanden gekommenen
beweglichen Sache möglich. Vermutlich wird bei erfolgloser H. der Suchende
bußpflichtig. Seit dem Hochmittelalter bedarf die H. mehr und mehr der
vorherigen Erlaubnis des Richters oder Rates. Im 19. Jh. sichern die
Verfassungen vor willkürlicher H. (Hessen-Kassel 1831, Reich 1848). Im 20. Jh.
gewähren sie ein Grundrecht auf Freiheit der Wohnung, das nur durch Gesetz
eingeschränkt werden kann.
Lit.: Kaser § 51 I 2; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Schwerin,
C. Frhr. v., Die Formen der Haussuchung, 1924; Wolff, J., Lanx et licium, (in)
Sympotica F. Wieacker 1970, 59
Haustier (Wort im 18. Jh. belegt) ist das vom Menschen
seit der Jungsteinzeit im oder am Haus abhängig gemacht gehaltene, vor allem
(dem Schutz und) der Versorgung dienende Tier (Hund, Schaf, Ziege, Schwein,
Rind, Pferd, Esel, Maultier, Katze, Huhn, Gans, Ente, Taube). Der Berechtigte
wird durch allgemeine Regeln über Beschädigung und Wegnahme geschützt. Nach §
833 BGB haftet der Halter für einen von einem in Ausübung seines Berufs, seiner
Erwerbstätigkeit oder zu seinem Unterhalt gehaltenen Tier (H.) verursachten
Schaden weniger streng als für sonstige Tierschäden.
Lit.: Benecke, N., Archäozoologische Studien zur Entwicklung der
Haustierhaltung in Mitteleuropa, 1994; Schmalhorst, R., Die Tierhalterhaftung
im BGB, 2002; Meier, F., Mensch und Tier im Mittelalter, 2008; Regnath, J., Das
Schwein im Wald, 2009
Haustüre ist die das Haus nach außen abschließende Türe
des Hauses.
Haustürgeschäftswiderrufsgesetz ist das deutsche Gesetz vom 16. 1.
1986, das im Interesse des Verbrauchers bestimmt, dass eine auf Abschluss eines
Vertrags über eine entgeltliche Leistung gerichtete Willenserklärung eines
Kunden in bestimmten Fällen erst wirksam wird, wenn sie der Kunde nicht binnen
einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. Sein Inhalt wird 2002 in das
Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen (§§ 312ff. BGB).
Lit.: Köbler, DRG 266
Hauswirtschaft ist die auf den einzelnen Haushalt
beschränkte, alle verwendeten Güter herstellende und verbrauchende Wirtschaft.
Sie ist bereits im antiken Rom zugunsten der Marktwirtschaft aufgegeben. Im
Frühmittelalter erweitert sie sich auf die jeweilige Grundherrschaft und
tritt seit dem Hochmittelalter zurück, um seit dem 19. Jh. fast gänzlich ihre
Bedeutung zu verlieren.
Lit.: Köbler, DRG 67, 77; Bauer, L./Matis, H., Geburt
der Neuzeit, 1988
Haut und Haar ist eine mittelalterliche
Bezeichnung für bestimmte Leibesstrafen (Prügeln, Scheren).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Schouwe, U., Mit Haut
und Haar, 1994
Haverei (Haverie, Herkunft des Wortes
streitig) ist der während einer Schifffahrt an Fahrzeug und Ladung entstehende
Schaden. Dazu übernimmt bereits das römische Recht die im hellenistischen (bzw.
vielleicht im phönizischen) Bereich entwickelte (lat.) →lex (F.) Rhodia
de iactu (rhodisches Gesetz über den Seewurf, Digesten 14, 2), nach welcher der
Schiffer, der in Seenot Güter eines Befrachters ins Meer wirft und sein Schiff
rettet, dem geschädigten Befrachter zur Erstattung eines anteiligen
Ausgleichs entsprechend dem Wert der Ladungen der anderen Befrachter verpflichtet
ist, gegen die er seinerseits Rückgriff nehmen darf. Im Hochmittelalter ändern
dies die →Rôles d’Oléron in gewisser Weise ab. Auch das Hamburger
Stadtrecht bildet Regeln über die H. aus, wobei im 18. Jh. zwischen kleiner,
nur das Frachtgut betreffender, und großer, auch das Schiff erfassender H.
unterschieden wird. Über die Ordonnance (française) de la marine (1681), die
Havereiordnung Hamburgs (1731), den Code de commerce (1807) und das
→Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (1861) gehen diese Regeln in das
deutsche Handelsgesetzbuch (1897) ein. Daneben gelten international
York-Antwerpener Regeln von 1864/1877 für die große H.
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Claussen, C., Über die lex
Rhodia de iactu, Diss. jur. Kiel 1876; Heck, P., Das Recht der großen Haverei,
1889; Reincke, H., Die ältesten Formen des hamburgischen Schiffsrechts,
Hamburg. Geschbll. 63 (1968); Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der rôles
d’Oléron, 1970; Landwehr, G., Die Haverei in den mittelalterlichen deutschen
Seerechtsquellen, 1985; Dreyer, T., Die Assekuranz- und Havereyordnung der
freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Landwehr, G., Zur
Begriffsgeschichte der Haverei, FS H. Niederländer, 1991, 57; Gaurier, D., Le
droit maritime romain, 2004; Lindemann, S., Die Gefahrengemeinschaft bei der
Seehandelsfahrt nach den mittelalterlichen Statutarrechten, 2004
Heberolle ist ein Abgabenverzeichnis.
Lit.: Die Heberolle des Klosters Freckinhorst, hg. v. Friedländer, E.,
1953
hebräisch →Israel, Jude
Heck, Philipp (St. Petersburg 22. 7. 1858-Tübingen 28. 6.
1943) wird nach dem Studium von Mathematik in Leipzig und des Rechtes in
Heidelberg und Berlin und der Promotion und Habilitation in Berlin (Levin
Goldschmidt 1889) Professor in Greifswald (1891), Halle (1892) und Tübingen
(1901). Er begründet in der Nachfolge Rudolf von Iherings die gegen
→Begriffsjurisprudenz und →freie Rechtsschule gerichtete
→Interessenjurisprudenz, die Lücken im Recht durch Vergleich
gesetzlicher Entscheidungen von Interessengegensätzen (oder bei deren Fehlen
durch persönliches Wertempfinden) schließen will. Daneben verfasst er
Grundrisse zum Schuldrecht (1929) und Sachenrecht (1930) und zahlreiche
rechtsgeschichtliche Arbeiten.
Lit.: Das Problem der Rechtsgewinnung, 1912, 2. A.
1932; Heck, P., Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz, 1932; Kallfass,
W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972; Wolf, M., Philipp
Heck als Zivilrechtsdogmatiker, 1996; Schoppmeyer, H., Juristische Methode als
Lebensaufgabe, 2001; Auer, M., Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP
2008, 517
Hedemann, Justus Wilhelm (Brieg 24. April
1878-Berlin-Frohnau 13. 3. 1963) wird nach dem Studium des Rechtes und der 1903
bei Otto Fischer in Breslau erfolgten Habilitation 1906 Professor in Jena (1919
Institut für Wirtschaftsrecht) und 1936 in Berlin, wo er 1946 wegen seiner Nähe
zum Nationalsozialismus vorzeitig emeritiert wird. Rechtsgeschichtlich bedeutsam
ist sein Werk über Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert(, 1910ff.).
Kurzzeitig warnt er 1932 vor der Flucht in Generalklauseln.
Lit.: Wegerich, C., Die Flucht in die Grenzenlosigkeit, 2004
Heer ist der zu Land kämpfende Teil der Streitkräfte.
Sowohl in Rom wie auch bei den Germanen ist das H. zunächst allgemeines
Volksheer. In Rom beginnt mit Marius (um 100 v. Chr.) die Umwandlung in ein
Berufsheer von Söldnern, das nach Bedarf aufgestellt wird. Bereits unter
Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) ist ein stehendes H. von 27-28 Legionen zu
6000 Männern vorhanden (Berufsarmee), zu dem Hilfstruppen in gleicher Stärke
kommen. Für die Zeit um 395 n. Chr. wird die Zahl der römischen Soldaten auf
rund 500000 (darunter viele Männer barbarischer Herkunft geschätzt Seit dem
Frühmittelalter (9. Jh.-12. Jh.) verschwindet bei den germanistischen Nachfolgevölkern
das Volksheer der einfachen Freien und wird (wohl auch wegen der Italienzüge)
durch ein ständisches Reiterheer (Ritter) im Umfang von meist nicht mehr als
2000 Gepanzerten ersetzt. In der Mitte des 12. Jh.s sind Söldner im H.
Friedrichs I. Barbarossa belegt. An die Stelle des Reiterheers tritt seit dem
14. Jh. der berufsmäßige, zunächst mit Lanze, dann mit Feuerwaffen ausgerüstete
Fußsoldat, der nach Bedarf angeworben wird (Landsknechte, Wort Heerfahrt
schwindet). Das Reichsheer besteht aus geringen Kontingenten der Reichsstände,
wobei sich die mächtigeren Fürsten zunehmend ihren Gestellungsverpflichtungen
entziehen. Die Lücke füllt im eigenen Interesse Habsburg. Seit der Mitte des
17. Jh.s strebt der Landesherr ein stehendes H. an. Dabei ersetzt später die
Aushebung die Anwerbung (Preußen 1733). Zu Beginn des 19. Jh.s wird die
allgemeine Wehrdienstpflicht eingeführt (Preußen 3. 9. 1814). 1919 wird das
deutsche H. auf 100000 Mann beschränkt, doch durchbricht Adolf Hitler bald
diese Einschränkung. Im zweiten Weltkrieg werden etwa 5,3 Millionen von rund 15
Millionen deutschen Soldaten getötet. 1945 wird nach dem Waffenstillstand das
Heer des Deutschen Reiches aufgelöst. 1956 wird die Bundeswehr der
Bundesrepublik Deutschland (und im Gleichlauf die Nationale Volksarmee der ehemaligen
Deutschen Demokratischen Republik) eingerichtet. Ab 2011 wird in Deutschland
die Wehrpflicht ausgesetzt und ein Berufsheer aufgebaut.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29 III; Köbler, DRG
112, 150, 152, 198; Köbler, WAS; Stein, L. v., Die Lehre vom Heerwesen, 1872;
Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung in den deutschen Heeren zu Beginn
der Neuzeit, 1904; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915),
455; Grosse, R., Römische Militärgeschichte, 1920; Wohlers, G., Die staatsrechtliche
Stellung des Generalstabes in Preußen und dem deutschen Reich, 1921; Niemann,
A., Kaiser und Heer, 1923; Frauenholz, E. v., Entwicklungsgeschichte des
deutschen Heerwesens, 1935ff.; Huber, E., Heer und Staat in der deutschen
Geschichte, 1938; Höhn, R., Verfassungskampf und Heereseid, 1938; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Conrad, H., Gottesfrieden
und Heeresverfassung, ZRG GA 61 (1941), 71; Merzbacher, F., Der Artikelbrief
für die Reichsarmee von 1682, ZRG GA 69 (1952), 349; Hencke, U., Die
Heeresverfassung des deutschen Bundes, Diss. jur. Tübingen 1955; Bodmer, J.,
Der Krieger der Merovingerzeit, 1957; Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der
deutschen Territorien von 1500 bis 1800, FG F. Hartung, 1958, 419; Keen, M.,
The Laws of War, 1965; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1966; Müller,
K., Das Heer und Hitler, 1969; Schweling, O./Schwinge, E., Die deutsche
Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus, 2. A. 1978; Contamine, P.,
La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die
Wehrmachtsjustiz im Dienste des Nationalsozialismus. Zerstörung einer Legende,
1987; Masson, P., Die deutsche Armee, 1996; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u.
a., 1999, 2. A. 2012; Verbrechen der Wehrmacht, hg. v. Hamburger Institut für
Sozialforschung, 2. A., 2002; Gilliver, K., Auf dem Weg zum Imperium, 2003;
Walter, D., Preußische Heeresreformen 1807-1870, 2003; Bald, D., Die
Bundeswehr, 2005; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Megargee, G.,
Hitler und die Generäle, 2006; Die Zeit nach 1945, hg. v. Neugebauer, K., 2008;
Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Neugebauer, K., 2008; Grillo, P.,
Cavalieri e popoli in armi, 2008; Albu-Lisson, D., Von der k. u. k. Armee zur
deutschen Wehrmacht, 2011; Birk, E. u. a., Die Luftwaffe in der Moderne, 2011
(bunter Sammelband); Stachelbeck, C., Deutschlands Heer und Marine im ersten
Weltkrieg, 2013; Siano, C., Die Luftwaffe und der Starfighter, 2016; Napp, N.,
Die deutschen Luftstreitkräfte im ersten Weltkrieg, 2017; Miliz oder Söldner?,
hg. v. Rogger, P. u. a., 2019
Heerbann ist im Frühmittelalter (Erstbeleg
in einem Immunitätsprivileg für Speyer um 665) der das →Heer betreffende
→Bann des Königs, dessen Aufgebotsrecht mit dem H. bewehrt ist.
Vielleicht schon in nachkarolingischer Zeit tritt der H. zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Sousa Costa, A. de, Studien
zu volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993; Bachrach, B.,
Warfare and military organization in pre-crusade Europa, 2002
Heeresgericht s. Kriegsgericht
Heerfahrt s. Heer
Heergewäte (Hergewäte, Wort seit 12. Jh.
belegt) ist die Heeresbekleidung für den Krieg. Das H. wird wohl schon seit dem
Frühmittelalter in einer Sondererbfolge an einen männlichen Verwandten
(ältesten Sohn) vererbt. In den Städten seit dem Hochmittelalter im Schwinden
begriffen, wird es zwischen dem 17. und 19. Jh. (Fehmarn) allgemein abgeschafft.
Lit.: Köbler, DRG 73, 89, 123, 162; Haff, K., Ein
Herwedekatalog, ZRG GA 48 (1928), 447; Bungenstock, W., Heergewäte und Gerade,
Diss. jur. Göttingen 1966
Heerschild (als Versinnbildlichung der Berechtigung zum
Aufgebot zum Heer) ist das Einteilungskriterium der
mittelalterlichen Ordnung der lehnsrechtlich gestuften Gesellschaft. Nach dem
Sachsenspiegel (1221-1224) hat der König den ersten H. Die geistlichen Fürsten
stehen im zweiten H., die weltlichen Fürsten im dritten. Wie weit die
(insgesamt als siebenstufig geschilderte) Heerschildordnung nach unten reicht
(Freie, Mannen der Freien, Mannen der Mannen der Freien), ist auch den
mittelalterlichen Zeitgenossen nicht völlig klar.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 98; Ficker, J.,
Vom Heerschilde, 1862, Neudruck 1964; Krieger, K., Die Lehnshoheit der
deutschen Könige, 1979; Spieß, K., Das Lehnswesen in Deutschland, 2. A. 2009
Hegel, Georg Friedrich Wilhelm (Stuttgart 27. 8.
1770-Berlin 14. 11. 1831), Beamtensohn, wird nach dem Studium von Philosophie
und Theologie in Tübingen Hauslehrer in Bern und in Frankfurt am Main und nach
der Habilitation (Jena 1801) und Tätigkeiten in Jena (1801-1807, 1805 ao.
Professor), Bamberg (1807-1808) und Nürnberg (Gymnasiallehrer 1808-1816)
außerordentlicher Professor in Heidelberg (1816) und Berlin (1818). Für H. ist
Weltgeschichte der notwendig fortschreitende Prozess, in dem sich der absolute
Geist seiner Freiheit im dialektischen Dreischritt von These, Antithese und
Synthese bewusst wird. In der tatsächlichen Umwelt versteht H. den preußischen
Staat als Verwirklichung der Freiheit. Damit wird zu Unrecht der Staat dem
Einzelnen stärker übergeordnet als notwendig.
Lit.: Hegel, G., Kritik der Verfassung Deutschlands
[um 1803], hg. v. Mollat, G., 1893; Hegel, G., Phänomenologie des Geistes,
1807; Hegel, G., Rechtsphilosophie, 1821; Marcic, R., Hegel und das
Rechtsdenken, 1970; Landau, P., Hegels Begründung des Vertragsrechts, ARSP 59
(1973), 117; Flechtheim, O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Materialien
zu Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Riedel, M., 1975; Theunissen, M., Sein und
Schein, 1980; Gessmann, M., Hegel, 1999; Schnädelbach, H., Hegels praktische
Philosophie, 2000; Fulda, F., Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 2003;
Hegel-Lexikon, hg. v. Cobben, P., 2006; Binkelmann, C., Theorie der praktischen
Freiheit, 2007; Senk, N., Junghegelianisches Rechtsdenken, 2007; Staat und
Religion in Hegels Rechtsphilosophie, hg. v. Arndt, A., 2009; Schäfer, R.,
Hegel, 2010; Rettig, B., Hegels sittlicher Staat, 2014; Winter, M., Hegels
formale Geschichtsphilosophie, 2014; Bertani, C., Hegels philosophische
Vertragslehre, ZRG GA 131 (2014), 182; Spekulation und Vorstellungin Hegels
enzyklopädischem System, hg. v. Drilo, K. u. a., 2015; Hegels Erben?, hg. v.
Kubiciel, M. u. a., 2017
Hegemonie (F.) Vormachtstellung
Lit.: Triepel, H., Die Hegemonie, 1938; Simpson, G., Great Powers and
Outlaw States, 2004; Malettke, K., Hegemonie - multipolares System -
Gleichgewicht, 2012
Hegung ist im deutschen Recht die
förmliche Eröffnung von gerichtlichen Versammlungen durch künstliche Abgrenzung
und Durchführung eines Frage-Antwort-Ritus. Alter und Herkunft der im 13. Jh.
eindeutig sichtbaren Vorgangsweise sind unklar. Bereits seit dem
Spätmittelalter wird die H. ziemlich sinnentstellt durchgeführt (, in Basel
wohl noch bis in das ausgehende 19. Jh.).
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 130; Burchard, K., Die Hegung, 1893;
Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 2 4. A. 1899, Neudruck 1922,
1989, 1994, 437, 483; Buchda, G., Die Hegung und Aufhebung des Vogtgerichts zu
Kindleben, ZRG GA 62 (1942), 355
Hehler ist, wer eine Sache, die ein
anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete
rechtswidrige Tat erlangt hat, ankauft, sich oder einem Dritten verschafft,
absetzt oder absetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Der H.
ist strafbar (→Der Hehler ist nicht besser als der Stehler). Bereits ein
Privileg Heinrichs IV. für die Juden in Speyer und Worms von 1090 bestimmt
aber, dass Juden, die gestohlene Sachen gegen Entgelt erworben haben, sie nur
gegen Ersatz des Kaufpreises herausgeben müssen (sog. Hehlerprivileg oder
Lösungsrecht, vgl. Sachsenspiegel Landrecht III, 7). Mit dem Ausgang des
Mittelalters verliert das Lösungsrecht an Bedeutung, ohne ganz zu verschwinden.
Die Hehlerei erscheint (nach Württemberg, Hannover und Sachsen) als eigener
Straftatbestand mit eigener Strafe 1847 im Entwurf für ein Strafgesetzbuch
Preußens, 1851 iin dem ihm folgenden Strafgesetzbuch und 1871 im Reichsstrafgesetzbuch.
→Der Hehler .
Lit.: Hübner 433; Kroeschell, DRG 2; Heimberger, J.,
Die Teilnahme an Verbrechen, 1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, 1925; Meyer, H., Das Hehlerrecht, (in) Forschungen zur
Judenfrage, Bd. 1 1937, 92; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G.
Kisch, 1955, 237; Kisch, G., Zur Rechtsstellung der Juden im Mittelalter, ZRG
GA 81 (1964), 360; Dersch, G., Begünstigung, Hehlerei und unterlassene
Verbrechensanzeige, 1980; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und
Hehlerei, 2002
Heidelberg am Neckar unterhalb einer wohl im
11. Jh. erbauten Burg wird seit dem 13. Jh. ein bedeutender Ort (1196 erstmals
erwähnt, zu Beginn des 13. Jh.s planmäßig angelegte Stadt) der seit 1214
wittelsbachischen Pfalzgrafen bei Rhein (vor 1225 als Lehen von Worms erlangt,
von der Mitte des 14. Jh.s bis 1720 Residenz), an dem 1386 eine Universität
(Mitte des 15. Jh.s römisches Recht) errichtet wird, an deren juristischer
Fakultät 1932 Eugen Ulmer, Heinrich Mitteis, Max Gutzwiller, Ernst Levy, Gustav
Radbruch, Gerhard Anschütz und Walter Jellinek (sowie Herbert Engelhard,
Leopold Perels, Eberhard Freiherr von Künßberg und Karl Geiler) lehren.
Lit.: Köbler, DRG 100; Dickel, G., Die Heidelberger
juristische Fakultät, 1960 (Diss. masch.schr. und, Ruperto-Carolina, Sonderband
Aus der Geschichte der Universität Heidelberg und ihrer Fakultäten 1961);
Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät im 19. Jahrhundert als
Spruchkollegium, 1964; Merkel, G., Wirtschaftsgeschichte der Universität
Heidelberg im 18. Jahrhundert, 1973; Willoweit, D., Das juristische Studium in
Heidelberg, (in) Semper apertus, FS Universität Heidelberg, hg. v. Doerr, W.,
Bd. 1 1985, 85; Landwehr, G., Heidelberger Juristen in sechs Jahrhunderten,
(in) Richterliche Rechtsfortbildung, FS der juristischen Fakultät zur
600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 1986, 653;
Heidelberger Strafrechtslehrer im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Küper, W.,
1986; Drüll, D. Heidelberger Gelehrtenlexikon, Bd. 1 ff. (1803-1932, 1652-1802,
1386-1651), 1986ff.; Der Humanismus und die oberen Fakultäten, hg. v. Keil, G.
u. a., 1987; Mußgnug, D., Die vertriebenen Heidelberger Dozenten, 1988; Wolf,
K., Die Heidelberger Universitätsangehörigen, 1991; Kolb, J., Heidelberg, 1999;
Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, Bd. 1f. 1999ff.; Remy, S., The
Heidelberg Myth, 2002; Fink, O., Kleine Heidelberger Stadtgeschichte, 2005; Die
Universität Heidelberg im Nationalsozialismus, hg. v. Weckart, W. u. a., 2006;
Cser, A., Kleine Geschichte der Stadt und Universität Heidelberg, 2008; Stipendienstiftungen
und Stipendiaten vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Beginn des
Dreißigjährigen Krieges, bearb. v. Merkel, G., 2008; Baur, S., Vor vier
Höllenrichtern, 2009; Vetter, V., Die ganze Stadt ist abgebrannt, 2009; Vogt,
H., Die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Aufbruch, 2009; Die im Dritten
Reich entrechteten und vertriebenen Mitglieder der Heidelberger Akademie, hg.
v. Heidelberger Akademie, 2009; Düll, D., Heidelberger Gelehrtenlexikon
1933-1986, 2009 (975 Professoren und 10 Professorinnen, in allen 4 Bänden 2843
Professoren); Cser, A., Die großen Heidelberger Fässer, 2009; Schroeder, K.,
Eine Universität für Juristen und von
Juristen, 2010; Leo, P., Wilhelm Groh, 2012: Heidelberger Thesen zu Recht und
Gerechtigkeit, hg. v. Baldus, C. u. a., 2013; Schroeder. K., Immer gerettet und
aufrecht geblieben – Die juristische Fakultät der kurpfälzischen Universität
Heidelberg von ihren Anfängen bis zum Jahre 1802, 2014; Schroeder, K., Sie
haben kaum Chancen, auf einen Lehrstuhl berufen zu werden – Die Heidelberger
juristische Fakultät und ihre Mitglieder jüdischer Herkunft, 2017
Heil (N.) Wohl
Lit.: Hartmann, H., Heil und heilig im nordischen
Altertum, 1943; Schmitz-Berning, C., Vokabular des Nationalsozialismus, 1998;
Simek, R., Religion und Mythologie der Germanen, 2003
Heilige Allianz ist das in Paris am 26. 9. 1815
zwischen Franz I. von →Österreich, Friedrich Wilhelm III. von
→Preußen und Alexander I. von →Russland abgesprochene religiös-moralische
Manifest, das neben dem Bekenntnis zur christlichen Religion und zu den
Grundsätzen der Legitimität, Legalität und Stabilität auch ein allgemeines
Beistandsversprechen enthält. Ihm treten fast alle christlichen Staaten
Europas bei (ausgenommen Papst und bis 1856 Sultan). Bereits 1823 außerhalb
Europas und 1830 in Europa (Belgien, Griechenland) wird das legitimistische
Interventionsprinzip auf Grund der sich entwickelnden Interessengegensätze der
beteiligten Mächte aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 170; Näf, W., Zur Geschichte der
Heiligen Allianz, 1928; Menger, P., Die Heilige Allianz, 2014
Heiliger (religiös vorbildlicher Mensch) →Reliquie
Lit.: Hattenhauer, H., Das Recht der Heiligen, 1976;
Wetzstein, T., Heilige vor Gericht. Das Kanonisationsverfahren im europäischen
Spätmittelalter, 2004; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005 (64
zwischen 993 und 1523); Angenendt, A., Die Gegenwart von Heiligen und
Reliquien, 2010; Gemeinhardt, P., Die Kirche und ihre Heiligen, 2014
Heiliger Stuhl →Papst
Heiliges römisches Reich (deutscher Nation) ist die
unscharfe, sich im Spätmittelalter ausformende Bezeichnung des (ersten)
deutschen Reiches (1474, amtlich 1512, um 1000 regnum Teutonicum, ab 962 [lat.]
imperium Romanum, Wipos Gesta Chuonradi 1040-1046, 1122 unter Anknüpfung an das
antike römische Reich Romanorum imperator [Kaiser der Römer], ab 1157
phasenweise [lat.] sacrum imperium [N., Heiliges Reich], seit der Spätzeit
Friedrich Barbarossas vereinzelt, seit etwa 1230 häufiger sacrum Romanum
imperium). Das H. R. R. (ostfränkisch-deutsches Reich, Italien und ab 1033
Burgund) wird getragen von →König bzw. Kaiser und →Reichsständen.
Seit dem Spätmittelalter geht Burgund überwiegend an Frankreich verloren und
bleiben die Reichsfürsten Italiens dem Reichstag fern. Vielfach als (lat.
[N.]) corpus eingeordnet endet das reformunfähige H. R. R. auf den politischen
Druck Napoleons (ultimative Rücktrittsforderung an den Kaiser vom 22. 7. 1806)
am 6. 8. 1806 mit der Niederlegung der Krone des Deutschen Reiches durch Kaiser
Franz II. (aus der Familie der →Habsburger). Die h. M. legt den im 15.
Jh. aufkommenden, tatsächlichen Zusatz „Deutscher Nation“ als auf das deutschsprachige
Gebiet einschränkend aus. Die (materielle) →Verfassung des Heiligen
römischen Reiches wird durch eine Reihe von einzelne Fragen behandelnden
„Grundgesetzen“ bestimmt, die man bereits mit dem Wormser Konkordat von 1122
beginnen lassen kann (vor allem Licet iuris 1338, Goldene Bulle 1356, Wiener
Konkordat 1448, Ewiger Landfriede 1495, Reichskammergerichtsordnung 1495,
Augsburger Reichsabschied 1555, Westfälischer Friede 1648, Jüngster
Reichsabschied 1654, Reichshofratsordnung 1654, Capitulatio perpetua 1711,
Reichsdeputationshauptschluss 1803). 1795 schließt Preußen mit Frankreich den
Frieden von Basel, der das Heilige römische Reich in eine nördliche
Friedenszone und eine südliche Kriegszone teilt. 1797 verzichtet der Kaiser des
Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in Italien. Im Frieden von
Pressburg Ende (1805) erreichen Bayern, Württemberg und Baden Souveränität. Am
1. 8. 1806 erklären die 16 Staaten des Rheinbunds vor dem Reichstag ihren
Austritt aus dem Heiligen römischen Reich, Auf ultimative Aufforderung
Napoleons legt Kaiser Franz II. am 6. 8. 1806 durch Lösung des bisher
bestehenden Bandes die Krone des Heiligen römischen Reiches nieder. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Territorien_im_Heiligen_Römischen_Reich
verzeichnet 685 einzelne deutsche Reichsteile. S. a.
http://www.koeblergerhard.de/HELD-HP/held12.htm
Lit.: Köbler, DRG 110, 133; Krebs, C., Teutscher
Reichsstaat, Teil 1f. 1706f.; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Bd. 1ff.
1737ff., Neudruck 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation,
1910; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des Heil(igen) Röm(ischen) Reiches,
ZRG GA 52 (1932), 65; Diehl, E., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, HZ
156 (1937), 457; Wesenberg, G., Die Privatrechtsgesetzgebung des Heiligen
römischen Reiches, Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 187; Heer, F., Die Tragödie
des heiligen Reiches, Bd. 1f. 1952f.; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges römisches
Reich 1776-1806, 1967; Randelzhofer, A., Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen
römischen Reiches nach 1648, 1967; Recht und Verfassung des Reiches in der Zeit
Maria Theresias, hg. v. Conrad, H., 1964; Aretin, K., Frhr. v., Heiliges
römisches Reich 1776 bis 1806, Bd. 1f. 1967; Das Staatsrecht des Heiligen
römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Wenkebach, H.,
Bestrebungen zur Erhaltung der Einheit des heiligen römischen Reiches, 1970;
Koch, G., Auf dem Wege zum sacrum imperium, 1972; Schubert, E., König und
Reich, 1979; Bussi, E., Diritto e politica in Germania nel 18. secolo, 1971;
Aretin, K. Frhr. v., Das Alte Reich, Bd. 1ff. 1980ff. (Band 4 Register);
Walter, G., Der Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Nonn, U.,
Heiliges römisches Reich deutscher Nation, ZHF 9 (1982), 129; Hammerstein, N.,
Das Römische am Heiligen römischen Reich, ZRG GA 100 (1983), 119; Kohler, A.,
Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa, 1990, 2. A. 2010; Heiliges
Römisches Reich und moderne Staatlichkeit, hg. v. Brauneder, W., 1993; Aretin,
K. v., Das alte Reich 1648-1806, Bd. 1ff. 1993ff.; Luh, J., Unheiliges
Römisches Reich, 1995; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Essig, M., Das
Reich als europäische Vision, 1999; Schmidt, G., Geschichte des alten Reiches,
1999; Marquardt, B., Das römisch-deutsche Reich als segmentäres
Verfassungssystem, 1999; Hartmann, P., Kulturgeschichte des heiligen römischen
Reiches 1648 bis 1806, 2001; Imperium Romanum – irregulare corpus – Teutscher
Reichs-Staat, hg. v. Schnettger, M., 2002; Schwarz, J., Herrscher- und
Reichstitel, 2003; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003, 4. A. 2012;
Prietzel, M., Das heilige römische Reich im Spätmittelalter, 2004, 2. A. 2010;
Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Herbers, K. u. a., Das Heilige
römische Reich, 2005, 2. A. 2006; Mazohl-Wallnig, B./Böschle, A., Zeitenwende
1806, 2005; Hartmann, P., Das Heilige römische Reich in der Neuzeit, 2005;
Stollberg-Rilinger, B., Das heilige römische Reich deutscher Nation, 2006;
Lesebuch altes Reich, hg. v. Wendehorst, S. u. a., 2006; Kraus, H., Das Ende
des alten Deutschland, 2006; Heiliges römisches Reich deutscher Nation 962 bis
1806, hg. v. Puhle, M. u. a., 2006; Externbrink, S., Friedrich der Große, Maria
Theresia und das alte Reich, 2006; Weinfurter, S., Das Reich im Mittelalter,
2008; Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich
(1350-1798), 2008; Burgdorf, W., Ein Weltbild verliert seine Welt, 2. A. 2009;
Vielhaber, T., Reformperspektiven zur Reichsverfassung im Jahrhundert nach
dem westfälischen Frieden, Diss. Bonn 2008; Müller-Mertens, E., Römisches Reich
im Frühmittelalter, HZ 288 (2009), 51; Herbers, K. u. a., Das heilige römische
Reich, 2010; Rudolph, H., Das Reich als Ereignis, 2010; Wefers, S., Das Primat
der Außenpolitik, 2013; Whaley, J., Das Heilige römische Reich deutsher Nation
1493-1648, 2014
Heilung (von Rechtsgeschäften) →Konvaleszenz
Heim (N.) Wohnung, Siedlung
Heimatzufluchtsrecht ist das ursprünglich gewohnheitsrechtlich oder
vertraglich, im 19. Jh. auch gesetzlich begründete Recht eines notleidenden
Geschwisters eines Hoferben auf zeitlich begrenzte Rückkehr in das Elternhaus.
Lit.: Buchenroth, A., Die Heimatzuflucht nach § 30 Absatz 3
Reichserbhofgesetz, 2004
Heimbürge (Wort seit 9. Jh. belegt) ist
seit dem Hochmittelalter der (oft jährlich von der Gemeinde gewählte) Leiter
(von Ortsgericht und Verwaltung) einer meist dörflichen Gemeinde zwischen
Elsass und Thüringen (Mühlhausen), der endgültig im 19. Jh. verschwindet.
Lit.: Wiemann, H., Der Heimbürge, 1962; Schildt, B.,
Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996; Hagner, U., Zwischen Heimbürge und
Schultheiß, 2014
Heimfall ist der Anfall (bzw. Einzug) des
Nachlasses erbenlos verstorbener Menschen. Er steht als Recht teils dem
Grundherrn, teils dem Lehnsherrn, teils der Gemeinde, teils dem König oder
Landesherrn bzw. Staat zu. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der
→Fiskus gesetzlicher Erbe.
Lit.: Hübner 777; Tomaschek, J., Das Heimfallsrecht,
1882; Brünneck, W. v., Das Heimfallsrecht und die Gütervereinigung im älteren
böhmisch-mährischen Recht, ZRG GA 20 (1899), 1; Poll, B., Das Heimfallsrecht
auf den Grundherrschaften Österreichs, 1925, Neudruck 1978; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 149; Jewell, H., English Local
Administration, 1972
Heimtücke (F.) Hinterhältigkeit, (BGH 1953)
bewusstes Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers, (Vorentwurf eines
StGB der Schweiz 1894, § 211 StGB vom 4. 9. 1941, § 112 StGB-DDR 1968,)
Lit.: Thomas, S., Die Geschichte des Mordparagraphen,
1985; Dörner, B., Heimtücke, 1998; Linka, K., Mord und Totschlag, 2008; David,
A., Die Entwicklung des Mordtatbestands im 19. Jahrhundert, 2009
Heineccius (Heinecke), Johann Gottlieb (Eisenberg in
Thüringen 11. 9. 1681-Halle 31. 8. 1741) wird nach dem Studium der Theologie in
Leipzig (1698-1703) und des Rechtes in Halle (Stryk, Thomasius, Böhmer,
Gundling, Ludewig) 1713 Philosophieprofessor und nach der
rechtswissenschaftlichen Promotion (1716) 1720 außerordentlicher und 1721
ordentlicher Rechtsprofessor in Halle, Franeker (1723), Frankfurt an der Oder
(1727) und (gegen seinen Willen) Halle (1733). Seine dogmatischen Grundrisse
(darunter die erste geschlossene Darstellung des deutschen Privatrechts und das
erste römischrechtliche Lehrbuch moderner Form) machen ihn zum einflussreichsten
deutschen Juristen des 18. Jh.s (Antiquitatum Romanarum syntagma [N.], 1721,
Elementa [N.Pl.] iuris civilis secundum ordinem institutionum, 1725 [insgesamt
176 Ausgaben], Elementa [N.Pl.] pandectarum, 1727, Jurisprudentia [F.] Romana,
1738ff., Antiquitates [F.Pl.] Germanicae jurisprudentiam patriam illustrantes,
1772ff., Elementa [N.Pl.] iuris Germanici, 1735f. [erste geschlossene
Darstellung des deutschen Privatrechts], Elementa [N.Pl.] iuris naturae et
gentium, 1737, deutsch 1994, Grundzüge des Natur- und Völkerrechts).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HeinecciusJohannGottliebElementaiurisGermanici1736Teil1.pdf;
Köbler, DRG 144; Heineccius, J., Opera omnia, Bd. 1ff. 1744ff., Neudruck
2010ff.; Reibstein, E., J. G. Heineccius als Kritiker des grotianischen
Systems, Zs. f. ausl öff. Recht und Völkerrecht 24 (1964), 236; Luig, K., Die
Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1 (1967), 195;
Elementa iuris naturae et gentium (deutsch), hg. v. Bergfeld, C., 1994;
Wardemann, P., Johann Gottlieb Heineccius (1681-1741). Leben und Werk, 2007
Heingereiden (Haingeraiden) sind (16) seit dem
13. Jh. (1256) nachweisbare dörfliche Marknutzungsverbände (z. B. Wanzenau im
Oberelsass) von den Vogesen bis zur Haardt, die seit 1792 von Frankreich
beseitigt werden. sowie verschiedene andere Großmarken (z. B. Bieger Mark,
Dieburger Mark) überwiegend auf fränkischem Boden.
Lit.: Christmann, E., Name und Entstehung der
pfälzischen Heingereiden, ZGO 99 (1951), 407; Ziegler, H., Die Auflösung der
Haingeraiden, Pfälzer Heimat 20 (1969), 20
Heinrich der Löwe (1128/1129?, 1133/1135?-Braunschweig
6. 8. 1195), →Welfe, Herzog von Sachsen (1142) und Bayern (1156),
gefährdet durch seine beinahe königliche Machtstellung den mit ihm verwandten
deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa (→Staufer), mit dem er infolge
der Unterstützung bei der Wahl zunächst lange erfolgreich zusammenwirkt. Da er
nach der Verweigerung der Unterstützung in Italien 1176 mehreren Ladungen in
einem von Fürsten wegen Landfriedensbruchs eingeleiteten Verfahren vor dem
Kaiser nicht Folge leistet, wird er im Juni 1179 (29. Juni?) geächtet und als
Folge des Nichterscheinens in einem daraufhin wegen Nichtachtung der Majestät
begonnenen Verfahren im Januar 1180 für aller Reichslehen verlustig erklärt. Im
April 1180 wird das Herzogtum Sachsen in Westfalen (an den Erzbischof von Köln)
und (östliches) Sachsen (Bernhard von Askanien) geteilt, im September 1180 das
Herzogtum Bayern an Otto von →Wittelsbach gegeben. H. d. L. behält nur
die Eigengüter um Braunschweig und Lüneburg. Mit der Zerschlagung des Stammesherzogtums
Sachsen wird die Bildung von →Ländern weiter gefördert.
Lit.: Güterbock, F., Der Prozess Heinrichs des Löwen,
1909; Haller, J., Der Sturz Heinrichs des Löwen, Archiv für Urkundenforschung 3
(1911), 295; Niese, H., Zum Prozess Heinrichs des Löwen, ZRG GA 34 (1913), 195;
Moeller, R., Die Neuordnung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1;
Schambach, K., Noch einmal die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des
Löwen, Zs. d. hist. Ver. für Niedersachsen 81 (1916), 1, 83 (1918), 189; Güterbock,
F., Die Gelnhäuser Urkunde und der Prozess Heinrichs des Löwen, 1920;
Hüttebräuker. L., Das Erbe Heinrichs des Löwen, 1927; Haendle, O., Die
Dienstmannen Heinrichs des Löwen, 1930; Hasenritter, F., Beiträge zum Urkunden-
und Kanzleiwesen Heinrichs des Löwen, 1936; Hildebrand, R., Der sächsische
„Staat“ Heinrichs des Löwen, 1937; Läwen, G., Die herzogliche Stellung
Heinrichs des Löwen in Sachsen, Diss. phil. Königsberg 1937; Ganahl, K., Neues
zum Text der Gelnhäuser Urkunde, MIÖG 53 (1940), 287; Die Urkunden Heinrichs
des Löwen, bearb. v. Jordan, K., 1941ff.; Schambach, K., Der genaue Tag des
Achtspruches, ZRG GA 69 (1952), 309; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Welfische Städtegründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Jordan, K., Heinrich
der Löwe, 1979, 2. A. 1980, 4. A. 1996; Heinrich der Löwe, hg. v. Mohrmann, W.,
1980; Engels, O., Stauferstudien, 1988; Heinrich der Löwe, hg. v. Luckhardt,
J., 1995; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 1997; Seibert, H., Heinrich der Löwe
und die Welfen, HZ 268 (1998), 375; Gaethke, H., Herzog Heinrich der Löwe und
die Slawen nordöstlich der unteren Elbe,1999; Heinrich der Löwe, hg. v. Fried,
J. u. a., 2003; Ehlers, J., Heinrich der Löwe, 2008
Heinrich I. (um 876-Memleben 2. 7. 936) 919 deutscher
König, Begründer des Königsgeschlechts der Ottonen
Lit.: Giese, W., Heinrich I., 2007
Heinrich II. (6. 5. 978 oder 973-Pfalz Grone 13. 7. 1024) Urenkel
Heinrichs I., fünfter und letzter König des Königsgeschlechts der Ottonen
Lit.: Weinfurter, S., Heinrich II., 1999, 3. A. 2002
Heinrich III. (28. 10. 1017-Bodfeld 5. 10. 1056) zweiter
deutscher König des Königsgeschlechts der Salier, der 1046 das Papstschisma
beendet, aber bereits mit 39 Jahren stirbt.
Lit.: Boshof, E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008
Heinrich IV. (Goslar? 11. 11. 1050-Lüttich 6. 8. 1106)
dritter deutscher König des Königsgeschlechts der Salier, der mit 6 Jahren die
Herrschaft übernimmt und 1076 anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand
mit Papst Gregor VII. in Streit gerät (Investiturstreit), aber sich durch den
Gang nach Canossa vom Kirchenbann lösen kann.
Lit. Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 3. A. 2012; Heinrich IV., hg. v.
Althoff, G., 2009
Heinrich V. (11. 8. 1086?-Utrecht 23. 5. 1125) vierter und
letzter deutscher König aus dem Geschlecht der Salier, der 1105 seinen Vater
entmachtet und 1122 das Wormser Konkordat mit dem Papst schließt.
Lit.: Boshof, E., Die Salier, 1987, 5. A. 2008; Heinrich V. in seiner
Zeit, hg. v. Lubich, G., 2013
Heinrich VI. (Nimwegen 1165-Messina 28. 9. 1197) dritter
König aus dem Königsgeschlecht der Staufer, der vergeblich versucht, das Erbe
seiner Frau Konstanze von Sizilien einzunehmen, und bereits mit 32 Jahren
stirbt.
Lit.: Kaiser Heinrich VI., hg. v. d. Gesellschaft für staufische
Geschichte e. V: 1998; Jericke, H., Kaiser Heinrich VI., 2008
Heinrich von Segusia →Hostiensis
Heirat (F.) (1050, Heiratsregister 1875)
→Eheschließung
Lit.: Mantl, E., Heirat als Privileg, 1997; Liebl, R.,
Ein Königreich als Mitgift, 1998; Weller, T., Die Heiratspolitik des deutschen
Hochadels im 12. Jahrhundert, 2004; Kaiser,
D., Die elterliche Einwilligung, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Heirat macht mündig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996 (Hillebrand 1858)
Heiratsabgabensystem ist bei der Gütertrennung (Ehegüterrecht) die
vereinbarte Übergabe von Heiratsgut (Mitgift, Heimsteuer) durch die Ehefrau
(oder ihre Eltern) an den Ehemann und die vereinbarte Gegenleistung des
Ehemanns an die Ehefrau (Widerlegung, Morgengabe), wobei beide Leistungen
durch Liegenschaftspfandrecht gesichert werden. Im 19. Jh. tritt das H. zurück.
Den folgenden Kodifikationen des bürgerlichen Rechtes ist es unbekannt.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des
Ehegüterrechts in Österreich, 1973; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Heiratserlaubnis ist die Erlaubnis der Eheschließung
eines Menschen mit einem anderen durch einen Dritten. Im Frühmittelalter
bedarf die nach kirchlicher Ansicht selbst zur Eheschließung berechtigte Braut
(zumindest noch) der H. des Inhabers der Personalgewalt, die später auf die
Fälle fehlender Ehemündigkeit eingeschränkt wird. Daneben benötigt der Unfreie
die H. des Grundherrn. Seit dem 16. Jh. begründet der Landesherr Heiratserlaubnisse
für Beamte, Soldaten, Kranke, Mittellose, Witwen u. s. w. Die Aufklärung drängt seit dem
ausgehenden 18. Jh. die H. allgemein zurück, doch sieht noch das Ehepatent
Josephs II. für Österreich von 1783 die Nichtigerklärung der Eheschließung wegen
fehlender Ehebewilligung vor, enthält noch das Ehegesetz von 1938 eine H. für
Soldaten. und kennt noch das deutsche Gesetz vom 4. 5. 1998 ein begrenztes
Vetorecht der Eltern (in § 1303 III BGB).
Lit.: Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung,
1865; Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der
Verehelichung, 1866; Köstler, R., Die väterliche Ehebewilligung, 1908;
Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 30; Schwab, D.,
Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967;
Saar, S., Ehe - Scheidung - Wiederheirat, 2002; Frassek, R., Eherecht und
Ehegerichtsbarkeit in der Reformationszeit, 2005
Heiratszwang ist der in familärer und obrigkeitlicher Form
mögliche Zwang zur Heirat, der in früheren Zeiten besteht, aber unter dem
Einfluss der Kirche (bereits im Hochmittelalter) und der Aufklärung
(spätestens im 19. Jahrhundert) verschwindet.
Lit.:Thudichum, F., Über unzulässige Beschränkungen des Rechts der
Verehelichung, 1866; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der ersten Nacht, 1999
heischen, V., verlangen, fordern, laden, s. ausheischen
heitstrenging, an., Sb., Festbinden eines Versprechens,
Gelübde
Lit.: Näsström, B., Blot, 2002
Heldensage ist die (lange mündlich überlieferte) Sage von
Taten hervorragender Menschen (Helden) (und Götter) in Altertum und Mittelalter
(z. B. Äneas, Odysseus, Herkules, Romulus, Siegfried, Hildebrand,
Wolfdietrich), in die auch rechtlich bedeutsame Geschehnisse eingeflochten
sein können.
Lit.: Schneider, H., Germanische Heldensagen, 2. A. 1962; Haferland,
H., Mündlichkeit, Gedächtnis und Medialität, 2004; Kropik, C., Reflexionen des
Geschichtlichen, 2008
Helgoland
Lit.: Moeller, E, v., Die Rechtsgeschichte der Insel Helgoland, 1904;
Rüger, J., Heligoland – Britain, Germany and the Struggle for the Noth Sea,
2017
Heliand („Heiland“) ist die nach der
lateinischen Übersetzung (6. Jh.) der Evangelienharmonie des Syrers Tatian (2.
Jh.) vor 850 (wohl in Fulda oder Werden) verfasste, in 5 Handschriften(fragmenten)
überlieferte, 5983 (erhaltene) Zeilen (Verse) umfassende altsächsische
Stabreimdichtung. Es ist streitig, in welchem Umfang das Werk frühmittelalterliches
Recht wiedergibt (Herrschaft, Stände, Rüge).
Lit.: Vilmar, A., Deutsche Altertümer im Heliand,
1845, 2. A. 1862; Lagenpusch, E., Das germanische Recht im Heliand, 1894; Kuhn,
H., Die Grenzen der germanischen Gefolgschaft, ZRG GA 73 (1956), 28; Sowinski,
B., Darstellungsstil und Sprachstil im Heliand, 1985; Heliand und Genesis, hg.
v. Taeger, B., 10. A. 1996
Hellenismus ist ursprünglich der richtige
Gebrauch der griechischen Schriftsprache, später die Ausbreitung griechischer
Kultur seit Alexander dem Großen (356-13. 6. 323 v. Chr.).
Lit.: Kaser §§ 1 II 2, 3 III 4; Söllner §§ 18, 19, 22;
Kreissig, H., Geschichte des Hellenismus, 1984; Gehrke, H., Geschichte des
Hellenismus, 3. A. 2003, 4. A. 2008; Hellenismus, hg. v. Funck, B., 1997; Die
Rezeption der Antike, hg. v. Konstantinou, E., 1998; Christ, K., Hellas, 1999;
Heinen, H., Geschichte des Hellenismus, 2003; Lexikon des Hellenismus, hg. v.
Schmitt, H./Vogt, E., 2005; Meißner, B., Hellenismus, 2007; Kulturgeschichte
des Hellenismus, hg. v. Weber, G., 2007; Errington, R. A History of the
Hellenistic World 323-30 Bc, 2008; Wolf, M., Die Agora von Solunt, 2013;
Geiger, J., Hellenism in the East, 2014; Scholz, P., Der hellenismus, 2015
Heller, Hermann Ignatz (Teschen/Schlesien
17. 7. 1891-Madrid 5. 11. 1933), jüdische Abstammung, Rechtsanwaltssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Wien, Innsbruck und Graz 1920 in Kiel (Gustav
Radbruch) habilitiert, 1921 Dozent in Leipzig und Referent am Institut für
ausländisches öffentliches Recht in Berlin sowie 1928 zum außerordentlichen
Professor in Berlin und 1932 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main
(bis 7. 4. 1933, Flucht nach Spanien) ernannt. Er versteht in der Staatslehre
den Staat als sozialen Rechtsstaat und setzt sich für einen national gesinnten
Sozialismus ein.
Lit.: Robbers, G., Hermann Heller, 1983; Der soziale
Rechtsstaat, hg. v. Müller, C./Staff, J., 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 767; Fiedler, W., Das Bild Hermann
Hellers, 1994; Goller, P., Hermann Heller, 2002; Henkel, M., Hermann Hellers
Theorie der Politik und des Staates, 2011
Helmarshausen
Lit.: Hoffmann, H., Bücher und Urkunden aus Helmarshausen und Corvey,
1992
Helmbrecht ist die um 1270 vielleicht im Innviertel von
Wernher dem Gartenaere verfasste, in zwei Handschriften überlieferte Geschichte
eines sich gegen seinen Stand auflehnenden Bauernsohns, die möglicherweise
auch Rechtswirklichkeit widerspiegelt.
Lit.: Die Märe von Helmbrecht, hg. v. Panzer, F., 9. A. 1974; Menke,
P., Recht und Ordo-Gedanke im Helmbrecht, 1993
Helmstedt (Ersterwähnung Helmonstede 952, 1247 Stadt) ist von 1576 bis 1810 Sitz einer
vom Herzog von Braunschweig gegründeten Universität (1589 340 Studenten,
Hermann Conring).
Lit.: Behse, A., Die juristische Fakultät der
Universität Helmstedt im Zeitalter des Naturrechts, 1920; Baumgart, P./Pitz,
E., Die Statuten der Universität Helmstedt, 1963; Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der juristischen Fakultät zu Helmstedt, 1972; Haase, H., Die
Universität Helmstedt 1576-1810, 1976; Die Matrikel, bearb. v. Mundhenke, H.,
1979; Kundert, W., Katalog der Helmstedter juristischen Disputationen, 1984
(2774 Titel); Hahn, P., Die Gerichtspraxis der altständischen Gesellschaft im
Zeitalter des Absolutismus. Die Gutachtertätigkeit der Helmstedter
Juristenfakultät, 1989; Müller, H., Helmstedt, 1998; Alschner, U., Universitätsbesuch
in Helmstedt, 1998; Ahrens, S., Die Lehrkräfte der Universität Helmstedt, 2004¸
Maaser, M., Humanismus und Landesherrschaft, 2010; Casemir, K. u. a., Die
Ortsnamen des Landkreises Helmstedt und der Stadt Wolfsburg, 2011
Helsinki (Helsingfors) wird 1550 vom König
von Schweden gegründet und 1640 verlegt. Am neuen Ort erhält es eine
Universität. 1812 wird es Hauptstadt des russischen Großfürstentums
→Finnland.
Helvetische Republik ist die nach dem keltischen, von
Caesar 58 v. Chr. besiegten Stamm der Helvetier benannte, von Frankreich
(Napoleon) beeinflusste Republik in der →Schweiz (1798-1803).
Lit.: Levi, R., Der oberste Gerichtshof der Helvetik,
1945; Zwicky, J., Das Gefängniswesen zur Zeit der Helvetik, Diss. jur. Zürich
1982; Alkaly, M., Das materielle Strafrecht der französischen Revolution, 1984
Helvetisches Bekenntnis ist das die Theologie Jean Calvins (1509-1564)
und Ulrich Zwinglis (1504-1575) 1566 zusammenfassende Bekenntnis, das im Westfälischen
Frieden 1648 reichsrechtlich anerkannt wird und dessen Anhänger in Österreich
seit Toleranzpatenten Josephs II. seit 1781 toleriert werden.
Henker ist der 1276 in Augsburg zuerst
bezeugte Vollstrecker des (auf Hängen lautenden) Todesurteils. Der H. gilt (ab
etwa 1400) als unehrlich. Vor der Vollstreckung steht dem Hinzurichtenden
(seit dem 15. Jh.?, henckermol 1575) eine Henkersmahlzeit zu. Der 1924 zum
Scharfrichter in Bayern berufene Johann Reichart vollzog die Todesstrafe an
rund 3000 und nach 1945 an 156 Menschen (Nationalsozialisten).
Lit.: Mackensen, L., Henkersmahl und Johannisminne,
ZRG GA 44 (1924), 318; Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung, 1928;
Heim, W., Das Henkersmahl, 1941; Hentig, H. v., Vom Ursprung der
Henkersmahlzeit, 1958; Schuhmann, H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel,
Henker, Schinder und arme Sünder, 1978; Dachs, J., Tod durch das Fallbeil,
1996; Deutsch, A., Das schwere Schicksal der Henker, ZRG GA 118 (2001), 420;
Bendlage, A., Henkers Hetzbube, 2003; Schubert, E., Räuber und Henker, 2007;
Die Henker von Nürnberg und ihre Opfer, hg. v. Diefenbacher, M., 2010;
Rosenstrauch, H., Karl Huß. Der empfindsame Henker, 2012
Henlich ist ursprünglich der Heiratsgesang
und im Hochmittelalter und Spätmittelalter insbesondere im Recht des
Ingelheimer Oberhofs die Verlobung und Eheschließung bzw. der →Ehevertrag.
Lit.: Gudian, G., Ingelheimer Recht im 15.
Jahrhundert, 1968, 104
Henneberg
Lit.: Zickgraf, E., Die gefürstete Grafschaft Henneberg-Schleusingen,
1944; Bibliographie zur hennebergischen Geschichte, bearb. v. Henning, E. u.
a., 1976; Regesten des Archivs der Grafen von Henneberg-Römhild, hg. v. Mötsch,
J., 2006
Henneberg, Berthold von (1441/2-21. 12.
1504), aus der Familie der Grafen von Henneberg-Römhild, wird nach dem Studium
der Theologie in Erfurt (1455) und Italien Domherr in Mainz (1464) und
Erzbischof von Mainz (20. 5. 1484). Er bestimmt als Erzkanzler maßgeblich die
Reformen des Heiligen römischen Reiches
im Jahre 1495 (→Reichskammergericht, →Landfriede,
→Gemeiner Pfennig).
Lit.: Weiß, E., Berthold von Henneberg, 1889; Bader,
K., Ein Staatsmann vom Mittelrhein, 1955; Schröcker, A., Unio atque concordia,
Diss. phil. Würzburg 1970
Hennegau
Lit.: Goldhardt, O., Die Gerichtsbarkeit in den Dörfern des mittelalterlichen
Hennegaues, 1909; Verriest, L., Le servage dans le Comté de Hainaut, 1910;
Cauchies, J., La législation princière pour le comté de Hainaut, 1982
Henricus de Baila ist ein 1169 und 1170 bezeugter Glossator in
Bologna (Glossen, Distinktionen, Disputationen?).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 214
Henricus de Bracton s. Bracton
Heraklit von Ephesos (um 500 v. Chr.) ist
der erste europäische Philosoph, der den Einsatz des Einzelnen für die
rechtliche Ordnung als Voraussetzung für den Bestand des Gemeinwesens
hervorhebt.
Lit.: Moser, P., Heraklits Kampf ums Recht, 1993
Heraldik (F.) Wappenkunde
Lit.: Köbler, DRG 3; Hildebrandt, A., Handbuch der
Heraldik, 19. A. 1998 (1. A. unter anderem Titel 1824); Seyler, G., Geschichte
der Heraldik 1890, Neudruck 1970; Berchem, E. Frhr. v., Heraldische
Bibliographie, 1937; Galbreath, D., Handbüchlein der Heraldik, 2. A. 1948;
Crusius, E., Heraldik in Niedersachsen und Westfalen, 1957; Gumowski, M.,
Handbuch der polnischen Heraldik, 1969; Neubecker, O., Heraldik, 1977; Zenger,
Z., Ceska heraldika, 1978; Bertenyi, I., Kis, magyar eimertan, 1983; Oswald,
G., Lexikon der Heraldik, 1984, 3. A. 2011; Henning, E./Jochums, G.,
Bibliographie zur Heraldik, 1984; Dictionnaire heraldique, 1985; Woodcock,
T./Robinson, J., The Oxford Guide to Heraldry, 1988; Filip, V., Einführung in
die Heraldik, 2000, 2. A. 2011; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006, 2. A. 2009;
Henning, E., Repetitorium heraldicum, 2010
Herausgabe (1739, Herausgabepflicht 1896/1900) ist das
Übergeben des Besitzes an einer Sache oder einem Menschen durch eine Person an
eine andere Person.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Herausgabeanspruch ist der Anspruch auf die Herausgabe
eines Menschen oder einer Sache. Der bekannteste Fall des Herausgabeanspruches
ist die schon dem altrömischen Recht vertraute (lat.) →rei vindicatio
(F.). Sie lebt im modernen H. in abgewandelter Form fort.
Lit.: Kaser § 27 I; Köbler, DRG 212
Herberge
Lit.: Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft, 1924; Hermesdorf, B., De
herberg in de Nederlanden, 1957; Peyer, H., Von der Gastfreundschaft zum
Gasthaus, 1987; Potthoff, O., Kulturgeschichte der deutschen Gaststätte, 1996
Herborn (an der Dill, 1251 Stadtrecht) ist von 1584
bis 1815 Sitz einer Universität (Althusius, als Student Comenius).
Lit.: Menk, G., Die Hohe Schule Herborn, 1981; Haering, H., Die
Spätzeit der Hohen Schule zu Herborn, 1994; Schmidt-von Rhein, G., Zur
Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät der hohen Schule zu Herborn,
ZRG GA 103 (1986), 263
Herd (M.), Boden (9. Jh.), Feuerstätte (10. Jh.),
Haus, Wohnung, davon Herdschilling oder Herdzins zu leisten
Lit.: Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und Zollgeschichte,
1992; Mittelalterliche Öfen, hg. v. Röber, R. 2002
Herdecke
Lit.: Schnettler, O., Herdecke an der Ruhr, 1939i,
Johann Gottfried (Mohrungen in Ostpreußen 25. 8. 1744-Weimar 18. 12. 1803) wird
nach dem Theologiestudium in Königsberg (1762-1764, Kant) Prediger in Riga, in
Bückeburg (1771) und In Weimar (1776 Oberhofprediger). Er sieht in der
Volkssprache und im Volkslied den Ausdruck des unbewusst schaffenden
→Volksgeists, dessen nationale Eigenart geschichtlichen Eigenwert besitzt
(Idee der Kulturnation). Damit beeinflusst er →Savignys Verständnis vom
Recht als sich organisch entfaltendem Teilbereich der Gesamtkultur in
bedeutsamer Weise.
Lit.: Herder, J., Über die neuere deutsche Literatur,
1766/7; Herder J., Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772; Würtenberger,
T., Johann Gottfried Herder und die Rechtsgeschichte, JZ 12 (1957), 137; Adler,
E., Herder und die deutsche Aufklärung, 1968; Kalletat, F., Herder und die
Weltliteratur, 1984; Irmscher, H., Johann Gottfried Herder, 1996; Zaremba, M.,
Johann Gottfried Herder, 2002; Kantzenbach, F., Johann Gottfried Herder, 2007;
Herder Handbuch, hg. v. Clairmont, H. u. a., 2010
Heredis institutio (lat. [F.] Erbeinsetzung) ist in
klassischer römischer Zeit die schon früh an den Anfang des Testaments zu
stellende, lange Zeit unabdingbare Erbeinsetzung (z. B. [lat.] Titius heres
esto).
Lit.: Kaser §§ 65 II 1, 67 I 2
Hereditas ([F.] lat.) ist im römischen Recht
die vor allem aus Vermögensrechten gebildete Erbschaft (das Erbe). Die h. fällt
als Einheit durch Gesamtnachfolge dem Erben an. Sie kann h. iacens (ruhende
Erbschaft) sein.
Lit.: Kaser §§ 65f.; Köbler, LAW; Kressin, U.,
Hereditas, 2011
Hereditas (F.) iacens (lat.) (liegende bzw. ruhende
Erbschaft) ist im römischen Recht die einem Außenerben (lat. heres [M.]
extraneus) anfallende Erbschaft in der Zeit zwischen dem Tod des Erblassers und
der Ergreifung der Vermögensrechte durch den Außenerben. Ursprünglich gelten
die Erbschaftsgegenstände als (lat.) res (F.) nullius (Sachen niemands). Die
Rechte und Pflichten bestehen weiter, haben aber zeitweilig keinen Träger und
können deswegen nicht geltend gemacht werden. Die h. i. kann Rechte erwerben.
Die h. i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter
an verschiedenen Orten übernommen (z. B. Österreich).
Lit.: Kaser § 72 I; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 562, 621, 629
Hereditatis petitio (lat. [F.] Erbschaftsbegehren)
ist bereits im altrömischen Recht das Herausverlangen der Erbschaft durch eine
Person, die behauptet Erbe zu sein.
Lit.: Kaser §§ 65 III, 75
Heres (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der →Erbe (Hauserbe oder Außenerbe).
Lit.: Kaser § 65 III; Köbler, DRG 37; Köbler, LAW
Herford ist eine westfälische, um das 823
gegründete, 1147 reichsunmittelbare Stift erwachsene Stadt, von der die
Bilderhandschrift (2 Miniaturen, Initialen) eines mittelniederdeutschen, dem
Sachsenspiegel nahestehenden Rechtsbuchs von etwa 1375 in 61 Artikeln
überliefert ist.
Lit.: Löning, G., Vom Schöffenstuhl zu Herford im 17.
Jahrhundert, ZRG GA 64 (1944), 326; Korte, F., Die staatsrechtliche Stellung
von Stift und Stadt Herford, Jahresbericht des historischen Vereins für die
Grafschaft Ravensberg 58 (1955), 1; 1200 Jahre Herford, 1989; Rechtsbuch der
Stadt Herford, hg. v. Helmert-Corvey, T., 1989; Hüpper, D., Das Herforder
Rechtsbuch und sein Verhältnis zum Sachsenspiegel, Nd. Wort 29 (1989), 47ff.;
Terharn, C., Die Herforder Fehden, 1994; Kurtz, T., Das oberste
Rückerstattungsgericht in Herford, 2014
Hergewäte →Heergewäte
Herisliz (ahd. [M.] Heerzerstörung) ist der
tatbestandliche Vorwurf (des Hochverrats), der 788 (nach den Lorscher Annalen)
zur Absetzung Herzog Tassilos III. von Bayern führt.
Lit.: Köbler, WAS; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 53; Sousa Costa, A. de, Studien zu
volkssprachigen Wörtern in karolingischen Kapitularien, 1993
Hermann von Oesfeld (Magdeburg Mitte 14. Jh.),
vielleicht aus Oebisfelde an der Aller nördlich Helmstedts, Bürger in
Magdeburg, fertigt möglicherweise ein Register zum Landrecht des
→Sachsenspiegels sowie die um 1350 entstehenden verfahrensrechtlichen
Schriften →Cautela und →Premis an.
Lit.: Homeyer, C., Richtsteig Landrecht nebst Cautela
und Premis, 1857, 390; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd.
1 1990, 66
Hermann von Salza (um 1180-Salerno 20. 3. 1239), aus
einer Ministerialenfamilie in Thüringen bei Gotha und Langensalza, von 1209 bis
1239 (vierter) Hochmeister des Deutschen Ordens, erlässt die sog. →Kulmer
Handfeste, die lübischem und magdeburgischem Vorbild folgend den nach Kulm und
Thorn gezogenen Bürgern freiheitliche Rechte gewährt.
Lit.: Caspar, E., Hermann von Salza und die Gründung
des Deutschordensstaates in Preußen, 1924; Kluger, U., Hochmeister Hermann von
Salza, 1987; Sarnowsky, J., Der Deutsche Orden, 2007
Hermeneutik (F.) Verstehenslehre
Lit.: Hermeneutik der Quellentexte des römischen Rechtes, hg. v.
Avenarius, M., 2008; Juristische Hermeneutik zwischen Vergangenheit und
Zukunft, hg. v. Meder, S. u. a., 2013; Hermeneutik der frühchristlichen
Wundererzählungen, hg. v. Kollmann, B. u. a., 2014; Augsberg, I., Kassiber –
Die Aufgabe der juristischen Hermeneutik, 2016
Hermogenian (um 300) ist vielleicht unter
Kaiser Diokletian (284-313/316) Leiter einer kaiserlichen Kanzlei und (lat.)
praefectus (M.) praetorio (Prätorianerpräfekt). Er verfasst die private
(halbamtliche?) Sammlung von Konstitutionen Diokletians fast nur der Jahre 293
und 294 (→Codex Hermogenianus), von der 104 Fragmente in die
→Digesten Justinians aufgenommen werden, und (lat.) Iuris epitomarum
libri (M.Pl.) VI (Auszüge aus klassischen Schriften Rechtskundiger).
Lit.: Söllner §§ 19, 22; Liebs, D., Hermogenians Iuris
Epitomae, 1964; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987, 36,
137
Herold (M., aus germ. hari-waldaz?,
Personenname bei Tacitus) Verkünder, Herausbildung seit 12. Jh. in Turnieren
nach Entwicklung von das Gesicht der Kämpfer verbergenden Helmformen
Lit.: Wagner, A., Heralds and Heraldry, 2. A. 1956;
Römheld, L., Die diplomatischen Funktionen der Herolde im späten Mittelalter,
Diss. phil. Heidelberg 1964; Scheibelreiter, G., Heraldik, 2006; The Herald in
Late Medieval Europe, hg. v. Stevenson, K., 2009; Bock, N., Die Herolde im
römisch-deutschen Reich, 2015
Herold, Basilius Johann (Höchstädt an der
Donau 17. 12. 1514-1567), unehelicher Sohn eines Augsburger Bürgers, Übersetzer
und Drucker ohne feste Anstellung, veröffentlicht in Basel 1557 eine Sammlung
von 12 (10) Volksrechten (Originum ac Germanicarum antiquitatum libri), deren
handschriftliche Vorlagen seitdem teilweise (lat. Lex [F.] Frisionum, eine
Fassung der lat. Lex [F.] Salica) verschollen sind.
Lit.: Burckardt, A., Johann Basilius Herold, 1967
Herr ist der Gebieter über einen anderen Menschen (oder
über einen Gegenstand). Das Wort wird im 8. Jh. als Lehnübersetzung von lat.
[M.] senior, Älterer (und damit Höherer), aus dem Komparativ des Adjektivs her,
„grau, hehr“ gebildet. Hausherr, Grundherr (Wort 14. Jh.), Lehnsherr und
→Landesherr (Wort 15. Jh.) sind wichtige Erscheinungsformen. Erst spät
wird H. zu einer allgemeinen Anrede erwachsener Männer. In den ständischen
Landtagen von Österreich ob der Enns und Österreich unter der Enns sind die
Herren eine eigene Kurie, in der Steiermark, in Kärnten und Krain eine Kurie
mit den Rittern.
Lit.: Köbler, WAS; Lünig, J., Thesaurus iuris deren
Grafen und Herren des Heiligen römischen Reichs, 1725; Dungern, O. Frhr. v.,
Der Herrenstand im Mittelalter, 1908; Forst-Battaglia, O., Vom Herrenstande,
1916; Oberschelp, B., Die Edelherren von Büren, 1963; Dopsch, H., Landherren,
Herrenbesitz und Herrenstand in der Steiermark 1100-1500, Diss. phil. Wien 1969
(masch.schr.); Kulenkampf, A., Einungen und Reichsstandsschaft fränkischer
Grafen und Herren, Diss. jur. Bonn 1971; Hergemöller, B., Fürsten, Herren und
Städte zu Nürnberg 1355/65, 1983; Müller, P., Die Herren von Fleckenstein,
1990; Algazi, G., Herrengewalt, 1996
Herrenchiemseer Verfassungskonvent ist das von den 11
Ministerpräsidenten der westlichen Besatzungszonen des Deutschen Reiches auf
Einladung Bayerns vom 10. bis 23. 8. 1948 nach Herrenchiemsee im Chiemsee
einberufene, eine →Verfassung (→Grundgesetz) der späteren Bundesrepublik
→Deutschland vorbereitende Gremium (Carlo Schmid Justizminister
Württemberg-Hohenzollerns SPD, Josef Schwalber Staatssekretär im Innenministerium
Bayern CSU, Josef Beyerle Justizminister Württemberg-Baden CSVP/CDU, Adolf
Süsterhenn, Justizminister Rheinland-Pfalz CDU, Paul Zürcher Oberlandesgerichtspräsident
(Freiburg im Breisgau) Baden CDU, Hermann Louis Brill Leiter der Staatskanzlei
Hessen SPD, Theodor Spitta Bürgermeister Bremen BDV/FDP, Fritz Baade Professor
der Wirtschaftswissenschaften Schleswig-Holstein SPD, Justus Danckwerts
Ministerialrat Niedersachsen, Theodor Kordt Diplomat und Völkerrechtler
Nordrhein-Westfalen, Wilhelm Drexelius Senatssyndikus Hamburg SPD, Otto Suhr
Volkswirt und Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung Berlin als Gast SPD).
Lit.: Köbler, DRG 256; Buchner, P., Der
Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee. Der Parlamentarische Rat 1948/49, 1981;
50 Jahre Verfassungskonvent Herrenchiemsee, hg. v. März, P. u. a., 1998;
Weichenstellung für Deutschland, hg. v. März, P. u. a., 1998
Herrenfall ist der Tod des →Herrn im
Lehnsverhältnis.
Herrenhaus ist die Bezeichnung für ein dem
englischen House of Lords nachgebildetes Staatsorgan einiger Verfassungen des
19. Jh.s (Preußen 1855-1918, Österreich 1861-1865, 1867-1918, ab 1907
mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder). Ihm gehören hauptsächlich
Vertreter des →Adels und vom Herrscher besonders berufene Mitglieder an.
Lit.: Baltl/Kocher; Spenkuch, H., Das preußische
Herrenhaus, 1998
Herrenlos ist die Sache, die keinen
Eigentümer hat (z. B. früher in Freiheit befindliche wilde Tiere,
derelinquierte Sachen, ähnlich freie Luft, fließendes Wasser). Die herrenlose
Sache unterliegt der Aneignung. Aneignungsberechtigt ist ursprünglich jedermann,
nach späterem deutschem Recht der jeweils besondere Träger eines Aneignungsrechts
(z. B. Jagdberechtigter, Fiskus).
Lit.: Hübner 454f.
Herrenreiterurteil ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Deutschlands vom Februar 1958 (BGHZ 28, 349), die in Analogie zu § 847 BGB und
in Widerspruch zu § 253 BGB) einem ohne Einwilligung zu Werbezwecken (Okasa) öffentlich
abgebildeten Reiter eine billige Entschädigung (Schmerzensgeld, Ersatz
immateriellen Schadens) gewährt wird (als verfassungsmäßig angesehenes
Richterrecht).
Herrschaft ist die Macht oder Gewalt eines
Menschen (→Herrn) über einen anderen Menschen (oder einen Gegenstand).
Sie entsteht vorwiegend durch Eroberung und Überschichtung bzw. durch
Unterwerfung und Aneignung. Es ist streitig, ob sich die umfassende
Rechtsgemeinschaft in eine Vielzahl von Herrschaften auflösen lässt.
Geschichtliche Formen der H. sind jedenfalls Grundherrschaft und
Landesherrschaft, Hausherrschaft und Lehnsherrschaft. Das deutsche Wort
herscaf (mhd.) als Herrenstellung (über Gegenstände und Menschen) findet sich
erst im 13. Jh. Seit etwa 1750 wird zwischen öffentlichrechtlicher Herrschaft
und privatem Eigentum des Landesherrn unterschieden.
Lit.: Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 1; Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868; Waas,
A., Herrschaft und Staat im deutschen Frühmittelalter, 1938; Schlesinger, W.,
Herrschaft und Gefolgschaft, HZ 176 (1953), 225; Dannenbauer, H., Grundlagen
der mittelalterlichen Welt, 1958, 121; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und
souveräner Staat, 1962; Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Brunner, O.,
Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Kroeschell, K., Haus und Herrschaft im frühen
deutschen Recht, 1968; Pezold, U. v., Die Herrschaft Thurnau, 1968; Dubler, A.,
Die Klosterherrschaft Hermetschwil, 1968; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1 1970; Herrschaftsstruktur und
Ständebildung, 1973; Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze,
hg. v. Vierhaus, R., 1977; Schulze, W., Bäuerlicher Widerstand und feudale
Herrschaft in der frühen Neuzeit, 1980; Jäckell, E., Hitlers Herrschaft, 1986;
Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken totalitärer Herrschaft,
1988; Wolf, G., Mittel der Herrschaftssicherung in den Germanenreichen des 6.
und 7. Jahrhunderts, ZRG GA 105 (1988), 214; Sprandel, R., Verfassung und
Gesellschaft im Mittelalter, 3. A. 1988; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft
und Territorium im späten Mittelalter, 1996; Hohkamp, M., Herrschaft in der
Herrschaft, 1998; Virtuosen der Macht, hg. v. Nippel, W., 2000; Strukturen und
Wandlungen der ländlichen Herrschaftsformen vom 10. zum 13. Jahrhundert, hg. v.
Dilcher, G. u. a., 2000; Holtz, S., Bildung und Herrschaft, 2002; Die
Sakralität von Herrschaft, hg. v. Erkens, F., 2002; Herrschaft, hg. v. Kaak, H.
u. a., 2003; Rader, O., Grab und Herrschaft, 2003; Hochadelige Herrschaft im
mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), hg. v. Rogge, J. u. a., 2003; Hardt, M.,
Gold und Herrschaft, 2004; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von
Herrschaftsgewalt, 2004; Ergebene Diener ihrer Herren?, hg. v. Brakensiek, S.
u. a., 2005; Debatten über die Legitimation von Herrschaft, hg. v.
Schorn-Schütte, L. u. a., 2006; Urbanczyk, P., Herrschaft und Politik im frühen
Mittelalter, 2007; Herrschaftsverdichtung, hg. v. Hochedlinger, M. u. a., 2010;
Vogel, C., Zur Rolle der Beherrschten in der mittelalterlichen
Herrschaftslegitimation, 2011; Herrschaft und Verwaltung in der frühen Neuzeit,
hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2014; Herrschaftslegitimation in
vorderorientalischen Reichen der eisenzeit, hg. v. Levin, C. u. a., 2016
Herrschaftsvertrag ist der bereits im griechischen
Altertum (Protagoras, Demokrit, Epikur, Ulpian, Augustinus) ansatzweise
sichtbare, für die Vorzeit angenommene Vertrag zur Begründung der Herrschaft
Herrschender (Staat) über Beherrschte (Untertanen). Das Mittelalter sieht
diesen Vertrag als Unterwerfungsvertrag an, der die Verfassung des Staats
schafft, nicht den Staat selbst (Thomas von Aquin, →Marsilius von Padua).
Die Neuzeit versteht ihn mehr und mehr als →Gesellschaftsvertrag
(→Althusius, →Hobbes, →Locke, →Pufendorf,
→Rousseau 1762).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Näf, W., Herrschaftsverträge
und Lehre vom Herrschaftsvertrag, 1949; Der Herrschaftsvertrag, hg. v. Voigt,
A., 1965
Herrschaftszeichen ist das sichtbare Zeichen
(Verkörperung, Veranschaulichung) der (als solcher unsichtbaren) Herrschaft (z.
B. →Ornat, →Krone, →Lanze, →Schwert, →Zepter,
Hut, Löwe, Pranger). Seine Ausprägung ist in einfachen Verhältnissen eher
bescheiden. Der bedeutendste Schatz an H. sind die →Reichsinsignien.
Lit.: Schramm, P., Herrschaftszeichen und
Staatssymbolik, Bd. 1ff. 1954ff.; Schramm, P., Kaiser Friedrichs II.
Herrschaftszeichen, 1955; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Stollberg-Rilinger, B., Des Kaisers alte Kleider, 2008
Herrschende Lehre ist die vom gewichtigeren Teil der
Gelehrten (z. B. angeseheneren Rechtsgelehrten) in einer Frage (z. B.
Rechtsfrage) vertretene Ansicht. Förmliche Ansätze hierzu finden sich bereits
im römischen Altertum (z. B. Kassiergesetz Konstantins [321], das zunächst
→Papinian(us) für maßgeblich erklärt, Zitiergesetz Theodosius’ II. und
Valentinians III. [426], das der Meinung von Papinianus, →Paulus,
→Ulpian, →Modestin und →Gaius besondere Geltung verleiht und
bei Stimmengleichheit die Ansicht Papinians entscheiden lässt). Im
Spätmittelalter werden hierfür feste Maßstäbe erarbeitet. Danach kommt der
(lat.) glossa (F.) ordinaria zum weltlichen und geistlichen Recht,
→Bartolus, →Baldus sowie den Richtern des höchsten kirchlichen
Gerichts das regelmäßig ausschlaggebende Gewicht zu. Der Absolutismus ordnet
die Rechtswissenschaft dem Gesetz unter (z. B. ALR Einl. § 6 [1794]). Die
historische Rechtsschule (Savigny 1814) stellt die Rechtswissenschaft über
(oder zumindest neben) die Gesetzgebung. Spätestens mit dem Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) tritt im Deutschen Reich die Rechtswissenschaft hinter dem
Gesetz zurück.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes
im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A. 1834ff., Bd. 6, 14; Engelmann, W., Die
Wiedergeburt der Rechtskultur in Italien, 1938, 204; Schröder, J., Recht als
Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012
Herrschende Meinung ist die in einer Streitfrage
insgesamt vorherrschende Meinung.
Lit.: Schnur, R., Der Begriff der herrschenden Meinung
in der Rechtsdogmatik (in) Festgabe für Ernst Forsthoff, hg. v. Doehring, K.,
1967, 43ff. Zimmermann, R., Die Relevanz einer herrschenden Meinung, 1983;
Drosdek, T., Die herrschende Meinung, 1989
Herrscher
Lit.: Europäische Herrscher, hg. v. Vogler, G., 1988;
Herrscherchronologien der antiken Welt, hg. v. Eder, W., u. a., 2004; Bussmann,
B., Die Historisierung der Herrscherbilder (ca. 1000-1200), 2006; Erkens, F.,
Herrschersakralität im Mittelalter, 2006
Hersfeld wird als Abtei zwischen 769 und 763 von
Erzbischof Lull von Mainz gegründet und 775 von Karl dem Großen zur Reichsabtei
erhoben. Im 13. Jh. erwirbt sie ein klienes Herrschaftsgebiet, muss sich 1432
aber der Schutzherrschaft Hesens unterstellen. 1648 kommt die Reichsabtei als Fürstentum
zur Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Lit.: Urkundenbuch der Reichsabtei Hersfeld, hg. v. Weirich, H., 1936;
Urkunden 56 Reichsabtei Hersfeld Stiftisches Archiv Orts- und Personenindex,
hg. v. Braumann, U., 2014; Zschieschang, C., Das Hersfelder Zehntverzeichnis,
2017 (weit mehr als 200 Ortsnamen)
Hersir ist in Norwegen als Bezeichnung der Tätigkeit
eines Vorstehers ein Häuptlingstitel vom 9. bis zm 11. Jh.
Lit.: Sandmo, E., Norsk historie 1 (750-1537), 2. A. 2007
Hert (Hertius), Johann Nikolaus (Niederkleen bei Gießen 6.
10. 1651-Gießen 19. 9. 1710), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium der (lat.
[F.Pl.]) artes in Gießen (1664/1667) und des Rechtes in Jena, Leipzig und
Wittenberg 1683 außerordentlicher Professor und nach der Promotion (1686) 1690
ordentlicher Professor in Gießen. Er verwendet neben dem römischen Recht auch
deutsche Rechtsquellen, befasst sich wegweisend mit dem Kollisionsrecht
(Dissertatio de collisione legum, 1688) und gibt drei Bücher deutscher
Rechtssprichwörter heraus.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E. v., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978, 3, 1, 62;
Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963;
Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17. Jahrhundert, hg. v. Bar,
C. v. u. a., Bd. 2 2001
Herzebrock (Kloster)
Lit.: Herzebrock, hg. v. Möller, E., 2010
Herzegowina →Bosnien
Lit.: Lovrenovic, I., Bosnien und Hercegovina, 1998;
Gabriel, K., Bosnien-Herzegowina 1878, 2003 Classen, L., Der völkerrechtliche
Status von Bosnien-Herzegowina, 2004; Grandits, H., Herrschaft und Loyalität in
der spätosmanischen Gesellschaft, 2008
Herzog ist die wohl nach griechischem
Vorbild geschaffene germanistische Bezeichnung für den Führer des Heeres (oder
Volkes). Bei den Franken führen (lat. [M.Pl.]) duces auch Aufgaben aus, wie sie
weströmische duces wahrgenommen hatten. Seit der zweiten Hälfte des 6. Jh.s
stammen die bei Vandalen und Burgundern nicht bezeugten, in einem
eingeschränkten Bereich unter dem König und über den Grafen stehenden Herzöge
im Frankenreich aus angesehenen Familien und steigen bei Schwäche der
königlichen Gewalt zu nahezu selbständigen Herrschern einzelner Stämme oder
Völker (Franken, Bayern, Alemannen, Sachsen, Thüringer, Friesen u. s. w.) auf ([ältere] Stammesherzöge). Die
Karolinger ersetzen die stammesverbundenen H. durch fränkische Adlige
(Amtsherzog). In der zweiten Hälfte des 9. Jh.s entsteht erneut ein (zweites)
(Stammes-)Herzogtum auf herrschaftlicher Grundlage, das sich dem König aber früh
zumindest teilweise wieder beugen muss (Schwaben 926, Bayern 938), wobei die
Rechte des Herzogs in dem Verhältnis zu König und nichtherzoglichem Adel
weitgehend unklar sind. Seit dem Ende des 10. Jh.s führen in Deutschland
einzelne Familien den Herzogstitel fort, auch wenn sie die Stellung als H.
verlieren. Durch Friedrich I. Barbarossa wird 1156/1180 das Gebietsherzogtum
an die Stelle des Amtsherzogtums gesetzt (→Österreich 1156, Westfalen
1180, danach Braunschweig-Lüneburg 1235, Herzogswürde ohne Herzogsgewalt z. B.
für Meranien 1195). 1918 verschwindet der H. aus der deutschen
Verfassungsgeschichte.
Lit.: Köbler, DRG 69, 94; Köbler, WAS; Puntschart, P.,
Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899; Rosenstock, E., Herzogsgewalt
und Friedensschutz, 1910; Schröder, E., Herzog und Fürst, ZRG GA 44 (1924), 1;
Much, R., Herzog, ein altgermanischer Name des dux, ZRG GA 45 (1925), 1, 406;
Miller, C., Neuwürttemberg unter Herzog und König Friedrich, 1934; Mayer, T.,
Der Staat der Herzöge von Zähringen, 1935; Werle, W., Titelherzogtum und
Herzogsherrschaft, ZRG GA 73 (1956), 225; Sprandel, R., Dux und comes in der
Merowingerzeit, ZRG GA 74 (1957), 41; Prinz, F., Herzog und Adel im
agilolfingischen Bayern, Z. f. bay. LG. 25 (1962), 283; Kienast, W., Der Herzogstitel
in Frankreich und Deutschland, 1968; Maurer, H., Der Herzog von Schwaben, 1978;
Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein und
Herzöge von Bayern, 1986; Jahn, J., Ducatus Baiuvariorum, 1991; Schneidmüller,
B., Völker - Stämme - Herzogtümer?, MIÖG 108 (2000), 31
Herzogemburg
Lit.: 900 Jahre Stift Herzogenburg, hg. v. Katzler, G.
u. a., 2012
Herzogtum ist die Würde und der
Herrschaftsbereich des →Herzogs. Wichtige Herzogtümer sind zu
unterschiedlichen Zeiten Bayern, Schwaben, Franken, Sachsen, Thüringen,
Österreich, Steiermark, Kärnten, Würzburg, Westfalen, Braunschweig-Lüneburg,
Burgund, Lothringen, Jülich, Cleve, Berg, Württemberg, Nassau u. s. w.
Lit.: Köbler, DRG 94
Hessen ist im Jahre 738 der Name eines
kleinen, wahrscheinlich auf die germanischen Chatten zurückzuführenden Stammes
an der unteren Fulda, dessen Gebiet seit dem 4. Jh. dem Einflussbereich der
→Franken zuzurechnen ist Die Grafschaft H. gelangt 1122 an die
Landgrafen (1130) von Thüringen und wird nach Aussterben der Ludowinger (1247)
selbständige Landgrafschaft, die bis 1450 durch die Grafshaften Ziegenhain und
Nidda in Oberhessen und Niederhessen geteilt ist. 1479 fällt die Grafschaft
Katzenelnbogen an. Nach dem Übertritt Philipps des Großmütigen zum Luthertum
(1524) wird H. bei seinem Tode 1567 (zunächst nur in der Nutzung) geteilt
(Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel 1604 Übertritt zum Calvinismus, 1803
Kurwürde). Hessen-Darmstadt (1806 Großherzogtum) erhält 1820 eine Verfassung,
Hessen-Kassel 1831 die liberalste deutsche Verfassung (Einkammersystem,
ansatzweise tatsächliche Gewaltenteilung, Vorrang und Schutz der Verfassung)
vor 1848 (am 13. 4. 1852 durch oktroyierte Verfassung ersetzt). Hessen-Kassel
wird wie Nassau 1866 von Preußen annektiert (1868 Provinz Hessen-Nassau). Am
19. 9. 1945 wird innerhalb des 1871 geschaffenen Deutschen Reiches der 1918 aus
Hessen-Darmstadt entstandene Volksstaat Hessen mit den preußischen Provinzen
Nassau und Kurhessen zu Großhessen bzw. 1946 H. verbunden.
Lit.: Köbler, DRG 186; Köbler, Historisches Lexikon;
Schmidt, A., Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im
Großherzogtum Hessen, 1893; Lichtner, A., Landesherr und Städte in
Hessen-Cassel, 1913; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung der
kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Bruchmann, K., Der
Kreis Eschwege, 1931; Müller, A., Die Entstehung der hessischen Verfassung von
1820, 1931; Sponheimer, M., Landesgeschichte der Niedergrafschaft
Katzenelnbogen und der angrenzenden Ämter auf dem Einrich, 1932; Der
ökonomische Staat Landgraf Wilhelms IV., bearb. v. Zimmermann, L., Bd. 1f.
1933f.; Blecher, G., Wie und wann entstanden Burg und Stadt Friedberg?
Oberhessische Anzeigen (2.–9. September) 1936; Helbig, B., Das Amt Homberg an
der Efze, 1938; Kroeschell, K., Hessen und der Kaufungerwald, 1953; Deutsches
Städtebuch, Hessen 1957; Gensicke, H., Landesgeschichte des Westerwaldes, 1958;
Hessische Ortsbeschreibungen, hg. v. Eckhardt, W. u. a., Heft 1ff. 1958ff.;
Demandt, K., Geschichte des Landes Hessen, 1959, 2. A. 1980; Schunder, F., Der
Kreis Fritzlar-Homberg, 1960; Uhlhorn, F., Geschichtlicher Atlas von Hessen,
1960ff.; Kleeberger, E., Territorialgeschichte des hinteren Odenwaldes, 1958;
Geschichtlicher Atlas von Hessen, begründet v. Stengel, E., bearb. v. Uhlhorn,
F., 1960ff.; Schrifttum zur Geschichte und geschichtlichen Landeskunde von
Hessen, bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1965ff; Lachmann, H., Untersuchungen
zur Verfassungsgeschichte des Burgwaldes im Mittelalter, 1967; Heß, W.,
Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen, 1966; Niemeyer, W.,
Der pagus des frühen Mittelalters in Hessen, 1968; Schubert, W., Der Code civil
und die Personenrechtsentwürfe des Großherzogtums Hessen-Darmstadt von 1842 bis
1847, ZRG GA 88 (1971), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.
3,2,1518, 3,3,3698; Althessen im Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975;
Weiss, U., Die Gerichtsverfassung in Oberhessen, 1978; Battenberg, J., Ein
hessischer Appellationsprozess des späten 15. Jahrhunderts, ZRG GA 98 (1981),
56; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft Hessen im Mittelalter,
1981; Krüger, K., Finanzstaat Hessen 1500-1567, 1981; Acker, K.,
Verwaltungskontrolle in Hessen-Darmstadt, 1983; Akten und Dokumente zur
kurhessischen Parlaments- und Verfassungsgeschichte 1848-1866, hg. v. Seier,
H., 1987; Hessische Landtagsabschiede, Bd. 1ff. 1989ff.; Rudersdorf, M., Ludwig
IV. Landgraf von Hessen-Marburg 1537-1604, 1991; Akten und Briefe aus den
Anfängen der kurhessischen Verfassungszeit 1830-1837, hg. v. Seier, H., 1992; Grothe,
E., Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt, 1996; Die Entstehung der
hessischen Verfassung von 1946, 1996; Hessen, hg. v. Heidenreich, B. u. a.,
1997; Regierungsakten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt 1802-1820, bearb. v.
Ziegler, U., 2002; Franz, E., Von Hessengau und terra Hassia zum heutigen Land
Hessen, 2003; Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen, hg. v. Wunder, H.,
2004; Wicke, C., Kodifikationsbestrebungen und Wissenschaft in
Hessen-Darmstadt im vorkonstitutionellen Zeitalter, 2005; Franz, E., Das Haus
Hessen, 2006; Dippel, H., Die kurhessische Verfassung von 1831 im
internationalen Vergleich, HZ 282 (2006), 619; Kroll, F., Geschichte Hessens,
2006; Philippi, H., Die Landgrafschaft Hessen-Kassel 1648-1806, 2007; Ham, R.,
Ludwig Hassenpflug, 2007; Dieses Haus ist gebaute Demokratie, hg. v. Flemming,
J. u. a., 2007; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 30
(2008), 65; Hessische Abgeordnete 1820-1933, hg. v. Rack, K. u. a., 2008; Die
nachrevolutionären Landtage des Großherzogtums Hessen 1849-1856, hg. v. Fleck,
P. u. a., 2008; Einheit vor Freiheit?, hg. v. Köhler, M. u. a. 2010; Will, M.,
Die Entstehung der Verfassung des Landes Hessen von 1946, 2009; Adel in Hessen,
hg. v. Conze, E. u. a., 2010; Handbuch der hessischen Geschichte, Bd. 1 hg. v.
Speitkamp, W., 2010; Brochhagen, N., Die landesherrliche Visitation in
Grebenstein 1668, 2012; Dilich, W., Synopsis descriptionis totius Hassiae, hg.
v. Rener, M. u. a., 2012; Neu, T., Die Erschaffung der landständischen Verfassung,
2013; Neugestaltung in der Mitte des Reiches – 750 Jahre Langsdorfer Verträge
1263/2013, hg. v. Brasch-Schwersmann, U. u. a., 2013; Das Land Hessen, hg. v.
Röming, A. u. a., 2014; Handbuch der hessischen Geschichte Band 3 Ritter,
Grafen und Fürsten, hg. v. Speitkamp, W., 2014; Wunder, D., Der Adel im Hessen
des 18. Jahrhunderts, 2016; Krafft, O., Landgraf Ludwig I. von Hessen
(1402-1458). 2018; Handbuch der hessischen Geschichte, Bd. 5 Grundlagen und
Anfänge hessischer Geschichte bis 900, hg. v. Böhme, H. u. a. 2018; Zeitenwende
in Hessen – Revolutionärer Aufbruch 1918/1919 in die Demokratie, hg. v. Hedwig,
A., 2019
Hethiter ist der Angehörige des während der
Bronzezeit das Gebiet zwischen Schwarzem Meer, Mittelmeer und persischem Golf
beherrschenden indogermanischen, um 700 v. Chr. untergegangenen Volkes mit dem
Hauptort Hattuscha in Anatolien (2. Jt. v. Chr., bis etwa 1200 v. Chr.).
Lit.: Brandau, B./Schickert, H., Hethiter,
2001; Die Hethiter und ihr Reich, 2002; Sperlich, W., Die Hethiter, 2003; Friedrich,
J. u. a., Hethitisches Wörterbuch, 2. A. 2000ff.; Taggar-Cohen, A., Hittite
Priesthood, 2007; Schachner, A., Hattuscha, 2011; Bryce, T., The World of
Neo-Hittite Kingdoms, 2012; Müller-Karpe, A., Sarissa – Die Wiederentdeckung
einer hethitischen Königsstadt, 2016
Heuer ist der Lohn eines Besatzungsmitglieds
eines Schiffes. Die H. erscheint seit dem Spätmittelalter, in dem der Dienst
auf einem Schiff durch Dienstvertrag vereinbart wird. Sie ist lange nur ein
Teil des Entgelts und in ihrer Höhe vom Ertrag der Fahrt abhängig.
Lit.: Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, Bd. 1
1915; Abel, W., Die Grundzüge des deutschen Seearbeiterrechts, Diss. jur.
Greifswald 1938; Decken, J. v. d., Das Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht
von 1306-1603, Diss. jur. Frankfurt am Main 1995; Schweitzer, J., Schiffer und
Schiffsmann in den Rôles d’Oléron, Diss. jur. Frankfurt am Main 2006
Heusler, Andreas (Basel 30. 9. 1834-2. 11.
1921), Sohn des Rechtsprofessors Andreas Heusler (1802-1868), wird nach dem
Rechtsstudium in Basel, Göttingen und Berlin (1856) und der Habilitation in
Basel (1858) 1863 Professor, Richter und Politiker in Basel. Sein bedeutendstes
Werk sind die Institutionen des Deutschen Privatrechts (Bd. 1f. 1885f.), in
denen er auf den Grundbegriff der Gewalt über Menschen (→Munt) und über
Sachen (→Gewere) ein umfassendes Rechtssystem des mittelalterlichen
deutschen Privatrechts aufzubauen versucht. Auf H. geht auch die Sammlung
schweizerischer Rechtsquellen (1894ff.) zurück.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HeuslerAndreasInstitutionendesdeutschenPrivatrechts1885.pdf;
Heusler, A., Verfassungsgeschichte der Stadt Basel, 1860; Festgabe der
juristischen Fakultät der Universität Basel zum siebzigsten Geburtstag, 1904;
Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905; Stutz, U., Andreas Heusler,
ZRG GA 43 (1921), LXIV; Heusler, A., Schweizerische Verfassungsgeschichte,
1920, Neudruck 1968; Heusler, A., Der Zivilprozess in der Schweiz, 1923;
Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler Stadtgerichtsordnung,
1963; Sonderegger, S., Andreas Heusler (1865-1940) und die Sprache, 1967;
Landau, P., Die Vormundschaft als Prinzip, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.
u. a., 1997, 577; Germanentum im fin de siècle, hg. v. Glauser, J. u. a., 2005
Hexabiblos ist die in Thessaloniki um 1345
durch Konstantin Harmenopulos erfolgte verkürzende Neubearbeitung der
→Basiliken in sechs Büchern. →Griechenland
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 44 I 7; Harmenopoulos,
K., Manuale legum sive Hexabiblos, hg. v. Heimbach, 1851, Neudruck 1969
Hexe (Zaungeist?) ist die zauberkundige Frau mit
magisch-schädigenden Kräften, die angeblich durch die Luft fliegen, sich in
Tiere verwandeln und giftige Zaubertränke herstellen kann. Sie ist bereits dem
Altertum bekannt (lat. [F.] striga). Das Wort ist um 1300 bei Hugo von
Langenstein bezeugt, seine gerichtliche Verwendung in Luzern 1419. Vielleicht
im späten 14. oder frühen 15. Jh.um den Genfer See bzw. in Savoyen beginnen bei
der Verfolgung der aus Heterodoxien seit dem 12. Jh. entstandenen, von
piemontesischen Inquisitionen des 14. Jh.s beeinflussten, Armut und Frieden
fordernden, Eid und Amt verweigernden Waldenser (des Lyoner Kaufmanns Pierre
Valdes) Hexenverfolgungen (um 1430, 1431/1432 und 1457/1459 38 Hexenprozesse im
Tessin [in der Leventina]), aus denen mit päpstlicher Unterstützung durch die
→Hexenbulle (1484) nach 1500 rasch um sich greifende Hexenprozesse werden,
die sich unter Mitwirkung bekannter Theologen des Konzils von Basel (1431-1439)
aus Inquisitionsprozessen entwickelt haben dürften und die auch der
Herrschaftsausübung dienen können. Möglicherweise werden vor allem zwischen
1590 und 1630 bis zu (neun Millionen [Gottfried Christian Voigt] bzw. bis zu)
einer Million Hexen (oder in Deutschland insgesamt [nur] 30000? – z. B. in
München zwischen 1578 und dem Anfang des 18. Jh.s nur wenige nachweisbar - , in
ganz Europa [nur] 25000 oder 50000 bis 100000?, darunter auch Kinder)
verbrannt, ehe der Aufklärung der Sieg über den Hexenglauben gelingt (Johann
Georg von Godelmann, De magis, 1584, Friedrich von Spee, Cautio criminalis
contra sagas, 1631, Christian Thomasius, 1712). Noch nach der Constitutio
Criminalis Theresiana (1768) ist Hexerei strafbar (Art. 58). Der letzte
Hexenprozess auf deutschem Boden findet in Kempten 1775 statt und endete mit
dem Tod der Angeklagten in langjähriger Haft (Glarus 1782, Posen 1793). 1986
wird in Deutschland die Frage Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die ihren
Mitmenschen etwas anhexen können, von einem Drittel der Befragten bejaht.
Lit.: Köbler, DRG 157; Köbler, WAS; Rapp, L., Die
Hexenprozesse und ihre Gegner in Tirol, 2. A. 1891; Riezler, S., Geschichte der
Hexenprozesse in Bayern, 1896, Neudruck 1968; Hansen, J., Zauberwahn,
Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Hansen,
J., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der
Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901; Soldan, G./Heppe, H./Bauer, M.,
Geschichte der Hexenprozesse, Bd. 1f. 1912; Eschenröder, Hexenwahn und
Hexenprozesse in Frankfurt am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1932; Bader,
G., Die Hexenprozesse in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Croissant, W.,
Die Berücksichtigung geburts- und berufsständischer und soziologischer
Unterschiede im deutschen Hexenprozess, 1953; Zwetsloot, H., Friedrich von Spee
und die Hexenprozesse, 1954; Bavoux, F., Hantises et diableries dans la terre
abbatiale de Luxeuil, 1956; Krämer, W., Kurtrierische Hexenprozesse, 1959;
Merzbacher, F., Die Hexenprozesse in Franken, 1957, 2. A. 1970; Thomasius, C.,
Über die Hexenprozesse, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Baroja, J., Las brujas y
su mundo, 1961; Baroja, J., Die Hexen und ihre Welt, 1967; Stebel, H., Die
Osnabrücker Hexenprozesse, 1969; Kunstmann, H., Zauberwahn und Hexenprozesse in
der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Kunze, M., Zum Kompetenzkonflikt zwischen
städtischer und herzoglicher Strafgerichtsbarkeit in Münchner Hexenprozessen,
ZRG GA 87 (1970), 305; Leutenbauer, S., Hexerei und Zauberdelikt in der
Literatur von 1350 bis 1550, 1972; Kneubühler, Die Überwindung von Hexenwahn
und Hexenprozess, Diss. jur. Zürich 1977 (1977); Schormann, G., Hexenprozesse
in Nordwestdeutschland, 1977; Schormann, G., Hexenprozesse in Deutschland,
1981; Lorenz, S., Aktenversendung und Hexenprozess, 1983; Hexenprozesse, hg. v.
Degn, C., 1983; Wichert, G., Die Hexenprozesse in den österreichischen
Alpenländern, der Schweiz und Bayern, 1984; Baumhauer, J., Johann Kruse und der
neuzeitliche Hexenwahn, 1984; Häxornas Europa 1400-1700, hg. v. Ankarloo, B. u.
a., 1987; Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, hg. v. Behringer, W., 1988,
4. A. 2000, 7. A. 2010; Ginzburg, C., Hexensabbat, 1989; Blauert, A., Frühe
Hexenverfolgungen, 1989; Heinemann, E., Hexen und Hexenangst, 1989; Schormann,
G., Der Krieg gegen die Hexen, 1991; Hexe oder Hausfrau, hg. v. Niederstätter,
A. u. a., 1991; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992;
Jerouschek, G., Die Hexen und ihr Prozess, 1992; Walz, R., Hexenglaube und
magische Kommunikation im Dorf der frühen Neuzeit, 1993; Hexenverfolgung und
Regionalgeschichte, hg. v. Wilbertz, G. u. a., 1994; Lambrecht, K.,
Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse, 1995; Hexenglaube und Hexenprozesse, hg.
v. Franz, G. u. a, 1995; Das Ende der Hexenverfolgung, hg. v. Sönke, L. u. a.,
1995; Das Hexenregister des Claudius Musiel, bearb. v. Voltmer, R. u. a., 1996;
Oestmann, P., Hexenprozesse am Reichskammergericht, 1997; Schild, W., Die
Maleficia der Hexenleut‚, 1997; Behringer, W., Hexenverfolgung in Bayern, 3. A.
1997; Biesel, E., Hexenjustiz, 1997; Tschaikner, M., Magie und Hexerei im
südlichen Vorarlberg, 1997; Behringer, W., Hexen, 1998; Briggs, R., Die
Hexenmacher, 1998; Gehm, B., Das Ende der Hexenverfolgung, ZRG GA 115 (1998),
566; Dillinger, J. u. a., Zum Feuer verdammt, 1998; Levack, P., Hexenjagd,
1999; Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, hg. v. Franz, G u.
a., 1998; Gehm, B., Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen
des Reichshofrates zu ihrer Beendigung, 1999 (2000), 2. A. 2012, Neudruck 2013;
Schmidt, J., Glaube und Skepsis, 2000; Schulte, R., Hexenmeister, 2000, 2. A.
2001; Himmlers Hexenkartothek, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2000; Oestmann, P.,
Böse Nachbarn – gute Juristen?, ZNR 2001, 254; Kauertz, C., Wissenschaft und
Hexenglaube, 2001; Schulte, R., Hexenverfolgung in Schleswig-Holstein, 2001;
Hexenprozesse und Gerichtspraxis, hg. v. Eiden, H./Voltmer, R., 2002;
Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und Hexerei in den
fränkischen Markgraftümern, 2002; Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002;
Wilde, M., Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, 2003; Levack, B.,
Hexenjagd, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen, 2003; Tschaikner, M.,
Die Zauberer- und Hexenprozesse in der Stadt S(ank)t Gallen, 2003; Koppenburg,
I., Hexen in Detmold, 2003; Zika, C., Exorcising our demons, 2003; Perlhefter,
V., Die Gestalt des Hexenjägers, 2003; Schatzmann, N., Verdorrende Bäume und
Brote wie Kuhfladen, 2003; Decker, R., Die Päpste und die Hexen – Aus den
geheimen Akten der Inquisition, 2003; Decker, R., Hexen. Magie, Mythen und die
Wahrheit, 2004; Wider alle Hexerei und Teufelswerk, hg. v. Lorenz, S. u. a.,
2004; Tschaikner, M., Hexenverfolgungen in Hohenems, 2004; Koppenborg, I.,
Hexen in Detmold, 2004; Behringer, W., Witches and Witch-Hunts, 2004;
Hexenverfolgung und Herrschaftspraxis, hg. v. Voltmer, R., 2005; Rau, K.,
Augsburger Kinderhexenprozesse 1618-1730, 2006; Roper, L., Hexenwahn, 2007;
Rummel, W./Voltmer, R., Hexen und Hexenverfolgung in der frühen Neuzeit, 2007;
Moeller, K., Das Willkür über Recht ginge, 2007; Zagolla, R., Folter und
Hexenprozess, 2007; Hexenprozess und Staatsbildung, hg. v. Dillinger, J. u. a.,
2008; Rummel, W. u. a., Hexen und Hexenverfolgung, 2008; Utz Tremp, K., Von der
Häresie zur Hexerei, 2008; Pilaszek, M., Procesy o czary w Polsce w wiekach
15-18, 2008 (687 Hexenprozesse zwischen 1501 und 1794); Burkart, M., Hexen und
Hexenprozesse in Baden, 2009; Groß, B., Hexerei in Minden, 2009; Sauter, M.,
Hexenprozess und Folter, 2010; Stokes, L., Demons of Urban Reform, 2011; Darr.
O., Marks of an Absolute Witch, 2011; Gerst, C., Hexenverfolgung als
juristischer Prozess, 2012; Koch, A., Wider ein Feindstrafrecht, 2012; Dillinger,
J., Kinder im Hexenprozess, 2013; The Oxford Handbook of Witchcraft, hg. v.
Levack, B., 2013; Späte Hexenprozesse, hg. v. Behringer, W. u. a., 2014; Rost,
A., Hexenversammlung und Walpurgisnacht in der deutschen Dichtung, 2015;
Monballyu, J., De heksen en hun buren, 2015; Rügge, N., Die Hexenverfolguung in
der Stadt Osnabrück, 2015; Späte Hexenprozesse, hg. v. Behringer, W. u. a.,
2016; Hexenkinder – Kinderbanden – Straßenkinder, hg. v. Behringer, W. u. a.,
2016; Dorn-Haag, V., Hexerei und Magie im Strafrecht, 2016; Hauer, G.,
Hexenprozesse an der Ludoviciana (1612-1723), 2016
Hexenbulle ist die von Heinrich Institoris
erwirkte Bulle Papst Innozenz’ VIII. (1484-1492), mit der er die Verfolgung der
→Hexen (durch Inquisition) fördert (Summis desiderantes affectibus vom
5. 12. 1484).
Hexenhammer (lat. malleus [M.] maleficarum) ist
die erstmals 1486 bei Peter Drach in Speyer gedruckte, die →Hexenbulle
kommentierende Anleitung zum Vorgehen gegen →Hexen des Wanderinquisitors
Heinrich Institoris (Kramer, Schlettstadt um 1430-Brünn 1505) (und angeblich
Jakob Sprenger) (mehr als 30 Auflagen, handschriftliche deutsche Fassung 1491
an Nürnberg übersandt).
Lit.: Schmidt, J., Der Hexenhammer, Bd. 1ff. 1930;
Malleus maleficarum 1487 (Hexenhammer), hg. v. Jerouschek, G., 1990; Malleus
maleficarum, hg. v. Schnyder, A., 1991; Malleus maleficarum 1487 von Heinrich
Kramer (Institoris), Neudruck hg. v. Jerouschek, G., 1992; Nürnberger
Hexenhammer 1491, hg. v. Jerouschek, G., 1992; Schnyder, A., Malleus
maleficarum von Heinrich Institoris, Kommentar, 1993; Kramer (Institoris), H.,
Der Hexenhammer - Malleus Maleficarum, hg. v. Jerouschek, G. u. a., 2000;
Henricus Institoris/Jacob Sprenger, Malleus maleficarum, hg. v. Mackay, C.,
2006; Mackay, C., The Hammer of Witches, 2009; Decker, R., Hexen, 2010; Beck,
R., Mäuselmacher, 2011, 2.( unv.) A. 2012; Koch, A., Wider ein Feindstrafrecht,
2012
Hexenprozess →Hexe
Heymael (N.) (Hegemal) landesherrliches Gericht für
Strafsachen
Lit.: Hermesdorf, B., Het Heymael, aantekeningen bij een oude dingtaal
uit het Amorland, 1950
Heymann, Ernst (Berlin 6. 4. 1870-Tübingen
2. 5. 1946) wird als Sohn eines Postbediensteten nach dem Rechtsstudium in
Breslau (Otto Fischer, Dahn), einer romanistischen Dissertation und der
Habilitation für Handelsrecht und deutsche Rechtsgeschichte (1896)
außerordentlicher Professor in Berlin und ordentlicher Professor in Königsberg
(1902), Marburg (1903) und Berlin (1914). Kennzeichnend für ihn sind die
Annäherung der Rechtsgeschichte an das geltende Recht und der vielseitige
Weitblick (Die Grundzüge des gesetzlichen Verwandtenerbrechts, 1896,
Überblick über das englische Recht, 1914, Die Rechtsformen der militärischen
Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen deutschen Industrierechts, 1921).
1933 wird der anfangs rechtsliberale H. Mitläufer des Nationalsozialismus,
verwendet sich aber für den 1944 verhafteten Romanisten Walter Erbe..
Lit.: Festschrift Ernst Heymann, 1940 (mit
Schriftenverzeichnis); Mitteis, H., Nachruf auf Ernst Heymann, ZRG GA 65
(1947), IX; Bott, M., Die Haltung der Berliner Universität im
Nationalsozialismus, 2009
Hierarchie ist die stufenmäßig aufgebaute, auf
Überordnung und Unterordnung beruhende Ordnung. Die H. wird schon im Altertum
in der Kirche und im römischen Dominat entwickelt. Ihrer bedient sich der seit
dem Spätmittelalter erwachsende Staat zur Gestaltung seiner Verwaltung.
Lit.: Köbler, DRG 55; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 3 1982, 103; Hiérarchie et stratification sociale dans l’Occident médiéval
(400-1100), hg. v. Bougard, F. u. a., 2008
Hildebrandslied ist das in einer lateinischen, aus
Fulda stammenden, in Kassel aufbewahrten Handschrift auf den Außenseiten 1r und
76v von zwei Händen des mittleren 9. Jh.s (830-840) in 68 stabreimenden
Langzeilen aufgezeichnete einzige althochdeutsche Heldenlied, das wohl auf
Vorgänge um 500 n. Chr. zurückgehen könnte.
Lit.: Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher
Denkmäler, 1986; Vopat, C., Zu den Personennamen des Hildebrandsliedes, 1995
Hildesheim ist ein um 815 von Ludwig dem Frommen
gegründetes Bistum am Nordrand des Harzes, dessen Kernort 1052 Marktrecht
erhält und 1217 Stadtrecht hat.
Lit.: Gebauer, J., Geschichte der Stadt Hildesheim, Bd. 1f. 1922ff.;
Klewitz, H., Studien zur territorialen Entwicklung des Bistums Hildesheim,
1932; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt Hildesheim, ZRG GA 61
(1941), 151; Adamski, H., Der welfische Schutz über die Stadt Hildesheim, 1939;
Quellen zur Hildesheimer Landesgeschichte des 14. und 15. Jahrhunderts, 1964;
Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift Hildesheim, 1968;
Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969; Schwarz, B.,
Der Pfennigstreit in Hildesheim 1343, 1978; Die Hildesheimer Bischöfe von
815-1221, bearb. v. Goetting, H., 1984; Höhl, M., Die Pest in Hildesheim, 2002;
Plath, C., Konfessionskampf und fremde Besatzung, 2005; Giese, M., Die
Textfassungen der Lebensbeschreibung Bischof Bernwards von Hildesheim, 2006;
Die Hildesheimer Bischöfe von 1221 bis 1398, bearb. v. Kruppa, N. u. a., 2006;
Klingebiel, T., Die Landtagsabschiede des Hochstifts Hildesheim, 206ff.; Giese,
M., Hildesheimer Bischofskataloge des 11. bis 16. Jahrhunderts, DA 62 (2007),
569; Schneider, W., Bernward von Hildesheim, 2010; Pischke, G., Hildesheim,
2014
Hilfe s. unterlassene Hilfeleistung
Lit.: Koch, S., Unaufgeforderte Hilfeleistung in Notsituationen, 2012
Himmelsrichtung ist die Richtung eines Ortes der Erde in Bezug
auf andere Orte oder örtliche Gegebenheiten. Die wichtigsten Himmelsrichtungen
sind Norden (Nordpol), Osten (Sonnenaufgang), Süden (Sonnenhöchststand) und
Westen Sonnenuntergang. Sie sind bereits dem Altertum bekannt, werden von Karl
dem Großen in dem Althochdeutschen verfeinert und haben auch in der Gegenwart
noch vielfältigste Bedeutung.
Lit.: Gottlieb, C., Ost und West in der christlichen Kirche des 4. und
5. Jahrhunderts, 1978; Nord und Süd in der deutschen Geschichte des
Mittelalters, hg. v. Paravicini, W., 1990; Richter, D., Der Süden, 2009
hinkend (Adj.) unvollkommen wirksam (lat. claudicans)
z. B. Rechtsgeschäft eines Minderjährigen
Hinkmar von Reims (um 806?-Epernay 21.? 12. 882),
aus vornehmem fränkischem Geschlecht, wird nach der Schulung in Saint Denis 845
Erzbischof von →Reims. Neben umfangreichen nichtrechtlichen Schriften und
Stellungnahmen in einzelnen Rechtsfragen gibt er eine auf Adalhard von Corbie
aufbauende Darstellung des Hofes des fränkischen Königs (lat. De ordine
palatii, Von der Ordnung des Palastes, 882).
Lit.: Schrörs, H., Hinkmar, 1884, Neudruck 1967;
Hincmarus de ordine palatii, hg. v. Krause, V., 1894; Devisse, J., Hincmar,
1975f.; Hinkmar von Reims, De ordine palatii, hg. v. Gross, T. u. a., 1980;
Stratmann, M., Hinkmar von Reims, 1991; Die Streitschriften Hinkmars von Reims
und Hinkmars von Laon 869-871, hg. v. Schieffer, R. 2003; Schmitz, G., De
presbiteris criminosis, 2004
Hinrichtung ist die Vollstreckung eines
Todesurteils. Sie erfolgt im altrömischen Recht durch Enthauptung mit dem Beil,
im klassischen römischen Recht durch Enthauptung mit dem Schwert. Nach Tacitus
hängen die Germanen Volksverräter auf und versenken Unzüchtige im Moor. Seit
dem Hochmittelalter finden sich zahlreiche verschiedene →Todesstrafen
(Enthaupten, Hängen, Rädern, Verbrennen, Pfählen, Vierteilen, Lebendigbegraben,
Ertränken).
Lit.: Feucht, D., Grube und Pfahl, 1967; Ruoff, W.,
Die Hauptgrube, ZRG GA 86 (1969), 198; Marschall, D., De laqueo rupto, 1968;
Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), 1992;
Martschukat, J., Die öffentliche Hinrichtung, Kriminolog. Journal 1995, 186;
Seeger, A., Hinrichtungen, 1998; Richtstättenarchäologie, hg. v. Auler, J.,
2008
Hinschius, Paul (Berlin 25. 12. 1835-13. 12.
1898), protestantischer Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg
(Keller) und Berlin (Richter) Professor in Halle (1863), Berlin (1865), Kiel
(1868) und Berlin (1872) und Kirchenpolitiker. Unvollendet ist sein
sechsbändiges Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland
(1869ff.). Politische Bedeutung hat seine Mitwirkung am →Kulturkampf
(Personenstandsgesetz).
Lit.: Stutz, U., Die kirchliche Rechtsgeschichte,
1905; Ruppert, S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002
Hinterlegung (Wort 1542, lat. [F.]
→depositio) ist die im Rahmen eines Schuldverhältnisses erfolgende
Übergabe einer hinterlegungsfähigen Sache durch den Schuldner an die
öffentliche Hinterlegungsstelle. Sie ist dem klassischen römischen Recht
bekannt und wird seit dem Spätmittelalter (Köln 1288) mit dem römischen Recht
zu Lasten der bloßen Preisgabe aufgenommen, erfolgt allerdings meist bei Gericht.
Lit.: Kaser § 53; Köbler, DRG 43, 215; Müller, P., Die
Hinterlegung, Jh. Jb. 41 (1899), 411; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Hintersasse (mhd. bezeugt) ist
der vom Grundherrn irgendwie abhängige (hinter sitzende) Mensch in der
→Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Meyer, G., Die
Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2 (1881), 83, 3 (1882),
102
Hippolithus a Lapide (Hippolitus a Lapide, Bogislaw
Philipp [von] Chemnitz) (Stettin 9. 5. 1605-Hallstaad
[Gut]/Vestmanland/Schweden 17. 5. 1678), lutherisch, wird nach dem Studium von
Recht und Geschichte in Rostock und Jena (Dominicus Arumaeus) Soldat in den
Niederlanden und in Schweden (1630-1637), 1644 Hofhistoriograph Schwedens und
veröffentlicht (zwischen 1640 und 1647 [um 1640?, um 1643?]) unter diesem
Namen die (lat.) Dissertatio (F.) de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico
(Erörterung über das Wesen des Staates in unserem römisch-deutschen Reich), in
der er das Reich als Aristokratie der (souveränen) Stände erklärt und sich für
die Stärkung des Reichstags unter Schwächung der Kurfürsten sowie die
Ausgliederung Habsburgs aus dem Reich ausspricht.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts
in Deutschland, Bd. 1 1988, 203
Hirdskra (Gefolgschaftsordnung) ist die zwischen 1273/1274 und 1277
entstandene, unter König →Magnus Hakonarson (Lagabœtir) (1263-1281)
aufgezeichnete norwegische Gefolgschaftsordnung mit ältesten Handschriften von
etwa 1300 , der eine wohl vor 1200 entstandene, verlorene Vorgängerin
vorausgeht. In 54 Kapiteln dreier Teile (Amtsträger, Pflichten der
Gefolgsleute, Gäste und Kerzenjungen) behandelt das vielleicht von einem
Geistlichen verfasste Werk die Erbfolge und Wahl des Königs, die Eide der
Amtsträger, die Hofämter, die Verteidigung, den Frieden u. s. w.
Lit.: Das norwegische Gefolgschaftsrecht, hg. v.
Meißner, R., 1938; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500,
2011, 148ff.
Hirsau
Lit.: Drumm, D., Das Hirsuer Geschichtsbild
im 12. Jahrhundert, 2016
Hirtenrecht ist das für Hirten in Spätmittelalter
und Neuzeit geltende besondere Recht.
Lit.: Carlen, L., Das Recht der Hirten, 1970;
Schöller, R., Der gemeine Hirte, 1973, zu Hirtenschutt (Lohn der
Gemeindehirten) s. Schildt, B., Bauer – Gemeinde – Nachbarschaft, 1996
His, Rudolf (Basel 15. 7. 1870-Münster 22. 1. 1938), aus
Ratsherrnfamilien in Basel, Medizinprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Genf, Leipzig (Binding, Sohm), Berlin und Basel (Heusler) und der Promotion
in Basel 1892 sowie der Habilitation in Heidelberg (1896, Schröder, Die Domänen
der römischen Kaiserzeit, 1896) Professor in Münster. Er verfasst nach einem
Strafrecht der Friesen im Mittelalter (1901) in der Nachfolge der Systematik
Heinrich Brunners eine grundlegende zweibändige Strafrechtsgeschichte (Das
→Strafrecht des deutschen Mittelalters 1920, 1935, vereinfachend Die
Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967,
ohne genetische Erklärung).
Lit.: Naendrup, H., Rudolf His, 1941
Historie (F.) Geschichte
Historiker (M.) Geschichtsforscher
Lit.: Historikerlexikon, hg. v. Bruch, R. vom/Müller,
R., 2. A. 2002
Historikerstreit ist in Deutschland der von Jürgen
Habermas 1985 ausgelöste, 1988 ohne greifbare wissenschaftliche Früchte
versiegte Streit deutscher Historiker über die Bedeutung des
Nationalsozialismus in Deutschland.
Lit.: Kailitz, F., Die politische Deutungskultur
im Spiegel des „Historikerstreits“, 2001
Historische Rechtsschule ( ab 1815 bzw. zunächst
geschichtliche Schule der Rechtswissenschaft) ist die von Friedrich Carl von
→Savigny (und Karl Friedrich Eichhorn) in Ablehnung von Philosophie,
Naturrecht und gesundem Menschenverstand begründete reformkonservative Schule
der geschichtlichen Rechtswissenschaft. Für sie greift Savigny in einem
objektiven, scheinbar gegen das ungeschichtliche →Naturrecht
(Vernunftrecht) gezielten Idealismus rechtspolitisch die Freiheitsethik
Immanuel →Kants (1724-1804) auf und bezieht Gustav →Hugos
(1764-1844) methodische Forderungen nicht nur in seine frühen methodologischen
Gedankengänge (1802) ein, sondern verwirklicht sie bereits im „Recht des
Besitzes“ (1803) in der Form der philosophischen (begrifflichen, allgemeinen,
absoluten, systematisch-theoretischen) Durchdringung des historischen
(tatsächlichen, positiven, konkreten, exegetisch-praktisch behandelten)
Stoffes, um in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den Quellen den
Besitzwillen als allgemeines, logisches, konstituierendes Element des
Besitzrechts konstruktiv-systematisch zu erarbeiten. In der historischen
Rechtsschule sieht er das Recht an seine geschichtlichen Voraussetzungen
gebunden und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt
willkürlich selbst hervorbringe. Das Recht, das Vernunft und Ordnung in sich
selbst birgt und damit auch aus sich selbst heraus ergänzungsfähig ist, ist ihm
entsprechend den Vorstellungen →Herders (1744-1803) ein aus dem Innersten
der Nation selbst und ihrer Geschichte geborener Teilbereich der Gesamtkultur
und muss mit dieser, gespeist von irrationalen Kräften, wachsen. Weil das
Historische in der Jurisprudenz nicht mehr als zufällig, sondern als geschichtlich
notwendig verstanden wird, hält er eine →Kodifikation wie das
→Allgemeine Landrecht (1794), den →Code civil (1804) oder das
→Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch 1811/1812 (zumindest in ihrem
Entstehungszeitpunkt) für entbehrlich, wenn nicht gar schädlich. Allerdings
dient die als geschichtlich behauptete Betrachtungsweise Savigny im Ergebnis
nur dazu, den insgesamt vorhandenen Rechtsstoff von dem zu reinigen, was nur
historische Bedeutung hat und deshalb für die Gegenwart ausgeschieden werden
kann. Ziel ist die Erneuerung des geltenden Rechts durch das geschichtliche
(römische) Recht mit Hilfe der Rechtswissenschaft. Schon seit seinen Landshuter
Vorlesungen der Jahre 1808/1809 vertritt Savigny, ohne dies zu begründen, dabei
die Ansicht, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen Stämme
verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen
Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt habe, weshalb die Deutschen gar kein
eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das übernommene
römische Recht das eigentümliche Recht sei (!). Der nach der damit begründeten
Zurückweisung des älteren deutschen Rechtes germanischer Herkunft und nach
Ausscheiden der mittelalterlichen und neuzeitlichen Entstellungen des
römischen Rechtes verbleibende Stoff, nämlich das klassisch-römische Recht, ist
im eigentlich von einer historischen Rechtsschule nicht zu erwartenden Wiederaufgreifen
naturrechtlicher Begriffsbildung und naturrechtlicher Systematik für
Savigny der Gegenstand konstruktiv-systematischer, die tatsächliche geschichtliche
Entwicklung bewusst als überflüssig abstreifender Durchdringung (System des
heutigen römischen Rechtes, 1840ff.). Die h. R. teilt sich später in Romanisten
(→Savigny, →Puchta, →Windscheid) und Germanisten
(→Eichhorn, →Grimm, →Gierke). Ihre dogmatisch-praktische
Zielsetzung geht bald in der (unhistorischen) →Begriffsjurisprudenz auf.
Lit.: Köbler, DRG 187; Gierke, O. v., Die historische
Rechtsschule und die Germanisten, 1903; Rexius, G., Studien zur Staatslehre der
historischen Schule, HZ 107 (1911), 496; Kantorowicz, H., Volksgeist und
historische Rechtsschule, HZ 108 (1912), 295; Conrad, H., Aus der
Entstehungszeit der historischen Rechtsschule – Friedrich Carl von Savigny und
Jacob Grimm, ZRG GA 65 (1947), 261; Vischer, E., Barthold Georg Niebuhr und die
Schweiz, Die Welt als Geschichte 16 (1956), 1; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der
historischen Rechtsschule, 1967; Böckenförde, E., Die historische Rechtsschule
und das Problem der Geschichtlichkeit des Rechtes, FS J. Ritter, 1965, 9;
Wieacker, F., Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967;
Scheuermann, R., Die Einflüsse der historischen Rechtsschule, 1972; Conradi,
R., Karl Friedrich Eichhorn als Staatsrechtslehrer, 1987; Klemann, B., Rudolf
von Ihering und die historische Rechtsschule, 1989; Reimann, M., Historische
Schule und Common Law, 1993; Bürge, A., Ausstrahlungen der historischen
Rechtsschule in Frankreich, ZEuP 1997, 643; Hofer, S., Freiheit ohne Grenzen?,
2001; Schäfer, F., Juristische Germanisitk, 2008; Gadomski, C., Die Rezeption
der historischen Rechtsschule und der Pandektenwissenschaft in der
italienischen Wissenschaft, Diss. jur. Frankfurt 2006; Lüderssen, K.,
Eichendorff und das Recht, 2007; Jouanjan, O., Philosophische Verwicklungen in
der Rechtswissenschaft, ZRG GA 125 (2008), 367; Kirschbaum, J., Die Etablierung
der historischen Rechtsschule an der Ludoviciana (1814-1824), 2011
Historischer Materialismus ist die von Karl →Marx als
geschichtlicher Gesetzmäßigkeit unterliegend erklärte materialistische Geschichtsphilosophie.
historische Schule →historische Rechtsschule
Historismus ist (seit etwa 1850, verstärkt seit
1874 [Nietzsche]) die Betrachtung eines Geschehens unter dem Blickpunkt des
Einmaligen und Besonderen, womit historische Vorgänge und Strukturen ihre Vergleichbarkeit
und Wiederholbarkeit einbüßen.
Lit.: Wittkau, A., Historismus, 1992; Jaeger,
F./Rüsen, J., Geschichte des Historismus, 1992; Geschichtsdiskurs Bd. 3, hg.
v. Küttler, W. u. a., 1996, Historismus, hg. v. Oexle, O. u. a., 1996;
Historismus am Ende des 20. Jahrhunderts, hg. v. Scholtz, G., 1997; Conte, D.,
Storicismo e storia universale, 2000; Historismus im 19. Jahrhundert, hg. v.
Nordalm, J., 2006; Historisierung, hg. v. Baumstark, M./Forkel, R., 2016
Hitler, Adolf (Braunau 20. 4. 1889-Berlin
30. 4. 1945), vielfach geprügelter Sohn eines unehelich geborenen
Zollamtsoberoffizials (Alois Schicklgruber, [1876 Namensänderung und
Ehelichenstatusänderung in Hitler und ehelich durch den Ortspfarrer, † 1903,
Halbwaisenrente für H.] aus einer aus dem Waldviertel in Niederösterreich
stammenden Familie und in dritter Ehe seiner Cousine zweiten Grades Klara Pölzl
1860-21. 12. 1907), wird (trotz zeitweiser guter Schulnoten bei mehrfacher
Nichtversetzung ohne Schulabschluss [1905]) nach Aufenthalten in Wien (1907
gescheiterte Aufnahmeprüfung in Kunstakademie, 1908, 1909 zweiter gescheiterter
Versuch der Aufnahme in die Kunstakademie, Wohnung in Obdachlosenasyl, 1910 in
Männerwohnheim (Begegnung mit der Lage der unteren Schichten), Maler von
Sehenswürdigkeiten Wiens, Verkauf der Bilder durch jüdische Händler) und
München (1913, auch zwecks Vermeidung des Militärdiensts in Österreich, 5. 2.
1914 in Salzburg bei Musterung als waffenunfähig beurteilt) sowie freiwilliger
Kriegsteilnahme (16. 8. 1914 16. Reserveinfanterieregiment Bayerns, eingesetzt
als nicht besonders gefährdeter Meldegänger an der Westfront, eisernes Kreuz 2.
Klasse, Militärverdienstkreuz 3. Klasse, Regimentsdiplom für hervorragende
Tapferkeit, Verwundetenabzeichen, eisernes Kreuz erster Klasse,
Dienstauszeichnung 3. Klasse) mit trotz psychiatrischer Heilung von Erblindung
durch Senfgaseinwirkung [13./14./15. 10. 1918 mit einmonatigem
Lazarettaufenthalt, 21. 11. 1918 Eintritt in ein Münchener Ersatzbataillon
zwecks opportunistischen Verbleibs bei dem zu dieser Zeit im Dienste der
linksrevolutionären Kräfte Ordnung schaffenden Militär mangels ziviler
Perspektiven] weiterwirkender posttraumatischer Belastungsstörung (1919)
(möglicherweise zunächst aus Orientierungslosigkeit Zuwendung zur Räterepublik
Eisners?, bisher nicht klar gedeutete Erfahrungen in der Räterepublik,
Soldatenrat?, April 1919 gewählter Vertrauensmann seiner Kompanie, wenig später
stellvertretender Bataillonsrat, 1. Mai 1919 Rückeroberung Münchens, als
Angehöriger einer Kommission gegen Militärangehörige der radikalen Linken dem
postrevolutionären Militär angedient und Entlassung verhindert, geprägt von der
Ratifizierung des Vertrags von Versailles am 9. 7. 1919 von Sommer 1919 [im
Herbst 1919 kurzfristig zum Schützenregiment 41 kommandiert]
bis zur Entlassung am
31. März 1920 zum 1. 4.1920) Vertrauensmann (aber als Österreicher nie Angehöriger)
der Reichswehr (ab Sommer 1919 Propagandist zur politischen Aufklärung der zu
entlassenden Soldaten im Sinne der neuen Republik bzw. Bildungsoffizier, in
einem Schulungskurs vom 20.-24. 8. 1919 erstmals als Redner hervortretend, u.
a. beauftragt mit Beobachtung der Deutschen Arbeiterpartei? am 12. 9. 1919,
vielleicht „ein in oder von militärischen Stellen gut versorgter Aktivist,
welcher der aufstrebenden Deutschen Arbeiterpartei als Leihgabe zur Verfügung
gestellt wurde“, Wandel von einem politischen Niemand zu einem an der Macht
interessierten Politiker bzw. dreistufiger Aufstieg von einem streunenden Hund
von November 1918 bis Mai 1919 über einen Teil eines Rudels vom Mai 1919 bis
Juli 1921 zu dem Anführer des Rudels vom Juli 1921 bis 1926) und (19. 10. 1919)
55. Mitglied (Karte Nr. 555) der Deutschen Arbeiterpartei (24. Februar 1920
→Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, nach
zwischenzeitlichem Parteiaustritt und Wiedereintritt 29. Juli 1921 Vorsitzender).
Nach der Niederlage der Münchener Räterepublik (2. Mai 1919) und unter dem
Eindruck der gleichzeitig bekannt gewordenen Bedingungen des Friedensvertrags
von Versailles nähert sich H. völkisch-antisemitischen Zieletzungen (erstes
Zeugnis von Antisemitismus in einem Brief an Adolf Gemlich vom 16. September
1919). Stetes politisches Ziel ist die politische nationale Zusammenführung
aller (arischen) Deutschen. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er durch die
Honorare für seine Reden. Wegen Störung einer konkurrierenden Versammlung des
Bayernbunds in dem Löwenbräukeller am 14. 9. 1921 wird er am 12. 1. 1922 wegen
Landfriedensbruchs zu drei Monaten Haft verurteilt, die aber nach einem Tag
Haft (24. 6. 1921) zur Bewährung ausgesetzt wird. Nach einem gescheiterten, die
bestehende politische Lage völlig falsch einschätzenden Putsch (mit Erich
Ludendorff 8. 11. 1923/9. 11. 1923) inhaftiert und wegen Hochverrats zu 5
Jahren Festungshaft verurteilt, verfasst er (175 cm groß und etwa 75 Kilogramm
schwer) in der Rolle eines politischen Märtyrers der Intrigen des konservativen
Establishments unter verhältnismäßig angenehmen Bedingungen in der Festung
Landsberg binnen sieben Monaten die (vielleicht teilweise Rudolf Heß diktierte,
Geschehnisse, Absichten, Fehler, Entstellungen, Verdrehungen und Unwahrheiten
umfassende und dementsprechend in Bezug auf die tatsächliche Biographie
weitgehend fiktive) Programmschrift „Mein Kampf“ (Band 1), die nur wenige
originäre Gedanken enthält, aber Lesefrüchte des Ideenschutts der Wende von dem
19. Jahrhundert zu dem 20. Jahrhundert in individueller Art verknüpft und die
Entwicklung von einem Niemand mit einer noch offenen politischen Zukunft zu dem
nationalsozialistischen Führer abschließt (20. 12. 1924 Entlassung). Sie
erscheint nach Aufhebeung des Verbots der NSdAP (16. 2. 1925) im Juli 1925 und
erhebt den Schreiber zu einer Persönlichkeit mit nationalem Profil mit dem
Talent, auch auf der Grundlage unvollständiger Informationen sich rasch zu
entscheiden, und dem steten Ziel eines geeinten Deutschlands. Am 30. 4. 1925
gibt er die Staatsbürgerschaft Österreichs auf und wird staatenlos. Im Sommer
1926 wird der Hitlergruß eingeführt. Bis November 1926 entsteht in der Pension
Moritz in Berchtesgaden, in einer Blockhütte im Wald (Kampf-Häusl) und in dem
Hotel Deutsches Haus der zweite Band des Werkes Mein Kampf mit dem Thema
Notwehr als Recht am Schluss (Volksausgabe beider Teile der „Hitlerbibel“ 1930,
insgesamt 1031 Auflagen bis 1944, kritische, zwischen Interessen von Opfern und
Interessen der Allgemeinheit vermittelnde, auf größeres Interesse von
Nachfragern stoßende Ausgabe 2016). Seit 1928/1929 gelingen Hitler mit Hilfe
verschiedener Machteroberungsstrategien wachsende, durch Versprechen
wirtschaftlicher und gesellschafticher Verbesserungen vorbereitete Wahlerfolge
(14. 9. 1930 Steigerung des Stimmanteils seiner Partei von 2,6 auf 18,3
Prozent). Am 25. Februar 1932 erwirbt er drei Tage nach Bekanntgabe seiner
Kandidatur zum Reichspräsidenten durch Ernennung zum Regierungsrat in
Braunschweig (Amt nie angetreten, am 16. 2. 1933 wieder entlassen) die
Staatsbürgerschaft des deutschen Reiches. Bei der Wahl unterliegt er dem
Wahlsieger Paul von Hindenburg (1847-1934) mit 36,8 Prozent der abgegebenen
Stimmen. Am 30. 1. 1933 ernennt ihn in Zusammenwirken mit konservativen
Ansprechpartnern der Reichspräsident als Führer der stärksten
Reichstagsfraktion zum Reichskanzler des →Deutschen Reiches. Durch
Überredung, Drohung und Gewalt wandelt H. die Republik in den totalitären
Einparteienstaat eines diktatorischen Führers (→Drittes Reich). Nach dem
2. 8. 1934 übernimmt er auch das Amt des verstorbenen Reichspräsidenten. Auf
komplexe politische Problemlagen reagiert er eigenwillig, überraschend
flexibel, grundsätzlich effizient und im Zweifel repressiv. 1936 erklärt er auf
dem Parteitag, dass es ein Wunder der Zeit sei, „Dass ihr mich gefunden habt
unter so vielen Millionen. Und dass ich euch gefunden habe, ist Deutschlands
Glück“. Gestützt auf ein Bündnis mit Italien und Japan und einen taktisch
motivierten Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion (Stalin<) greift er als
Fortsetzung des ersten Weltkriegs mit einem Schritt zur unbegrenzten
Gewaltanwendung am 1. 9. 1939 Polen an („wird zurückgeschossen“) und löst
damit den zweiten Weltkrieg (zunächst gegen Polen, Großbritannien und Frankreich)
aus, in dessen die Sachlogik der professionellen militärischen Berater sehr
lange außer Acht lassendem Verlauf Hitlers Imperium am Jahresende 1941 größer
ist als die am Ende des Jahres 1941 in den Krieg eintretenden Vereinigten
Staaten von Amerika, an dessen Ende aber nach seiner Selbsttötung (in Berlin am
30. 4. 1945) am 8. 5. 1945 die völlige Kapitulation (Befreiung) des Deutschen
Reiches steht. Das Recht gebraucht und missbraucht H. in vielfältiger Weise
als Kampfinstrument zur Durchsetzung der Ideologie des
→Nationalsozialismus. (Biographien von Konrad Heiden 1937, Alan Bullock,
Werner Maser 1922-2007 Adolf Hitler 1971, Joachim C. Fest, John Toland, Rainer
Zitelmann, Marlies Steinert, Ian Kershaw, Volker Ullrich, Wolfram Pyta, Peter Longerich,
überwiegend als machtbewusst instinktsicherer Charismatiker eingeordnet). Die
von ihm verwirklichte Finanzierung der Kriegsschulden in Höhe von 451
Milliarden Reichsmark muss der Sparer in der Währungsreform des Jahres 1948
tilgen.
Lit.: Köbler, DRG 222; Heuß, T., Hitlers Weg, 8. A.
1932, Neudruck 2008; Hitler, A., Mein Kampf, 1925, 17. A. 1933, 1031. A. 1944,
kritische Ausgabe 2016; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Hofmann,
H., Der Hitlerputsch, 1961; Domarus, M., Hitlers Reden und Proklamationen, 2.
A. 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich - Attentat, 1969; Broszat,
M., Der Staat Hitlers, 1969, 15. A. 2000; Franz-Willing, G., Ursprung der
Hitlerbewegung 1919-1922, 2. A. 1974; Maser, W., Adolf Hitler, 1971, 18. A.
2001; Fest, J., Hitler, 1973; Phillips, L., Adolf Hitler and the Third Reich,
1977; Toland, J., Adolf Hitler, 1976 (deutsch 1977); Hitler, Adolf, Sämtliche
Aufzeichnungen (1905-1924), hg. v. Jäckel, E. u. a., 1980; Jäckel, E., Hitlers
Herrschaft, 1986; Zitelmann, R., Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs,
2. A. 1998; Lang, J., Die Partei, 1989; Hitler, A., Reden, Schriften,
Anordnungen, hg. v. Institut für Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1992ff. (1925-1933);
Steinert, M., Hitler, 1994; Goldhagen, D., Hitlers willige Vollstrecker, 1996;
Hamann, B., Hitlers Wien, 1996; Turner, H., Hitlers Weg zur Macht, 1996;
Lukacs, J., Hitler, 1997; Pätzold, K./Weissbecker, M., Adolf Hitler, 1997; Der
Hitler-Prozess, hg. v. Gruchmann, L., Bd. 1ff. 1997ff.; Large, D., Hitlers
München, 1998; Kershaw, I., Hitler, Bd. 1ff. 1998ff.; Schmitz, H., Adolf
Hitler, 1998; Mommsen, H., Alternative zu Hitler, 2000; NS-Verbrechen und der
militärische Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2000; Kershaw, I.,
Hitler 1936-1945, 2000; Zehnpfennig, B., Hitlers „Mein Kampf“, 2000, 3. A.
2006; Krockow, C. Graf v., Hitler und seine Deutschen, 2001; Gellately, R.,
Backing Hitler, 2001; Gritschneder, O., Der Hitler-Prozess und sein Richter
Georg Neithardt, 2001; Rauscher, W., Hitler und Mussolini, 2001; Zürner, B.,
Adolf Hitler – Feldherr wider Willen?, 2001; Machtan, L., Hitlers Geheimnis,
2001; Fest, J., Der Untergang – Hitler und das Ende des Dritten Reiches, 2002;
Der deutsche Widerstand gegen Hitler, hg. v. Überschär, G., 2002; Reuth, R.,
Hitler, 2003; Koch-Hillebrecht, M., Hitler, 2003; Horstmann, B., Hitler in
Pasewalk, 2004; Schwarz, B., Hitlers Museum, 2004; Thonke, C., Hitlers langer
Schatten, 2004; Rietzler, R., Mensch Adolf, 2004; Seligmann, R., Die Deutschen
und ihr Führer, 2004; Aly, G., Hitlers Volksstaat, 2005; Frank, M., Der Tod im
Führerbunker, 2005; Schreckenberg, H., Hitler, 2006; Plöckinger, O., Geschichte
eines Buches. Adolf Hitlers Mein Kampf, 2006, 2. A. 2011; Grabner-Haider, A.,
Hitlers mythische Religion, 2008; Ryback, T., Hitler’s Private Library, 2008;
Fritze, L., Legitimer Widerstand?, 2009; Mazower, M., Hitlers Imperium, 2009;
Haasis, H., Den Hitler jag ich in die Luft, 2009; Renz, U., Georg Elser, 2009;
Schmidt, U., Hitlers Arzt Karl Brandt, 2009; Reuth, R., Hitlers Judenhass, 2009;
Bavendamm, D., Der junge Hitler, 2010; Fritz Gerlich, bearb. v. Morsey, R.,
2010; Krings, S., Hitlers Pressechef - Otto Dietrich (1897-1952), 2010;
Zehnpfennig, B., Adolf Hitler - Mein Kampf, 2011; Weber, T, Hitlers erster
Krieg, 2011; Herbst, L., Hitlers Charisma, 2011; Tomberg, F., Das Christentum
in Hitlers Weltanschauung, 2012; Knigge, J., Hitlers Italienbild, 2012;
Plöckinger, O., Unter Soldaten und Agitatoren, 2013; Ullrich, V., Adolf Hitler
- Biographie - Die Jahre des Aufstiegs 1889-1939, 2013; Nübel, C., Der
Bismarck-Mythos in den Reden und Schriften Hitlers, HZ 298 (2013) 349 (von
geringer Bedeutung, weil Hitler zukunftsorientiert erscheinen wollte); Raichle,
C., Hitler als Symbolpolitiker, 2014; Dreykorn, M., Hitler an der Macht, 2015;
Pyta, W. Hitler – Der Künstler als Politiker und Feldherr, 2015; Longerich, P.,
Hitler, 2015; Kellerhoff, S., Mein Kampf – Die Karriere eines deutschen Buches,
2015; Fleischmann, P., Hitler als Häftling in Landsberg 1923/1924, 2015;
Nettles, J., Hitlers Inselwahn, 2015; Longerich, P., Hitler, 2015; Fleischmann,
P., Hitler als Häftling in Landsberg, 2015; Quellen und Dokumente zur
Geschichte von „Mein Kampf“ 1924-1925, hg. v. Plöckinger, O., 2016; Hitler –
Mein Kampf – Eine kritische Edition, hg. v. Hartmann, C. u. a., 2016; Sandner,
H., Hitler – Das Itinerar, Bd. 1-4 2016 (rund 4000 Tage in München, je 2000
Tage in Wien und Berlin, 1650 Tage auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden); Die
Maiski-Tagebücher, 2016; Weber, T., Wie Adolf Hitler zum Nazi wurde, 2016;
Aust, S., Hitlers erster Feind, 2016; Renz, U., Georg Elser – Allein gegen
Hitler, 2. A. 2016; Herwig, H., The Demon of Geopolitics – How Karl Haushofer
„educated“ Hitler and Hess, 2016 (fast gar nicht)
Hobbes, Thomas (Westpool 5. 4.
1588-Hardwick Hall 4. 12. 1679) wird nach dem Philosophiestudium in Oxford
Hauslehrer bei Baron Cavendish. In seinem Hauptwerk (lat.) Elementa (N.Pl.)
philosophiae (Grundlagen der Philosophie) (Teil 3 [lat.] De cive [Vom Bürger],
1649, ähnlich Leviathan, 1651) erklärt er den Ursprung des Staates mit dem vom
(bösen) Menschen zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle zugunsten des
souveränen Herrschers geschlossenen →Gesellschaftsvertrag, als dessen
Folge auf Grund der Autorität des Herrschers die menschlichen Gesetze die
Naturgesetze ablösen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HobbesThomasLeviathan1651.pdf;
Tönnies, F., Thomas Hobbes, 3. A. 1925; Schnur, R., Individualismus und
Absolutismus, 1962; Mayer-Tasch, P., Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht,
1965; MacPherson, C., Die politische Theorie des Besitzindividualismus, 1967;
Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens bei Hobbes, 1968;
Hobbes-Forschungen, hg. v. Koselleck, R. u. a., 1969; Förster, W., Thomas
Hobbes und der Puritanismus, 1969; Schelsky, H., Thomas Hobbes, 1981, Willms,
T., Thomas Hobbes, 1987; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei
Hobbes und Kant, 1988; Thomas Hobbes und die englische Revolution, 1991; Ludwig,
B., Die Wiederentdeckung des epikureischen Naturrechts, 1998; Hüning, D.,
Freiheit und Herrschaft, 1998; Kremkus, A., Die Strafe, 1999; Bredekamp, H.,
Thomas Hobbes, 2003; Hirsch, A., Recht auf Gewalt?, 2004; Hobbes, T.,
Leviathan, 2. A. 2008; Hobbes and the Law, hg. v. Dyzenhaus, D. u. a., 2012
Hochadel →Adel
Hochgerichtsbarkeit ist seit dem Hochmittelalter die
Gerichtsbarkeit über die mit der →Todesstrafe bedrohten Verbrechen
(→Totschlag, →Notzucht, →Diebstahl). Sie steht (auf Grund
königlicher Verleihung) grundsätzlich dem →Landesherrn zu, der sie seit
dem (lat.) →Statutum (N.) in favorem principum (1231/1232, Gesetz
zugunsten der Fürsten) als eigenes Recht weiterverleihen kann. Demgegenüber
wird die Niedergerichtsbarkeit (→Niedergericht) von niederen Gerichten
ausgeübt.
Lit.: Fabricius, E., Das Hochgericht Rhaunen, 1901;
Rietschel, S., Das Burggrafenamt und die hohe Gerichtsbarkeit, 1905;
Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Sagstetter, M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im
spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern, 2000
Hochmeister →Deutscher Orden
Lit.: Stengel, E., Hochmeister und Reich, ZRG GA 58
(1938), 178; Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190-1994, hg. v. Arnold, U.,
1998
Hochmittelalter ist der mittlere Zeitabschnitt des
Mittelalters, der von etwa 911 (bzw. 1000) bzw. 1076 bis (etwa 1250 bzw.) 1254
bzw. 1273 angesetzt werden kann.
Lit.: Köbler, DRG 93; Wegener, W., Böhmen, Mähren und
das Reich im Hochmittelalter, 1959; Beiträge zum hochmittelalterlichen
Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B., 1982; Goez, W., Gestalten des
Hochmittelalters, 1983; Jakobs, H., Kirchenreform und Hochmittelalter, 1984,
2. A. 1988; Haas, W., Welt im Wandel, 2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert
(1125-1198), 2003
Hochstift ist das weltliche Herrschaftsgebiet
eines geistlichen Reichsfürsten (und bei unscharfem Sprachgebrauch auch das
zugehörige Bistum) (z. B. Minden, Münster, Osnabrück, Hildesheim, Würzburg,
Bamberg, Straßburg, Augsburg, Freising, Passau, Regensburg, Brixen u. s. w.) vom Hochmittelalter bis zum Jahre
1803.
Lit.: Werminghoff, A., Verfassungsgeschichte der
deutschen Kirche im Mittelalter, 2. A. 1913, 72; Bachmann, S., Die Landstände
des Hochstifts Bamberg, 1962; Wolgast, E., Hochstift und Reformation, 1995;
Wetter, I., Hochstifte als mittelalterliche Verkehrszentren, 2006 (Konstanz,
Augsburg)
Hochschule s. Universität
Hochverrat ist seit dem frühen 18. Jh. (1703,
möglicherweise kann auch bereits der Bauernaufstand von Untergrombach 1502 als
früher Ansatzpunkt angesehen werden) ein neuer Ausdruck für das Majestätsverbrechen
(lat. [N.] →crimen laesae maiestatis), das im Hochmittelalter den älteren
Treuebruch verdrängt. H. soll im Kampf gegen den Absolutismus die Taten
erfassen, die den inneren Bestand des Staates angreifen (im Gegensatz zum
→Landesverrat und zum →Majestätsverbrechen). Nach →Feuerbach
(1798) ist jeder Angriff auf den Staatsvertrag (bzw. die drei Staatsverträge)
H. (z. B. Entziehung eines Gliedstaats, Angriff auf das Leben des Herrschers,
Revolution), doch folgt dem die Rechtspraxis nicht. Das deutsche
Reichsstrafgesetzbuch von 1871 bietet demgegenüber eine ausführliche Kasuistik.
Lit.: Söllner § 10; Baltzer, C., Die geschichtlichen
Grundlagen der privilegierten Behandlung politischer Straftäter, 1966; Reimann,
M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der erste
Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994;
Böttger, M., Der Hochverrat, 1998; Widerstand als Hochverrat, bearb. v.
Zarusky, J. u. a., 1998; Hochverrat?, hg. v. Lill, R., 1999; Richter, I.,
Hochverratsprozesse als Herrschaftspraxis, 2001; Bundschuh, hg. v. Blickle, P.
u. a., 2004
Hochzeit ist eine Bezeichnung für die
Feier(lichkeiten) der →Eheschließung (13. Jh.). Hierfür schafft der
Landesherr seit dem 15. Jh. besondere Hochzeitsordnungen. Sie verbieten
übermäßigen Luxus (→Luxusverbot).
Lit.: Bächtold, H., Die Gebräuche bei Verlobung und
Hochzeit, 1914; Neumann, G., Hochzeitsbrauchtum in Westfalen, Westfalen 33 (1955),
212; Goldmann, E., Hochzeitsbräuche, Seelenreise, 1956; Leisching, P., Et
teneat eam, Studia Gratiana 27 (1996), 311; Tisch und Bett, hg. v. Riis, T.,
1998
Hof ist der zu einem Haus unmittelbar gehörige Platz,
allgemeiner der landwirtschaftliche Betrieb oder der Lebensbereich eines
Adligen. Der landwirtschaftliche H. ist überwiegend Teil der →Grundherrschaft.
Seit dem 19. Jh. wird für ihn teilweise ein besonderes →Hofrecht
geschaffen. Für den adeligen H. entstehen schon früh eigene Hofrechte, besondere
Hofämter, später auch Hoftage, Hofgerichte, Hofräte und Hofordnungen. In
Bayern-Landshut besteht das spätmittelalterliche Hofgesinde aus 150 vergüteten
Mitgliedern. Im ernestinischen Sachsen umfasst der Hof 1531 etwa 500 Menschen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 35f.; Kroeschell,
DRG 1, 83, 112; Köbler, WAS; Maurer, G. v., Geschichte der Fronhöfe und der
Hofverfassung in Deutschland, Bd. 1ff. 1862f., Neudruck 1961; Härle, P., Die
zwölf Abteimaierhöfe des Stiftes Buchau, 1937; Hartmann, K., Haus Rhade op de
Volme, 1938; Haff, K., Hofübergabe und Ältestenrecht, ZRG GA 62 (1942), 377;
Elsener, F., Der Hof Benken, 1953; Ohe, J. v. d., Die Zentral- und
Hofverwaltung des Fürstentums Lüneburg, 1955; Herold, E., Hofdienst und
Hofschutz, Diss. jur. München 1956; Dölling, H., Haus und Hof in
westgermanischen Volksrechten, 1958; Kruedener, J. Frhr. v., Die Rolle des
Hofes im Absolutismus, 1973; Hollegger, M., Maximilian und die Entwicklung der
Zentralverwaltung am Hof, 1983; Bumke, J., Höfische Kultur, 1986; Moraw, P.,
Hoftag und Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3;
Alltag bei Hofe, hg. v. Paravicini, W., 1995; Haus und Hof in ur- und
frühgeschichtlicher Zeit, hg. v. Beck, H. u. a., 1997; Plassmann, A., Die
Struktur des Hofes, 1998; Hillen, C., Curia regis, 1999; Höfe und Höfeordnungen
1200-1600, hg. v. Kruse, H. u. a., 1999; Bahl, P., Der Hof des Großen
Kurfürsten, 2000; Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar –
Urkundenvergabe – Hof, 2002; Hofkultur und aufklärerische Reformen in
Thüringen, hg. v. Ventzke, M., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag,
hg. v. Moraw, P., 2003; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich,
hg. v. Paravicini, W., 2003; Hengerer, M., Kaiserhof und Adel, 2004; Weise, W.,
Der Hof der Kölner Erzbischöfe in der Zeit Kaiser Friedrich Barbarossas, 2004;
Nolte, C., Familie, Hof und Herrschaft, 2004; Fürstenhöfe und ihre Außenwelt,
hg. v. Zotz, T., 2004; Dvory a rezidence ver středovĕku, 2006;
Hofkultur in Frankreich und in Europa im Spätmittelalter, hg. v. Freigang, C.
u. a., 2005; Kaiserhof – Papsthof (16. – 18. Jh.), hg. v. Bösel, R. u. a.,
2006; Die Hofgeschichtsschreibung im mittelalterlichen Europa, hg. v.
Schieffer, R. u. a., 2006; Biersack, I., Die Hofhaltung der reichen Herzöge von
Bayern-Landshut, 2006; Der Hof und die Stadt, hg. v. Paravicini, W. u. a.,
2006; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich - Hof und Schrift, hg.
v. Paravicini, W., 2007; Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen,
hg. v. Fey, C. u. a., 2007; Hof und Macht, hg. v. Butz, R. u. a., 2007; Spieß,
Karl-Heinz, Fürsten und Höfe im Mittelalter, 2008; Rösener, W., Leben am Hof,
2008; Hofwirtschaft, hg. v. Fouquet, G., 2008; Lutter, C., Zwischen Hof und
Kloster, 2010; Zu Diensten Ihrer Majestät. Hofordnungen, hg. v. Wührer, J. u.
a., 2011; Streit am Hof im frühen Mittelalter, hg. v. Becher, M. u. a., 2011
Hofamt ist hauptsächlich das Amt der
Verwaltung eines herrschaftlichen (fürstlichen, königlichen) →Hofes.
Bereits zum spätrömischen →Kaiser gehört eine nahezu aus dem Nichts
geschaffene umfangreiche Zentralverwaltung in Rom mit zahlreichen
hierarchisch geprägten Ämtern. Wohl im Anschluss hieran folgt auch dem frühmittelalterlichen
→König ein Hof mit hauptsächlich Seneschall bzw. Truchsess, Marschall,
Schenk, Kämmerer und Kanzler als Trägern von Ämtern, die dem hohen Adel
zugeteilt, später aber von Dienstleuten tatsächlich ausgeübt werden. Der
königliche Hof bildet sich bis zum Ende des Heiligen römischen Reiches immer vielseitiger aus und gibt das Vorbild
für die Hofämter an den einzelnen Fürstenhöfen ab.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 29; Kroeschell, DRG
1, 2; Baltl/Kocher; Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427;
Lübeck, K., Die Hofämter der Fuldaer Äbte im frühen Mittelalter, ZRG GA 65
(1947), 177; Bosl, K., Die Reichsministerialität der Salier und Staufer, Bd.
1f. 1950f.; Klafki, E., Die kurpfälzischen Erbhofämter, 1966; Latzke, I.,
Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Mitteis, H., Der
Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Rösener, W., Hofämter, DA 45
(1989); Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die welfische Ministerialität in
Sachsen, 1995; Hof und Theorie, hg. v. Butz, R. u. a., 2004; Keller, K.,
Hofdamen, 2005
Höfeordnung ist das am 24. 4. 1947 für die
→britische Zone des Deutschen Reiches erlassene Gesetz, das für
landwirtschaftliche Höfe teilweise besondere Rechtsregeln (Sondererbfolge)
schafft und am 26. 7. 1976 abgeändert wird.
Lit.: Kannewurf, T., Die Höfeordnung vom 24. April
1947, 2004
Hofer, Andreas (Sankt Leonhard 22. 11. 1767-Mantua 20. 2.
1810, Mutter 1767, Vater 1770 gestorben, 1789 Übernahme des väterlichen Hofes),
Gastwirt und fortschrittsfeindlicher Tiroler Freiheitskämpfer gegen die
Besetzung →Tirols durch →Bayern und →Frankreich (1809), nach
anfänglichen Erfolgen von Franz Raffl verraten, am 28. 0. 1810 auf der
Pfanderalm verhaftet und in Mantua am 19. 2. 1810 durch Erschießen hingerichtet
Höferecht ist das seit der Mitte des 19. Jh.s
in Anknüpfung an das ältere →Anerbenrecht gesetzlich geschaffene
besondere Erbrecht für bestimmte landwirtschaftliche Höfe (preußische Provinz
Hannover 1874 und 10 weitere deutsche Bundesstaaten [Reichsländer] bis 1930,
Reichserbhofgesetz 1933, Höfeordnung der britischen Besatzungszone 1947,
Höfeordnung von Rheinland-Pfalz 1953). 1963 erklärt das deutsche
Bundesverfassungsgericht den Vorzug von Männern vor Frauen im H. für
verfassungswidrig. Für die nicht vom besonderen H. erfassten Höfe gilt das
Grundstückverkehrsgesetz.
Lit.: Gersbach, A., Das Agrar- und Höferecht der
Grafschaft Hauenstein, 1948; Bischof, W., Die Geschichte des Anerbenrechts in
Hannover, Diss. jur. Göttingen 1966; Dehne, F., Vom Hof zum Betrieb, 1966;
Tykwer, F., Hofnachfolge in Westfalen-Lippe, 1997; Fastenmayer, B., Hofübergabe
als Altersversorgung, 2009
Hoffahrt ist das Erscheinen am adligen Hof,
insbesondere die Teilnahme am Hoftag. Die H. gründet sich im Laufe des
Mittelalters mehr und mehr auf das Lehnsrecht. Vielfach wird sie von einer
anfänglichen Pflicht zu einem Recht auf Teilnahme am Hoftag.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Hofgericht ist einerseits das am
grundherrschaftlichen Fronhof eingerichtete Gericht eines →Grundherrn
über seine Hintersassen und andererseits das am fürstlichen Hof gebildete
Gericht des Herrschers, aus dem der Fürst selbst spätestens im 15./16. Jh.
ausscheidet. Das königliche H. (Reichshofgericht) kennt seit 1235 neben dem König
einen besonderen Hofrichter, hat als Urteiler neben den Fürsten auch Juristen,
überliefert etwa 2000 Urkunden, verliert aber durch die den Landesherren
erteilten Nichtevokationsprivilegien an Bedeutung (Achtregister 1290, 1346,
1353, Ladungsregister 1396, Hofgerichtsregister 1409) und wird 1451 durch das
Kammergericht ersetzt bzw. wird nach der Rückkehr Friedrichs III. von der
Kaiserkrönung in Rom 1452 das Hofrichteramt nicht erneut besetzt, weil das H.
den neuen Anforderungen (Appellation) nicht mehr gerecht werden kann. Das H. in
Rottweil ist ein seit 1273 von den Königen vielfach bevorrechtigtes
Landgericht, dessen Vorsitz ein Hofrichter als Stellvertreter des Königs
innehat.
Lit.: Köbler, DRG 114, 115; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff.; Kohler, J., Das Verfahren des
Hofgerichts Rottweil, 1904; Böker, H., Hofgerichtsbarkeit und Hofgerichte im
Vest Recklinghausen, Diss. jur. Bonn 1957; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht, 1970;
Wohlgemuth, H., Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts 1273-1378,
1973; Battenberg, F., Die Hofgerichtssiegel, 1979; Heitzenröder, W., Ein
Prozess gegen Stift und Stadt Fulda, ZRG GA 100 (1983), 267; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451,
Bd. 1ff. 1987ff. (Band 16 1404-1406 2014); Frey, S., Das württembergische
Hofgericht (1460-1618), 1989; Wernli, M., Das kaiserliche Hofgericht in
Zürich, 1991; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112
(1995), 396; Hofgericht, Bd. 8, hg. v. Diestelkamp B., bearb. v. Neumann, R.,
1996; Battenberg, F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert
(in) Deutscher Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239; Diestelkamp, B., Vom
einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz, 2013
Hofgerichtsordnung ist die Ordnung der Verfassung und
des Verfahrens eines →Hofgerichts. Für das königliche Hofgericht gibt es
einen Entwurf einer H. von 1409. Landesherrliche Hofgerichtsordnungen erscheinen
später (z. B. Pfalz 1462, verloren).
Lit.: Otte, A., Die Mainzer Hofgerichtsordnung von
1516/1521, 1964; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung Kurfürst Philipps für die
Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967
Hofkammer ist die 1498 für die Finanzverwaltung des
Heiligen römischen Reiches und der österreichischen Erbländer geschaffene, 1527
von Ferdinand I. reorganisierte Behörde, die von 1749 bis 1761 mit der inneren
Verwaltung im Directorium, von 1782 bis 1791 in der vereinigten Hofstelle, von
1792 bis 1797 im Directorium und von 1801 bis 1802 in der vereinigten Hofstelle
zusammengelegt und (in Österreich) 1848 in das Finanzministerium umgewandelt
wird.
Lit.: Körbl, H., Die Hofkammer und ihr ungetreuer Präsident, 2009
Hofkanzlei ist die Kanzlei des fürstlichen
Hofes. Die österreichische H. wird an der Wende vom 16. zum 17. Jh. von der
Reichskanzlei getrennt.
Lit.: Köbler, DRG 150; Baltl/Kocher
Hofkapelle
Lit.: Görlitz, S., Beiträge zur Geschichte der königlichen Hofkapelle,
1936; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter Heinrich V. und Konrad
III., 1956
Hofmark
Lit.: Kellner, S., Die Hofmarken Jettenbach und Aschau in der frühen
Neuzeit. Studien zur Beziehung zwischen Herrschaft und Untertanen in Altbayern
am Beispiel eines adeligen Herrschaftsbereiches, 1986
Hofmeister ist seit dem Spätmittelalter (2. H.
13. Jh.) ein führender Verwaltungsbeamter des fürstlichen Hofes, der statt des
Fürsten dem Hofrat vorsitzen kann.
Lit.: Seeliger, G., Das deutsche Hofmeisteramt, 1885
Hofnarr ist der nach antiken und
orientalischen Vorbildern vom Hochmittelalter bis ins 17. Jh. (Frankreich)
oder 18. Jh. (Heiliges römisches Reich [deutscher Nation]) als Unterhalter an
Fürstenhöfen tätige Narr (oft Zwerg oder Krüppel).
Lit.: Amelunxen, C., Rechtsgeschichte der Hofnarren,
1991
Hofpfalzgraf ist der Träger eines in Italien
seit dem frühen Hochmittelalter entstandenen Amtes zur Vertretung des Kaisers
in bestimmten Angelegenheiten (z. B. Legitimation unehelich Geborener,
Bestätigung von Vormundschaften, Ernennung von Notaren, Verleihung von Adel).
Seit der Mitte des 14. Jh.s nehmen die Zahl der Hofpfalzgrafen und der Umfang
ihrer Rechte zu. Im 18. Jh. verfällt das mit dem 6. 8. 1806 ganz erloschene Amt
zusehends.
Lit.: Jecklin, F., Die Hofpfalzgrafen in der Schweiz,
1890; Dobler, E., Das kaiserliche Hofpfalzgrafenamt und der Briefadel im alten
Deutschen Reich, 1950; Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Heroldsausschuss, 1953ff.;
Hofpfalzgrafenregister, hg. v. Herold, bearb. v. Arndt, J., Bd. 1 1964
Hofrat ist das zunächst aus dem
→Adel gebildete, unscharf umgrenzte, ständige Beratergremium eines
Fürsten. Unter Kaiser Friedrich III. (1452-1493) umfasst er 283 weltliche und
150 geistliche Berater, von denen 235 aus den Erblanden und 198 aus dem
außererbländischen Binnenreich einschließlich Tirols stammen. Der H. wird seit
dem Ende des 15. Jh.s zur zentralen kollegialen Behörde der Landesverwaltung.
Zunehmend finden gelehrte →Juristen Aufnahme. Statt des Fürsten sitzt
ihm später der Kanzler oder →Hofmeister vor. Vielfach verlegt sich das
Schwergewicht der Tätigkeit auf die Rechtsprechung.
Lit.: Köbler, DRG 113, 114; Erdmann, K., Der
jülich-bergische Hofrat, Düsseldorfer Jb. 41 (1939), 1; Eisenhardt, U.,
Aufgabenbereich und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Heydenreuter,
R., Der landesherrliche Hofrat unter Herzog und Kurfürst Maximilian I. von
Bayern, 1981; Buhlmann, G., Der kurkölnische Hofrat, 1998; Recht und Verfasung,
hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998
Hofrecht ist seit dem Hochmittelalter das
besondere Recht eines grundherrschaftlichen Verbands (Worms 1023/1025, Limburg
1035). Später geht das H. in dem →Dorfrecht auf.
Lit.: Köbler, DRG 101, 105; Lohmeyer, K., Das Hofrecht
und Hofgericht des Hofes zu Loen, 1906; Arnold, H., Das Hofrecht und die
Hofgerichte (Hobsgerichte) in Mülheim an der Ruhr, Diss. jur. Bonn 1955;
Schulte-Beckhausen, K., Hofrecht und Hofgerichtsbarkeit in Gelsenkirchen, Diss.
jur. Bonn 1958; Fricke, E., Das Recht und Gericht des Stilkinger
Lehnsverbandes, Diss. jur. Bonn 1958; Heikaus, H., Hofgerichte und Hofrecht,
1970; Spieß, P., Das Limburger Hofrecht, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 468
Hofrichter ist der Richter des Hofgerichts (zwischen 1235
und 1451 im Heiligen römischen Reich 40 durchweg adelige, ungelehrte H. und 76
Hofgerichtsstatthalter bekannt).
Lit.: Battenberg,
F., Die königlichen Hofrichter vom 13. bis 15. Jahrhundert, (in) Deutscher
Königshof, hg. v. Moraw, P., 2002, 239
Hoftag ist der vom Herrscher in seinem Reich
abgehaltene Tag, welcher der Verwirklichung seiner Herrschaft dient. Im
Heiligen römischen Reich ist er (bis 1470/1480?) Vorläufer des Reichstags. →Hof
Lit.: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag, hg.
v. Moraw, P., 2003; Annas, C., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004;
Politische Versammlungen und ihre Rituale, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2009
hohe Gerichtsbarkeit →Hochgerichtsbarkeit
Hoheitsgewalt ist die Befugnis des Staates,
einseitig rechtlich verbindliche Anordnungen zu erlassen. Sie entsteht aus der
frühmittelalterlichen Banngewalt und zunächst vereinzelten Hoheitsrechten des
Landesherrn mit der seit dem Spätmittelalter einsetzenden Verdichtung. Seit dem
18. Jh. spricht man von Landeshoheit. Sie wird als ursprünglich und damit nicht
vom Reich abgeleitet angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Leitges, K., Die Entwicklung
des Hoheitsbegriffes, 1998
Hohenberg
Lit.: Quellen zur Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der
Grafschaft Hohenberg, bearb. v. Müller, K., Bd. 1f. 1953ff.
Hohenlohe
Lit.: Ganzhorn, G., Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen
Landrechtes aus dem Jahre 1738, Diss. jur. Tübingen 1955; Ulshöfer, F., Die
hohenlohischen Hausverträge, Diss. jur. Tübingen 1960; Steinle, P., Die
Vermögensverhältnisse der Landbevölkerung in Hohenlohe im 17. und 18.
Jahrhundert, 1971; Weber, H., Die Fürsten von Hohenlohe im Vormärz, 1977;
Magen, F., Reichsgräfliche Politik in Franken, 1975; Hohenlohische Dorfordnungen,
bearb. v. Schumm, K. u. a., 1985; Die Familie Hohenlohe, hg. v. Hannig, A. u.
a., 2013
Hohenstaufen →Staufer
Hohenzollern ist die nach der Burg Zollern bzw.
H. in Schwaben (seit 1350) benannte gräfliche Familie, deren Stammgut 1849 an
den 1411/1415/1417 als Markgrafen nach Brandenburg gelangten Zweig der
zugehörigen Familie (1648 →Preußen) zurückfällt. Das Gebiet geht
1945/1951 im Zuge der Aufteilung Preußens in Baden-Württemberg auf. In Preußen
nennt sich die Familie seit 1701 König. Im Deutschen Reich stellt sie von 1871
bis 1918 den Kaiser.
Lit.: Köbler, DRG 131; Köbler, Historisches Lexikon;
Hintze, O., Die Hohenzollern und ihr Werk (1415-1915), 1915, Neudruck 1980;
Eisele, K., Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern, 1956; Ulshöfer, W.,
Das Hausrecht der Grafen von Zollern, 1969; Kirchherr, R., Die Verfassung des
Fürstentums Hohenzollern-Sigmaringen vom Jahre 1833, 1979; Sauer, P., Napoleons
Adler über Württemberg, Baden und Hohenzollern, 1987; Herm, G., Der Aufstieg
des Hauses Hohenzollern, 1995; Stamm-Kuhlmann, T., Die Hohenzollern, 1995;
Neugebauer, W., Die Hohenzollern, Bd. 1f. 1996ff.; Die Protokolle der
Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004;
Bourée, K., Dienst, Verdienst und Distinktion, 2012; Schönpflug, D., Die
Heiraten der Hohenzollern, 2013
Höhere Gewalt ist die vom Menschen nicht
abwendbare Gewalt. Diese befreit den Schuldner schon im römischen Recht in
bestimmten Fällen vom →Schadensersatz. In spätklassischer Zeit spricht
man zusammenfassend von (lat.) →vis (F.) maior (vis cui resisti non
potest, Gewalt der nicht widerstanden werden kann). Diese wird im
Hochmittelalter im Reich aufgenommen. Sie verbindet sich mit dem Begriff der
→echten Not, in der eine Fristversäumnis (mit höherer Gewalt) entschuldigt
wird.
Lit.: Kaser § 36 III; Hübner 563, 583; Exner, A., Der
Begriff der höheren Gewalt, 1883, Neudruck 2007; Doll, A., Von der vis maior
zur höheren Gewalt, 1989
Holdsworth, William Searle (Elmers End 7. 5.
1871-Oxford 2. 1. 1944), Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium von
Geschichte und Recht in Oxford und London 1897 Professor in Oxford. Mit seiner
sechsbändigen History of English Law verfasst er ohne eigene Quellenstudien
eine umfassende, die Grundlagen einbeziehende Darstellung des englischen
Rechtes von den Anfängen bis zur Gegenwart.
Lit.: Lawson, F., The Oxford Law School 1850-1965,
1968
Holland ist die seit dem 10. Jh. im Gebiet
der Maasmündung bezeugte Grafschaft, die über Burgund (1433) und Habsburg
(1477) 1579 in die Vereinigte Republik (1815 Königreich) der →Niederlande
gelangt. Durch Verordnung vom 13. 8. 1428 wird der Rat von Holland und Seeland
als oberste Gerichtsbehörde und Verwaltungsbehörde eingesetzt und später vom
Hof von Holland fortgesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; De oudste Rechten
der stad Dordrecht, hg. v. Fruin, J., 1882; Memorialen van het Hof (den Raad)
van Holland, Zeeland en West-Friesland van den secretaris Jan Rosa, hg. v.
Blécourt, A. u. a., 1929; Jansma, T., Raad en Rekenkamer in Holland en Zeeland,
1932; Uit de practijk van het hof van Holland, hg. v. Apeldoorn, L. van, 1938;
Oorkondenboek van Holland en Zeeland tot 1299, Bd. 1f. hg. v. Koch, A. u. a.,
1970ff.; Lingbeek-Schalekamp, C., Overheid en Muziek in Holland tot 1672, 1984;
Das römisch-holländische Recht, hg. v. Feenstra, R. u. a., 1992; Price, L.,
Holland, 1994; Israel, J., The Dutch Republic, 1995; Moorman van Kappen, O.,
Zur holländischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122
(2005), 318; Le Bailly, M. u. a., Hoge raad van Holland, 2006; Le Bailly, M.,
Hof van Holland, Zeeland en West-Friesland, 2008; Cox, J., Hebbende privilege
van stede, 2011
Holmgangr ist der altnordische Zweikampf, der
bereits um 1000 in Island (1004?) und Norwegen (um 1012) abgeschafft wird.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911
Holocaust →Endlösung
Lit.: Benz, W., Der Holocaust, 1995, 5. A. 2003, 7. A.
2008; Finkelstein, N., The Holocaust Industry, 2000; Benz, W., Lexikon des
Holocaust, 2002; Die Täter der Shoa, hg. v. Paul, G., 2002; Berg, N., Der
Holocaust und die westdeutschen Historiker, 2003; Tent, J., In the Shadow of
the Holocaust, 2003; Mayer, E., Verfälschte Vergangenheit, 2003; Browning, C.,
Die Entfesselung der Endlösung, 2003; Freyhofer, H., The Nuremberg Medical
Trial, 2004; Longerich, P., Davon haben wir nichts gewusst, 2006; Tent, J., Im
Schatten des Holocaust, 2007; Dörner, B., Die Deutschen und der Holocaust,
2007; Al’tman, I., Opfer des Hasses, 2008; The Oxford Handbook of Holocaust
Studies, hg. v. Hayes, P. u. a., 2010; Zayas, A. de, Völkermord als
Staatsgeheimnis, 2011; Schneppen, H., Walter Rauff - Organisator der
Gaswagenmorde, 2011; The Routledge History of the Holocaust, hg. v. Friedmann,
J., 2011; Ericksen, R., Complicity in the Holocaust, 2012 (Aufsätze); Wette,
W., Karl Jäger – Mörder der litauischen Juden, 2012; Rosenfeld, A., Das Ende
des Holocaust, 2015; Steinbach, P., Nach Auschwitz, 2015; Diner, D., Rituelle
Sistanz – Israels deutsche Frage, 2015; Als der Holocaust noch keinen Namen
hatte, hg. v. Fritz, R. u. a., 2015; Snyder, T., Black Earth, 2015; Rosenfeld,
A., Das Ende des Holocaust, 2015 (kaum Neues); Birnbaum, S., Ein Stein auf
meinem Herzen, 2016; Longerich, P., Wannseekonferenz, 2016; Lehnstaedt, S., Der
Kern des Holocaust, 2017; Waxman, Z., Women in the Holocaust, 2017Bruland, B.,
Holocaust in Norwegen, 2019
holograph, holographisch (Adj.) ganz eigenhändig
geschrieben (z. B. Testament)
Holschuld ist die Schuld, bei welcher der
Handlungsort des Schuldners der Ort des Wohnsitzes des Schuldners ist. Im
älteren Recht ist die Schuld grundsätzlich H. Im Mittelalter werden viele
Schulden zu Bringschulden. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht (1794)
ist die Schuld im Zweifel Bringschuld, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
H.
Lit.: Hübner 556; Baltl/Kocher; Leonhard, F.,
Erfüllungsort und Schuldort, 1907
Holstein ist der um 800 erscheinende Name
des nördlichen Stammesgebiets der Sachsen („Holzsassen“). 1110/1111 werden die
von Schauenburg Grafen von H. Seit 1375/1386 sind H. und →Schleswig in
fester staatsrechtlicher Verbindung, doch gelangt Schleswig erst 1865 unter die
Herrschaft des Deutschen Bundes.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das älteste
Urteilsbuch des holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach,
F., 1925; Kuhn, H., Zur Geschichte der Volksgerichte in Holstein, 1926
Holzding oder Holzgericht ist im Mittelalter
in Norddeutschland das besondere Niedergericht in Waldnutzungsangelegenheiten.
Es schwindet seit der frühen Neuzeit unter landesherrlichem Einfluss und geht
spätestens 1877/1879 gänzlich unter.
Lit.: Timm, A., Die Waldnutzung, 1960
Homagium (lat. [N.]) ist im Mittelalter die
förmliche Ergebung des Lehnsmanns in die Gewalt des Lehnsherrn (Handgang). Das
h. geht im Spätmittelalter im Lehnseid auf.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 27; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1970, 259
homagium (N.) pacis (mlat.) →Huldigung (des
Lehnsmannes)
Homeyer, Carl Gustav (Wolgast 13. 8.
1795-Berlin 20. 10. 1874) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny,
Eichhorn), Göttingen (Hugo) und Heidelberg (Thibaut) 1824 außerordentlicher
Professor und 1827 ordentlicher Professor in Berlin. Seit 1827 veröffentlicht
H. kritisch mittelalterliche Rechtsbücher und stellt die Handschriften übersichtlich
zusammen (Des Sachsenspiegels erster Theil, oder das Sächsische Landrecht,
1827, 2. A. 1835, 3. A. 1861, Des Sachsenspiegels zweiter Theil, Bd. 1 1842,
Bd. 2 1844, Die deutschen Rechtsbücher des Mittelalters, 1836).
Lit.: Verzeichnis deutscher Rechtsbücher des
Mittelalters und ihrer Handschriften (1836), 1856; Brunner, H., Abhandlungen
zur Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 2 1931, 433; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990ff.
Hommel, Karl Ferdinand (Leipzig 6. 1.
1722-16. 5. 1781), Rechtsprofessorensohn, wird 1756 Professor in Leipzig und
wirkt, beeinflusst von →Thomasius und →Beccaria, auf der Grundlage
des Determinismus zugunsten der →Aufklärung im Strafrecht („Joch, A. v.“,
Von Verbrechen und Strafe nach türkischen Gesetzen, 1770, Neudruck 1970).
Lit.: Rosenbauer, A., Carl Ferdinand Hommel, Diss.
jur. Berlin 1907; Zahn, K. v., Karl Ferdinand Hommel als Strafrechtsphilosoph
und Strafrechtslehrer, 1911; Hommel, K., Über Belohnung und Strafe nach
türkischen Gesetzen, 2. A. 1772, Neudruck, hg. v. Holzhauer, H. 1970; Polley,
R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Hommel, Karl Ferdinand, Principis
cura leges, übers. v. Polley, R., 1975
homo (lat. [M.]) Mensch, Sklave
homo (M.) ecclesiae (lat.) (unfreier) Mann der Kirche
Homo (M.) ligius (lat.), Ledigmann, ist im
mittelalterlichen Recht (seit dem 10. Jh.?) der eng an den Lehnsherrn gebundene
Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 434; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6. A.
1983
Homosexualität (Bezeichnung Karl Kertbeny 1869) ist
die geschlechtliche Beziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts,
insbesondere zwischen Männern. Sie ist dem griechischen Altertum vertraut. Das
Judentum, die Römer und das Christentum lehnen die H. ab. Der Codex
Theodosianus (Konstitution von 390) bedroht H. mit der Verbrennung. Nach
Tacitus wird bei den Germanen der Unzüchtige im Moor versenkt. Das Mittelalter
sieht die H. als Sünde. Die Constitutio Criminalis Carolina (1532) bedroht H.
unter beiden Geschlechtern in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht mit dem
Feuertod. Dagegen stellt der Code civil (1804) nur bestimmte Gestaltungen unter
Strafe. In manchen deutschen Ländern ist H. unter Männern nicht strafbar, bis
sie § 175 StGB (1871) mit einer Strafandrohung versieht. In Deutschland wird
1969 (nach rund 140000 Verurteilungen), in Österreich 1971 die homosexuelle
Betätigung Erwachsener straflos. 1973 erfolgt eine weitere Reform, nach der
nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren
strafbar sind, während das Schutzalter bei lesbischen und heterosexuellen
Beziehungen bei 14 Jahren liegt. Durch Gesetz vom 31. 5. 1994 wird § 175 StGB
auf Grund liberaler Überlegungen zum 11. 6. 1994 aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 264; Kuster, H., Over
Homoseksualiteit, Diss. Utrecht 1977; Sexual Practices, hg. v. Bullough, V. u.
a., 1982; Boowell, J., Christianity, Social Tolerance and Homosexuality, 1980;
Stümke, H., Homosexuelle in Deutschland, 1989; Jellonnek, B., Homosexuelle
unterm Hakenkreuz, 1990; Hundert Jahre schwul, hg. v. Kraushaar, E., 1997;
Sommer, K., Die Strafbarkeit der Homosexualität, 1998; Hergemöller, B., Mann
für Mann, 1998; Lutterbach, H., Gleichgeschlechtliches sexuelles Verhalten, HZ
267 (1998), 282; Hergemöller, B., Einführung in die Historiographie der
Homosexualität, 1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Bastian, T.,
Homosexuelle im Dritten Reich, 2000; Nationalsozialistischer Terror gegen
Homosexuelle, hg. v. Jellonnek, B. u. a., 2002; Müller, J., Ausgrenzung der
Homosexuellen aus der Volksgemeinschaft, 2003; Homosexuelle im
Nationalsozialismus, hg. v. Schwartz, M., 2013; Beachy, R., Das andere Berlin,
2015
honorarium (lat. [N.]) Ehrengabe als
(freiwilliges) Entgelt für höhere Dienste im römischen Recht
Höpfner, Ludwig Julius Friedrich (Gießen
3. 11. 1743-29. 12. 1797) wird nach dem Rechtsstudium in Gießen Erzieher und
1767 Professor der Rechte in Kassel, 1771 ordentlicher Professor in Gießen. In
seiner Zeit gilt er als der bedeutendste Zivilist. Seine Hauptwerke sind das
Naturrecht des einzelnen Menschen, der Gesellschaften und Völker und der
Theoretisch-practische Kommentar über die Heineccischen Institutionen. Unter
dem Einfluss des Naturrechts fördert H. die Begriffe der Verbindlichkeit, der
Willenserklärung und des Eigentums, ohne dem Naturrecht den Rang einer das
geltende Recht verdrängenden Rechtsquelle einzuräumen.
Lit.: Söllner, A., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, FS
W. Mallmann 1978, 281; Plohmann, M., Ludwig Julius Friedrich Höpfner, 1992
Horborch, Wilhelm (Hamburg 1320-1381),
Ratsherrnsohn, wird nach dem Studium des kirchlichen Rechtes in Avignon (1362)
und Bologna (1367) Professor in Prag (1372). Als Richter an der (lat.)
→Rota (F.) Romana veröffentlicht er (1376-1381) eine Sammlung von
Entscheidungen.
Lit.: Pfaff, I., Zur Geschichte des Kanonisten Wilhelm
Horborch, ZRG KA 13 (1924), 513; Dolezalek, G., Die handschriftliche
Verbreitung von Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 58 (1972)
Hörensagen ist das Hören der Erzählung eines
anderen. Im Hochmittelalter stellt das kirchliche Recht den Grundsatz des
Verbotes des Aussagezeugnisses vom bloßen H. auf. Er wird seit dem
Spätmittelalter in Deutschland aufgenommen und behauptet sich bis zur
Einführung der Zivilprozessordnung 1877/1879.
Lit.: Zimmermann, E., Der Glaubenseid, 1863; Kornblum,
U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main
1960, 59
Höriger ist im mittelalterlichen und neuzeitlichen
deutschen Recht der grundherrschaftlich abhängige, dem →Grundherrn in
gewisser Weise gehörige Mensch. Der Ausdruck erscheint seit dem 14. Jh. in
Norddeutschland. Seit dem späten 18. Jh. wird er wissenschaftlich
verallgemeinert. →Hintersasse
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kindlinger, N., Geschichte
der deutschen Hörigkeit, 1819; Perrin, C., Le servage, 1955; Bloch, M., Slavery
and Serfdom, 1975; Banzhaf, M., Unterschichten in bayerischen Rechtsquellen des
8. bis 11. Jahrhunderts, 1991
Horten, Johann Bernhard (1735-1786)
→Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Hospital →Spital
Hostiensis (Heinrich von Segusia) (Susa vor
1200-Lyon 1270) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Jacobus Balduini) seit
1236/1239 Lehrer des kirchlichen Rechtes in Paris und nach einem Englandaufenthalt
1244 Bischof von Sisteron, 1250 Erzbischof von Embrun sowie 1262
Kardinalerzbischof von Ostia. Seit 1239 erarbeitet er die bedeutsamste
Titelsumme zum (lat.) →Liber (M.) extra (Summa super titulos decretalium,
Summe über die Titel der Dekretalen, 2. A. um 1253 Summa aurea, Goldene Summe).
1270/1271 gibt er einen Kommentar zum Liber extra zur Veröffentlichung frei
([lat.] Commentum [N.] super decretalibus, Kommentar über die Dekretalen).
Infolge der weiten Verbreitung seiner Werke beeinflusst H. die Aufnahme der
gelehrten Rechte in vielen Teilen Europas.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962, 16; Rivera Damas, A., Pensamiento politico di Hostiensis,
1964
Hotman (Hotomannus), François (Franciscus)
(1524-1590) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans Anwalt in Paris,
Lateinlehrer in Genf und 1556 Rechtsprofessor in Straßburg, 1563 in Valence,
1566 in Bourges, 1572-1578 in Genf. Verschiedenen humanistisch-textkritischen
Arbeiten folgt der 1603 posthum erschienene Antitribonianus, in dem H. die
Anwendbarkeit des römischen (lat.) →corpus (N.) iuris civilis verneint
und eigenständige Gesetzbücher vorschlägt.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Vogel, W., Franz Hotman, 1960; Kelley, D., François
Hotman, 1973
House of Commons (Unterhaus) ist im
→englischen Recht die im 13. Jh. (unter der Wirkung Simon de Montforts
1265/1297) zur Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (→House of
Lords) hinzutretende Versammlung von (74, um 1600 92) Rittern und (um 1600 417)
Vertretern von Städten (Bürgern) (und der vier Universitäten). Sie entwickelt
sich aus bescheidenen Anfängen in Jahrhunderten zum entscheidenden politischen
Organ →Englands.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; The English Parliament, hg.
v. Davies, R. u. a., 1981
House of Lords (Oberhaus) ist im
→englischen Recht die im Laufe des 13. Jh.s aus dem Königshof
hervorgegangene Versammlung der großen Lehnsleute des Königs (Name nicht vor
1544 verwendet), zu der 1265/1297 das →House of Commons hinzutritt. Im
Laufe der Zeit werden seine Befungisse bis zu einem aufschiebenden, zeitlich
begrenzt wirksamen Veto beschränkt (z. B. Parliament Acts 1911 und 1949). Es
umfasst (1998) 635 Angehörige des Erbadels, 26 anglikanische Bischöfe und 505
auf Lebenszeit ernannte Lords oder Ladies, seit 1999 (House of Lords Act 1999)
92 ausgewählte Mitglieder des Erbadels (Erbpeers), die wenigen Lordrichter,
zwei Erzbischöfe, 24 Bischöfe und im Übrigen auf Lebenszeit ernannte Lords und
Ladies (Lifepeers). Am 7. 3. 2007 beschließt eine Mehrheit des Unterhauses eine
mögliche Beschränkung der Mitglieder auf gewählte Peers.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History,1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Ballinger, C., The House of
Lords 1911-2011, 2012; Raina, P., House of Lords Reform, Bd. 1ff. 2011ff.
Hoyer von Falkenstein, Graf, ist der Herr →Eike
von Repgows, der die Übersetzung des →Sachsenspiegels (1221-1224) aus dem
Lateinischen in das Mittelniederdeutsche bewirkt haben soll.
Hrabanus
Maurus (Erzbischof
von Mainz, † 856)
Lit.: Kottje, R., Verzeichnis der Handschriften mit
Werken des Hrabanus Maurus, 2012 (1326 Handschriften)
Hube, Romuald von (1803-1890) wird nach dem Rechtsstudium
in Warschau (1818-1821) und Berlin Professor in Warschau (1829-1832) und Sankt
Petersburg (1841-1845) sowie Verfasser des Strafgesetzbuchs Russlands (1845)
und Polens (1847).
Lit.: Vetulani, A., Dzieje historii prawa w Polsce,
1948
Huber, Ernst Rudolf (1903-1990) wird nach dem Rechtsstudium
in Bonn (Carl →Schmitt) Professor in Kiel (1933), Leipzig (1937),
Straßburg (1941-1944), 1957 Hochschule Wilhelmshaven und Göttingen
(1962-1968). Sein Verfassungsrecht des großdeutschen Reiches (1937/1939) will
den Führerstaat in rechtliche Form bringen, seine spätere achtbändige deutsche
→Verfassungsgeschichte seit 1789 (1957ff.) die Geschichte des Staates als
der maßgeblichen Ordnungseinheit darlegen.
Lit.: Simon, W. v., Ernst Rudolf Huber, NJW 1991, 893;
Walkenhaus, R., Konservatives Staatsdenken, 1997; Jürgens, M., Staat und Reich
bei Ernst Rudolf Huber, 2005; Carl Schmitt – Ernst Rudolf Huber Briefwechsel
1926-1981, hg. v. Grothe, E., 2014; Ernst Rudolf Huber, Staat – Verfassung –
Geschichte, hg. v. Grothe, E., 2015
Huber, Eugen (Stammheim 13. 7. 1849-Bern 23. 4. 1923) wird
nach dem Rechtsstudium in Zürich Redakteur, Richter und 1881 außerordentlicher
Professor in Basel, 1882 ordentlicher Professor in Basel, Halle (1888) und Bern
(1892). Von 1884 an vergleicht er das kantonale Schweizer Privatrecht (System
und Geschichte des schweizerischen Privatrechts, 1886ff.), von 1892 an
erarbeitet er das schweizerische Zivilgesetzbuch (1907).
Lit.: Köbler, DRG 182; Stutz, U., Eugen Huber, ZRG GA
44 (1924), XI; Wartenweiler, F., Eugen Huber, 1932; Manaï, D., Eugen Huber,
1990; Fasel, U., Eugen Huber und die romanistische Grundlage des Schweizer
Kaufrechts, 2015; Fasel ; U., Eugen Hubers Basler Obligationenrechtsmanuskript
zum Allgemeinen Teil des OR, 2016
Huber, Ulrik (Ulrich) (Dokkum 1636-Franeker 1694) wird nach
dem Artesstudium und dem Rechtsstudium in Franeker, Utrecht, Marburg und
Heidelberg Professor der Beredsamkeit in Franeker (1657), danach Professor der
Institutionen (1665). Am erfolgreichsten sind seine (lat.) Praelectiones
(F.Pl.) (Vorlesungen) zu Institutionen (1678) und Digesten (1689), bedeutsam
auch seine niederländisch geschriebene Darstellung des friesischen Rechtes
(Hoedendaegse Rechtsgeleerdheyt, soo elders als in Frieslandt gebruikelijk,
1686).
Lit.: Veen, T., Recht en nut, Diss. jur. Groningen
1974; Hewett, M., Ulric Huber, De ratione iuris docendi & discendi
diatribe, 2010
Hübner, Rudolf (Berlin 19. 9. 1864-Jena
7. 8. 1945), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin, Straßburg
(Laband) und Berlin (Brunner, Beseler) 1895 außerordentlicher Professor in
Bonn, 1904 ordentlicher Professor in Rostock, 1913 in Gießen, 1918 in Halle und
1921 in Jena. Nach frühen Arbeiten über die (lat.) donationes (F.Pl.) post
obitum (1888, Gaben nach dem Tod) und den Immobiliarprozess der fränkischen
Zeit (1893), denen eine Sammlung der Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit
(1893) zur Seite steht, verfasst H. im Rahmen des Pandektenschemas eine bis an
die Gegenwart herangeführte Dogmengeschichte der Institutionen des deutschen
Privatrechts (Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. A. 1930).
Lit.: Schultze-von Lasaulx, H., Rudolf Hübner, ZRG GA
66 (1948), IX
Hude
Lit.: Lappe, J., Die Bauerschaften und Huden der Stadt Salzkotten, 1912
Hufe ist vor allem im Frühmittelalter ein Landmaß
unterschiedlicher Größe. Die H. erscheint im 8. Jh. am Rhein und in Thüringen.
Sie umfasst anfangs im Durchschnitt etwa 30 Morgen, kann aber vielfach geteilt
werden. Später wird sie zur steuerlichen Berechnungseinheit (z. B. Preußen
1715).
Lit.: Köbler, WAS; Rhamm, K., Die Großhufen der
Nordgermanen, 1905; Reichel, J., Die Hufenverfassung zur Zeit der Karolinger,
1907; Ganahl, K., Hufe und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Weidinger, U.,
Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des Klosters Fulda, 1990
Hugenotte (entsteht aus „Eidgenossen“?,
frühester Nachweis 1551 in einem französischen Manuskript) ist die Bezeichnung
für den mit dem Eindringen des Calvinismus (→Calvin) aus der Schweiz nach
Frankreich in der Mitte des 16. Jh.s entstehenden französischen Protestanten
(helvetischen Bekenntnisses). Die H. werden nachdrücklich verfolgt (u. a. Bartholomäusnacht
auf den 24. 8. 1572), erhalten aber im Edikt von Nantes (13. 4. 1598) das Recht
der freien Religionsausübung. Nach dem Widerruf dieses Edikts durch König
Ludwig XIV. (18. 10. 1685) verlassen rund 200000 Hugenotten Frankreich (140000
nach Großbritannien und Irland, in die Niederlande und die Schweiz, 44000 in
das Heilige römische Reich, darunter 20000 nach Brandenburg). Erst die
Französische Revolution von 1789 sichert ihre Rechte endgültig.
Lit.: Schreiber, H., Auf den Spuren der Hugenotten,
1983; Brandenburg, I./Brandenburg, K., Hugenotten, 1990; Dölemeyer, B., Die
Hugenotten, 2006; Hugenotten: Glaubensflüchtlinge auf deutschem Boden, hg. v.
Braun, G. u. a., 2007; Niggemann, U., Immigrationspolitik zwischen Konflikt und
Konsens, 2008; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010; Lachenicht, S.,
Hugenotten in Europa und Nordamerika, 2010; A Companion to the Huguenots, hg.
v. Mentzer, R. u. a., 2016
Hugo (Ugo) ist der von 1144 bis 1166 bezeugte
Glossator in Bologna, von dem Glossen, Summulae, Disputationen und Quästionen
stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 183
Hugo, Gustav (Lörrach 23. 11. 1764-Göttingen 15. 9. 1844),
Hofratssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen (→Pütter) und
→Halle (Promotion) 1788 außerordentlicher Professor und 1792 ordentlicher
Professor in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das auf sechs Bände angelegte,
siebenbändige Lehrbuch eines civilistischen Cursus (vor allem Enzyklopädie
1792, [als zweiter Band unter Berücksichtigung der Ergebnisse Montesquieus wie
Kants] Naturrecht 1798 [, 2. A. 1799, 3. A. 1809, 4. A. 1819], Geschichte des
römischen Rechtes 1790, heutiges römisches Recht 1789 Institutionen, 1798
Pandektenrecht), in dem er in der Nachfolge Pütters versucht, streng zwischen
historischer, dogmatischer und philosophischer Behandlung des römischen Rechtes
zu unterscheiden, bei der römischen Rechtsgeschichte (Lehrbuch der Geschichte
des römischen Rechtes 1790, 11. A. 1832) die Geschichte des Systems mit der
Geschichte der Quellen zu verbinden und das neuzeitliche römische Recht auf der
Grundlage des geschichtlichen römischen Rechtes zu erläutern. Mit dieser sowohl
gegen eine rein antiquarische Rechtsbehandlung wie gegen eine unkritische, nur
an der Praxis ausgerichtete Rechtswissenschaft sich wendenden ersten
geschlossenen systematischen Darstellung der gesamten römischrechtlichen
Rechtswissenschaft (Jurisprudenz des römischen Rechtes als eine geschlossene
geschichtliche Wissenschaft im Sinne des modernen Wissenschaftsbegriffs) wird
er zum Begründer der Rechtswissenschaft des 19. Jh.s und zum Vorläufer der
→historischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 187, 206; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/HugoGustavLehrbuchderjuristischenEncyclopädie1792.pdf;
Weber, H., Gustav Hugo, 1935; Eichengrün, F., Die Rechtsphilosophie Gustav
Hugos, 1935; Buschmann, A., Ursprung und Grundlagen der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, Diss. jur. Münster 1963; Ebel, W., Gustav Hugo, 1964;
Behrends, O., Gustav Hugo, (in) Gibbon, E., Historische Übersicht des römischen
Rechtes, 1996; Briefwechsel der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mit Gustav Hugo,
hg. v. Bialas, S., 2004; Buschmann, A., Naturrecht und geschichtliches Recht -
Gustav Hugos Rechtsphilosophie und die Anfänge der geschichtlichen
Rechtswissenschaft, (in) Elementa iuris, hg. v. Behrends, O. u. a., 2009, 17ff
Hugolinus ist der von 1197 bis 1233 bezeugte Schüler des
Johannes Bassianus aus Bologna, von dem vor allem Glossen, Erläuterungen zum
Codex, zu den Tres libri Codicis, zu den Institutionen, Summen zu den Digesten,
Quaestiones insolubiles, Distinktionen und prozessrechtliche Summen stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 271
Huguccio de Pisa (Pisa? um 1140-Ferrara 30. 4.
1210) wird nach dem Studium von Kirchenrecht und Theologie in Bologna
Rechtslehrer (um 1180) und Bischof von Ferrara (1190). Sein Hauptwerk ist die
zwischen 1188 und 1190 verfasste ungedruckte (lat.) Summa (F.) super decretum
(Summe über das Dekret), die das →Decretum Gratians am ausführlichsten
erläutert.
Lit.: Köbler, DRG 107; Kuttner, S., Gratian and the
Schools of Law, 1983; Müller, W., Huguccio, 1994
huissier (franz. [M.]) Türsteher,
Gerichtsvollzieher
Hulde, Huld, ist die Gunst oder das Wohlwollen eines
Menschen, insbesondere im Lehnswesen. Im Mittelalter huldigt der Mann dem
Herrn. Der Herr kann dem Mann die H. entziehen. Im römischen Recht entspricht
dem die (lat. [F.]) indignatio des Herrschers.
Lit.: Köstler, R., Huldentzug, 1910, Neudruck 1965;
Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 113;
Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1977
Huldigung ist das Versprechen des Wohlwollens,
der Treue oder der Ehrerbietung. Bereits im Frühmittelalter sollen die Franken
dem Grafen oder dem König Treue schwören. 786 und 802 verlangt Karl der Große
eine allgemeine Eidesleistung. An die Stelle dieses allgemeinen Untertaneneides
tritt später der Eid der Lehnsmannen, seit dem Hochmittelalter auch der
Huldigungseid der Reichsunmittelbaren gegenüber dem König einerseits und ein
Erbhuldigungseid der Landesbewohner bzw. der Stände gegenüber dem Landesherrn
(in Niederösterreich bis 1835) andererseits.
Lit.: Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung
in Kärnten, 1899; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in Frankreich
und England, 1952; Müller, H., Formen und Rechtsgehalt der Huldigung, Diss.
jur. Mainz 1954; Holenstein, A., Die Huldigung, 1991
Humanismus (1808) ist allgemein das Bemühen um
eine der Menschenwürde entsprechende Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere
die geistige Bewegung des 14. bis 16. Jh.s, die das Vorbild der Gesellschaftsgestaltung
in den klassischen römischen Schriften sieht. Der H. wird zuerst in Italien
(Dante, Petrarca, 14. Jh.), im 15. Jh. in Frankreich, Spanien und England und
schließlich auch im Heiligen römischen Reich wirksam (Erasmus von Rotterdam u.
a., politische Auswirkungen auf Köln, Kleve-Mark und Jülich-Berg-Ravensberg).
Für die Rechtswissenschaft bedeutet der H. den Übergang vom sog. (lat. [M.])
mos Italicus zum (lat. [M.]) →mos Gallicus. Im Kirchenrecht bleiben die
Einflüsse des H. vereinzelt.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 135;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1063; Wieacker, F., Einflüsse des
Humanismus auf die Rezeption, Z. f. d. ges. Staatswiss. 100 (1940), 423;
Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des
Humanismus, 1954; Kisch, G., Forschungen zur Geschichte des Humanismus in Basel,
Archiv für Kulturgeschichte 40, 2 (1958), 194; Kisch, G., Erasmus und die
Jurisprudenz seiner Zeit, 1960; Kisch, G., Claudius Cantiuncula, 1970; Troje,
H., Graeca leguntur, 1971; Hübner, H., Jurisprudenz als Wissenschaft im
Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Burmeister, K., Das Studium
der Rechte, 1974; Humanismus und Naturrecht in Berlin-Brandenburg-Preußen, hg.
v. Thieme, H., 1979; Troje, H., Die europäische Rechtsliteratur unter dem
Einfluss des Humanismus, Ius commune 3 (1980), 33; Humanismus im Bildungswesen,
hg. v. Reinhard, W., 1984; Buck, A., Humanismus, 1988; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Die Kultur des
Humanismus, hg. v. Mout, N., 1998; Landau, P., Methoden des kanonischen Rechtes
in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7; Hartmann, M., Humanismus und
Quellenkritik – Matthias Flacius Illyricus, 2001; Augustijn, C., Humanismus,
2003; Humanisme et Église en Italie et en France méridionale, hg. v. Gilli, P.,
2004; Kloosterhuis, E., Erasmusjünger als politische Reformer, 2004;
Humanisten am Oberrhein, hg. v. Lembke, S., 2004; Verfasserlexikon Deutscher
Humanismus 1480-1520, hg. v. Worstbrock, G., Bd. 1f. 2005ff.; Funktionen des
Humanismus, hg. v. Maissen, T. u. a., 2006; ; Humanismus und Antikerezeption im
18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a., Bd. 1ff. 2009ff. (Genese und Profil
des europäischen Humanismus im 18. Jahrhundert, hg. v. Vöhler, M. u. a., 2009);
Traninger, A., Disputation, Deklamtion, Dialog, 2012; Humanisten edieren, hg.
v. Holtz, S. u. a., 2014; Taureck, B., Manifest des veganen Humanismus, 2015
Humboldt, Wilhelm von (Potsdam 22. 6.
1767-Tegel 8. 4. 1835) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der
Altertumswissenschaft in Frankfurt an der Oder und Göttingen und längeren
privaten Studien Leiter des Unterrichtswesens in Preußen, als der er das
Bildungswesen aus dem Geist des idealistischen →Humanismus erneuert (Elementarschule,
Gymnasium, Universität). Zur Verwirklichung der wichtigsten Ziele wird 1810 die
Universität →Berlin (→Savigny) gegründet, an der Einheit von
Forschung und Lehre und Entfaltung von Wissenschaft in Einsamkeit und Freiheit
stattfinden sollen.
Lit.: Schaffstein, F., Wilhelm von Humboldt, 1952;
Hübner, U., Wilhelm von Humboldt und die Bildungspolitik, 1983; Sauter, C.,
Wilhelm von Humboldt und die deutsche Aufklärung, 1989; Fröling, S./Reuss, A.,
Die Humboldts, 1999; Humboldt International, hg. v. Schwinges, R., 2001;
Schalenberg, M., Humboldt auf Reisen?, 2002; Humboldt, W. v., Werke in fünf
Büchern, hg. v. Flitner, A. u. a., 2002; Spitta, D., Die Staatsidee Wilhelm von
Humboldts, 2004; Petersen, J., Wilhelm von Humboldts Rechtsphilosophie, 2. A.
2007; Langewiesche, D., Die Humboldtsche Universität als nationaler Mythos,
HZ 290 (2010), 1; Klein, U., Humboldts Preußen, 2015
Hume, David (Edinburgh 7. 5. 1711-25. 8. 1776) (aus
niederem Adel) wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft, Philosophie und
Literatur (in Edinburgh) Privatgelehrter (A Treatise on Human Nature 1739),
Diplomat, Historiker und Philosoph. Nach ihm wirkt der Mensch auf der Grundlage
von allgemein anerkannten Regeln (Eigentum, Vertragstreue) zusammen, weil der
einzelne Mensch wegen der knappen Güter allein nicht lebensfähig ist.
Staatszweck ist der Schutz der Interessen der Bürger. Der Staat, der Eigentum
und Freiheit sichert, ist der verhältnismäßig beste. H. beeinflusst Smith,
Kant, Bentham und Mill mit seinen Vorstellungen unmittelbar.
Lit.: Jäger, W., Politische Partei und
parlamentarische Opposition, 1971; Kulenkampff, J., David Hume, 2. A. 2003;
Streminger, G., David Hume, 1994; Vernunft und Leidenschaft, hg. v. Doering,
D., 2003; Szczekalla, M., David Hume, 2003
Hundertschaft (lat. [F.] centuria) ist im
altrömischen Recht die militärische Einheit, die von den 10 Kurien einer Tribus
zu stellen ist. Ob sie auch eine germanische Verwaltungseinheit darstellt,
erscheint fraglich. Im Mittelalter wird an verschiedenen Stellen ein (ahd.)
huntari oder eine hundred erwähnt (Mittelrhein, Niederrhein, Hessen, Franken,
obere Donau, Friesland, Schweden, England), deren Herkunft und Zusammenhang
nicht zweifelsfrei erwiesen sind. In der Gegenwart wird H. eine Verwaltungseinheit
der Polizei (Bereitschaftspolizei, Bundesgrenzpolizei) genannt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 3 III; Kroeschell,
DRG 1; Köbler, DRG 69; Schwerin, C. v., Die altgermanische Hundertschaft, 1907;
Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der germanischen Hundertschaft,
ZRG GA 28 (1907), 342; Schwerin, C. Frhr. v., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA
29 (1908), 261; Rietschel, S., Zur Hundertschaftsfrage, ZRG GA 30 (1909), 193;
Mayer, E., Hundertschaft und Zehntschaft nach niederdeutschen Rechten, 1916;
Mayer, E., Die Hundertschaft, insbesondere nach ostniederländischem Recht, ZRG
GA 46 (1926), 290; Leiß, L., Der Hundertschaftsrichter in bayerischen
Ortsnamen, ZRG GA 53 (1933), 277; Andersson, T., Die schwedischen Bezirksbezeichnungen
hund und hundare, Frühmittelalterliche Studien 13 (1979), 88; Wirth, G., A
Hila, 1998
Hunne ist der Angehörige des aus Asien kommenden, 375
die Völkerwanderung germanischer Stämme in das römische Reich auslösenden, bald
danach wieder verschwindenden Volkes.
Lit.: Attila und die Hunnen, 2007; Schmauder, M., Attila und die
Hunnen, 2009; Schäfer, T., Die Hunnen und ihre Nachbarn, 2014; Rosen, K.,
Attila – Der Schrecken der Welt, 2016
Hure ist die käufliche Frau. →Prostitution
Lit.: Von Huren und Rabenmüttern, hg. v. Ulbricht, O., 1995
Hus, Johannes bzw. Jan (um 1370-6. Juli 1415), Magister,
in Konstanz als Ketzer verbrannt, Anhänger (Hussiten) haben bis 1436
maßgeblichen Einfluss unter den Landständen Böhmens und Mährens, im 19. Jh.
Symbolfigur des tschechischen Nationalismus
Lit.: Smahel, F., Husitská revoluce, 2. A. 1995f.; Jan
Hus, hg. v. Seibt, F., 1997; Hilsch, P., Johannes Hus (um 1370-1415). Prediger
Gottes und Ketzer, 1999; Jan Hus, hg. v. Drda, M. u. a., 1999; Smahel, F., Die
hussitische Revolution, 2002;Krzenck, T., Johannes Hus, 2011; Soukup, P., Jan Hus, 2013; Rügert, W., Jan
Hus, 2015
Hut (M.) ist im älteren Recht ein Rechtssymbol (z. B. Hut
des Landvogts Gessler bei Wilhelm Tell).
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943,
36; Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von Hut und Krone, 1952
Hygiene
Lit.: Hygiene in preußischen Schulvorschriften, hg. v. Apel, H. u. a.,
1986
Hypothek (1563, Hypothekenbrief 1823, Hypothekenbuch
1695) ist die
Belastung eines Grundstücks oder eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück
in der Weise, dass an den (Hypothekengläubiger), zu dessen Gunsten die
Belastung erfolgt bzw. besteht, (trotz fehlenden Besitzes) eine bestimmte
Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung aus dem
Grundstück zu zahlen ist. Im römischen Recht ist bereits in der klassischen
Zeit (→Iulianus) unter dem Einfluss östlicher Provinzialpraxis (lat.
[F.]) hypotheca („Unterpfand“) ein Name für das besitzlose, beim Schuldner
verbleibende →Pfand (z. B. Inventarstücke eines Gutes zur Sicherung einer
Forderung), von dem die griechische hypothéke (Unterlage) als ein Verhältnis
reiner Sachhaftung zu unterscheiden ist. Dieses Pfandrecht kann an einzelnen
Sachen oder Forderungen oder am ganzen Vermögen (Generalhypothek) bestellt
werden. Mehrfache Verpfändung ist möglich, wobei der Prioritätsgrundsatz
durchbrochen werden kann. Im Gegensatz zum römischen Recht entwickelt sich im
deutschen Recht ein besonderes Grundpfand im Unterschied zum allgemeinen Pfand
(an beweglichen Sachen). Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter bleibt an vielen Orten das bisherige Grundpfandrecht bestehen.
An anderen wird das geltende Recht römischrechtlich abgeändert und eine
Generalhypothek am gesamten Vermögen anerkannt. Verschiedentlich wird dem
öffentlichen Pfand der Vorrang vor formlosen Pfandrechten gewährt. Teils auf
Grund von Gesetzen (Legalhypothek), teils auf Grund Gewohnheitsrechts wird
ohne Vereinbarung eine (lat.) hypotheca (F.) tacita (z. B. des Fiskus, des
Bestandgebers, des Mündels, der Ehefrau) anerkannt. Seit dem ausgehenden 17.
Jh. werden aber zur Sicherung des dadurch gefährdeten Kreditverkehrs Hypothekenbücher
eingeführt, welche die Öffentlichkeit gewährleisten und die stillschweigende
H. ebenso ausschließen wie die Generalhypothek. Im 19. Jh. wird das
→Hypothekenbuch zum →Grundbuch erweitert (Preußen 1872,
Österreich 1871). Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die H. nur
eines von insgesamt drei Grundpfandrechten.
Lit.: Kaser § 31 III; Hübner; Köbler, DRG 163, 213,
240; Egger, A., Vermögenshaftung und Hypothek nach fränkischen Recht, 1903;
Cohen, A., Die Verschuldung des bäuerlichen Grundbesitzes in Bayern, 1906;
Herman, A., Het karakter van ons hypotheekrecht, 1914; Planitz, H., Das
deutsche Grundpfandrecht, 1936; Pos, A. van der, Hypotheek op roerend grond,
1970; Stolleis, M., Das bayerische Hypothekengesetz von 1822 (in) Wissenschaft
und Kodifikation 3 (1976), 240; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Hypothekenbuch ist das seit dem ausgehenden 17.
Jh. eingerichtete Buch zur Sicherung des Grundpfandverkehrs (Berlin 1693,
Preußen 1722, Hypothekenordnung 1783). →Hypothek
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 163; Strippel,
K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914
Hypothekenordnung (Preußen 1722, 1783, Bayern 1822,
Württemberg 1825, Sachsen 1843)
Lit.: Köbler, DRG 141; Bornhak, C., Preußische Staats-
und Rechtsgeschichte, 1903
I
Iavolenus Priscus (C. Octavius Tidius
Tossianus L. Iavolenus Priscus) (um 100 n. Chr.) ist der als besoldeter
Staatsbeamter aufgestiegene römische Rechtskundige der →Sabinianer, von
dem drei Bearbeitungen der Werke älterer Rechtskundiger und ein in 14 Bücher
gegliedertes Sammelwerk praktischer Rechtsfälle (lat. [F.Pl.] epistulae,
Briefe) bekannt sind.
Lit.: Söllner §§ 11, 16; Köbler, DRG 30; Eckardt, B.,
Iavoleni Epistulae, 1978; Manthe, U., Die libri ex Cassio des Iavolenus
Priscus, 1982
Ibn Hazm (994-1064), Sohn eines hohen
arabischen Amtsträgers in Cordoba (Spanien), ist der bedeutendste Vertreter der
Rechtsschule Zahiriya. Für ihn ist Recht ein religiöses Gebot, das es dem
Menschen ermöglicht, Gottes Willen zu erfüllen.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995, 110
Idealismus ist die philosophische Strömung,
die alle Dinge auf einen geistigen (ideellen) Ursprung zurückführt. Der I.
steht im Gegensatz zum →Materialismus. Bekanntester Vertreter des I. im
Altertum ist Platon (428/427-348/347 v. Chr.), bedeutendste deutsche Vertreter
des I. →Kant (1724-1804), von dem →Savigny beeinflusst wird, und
→Hegel (1770-1831).
Lit.: Köbler, DRG 178; Metzger, W., Gesellschaft,
Recht und Staat in der Ethik des deutschen Idealismus, 1917, Neudruck 1966;
Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von
Savigny, 1984; Exemplaris imago - Ideale in Mittelalter und Neuzeit, 2012
Ideengeschichte
Lit.: Ideengeschichte, hg. v. Stollberg-Rilinger, B.,
2010
Ideologie ist die Gesamtheit der einer
bestimmten Gruppe von Menschen zugeordneten Denkweisen und Wertvorstellungen.
Sie wirkt sich besonders im 20. Jh. auf das Recht aus. Sowohl im
→Nationalsozialismus wie auch im →Sozialismus (und anderen
Ideologien) ist das Recht nur ein Mittel zur Durchsetzung der I.
Lit.: Köbler, DRG 226; Ideologie und Herrschaft in der
Antike, 1979; Ideologie und Herrschaft im Mittelalter, hg. v. Kerner, M., 1982;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 131; Rüthers, B., Die Wende-Experten,
2. A. 1995; Choe, H., Ideologie, 1997; Schreckenberg, H., Ideologie und Alltag
im Dritten Reich, 2003
Iglau in Südmähren wird nach der
Entdeckung von Silber (um 1240) als Stadt um 1245 von deutschen Bergleuten
gegründet. Sein →Bergrecht (1249/1280) wird vielfach andernorts
übernommen.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren und
seine Schöffensprüche, 1868; Zycha, A., Das böhmische Bergrecht, 1900;
Kresadlo, K., Jihlava, 1986
Ihering (Jhering), Rudolf von (Aurich 22.
8. 1818-Göttingen 17. 9. 1892), aus einer Juristenfamilie (Vater Notar und
Abgeordneter der Ständekammer Hannover, † 1825), wird nach dem Rechtsstudium
in Heidelberg (1836), Göttingen, München und Berlin (Puchta), der Promotion
(Berlin 1842) und der Habilitation in Berlin (1843, Homeyer) Professor in Basel
(1845), Rostock (1846), Kiel (1849), Gießen (1852), Wien (1868) und Göttingen
(1872). Zunächst folgt er bis 1858/1859 →Puchta und erklärt das
(römische) Recht aus seiner inneren Vernünftigkeit. Der Rechtswissenschaft
schreibt er die Aufgabe zu, nach Auflösung (Analyse) der komplexen
Rechtsverhältnisse in einfache Elemente durch deren Kombination neue
Rechtsbegriffe zu erzeugen (Der Geist des römischen Rechtes auf den
verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 1f. 1852ff., unvollendet) und
damit letzlich das überkommene Recht der agrarischen Welt für die industrielle
Welt zu modernisieren. Während der Arbeit an diesen Überlegungen wendet sich I.
unter dem Eindruck der naturwissenschaftlichen Fortschritte seiner Zeit der
soziologischen Betrachtung des Rechtes zu und befasst sich mit dem Zweck im
Recht (1877f., unvollendet). Zu einer zukunftweisenden brauchbaren Methodenlehre
gelangt er dabei nicht, wenngleich er die →Interessenjurisprudenz
anregt. Dogmatisch gelingt ihm die Festigung der Unterscheidung von
Rechtswidrigkeit und Schuld (1867) sowie die Entdeckung der →culpa in contrahendo.
Beachtliche Breitenwirkung erlangen die Bücher Der Kampf ums Recht (1872, 20.
A. 1921, veranlasst durch die Kündigung eines Dienstvertrags seitens einer
Köchin) sowie Scherz und Ernst in der Jurisprudenz (1884, 13. A. 1924, Neudruck
1988).
Lit.: Köbler, DRG 189; Ist die Jurisprudenz eine
Wissenschaft? (Wiener Antrittsvorlesung vom 16. Oktober 1868), hg. v. Behrends,
O., 1998; Der Kampf ums Recht, 1872, 8. A. bearb. v. Hollerbach, A., 2003, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JheringDerKampfumsRecht.htm;;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JheringRudolfGeistdesrömischenRechts1852Bd1.pdf;
Scherz und Ernst in der Jurisprudenz, 1884, hg. v. Leitner, M., 2009; Lange,
H., Die Wandlungen Iherings, 1927; Wieacker, F., Rudolf von Jhering, ZRG RA 86
(1969), 1; Jherings Erbe, hg. v. Wieacker, F. u. a., 1970; Pleister, W., Persönlichkeit,
Wille und Freiheit im Werk Jherings, 1982; Der Briefwechsel zwischen Ihering
und Gerber, hg. v. Losano, M., 1984; Choe, B., Culpa in contrahendo bei Rudolf
von Jhering, 1988; Iherings Briefe an Windscheid, hg. v. Kroeschell, K., 1988;
Klemann, B., Rudolf von Jhering und die historische Rechtsschule, 1989; Rudolf
von Ihering, hg. v. Behrends, O., 1992, 2. A. 1993; Privatrecht heute und
Jherings evolutionäres Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O., 1993; Der Kampf ums
Recht, hg. v. Luf, G. u. a., 1995; Iherings Rechtsdenken, hg. v. Behrends, O.,
1996; Der Briefwechsel Iherings mit Unger und Glaser, hg. v. Losano, M., 1996;
Rudolf von Ihering, Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?, hg. v. Behrends,
O., 1999; Mecke, C., Rudolf von Jhering anonym publizierte Frühschriften,
2010; Seinecke, R., Rudolf von Jhering anno 1858, ZRG GA 130 (2013), 238; Lee,
C., Jherings Eigentumsbegriff, 2015; Kroppenberg, I., Die Plastik des Rechts –
Sammlung und System bei Rudolf von Jhering, 2015
Illegitimität (F.) →Unehelichkeit
Lit.: Harms-Ziegler, B., Illegitimität und Ehe, 1991
Illyrien ist das nach dem indogermanischen Volk der
Illyrer (u. a. Messapier und zahlreiche andere Einzelvölker) benannte Gebiet im
Südosten und Nordwesten der Adria. Zwischen dem 5. bzw. 3. und dem 2. Jh. v.
Chr. gerät es unter die Herrschafts Roms. Gaius Julius Caesar trennt es von
Makedonien als eigene Provinz. Am Anfang des 6. Jh.s lassen sich im Norden
Goten und ab etwa 580 Slawen nieder. Von 1767 bis 1777 werden Kroatien,
Slawonien und Dalmatien Illyrien genannt. 1809 sind Osttirol, Westkärnten,
Krain, Küstenland, Kroatien, Dalmatien und Ragusa bzw. Dubrovnik Teil der
illyrischen Provinzen Frankreichs. Von 1814 bis 1849 besteht in Österreich ein
ungefähr entsprechendes Königreich Illyrien, das in den Kronländern Kärnten,
Krain und Küstenland aufgeht.
Lit.: Napoleon und seine Zeit, hg. v. Fräss-Ehrfeld, C., 2009
Imbreviatur ist die durch Abkürzungen
gekennzeichnete Aufzeichnung eines rechtlichen Vorgangs durch einen
→Notar (Urschrift). Im Gegensatz zum bloßen Entwurf enthält die I. den
endgültigen vollständigen Urkundentext unter Verwendung notarieller
Abkürzungen (Imbreviaturen). Bereits im 12. Jh. sammeln Notare in Italien ihre
Imbreviaturen in Imbreviaturbüchern (ältestes erhaltenes Fragment Genua 1154).
Im 14. Jh. wird dies allgemein üblich.
Lit.: Voltelini, H. v., Die Südtiroler
Notariatsimbreviaturen, Teil 1f. 1899ff.; Kern, F., Dorsualkonzept und
Imbreviatur, 1906; Dolezalek, G., Das Imbreviaturbuch des erzbischöflichen
Gerichtsnotars Hubaldus von Pisa, 1969; Notariado público, 1989
Imbreviaturbuch →Imbreviatur
Immaterialgüterrecht ist das Recht der unkörperlichen,
geistigen Rechtsgüter. Es gewinnt erst im Laufe der Neuzeit an Bedeutung. Seine
bekannteste Ausprägung ist das →Urheberrecht.
Lit.: Klippel, D., Historische Wurzeln und Funktionen,
ZNR 1982, 132
immediat (Adj,) unmittelbar →Mediatisierung
Immerwährender Reichstag ist der seit 1663 als ständiger
Gesandtenkongress in Regensburg tagende →Reichstag.
Immission (lat. [F.] immissio) ist die
Zuführung unwägbarer Stoffe (auf ein Grundstück). Bereits im römischen Recht
muss der Eigentümer eines Grundstücks das Eindringen von Rauch, Wasser und
dergleichen auf das Grundstück dulden, wenn es das übliche Maß nicht
überschreitet. Andernfalls stehen ihm Abwehransprüche zu. Das Mittelalter kennt
nur einzelne entsprechende Sätze. Als Folge der Industrialisierung bilden die
Immissionen eine wichtige Abgrenzungsfrage zwischen dem Freiheitsstreben der
Industrie und dem Schutz der Betroffenen, zu der sich der preußische
Gesetzgeber (außer im Allgemeinen Landrecht von 1794 zivilrechtlich) in der
Allgemeinen preußischen Gewerbeordnung von 1845 und das preußische Obertribunal
durch Beschluss vom 7. 6. 1852 weiterführend äußern. § 906 BGB nimmt das auf
dieser Grundlage geschaffene Recht auf (Unwesentlichkeit, Üblichkeit). In der
Gegenwart gilt in Deutschland daneben ein besonderes Bundesimmissionsschutzgesetz
(vom 15. 3. 1974), das die Genehmigungsbedürftigkeit bestimmter Anlagen
vorsieht. Rechtmäßig genehmigte Anlagen sind zu dulden, doch kann ein
Schadensersatzanspruch in Betracht kommen.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Kroeschell, DRG 3; Rohde, J.,
Das Recht der genehmigungsbedürftigen Anlagen im Gewerbe- und
Immissionsschutzrecht von 1810, 2000; Seyed-Mahdavi Ruiz, S., Die rechtlichen
Regelungen der Immissionen im römischen Recht und in ausgewählten europäischen
Rechtsordnungen, 2000; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert,
2002; Koch, N., Die Entwicklung des deutschen privaten Immissionsschutzrechts
seit Beginn der Industrialisierung, 2004; Staats, C., Die Entstehung des
Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 15. März 1974, 2009
immobil (Adj.) unbeweglich
Immobiliarprozess ist der Prozess um Immobilien
(unbewegliche Sachen, Grundstücke).
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der
fränkischen Zeit, 1893
Immobiliarrecht ist das besondere Recht der
Grundstücke (Liegenschaften), wie es sich im deutschen Recht entwickelt.
Lit.: Hübner, R., Der Immobiliarprozess der
fränkischen Zeit, 1893; Meyer, F., Zur Geschichte des Immobiliarrechts der
deutschen Schweiz im 13. bis 15. Jahrhundert, 1921; Buchholz, S.,
Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Buchholz, S., Die Quellen des
deutschen Immobiliarrechts im 19. Jahrhundert, Ius commune 7 (1978), 250
Immunität ist die Freiheit von einem Eingriff
oder einer Einwirkung. Im Frühmittelalter ist I. die Freiheit einer besonders
ausgenommenen →Grundherrschaft von königlicher Gewalt. Sie geht auf die
spätrömische (lat. [F.]) →emunitas zurück, die Freiheit der kirchlichen,
vielleicht auch der kaiserlichen Güter von öffentlichen Lasten bedeutet. Im
6./7. Jh. erweitert sich die I. dahin, dass der (Graf als der) örtliche
Gewalthaber (kraft königlichen Privilegs für den Grundherrn) im
Immunitätsgebiet ausgeschlossen wird und deshalb keine Verhöre durchführen,
keine Abgaben einziehen, keine Geiseln wegführen und schließlich das
Immunitätsgebiet überhaupt nicht mehr betreten darf. Seine Aufgaben nehmen die
weltlichen und geistlichen Großen (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte) als Immunitätsberechtigte
selbst (oder durch Vögte) wahr. Spätestens Otto I. gleicht diese Art der
Beseitigung des Einflusses der weltlichen Gewalt auf die immunitätsbegabte
Kirche dadurch aus, dass er selbst durch Einsetzen der Immunitätsberechtigten
(Erzbischöfe u. s. w.) unmittelbare
Herrschaft über die zunehmend zu geschlossenen Bezirken werdenden
Immunitätsgebiete gewinnt (ottonisches bzw. ottonisch-salisches
→Reichskirchensystem). Nach dem hierdurch hervorgerufenen
→Investiturstreit (1075-1122) gehen die bedeutenden Immunitäten in den
Landesherrschaften (geistlichen Fürstentümern) auf. In der Gegenwart genießt
der Abgeordnete parlamentarische I. im Sinne eines Schutzes vor bestimmten
Maßnahmen, die sich gegen sein Verhalten außerhalb des Parlaments richten
(Frankreich 1799, 1814).
Lit.: Köbler, DRG 85; Stengel, E., Grundherrschaft und
Immunität, ZRG GA 25 (1904), 286; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im
Herzogtum Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Voltelini,
H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche Gerichtsbarkeit in Südtirol,
Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907), 311; Kroell, M., L’immunité
franque, 1910; Stengel, E., Die Immunität, 1910, Neudruck 1964; Hirsch, H., Die
Klosterimmunität seit dem Investiturstreit, 1913, 2. A. 1967; Kühn, G., Die
Immunität der Abtei Groß-St. Martin zu Köln, 1913; Zatschek, H., Beiträge zur
Diplomatik der mährischen Immunitätsurkunden, 1931; Heidrich, I., Die
Verbindung von Schutz und Immunität, ZRG GA 90 (1973), 10; Pfaff, V., Die
päpstlichen Klosterexemtionen in Italien, ZRG KA 72 (1986), 76; Frey, L./Frey,
M., The History of Diplomatic Immunity, 1999; Immunität und Landesherrschaft,
hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002; Rau, J., Der Fall Friedrich List, 2010;
Bachrach, D., Immunities as Tools of Royal Military Policy under the
Carolingian and Ottonian Kings, ZRG GA 130 (2013), 1
Immunitätsprivileg →Immunität
Impeachment ist vor allem ein seit 1376
angewendetes Strafverfahren im englischen Recht, bei dem das →House of
Commons anklagt und das House of Lords entscheidet (z. B. 1386 gegen den
englischen Kanzler).
Lit.: Plucknett, T., Studies in English Legal History,
1983
impedimentum (lat. [N.]) Hindernis (z. B. Ehehindernis)
imperator (lat. [M.]) Kaiser
Lit.: Söllner § 14; Köbler, LAW; Mc Fayden, D., The
History of the Title I., 1920; Kienast, D., Imperator, ZRG RA 78 (1961), 403
Imperialismus ist die auf Gewinnung eines
Imperiums durch Eroberung und Ausdehnung gerichtete Zielsetzung des Staates
seit dem 17., insbesondere seit dem 19. Jh.
Lit.: Wehler, H., Bismarck und der Imperialismus,
1969; Imperialismus und Kolonialismus, hg. v. Bade, K., 1983; Schöllgen, G.,
Das Zeitalter des Imperialismus, 1986, 3. A. 1994, 5. A. 2009; Cain, J./Hopkins,
A., British Imperialism, 1993; Fröhlich, M., Imperialismus, 1994; Petersson,
N., Imperialismus und Modernisierung, 2000; Berke, A., Imperialismus und
nationale Identität, 2003; Pogge von Strandmann, H., Imperialismus vom grünen
Tisch, 2009; Imperialkriege von 1500 bis heute, hg. v. Bührer, T. u. a., 2011;
Reinhard, W., Die Unterwerfung der Welt, 2016
Imperium (lat. [N.]) ist im altrömischen
Recht die unbeschränkte Amtsgewalt der Konsuln (später auch der Statthalter von
Provinzen), zu der auch die Zuchtgewalt zählt, sowie das Gebiet, in dem sie
ausgeübt wird. Nach dem (lat.) imperium (N.) Romanum versteht sich auch die
weltliche Herrschaft im Mittelalter als ein i. Ihm tritt das (lat. [N.])
sacerdotium des Papstes gegenüber. Mit dem Beginn der Neuzeit nimmt (lat. [F.])
potestas (Gewalt, Hoheitsgewalt) den Platz von i. ein, das seinerseits als
Weltreich verstanden wird.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 14, 15; Köbler, DRG 18; Köbler,
LAW; Kornemann, E., Doppelprinzipat und Reichsteilung im imperium Romanum,
1930; Stengel, E., Regnum und imperium, 1930; Heuß, A., Zur Entwicklung des
imperiums des römischen Oberbeamten, ZRG RA 64 (1944), 57; Dempf, A., Sacrum
imperium, 2. A. 1954; Nörr, D., Imperium und Polis in der hohen Prinzipatszeit,
2. A. 1969; Thomas, H., Zwischen regnum und imperium, 1973; Papst, A., Divisio
regni, 1986; Burbank, J. u. a., Imperien der Weltgeschichte, 2012 (Rom,
Chinaschwächliche Reichsbildungen des frühen und hohen Mittelalters in
Nordwesteuropa, Ostrom, islamische Großreiche, Mongolenreiche, osmanisches
Reich, Spanien, Russland China, Vereinigte Staaten von Amerika); Vervaet, F.,
The High Command in the Roman Republic, 2014; Imperium, Staat, Civitas, hg. v.
Calore, E., u. a., 2015Nolte, H., Kurze Geschichte der Impeien, 2017
Imperium (N.) merum et mixtum (lat.) ist nach einer
Unterscheidung des römischen Rechtskundigen Ulpian (170?-223) die oberste
Staatsgewalt und die oberste Gewalt der Zivilrechtspflege. Seit dem 12. Jh.
erscheint die hierauf gegründete Einteilung der Gerichtsbarkeit in die
Gerichtsbarkeit über Leben, Freiheit und Bürgerrecht und die übrige
Gerichtsbarkeit im deutschen Reich. Seit dem 14. Jh. wird das i. m. e. m. als
Grundlage aller Hoheitsrechte verstanden, danach als Landeshoheit.
Lit.: Hirsch, H., Die Klosterimmunität seit dem
Investiturstreit, 1913
imperium (N.) Romanum (lat.) Römisches Reich
implantatio (lat. [F.]) Einpflanzung, Verbindung
Impossibilium nulla est obligatio (lat.). Zu Unmöglichem gibt es
keine Verpflichtung (z. B. bewirkt Fehlen eines Kaufgegenstands Nichtigkeit des
Kaufvertrags).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140 n. Chr., Digesten 50, 17, 185); Wollschläger, C., Die
Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970
Impubes (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der Unmündige (Geschlechtsunreife). Ist er (lat.) infantia maior (älter als 7),
kann er, gegebenenfalls mit Zustimmung des Vormunds (lat. [M.] tutor), ein
Rechtsgeschäft vornehmen. Mit dem Eintritt der Geschlechtsreife (lat. [F.]
pubertas) wird der i. ursprünglich vollständig geschäftsfähig und deliktsfähig.
Die Mündigkeit wird bei Knaben (durch die Prokulianer) auf 14, bei Mädchen auf
12 festgelegt. Allerdings besteht (wohl schon seit der Lex Laetoria von etwa
200 v. Chr.) bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs ein besonderer Schutz bei
Rechtsgeschäften.
Lit.: Kaser § 14 II, 62 I, 82 II; Köbler, DRG 21
Imputation ist die von →Pufendorf
(1632-1694) aus der Theologie in das Strafrecht übernommene Zurechnung einer
Handlung und eines Erfolgs zu einem Menschen. Ihre Möglichkeit beruht auf der
Freiheit und der Normbezogenheit menschlichen Handelns. Ermittelt werden die
Voraussetzungen, die für Bestrafung bestehen. →Feuerbach (1755-1833)
unterscheidet demgegenüber die abstrakte I. des Gesetzgebers bei der
Festlegung des strafbaren Verhaltens und der Strafe im Straftatbestand und die
konkrete I. des Richters bei Bestimmung der Strafe im einzelnen Fall. Wenig
später wird die I. auf die Handlung beschränkt. Erhalten geblieben ist der Begriff
der Zurechnungsfähigkeit.
Lit.: Berner, A., Grundlinien der criminalistischen
Imputationslehre, 1843; Welzel, H., Die Naturrechtslehre Samuel Pufendorfs,
1958; Genka, T., Zur textlichen Grundlage der Imputationslehre Gratians, BMCL
25 (2002/2003), 40
In bonis (lat. im Vermögen) sein bzw. haben
ist im klassischen römischen Recht eine Bezeichnung für den Schutz durch den
Prätor gegen einen Dritten. Wer eine handgreifbare Sache (lat. [F.] res
mancipi) ohne den Formalakt der →Manzipation erhält und i. b. hat,
(erwirbt zwar nicht ziviles Eigentum, das bei dem Veräußerer verbleibt,)
erlangt (aber) prätorisches bzw. bonitarisches Eigentum bzw. Schutz durch den
Prätor. Im spätantiken römischen Recht wird die Unterscheidung zwischen
zivilem Eigentum und prätorischem Eigentum beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 22ff.; Söllner § 9; Ankum, H. u. a.,
Die verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks in bonis alicuius esse, ZRG RA 107
(1990), 155
in dorso (lat.) auf dem Rücken,
→Indossament
In dubio pro reo ist der bereits im klassischen
römischen Recht im Ansatz bekannte Satz, dass ein Angeschuldigter im Zweifel
freizusprechen ist. In der Neuzeit formuliert Stübel 1811 in Anschluss an
Justinians →Digesten 42, 1, 38 den Satz neu. Demnach gilt der Angeklagte
bis zum Nachweis der Schuld als unschuldig, weil im Zweifel zu seinen Gunsten
zu entscheiden ist (vgl. Art. 6 II der europäischen Konvention zum Schutze der
Menschenrechte 1950). In der Verfahrenswirklichkeit setzt sich der Satz aber
erst allmählich durch.
Lit.: Köbler, DRG 35, 203; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Bossius 1562, vgl. Digesten 50, 17, 125 Gaius um
120-um 180, Aristoteles); Moser, K., In dubio pro reo, Diss. jur. München 1933;
Wenig, G., In dubio pro reo, Diss. jur. Tübingen 1946; Holtappels, P., Die
Entwicklungsgeschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965
In integrum restitutio (F.) (lat.) ist im römischen Recht
in verschiedenen Fällen (z. B. Zwang) die vom Prätor gewährte
→Wiedereinsetzung in den früheren Stand, mit der die eingetretenen
Wirkungen des Geschäfts durch besondere Klagen wieder beseitigt werden sollen.
Eine vom Richter durchgeführte i. i. r. bewirkt die (lat.) →actio (F.)
quod metus causa, die den bestraft, der die Wiedergutmachung verweigert.
Lit.: Kaser § 8 IV
in iure (lat.) vor (dem) Gericht(smagistrat)
In iure cessio (F.) (lat.) ist die im römischen
Recht als Umgehung schwerfälliger Formalakte im Wege eines Scheinverfahrens
mögliche Übertragung, Abtretung oder Aufhebung bestimmter Rechte auf der
Gerichtsstätte.
Lit.: Kaser § 7 II; Söllner §§ 8, 9, 18; Köbler, DRG
21, 25, 40
In ius vocatio (lat. [F.]) ist die Rufung bzw. Ladung des
Gegners in das Gericht, welcher der Gegner im altrömischen Recht der
Zwölftafeln sofort zu folgen hat.
inaedificatio (lat. [F.]) Einbau
Inama-Sternegg, Karl Theodor von (Augsburg 20. 1.
1843-Innsbruck 28. 11. 1908) wird nach dem Studium von Geschichte, Recht und
Staatswissenschaft in München 1868 außerordentlicher Professor und 1871
ordentlicher Professor in Innsbruck, 1880 in Prag und 1881 in Wien. Seine
Deutsche Wirtschaftsgeschichte (1878ff.) ist die erste unmittelbar aus den
Quellen erarbeitete Gesamtdarstellung.
Inauguration (F.) Einführung
Lit.: Königshaus, J., Die Inauguration der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665, 2002
incapacitas (lat. [F.]) Unfähigkeit
Incertum (lat. [N.] Unbestimmtes) ist im
römischen Recht die unbestimmte Leistung. Im spätantiken Recht wird die Unterscheidung
zwischen bestimmter Leistung und unbestimmter Leistung gelockert.
Lit.: Kaser §§ 35 I, 37 I, 48 II
incipit (lat.) es fängt an
Indebitum solutum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die nichtgeschuldete Leistung. Sie kann im klassischen römischen Recht wohl
wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen mit der besonderen Begehrensform der
→Kondiktion zurückverlangt werden.
Lit.: Kaser § 48 II 2
Indemnität ist die Befreiung des Abgeordneten
von der gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgung wegen einer Abstimmung oder
Äußerung im Parlament. Die früher auch als →Immunität bezeichnete I.
entsteht in England mit der →Bill of Rights (1689). Im →Deutschen
Bund erscheint sie seit 1818 (Bayern, Württemberg 1819, Sachsen 1831, Preußen
1848).
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte seit
1789, Bd. 3 1963, 348; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte der
parlamentarischen Redefreiheit, 1991
Index (M.) librorum prohibitorum (lat.)
ist der Anzeiger der (für Christen) verbotenen Bücher
(1557/1559/1564-1948/1966/1967).
Lit.: Becker, G., Deutsche Juristen und ihre Schriften
auf den römischen Indices des 16. Jahrhunderts, 1970; Eisenhardt, U., Strafe
und Strafzweck bei der Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener
Schriften, FS G. Bemmann, 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf,
H., 2001; Wolf, H., Index, 2008; Römische Inquisition und Indexkongregation,
hg. v. Wolf, H., Bd. 1ff. 2009f.
Indien
Lit.: Kulke, H./Rothermund, D., A History of India 1984, 5. A. 2010;
Das, I., Staat und Religion in Indien, 2004: Kulke, H., Indische Geschichte bis
1750, 2005; Mann, M., Geschichte Indiens. Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert,
2005; Schoettli, U., Indien, 2009; Rothermund, D., Indien, 2008; Lütt, J., Das
moderne Indien 1498-2004, 2011; Mukherji, M., India in the Shadows of Empire,
2012; Sinha, C., Debating Patriarchy - The Hindu Code Bill Controversy in India
(1941-1956), 2012; From Birch Bark to Digital Datza – Recent Advances in
Buddhist Manuscript Research, 2013; Myers, P., German Visions of India,
1871-1918, 2013; Decolonization and the Struggle for National Liberation in
India (1909-1971). hg. v. Costanzo, T. u. a., 2014; Liebig, M., Endogene
politisch-kulturelle Ressourcen, 2014; Dréze, J. u. a., Indien, 2014; Kakar,
K., Frauen in Indien, 2015; Calasso, R., Die Glut, 2015 (Shatapatha-Brahmana
Geheimnis der hundert Pfade, 8. Jh. v. Chr.); Mann, M., South Asia’s Modern
History, 2015
Individuum (N.) Unteilbares, Einzelmensch. Um 1100
wächst das Verständnis für Ansprüche, Bedürfnisse und Gründe des Einzelnen und
die Bereitschaft ihrer Beachtung.
Lit.: Conrad, H., Individuum und Gemeinschaft in der
Privatrechtsordnung, (1956); Derschka, H., Individuum und Persönlichkeit im
Hochmittelalter, 2014
Indiz ist eine Tatsache, aus deren
Vorhandensein einleuchtenderweise auf das Vorhandensein einer anderen Tatsache
geschlossen werden kann. Das I. ist von besonderer Bedeutung im Strafverfahrensrecht.
Hier ist bei Fehlen besserer Beweismöglichkeiten der Beweis mit Hilfe von
Indizien (Indizienbeweis) möglich. Nach der frühneuzeitlichen Indizienlehre
etwa der →Constitutio Criminalis Carolina von 1532 ist die →Folter
nur zulässig bei Vorliegen bestimmter Indizien (z. B. blutbefleckte Kleidung
eines einer Bluttat Verdächtigen).
Lit.: Köbler, DRG 138, 156; Kusch, K., Der
Indizienbeweis des Vorsatzes, Diss. jur. Hamburg, 1963; Langbein, J., Torture
and the Law of Proof, 1976; Pöltl, R., Die Lehre vom Indizienbeweis, 1999;
Michels, K., Der Indizienbeweis, Diss. jur. Tübingen 2000
Indogermane (linguistisch verwendetes Wort 1810 von dem dänischen
Geographen Conrad Malte-Brun auf Französisch geprägt, 1823 Friedrich Schlegel) ist
der Angehörige eines der zur wissenschaftlich erschlossenenen indogermanischen
(oder auch indoeuropäischen) Sprachenfamilie (keltisch, italisch, germanisch -
einschließlich isländisch im äußersten Westen - , baltisch, slawisch, illyrisch,
thrakisch, albanisch, griechisch, phrygisch, hethitisch, armenisch, iranisch,
indoarisch – im Osten -, tocharisch, mit einer jeweils ältesten Überlieferung
zwischen dem 14. Jh. v. Chr. und dem 16. Jh. n. Chr.) gehörenden Einzelvölker.
Ob, wann und wo dieses philologisch rekonstruierte Volk besteht, ist
angesichts der Verschiedenheit von Sprachen, Genen, körperlichen
Hinterlassenschaften Verbreitungswegen und Übernahmemöglichkeiten unklar (Mitteleuropa?,
Osteuropa?, um 2000 v. Chr.?, Entstehung in Anatolien vor 7800 bis 9800
Jahren?, Viehnomaden nördlich des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres
mit Wanderungsbewegungen nach Westen und Osten, im 6. Jt. v. Chr. starke
Wanderung von Bauern aus dem Nahen Osten nach Europa?, denen vielleicht die
indogermanischen Einwanderungen folgen?, überwiegend friedliche Übernahme der
indogermanischen Sprache durch die Alteuropäer bei Übernahme der Landwirtschaft
durch die Indogermanenen von den Alteurpäern?). Die Zahl seiner philologisch
erschließbaren Rechtseinrichtungen (Volk, Haus, Zeuge, Gast, Erbe) ist gering.
Dem Indogermanischen könnte ein wenig bekanntes, noch unsichereres
Protoindogermanisch oder Nostratisch nördlich des Schwarzen Meeres um 3500 v.
Chr. vorangegangen sein.
Lit.: Söllner §§ 2, 4; Köbler, DRG 10, 13; Bopp, F.,
Vergleichende Grammatik des Sanskrit …, 1833; Schleicher, A., Compendium der
vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1861, 4. A. 1876;
Delbrück, B., Die indogermanischen Verwandtschaftsnamen, 1889; Leist, B.,
Altarisches ius gentium, 1889, Neudruck 1978; Brugmann, K., Grundriss der
vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen, 1893ff. Brunner, H.,
Eine bisher unbekannte indogermanische Sprache, ZRG GA 29 (1908), 340
(tocharisch); Schulz, W., Indogermanen und Germanen, 2. A. 1938; Pokorny, O.,
Indogermanisches etymologisches Wörterbuch, 1959ff.; Schlerath, B., Die
Indogermanen, 1972; Seebold, E., Das System der indogermanischen Halbvokale, 1972;
Gamkrelidze, T./Ivanov, V., Indo-European and the Indo-Europeans, 1995;
Mallory, J./Adams, D., The Oxford Introduction to Proto-Indo-European and the
Proto-Indo-European World, 2006; Schmitt-Brandt, J., Einführung in die
Indogermanistik, 1998; Köbler, G., Indogermanisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-indogermanisches
Wörterbuch, 3. A. 1999 (Internet); Greenberg, J., Indo-European and its closest
relatives, 2000; Fortson, B., Indo-European language and culture, 2004;
Anthony, D., The Horse, the Wheel and Language, 2007; Stüber, K. u. a.,
Indogermanische Frauennamen, 2009; Mayerhofer, M., Indogermanistik - über
Darstellungen und Einführungen von den Anfängen bis in die Gegenwart, 2009;
Fritz, M., Der Dual im Indogermanischen, 2011; Kuryłowicz, J. u. a.,
Indogermanische Grammatik, Bd. 4, 1 Komposition 2011; Haarmann, H., Auf den
Spuren der Indoeuropäer, 2016 (Mischung vieler Informationen schwer
unterscheidbarer unterschiedlicher Güte); Indo-European Etymological
Dictionaries Online Brill(Institutional outright purchase price 8220 Euro,
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Indossament ist eine regelmäßig auf der
Rückseite (lat. in dorso, frz. en dos) eines →Wertpapiers angebrachte
Erklärung, durch die eine Person (Indossant) die Rechte aus einem
→Orderpapier auf eine andere Person (Indossatar) überträgt. Das erstmals
in Pisa 1392 bezeugte I. erscheint häufiger zu Beginn des 17. Jh.s in
Frankreich (etwa gleichzeitig mit der zur selben Zeit in Süditalien aufgekommenen,
vorderseitig angebrachten girata). Seine Ursprünge sind ungeklärt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Schaps, G., Zur Geschichte des
Wechselindossaments, 1892; Opitz, P., Der Funktionswandel des
Wechselindossaments, Diss. jur. Berlin 1967; Melis, F., Guida alla mostra
internazionale della banca, 1972
Industrie ist die gewerbliche Gewinnung und
Verarbeitung von Rohstoffen. Die I. entsteht (in einem vielfach als
industrielle Revolution bezeichneten evolutionären Vorgang) nach Änderungen in
Handel, Wissenschaft, Landwirtschaft und Technik sowie wohl auch Mentalität
seit dem Ende des 18. Jh.s (1760?) in Großbritannien, wo Kohle und Eisenerz
leicht abbaubar und nahe beieinander verwertet werden können. Seit dem frühen
19. Jh. folgen die deutschen Staaten (z. B. Sachsen) (1800-1830
leichtindustriell, 1830-1880 schwerindustriell, Durchbruchsphase 1845-1875,
1880-1914 Elektroindustrie, chemische Industrie, optische Industrie). Die
Industrialisierung bedeutet den raschen Übergang von der Landwirtschaft zur
arbeitsteiligen gewerblichen Wirtschaft. Eine wichtige Folge ist die
Entstehung des →Arbeitsvertrags.
Lit.: Köbler, DRG 175, 176; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 237; Quellen zur Geschichte der industriellen
Revolution, hg. v. Treue, W. u. a., 1966; Mauersberg, H., Deutsche Industrien
im Zeitgeschehen eines Jahrhunderts, 1966; Forsthoff, E., Der Staat in der
Industriegesellschaft, 1971; Abel, W., Massenarmut und Hungerkrisen im
vorindustriellen Deutschland, 1972; Söllner, A., Der industrielle Arbeitsvertrag,
(in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 288;
Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Sozialgeschichtliche
Probleme in der Zeit der Hochindustrialisierung, hg. v. Pohl, H., 1979;
Schlosser, H., Folgen der Industrialisierung, Quaderni Fiorentini 10 (1981),
403; Klassen, K., Mitverwaltung und Mitverantwortung in der frühen Industrie,
1984; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2 6. A. 1984;
Ruppert, W., Die Fabrik, 1987; Kiesewetter, H., Industrialisierung und Landwirtschaft,
1988; Kiesewetter, H., Industrielle Revolution, 1989; Studien zur Einwirkung
der Industrialisierung auf das Recht, hg. v. Coing, H., 1991; Hudson, P., The
Industrial Revolution, 1992; Die Eisen- und Stahlindustrie im Dortmunder Raum,
hg. v. Dascher, O. u. a., 1992; Buchheim, C., Industrielle Revolutionen, 1994;
Hahn, H., Die industrielle Revolution, 1998, 2. A. 2005, 3. 2011; Gestwa, K.,
Proto-Industrialisierung in Russland, 1999; Marsch, U., Industrieforschung in
Deutschland und Großbritannien, 1999, Bührer, W., Der Bundesverband der
Deutschen Industrie, 1999; Marsch, U., Industrieforschung, 1999; Krämer, J.,
Industrialisierung und Feiertage, 1999; Kiesewetter, H., Region und Industrie
in Europa 1815-1995, 2000; Gall, L., Krupp, 2000; Gorißen, S., Vom Handelshaus
zum Unternehmen, 2002; Butschek, F., Europa und die industrielle Revolution,
2002; Lenger, F., Industrielle Revolution und Nationalstaatsgründung, 2003;
Kiesewetter, H., Industrielle Revolution in Deutschland, 2004; Condrau, F., Die
Industrialisierung in Deutschland, 2005; Ziegler, D., Die industrielle
Revolution, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2011; Vec, M., Recht und Normierung in der
industriellen Revolution, 2006; Butschek, F., Industrialisierung, 2006;
Kiesewetter, H., Die Industrialisierung Sachsens, 2006; Risques et prises de
risques dans les sociétés industrielles, hg. v. Varaschin, D., 2007; Gehlen,
B., Paul Silverberg (1876-1959) 2007; Liedtke, R., Die industrielle Revolution,
2010; James, H., Krupp, 2011; Das Recht der industriellen Revolution, hg. v.
Maetschke, M. u. a., 2013; Jindra, Z., Der Bahnbrecher des Stahl- und
Eisenbahnzeitalters, 2013 (Krupp); Bremm, K., Das Zeitalter der
Industrialisierung, 2014; Schäfer, M., Eine andere Industrialisierung, 2016
Industriekammer ist die politische Vertretung der
Interessen der Unternehmen der Industrie. Sie entsteht im 19. Jh. nach dem
Vorbild der Handelskammer.
Lit.: Bibliographie zur Geschichte und Organisation
der Industrie- und Handelskammern, hg. v. Ernst, S., 1986; Kaltenhäuser, K.,
Möglichkeiten und Perspektiven einer Organisation der Wirtschaftsverwaltung,
1998; Schmaltz, J., Die Entwicklung der Industrie- und Handelskammern, 2010;
Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2011
infam →Infamie
Infamie (lat. [F.] infamia) ist
die mit gewissen Handlungen verbundene Rechtsfolge des Verlustes der
bürgerlichen →Ehre im älteren Recht. Im römischen Recht ziehen Kuppelei,
Lohnkampf mit Tieren, Schauspielerei, Doppelehe, Wucher, Häresie, Ausstoßung
aus dem Heer und bestimmte Verurteilungen die I. (Verlust der bürgerlichen
Ehre) nach sich. Die Kirche setzt seit 419 auf die schuldhafte Aufgabe des
christlichen Gesetzes und die Missachtung kirchlicher Vorschriften (Sakrileg,
Grabfrevel, Zauberei, Giftmischerei, Ehebruch, Blutschande, Meineid, Diebstahl,
Raub, Mord) die I. (Weihehindernis, Zeugnisunfähigkeit u. s. w.). Im weltlichen Recht schließen
einzelne deutsche Reichsgesetze von einzelnen Rechten aus (1512 Ehrlose vom
Notariat, 1577 Zöllner, Müller, Bader u.
s. w. von Zünften, 1577 Bankrotteure). Ein Überrest der I. ist die Aberkennung
der bürgerlichen Ehrenrechte im deutschen Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Nach
Aufhebung der Vorschriften zum 1. 4. 1970 sieht § 45 StGB nur noch eine
eingeschränkte Aberkennung von Rechten vor.
Lit.: Kaser §§ 13 III, 36 III, 82 II; Mühlebach, A.,
Die Infamie in der decretalen Gesetzgebung, 1923; Löbmann, B., Der
kanonistische Infamiebegriff, 1956; May, G., Die Anfänge der Infamie im
kanonischen Recht, ZRG KA 47 (1961), 77; Landau, P., Die Entstehung des kanonistischen
Infamiebegriffs, 1966
Infans (lat. [M.]) ist im römischen Recht
das →Kind, das die für rechtliche Folgen bedeutsamen Wörter noch nicht
sprechen kann, im spätrömischen Recht das Kind bis zur Vollendung des siebenten
Lebensjahrs. Der i. kann kein Rechtsgeschäft tätigen (geschäftsunfähig) und
keine ersatzpflichtige Handlung (Delikt, deliktsunfähig) begehen.
Lit.: Kaser § 14 I 1; Köbler, LAW
Inflation ist die Erhöhung des nominalen
Wertes einer Geldeinheit. Eine geringfügige I. ist ein Kennzeichen fast aller
Zeiten der Geldwirtschaft. In der I. im →Deutschen Reich nach dem ersten
Weltkrieg ist als Folge der Reparationsverpflichtungen Deutschlands im November
1923 ein Dollar 4200000000 Mark wert. Eine derartige I. hat unmittelbare
Auswirkung auf alle wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse
einschließlich der Zahlung von Reparationsverpflichtungen.
Lit.: Köbler, DRG 224; Redlich, F., Die deutsche
Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972; Nörr, K., Der Richter zwischen
Gesetz und Wirklichkeit, 1996; Kerstingjohänner, H., Die deutsche Inflation
1919-1923, 2004; Geldmenge, Warenmenge, Inflation, hg. v. Borstelmann, A. u.
a., 2010; Taylor, F., Inflation, 2013
Information
Lit.: Copeland, B., Turing – Pioneer of the
Information Age, 2012; Brynjolfsson, E. u. a., The Second Machine Age – Wie die
nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird, 2014, 3. A. 2015
Infortiatum (lat. [N.]) →Digestum
infortiatum
Lit.: Wouw, H. van de, Zur Textgeschichte des
Infortiatum, Ius commune 11 (1984), 231
Infrastruktur
Lit.: Ambrosius, G. u. a., Integration von Infrastrukturen in Europa im
historischen Vergleich, Bd. 1 2013
Ingelheim am mittleren Rhein ist Sitz eines
vielleicht aus einem ehemaligen Reichsvogteigericht hervorgegangenen, seit
1366 bezeugten →Oberhofs, dessen erhaltene Aufzeichnungen mehr als 3000
Urteile zwischen 1398 und 1464 überliefern (davon etwa 7% Strafrechtsfälle).
Seit 1. 4. 1929 ist I. (mit Oberingelheim, Niederingelheim, Freiweinheim und
Sporkenheim) Stadt, zu der seit 1972 Großwinternheim zählt.
Lit.: Loersch, H., Der Ingelheimer Oberhof, 1885;
Meyer, H., Über die Wiederauffindung eines verschollenen Protokollbuches, ZRG
GA 24 (1903), 390; Tillmann, W., Aus dem Prozess des Ingelheimer Oberhofs,
1935; Erler, A., Ingelheimer Urteile als Quellen F. J. Bodmanns, ZRG GA 69
(1952), 74; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A.,
Bd. 1ff. 1952ff.; Erler, A., Die Stilllegung des Schöffenstuhls im Recht des
Ingelheimer Oberhofes, ZRG GA 76 (1959); Rotthaus, K., Redde und Schult in den
Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1959; Erler, A., Ingelheimer Urteile als
Vorlagen F. J. Bodmanns, ZRG GA 77 (1960), 345; Kornblum, U., Das Beweisrecht
des Ingelheimer Oberhofes, 1960; Reifenberg, W., Die kurpfälzische
Reichspfandschaft Oppenheim Gauodernheim Ingelheim 1375-1648, (Diss. phil.
Mainz 1964) 1968; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267;
Ingelheim am Rhein, hg. v. Autenrieth, J., 1964; Eigen, P., Die Verbotung in
den Urteilen des Ingelheimer Oberhofes, 1966; Gudian, G., Ingelheimer Recht im
15. Jahrhundert, 1968; Schmitz, H., Pfalz und Fiskus Ingelheim, 1974; Bley, H.,
Das Erbrecht nach den Urteilen des Ingelheimer und Neustadter Oberhofs, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1977; Erler, A., Ingelheimer Prozesse nach dem
Städtekrieg von 1388, 1981; Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des
Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Fuhrmann, J., Theorie und Praxis
in der Gesetzgebung des Spätmittelalters in Deutschland, 2001; Die Ingelheimer
Haderbücher, hg. v. Felten, F., 2010; Die Ingelheimer Haderbücher, hg. v.
Marzi, W., Bd. 1 Das Oberingelheimer Haderbuch 1476-1495, 2011, Bd. 2 2013;
Alltag, Herrschaft, Gesellschaft und Gericht, hg. v. Marzi, W. u. a., 2012
ingenuus (lat. [Adj.]) freigeboren
Ingolstadt an der Donau wird 806 bezeugt (841
Königshof an Niederaltaich). Um 1250 ist es Stadt. 1459/1472 wird es Sitz einer
1800 nach Landshut und 1826 nach München verlegten →Universität.
Lit.: Listl, R., Die Ingolstädter Handwerkerverbände,
Diss. jur. München 1956; Dickerhof, H., Land, Reich, Kirche im historischen
Lehrbetrieb an der Universität Ingolstadt, 1971; Seifert, A., Statuten- und
Verfassungsgeschichte der Universität Ingolstadt (1472-1586), 1971; Real, H.,
Die privaten Stipendienstiftungen, 1972; Wolff, H., Geschichte der Ingolstädter
Juristenfakultät 1472-1625, 1973; Kreh, F., Leben und Werk des Reichsfreiherrn
Johann Adam von Ickstatt (1702-1776), 1974; Ingolstadt, hg. v. Müller, T. u.
a., Bd. 1ff. 1974ff.; Freilinger, H., Ingolstadt, 1977; Hofmann, S., Geschichte
der Stadt Ingolstadt, 2000; Schuh, M., Aneignungen des Humanismus, 2013
Inhaberpapier ist das →Wertpapier, bei dem
das verbriefte Recht grundsätzlich von jedem Inhaber geltend gemacht werden
kann. Es fehlt dem Altertum, von bescheidenen Ansätzen abgesehen, ganz,
erscheint aber seit dem 9. Jh. vor allem in Gebieten langobardischen Rechtes
in Italien und ist im Mittelalter als Möglichkeit der Übertragung von Rechten
und der Vertretung verbreitet. In Sachsen tritt 1763 die Inhaberschuldverschreibung
auf. Seit dem →Allgemeinen Landrecht (Preußen 1794) finden sich
gesetzliche Regelungen.
Lit.: Hübner; Brunner, H., Zur Geschichte des
Inhaberpapieres in Deutschland, ZHR 23 (1978), 225; Brunner, H., Das
französische Inhaberpapier, 1879; Meppen, D., Das Inhaberpapier, 2014
Iniuria (lat. [F.]) ist im römischen Recht
das Unrecht (in der Form der Personenverletzung, das bei Vorliegen eines
Rechtfertigungsgrunds ausscheidet). Nach altrömischem Recht soll neben
Gliedzerreißen und Beinbrechen jedes sonstige Unrecht (i.) mit der Leistung von
25 Pfund Kupfer ausgeglichen werden. Im klassischen römischen Recht wird die i.
zu einem Tatbestand erweitert, der jede bewusste Missachtung der Persönlichkeit
in Wort oder Tat (→Körperverletzung) eines anderen erfasst. Rechtsfolge
ist ein durch Schätzung zu ermittelnder Geldausgleich. Im spätantiken römischen
Recht ist i. ein Straftatbestand (Ehrverletzung) und eine Deliktsobligation
(Persönlichkeitsmissachtung). Im deutschen Sprachraum wird iniuria als Injurie
(Realinjurie, Verbalinjurie) aufgenommen (z. B. Bayern 1756, Preußen 1793 bzw.
1794→Beleidigung).
Lit.: Söllner §§ 5, 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 65;
Köbler, LAW; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen
Recht, 1984; Hagemann, M., Iniuria, 1998; Lingelbach, G., Injurie und
Injuriensachen, (in) Organisation der Kritik, hg. v. Matuschek, S., 2004, 143;
Shapo, M., An Injury Law Constitution, 2012; Iniuria and the Common Law, hg. v.
Descheemaker, E. u. a., 2013
Inka
Lit.: Inka – Könige der Anden, hg. v. Castro, I.
de/Kurella, D., 2014; Schmelz, B., Die Inka, 2013
Inkorporation ist die Eingliederung einer
kirchlichen →Körperschaft in eine andere. Sie entwickelt sich seit dem
Ende des 11. Jh.s (Benediktinerorden) und wird im 13. Jh. voll ausgebildet. Mit
der I. gehen die Rechte an der bisherigen kirchlichen Körperschaft (z. B.
Kirche) auf eine andere kirchliche Körperschaft (z. B. Kloster) über, ohne dass
die Rechtspersönlichkeit der inkorporierten Körperschaft endet. In der Neuzeit
wird die I. wegen der mit ihr gegebenen Zerstörung der kirchlichen Ordnung
zurückgedrängt (Trient 1545-1563).
Lit.: Hinschius, P., Zur Geschichte der Inkorporation
und des Patronatsrechts, 1873; Sanmann-von Bülow, H., Die Inkorporationen Karls
IV., 1941; Lindner, D., Die Lehre von der Inkorporation, 1951
Inkunabel (F.) Wiegendruck, Druck vor 1500
Lit.: Langer, G., Von Zusammenhängen zwischen Inkunabelforschung und
Rechtsgeschichte, ZRG GA 85 (1968), 217; Catalogus incunabulorum Hungariae,
hg. v. Sájo, G. u. a., 1970; Bayerische Staatsbibliothek, Inkunabelkatalog, Bd.
6 2005 (Internetversion vorhanden); Mazal, O., Österreichische
Nationalbibliothek Inkunabelkatalog, Bd. 1 2004; Die Inkunabeln, bearb. v.
Raffel, E., 2007; Inkunabeldatenbank INKA (in Tübingen) http://www.inka.uni-tuebingen.de
Innehabung (lat. [F.] detentio) ist im
römischen Recht eine nur schwach geschützte Beziehung eines Menschen zu einer
Sache, die den Innehaber schlechter stellt als den Besitzer beim Besitz (lat.
[F.] possessio). Bloße Innehaber sind alle nicht besonders begünstigten
Fremdbesitzer (z. B. Verwahrer, Entleiher, Beauftragter, Geschäftsführer ohne
Auftrag, Werkunternehmer, Mieter, Pächter). Ihnen steht kein
→Besitzschutz zu. Die I. ist im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
aufgegeben.
Lit.: Kaser § 19 V
Innenministerium ist das für innere Angelegenheiten zuständige
Ministerium eines Staates (z. B. Österreich 1848 aus böhmisch-österreichischer
Hofkanzlei).
Innerösterreich ist die im Spätmittelalter
(1379-1457/1463) und in der frühen Neuzeit (1564-1619) infolge von Erbteilungen
des Hauses →Habsburg entstehende Gebietseinheit (Steiermark, Kärnten,
Krain, Görz, Gradiska, Windische Mark), die auch später noch als eigene
Verwaltungseinheit behandelt wird (Regiment in Graz bis 1749).
Lit.: Wolf, A., Die Aufhebung der Klöster in
Innerösterreich 1782-1790, 1871, Neudruck 1971; Schulze, W., Landesdefension
und Staatsbildung, 1973; Thiel, V., Die innerösterreichische Zentralverwaltung
1564-1749, AÖG 105 (1916), 111
Inn of court ist die von der Universität
unabhängige Ausbildungsstätte (Innung) für den englischen Juristen (Anwalt).
Sie entsteht daraus, dass im Mittelalter Schreiber (clerk) und Schüler
(apprentice at law) gemeinsam in Häusern der westlichen Vororte Londons leben.
In der Mitte des 14. Jh.s wird dort ein praktischer Rechtsunterricht sichtbar.
Von den etwa 20 bekannten inns (z. B. Clifford’s Inn) setzen sich bis etwa 1420
vier inns of court durch (Inner Temple, Middle Temple der Templer [vor 1388],
Gray’s Inn, Lincoln’s Inn [1417?]).
Lit.: Thorne, S., The early History of the Inns of
Court with special reference to Gray’s Inn, 1959; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Palmer, R.,
The Origins of the Legal Profession, 1976; Richardson, W., A History of the
Inns of Court, 1978; Ives, E., The Common Lawyers of pre-Reformation England,
1983; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000; Baker, J., Readers and
Readings in the Inns of Court and Chancery, 2001; McGlynn, M., The Royal
Prerogative and the Learning of the Inns of Court, 2003
Innominatkontrakt ist der im spätantiken römischen Recht
entstehende, der (lat.) actio (F.) praescriptis verbis (Klaganspruch der
vorgeschriebenen Worte) zugewiesene sog. unbenannte Vertrag, der nicht schon
nach (lat.) ius (N.) civile (Zivilrecht) klagbar ist, aber vom Prätor
allmählich über das Rückgabeverlangen hinaus klagbar gemacht wird. Bei dem I.
erbringt jemand eine Leistung und soll deshalb eine Gegenleistung erhalten,
obwohl er an sich die Rückgabe erreichen kann. Die vier Fälle des
Innominatkontraktes sind (lat.) do, ut des (ich gebe, damit du gibst), do, ut
facias (ich gebe, damit du tust), facio, ut des (ich tue, damit du gibst) und
facio, ut facias (ich tue, damit du tust). Hierzu zählen (lat. [F.]) permutatio
(Tausch), aestimatum (N., Trödelvertrag), contractus mohatrae und dare ad
inspiciendum (Übergabe zwecks Prüfung).
Lit.: Kaser §§ 33 I 2, 38 III 3, 45; Köbler, DRG 64;
Bucher, E., Der Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Innovation (F.) Erneuerung
Lit.: Resch, A. u. a., Osterreichische Innovationsgeschichte seit dem
späten 19. Jahrhundert, 2013; Lax, G., Das lineare Modell der Innovation in
Westdeutschland, 2015
Innozenz III. (Lothar von Segni) (Gavignano bei
Segni 1160/1-Perugia 16. 7. 1216), Grafensohn, wird 1198 Papst und sichert die
Stellung des Papstes durch bedeutsame Dekretalen (z. B. Venerabilem).
Lit.: Die Register Innozenz’ III., hg. v. Hageneder,
O., Bd. 1ff. 1979ff.; Laufs, M., Politik und Recht bei Innozenz III., 1980;
Rainer, J., Innocenz III. und das römische Recht, RHM 25 (1983), 15; Sayers,
J., Innocent III., 1994; Papst Innozenz III., hg. v. Frenz, T., 1999; Pope
Innocent III and his World, ed. Moore, J., 1999; Innocenzo III, hg. v.
Sommerlechner, A., 2003; Moore, J., Pope Innocent III, 2003; Meschini, M.,
Innocenz III. und der Kreuzzug, DA 16 (2005), 537
Innozenz IV. (Sinibaldo Fieschi) (Genua um
1195-Neapel 7. 12. 1254) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Johannes Teutonicus,
Azo, Accursius) und kirchlichen Tätigkeiten 1243 im ersten Konklave der
Geschichte Papst. Die von ihm erlassenen, in drei Sammlungen zusammengefassten
Dekretalen stehen zwischen (lat.) →Liber (M.) extra (1234) und (lat.)
→Liber (M.) sextus (1298). Um 1250 veröffentlicht er einen maßgeblichen
Kommentar zum Liber extra (lat. Apparatus [M.] in quinque libros decretalium,
Kommentar zu den fünf Büchern der Dekretalen). Mit der Dekretale „Romana
ecclesia“ (1245) verbessert er die kirchliche Gerichtsbarkeit. Dogmatisch
fördert er die Rechtsfiguren der →juristischen Person (lat. persona [F.]
ficta), des →gerechten Krieges (lat. bellum [N.] iustum) und die
Fortbildung der Reservatrechte und Dispensrechte des Papstes.
Lit.: Legendre, P., La Pénétration du droit romain
dans le droit canonique, Diss. jur. Paris 1964; Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 313
Innsbruck (Innbrücke um 1175, urkundliche
Ersterwähnung 1187, 1187-1205 Stadtrecht, bestätigt 1239, 1420 Residenz der
Grafen von Tirol) am mittleren Inn in →Tirol ist seit 1490 Anfangspunkt
der ersten modernen Postverbindung (nach Mecheln bzw. Brüssel) und wird 1669
(bei etwa 6500 Einwohnern) Sitz einer (letzten) von der Gegenreformation
geprägten, mehrfach teilweise aufgehobenen Universität.
Lit.: Probst, J., Geschichte der Universität
Innsbruck, 1869; Wretschko, A. v., Die Geschichte der juristischen Fakultät an
der Universität Innsbruck 1671-1904, FS für den deutschen Juristentag 1904,
101; Wretschko, A., Die Frage der Landstandschaft der Universität Innsbruck,
ZRG GA 41 (1920), 40; Matricula philosophica. Erster Teil 1671 bis 1700, hg. v.
Huter, F., 1952; Huter, F., Die Anfänge der Innsbrucker Juristenfakultät
(1671-1686), ZRG GA 85 (1968), 223; Oberkofler, G., Josef Oberweis, Inhaber der
Lehrkanzel für deutsches Privatrecht und deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte
mit italienischem Vortrag, ein Beitrag zur Geschichte der Pflege des deutschen
Rechtes und der Habilitationspraxis an der Innsbrucker Juristenfakultät, ZRG GA
88 (1971), 204; Munzel, O., Die Innsbrucker Handschrift des Kleinen
Kaiserrechts, 1974; Oberkofler, G./Goller, P., Geschichte der Universität
Innsbruck (1869-1945), 2. A. 1996; Lichtmannegger, S., Die rechts- und
staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck 1945–1955, 1999;
Goller, P. u. a., Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation
von Nazikadern (1945-1950), 2003; Huber, H., Geschichte der medizinischen
Fakultät Innsbruck, 2010; Katalog der Handschriften der Universitäts- und
Landesbibliothek Tirol in Innsbruck, hg. v. Neuhauser, W., Bd. 1ff. 1987ff.
(insgesamt 1067, davon etwa 700 mittelalterlich); Leopold Franzens Universität
Innsbruck, hg. v. Märk, T., 2016; Klotz, A., Stadtentwicklung und Städtebau in
Innsbruck 1938 bis 2015, 2016 (bezieht auch die mittelalterlichen Anfänge ein);
Schönegger, J., Innsbruck im historischen Kartenbild von den Anfängen bis 1904,
2018
Innung ist der freiwillige Zusammenschluss
selbständiger Gewerbetreibender eines bestimmten Bezirks zur Förderung der
gemeinsamen gewerblichen Interessen. Das im 13. Jh. erscheinende Wort findet
sich vor allem im mittleren Deutschland. Im 19. Jh. wird nach Aufhebung des
Zunftzwangs mit der Gewerbeordnung vom 21. 6. 1869 auf Drängen der Handwerker
die I. wieder eingerichtet.
Lit.: Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens,
1900; Luther, R., Gab es eine Zunftdemokratie?, 1968
Innviertel ist die zwischen Salzach, unterem
Inn, Donau und Salzburg gelegene Landschaft. Sie fällt 1779 von Bayern an
→Österreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Inoue, Kowashi (1843-1895) wird nach dem Studium in Tokio
Beamter im Justizministerium Japans. Nach Aufenthalten in Frankreich und
Deutschland (Berlin) übersetzt er die Verfassung Preußens in das Japanische und
setzt sich für eine (aufgeklärte) Verfassung Japans nach dem Muster Preußens
bzw. des Deutschen Reiches ein (Meiji-Verfassung vom 11. 2. 1889).
Lit.: Meiji-kokka keisei to Inoue Kowashi, hg. v.
Goin-bunko kenkyûkai, 1992
Inquisition ist allgemein die Untersuchung,
besonders das geistliche Gericht zur Verfolgung der Ketzer. Die Ketzer bekämpft
die Kirche schon im ausgehenden Altertum durch Verbote der Gottesdienste,
Enteignung der Güter und Androhung der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215
4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte mit der Folge der Herausbildung eines
inquisitorischen Prozessrechts für die Beichtpraxis) werden besondere
Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B. 1227 Konrad von Marburg). Hieraus
entwickelt sich wohl der →Inquisitionsprozess, dessen erste Formen in
Oberitalien im 13. Jh. sichtbar werden. In ihm hat der Richter im Beisein von
mindestens zwei Schöffen die Wahrheit durch I. (Untersuchung, Befragung) zu
ermitteln, wozu er den Angeschuldigten in Haft nehmen kann. Zur Erlangung eines
Geständnisses darf die →Folter (1252) angewandt werden. In Spanien ist
die 1478 von Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón
eingesetzte, die Lehre vom verdorbenen Blut verwendende I. eine staatliche, der
Sicherung der Rückeroberung des Landes von den Muslimen dienende, zutiefst
korrupte Einrichtung, die sich später auch gegen Lutheraner und jede Aufklärung
richtet. Die I. verschwindet im Heiligen römischen Reich nach der Reformation
und endet im Übrigen mit der Aufklärung (Frankreich 1772, Spanien 1808/1834,
Portugal 1820, Italien 1808/1859).
Lit.: Köbler, DRG 118, 156; Lea, H., Geschichte der
Inquisition im Mittelalter, Neudruck 1997; Hansen, J., Zauberwahn, Inquisition
und Hexenwahn im Mittelalter, 1900, Neudruck 1964, 1983; Guiraud, J., Histoire
de l’Inquisition au Moyen-Âge, 1935; Leiber, R., Die mittelalterliche
Inquisition, 1963; Vermaseren, B., Een bibliografie over de inquisitie, TG 77
(1964), 472; Peters, E., Inquisition, 1988; Die Anfänge der Inquisition im
Mittelalter, hg. v. Segl, P., 1993; Lemm, R., Die spanische Inquisition, 1996;
Seifert, P./Pawlik, M., Das Buch der Inquisition, 1999; Inquisition – Index –
Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001; Le Livre des sentences de l’inquisiteur Bernard
Gui 1308-1323, 2002; Edwards, J., Die spanische Inquisition, 2003; Schwerhoff,
G., Die Inquisition, 2004; Römische Inquisition und Indexkongregation, hg. v.
Wolf, H., Bd. 1ff. 2005ff.; Siebenhüner, K., Bigamie und Inquisition, 2006;
Rawlings, H., The Spanish Inquisition, 2006; Bethencourt, F., The Inquisition,
2009; Buschbell, C., Die Inquisition im Hochmittelalter, 2010; Dizionario
storico dell’Inquisizione, hg. v. Prospericon, A., Bd. 1ff. 2010; Parmeggiani,
R., I consilia procedurali per l’Inquisizione medievale (1235-1330), 2011;
Sullivan, K., The Inner Lives of Medieval Inquisitors, 2011; Deutschland und
die Inquisition in der frühen Neuzeit, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2012;
Parmeggiani, R., Explicatio super officio inquisitionis, 2012 (erstes
italiebnisches Inquisitorenhandbuch aus dem 13. Jh.); Mayer, T., The Roman
Inquisition, 2013; Bivolarov, V., Inquisitoren-Handbücher, 2014; Conflicting
values of inquiry, hg. v. Gemeter, T. u. a., 2015; Bachrach, D., Inquisitio as
a Tool of Royal Governancew under the Carolingian and Ottonian Kings, ZRG GA
233 (2016), 1
Inquisitionsbeweis ist im Mittelalter der Beweis durch
eine Untersuchung. Der I. findet sich in merowingischen und karolingischen
Quellen.
Lit.: Brunner, H., Zeugen und Inquisitionsbeweis der
karolingischen Zeit, 1865
Inquisitionsprinzip →Untersuchungsgrundsatz
Lit.: Sellert, W., Die Bedeutung und Bewertung des
Inquisitionsprinzips, FS H. Scupin, 1983, 161
Inquisitionsprozess ist der durch die amtliche
Verfolgung und Untersuchung gekennzeichnete Strafprozess. Es ist streitig, ob
der I. in Deutschland unabhängig von fremden Einflüssen entstanden oder durch
kirchlich-oberitalienische Anregungen veranlasst ist. Jedenfalls zeigen sich
schon seit dem 12. Jh. verschiedene Ansätze zur öffentlichen Klage in
peinlichen Sachen. So werden etwa bestimmte Menschen verpflichtet, Unrechtsgeschehnisse
im Gericht zu rügen. →Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae)
sollen öffentlich verfolgt und wie handhafte Täter durch den Eid des Verletzten
und sechser Eidhelfer überführt werden. In der Kirche fügt Papst
→Innozenz III. in ein kirchliches Disziplinarverfahren den von Amts
wegen zu erhebenden Beweis der Wahrheit ein und werden Ketzer seit 1231/1232
durch besondere Inquisitoren (Untersucher) bekämpft. Überhaupt wird das
Verfahren vor allem auch in den Städten allmählich (z. B. in Frankfurt am Main
im 14. Jh.) zu einem einseitigen Verfahren des (öffentlichen) Richters gegen
den Verdächtigen, in dem der →Richter zur Unrechtsverfolgung
verpflichtet ist und sich selbst über die erheblichen Tatsachen unterrichten
muss. Ziel dieser Verfolgungen ist die unbedingte Sühnung von Unrecht, weshalb
es stärker als zuvor auf die Ermittlung der tatsächlichen Wahrheit ankommt. Als
ihr sicherster Beweis gilt das Geständnis. Um das →Geständnis zu
erreichen, darf der verdächtige Beschuldigte durch den Richter und die
Folterknechte sowie gegebenenfalls zwei Schöffen der von der Antike bekannten
und von daher auch wohl im Frühmittelalter gegenüber Unfreien verwandten
→Folter durch Gefängnis, Schläge, Hunger, Kälte und andere Mittel
(Daumenschrauben, Strecken) ausgesetzt werden. Nach dem Geständnis in der
Untersuchung beginnt das eigentliche öffentliche Verfahren (sog. →endlicher
Rechtstag), in dem nach der Anklageerhebung der Richter den Beweis der Tat
durch das Geständnis oder das Zeugnis zweier Schöffen über das Geständnis
führt, am Ende das Urteil verliest und den Stab über den Angeklagten bricht.
Sofern die Akten versendet werden, schlägt die angerufene Einrichtung das
Urteil vor. Im 19. Jh. wird der etwa in der →Constitutio Criminalis
Carolina (1532) und noch der (lat.) Constitutio (F.) Criminalis Theresiana
(1768) ausführlich geregelte, nunmehr als rechtsstaatswidrig angesehene I.
allgemein aufgegeben (Österreich 1873) und nur noch vereinzelt (Mecklenburg,
Schleswig-Holstein, Hansestädte) bis zur Reichsstrafprozessordnung von
1877/1879 fortgeführt.
Lit.: Köbler, DRG 86, 256; Biener, F., Beiträge zur
Geschichte des Inquisitionsprozesses, 1827, Neudruck 1965; Allmann, I.,
Außerordentliche Strafe und Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Schmidt, R., Die Herkunft des
Inquisitionsprozesses, FS zum 50jährigen Regierungsjubiläum seiner königlichen
Hoheit des Großherzogs Friedrich, 1902, 65; Mayer, E., Geschworenengericht und
Inquisitionsprozess, 1916; Alfred, K., Die Lehre vom corpus
delicti, 1933; Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses in Frankfurt am
Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Schmidt, E., Der Inquisitionsprozess, FS H. v.
Weber, 1964, 33; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972; Kunze, M., Der Prozess Pappenheimer,
1981; Trusen, W., Der Inquisitionsprozess, ZRG KA 74 (1988), 168; Die Anfänge
der Inquisition, hg. v. Segl, P., 1993; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 2005; Koch, A., Die gescheiterte
Reform des reformierten Strafprozesses, ZID 10 (2009), 548; Burret, G., Der
Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler, 2010
Inquisitionsverfahren →Inquisition, Inquisitionsprozess
Inschrift ist die Schrift auf nicht hauptsächlich der
Wiedergabe geschriebener Texte dienenden Gegenständen (z. B. Grabsteinen,
Kirchentüren, Holzbalken, z. B. zwischen 500 v. Chr. und 650 n. Chr. mehr als
300000 in Stein gemeißelte lateinische Inschriften ).
Lit.: Panzer, F., Die Inschriften, 1938; Frölich, K., Deutsche
Rechtsinschriften des Mittelalters, ZRG GA 66 (1948), 500; Müller, W.,
Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters, 1975 (73 bis 1525); Koch, W. u.
a., Literaturbericht zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Epigraphik
(1998-2002), 2005; Koch, W., Inschriftenpaläographie, 2007; Die Inschriften der
Stadt Passau, red. v. Steininger, C., 2006; Die Inschriften des ehemaligen
Landkreises Querfurt, bearb. v. Bartusch, I., 2006; Wehking, S., Die
Inschriften des Landkreises Göttingen, 2006; Die Inschriften der Stadt Essen,
bearb. v. Hermann, S., 2011 (188 Nummern); Cooley, A., The Cambriudge Manual of
Latin Epigraphy, 2012; Die Inschriften des Landkreises Passau bis 1650, Bd. 1
bearb. v. Epp, R., 2011 (185); Die Inschriften des Bundeslandes Tirol - Teil 1
Imst, Landeck und Reutte, 2013; Pro & contra, HZ 296 (2013), 297
Inscriptio (lat. [F.] Inschrift) ist für das spätantike
römische Recht die Angabe der Herkunft einer Textstelle (z. B. bei Codex Theodosianus
[438] und Codex Justinians [534] jeweiliger Kaiser und Empfänger, bei Digesten
[533] Verfasser, Werk, Untergliederung).
Insel ist das von Wasser umgebene Landstück (z. B.
Mainau, England, Grönland, nicht mehr Australien, Amerika, Eurasien mit
Afrika).
Lit.: Meyer, H., Anwachs und Insel im
hochmittelalterlichen Recht der Grafschaft Flandern, ZRG GA 113 (1996), 333;
Lätsch, F., Insularität und Gesellschaft, 2005
Insidia (F.) verborum (lat.) Prozessgefahr (durch
Versprechen oder Verlesen)
Insignien (N.Pl.) Zeichen (von Würde oder
Macht) →Reichsinsignien, Reichskleinodien
Lit.: Richter, G., Die Insignien der Universität
Tübingen, 1964
Insinuation (F.) Bekanntgabe, Vorlage,
Zustellung
Insolvenz ersetzt mit dem Ziel der Wahrung
wirtschaftlicher Werte in Deutschland zum 1. 1. 1999 den Konkurs.
Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen
römischen Recht, 2001; Bauer, P., Der Insolvenzplan, 2009; Madaus, S., Der
Insolvenzpklan, 2011
Instanz ist die zuständige Stelle. Im
→Inquisitionsprozess gibt es die besondere →Instanzentbindung. Im
Verhältnis mehrerer Instanzen zueinander besteht der →Instanzenzug.
Instanzentbindung (absolutio [F.] ab instantia
[lat.]) ist die im mittelalterlichen Italien (12. Jh., Johannes Andreae)
entwickelte, seit 1648 (Brunnemann, Tractatus iuridicus de inquisitionis
processu, Rechtliche Abhandlung über den Inquisitionsprozess) im deutschen
Strafverfahrensrecht aufgenommene, vorläufige Beendigung eines Verfahrens aus
Mangel an Beweisen mit der jederzeitigen Möglichkeit des Neubeginns. Von der
Aufklärung bekämpft, wird die I. (seit der französischen Revolution von 1789)
auch in Deutschland in der Mitte des 19. Jh.s eingeschränkt (Württemberg 1843)
oder aufgegeben (Baden 1845, allgemein 1877/1879). Ihre Aufgabe übernimmt die
Einstellung des Verfahrens.
Lit.: Allmann, J., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, 1903; Holtappels, P., Die Entwicklung des Grundsatzes „in
dubio pro reo“, 1965; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Instanzenzug ist eine Mehrheit von hierarchisch
gestuften behördlichen oder gerichtlichen Instanzen (Stellen). Nach Ansätzen
im römischen Altertum entwickelt sich der I. mit der Ausbildung des Staates
seit dem Spätmittelalter. Allgemein wird ein mehrzügiger I.
(Eingangsgericht[e], Berufungsgericht, Revisionsgericht) der (vierstufigen)
Gerichtsbarkeit in Österreich unter Joseph II. (1780-1790) (Ortsgericht, Kreisamt,
Appellationsgericht, Oberste Justizstelle, 1895 Bezirksgericht, Landesgericht
bzw. Kreisgericht, Oberlandesgericht, oberster Gerichtshof) und im Deutschen
Reich 1877/1879 (zweizügig Amtsgericht, Landgericht, neuerdings dreizügig
Amtsgericht, Landgericht, Bundesgerichtshof, bzw. dreizügig Landgericht,
Oberlandesgericht, Reichsgericht im Rahmen der vierstufigen Gerichtsbarkeit
Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof)
geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 154; Tille, A., Instanzenzug des
kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900), 222; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Süß, T., Das beneficium trium
instantiarum - Eine Streitschrift aus Paderborn, ZRG GA 130 (2013), 381
Institor (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der Geschäftsführer, für dessen Schulden der Geschäftsherr haftet. Umgekehrt
erhält der Unternehmer aus den Forderungen, die sein gewaltfreier
kaufmännischer Angestellter erwirbt, eine (lat.) →actio (F.) utilis.
Lit.: Kaser § 11; Hamza, G., Bemerkungen zur actio ad
exemplum institoriae im römischen Recht (in) Seminariios Complutenses de
derecho Romano, 25 (20129, 175
Institut (N.) ist seit dem 18. Jh. die
Einrichtung.
Lit.: Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht
einiger Institute des Zivilprozess- und Gerichtsverfassungsrechts, 1986
Institutes of the Laws of England (Einrichtungen der Gesetze
Englands) ist der Titel des Hauptwerkes Sir Edward →Cokes (1551-1633).
Der erste Teil der I. o. t. L. o. E. ist ein gründlicher Kommentar zu
→Les Tenures Sir Thomas →Littletons (1480). Die Teile 2 bis 4
betreffen ältere statutes, Strafrecht und Gerichtsverfassung.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Institutionen ist schon im klassischen römischen
Recht die Bezeichnung für die (Lehrbücher über die) Einrichtungen des Rechtes.
Als I. herkömmlicherweise geführt wird das (lat. [M.Pl.]) commentarii betitelte
elementare, von den Zeitgenossen kaum gewürdigte Einführungswerk in (4 Büchern
und) insgesamt 98 Titeln des Gaius (159?, 161 n. Chr.), das die grundlegende
systematische, der griechischen Gegenüberstellung von Menschen (Personen) und
Sachen folgende Einteilung des Rechtsstoffes in (lat.) personae (F.Pl.,
Personen), (zwei Bücher) res (F.Pl., Sachen), actiones (F.Pl., Klagansprüche)
überliefert und das römische Zivilverfahren am klarsten darstellt. Andere
Institutionen werden von Marcian, Florentin oder Ulpian verfasst. Unter dem
oströmischen Kaiser →Justinian erscheint mit Wirkung von dem 30. 12. 533
ein ebenfalls in vier Bücher geteiltes, auf Gaius gegründetes, andere Quellen
und auch Reformgesetze Justinians einfügendes amtliches, als Gesetz mit knapp
55000 Wörtern erlassenes Einführungsbuch I. (lat. [F.Pl.] institutiones) (,
aus dem nach Buch, Titel und Paragraph zitiert wird, z. B. I. 2,1,30), das im
9. Jh. in Italien bekannt ist. In Parallele hierzu werden vor allem im 19. Jh.
unter dem Titel I. auch Lehrbücher (zum römischen Recht) bzw. unter dem Titel
I. des deutschen Privatrechts auch Lehrbücher zum deutschen Privatrecht
vorgelegt.
Lit.: Söllner §§ 12, 16, 22; Köbler, DRG 30, 54;
Schneidewin, J., In quatuor institutionum imperialium D. Iustiniani libros
commentarii, 1575, Neudruck 2004; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1f. 1885f.; Sohm, R./Mitteis, L./Wenger, L., Institutionen.
Geschichte und System des römischen Privatrechts, 17. A. 1923, Neudruck 1949;
Seckel, E./Kübler, B., Gai institutionum commentarii quattuor, 8. A. 1939;
Luig, K., Institutionenlehrbücher des nationalen Rechts im 17. und 18.
Jahrhundert, Ius commune 3 (1970), 64; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des
Institutionensystems, ZRG RA 70 (1973), 93; Institutionen, übers. v. Behrends,
O. u. a., 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2007, 4. A. 2013; Meincke, J., Die
Institutionen Iustinians, JZ 1997, 14; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1f. 1997ff.; Institutionen, Instrumente und Akteure sozialer
Kontrolle und Disziplinierung im frühneuzeitlichen Europa, 1999; Institutionen
und Ereignis, hg. v. Blänkner, R. u. a., 1998; Mager, U.,
Einrichtungsgarantien, 2003; Institutionen, hg. und übers. v. Manthe, U., 2004;
Moschetti, G., Frammenti veronesi del secolo IX delle istituzioni di
Giustiniano, 2006; Die Institutionenhandschrift der Sammlung Wallraf im
historischen Archiv der Stadt Köln, hg. v. Avenarius, M., 2008; Forrez, R.,
Cupidae legum iuventuti, 2009; Feenstra, R., Zur Faksimileedition der Kölner
Institutionenglosse und zur Glossa Coloniensis, 2008 vielleicht in Nordeuropa
bzw. in Köln um 1170 entstanden); Landau, P., Jurisprudenz und Fälschung in
Köln im 12. Jahrhundert – Die Kölner Institutionenglosse, Rivista
internazionale di diritto comune 22 (2011) 9
Institutionensystem ist das im späten Naturrecht
(Pufendorf, Dabelow, Nettelbladt) den privatrechtlichen Stoff nach dem Vorbild
der →Institutionen des Gaius in Personen, Sachen, Klagansprüche
einteilende System. Es wird im 19. Jh. (→Heise 1807) vom
→Pandektensystem (Personen bzw. Allgemeines, Schulden, Sachen, Familie,
Erbe) abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG GA 42 (1921), 578; Wieacker, F. Griechische
Wurzeln des Institutionensystems, ZRG RA 70 (1953), 93
Instruktionsmaxime ist im Strafverfahrensrecht der
Grundsatz, dass sich der Richter selbst über die erheblichen Tatsachen
unterrichten muss.
Lit.: Köbler, DRG 117
Instrumenta (N.Pl.) dotalia (lat.) ist im spätrömischen Recht
die Mitgifturkunde.
Lit.: Kaser §§ 58, 59
instrumentum (lat. [N.]) Urkunde, Zubehör,
Notariatsinstrument (z. B. instrumentum pacis Monasteriense bzw. Osnabrugense,
Westfälischer Friedensvertrag von Münster und Osnabrück)
Lit.: Kaser § 7; Köbler, DRG 43
Intabulation (F.) Eintragung in eine Tafel bzw. in das
Grundbuch
Integration (F.) Herstellung eines Ganzen
Lit.: Löffler, B., Integration in Deutschland, 2011; Privatrecht,
Wirtschaftsrecht, Verfassungsrecht – Privatinitiative und Gemeinwohlhorizonte
in der europäischen Integration, 2016
Integrationslehre ist die von Rudolf →Smend
(1882-1975) begründete Lehre vom in der Integration bestehenden Wesen des
→Staates.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blessing, W.,
Staatsintegration als soziale Integration, Z. f. bay. LG. 41 (1978), 633
Intentio (lat. [F.]) ist im römischen
Zivilprozessrecht der erste Satz der Klagformel, der zur Beschreibung des
Begehrens den Grund der möglichen Verurteilung und die geforderte Leistung
enthält. (z. B. Si paret Numerium Negidium Aulo Agerio sestertium x milia dare
oportere, wenn sich ergibt, dass N. N. dem A. A. 10000 Sesterzen geben muss).
Lit.: Kaser § 83 I 3a; Söllner § 9
Inter armas silent leges (lat.). Wo die Waffen sprechen,
schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero, 106-43 v. Chr., Silent leges inter arma.)
Intercessio (lat. [F.] Dazwischentreten) ist im
römischen Schuldrecht das Dazwischentreten im Sinne des Eingehens von
Verbindlichkeiten im Interesse Dritter (z. B. Bürgschaft, Darlehen, Verpfändung,
Schuldübernahme durch Novation). Ein (lat.) →senatusconsultum (N.) Vellaeanum
aus der Mitte des 1. Jh.s n. Chr. verbietet Frauen die i. Es begründet eine
Einrede gegenüber einer aus dem an sich gültigen Rechtsgeschäft erhobenen Forderung.
Das Verbot der i. wird mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter übernommen (Codex Maximilianeus Bavaricus civilis 1756,
Allgemeines Landrecht 1794), seit dem 19. Jh. aber aufgegeben (ABGB, BGB).
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 6; Köbler, DRG 44;
Mönnich, U., Frauenschutz vor riskanten Geschäften, 1999
Interdictio (lat. [F.]) Untersagung (z. B. im
mittelalterlichen Kirchenrecht seit dem 10. Jh. die I. des Rechtes auf
geistliche Güter oder der Vornahme einer kirchlichen Handlung in einem
bestimmten Gebiet)
Lit.: Krehbiel, E., The Interdict, 1909
Interdictum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
ein Verbot des Prätors zur Sicherung von Rechtslagen. Dazu gebietet der Prätor
vor allem die Wiederherstellung einer früheren Lage oder verbietet störendes
Verhalten für die Zukunft. Die Verletzung eines i. wird auf Grund einer Klage
überprüft.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 25, 33, 40
Interdictum (N.) de arboribus caedendis (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz bei Entfernung von Überhang.
Lit.: Kaser § 23 III 1
Interdictum (N.) de glande legenda (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz beim Einsammeln von Früchten.
Lit.: Kaser § 23 III 2
Interdictum (N.) de migrando (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz des Wohnungsmieters beim Verlassen der Wohnung auf Freigabe
seiner Sachen nach Erfüllung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietvertrag.
Lit.: Kaser § 31 III 6
Interdictum (N.) de precario (lat.) ist im römischen Recht der
Befehl zur Rückgabe einer aus der Bittleihe (lat. [N.] precarium) erlangten
Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) de vi armata (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen Störung des Besitzes mit Waffengewalt.
Lit.: Kaser § 21 II 2
Interdictum (N.) quam hereditatem (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz zwecks Herausgabe einer Erbschaft gegen einen die Einlassung auf
die Erbschaftsherausgabeklage verweigernden Erbschaftsbesitzer.
Lit.: Kaser § 75 I 4
Interdictum (N.) quem fundum (lat.) ist im römischen Recht der
Befehl zur Herausgabe eines Grundstücks, das ein Kläger herausverlangen will,
an jeden, der das Grundstück besitzt oder den Besitz arglistig aufgegeben hat.
Lit.: Kaser § 27 I 5
Interdictum (N.) quem usumfructum (lat.) ist im römischen Recht der
Befehl, sich auf eine Klage zum Schutz des Fruchtziehungsrechtes einzulassen.
Lit.: Kaser § 29 I 5
Interdictum (N.) quod vi aut clam ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen heimliche oder gewaltsame Arbeiten auf einem Grundstück.
Lit.: Kaser § 23 III 9
Interdictum (N.) quorum bonorum (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz des Erbschaftsbesitzers.
Lit.: Kaser § 75 II
Interdictum (N.) Salvianum (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz des Verpächters bei der besitzlosen, der Sicherung der
Pachtzinsansprüche dienenden Verpfändung von Inventar eines Pächters an den
Verpächter.
Lit.: Kaser § 31 III 6a
Interdictum (N.) unde vi (lat.) ist das
Besitzstörungsverfahren gegen gewaltsame Eindringlinge.
Interdictum (N.) uti possidetis ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer eines Grundstücks.
Lit.: Kaser §§ 21 II 1a, 32 III 4
Interdictum (N.) utrubi (lat.) ist im römischen Recht der
Rechtsschutz gegen den fehlerhaften Besitzer einer beweglichen Sache.
Lit.: Kaser § 21 II 1b
Interdikt →interdictio,
→interdictum
Interdiktenbesitz ist im römischen Recht der nach
prätorischem Recht gegen eigenmächtige Entziehung oder Störung durch ein (lat.
[N.]) →interdictum geschützte →Besitz (lat. [F.] possessio). I.
haben Eigenbesitzer, Erbpächter, Prekarist, Pfandgläubiger und Sequester.
Lit.: Kaser § 19 IV
Interesse ist der Umfang eines zu ersetzenden
Schadens. Das I. geht auf die römischrechtliche Wendung (lat.) quod interest
zurück (z. B. Wert einer nicht geleisteten Sache, Minderwert einer mangelhaften
Sache, Verzugsschaden, Kosten eines Ersatzgeschäfts, entgangener Gewinn). Im
20. Jh. (→Interessenjurisprudenz) ist I. auch die bloße Zielsetzung oder
Begehrensdisposition eines abstrakt oder konkret Beteiligten.
Lit.: Söllner § 9; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3
1982, 305; Wieling, J., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, H., Herkunft
und Kritik des Interessebegriffs, JuS 1973, 69; Offner, A., Die Macht der
Interessen – Diedeutsche Automobilindustrie in der Europäischen Union, 2016
Interessenjurisprudenz ist die methodische Richtung in der
Rechtswissenschaft, die davon ausgeht, dass wegen der Lückenhaftigkeit der
Rechtsordnung der Richter sein Urteil nicht logisch ableiten kann, sondern als
wertende Entscheidung eines Konfliktes abgeben muss. Sie geht auf (Rudolf von
Ihering [1818-1892] und) den Tübinger Rechtshistoriker und Privatrechtler
Philipp →Heck (1858-1943) (Gesetzesauslegung und Jurisprudenz, 1914)
zurück. Heck stellt dabei auf den sozialen Konflikt der in den einzelnen Fällen
beteiligten Interessen ab. Der Richter habe sich zunächst der vom Gesetzgeber
in den gesetzlichen Regeln abstrakt gefassten Entscheidungen der Konflikte und
der dabei getroffenen Wertungen der beteiligten Interessen oder
Begehrensdispositionen zu bedienen. Dazu müsse er bei der Anwendung des
Gesetzes auf den streitigen Fall den zu Grunde liegenden Konflikt
interessengliedernd herausarbeiten und nach Abwägung der widerstreitenden
Interessen nach der gesetzlich höher bewerteten Konfliktlösungsregel
entscheiden. Erst dann, wenn er keine (analog) anwendbare abstrakte
Interessenbewertung auffinde (Gesetzeslücke), dürfe er selbst so entscheiden,
wie der Gesetzgeber vermutlich entscheiden würde.
Lit.: Köbler, DRG 228; Heck, P., Begriffsbildung und
Interessenjurisprudenz, 1932; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Edelmann, J., Die Entwicklung der Interessenjurisprudenz,
1967; Kallfass, W., Die Tübinger Schule der Interessenjurisprudenz, 1972;
Schoppmeyer, H., Juristische Methode als Lebensaufgabe, 2001; Auer, M.,
Methodenkritik und Interessenjurisprudenz, ZEuP 2008, 517
Interimsschein
Lit.: Simon, H., Die Interimsscheine, 1913
Interlinearglosse (F.) ist die zwischen den Zeilen
eingetragene Erklärung (Glosse)
Internationale kriminalistische Vereinigung ist die von Franz von →Liszt
begründete Vereinigung von Strafrechtlern (1889-1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bellmann, E., Die
Internationale Kriminalistische Vereinigung, 1994
Internationaler Gerichtshof (IGH, CIJ, ICJ) ist der 1946 als
Nachfolger des ständigen Internationalen Gerichtshofs des Völkerbunds
gegründete Gerichtshof der Vereinten Nationen mit Sitz in Den Haag und einer
Besetzung durch 15 hauptamtliche Richter, der Rechtsstreitigkeiten zwischen
Staaten auf Grund des Völkervertragsrechts, des Völkergewohnheitsrechts und
der von den zivilisierten Staaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze
entscheidet und bis 2006 92 Urteile gefällt und 25 Gutachten (ohne
Vollstreckungsmöglichkeit) erstattet hat.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007, § 50 VI; Fifty Years of the International Court of Justice, hg. v. Lowe,
V., 1996; Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung
der internationalen Gerichtshöfe, 2010; Carl, M., Zwischen staatlicher
Souveränität und Völkerrechtsgemeinschaft, 2012; The ICJ and the Evolution of
International Law, hg. v. Ballekier, K. u. a., 2013
Internationaler Strafgerichtshof ist der durch Vertrag als Folge
der Kriegsverbrecherprozesse gegen Deutsche, Ruander und Jugoslawen 1998
vereinbarte Strafgerichtshof für Kriegsverbrechen.
Lit.: Ferencz, B., Von Nürnberg nach Rom, 1998;
Ahlbrecht, H., Geschichte der völkerrechtlichen Strafgerichtsbarkeit, 1999;
Kemper, G., Der Weg nach Rom, 2004; Mangold, C., Die völkerrechtliche
Verfolgung von Individuen durch internationale Strafgerichtshöfe, 2007;
Faulenbach, B., Rolle und Bedeutung der Lehre in der Rechtsprechung der
internationalen Gerichtshöfe, 2010; Steinke, R., The Politics of International
Criminal Law, 2012
Internationales Privatrecht ist das Sachverhalte mit
Auslandsberührung betreffende staatliche (nationale) Privatrecht. Das römische
Recht bietet hierzu nur wenige Ansätze. Nach dem frühmittelalterlichen, auf
das jeweilige Volk bezogenen Personalrecht gilt zu Beginn der Territorialisierung
des Rechtes der Grundsatz des Ortsrechts (lat. lex [F.] loci) des
entscheidenden Richters, den →Accursius (1228) und →Azo mit
römischen Quellenbelegen rechtfertigen. Unter den Kommentatoren (Jacobus
Balduini, Albericus de Rosate) wird dies auf das Verfahrensrecht eingeschränkt,
das materielle Recht dagegen hiervon ausgenommen und besonderen
Kollisionsnormen oder Verweisungsnormen unterworfen, die auf der Grundlage
der römischrechtlichen Gerichtsstandsregeln entwickelt werden. Demgegenüber
setzt sich zu Beginn der Neuzeit die Statutentheorie (Bartolus, d’Argentré)
durch, die (lat.) statuta (N.Pl.) personalia (Personalstatute), (lat.) statuta
(N.Pl.) realia (Realstatute) und (lat.) statuta (N.Pl.) mixta (gemischte
Statute) unterscheidet und damit in erster Linie auf das innerstaatliche Recht
abstellt. Zu Beginn des 19. Jh.s bewirkt Savigny die Rückkehr zu den
Kollisionsnormen d. h. dem für das einzelne Rechtsverhältnis maßgeblichen Recht
(Sitz des Rechtsverhältnisses). Auf dieser Grundlage entsteht in der Mitte
des 19. Jh.s eine eigentliche Wissenschaft des internationalen Privatrechts,
deren Ergebnisse Eingang finden in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch Deutschlands (1900). Im ausgehenden 20. Jh. wird das einzelstaatliche
internationale Privatrecht in Deutschland (25. 7. 1986), Österreich (1978) und
der Schweiz (1989) neu gefasst.
Lit.: Köbler, DRG 274; Savigny, F., System des
heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff., Bd. 8 1849, Neudruck 1956;
Neumayer, K., Die gemeinrechtliche Entwicklung des internationalen Privat- und
Strafrechts bis Bartolus, Bd. 1 1901, Neudruck 1969, Bd. 2 1916; Neumeyer, K.,
Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39 (1918), 314; Gutzwiller,
M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des Internationalprivatrechts,
1923; Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die Entwicklung des
Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt Carpzovs zur
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Hermann, G., Nikolaus Hert und die
deutsche Statutenlehre, 1963; Lorenz, E., Das Dotalstatut in der italienischen
Zivilrechtslehre des 13. bis 16. Jahrhunderts, 1965; Hartwieg, O./Korkisch, F.,
Die geheimen Materialien zur Kodifikation, 1973; Kropholler, J.,
Internationales Einheitsrecht, 1975; Gutzwiller, M., Geschichte des
Internationalprivatrechts, 1977; Anhauser, V., Das internationale
Obligationenrecht, 1986; Deutsches internationales Privatrecht im 16. und 17.
Jahrhundert, Bd. 1f., hg. v. Bar, C. v. u. a., 1995ff.; Kleinschmidt, H.,
Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Koskenniemi, M., The gentle
civilizer of nations. The rise and fall of international law 1870-1960, 2001;
Guddat, T., Ein europäischer Jurist des 19, Jahrhunderts – Jean-Jacques G.
Foelix, 2006; Storia, teoria e diritto internazionale. The construction of
international law as a discipline, hg. v. Nuzzo, L./Vec, M., 2011; Jouannet,
E., The Liberal-Welfarist Law of Nations, 2012; The Oxford Handbook of the
History of International Law, hg. v. Fassbender, B. u. a., 2012; Constructing
International Law - The Birth of a Discipline, hg. v. Nuzzo, L. u. a., 2012;
Nuzzo, L., Origini di una Scienza, 2012; Altman, A., Tracing the Earliest
Recorded Concepts of International Law. The Ancient Near East (2500-330 BCE),
2012; Paz, R., A Gateway between a Distant God and a Cruel World, 2012; The
Roots of International Law, hg. v. Dupuy, P. u. a., 2014; Trüten, D., Die
Entwicklungen des Internationalen Privatrechts in der Europäischen Union, 2015
Internierungslager (Freiheitsbeschränkungslager im
Landes„inneren“)
Interparlamentarische Union ist die 1888 in Paris gegründete
nichtstaatliche internationale Vereinigung von Abgeordneten verschiedener
Parlamente mit Sitz in Genf.
Lit.: Uhlig, R., Die Interparlamentarische Union
1889-1914, 1988
Interpolation ist die abändernde und damit wohl
oft verfälschende Einschaltung von Wörtern oder Sätzen in den ursprünglichen
Wortlaut eines Textes, insbesondere im Rahmen der die Schriften der klassischen
Rechtskundigen verwertenden Gesetzgebungstätigkeit Justinians (z. B.
Ersetzung von [lat. F.] mancipatio durch [lat. F.] traditio). Seit der Neuzeit
(Humanismus, lat. mos Gallicus) versucht die Wissenschaft die Ermittlung der
Interpolationen, um frühere Textstufen und spätere Veränderungen sachgerecht zu
scheiden. Im Einzelnen sind die Ergebnisse vielfach umstritten.
Lit.: Kaser § 1 II 3; Söllner §§ 3, 16, 24; Köbler,
DRG 54; Kaser, M., Ein Jahrhundert Interpolationenforschung, SB. d. Akad. d.
Wiss. Wien 1979
interpretatio (lat. [F.]) Auslegung,
→Interpretation
Interpretation ist die →Auslegung von
Gedankenerklärungen. Die juristische I. beginnt bereits im altrömischen Recht
am Zwölftafelgesetz durch die Priesterschaft. Aus der ursprünglichen Geheimwissenschaft
entwickelt sich nach der Veröffentlichung der zunächst nur den Priestern
vertrauten Verfahrensformeln (304 v. Chr.) eine weltliche Rechtsunterweisung
mit Aufsetzen von Formularen, Beratung und Gutachtenerteilung, deren Kern die
I. ist. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes im Mittelalter wird auch die I.
aufgenommen, wobei es am Beginn der Neuzeit im sog. (lat.) →mos (M.)
Gallicus um die bessere I. besserer Texte geht.
Lit.: Söllner §§ 7, 9; Köbler, DRG 31; Kaser,
M./Schwarz, F., Die Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956; Behrend, O.,
Die fraus legis, 1982; Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur
Romantik, hg. v. Schröder, J., 2001; Schröder, J., Theorie der
Gesetzesinterpretation im frühen 20. Jahrhundert, 2011
Interregnum ist die zwischen zwei Königsherrschaften
liegende Zeit, insbesondere die im deutschen Reich zwischen (1250 bzw.) dem
Aussterben der →Staufer (1254) und der Wahl Graf Rudolfs von
→Habsburg zum deutschen König (1273) liegende Zeit, in der sich kein
gewählter Herrscher durchsetzen kann und die Landesherren zu Lasten des Reiches
erstarken. Das I. trennt Hochmittelalter und Spätmittelalter voneinander.
Daneben ist I. auch allgemeiner die Zeit zwischen der Herrschaft eines Menschen
und der Herrschaft seines Nachfolgers.
Lit.: Köbler, DRG 95; Triepel, H., Das Interregnum,
1892; Laroche, P., Das Interregnum und die Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, 1971; Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter
Verdichtung, 1985; Kaufhold, M., Deutsches Interregnum und europäische Politik,
2000; Kaufhold, M., Interregnum, 2002, 2. A. 2007; Kirk, M., Die kaiserlose,
die schreckliche Zeit, 2002
Intertiatio (lat. [F.]) ist der Zug auf einen
Gewähren im Frühmittelalter (6. Jh.). Danach muss, wenn sich bei Spurfolge der
Besitzer einer abhandengekommenen beweglichen Sache auf seinen Gewähren (lat.
tertia manus [F.]) beruft, der Spurfolger geloben, die Sache vor das Ding zu
bringen, ehe er sie in Besitz nehmen darf. Beansprucht er außerhalb der
Spurfolge die Sache, so muss der Besitzer schwören, dass er seinen Gewähren zum
Ding bringen werde.
Lit.: Hübner, 437; Rauch, K., Spurfolge und Anefang,
1908; Andreae, F., Die Intertiatio im fränkischen Fahrnisprozesse, ZRG GA 33
(1912), 129
Intervenient (M.) „Dazwischenkommender“
Lit.: Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen Kaiser
Heinrichs IV., 1970
Interzession →intercessio (lat. [F.])
Intestaterbe ist im römischen Recht der ohne
→Testament zur Erbfolge berufene Mensch. Dies ist der →Hauserbe und
danach der Außenerbe (sowie hilfsweise anfangs der Gentile, später die
Allgemeinheit). Das dem altrömischen Recht folgende prätorische Recht fasst die
prätorischen Erben in mehrere (4), hintereinander berufene Klassen zusammen.
Dem I. entspricht später der gesetzliche Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65, 66; Söllner § 12; Köbler, DRG 38;
Merkel, J., Die Lehre von der successio graduum unter Intestaterben, 1876;
Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957
introitus (lat. [M.]) Eintritt
→Immunität
Invaliditätsversicherung ist die in Deutschland 1884 zwecks
Entschärfung sozialer Schwierigkeiten durch Gesetz geschaffene
→Sozialversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Zur Organisation
werden besondere Versicherungsanstalten eingerichtet. Der Invalide erhält
eine Rente.
Lit.: Stolleis, M., Die Sozialversicherung Bismarcks,
(in) Bedingungen für die Entstehung und Entwicklung von Sozialversicherung,
1979, 387; Rückert, J., Entstehung und Vorläufer der gesetzlichen Rentenversicherung,
(in) Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung, 1990, 1: Pironti, P.,
Kriegsopfer nd Staat – Sozialpolitik für Invaliden, Witwen und Waisen des
ersten Weltkriegs, 2015
Inventar (, 1528?, lat. [N.] inventarium)
ist eine Gesamtheit von Gegenständen und ein über dieses geführtes Verzeichnis.
Im spätantiken römischen Recht führt Justinian 531 die Wohltat des Inventars
(lat. beneficium [N.] inventarii) ein, wonach der, welcher innerhalb bestimmter
Fristen ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände erstellt, die Haftung für die
Erbschaftsschulden auf die Nachlassgegenstände beschränken und damit von
seinem bereits vor dem Erbfall vorhandenen Vermögen fernhalten kann. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird auch das I. in
diesem Sinne aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 62 III, 74 II; Köbler, DRG 59; Mely, F.
de/Bishop, E., Bibliographie générale des inventaires imprimés, Bd. 1ff.
1892ff.; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 600; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
inventarium (lat. [N.]) →Inventar
Investitor (M.) Einkleider, Einweiser (Bologna
1057)
Investitur ist im Mittelalter die förmliche,
die unsichtbaren Rechtsvorstellungen (z. B. Eigentum, Lehen) äußerlich sichtbar
machende Bekleidung mit einem Amt oder einem Recht. Ob sie germanischer
Herkunft ist, ist zweifelhaft. Lat. vestire, investire im Sinne des Bekleidens
mit einem (an sich unsichtbaren) Recht scheint eher aus der spätantiken Kirche
zu kommen. Auch das Verhältnis zu einem vorangehenden Geschehen (ahd. sala,
lat. [F.] traditio) ist ungewiss. Als Symbole der den Übergang der
→Gewere bewirkenden I. werden Halm, Zweig, Scholle, Ring, Kreuz, Lanze,
Fahne und anderes verwendet.
Lit.: Hübner 258, 366; Köbler, DRG 90; Köbler, LAW;
Mayer, E., Die Einkleidung im germanischen Rechte, FS Adolf Wach, 1913; Mayer,
E., Zur Einkleidung (Gewere), ZRG GA 35 (1914), 431; Mayer, E., Zur Lehre von der Einkleidung, ZRG
GA 36 (1915), 439; Visconti, A., Su alcune „notitiae
investiturae“ contenute nel Codice diplomatico Lombardo, Annali della R.
Università di Macerata 6 (1930); Voser, P., Die altdeutsche
Liegenschaftsübertragung, 1957; Müller, W., Ein Auflassungs- und Investitursymbol
des Klosters St. Gallen, 1972; Köbler, G., Die Herkunft der Gewere, TRG 43
(1975), 195; Quellen zum Investiturstreit, Teil 1 Ausgewählte Briefe Papst
Gregors VII. übersetzt v. Schmale, F.,,1978; Krieger, K., Die Lehnshoheit,
1979; Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004
investitura (lat. [F.]) Einkleidung,
→Investitur
Investiturstreit ist der aus →Immunität und
ottonisch-salischem →Reichskirchensystem erwachsene, von Papst
Nikolaus II. 1059 durch ein Papstwahldekret (mit Wahlrecht des
Kardinalskollegiums statt des Absetzungsrechts und Einsetzungsrechts des
Kaisers) zugespitzte, 1075 zwischen dem Salier Heinrich IV. und Papst Gregor
VII. anlässlich der Besetzung des Erzbistums Mailand offen ausgebrochene Streit
um die Bekleidung (→Investitur) von Laien mit kirchlichen Ämtern
(Bistümern, Abteien). Hier verbündet sich der Papst mit deutschen Fürsten gegen
den König, doch gelingt diesem 1077 mit dem Reue bezeugenden Gang nach
→Canossa zumindest förmlich die Lösung vom Bann. Mit dem →Wormser
Konkordat kommt es 1122 zu einem vorläufigen Ausgleich.
Lit.: Hirsch, H., Klosterimmunität und
Investiturstreit, 1913; Schmeidler, B., Kaiser Heinrich IV. und seine Helfer im
Investiturstreit, 1927; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Investiturstreit und
Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung
des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Blumenthal, U., Der Investiturstreit,
1982; Hartmann, W., Der Investiturstreit, 2. A. 1996; Laudage, J.,
Gregorianische Reform und Investiturstreit, 1993; Englberger, J., Gregor VII.
und die Investiturfrage, 1996; Goez, W., Kirchenreform und Investiturstreit,
1996; Golinelli, P., Mathilde und der Gang nach Canossa, 1998; Goez, W.,
Kirchenreform und Investiturstreit 910-1122, 2000, 2. A. 2008; Der
Investiturstreit, hg. v. Laudage, J. u. a., 2. A. 2006; Schieffer, R., Worms,
Rom und Canossa (1076/77) in zeitgenössischer Wahrnehmung, HZ 291 (2011, 593;
Fried, J., Canossa. Entlarvung einer Legende, 2012; Zey, C., Der Investiturstreit,
2017
Inzest (M.) Blutschande ist der Beischlaf
unter nahen Verwandten, dessen Verbot seit dem ausgehenden Altertum vor allem
von der Kirche (z. B. Konzil von Epaon 517 n. Chr., römische Synode von 721)
zunehmend durchgesetzt wird (u. a. Bayern 1813 Art. 207, nicht Code pénal, doch
Entwurf des Code pénal Königreich Westphalen 1813 Art. 329, Allgemeines
Landrecht Preußens von 1794, Preußen 1851, Deutsches Reich 1871 § 173 RStGB,
1973/1974 Verschwägerteninzest nicht mehr strafbar, nach einer Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 23. 2. 2008 Verwandteninzest doch).
Lit.: Mikat, P., Die Inzestgesetzgebung der
merowingisch-fränkischen Konzilien, 1994; Siebert, M., Das Inzestverbot, Diss.
jur. Berlin 1996, 1998; Siegel, E., Inzest, 1999; Jarzebowski, C., Inzest,
2005; Ubl, K., Inzestverbot und Gesetzgebung - Die Konstruktion eines Verbrechens
(300-1100), 2008; Karst, S., Die Entkriminalisierung des § 172 StGB, 2009;
Bdeiwi, S., Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB), 2013; Kanwischer, S.,
Der Grenzbereich zwischen öffentlichem Strafanspruch und intimer Lebensgestaltung,
2013
Inzichtverfahren ist im Mittelalter ein zwischen
Zivilverfahren und Strafverfahren stehendes besonderes Leumundsverfahren, das
seit dem 16. Jh. im →Inquisitionsprozess aufgeht.
Lit.: Müller, R., Studien zum Inzichtverfahren nach
bayerischen Quellen, 1939, Neudruck 1970
Ipso iure compensatur (durch das Recht selbst wird
aufgerechnet) ist eine im Codex Justinians (C. 4, 31, 14 pr) enthaltene
Rechtsregel, welche die Entbehrlichkeit einer eigenen Aufrechnungserklärung
ausspricht (anders § 388 BGB).
Iran
Lit.: Gronke, M., Geschichte Irans, 2003; Enayat, H., Law, State and
Society in Modern Iran - Constitutionalism, Autocracy and Legal Reform
19ß6-1941, 2013; Wiedemann, C., Der neue Iran – Eine Gesellschaft tritt aus dem
Schatten, 2017
Irland ist der westlich Englands gelegene,
nordwesteuropäische Staat, der seit 1973 der Europäischen Gemeinschaft bzw.
Europäischen Union (1993) angehört. Seit der zweiten Hälfte des 1. Jt.s v. Chr.
wandern Kelten in die bereits besiedelte Insel ein. Um 450 n. Chr. (431?)
werden die Bewohner christianisiert. 1171/1172 greift der König von England auf
I. aus. 1534 beginnt er mit der Unterwerfung und nennt sich 1541 König von I.
Im Norden setzt sich der englische Einfluss und damit auch die protestantische
Religion durch. Seit dem Ende des 18. Jh.s gibt es so gut wie kein
selbständiges irisches Privatrecht mehr. 1801 wird ein gemeinsames Parlament
eingerichtet. Am 6. 12. 1921 wird die Loslösung Irlands (ausgenommen Nordirland)
von Großbritannien vertraglich vereinbart. Das irische Recht ist englisch
geprägt, wird aber seit 1922 durch Gesetze ergänzt. Im Gegensatz zu England hat
I. eine formelle Verfassung.
Lit.: Studies in early Irish law by Thurneysen, R. u.
a., 1936; Szövérffy, J., Irisches Erzählgut im Abendland, 1957; Hand, G.,
English Law in Ireland 1290-1324, 1967; Beckett, J., Geschichte Irlands, 1971;
Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982; Irland und Europa, 1984; A new
history of Ireland, hg. v. Cosgrave, A., 1987; Lee, J., Ireland 1912-1985,
1989; Elvert, J., Geschichte Irlands, 1993; Croinin, D., Early Medieval
Ireland, 1995; Irland und Europa im frühen Mittelalter, hg. v. NiChatháin, P.
u. a., 1996; Richter, M., Irland im Mittelalter, 1996; Maurer, M., Kleine
Geschichte Irlands, 1998; Richter, M., Ireland and her Neighbours, 1999;
Charles-Edwards, T., Early Christian Ireland, 2000; Noetzel, T., Geschichte
Irlands, 2003; Breuer, R., Irland, 2003; Braun, N., Terrorismus und Freiheitskampf,
2003; Richter, M., Irland im Mittelalter, 2003; Holthusen, C., Der
Nordirlandkonflikt, 2005; Flanagan, M., Irish Royal Charters, 2005; Osborough,
W., Recent writing on modern Irish legal history, ZNR 2008, 93; Mc Carthy, D.,
The Irish Annals, 2008; MacCotter, P., Medieval Ireland, 2008; Simms, K.,
Medieval Gaelic Sources, 2009; Irische Mönche in Süddeutschland, hg. v. Walz,
D. u. a., 2009; Bartlett, T., Ireland, 2010; L’Irlanda, 2010; Flanagan, M., The
Transformation of the Irish Church, 2010; ÓClabaigh, C., The Friars in Ireland
1224-1540, 2012; Lawyers, the law and history, 2013
Irnerius (Guarnerius, [eigenhändig wohl
immer] Wernerius) (1060?-1125?) ist der erste bedeutende Vertreter der durch
Wiederbehandlung der →Digesten Justinians (530/3) veranlassten, durch die
zunehmende Schulung in den freien Künsten (lat. artes [F.Pl.] liberales)
ermöglichten und im Ergebnis wohl auch gewissen praktischen Bedürfnissen entsprechenden
rechtswissenschaftlichen Literatur des Mittelalters. Vermutlich erteilt I.
zuerst Unterricht in den freien Künsten und behandelt dabei im Rahmen der
Rhetorik auch das Recht. Danach versieht er bei scholastischer Interpretation
fast die gesamten justinianischen Rechtstexte (Digestum vetus, →Codex,
→Institutiones) mit vielleicht mehreren tausend nur teilweise erhaltenen
Glossen (lat. Apparatus [M.] glossarum, Sigle Y bzw. G). Außerdem fertigt er
die →Authenticae an und verfasst vielleicht eine kurze
→Distinktion. Zwischen dem 28. 6. 1112 und dem 10. 12. 1125 ist er als
(lat. [M.]) causidicus (1112, 1113) der Markgräfin Mathilde von Tuszien und
(lat. [M.]) iudex (1116-1118) Kaiser Heinrichs V. bezeugt. 1119 wird er
(wahrscheinlich) exkommuniziert.
Lit.: Söllner § 25; Köbler, DRG 105; Pescatore, G.,
Die Glossen des Irnerius, 1888, Neudruck 1968; Besta, E., L’opera d’Irnerio,
1896, Neudruck 1980; Nörr, D., Zur Herkunft des Irnerius, ZRG RA 82 (1965),
327; Weigand, R., Die Naturrechtslehre, 1967; Spagnesi, E., Wernerius
bononiensis iudex, 1970; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997,
154; Fried, J., auf Bitten der Gräfin Mathilde, (in) Europa an der Wende vom
11. zum 12. Jahrhundert, hg. v. Herbers, K., 2001
Irrtum (815, lat. [M.] error) ist das
Auseinanderfallen von Vorstellung eines Handelnden und Wirklichkeit. Im
römischen Recht ist der I. ein Fall von fehlender Willensübereinstimmung, so
dass er (als I. über Vertragspartner, Gegenstand, Preis oder Vertragstyp)
keinen Vertrag entstehen lässt. In der byzantinischen und
mittelalterlich-römischen Rechtswissenschaft schließt auch der I. über die
tatsächlichen Eigenschaften des Geschäftsgegenstands die Bindung aus, wobei es
später darauf ankommt, dass der Irrtum für die Vornahme des Geschäfts
ursächlich ist. Im frühneuzeitlichen gemeinen Recht werden als Fallgruppen der
Irrtümer Geschäftsort, Geschäftsgegenstand, Geschäftsgegner und Geschäftsbezeichnung
unterschieden. Das Vernunftrecht hält den I. teils grundsätzlich für
unbeachtlich (Kreittmayr), teils grundsätzlich für bedeutsam (Allgemeines
Landrecht 1794). Im 19. Jh. wird teils auf den Willen abgestellt
(Willenstheorie, Savigny), teils auf die Erklärung (Erklärungstheorie). Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) werden die Vorzüge beider Ansichten
in einem komplizierten Geflecht verbunden. Unter Berufung auf einen I. kann das
zustandegekommene Geschäft nachträglich angefochten und damit grundsätzlich
beseitigt werden. Im 19. Jh. erscheint der I. als allgemeine Figur auch im
allgemeinen Teil des Strafrechts.
Lit.: Kaser § 8 I; Hübner; Köbler, DRG 43, 165, 204,
208; Engelmann, W., Irrtum und Schuld nach der italienischen Lehre und Praxis
des Mittelalters, 1922, Neudruck 1975; Haupt, P., Die Entwicklung der Lehre vom
Irrtum, 1941; Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36;
Kramer, E., Der Irrtum beim Vertragsschluss, 1998; Schermaier, M., Europäische
Geistesgeschichte am Beispiel des Irrtumsrechts, ZEuP 1998, 60; Ranieri, F.,
Kaufrechtliche Gewährleistung und Irrtumsproblematik, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 207; Schermaier, M., Die Bestimmung des
wesentlichen Irrtums, 2000; Löhnig, M., Die Entstehung des Irrtumsrechts im
Allgemeinen Landrecht, ZRG GA 120 (2003), 200; Harke, J., Irrtum über
wesentliche Eigenschaften, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Romanillos, P., Die großen Irrtümer
der Menscheheit, 2015
Isidor von Sevilla (Cartagena um 560-Sevilla 4. 4.
636), aus hispanorömischer Familie, Bischof von Sevilla, stellt in seinen (lat.
[F.Pl.]) Etymologiae (bzw. Origines) das Wissen seiner Zeit in 20 Büchern dar.
Durch die weite Verbreitung dieses Werkes werden zahlreiche römische
Rechtsbegriffe schon im Frühmittelalter vermittelt (z. B. lat. ius Recht, lex
Gesetz, consuetudo Gewohnheit, mos Sitte, ius civile römisches Recht,
Zivilrecht, ius gentium Fremdenrecht, Völkerrecht, ius naturale Naturrecht).
Isidors von Gregor dem Großen beeinflusstes Werk Sententiae (Urteile,
Sentenzen) (mehr als 500 erhaltene mittelalterliche Handschriften) wirkt mit
seinen theologischen Definitionen stark auf Florilegien, Summen und
Kirchenrechtssammlungen ein.
Lit.: Etymologiae, hg. v. Lindsay, W., 1911; Isidoro
di Siviglia, hg. v. Fontaine, H., Bd. 1ff. 1962ff.; Diesner, H., Isidor von
Sevilla und das westgotische Spanien, 1977; Fontaine, J., Isidore de Séville,
2000
Islam (um 2010 schätzungsweise 1,6 Milliarden
Anhänger) ist die von (dem Propheten) →Mohammed (Mekka um
569-Medina 8. 6. 632) gestiftete Weltreligion (des alleinigen, bereits vor
Mohammed an der Kaaba in Mekka verehrten Gottes Allah), deren Anhänger sich
Muslime (die sich – Gott - unterwerfen) nennen. Noch im 7. Jh. dehnt sich der
I. von Arabien bis zum Nordwesten Afrikas aus. Seit 711 wird Spanien gewonnen.
Im 10. Jh. werden die Türken im Herzen Asiens bekehrt, im 11. Jh. Teile
Indiens. 1258 fällt Bagdad an die Mongolen. 1453 wird Byzanz von den Türken
erobert und der I. auf dem Balkan verbreitet. Im 16. Jh. gelangt der I. nach
Indonesien, im 20. Jh. in weitere Teile Afrikas. Der I. ist Gesetzesreligion,
weshalb schon der Koran für alle Lebensbereiche Rechtsvorschriften festlegt.
Hinzu kommt das überlieferte Handeln Mohammeds. Hieraus entsteht durch
islamische Rechtsgelehrte eine Pflichtenlehre (→Saria, Scharia). Im 16.
Jh. wird im osmanischen Reich der Richter darüber hinaus den Anweisungen des
Sultans unterstellt.
Lit.: Horster, P., Zur Anwendung des islamischen
Rechts im 16. Jahrhundert, 1935; Enzyklopädie des Islam, Bd. 1f. 2. A. 1960ff.;
Coulson, N., A History of Islamic Law, 1964; The Cambridge History of Islam,
1970; Lexikon der islamischen Welt, hg. v. Kreiser, K. u. a., Bd. 1ff. 1974;
Watt, M./Welch, A., Der Islam, 1980; Schacht, J., An Introduction to Islamic
Law, 1982; Abu-Ghosh, S., Das islamische Unterhaltsrecht nach al-Kasani, 1989;
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1991; Khoury/Hagemann/Heine, Islam-Lexikon, Bd. 1ff. 1991; Der politische
Islam, hg. v. Schwarz, J., 1993; Coulson, N., Histoire du droit islamique,
1995; Der Islam in der Gegenwart, hg. v. Ende, W. u. a., 4. A. 1996; Scholz,
P., Malikitisches Verfahrensrecht, 1997; Endreß, G., Der Islam, 3. A. 1997;
Oßwald, R., Pactane sunt servanda, 1998; Nagel, T., Die islamische Welt bis
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Schuldknechtschaft,
1999; Der Islam in Europa, hg. v. Heuberger, V., 1999; Arkoun, M., Der Islam,
1999; Halm, H., Der Islam, 5. A. 2004; Cardini, F., Europa und der Islam, 2000;
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die islamische Geschichte, 2001; Motzki, H., The origins of islamic
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islamische Kultur ihre führende Stellung? HZ 277 (2003), 655; Krämer, G.,
Geschichte des Islam, 2005; Lohlker, R., Bibliographie des islamischen Rechts,
2005; Endreß, G., Der Islam in Daten, 2006; Heine, P., Einführung in die
Islamwissenschaft, 2008; Kettermann, G., Atlas zur Geschichte des Islam, 2008;
Black, A., The West and Islam, 2008; Rohe, M., Das islamische Recht -
Geschichte und Gegenwart, 2009, 2. A. 2009, 3. A. 2011; Ebert, H., Die
Qadrî-Pâshâ-Kodifikation - Islamisches Personalstatut der hanafitischen
Rechtsschule, 2010 (Entwurf von 1875); Baumgarten, R., Gesichter des Islam,
2010; Neumann, A., Rechtsgeschichte, Rechtsfindung und Rechtsfortbildung im
Islam, 2012; Stilt, K., Islamic Law in Action, 2012; Said, B., Islamischer
Staat, 2014; Motadel, D., Islam and Nazi Germany’s War, 2014; König, D., Arqbic
Islamic Views oft he Latin West, 2015; Schütt, P., Fatima Grimm – Mein
verschlungener Weg zum Islam, 2015; Schulze, R., Geschichte der islamischen
Welt – von 1900 bis zur Gegenwart, 2016; Islam – Einheit und Vielfalt einer
Weltreligion, hg. v. Brunner, R., 2016; Berger, L., Die Entstehung des Islam,
2016; Warrick, J., Schwarze Flaggen – Der Aufstieg des IS und die USA, 2016;
Rohe, M., Der Islam in Deutschland, 2016; Stosch, K. v., Herausforderung Islam,
2016, 2. A. 2017, 3. A. 2019;Luizard, P., Die Falle des Kalifats – Der
Islamische Staat oder die Rückkehr der Geschichte, 2017
Island ist der auf der zweitgrößten Insel
Europas gebildete nordwesteuropäische Staat. I. ist seit dem 4. Jh. n. Chr.
bekannt und wird am Anfang des 9. Jh.s durch iroschottische Mönche und um 875
durch Wikinger (Normannen) besiedelt. 930 erscheint das Allthing. 1000 wird I.
christlich. Trotz karger natürlicher Gegebenheiten entwickeln sich hohe
literarische Kultur (Skalden) und vorbildliche Armenfürsorge. 1262 erhält der
König von →Norwegen durch Vertrag die Herrschaft. 1380 fällt I. mit Norwegen
an →Dänemark, das 1550 die Reformation durchsetzt. 1918 wird I. von
Dänemark unabhängig. 1944 wird I. Republik.
Lit.: Finsen, V., Om de oprindelige Ordning af nogle
af den islandske Fristats Institutioner, 1888; Boden, F., Die isländische
Regierungsgewalt in der freistaatlichen Zeit, 1905; Haff, K., Die
wiederaufgefundene „Descriptio Islandiae“, ZRG GA 50 (1930), 389; Midderhoff,
H., Thinggericht und Zwölferspruch in Altisland, ZRG GA 77 (1960), 26;
Scovazzi, M., La saga di Hrafnkell, 1960; Scovazzi, M., Il diritto islandese
nella Landnámabók, 1961; Paulsen, P., Drachenkämpfer, 1966; Imhof, A.,
Grundzüge der nordischen Geschichte, 1970; Kuhn, H., Das alte Island, 1971;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,523, 4,4,631; Die Saga von Egil, hg. v.
Schier, K., 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Byock, J.,
Medieval Iceland, 1988; Schröder, P., Island, 1994; Björne, L., Den nordiska
rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Nedoma, R., Kleine Grammatik des
Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A. 2010; Gerhold, W., Armut und
Armenfürsorge im mittelalterlichen Island, 2002; Arnósd´ttir, A., Property and
Virginity. The Christianization of Marriage in Medieval Iceland 1200-1600,
2010; Nedoma, R., Kleine Grammatik des Altisländischen, 2001, 2. A. 2006, 3. A.
2010; See, K. v., Skalden, 2011; Nedoma, R., Altisländisches Lesebuch, 2011
Isländisches Recht ist das Recht der Isländer bzw.
Islands. Seine Anfänge sollen um 930 in Norwegen nach dem Vorbild der
Gulathingslög von Ulfljotr (Ulfljot) zusammengefasst und in Island von einer
Versammlung (Allthing) als Recht (an. log) angenommen worden sein. Mit der
Christianisierung (1000) treten Änderung in dem mündlich durch Gesetzessprecher
(an. logsogumadr) bewahrten Recht ein. 1117/1118 verfasst der Gode Hafliðe
Marsson eine schriftliche Fassung (an. Haflidaskra), die ebenso verschollen ist
wie das 1122-1132 entstehende Christenrecht (an. Kristinna laga thattr). Vermutlich
beruht auf den Inhalten die →Gragas (2. H. 13 Jh.). 1271/1273 wird unter
norwegischer Herrschaft (1262) die →Jarnsida (Eisenseite) angenommen,
1281 die →Jonsbok (Lögbok Islendinga), von der rund 200 Handschriften
überliefert sind. Um 1275 stellt Bischof Arne von Skálholt ein neues
Christenrecht (an. kristinrettr Arna biskupes) zusammen. Rechtliche Aufschlüsse
ermöglichen auch die Geschichtsdarstellungen und die Isländersagas.
Lit.: Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas,
1911; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Hoff,
H., Hafliđi Másson und die Einflüsse des römischen Rechts in der Grágás,
2012
Isny
Lit.: Die Urkunden des früheren reichsstädtischen Archivs Isny bis
1550, hg. v. Kammerer, I. u. a., 1955; Kammerer, I., Isny, 1956; Wunderlich,
P., Das Recht der Reichsstadt Isny, Diss. jur. Tübingen 1957; Speth, Hermann,
Die Reichsstadt Isny am Ende des alten Reiches, 1973; Hauptmeyer, C.,
Verfassung und Herrschaft in Isny, 1976
Israel ist im Alten Testament der zweite
Name Jakobs, der stellvertretend für die →Juden und ihren Staat steht,
insbesondere für den seit 1917 angestrebten bzw. (am 14. Mai 1948 (durch
Ausrufung seitens David Ben Gurions) in Palästina verwirklichten Staat.
Lit.: Noth, M., Geschichte des Volkes Israel, 1956;
Wolffsohn, M., Politik in Israel, 1982; Raacke, G., Der Einfluss
deutschbürtiger Juristen, ZRP 1997, 308; Timm, A., Israel, 1998; Schirer, L.,
Israelisches und jüdisches Recht, 1998; Clauss, M., Das alte Israel, 1999;
Herz, D., Geschichte Israels, 2003; Golden, J., Ancient Canaan and Israel,
2004; Israel und Deutschland, hg. v. Ben Natan, A. u. a., 2005; Gerstenberger,
E., Israel in der Perserzeit, 2005; Kessler, R., Leben zur Zeit der Bibel,
2006; Avidan, I., Ein Staat sucht sich selbst, 2008; Balke, R., Israel, 3. A.
2007; Clauss, M., Geschichte des alten Israel, 2009; Tilly, M. u. a.
Religionsgeschichte Israels, 2011; Baltrusch, E., Herodes, 2012; Shapira, A.,
Israel, 2012; Finkelstein, I., Das vergessene Königreich, 2014; In search for Aram
and Israel, hg. v. Sergi, O. u. a., 2015; Primor, A., Nichts ist jemals
vollendet, 2015; Steiniger, R., Deutschland und der Nahe Osten, 2015; Brenner,
M., Israel, 2016; Kratz, R., Historisches und biblisches Israel, 2. A. 2017;
Hoha, K,m Generation im Übergang – Beheimatungsprozesse deutscher Juden in
Israel, 2017Frevel, C., Geschichte Israels, 2. A. 2019
Istanbul am Bosporus (vielleicht aus griech.
eis tan polin, in die Stadt?) geht auf das griechische Byzanz bzw. das oströmische
Konstaninopel zurück. 1453 wird es von den Osmanen erobert. Es erhält eine
Universität.
Lit.: Barisch, K./Barisch, L., Istanbul, 5. A. 1985;
King, C., Mitternacht im Pera Palace, 2015
Istrien ist die nach den illyrischen Histri benannte
Halbinsel im Nordosten der Adria, die bis 178 v. Chr. von den Römern erobert
wird. Den Römern folgen im 6. Jh. die Langobarden, dann die Slawen und 789 die
Franken. Über die Grafen von Görz (1291) gelangt Inneristrien 1381 an
Österreich, mit Venetien 1797 auch das Küstenland. 1816 wird der Anteil
Österreichs an Istrien dem Königreich Illyrien zugeteilt, 1849 dem Kronland
Görz-Gradiska-Istrien (Küstenland). 1919 gelangt I. an Italien, 1945
überwiegend an Jugoslawien (Kroatien), 1991 zum größten Teil an Kroatien.
Italicus →mos Italicus
Italien ist der zwischen Griechenland und
Spanien bzw. Adria und Tyrrhenischem Meer gelegene südeuropäische Staat, der
seit 1952 zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union (1993) gehört.
Am Ende des 2. Jt.s v. Chr. wandern dort von Norden Italiker (zu lat. vitulus
[M.] Kalb?) ein, nach denen die Griechen zunächst den Süden als Italia
bezeichnen. Seit dem 5. Jh. v. Chr. entsteht von Rom aus ein Reich, das
allmählich ganz I. erfasst und sich auf den gesamten Mittelmeerraum ausdehnt.
476 fällt I. als Teil der westlichen Hälfte des Reiches der Römer mit Rom an
Germanen (Odowakar 476-493, Theoderich den Großen 493-526). Die Rückgewinnung
seitens des oströmischen Kaisers Justinian (527-565) wird durch den folgenden
Einbruch der →Langobarden in der Völkerwanderung (568) gestört. Danach
wird I. unter Ostrom (Venedig, Ravenna, Unteritalien), den Langobarden und
dem Papst geteilt. Auf einen Hilferuf des Papstes besiegt der fränkische König
Pippin III. den Langobardenkönig Aistulf und gewährt dem Papst in der
→pippinischen Schenkung 754 Teile der von den Langobarden besetzten
Gebiete (→Kirchenstaat). 774 unterwirft Karl der Große die Langobarden.
Nach zwischenzeitlichen Wirren erneuert Otto I. 951 die Bindung eines Teiles
Italiens an das fränkisch-deutsche Reich. Im 11. Jh. fassen Normannen in
Unteritalien (Sizilien) Fuß und beginnen oberitalienische Städte (z. B.
Mailand) nach Selbständigkeit zu streben. Trotz der Heirat Heinrichs VI. und
Konstanzes von Sizilien gelingt den Staufern eine dauerhafte Sicherung der von
Papst und Städten bekämpften Herrschaft nicht. Nach dem Scheitern der Idee
eines einheitlichen Imperiums der Staufer steht I. für drei Jahrhunderte im
Zeichen verhältnismäßig selbständiger, dem Reich meist lehnsrechtlich
verbundener mittelgroßer Herrschaften (z. B. Florenz, Genua, Mailand, Neapel,
Venedig). Seit 1494 wird I. zum Streitgegenstand zwischen Frankreich (als
Nachfolger der Anjou [1265-1282 Sizilien, 1265-1435 Neapel]) und
Spanien/Habsburg (Aragón [Sizilien 1282, Sardinien 1323, Neapel 1442]).
1701/1713 gelangt als Folge des spanischen Erbfolgekriegs der Süden an
Frankreich, der Norden an Österreich. Im Frieden von Campo Formio (1797)
verzichtet der Kaiser des Heiligen römischen Reiches auf alle Reichsrechte in
Italien. Das erwachende Nationalgefühl führt (als [it.] risorgimento) 1859 zum
Kampf (Piemonts [und Frankreichs] gegen Österreich (1859 Sieg bei Solferino),
das 1859 die Lombardei verliert. Danach werden die französischen Bourbonen aus
dem Süden vertrieben. 1860 schließen sich sechs Staaten (Parma-Piacenza,
Toskana, Modena, Umbrien, Marken, Sizilien-Neapel) unter Volksbefragung an
Sardinien-Piemont an. Der Fürst von Sardinien-Piemont nimmt mit dem 17. 3.
1861 den Titel eines Königs von I. an. 1866 wird Österreich Venedig abgenommen
und bis 1870 der Kirchenstaat bis auf geringe Reste durch Annexion eingezogen.
1922 gelangt der Parteijournalist und zeitweise Hilfslehrer Benito Mussolini
(als Sohn eines Dorfschmieds und einer Lehrerin Dovia di Predappio bei Forli
29. 7. 1887-Giulino di Mezzegra am Comer See 28. 4. 1945, 1919/1921 Gründung
der Faschistischen Partei, Opera omnia in 36 Bänden und 8 Zusatzbänden) (als
Duce del Fascismo bzw. Ministerpräsident) tatsächlich an die Macht im
Königreich (Änderungen der Verfassung vom 4. 12. 1848, 1923 eigentümliches
Mehrheitswalrecht geschaffen, 1925 Verlust des Rechts der Aufstellung der
Tagesordnung der Abgeordnetenkammer, geheime Abstiimmung beseitigt, Dezember
1925 Richtlinienkompetenz für den Ministerpräsidenten, 1926 Wiedereinführung
der Todesstrafe für einige Straftatbestände, Sondertribunal für die
Verteidigung des Staates unter dem Kriegsminister mit Militärrichtern,
Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Richter gelockert, 1926 Neuregelung
des Verodnungsrechts, 1928 Zahl der Abgeordneten auf 400 vermindert, eine von
dem großen Rat erstellte Liste konnte nur insgesamt gebilligt oder abgelehhnt
werden, 1929 Oberster Rat der faschistischen Nationalpartei als grundsätzlich
beratendes Verfassungsorgan geschaffen, 1939 Kammer der Abgeordneten durch die
Camera dei Fasci e delle Corporatione ersetzt) und verbündet sich wenig später
mit dem Deutschen Reich unter Adolf Hitler (sowie Japan, Achsenmächte, 1940
Eintritt in den Weltkrieg). Im zweiten Weltkrieg wird Mussolini nach der
Landung der Alliierten in Sizilien am 25. 7. 1943 gestürzt. Die neue
italienische Regierung schließt am 3. 9. 1943 einen Waffenstillstand mit den
Alliierten, worauf ab 9. 9. 1943 deutsche Soldaten italienische Soldaten
entwaffnen und vor die Wahl stellen, sich den deutschen Streitkräften
anzuschließen oder in Kriegsgefangenschaft zu gehen. Mussolini wird von
deutschen Truppen befreit und gründet mit deutscher Hilfe eine Republik in
Norditalien. Am 28. 4. 1945 wird er nach Ergreifung auf der Flucht von kommunistischen
Partisanen hingerichtet. Am 2. 6. 1946 wird I. unter Absetzung des Königs wegen
Unterstützung des Faschismus Republik. Politisch gelingen ihm stabile Regierungen
nicht. Seit 1949 gehört Italien der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation
an. Seit 1951 ist es Gründungsmitglied der europäischen Gemeinschaften (1993
Europäische Union).
Lit.: Köbler, DRG 133, 170, 172, 173; Köbler,
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italiana nel rinascimento, 1889; Roberti, M., Dei bene appartenenti alle città,
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Geschichtspolitik und die Frage der Mitschuld am zweiten Weltkrieg, 2015;
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Architekt der italienischen Moderne, 2017
Italienisches Recht ist das in Italien geltende Recht.
Es ist im Altertum das römische Recht. Nach dem Untergang Westroms dringen germanisch/germanistische
(Goten, Langobarden, Franken, Normannen), griechische und arabische
(sarazenische) Volksgruppen ein. Die Wissenschaft des römischen Rechtes verschwindet
(vermutlich). In Pavia entwickelt sich eine Rechtsschule der Langobarden. Im
ausgehenden 11. Jh. wird das römische Recht wiederentdeckt (→Irnerius).
Daneben tritt örtliches Recht der einzelnen Städte und Stadtstaaten immer
stärker hervor (→Statuten), neben denen das von Glossatoren und
Kommentatoren weiterentwickelte gelehrte Recht als gemeines Recht (lat.
→ius [N.] commune) gilt. Am Beginn der Neuzeit tritt die italienische
Rechtswissenschaft (lat. [M.] →mos Italicus) zugunsten der französischen
Rechtswissenschaft (lat. [M.] mos Gallicus) zurück. Die bereits im 18. Jh.
entstehenden Gesetze einzelner Staaten werden zwischen 1804 und 1811 durch die
Kodifikationen Frankreichs ersetzt und danach nur teilweise wieder eingeführt.
Im Königreich Italien werden 1865 ein Zivilgesetzbuch (it. Codice civile),
eine Zivilprozessordnung, ein Handelsgesetzbuch (it. Codice di commercio) und
1889 ein Strafgesetzbuch erlassen. 1930 wird das Strafrecht neu gefasst, 1931
das Strafprozessrecht und 1942 das Zivilgesetzbuch (einschließlich
Handelsrecht, 2969 Artikel) und das Zivilprozessrecht. Bereits seit 1890 entstehen
zahlreiche Sozialgesetze.
Lit.: Pertile, A., Storia del diritto italiano, Bd.
1ff. 2. A. 1896ff.; Ciccaglione, F., Il diritto successorio nella storia del
diritto italiano, 1891; Schneider, F., Einleitung zum Regestum Volaterranum,
1907; Meyer, E., Italienische Verfassungsgeschichte, Bd. 1f. 1909, Neudruck
1968; Salvioli, G., Storia della procedura civile e criminale, 1925; Pitzorno,
B., Elaborazione scientifica della storia del diritto italiano, 1928;
Brandileone, F., Scritti di storia del diritto privato italiano, hg. v. Ermini,
G., 1931; Checchini, A., Scritti giuridici e storico-giuridici, Bd. 1ff. 1958;
Dahm, G., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter, 1931; Calasso,
F., La „convenientia“, 1932; Leicht, P., Il diritto privato preirneriano, 1933;
Paradisi, B., Massaricium ius, 1937; Nicolini, U., Le limitazioni alla
proprietà, 1937; Mochi Onory, S., Diritti della personalità e rapporti di
famiglia nel rinascimento italiano, ZRG GA 58 (1938), 478; Engelmann, W., Die Wiedergeburt
der Rechtskultur in Italien, 1938; Giardina, C., La così detta proprietà degli
alberi, 1941 (Ak. Palermo); Dahm, G., Untersuchungen zur Verfassungs- und
Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Paradisi, B., Gli studi di
storia del diritto italiano, 1950; Petracchi, A., Le origini dell’ordinamento
comunale e provinciale italiano, 1962; Luther, G., Einführung in das
italienische Recht, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,53,234,872, 2,2,97,923,1113, 3,1,177, 3,2,2331,
3,3,3209,3625,3735,3831,3908,3985,4109; Celli, R., Studi sui sistemi normativi
delle democrazie comunali, 1976; Luig, K., Der Geltungsgrund des römischen
Rechtes im 18. Jahrhundert, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977, 819; Bonini,
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Ghisalberti, C., La codificazione del diritto in Italia, 1985; Vallone, G.,
Iurisdictio domini – Introduzione a Matteo d’Afflitto (um 1443-1523), 1985;
Santini, G., Europa medioevale, 1986; Cavina, M., Dottrine giuridiche a
strutture sociali padane nella prima età moderne, Carolus Ruinus (1456-1530),
1988; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der italienischen
Rechtskultur während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Schulze,
R., 1990; Mazzacane, A., Neuere Rechtsgeschichte in Italien, ZNR 1992; Cian,
G., Fünfzig Jahre italienischer Codice civile, ZEuP 1993, 120; Kindler, P.,
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Englert, T., Deutsche und italienische Zivilrechtsgesetzgebung 1933-1945,
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Istituzioni e fonti normative in Italia dall’antico regime al facismo, 2007;
Sordi, B., Recent studies of public law history in Italy, ZNR 2007, 260ff.; The
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Strafrechtswissenschaft, 2014; Strafgesetzbuch für das Königreich Italien, hg.
v. Vinciguerra, S. u. a., 2014 (30. Juni 1889); Vormbaum, T., Vorentwurf zu
einem italienischen Strafgesetzbuch über Verbrechen von 1921, 2014; Graziotti,
T., Giustizia penale a San Gimignano (1300-1350), 2015
Iter (lat. [N.] Weg) ist schon im altrömischen Recht die
Grunddienstbarkeit (Servitut) des Fußwegs und Reitwegs.
Lit.: Kaser § 28 I 2a
Itinerar (N.) Reiseweg
Lit.: Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Schütte,
B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof, 2002;
L’itinérance des seigneurs, hg. v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 2003
Itio (F.) in partes (lat.) ist im neuzeitlichen
Heiligen römischen Reich das konfessionsbedingte
Auseinandertreten jeder der drei Kurien des →Reichstags in
Religionsfragen seit etwa 1529, gesetzlich auf Drängen der Protestanten
anerkannt seit 1648 (Friede von Münster und Osnabrück, Notwendigkeit der
[lat.] amicabilis compositio [F.] freundschaftlichen Übereinkunft).
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961, 169; Heckel, M., Itio in partes, ZRG KA
95 (1978), 180
Itzehoe
Lit.: Maertens, R., Das Landgericht Altona (1879-1937) und die Anfänge
des Landgerichts Itzehoe (1937-1945), 2011
Iudex (lat. [M.]) ist schon im
altrömischen Recht der vom Magistrat einzusetzende Richter. Er ist im
Formalverfahren ein Privatmann, auf den sich die Beteiligten einigen und der
nach Ableistung eines Eides mit der Entscheidungsaufgabe betraut werden kann.
Er wird zumindest später durch Wahl seitens der Parteien oder aus einer
amtlichen Liste (von Senatoren und später auch Rittern) bestimmt (seit Augustus
etwa 3000, seit Caligula etwa 4000 Geschworene). Der i. ist für Rechtsverletzungen
mit dem Sachwert verantwortlich. Im Kognitionsverfahren ist der i. Amtsträger.
→Richter
Lit.: Kaser §§ 81 II 2, 82 II 5; Köbler, DRG 19;
Köbler, LAW; Guttenberg, E. v., Iudex h. e. grafio, FS E. Stengel, 1952, 93;
Broggini, G., Iudex arbiterve, 1957; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Nörr, K.,
Zur Stellung des Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Horn, N.,
Bologneser Doctores und Iudices, ZHF 3 (1976); Drüppel, H., Iudex civitatis,
1981; Peachin, M., Iudex vice Caesaris, 1996; Mangold, O., Iniuria iudicis,
Diss. jur. Tübingen 2004
Iudex non calculat (lat.). Der Richter rechnet nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Macer, frühes 3. Jh., Digesten 49, 8, 1 § 2)
Iudicium (lat. [N.] Urteil, Gericht,
Urteilsgericht) ist im römischen Recht das vom Magistrat den Parteien unter
ihrer Mitwirkung eingesetzte Gericht, in dem der Richter (lat. [M.] iudex) das
Urteil treffen soll (Spruchgericht). Bei einem (lat.) i. stricti iuris (Verfahren
nach strengem Recht) hat der Richter (iudex) kein Ermessen (z. B. Darlehen,
Stipulation) und muss die Gegenseite bereits vor dem Gerichtsmagistrat (in
iure) ihre (lat. [F.]) exceptio vortragen. Anders verhält es sich bei dem (lat.
[F.]) bonae fidei iudicium (Verfahren nach guter Treue).
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, LAW; Cram, K., Iudicium
belli, 1955; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Honsell, H., Quod
interest im bonae fidei iudicium, 1969
Iudicium (N.) parium (mlat.) ist vielleicht schon seit
dem Frühmittelalter das Gericht der im Stand Gleichen (Magna Charta England
1215). Mit dem Schwinden des Gedankens der Notwendigkeit des i. p. geht die
Entstehung des Instanzenzuges einher.
Lit.: Weisse, C., De iudicio parium, 1828; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Iulianus, Publius Salvius (Hadrumetum um
100-um 170), Abkömmling einer aus Italien kommenden Kaufmannsfamilie in
Nordafrika und Schüler Iavolens, wird mit einer eindrucksvollen Ämterlaufbahn
(Quästor, Statthalter, 148 n. Chr. Konsul) zu einem der bedeutendsten römischen
Rechtskundigen der klassischen Zeit. In seinen in den justinianischen Digesten
auszugsweise überlieferten Werken ([90 libri] digesta, libri ad Urseium
Ferocem, liber singularis de ambiguitatibus, quaestiones) erörtert er ohne
verbindenden Text schwierige Einzelfragen. Kaiser Hadrian überträgt ihm die
abschließende Bearbeitung des prätorischen Edikts (um 130). Er ist Oberhaupt
der sabinianischen Rechtsschule.
Lit.: Söllner §§ 15, 16; Köbler, DRG 31; Bund, E.,
Untersuchungen zur Methode Julians, 1965; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 157; Winkler, M., Mathematik und
Logik in Julians Digesten, 2015
Iulianus (Konstantinopel um 554
Einführungsvorlesung in die justinianischen Novellen in lateinischer Sprache)
ist ein byzantinischer Rechtslehrer.
Lit.: Kaiser, W., Die Epitome Iuliani, 2004
Iunius (Marcus Iunius Brutus) ist ein
römischer Rechtskundiger des 2. Jh.s v. Chr., von dem (lat.) libri (M.Pl.) tres
iuris civilis (drei Bücher Zivilrecht) bekannt sind.
iuramentum (lat. [N.]) Eid, Schwur
Lit.: Körner, T., Iuramentum und frühe
Friedensbewegung, 1977
Iura (N.Pl.) novit curia (lat.). Das Gericht kennt das Recht (Papst
Alexander III. [um 1100-1181] Dekretalen 2, 1, 6
Iura (N.Pl.) ossibus inhaerent (lat.). Die Rechte hängen an den
Knochen (Personalitätsprinzip).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Iura praediorum (lat. [N.Pl. zu ius praedii]) sind
im römischen Recht die landwirtschaftlichen und städtischen Servituten (Grunddienstbarkeiten)
wie (lat.) iter (N.), actus (M.), via (F.), aquaeductus (M.), servitus (M.)
stillicidii u. s. w.
Lit.: Kaser § 28 I 2
iuris consultus (lat. [M.]) Rechtsgelehrter
Lit.: Söllner § 11; Diplovatatius, T., De claris iuris
consultis, hg. v. Schulz, F. u. a., 1968
iurisdictio (lat. [F.]) Rechtsprechung,
Gerichtsbarkeit
Lit.: Söllner §§ 6, 9
iurisdictio (F.) voluntaria (lat.) →freiwillige
Gerichtsbarkeit
Lit.: Wacke, A., Zur iurisdictio voluntaria, ZRG RA
106 (1989), 180
Iuris praecepta sunt haec - honeste
vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (lat.). Die Anweisungen des Rechtes
sind: ehrenhaft leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine zugestehen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudoulpian, 3./4. Jh., Digesten 1, 1, 10 § 1); Nörr, D., Iurisperitus
sacerdos, (in) Xenion, FS J. Zepos, 1973, Bd. 1, 555
Ius (lat. [N.]) ist das Recht und (sekundär?) das Gericht.
Die Etymologie dieses Grundwortes ist streitig (nach Seebold verwandt mit ahd.
ewa?). Das Wort kann sowohl objektiv (Gesamtheit von ordnenden Rechtssätzen,
objektives Recht) wie auch subjektiv (Einzelberechtigung, subjektives Recht)
gebraucht werden.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 17, 60, 82; Köbler,
LAW; Levy, E., Ergänzungsindex zu ius und leges, 1930; Noailles, P., Fas et
ius, 1948; Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Feenstra, R., Ius
in re, 1979; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1988ff.; Haug,
F., Ius und fas, 1996; Spengler, H., Studien zur interrogatio in iure, 1994;
Kriechbaum, M., Actio, ius und dominium in den Rechtslehren des 13. und 14.
Jahrhunderts, 1996; Schiavone, A., Ius – L’invenzione del diritto in occidente,
2005
Ius (N.) ad rem (lat.) ist im Mittelalter das mit
dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts entstehende Recht auf die Sache. Es
erscheint in der gelehrten Literatur des 13. Jh.s (Kanonistik [1200-1210],
Summa super usibus feudorum [1230-1250, Jacques de Révigny?]) für den Lehnsmann,
der zwar bereits belehnt ist, das Lehnsgut aber noch nicht körperlich erlangt
hat. Er darf das Gut (auch im Verhältnis zu [bösgläubigen] Dritten) an sich
ziehen. Ähnliches gilt für den Erwerber einer Pfründe. In der frühen Neuzeit
wird das i. a. r. zu dem allgemeinen Grundsatz ausgebaut, dass der spätere
dingliche Erwerber einer Sache dem früheren schuldrechtlichen, dessen Anspruch
er kennt, weichen muss. In einzelnen Regelungen ist das i. a. r. in das
→Allgemeine Landrecht (Preußen 1794) eingegangen. Mit dem preußischen
Eigentumserwerbsgesetz (5. 5. 1872) wird es für unbewegliche Sachen durch die
→Vormerkung ersetzt. Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Österreich
1811/1812) und im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1896/1900)
fehlt es.
Lit.: Hübner 178; Köbler, DRG 126, 164; Brünneck, W.
v., Über den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Heymann, E., Zur Geschichte
des jus ad rem, FS O. Gierke, 1911; Eisfeldt, Beiträge zur Geschichte des ius
ad rem, Diss. jur. Kiel 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966, 121; Landau, P., Zum Ursprung
des „ius ad rem“ in der Kanonistik, Proceedings of the Third International
Congress of Medieval Canon Law, 1971, 81; Wesener, G., Dingliche und
persönliche Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer,
1991, 195; Michaels, R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002
Ius (N.) Aelianum ist im römischen Recht das von dem
frühen Rechtskundigen Sextus Aelius Paetus Catus (198 v. Chr.) zusammengefasste
Recht.
Lit.: Söllner § 11; Köbler, DRG 29
Ius (N.) affectandi (lat.) ist das im (lat.)
→privilegium (N.) minus (1156) dem babenbergischen Herzog Heinrich
Jasomirgott von Österreich und seiner Frau (nicht den Nachfolgern) gewährte
Recht, bei Kinderlosigkeit den Nachfolger zu bestimmen. Es wird im gefälschten
(lat.) privilegium (N.) maius (1358) vom Fälscher auf alle österreichischen
Herzöge erweitert.
Lit.: Baltl/Kocher
Ius (N.) armorum (lat.) ist im Heiligen römischen
Reich in der Neuzeit das Recht, ein Heer
zu unterhalten.
Lit.: Oestreich, G., Zur Heeresverfassung der deutschen
Territorien von 1500-1800, (in) Forschungen zu Staat und Verfassung, 1958, 419
Ius (N.) canonicum (lat.) (kanonisches Recht) ist das
seit etwa 1140 im →Decretum Gratiani und den folgenden Teilen des (lat.)
→corpus (N.) iuris canonici niedergelegte kirchliche oder geistliche
Recht.
Lit.: Köbler, DRG 106; Maaßen, F., Geschichte der
Quellen und Literatur des canonischen Rechts, Bd. 1 1870, Neudruck 1956; Corpus
iuris canonici, hg. v. Friedberg, E., 1879ff., Neudruck 1955, 1959; Codex iuris
canonici, hg. v. Gasparri, 1917; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950,
5. A. 1972; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Codex des kanonischen Rechtes, 1983, 2. A. 1984;
Zapp, H., Codex iuris canonici, Lemmata, 1986
Ius (N.) civile (lat.) ist das Recht der römischen
Bürger im Gegensatz zum (lat.) ius (N.) gentium und zum (lat.) ius (N.)
honorarium (bzw. praetorium). Es beruht auf dem Zwölftafelgesetz, auf den
Volksgesetzen und der daran anknüpfenden Auslegung (der Rechtskundigen). Im
Frühmittelalter ist i. c. das weltliche Recht im Gegensatz zum (lat.) ius (N.)
canonicum, seit dem Hochmittelalter auch das Stadtrecht im Gegensatz zum
Landrecht (lat. ius [N.] terrae). Im 18. Jh. entspricht dem i. c. das
bürgerliche Recht (Privatrecht). Unter dem Einfluss von i. c. ersetzt
Zivilrecht zunehmend den Ausdruck Privatrecht.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 9, 16, 18, 20, 25;
Köbler, DRG 29, 30, 31, 106; Köbler, G., Civis und ius civile im deutschen
Frühmittelalter, Diss. jur. Göttingen 1964; Wolter, U., Ius canonicum in iure
civili, 1975; Kaser, M., Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
Ius (N.) civile Flavianum (lat.) ist das 304 v. Chr. von
Gnaeus Flavius veröffentlichte römische Recht.
Lit.: Köbler, DRG 29
Ius (N.) cogens (lat.) ist das zwingende und damit
von den Beteiligten nicht abänderbare Recht (z. B. Eheschließungsrecht) im
Gegensatz zum durch die Beteiligten abänderbaren Recht (lat. ius [N.] dispositivum,
z. B. gesetzliches Erbrecht).
Lit.: Kaser § 3 II
Ius (N.) commune (lat.) ist das gemeine Recht im
Gegensatz zum besonderen Recht. Im Altertum hat i. c. keine besondere
Bedeutung. Seit der Wiederentdeckung des römischen Rechtes im Hochmittelalter
benennt es das römische Recht (und das kanonische Recht) im Gegensatz zum
besonderen Recht einzelner Orte (Städte) oder Gebiete (Länder). Es wird erst
durch die Kodifikationen von 1794 (Preußen), 1804 (Frankreich) und 1811ff.
(Österreich und andere) abgelöst.
Lit.: Kaser § 3 VI; Söllner §§ 2, 3, 25; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 137; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Helmholz, R., The
ius commune in England, 2002; Bellomo, M., Europäische Rechtseinheit, 2005
Ius (N.) divinum (lat.) ist das göttliche Recht. Es
ist im Christentum schon früh als vorrangig anerkannt. Es wird der göttlichen
Offenbarung der Bibel und im weiteren Sinn auch dem Naturrecht entnommen. Das
i. d. positivum ist unabänderlich (hierarchische Gliederung, Gewalt,
Sakramente). Das i. d. naturale, das durch die menschliche Vernunft erkannt
wird, ist zwar auch grundsätzlich unabänderlich, aber entsprechend der
menschlichen Vernunft in seiner Anwendung Schwankungen unterworfen. Das
menschliche Gesetz darf nicht gegen das i. d. verstoßen. Im 19. Jh. wird das i.
d. teilweise nur als moralische Anweisung eingeordnet, die erst in Rechtssätze
überführt werden muss.
Lit.: Rößer, E., Göttliches und menschliches, unveränderliches
und veränderliches Kirchenrecht, 1934; Plöchl, W., Das Legitimitätsproblem und
das kanonische Recht, 1938; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius est ars boni et aequi (lat.). Das Recht ist die Kunst
(bzw. das Handwerk) des Billigen und Gerechten.
Lit.: Liebs, A., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140)
Ius (N.) evocandi (lat.) ist im Heiligen römischen
Reich das Recht des Königs, jede
Streitsache zur Entscheidung an sich zu ziehen (Evokationsrecht). Seit dem 13.
Jh. erteilt der König vereinzelt, 1356 den Kurfürsten allgemein das Privileg,
dieses Recht nicht in Bezug auf das privilegierte Land zu nutzen. 1487 bzw.
1495 verliert das Nichtevokationsprivileg grundsätzlich seine Bedeutung, weil
das königliche Gericht keine Zuständigkeit für reichsmittelbare Menschen mehr
hat.
Lit.: Eisenhardt, U., Die Rechtswirkungen der in der
Goldenen Bulle genannten privilegia de non evocando et appellando, ZRG GA 86
(1969), 75
Ius (N.) foederis (lat.) bzw. ius faciendi foedera
ist das seit 1648 allen Gliedern des Heiligen römischen Reiches zustehende →Bündnisrecht.
Ius (N.) gentium (lat.) (Fremdenrecht) ist im
römischen Recht seit Cicero (106-43 v. Chr.) das (römische, bei allen Völkern -
für alle Rechtssubjekte - auch) für Nichtrömer geltende Recht (Recht der
Völker), das nach späterer Ansicht auf der natürlichen Einsicht aller Völker
beruht und dem (lat.) ius (N.) naturale (→Naturrecht) nahesteht. Es wird
vom römischen (lat. [M.]) praetor peregrinus (Fremdenprätor) angewendet, wenn
mindestens ein Fremder (lat. [M.] peregrinus) beteiligt ist. Es gewinnt in der
frühen Neuzeit für das Naturrecht erneute Bedeutung.
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 18, 20; Köbler, DRG
30, 31, 146; Kaser M., Ius gentium, 1993
Ius (N.) honorarium (lat.) ist im römischen Recht das
von den Amtsträgern (Prätoren) geschaffene Recht (lat. [N.] ius praetorium),
das vorwiegend den Bereich des Rechtes der Völker (lat. ius [N.] gentium)
betrifft (z. B. bonorum possessio bei bloßer traditio von res mancipi).
Lit.: Kaser §§ 2, 3; Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20;
Köbler, DRG 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kaser, M.,
Ius honorarium und ius civile, ZRG RA 101 (1984), 1
ius (N.) in re (lat.) Recht in der Sache
Lit.: Wesener, G., Dingliche und persönliche
Sachenrechte - iura in re und iura ad rem, FS H. Niederländer, 1991, 195
iusiurandum (lat. [N.]) Eid
iusiurandum (N.) calumniae (lat.) Schikaneeid,
→Kalumnieneid
ius (N.) liberorum (lat.) Recht der Frau nach der
Geburt mehrerer Kinder (z. B. Befreiung von Geschlechtsvormundschaft)
Ius (N.) naturale (lat.) ist das von der Natur dem
Menschen vorgegebene Recht (griech. physei dikaion). Es steht im Gegensatz zum
vom Menschen geschaffenen Recht, insbesondere dem gesetzten Recht (griech.
thesei dikaion). →Naturrecht
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 31, 146; Waldstein,
W., Ius naturale, ZRG RA 111 (1994), 1
Ius (N.) offerendi (lat.) ist das Recht anzubieten (z. B. des
nachrangigen Pfandgläubigers, der die Ablösung der Forderung eines
vorrangigen Pfandgläubigers nachrückt).
Ius (N.) Papirianum ist das durch zweifelhafte
Königsgesetze geschaffene, am Ende des 6. Jh.s v. Chr. von dem Oberpriester
Papirius veröffentlichte, aber nicht überlieferte römische Recht.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
ius (N.) perpetuum (lat.) Dauerpacht
Ius (N.) politiae (lat.) ist in der frühen Neuzeit
die Polizeigewalt des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Ius
(N.) positivum ist
das gesetzte Recht im Gegensatz zum ungesetzten Recht. Die Bezeichnung fehlt im
Altertum. Sie findet sich in Abgrenzung zu ius naturale um 1170 bei Kanonisten
in Frankreich und fällt anscheinend mit der Wiederentdeckung der Möglichkeit,
Recht bewusst zu setzen, ungefähr zusammen,
Lit.: Kuttner, S., Sur les origines du terme „droit
positif“ (in) RHDFE 15 (1936), 728ff.
Ius (N.) praetorium (lat.) ist das vom römischen
Prätor geschaffene Amtsrecht (lat. [N.] ius honorarium).
Lit.: Söllner §§ 7, 8, 9, 15, 20; Köbler, DRG 31
Ius (N.) primae noctis (lat.) ist das nur vereinzelt
belegte, (als geldlich ablösbar erklärte) Recht des Grundherrn (Hirslanden
1538, Muri 1543) auf die erste Nacht einer heiratenden Hintersassin.
Lit.: Schmidt, K., Ius primae noctis, 1881; Boureau,
A., Das Recht der ersten Nacht, 1996; Wettlaufer, J., Das Herrenrecht der
ersten Nacht, 1999; Ogris, W., Gesinderecht und ius primae noctis in Mozarts Le
nozze di Figaro (in) Wiener Staatsoper, Wolfgang Amadeus Mozart Le nozze di
Figaro, 2011, 49
Ius (N.) privatum (lat.) ist im römischen Recht nach
einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] privatum [ius
est], quod ad singulorum utilitatem [spectat]) das Recht, das den Nutzen des
Einzelnen belangt. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der Neuzeit
abgesonderte →Privatrecht.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner §§ 7, 18; Köbler, DRG 54;
Kaser, M., Ius publicum und ius privatum, ZRG RA 103 (1986), 1
Ius (N.) publicum (lat.) ist im römischen Recht nach
einer Ulpian (170?-223) zugeschriebenen Beschreibung ([lat.] publicum ius est,
quod ad statum rei Romanae spectat) das Recht, das die Verhältnisse des
römischen Gemeinwesens betrifft. Es bildet die Grundlage für das zu Beginn der
Neuzeit vor allem von protestantischen Juristen abgesonderte öffentliche Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 II, 17 II; Söllner §§ 7, 18;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 54; Kaser, M., Ius publicum und ius privatum,
ZRG RA 103 (1986), 1; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988
Ius (N.) quaesitum (lat.) ist in der frühen Neuzeit
das subjektive, gerichtlich geschützte Recht, das eine Person durch einen
Rechtsvorgang im Rahmen der bestehenden Rechtsordnung erlangt hat (z. B.
Konzession).
Lit.: Meyer, G., Der Staat und die erworbenen Rechte,
1895
Ius (N.) Quiritium (lat.) ist das (lat.) →ius
(N.) civile der römischen Bürger.
Lit.: Kaser § 22; Söllner § 9
Ius (N.) reformandi ist im neuzeitlichen Heiligen
römischen Reich das Recht des
Landesherrn bzw. Staates, die Religionsangelegenheiten rechtlich zu gestalten.
Es wird im Frieden von Münster und Osnabrück 1648 ausdrücklich anerkannt. Seit
dem 19. Jh. wird es eingeschränkt.
Lit.: Bonin, B. v., Die praktische Bedeutung des ius
reformandi, 1902; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Ius (N.) respondendi (lat.) ist das vom Prinzeps Augustus (27 v.
Chr.-14 n. Chr.) einzelnen Rechtskundigen des römischen Rechtes verliehene
Recht, in seinem Namen auf Anfragen zu antworten.
Ius (N.) reservatum (lat.) ist in der frühen Neuzeit
das (dem Kaiser) vorbehaltene Recht (z. B. Gesetzesinitiative im Reichstag,
Adelsverleihung) im Gegensatz zu dem nur gemeinsam mit dem Reichstag
ausübbaren ius comitiale. Für das (lat.) ius reservatum limitatum
(eingeschränktes Reservatrecht) bedarf der Kaiser der Zustimmung der Kurfürsten
(z. B. Verhängung der Reichsacht, Einberufung des Reichstags, Erteilung von
Münzrechten oder Zollrechten). Aus den Rechten des Monarchen wird im 19. Jh.
die Prärogative der Krone.
Lit.: Pratje, J., Die kaiserlichen Reservatrechte,
Diss. jur. Erlangen 1957 (masch.schr.)
Ius Romanum allegans fundatam habet
intentionem
(lat.). Wer sich auf römisches Recht beruft, hat eine brauchbare Klagegrundlage.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre,
1977, 1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ius (N.) spolii (lat.), Spolienrecht, ist der
frühere Anspruch des Staates auf das bewegliche Vermögen verstorbener
kirchlicher Würdenträger.
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
ius (N.) strictum (lat.) strenges Recht, das durch (lat. [F.])
aequitas gemildert werden kann
ius (N.) terrae →Landrecht
ius (N.) territorii et superioritatis (lat.) Landeshoheit
Ius (N.) teutonicum (lat.) ist im Mittelalter (12./13.
Jh.) das deutsche Recht als ein deutschen Siedlern von slawischen Fürsten
gewährtes freieres Grundbesitzrecht im Osten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Die Anfänge
des deutschen Rechtes, Ber. ü. d. Verh. d. sächs. Akad. d. Wiss. Leipzig phil.-hist.
Kl. 93 1941, H. 2
Ius (N.) tollendi (lat.) ist im römischen Recht das
Wegnahmerecht (z. B. des im Rechtsstreit unterlegenen
Besitzers bezüglich nicht zu ersetzender, abtrennbarer Aufwendungen).
Lit.: Kaser §§ 26, 27
Ius (N.) transitus (lat.) ist das Durchzugsrecht
durch fremdes Staatsgebiet zu →Enklaven.
Ius (N.) utrumque (lat.) ist seit dem 12. Jh. eine
Bezeichnung für das (lat.) ius (N.) canonicum und das (lat.) ius (N.) civile.
Beide Rechte lehrt vielleicht als erster Bazianus (1197) in Bologna. Seit der
Neuzeit betrifft das juristische Studium regelmäßig beide Rechte (→[lat.]
doctor [M.] iuris utriusque), doch schwindet das kanonische (kirchliche) Recht
an den juristischen Fakultäten im 20. Jahrhundert weitgehend.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962; Utrumque ius, hg. v. Schrage, E., 1992
Ius (N.) vitae necisque (lat.) ist im römischen Recht das
Recht des Herrn über Leben und Tod eines Menschen (z. B. lat. [M.] servus,
untreue Ehefrau).
Lit.: Kaser § 12, 58, 60; Söllner §§ 5, 8
iusiurandum ([lat.] N.) Eid
iussum (lat. [N.]) Geheiß (z. B. an einen
Gewaltunterworfenen auf Erwerb einer Sache), Ermächtigung (z. B. an den
Geschäftspartner eines Gewaltunterworfenen)
Iusta causa (lat. [F.]) ist im römischen Recht
der anerkannte Zuwendungszweck (z. B. Kauf, Mitgift) für die Übergabe (lat.
traditio [F.]) einer Sache. Fehlt die i. c., kann kein Eigentum übertragen
werden.
Lit.: Kaser § 24 IV; Söllner § 8; Köbler, DRG 40
Iustitia (lat. [F.]) ist die Gerechtigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 30; Kissel, O., Die Justitia, 1984,
2. A. 1997; Degen, B., Justitita ist eine Frau, 2008; Ostwaldt, L., Aequitas
und Justitia, 2009; Schmoeckel, M., Die Jugend der Justitia, 2013
Iustitia est constans et perpetua voluntas
suum cuique tribuendi
(lat.). Gerechtigkeit ist der stetige und fortdauernde Wille, jedem das Seine
zu geben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007,
106, Nr. 195 (Pseudoulpian, 3./4. Jh., Institutionen 1, 1, pr.)
Iustum bellum (lat. [N.]) ist der
→gerechte Krieg.
Iustum pretium (lat. [N.]) ist im römischen Recht
der gerechte Preis. Im spätantiken römischen Recht (Ende 3. Jh.s, C. 4. 44. 2,
C. 4. 44. 8) kann in klarem Gegensatz zu den spätklassischen Rechtskundigen der
Verkäufer einer Sache den Kaufvertrag anfechten und gegen Rückzahlung des
Preises die Rückgabe der Sache verlangen, wenn der Preis geringer ist als die
Hälfte des Wertes und der Käufer nicht den auf den gerechten Preis fehlenden
Betrag nachzahlt (lat. laesio [F.] enormis). Allerdings ist das i. p. schwer zu
bestimmen. 1234 übernimmt die Kirche die spätantike Lehre vom i. p. Christian
Thomasius bezweifelt die Möglichkeit eines gerechten Preises. Im 19. Jh. wird
die noch im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811/1812)
bejahte Vorstellung des i. p. durch den Liberalismus wieder zurückgedrängt.
Schützend wirken § 138 BGB (Sittenwidrigkeit, 1900) und Verbraucherschutzbestimmungen
am Ende des 20. Jh.s.
Lit.: Köbler, DRG 64; Baldwin, J., The medieval
theories of the just price, 1959; Ruland, L., Die moraltheologische Lehre vom
gerechten Preis, 2. A. 1951; Otte, G., Das Privatrecht bei Francisco de
Vitoria, 1964; Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis im
Spätmittelalter, FS G. Küchenhoff, 1967, 247; Der gerechte Preis, 1982; Marazzi,
L., Das iustum pretium, 1999; Becker, C., Die Lehre von der laesio enormis,
1993; Göttlicher, D., Iustum pretium und Vertragsgerechtigkeit, 2004
Ivo Helori, Ivo von Hélory, (Kermartin 17.
10. 1253 [1247?, 1250?]-19. 5. 1303), Sohn eines Landadligen, wird nach dem
13jährigen Studium von Theologie und Recht in Paris und Orléans Offizial und
Priester. Vielleicht wegen seiner Gerechtigkeitsliebe und Verwechslungen mit
→Ivo von Chartres ist er Standespatron der Juristen und volkstümlicher
Heiliger der Gerechtigkeit.
Lit.: Moeller, E. v., Der heilige Ivo, HV 20 (1909),
321; Schott, C., Patrone und Siegel der Freiburger Juristenfakultät, Freib.
Univ.bll. 2 (1962), 32; Burmeister, K., Der heilige Ivo und seine Verehrung an
den deutschen Rechtsfakultäten, ZRG GA 92 (1975), 60; Rieck, A., Der heilige
Ivo von Hélory, 1998
Ivo von Chartres (um 1046-1116) wird nach dem
Studium in Paris und Bec 1090 Bischof von Chartres. Er verfasst eine (lat.)
Collectio (F.) trium partium (Sammlung dreier Teile), ein (lat. [N.]) Decretum
und (str,) eine achtbändige (lat. [F.]) Panormia, in denen er Kanones und
Dekretalen sammelt und dadurch →Gratian erheblich beeinflusst.
Lit.: Sprandel, R., Ivo von Chartres, 1962; Ways of Mercy,
hg. v. Brasington, B., 2004; Violi, S., Il prologo di Ivo di Chartres, 2006;
Rolker, C., Ivo von Chartres and the Panprmia (in) MMCL 28 (1008/2010) 39
J
Jaca ist der 1076 von König Sancho Ramírez gegründete, mit
einem →Fuero begabte Sitz des Königs von Aragón.
Lit.: Nelson, L., The foundation of Jaca, Speculum 53
(1978), 688
Jacobus Balduini ist der in Bologna geborene, 1213 den
Professoreneid ablegende, 1229 zum Podestà von Genua gewählte, wohl am 10. 4.
1235 verstorbene Glossator (Schüler Azos), von dem Glossen zum Codex und zu den
Digesten, De instructione advocatorum, De primo et secundo decreto, De
fratribus habitantibus und kleinere Schriften stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 286
Jacobus Butrigarius ist ein in Bologna etwa 1273 geborener, in
Bologna lehrender, am 9. 4. 1348 verstorbener Jurist (lecturae, commentaria,
Traktate, quaestiones, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 621
Jacobus Columbi ist ein unsicher bezeugter Glossator, der
vielleicht einen Glossenapparat zu den libri feudorum und eine Summa feudorum
verfasst hat.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 282
Jacobus de Ardizone ist der aus Verona stammende, im früheren 13.
Jahrhundert wirkende Glossator (Schüler Azos), von dem die ardizonische
Rezension der Libri feudorum, eine Summa feudorum und eine Summa de
decurionibus stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 278
Jacobus de Arena ist ein wohl aus Parma gebürtiger, vielleicht
zwischen 1230 und 1240 geborener Jurist (Lecturae, Additiones, Tractatus).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 435
Jacobus de Belvisio ist ein wohl in Bologna um 1270 geborener, in
Bologna ausgebildeter, in Neapel promovierter und dort und später in Bologna,
Padua, Siena, Perugia und schließlich in Bologna lehrender Jurist (lecturae,
additiones, casus, Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 6113
Jacobus de Porta Ravennate (Bologna um
1115-11. 10. 1178) ist einer der sog. (lat.) quattuor doctores (M.Pl.) des 12.
Jh.s in Bologna, die 1158 auf dem Reichstag in Roncaglia auftreten. Von ihm
stammen Glossen, Distinktionen, Summulae, Disputationen und möglicherweise der
erste größere strafrechtliche Traktat der Glossatorenzeit (Tractatus
criminum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 62; Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes,
1974; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 178
Jacobus de Ravanis (Jacques de Révigny)
(1230/1240-1290) wird nach dem Rechtsstudium in Orléans dort bis 1280 Professor
und 1289 Bischof von Verdun. Neben verschiedenen Vorlesungen (lecturae) über
die justinianischen Texte stammt vielleicht ein Rechtswörterbuch (lat. Dictionarium
[N.] iuris) von ihm.
Lit.: Köbler, DRG 126; Waelkens, L., La théorie de la
coutume chez Jacques de Révigny, 1984; Bezemer, C., Les répétitions de Jacques
de Révigny, 1987; Bezemer, C., What Jacques saw, 1997; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 518
Jacques de Révigny →Jacobus de Ravanis
Jagd ist das Erlegen und Fangen jagdbarer Tiere nach den
Regeln des Jagdrechts. Ursprünglich ist die J. frei. Streitig ist, seit wann
danach das Recht zur J. mit dem Eigentum am Grundstück verbunden wird. Im
Frühmittelalter erklärt der König die J. im (eingehegten) →Forst zum
königlichen Recht (→Regal). Im Hochmittelalter geht das allmählich erweiterte
Regal auf den Landesherrn über. Der Bauer wird von der J. ausgeschlossen,
wogegen er sich zu Beginn der Neuzeit (→Bauernkriege) vergeblich wehrt.
Der Landesherr behauptet daneben die Jagdhoheit als das Recht, die J. rechtlich
zu gestalten (Jagdverordnung, Jagdstrafrecht). 1789 wird in Frankreich, 1848 in
der deutschen Verfassung das Jagdregal durch die Jagdberechtigung des
Grundeigentümers ersetzt. Wegen der tatsächlichen Folgen wird wenig später
(Preußen 1850, 1907) zwischen dem Jagdrecht als dem Aneignungsrecht des
Grundstückeigentümers (Eigenjagdbezirke oder Jagdgenossenschaftsjagdbezirke)
und der Jagdausübungsberechtigung (auf Grund eines Jagdscheins) unterschieden.
Lit.: Hübner 287; Köbler, DRG 90, 113; Roth, K.,
Geschichte des Forst- und Jagdwesens in Deutschland, 1879; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des altpreußischen Jagd- und Fischereirechts, ZRG GA 39 (1918), 88;
Lindner, K., Die Jagd im frühen Mittelalter, 1940; Hagenbach, B., Beiträge zur
Geschichte des Jagdrechtes auf dem Gebiete der Schweiz, 1972; Eckardt, H.,
Herrschaftliche Jagd, 1976; Kohl, G., Jagd und Revolution, 1993; Jagd und
höfische Kultur, hg. v. Rösener, W., 1997; Über die Jagd, hg. v. d. bay. Ak. d.
Wiss., 2002; Almond, R., Medieval Hunting, 2003; Rösener, W., Die Geschichte
der Jagd, 2004; Theilemann, W., Adel im grünen Rock, 2004; Knoll, M., Umwelt –
Herrschaft, Gesellschaft, 2004; Manfredini, A., Chi caccia e chi è cacciato,
2006; Schennach, M., Jagdrecht, Wilderei und gute Policey, 2007; Suter, R., Par
force. Jagd und Kritik. 2015; Hofjagd, Weidwerk, Wilderei, hg. v. Krethlow,
C.2015
Jahr und Tag (lat. annus [M.] et dies) ist eine
im deutschen Mittelalter häufige Zeitbestimmung unklarer Herkunft, die
erstmals in Formeln der Jahre 769-775 erscheint. Nach umstrittener Ansicht ist
damit von Anfang an die im 14. Jh. ausdrücklich belegte Frist von einem Jahr, 6
Wochen und 3 Tagen zu verstehen. Nach J. u. T. erlangt beispielsweise der
unangesprochene Erwerber eines Grundstücks die rechte →Gewere. Nach
anderer Ansicht ist mit J. die Zeit von 13 Mondmonaten zu 28 Tagen und einem
zusätzlichen, auf das Sonnenjahr von 365 Tagen fehlenden Tag gemeint.
Lit.: Hübner 17; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fockema Andreae, S., Die Frist von
Jahr und Tag und ihre Wirkung in den Niederlanden, ZRG GA 14 (1893), 75;
Puntschart, P., Zur ursprünglichen Bedeutung von „Jahr und Tag“, ZRG GA 323
(1911), 328; Klein-Bruckschwaiger, Franz, Jahr und Tag, ZRG GA 67 (1950), 441;
Hardenberg, L., Zur Frist von Jahr und Tag, ZRG GA 87 (1970), 287
Jahresgeschenk (lat. donum [N.] annuale) ist eine
schon im Frühmittelalter bezeugte Gabe Einzelner an den König, die einen nicht
durchgesetzten Ansatzpunkt zur Entwicklung der →Steuer bildet.
Jahrgebung (lat. venia [F.] aetatis) ist die
Mündigmachung durch Erklärung. Sie kommt aus dem römischen Recht, erscheint im
13. Jh. und steht zunächst allein dem Kaiser zu. Mit der Aufnahme des römischen
Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die römischrechtliche Einrichtung der
(lat.) venia (F.) aetatis vollständig aufgenommen. Als Volljährigkeitserklärung
erscheint sie im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900).
Lit.: Hübner; Kraut, W., Die Vormundschaft, Bd. 2
1847, 86, 168; Suchier, W., Geschichte der venia aetatis in Deutschland vor
1900, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1907
Jakob Ben Ascher (Deutschland um 1270-Toledo 1343)
verfasst nach seiner 1303 erfolgten Auswanderung eines der bedeutendsten
jüdischen Rechtsbücher des Mittelalters (Arba ’at ha-Turim, vierteilig). Es
betrifft Gebete und Feiertage, Sklaven, Speisen und Eide, Frauen und Ehe, sowie
Diebstahl, Erbe, Vertrag und Verfahren. Verarbeitet sind neben →Talmud
zahlreiche Rechtsquellen.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A.
1988, 1058
Japan ist der östlich des Festlands
Eurasiens auf Inseln gelegene, ostasiatische, bis zum 5. Jh. schriftlose, in
Europa seit dem 15. Jh. (und im 16. und 17. Jh. über Portugiesen) bekannter
werdende Staat, dessen überkommenes, aus China stammendes Recht, das z. B. in
einem Verfahrensrechtsbuch von etwa 1220 (Goseibai-Shikimoku) überliefert ist,
nach der von den Vereinigten Staaten von Amerika 1853 erzwungenen Öffnung des
Landes (Handelsvertrag von Kanagawa 31. 3. 1854) seit 1858 Europa angenähert
und am Ende des 19. Jh.s (Meiji-Verfassung 1889) grundlegend vom europäischen
Recht (Frankreich [Strafgesetzbuch 1880/1882, 1907/1908, Strafprozessordnung],
Deutschland [Verfassung, Handelsgesetzbuch 1890/9, Bürgerliches Gesetzbuch -
1890 französisch geprägtes altes Bürgerliches Gesetzbuch verkündet, aber nach
Kodifikationsstreitigkeiten nicht in Kraft getreten, durch Hozumi, Tomii und
Ume stärker deutsch geprägtes - Meiji - Bürgerliches Gesetzbuch 1896/1898])
beeinflusst wird (→Boissonade, Hozumi, →Inoue, →Roesler).
Lit.: Köbler, DRG 184; Gonthier, A., Histoire des
institutions Japonaises, 1956; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des
europäischen Zivilrechts in Japan, 1970; Murakami, J., Einführung in die
Grundlagen des japanischen Rechts, 1974; Siemes, J., Die Gründung des modernen
japanischen Staates, 1975; Tanaka, H., The Japanese Legal System, 1976;
Kroeschell, K., Das moderne Japan und das deutsche Recht, (in) Japans Weg in
die Moderne, hg. v. Martin, B., 1987, 45; Die Japanisierung des westlichen
Rechts, hg. v. Coing, H. u. a., 1990; Die Einwirkung der Rezeption westlichen
Rechts auf die sozialen Verhältnisse in der fernöstlichen Rechtskultur, hg. v.
Scholler, H., 1993; Inoue, K., Geschichte Japans, 1993; Das Japanische im
japanischen Recht, hg. v. Menkhaus, H., 1994; Eckey-Rieger, A., Der
Kodifikationsstreit zum japanischen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1994; Hartmann,
R., Geschichte des modernen Japan, 1996; Ishibe, M., Die Verwestlichung des
japanischen Rechtsdenkens, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schenck, P., Der deutsche Anteil, 1997; Takii, K., Doitsu Kokkagaku to Meiji
Kokusei (Die deutsche Staatswissenschaft und die Meiji-Verfassung), 1999;
Bruns, G., Die japanische Demokratie, 1999; Marutschke, H., Einführung in das
japanische Recht, 1999; Takii, K., Das Japanbild der deutschen Juristen während
der Meiji-Zeit, Zinbun 1999, 107; Akamatsu, H., Bezugnahmen auf das deutsche
BGB, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 651; Ando, J.,
Die Entstehung der Meiji-Verfassung, 2000; Georg Michaelis. Ein preußischer
Jurist im Japan der Meiji-Zeit, hg. v. Becker, B., 2001; Ishibe, M., Nobushige
Hozumi und die japanische Rechtswissenschaft in der Meiji-Zeit, 2001; Pohl,
M., Geschichte Japans, 2002; Rabinovitz, R., Japan’s foreign investment law of
1950, 2003; Ishibe, M., Neuere deutsche Rechtsgeschichte in Japan, ZNR 27
(2005), 62; Zöllner, R., Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2006;
Fröhlich, J., Rulers, Peasants and the Use of the Written Word in Medieval
Japan, 2007; Shimazu, N., Japanese Society at War, 2009; Krebs, G., Das moderne
Japan 1868-1952, 2009; Ostasiatisches Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010;
Krebs, G., Japan im pazifischen Krieg, 2010; Kleine Geschichte Japans, hg. v.
Kreiner, J., 2010; Vogl, S., Rechtsprechung und Zivilrechtsmethodik, ZRG GA
129 (2011), 268; Kleine, C., Der Buddhismus in Japan, 2011; Yamanaka, K.,
Geschichte und Gegenwart der japanischen Strafrechtswissenschaft, 2012;
Zachmann, U., Völkerrechtsdenken und Außenpolitik in Japan, 1919-1960, 2013;
Heè, N., Imperiales Wisse3n und koloniale Gewalt – Japans Herrschaft in Taiwan
1895-1945, 2012; Flick, U., Identitätsbildung durch Geschichtsschulbücher,
2014; Staatsverständnis in Japan 2016, hg. v. Takii, K. u. a., 2016; Jacob, F.,
Tsushima 1905, 2017
Jarl (lat. [M.] dux, comes, praefectus) ist im
altnordischen Recht der Held, Häuptling oder Fürst. In Norwegen wird der
weltliche Titel eines J. 1308 weitgehend beseitigt. In Schweden erscheint er
von der Mitte des 12. Jh.s bis zur Mitte des 13. Jh.s, in Dänemark um 1400.
Lit.: Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen
Verfassungsgeschichte, 1933; Meißner, R., Das norwegische
Gefolgschaftsrecht, 1938; Jorgensen, P., Dansk Retshistorie, 2. A. 1947;
Sawyer, P., The Making of Sweden, 1989
Jarnsida (Eisenseite) ist das 1271/1273
unter norwegischer Herrschaft (1262/1264) in →Island eingeführte Recht.
Es beruht auf Gulathinglög und →Gragas. 1281 wird die J. durch die
→Jonsbok ersetzt.
Lit.: Corpus codicum Islandicorum, Bd. 9 1936;
Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011, 246
Jasomirgott ist ein erst seit dem Spätmittelalter
belegter, vielleicht aus dem Arabischen kommender (verballhornter) Beiname
Heinrichs II. (von Babenberg, 1107/1108-13. 1. 1177).
Lit.: Eheim, F., Zur Geschichte der Beinamen der
Babenberger, Unsere Heimat 26 (1955), 157
Jason de Mayno (Pesaro 1435-Pavia 1519),
außerehelicher Sohn eines Adligen aus Mailand, wird nach dem Rechtsstudium in
Bologna (Alexander de Tartagnis bzw. Tartagnus) 1467 Professor in Pisa, 1485-1488
in Padua, 1489 in Pisa. Neben zahlreichen (414) Gutachten verfasst er
umfangreiche Kommentare zu einzelnen Stellen der justinianischen Rechtstexte.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel
secolo XV, 1986, 221; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 881
Jedem das Seine.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 285 ([Beyer 1985] lat. suum cuique)
Jefferson, Thomas (1743-1826) wird nach dem
Rechtsstudium am William and Mary College (1760-1762) und einer praktischen
Ausbildung 1767 Anwalt und Politiker, Gouverneur, Gesandter in Frankreich,
Außenminister und 1801 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Er ist
maßgeblich verantwortlich für die amerikanische →Bill of Rights 1791 und
die Einschränkung der amerikanischen Zentralgewalt.
Lit.: Cunningham, N., In Pursuit of Reason, 1987; A
Companion to Thomas Jefferson, hg. v. Cogliano, F., 2012
Jellinek, Georg (Leipzig 16. 6.
1851-Heidelberg 12. 1. 1911), Sohn eines Rabbiners und
Religionswissenschaftlers, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und
Leipzig 1883 außerordentlicher Professor für Staatsrecht in Wien, 1889
ordentlicher Professor in Basel und 1891 in Heidelberg. Sein erfolgreichstes
Werk ist die dem System der subjektiven öffentlichen Rechte (1892) folgende
Allgemeine Staatslehre (1900). Sie erfasst den Staat einerseits als soziale
Erscheinung (sozial-empirisches Sein) und andererseits als Rechtsordnung (normatives
Sollen).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 242; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft,
hg. v. Heinrichs, H. u. a.,1993, 355; Kempter, K., Die Jellineks, 1998;
Kersten, J., Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 2000; Georg
Jellinek, hg. v. Paulson, S. u. a., 2000; Keller, C., Victor Ehrenberg und
Georg Jellinek Briefwechsel 1872-1911, 2005; Jellinek, Georg, Allgemeine
Staatslehre und Politik – Vorlesungsnachschrift, 2015; Faktizität und
Normativität – Georg Jellineks freiheitliche Verfassungslehre, hg. Brugger, W.
u. a., 2016
Jena ist der um die Mitte des 9. Jh.s (830-850)
erscheinende Ort der Thüringer, der um 1230 Stadt wird. Ein mittelalterliches
Schöffenkollegium fehlt dort. 1548 erhält J. (im ernestinischen Sachsen) eine
hohe Schule und 1556/1557/1558 eine Universität, neben der 1569 ein mit
gelehrten Juristen besetzter Schöppenstuhl (juristische Fakultät als Spruchkollegium
im Gegensatz zur Fakultät als Gremium für Gutachten) erwähnt wird (mit bis zu
500 Akteneingängen im Jahr). Mit Jena verbunden sind etwa Dominicus Arumäus
(1579-1673), Johannes Limnäus (1592-1663), Matthäus Wesenbeck (1531-1586),
Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1840), Paul Johann Anselm von Feuerbach
(1775-1833), Hans Adolf Fehr (1874-1961), Heinrich Lehmann (1876-1963), Justus
Wilhelm Hedemann (1878-1963) oder Hans Carl Nipperdey (1895-1968). 1945 wirken
dort Max Hildebert Boehm (1934-1945), Richard Karl Gustav Lange (1939-1949),
Walter Krusch (1939-1945/1946), Gerhard Gustav Theodor Wacke, (1940-1945), Falk
Alfred Ruttke (1940-1945), Hermann Martin Drath (1945-1947), Hermann Arnold
Schultze von Lasaulx (1935-1941/1945-1947).
Lit.: Kühn, W., Die Entwicklung, insbesondere die
Anfänge des Jenaer Stadtgerichts, 1938; Mühlmann, O., Untersuchungen zum
Geschoßbuch der Stadt Jena vom Jahre 1406, 1938; Die Matrikel der Universität
Jena, Bd. 1ff., bearb. v. Mentz. G. u. a. 1944ff.; Koch, H., Geschichte der
Stadt Jena, 1966; Pester, T., Zwischen Autonomie und Staatsräson, 1992; Häder,
U., Das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht thüringischer Staaten in
Jena, 1996; Kämpferische Wissenschaft, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2003;
Klassische Universität und akademische Provinz, hg. v. Steinbach, M. u. a.,
2005; Hochschule im Sozialismus, hg. v. Hoßfeld, U. u. a., 2006; Deinhardt, K.,
Stapelstadt des Wissens, 2007; Wege der Wissenschaft, hg. v. John, J. u. a.,
2007; Kriebisch, A., Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu
Jena, 2008 (Diss. jur. Jena 2007); Ries, K., Wort und Tat, 2007; Gelehrte
Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität Jena um 1800, hg. v.
Bach, T. u. a., 2008; Die Universität Jena in der frühen Neuzeit, hg. v. Bauer,
J. u. a., 2008; Wallentin, S., Fürstliche Normen und akademische Observanzen,
2009; Universität im Umbruch, hg. v. Bauer, J. u. a., 2010; Bauer, J.,
Universitätsgeschichte und Mythos -Erinnerung, Selbstvergewisserung und
Selbstverständnis Jenaer Akademiker 1548-1858, 2012; Rechtsgelehrte der
Universität Jena aus vier Jahrhunderten, hg. Lingelbach, G., 2012; Wolf, S.,
Das Jenaer Studium der Rechte im Dritten Reich, 2013; Die Universität Jena in
der Weimarer Republik 1918-1933, bearb. v. Bräuer, T. u. a., 2013; Meinhold,
G., Der besondere Fall Jena – Die Universität im Umbruch 1989-1991, 2014; Rechtswissenschaft
in Jena – Der Neuanfang 1989, hg. v. Haedrich, M. u. a., 2015; Statuten und
Reformkonzepte für die Universität Jena von 1816 bis 1829, hg. v. Bauer, J. u.
a., 2016
Jerusalem
ist die seit dem
18. Jh. v. Chr. v. Chr. als kanaanäisches Uruschalim (Stadt des Friedens)
belegte, um 997 v. Chr. vom israelitischen König David eroberte, von den Juden
als Hauptstadt verwendete, durch Jesus Christus zum Ausgangspunkt des Christentums
gewordene, 70 n. Chr. von den Römern zerstörte und nach Wiederaufbau 638 n.
Chr. von den Arabern eroberte Stadt im heutigen Israel bzw. Palästina, in der
im Herbst des Jahres 1009 die Grabeskirche auf Befehl des Kalifen zerstört
wird..
Lit.: Tischler, C., Die burgenses von Jerusalem im 12.
Jahrhundert, 2000; Jerusalem im Hoch- und Spätmittelalter, hg. v. Bauer, D. u.
a., 2001; Kirstein, K., Die lateinischen Patriarchen von Jerusalem, 2002;
L’idea di Gerusalemme, 2003; Penth, S., Die Reise nach Jerusalem, 2010; Die
Urkunden der lateinischen Könige von Jerusalem, hg. v. Mayer, H., 2011; Türck,
V., Christliche Pilgerfahrten nach Jerusalem, 2011; Müller, C., Der Kadi und
seine Zeugen, 2013; Mayer, H. u. a., Die Siegel der lateinischen Könige von
Jerusalem, 2014
Jesuitenorden (lat. societas [F.] Jesu) ist der
von Ignatius von Loyola (1491-1556) seit etwa 1534 allmählich begründete, 1540
vom Papst bestätigte, katholische Männerorden zum apostolischen Einsatz im
Dienst der Kirche. Er wird in der →Gegenreformation tätig. Am 21. 7. 1773
hebt ihn Papst Clemens XIV. auf (Fortbestehen in Preußen, Russland und Kanada),
stellt ihn am 7. 8. 1814 aber wieder her.
Lit.: Duhr, B., Geschichte der Jesuiten, Bd. 1ff.
1907ff.; Hollis, C., A History of the Jesuits, 1968; Hartmann, P., Die
Jesuiten, 2001; Haub, R., Geschichte der Jesuiten, 2006; Feld, H., Ignatius von
Loyola, 2006; Vogel, C., Der Untergang der Gesellschaft Jesu, 2006; Schatz, K.,
Geschichte der deutschen Jesuiten (1814-1983), 2013; García Hernán, E., Ignacio
de Loyola, 2013; Friedrich, M., Die Jesuiten, 2016
Jesus (Nazareth um 7-4 bzw. 6-5 v.
Chr.?-Golgotha/Jerusalem um 30 n. Chr.) ist der nach möglicherweise
zweijährigem Wirken (ab 29 n. Chr.?) als öffentlicher Wanderlehrer nach einem
Prozess (ab 6. 4. 30) im Zusammenwirken von Juden und Römern gekreuzigte (und
nach christlicher Lehre von den Toten auferstandene) jüdische Begründer der
zunächst sehr sektiererhaften, bereits sehr früh infolge von Streitigkeiten von
Jerusalem nach Antiochia verlagerten, in heidnischer Umgebung zivilisierten
christlichen Religion, dessen tatsächliches Leben mit der späteren
christlichen Vorstellung nicht in jeder Hinsicht übereinstimmen dürfte.
Lit.: Theessen, G., Der historische Jeus, 1996; Cohn,
H., Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, 1998; Puig i Tarrech, A.,
Jesus, 2010; Jaroš, K., Jesus, 2011; Dahlheim, W., Die Welt zur Zeit Jesu,
2013; Benz, S., Wer ist Jesus – was denkst du?, 2015; The Trial and Crucifixion
of Jesus, hg. v. Chapman, D. u. a., 2015; Liebs, D., Das Recht der Römer und
die Christen, 2015, 1ff.
Jhering →Ihering
Joachimica Constitutio →Constitutio Joachimica
Johannes Andreae (bei Florenz um 1270-Bologna 7. 7.
1348) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna spätestens 1302 Lehrer des
kirchlichen Rechtes. Er kommentiert den →Liber sextus, die Clementinen
(lat. glossa [F.] ordinaria) und den →Liber extra. Trotz seiner stark
kompilatorischen Arbeitsweise ist er der bedeutendste Kirchenrechtler des 14.
Jh.s. In seinen (lat.) Additiones (F.Pl.) ad speculum Guillelmi Durantis
(Zusätze zum Spiegel des Wilhelm Durantis) von kurz vor 1346 stellt er als
erster die Literaturgeschichte des kirchlichen Rechtes dar.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 6 2. A. 1850, Neudruck 1956, 98; Pennington, K., Johannes
Andreaes Additiones to the Decretals of Gregory IX, ZRG KA 74 (1988), 328;:
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 658
Johannes Bassianus ist ein in Cremona geborener Schüler des
Bulgarus in Bologna, der Lehrer Azos (vor 1190-1220), Karolus de Toccos und
Nicolaus Furiosus‘ wird und Glossen, Lecturae, Summen, Arbeiten zum
Prozessrecht, Regulae iuris, Distinktionen, Quästionen und Consilia verfasst.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 215
Johannes de Blanasco ist ein um 1225 in Blanot in Burgund geborener,
in Bologna ausgebildeter, nach seinem tractatus de actionibus (1256) nach
Burgund zurückgekehrter Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 461
Johannes de Imola ist ein in Imola vielleicht um 1375 geborener,
in Bologna ausgebildeter und spätestens ab 1399 lehrender, 1436 verstorbener
Jurist (commentaria, consilia, Traktat zum großen Schisma).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 807
Johannes Teutonicus (1180?-25. 4. 1245), deutscher
Schusterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo) um 1210
Rechtslehrer in Bologna und vielleicht 1220 Kanoniker in Halberstadt (Johannes
Zemeke?). Zwischen 1210 und 1217 verfasst er die (lat.) glossa (F.) ordinaria
zum (lat.) →Decretum (N.) Gratiani. Seine Sammlung der Dekretalen Papst
Innozenz’ III. von 1210-1216 setzt sich gegen den Widerspruch des Papstes
durch.
Lit.: Köbler, DRG 106; Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995, 329
Johannes von Erfurt (um 1260?-1340?), Kanonist und
Theologe, ist der Verfasser verschiedener früher rechtswissenschaftlicher
Arbeiten in Deutschland (u. a. [lat.] tabula [F.] utriusque iuris von etwa
1280).
Lit.: Johannes von Erfurt, Die Summa confessorum, hg.
v. Brieskorn, N., 1981
Johannes von Saaz (oder Tepl) (um 1350-Prag 1414)
ist der nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales in Prag als Lehrer
und Notar außer dem Ackermann von Böhmen (1401) vier Formelbücher und einen
Band des Stadtbuchs von Prag (lat. Liber [M.] contractuum, Buch der Verträge)
verfassende Gelehrte.
Lit.: Stutz, U., Rechtshistorisches in und zu dem
Ackermann aus Böhmen, ZRG 41 (1920), 388
Johann von Buch →Buch, Johann von
Johanniter ist der Angehörige des 1099 gegründeten
Johanniterordens.
Lit.: Staehle, E., Geschichte der Johanniter und Malteser, Bd. 1ff.
2002; Die Ballei Brandenburg des Johanniterordens, Findbuch, hg. v. Neitmann,
K., 2006
joint tenancy (N.) Gesamthandsgemeinschaft
Jonsbok (F.) (Jónsbók oder Lögbok
Islendinga, in den Quellen landslagabókin, lögbókin, bókin) ist der Name des in
Norwegen abgefassten, 1281 in →Island eingeführten, in rund 200
Handschriften (286 Handschriften und Bruchstücken [zweier Handschriftenklassen]
mit 45 bzw. 148 Handschriften) überlieferten, nach (dem norwegischen, wohl an
seiner Abfassung mitwirkenden Lögmann) Jon Einarsson († 1306) benannten, in
zehn Teile gegliederten, an die Verhältnisse Islands angepassten Rechtsbuchs
oder Gesetzbuchs auf der Grundlage von König →Magnus Hakonarsons Landrecht
von 1274. Die in Island meistgelesene, seit 1578 gedruckte J. bleibt bis in das
18. Jh. bedeutsam und gilt in Teilen noch am Beginn des 21. Jh.s.
Lit.: Halldorsson, Kong Magnus Hakonarsons Lovbog for
Island, 1904; Fix, H., Wortschatz der Jonsbok, 1984; Jónsbók, hg. v. Schulman,
J. 2010
Jordan, Sylvester (Omes bei Innsbruck 30.
12-1792-Kassel 15. 4. 1861), Schusterssohn, wird nach dem Studium der
Philosophie und Rechtswissenschaft in Landshut und Wien und den Promotionen von
1815 und 1817 sowie der Habilitation in Landshut 1821 ao. Professor in Marburg
und 1822 ordentlicher Professor. 1831 beeinflusst er den Entwurf einer
Verfassung Kurhessens maßgeblich. In seiner Staatstheorie ordnet er das monarchische
Prinzip der Herrschaft des Rechtsgesetzes unter.
Lit.: Kaiser, W., Sylvester Jordan, Diss. Leipzig
1936; Kleinknecht, G., Sylvester Jordan, 1983; Frotscher, W., Sylvester Jordan,
(in) Worte des Rechts, 2007, 130
Jordan von Osnabrück (um 1225?-15. 4. 1283?),
Domkapitular in Osnabrück, verfasst wohl vor 1273 einen durch →Alexander
von Roes 1281 überlieferten (lat.) Tractatus (M.) super Romano imperio
(Abhandlung über das römische Reich), in dem er den Vorrang des römischen
Reiches bis an das Weltende lehrt.
Lit.: Schraub, W., Jordan von Osnabrück und Alexander
von Roes, 1910
Josaphat („Jahwe richtet“) ist nach Joel
4,12 im jüdisch-christlichen Verständnis der Ort des Jüngsten Gerichts (meist
als Kidrontal verstanden).
Lit.: Hardung, S., Die Vorladung vor Gottes Gericht,
1934
Joseph II. (Wien 13. 3. 1741-20. 2. 1790),
viertes Kind und erstgeborener Sohn (Franz-Stephan von Lothringens, des
späteren Kaisers Franz’ I. und) Maria Theresias, wird 1764 römischer König,
1765 mit 24 Jahren Kaiser und nach dem Tod seiner Mutter (29. 11. 1780)
alleiniger Landesherr der österreichischen Erblande. Er übernimmt weitgehend
die Ratgeber seiner Mutter und strebt einen zentralistischen Gesamtstaat
→Österreich deutscher Staatssprache an. Seine rastlose aufgeklärte
Reformpolitik (Schule, Bildungswesen, Gesundheitswesen, Toleranz 1781,
Allgemeine Gerichtsordnung 1781, Ehepatent 1783, Erbfolgepatent 1786,
→Josephinisches Gesetzbuch 1786/1787, Josephinisches Strafgesetzbuch
1787/1788 mit Todesstrafe nurmehr im Standrecht, Kriminalgerichtsordnung
1788, Bauernbefreiung, Josephinismus) kann sich gegen ständischen und
föderalen Widerstand nicht durchsetzen.
Lit.: Winter, E., Der Josefinismus, 2. A. 1962;
Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Mikoletzky, L.,
Kaiser Joseph II., 1979; Bernard, P., The limits of enlightenment, 1979;
Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser Josephs II., 1986; Beales, D., Joseph
II., 1987, Bd. 2 1009; Blanning, T., Joseph II., 1994; Macek, B., Die Krönung Josephs
II. zum Römischen König, 2014
Josephina ist
eine manchmal verwendete Bezeichnung für die leicht vereinheitlichende, von der Peinlichen
Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532 beeinflusste Landgerichtsordnung für Böhmen und die
böhmischen Länder Josephs I. von 1707.
Josephinisches Gesetzbuch ist das aus dem Entwurf
gebliebenen (lat.) →Codex (M.) Theresianus (1766) über den Entwurf Horten
(1776) hervorgegangene österreichische Gesetzbuch vom (1. 11. 1786 bzw.) 1. 1.
1787. Dieses „Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch“ enthält nur das Personenrecht
(3325 Wortformen). Es wird zum 1. 1. 1812 durch das →Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch abgelöst.
Lit.: Köbler, DRG 142; Allgemeines bürgerliches
Gesetzbuch. Erster Teil, 1786; Harras von Harrasowsky, Der Theresianus und
seine Umarbeitungen, 1886¸
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/JGB20070429-rund18800woerter.htm
Josephinismus ist das staatspolitische bzw.
kirchenpolitische System des aufgeklärten →Absolutismus unter
→Joseph II. (1780-1790) in →Österreich. Im J. wandelt der Landesherr
die ständische Verwaltung in eine bürokratische Beamtenverwaltung um. Die
Leibeigenschaft wird abgeschafft, Wohlfahrtseinrichtungen werden gegründet.
Deutsch wird Amtssprache. Der geistliche Bereich der Kirche wird auf Predigt,
Sakrament, Gottesdienst und Disziplinargewalt über den Klerus beschränkt. Die
Geistlichen werden Staatsbedienstete. Der evangelischen Religion wird Toleranz
gewährt (Toleranzpatent 1781). Die Ehe wird bürgerlicher Vertrag (Ehepatent
1783). Grundgedanke ist die Nützlichkeit für Staat und Gesellschaft. Viele
Einzelmaßnahmen stoßen auf Widerstand und müssen zurückgenommen werden.
Lit.: Winter, E., Der Josephinismus und seine
Geschichte, 1943; Maass, F., Der Frühjosephinismus, Bd. 1ff. 1951ff.; Winter, E.,
Der Josephinismus, 2. A. 1962; Der Josephinismus, hg. v. Reinalter, H., 1993;
Der Josephinismus, hg. v. Klueting, H., 1995; Josephinismus als aufgeklärter
Absolutismus, hg. v. Reinalter, H., 2008; Josephinismus zwischen den Regimen,
hg. v. Pillafer, F. u. a, 2015
Jude ist der Angehörige der Religionsgemeinschaft
Judentum, ursprünglich der Bewohner des Reiches des nach dem vierten Sohn
Jakobs benannten Stammes (Gebiet um Jerusalem, Hebron, Beer Sheva). Die
Frühgeschichte der Juden ist nicht eindeutig feststellbar. Im 8. Jh. v. Chr.
werden die Oberschichten der Reiche Israel und Juda deportiert. 587 v. Chr.
gerät das Reich Juda unter die Herrschaft Babylons. 538 v. Chr. erlaubt König
Kyros II. von Persien den in diesem Zusammenhang verschleppten, überwiegend von
Ackerbau und Viehzucht lebenden Juden die Rückkehr nach Jerusalem. 63 v. Chr.
erobern die Römer Jerusalem. Aufstände der Juden schlagen die Römer 70 n. Chr.
unter Zerstörung Jerusalems, 115-117 und 132-136 n. Chr. blutig nieder. 321
werden unter Kaiser Konstantin Juden in Köln genannt, Bis zum 5./6. Jh. breiten
sich die unter dem Einfluss der Rabbiner vielleicht sich zunehmend zum Lesen
und zur religiösen Bildung verpflichtenden Juden, von denen aus der Antike etwa
15000 namentlich bekannt zu sein scheinen, unter Bewahrung ihrer besonderen
Religion und ihres besonderen Rechtes sowie möglicherweise unter Nutzung ihrer
besonderen Bildung in einzelne Gebiete Spaniens, des Frankenreichs und Italiens
aus und verlegen sich dabei auf die Tätigkeit als Händler. 638 fällt Jerusalem
an die Araber. Unter Karl dem Großen finden sich Juden in Aachen. Bis in das 9.
Jahrhundert, in dem die Juden unter dem Kalifen al-Mutawakkil mit einem
besonderen Abzeichen gekennzeichnet werden, sind sie im Frankenreich daneben aber
fast nur am Mittelmeer sichtbar. Seit dem 9. Jh. werden ihnen im Frankenreich
Schutzprivilegien gewährt, für die sie eine Gegenleistung erbringen. Um 930
findet im oströmischen Reich eine Judenverfolgung Statt. Mit der Entstehung von
Städten lassen sich nördlich der Alpen aus dem Mittelmeerraum kommende Juden
unter dem Schutz von Bischöfen in Kathedralstädten in eigenen Gassen oder
Vierteln (Ghettos) fest nieder (Trier 2. Hälfte 10. Jh.s, Speyer Urkunde vom
13. 9. 1084, Mainz 10. Jh., Köln 10. Jh., Magdeburg 10. Jh.?, Metz vor 893,
Merseburg 10. Jh.?, Prag frühestens um 1050, Regensburg um 981 und Worms Anfang
11. Jh.?) (kaiserliche Privilegien für Juden in Speyer und Worms von 1090. 1096
aber bereits Judenverfolgungen). Im Reichslandfrieden von 1103 werden die
Juden unter die besonders befriedeten Menschen aufgenommen. 1236 unterstellt
sie Kaiser Friedrich II. als Kammerknechte gegen Abgaben (Judensteuer) dem
Schutz des Königs bzw. des ihm hierin folgenden Landesherrn (Judenregal). Da
die Juden wegen des nur Christen treffenden →kanonischen Zinsverbotes
den Geldwechsel und das verzinsliche Darlehen betreiben können und tatsächlich
an sich ziehen, werden sie zur Zeit der Verbreitung der Pest (1347-1351, im
Herbst 1347 durch genuesische Schiffe von der Krim nach Italien gebracht, je
50000 Tote in Florenz und Genua, im Heiligen römischen Reich vielleicht ein
Zehntel der Bevölkerung an der Pest gestorben) als deren angebliche Urheber
vielfach verfolgt und danach ab etwa 1390 weitgehend aus den Städten vertrieben
(z. B. leben in Westfalen um 1500 nur noch an rund 25 Orten - nach 1350 aus dem
Rheinland und Niedersachsen zugezogene - Juden). In den Schriften deutscher
Juristen des 16. und 17. Jh.s werden sie zwar abgelehnt, aber vor allem aus
Nächstenliebe, später (Justus Henning Böhmer 1674-1749) auch aus naturrechtlichen
Überlegungen geduldet. Im 17. und 18. Jh. gelingt einzelnen der im Heiligen
römischen Reich etwa 60000 bis 70000 verbliebenen, von den Fürsten und
reichsstädtischen Magistraten mit Hilfe des Geleits aus fiskalpolitischen
Überlegungen geförderten, von den Ständen dagegen in Gravamina eher
abgelehnten Juden der Aufstieg im Bankwesen. Im Übrigen tragen weder Staat noch
Beamte zur späteren (Selbst-)Emanzipation und zum sozialen Aufstieg bei. 1776
wird die Rechtsstellung der Juden in Virginia verbessert. 1779
veröffentlicht Gotthold Ephraim Lessing sein fünfaktiges Ideendrama mit dem
Titel Nathan der Weise , das den Toleranzgedanken in den Mittelpunkt stellt.
Nach 1780 wird als Folge der Aufklärung allgemein die Forderung nach
Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben (z. B. Dohm,
C., Über die bürgerliche Verbesserung der Juden, 1781). In der Folge erhalten
die Juden alle staatsbürgerlichen Rechte (Frankreich 1791, Preußen 11. 3. 1812
Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen
Staate – das die einheimischen Juden zu Inländern und preußischen Staatsbürgern
erklärt und ihnen grundsätzlich gleiche bürgerliche Rechte wie den Christen
zuspricht -, Bayern 1813, Österreich 1867, Sachsen 1868 Gleichberechtigung
aller Staatsangehörigen unabhängig von der Religionszugehörigkeit in
Verfassungsrang erhoben), müssen aber ihr besonderes Recht und ihre besondere
Gerichtsbarkeit einschränken. Dabei wird nach 1780 allgemein die Forderung
nach Eingliederung der jüdischen Minderheit in die Gesellschaft erhoben. Als
Folge der Gleichstellung und der durch die frühere Ausgrenzung begünstigten
Vorreiterrolle in der Verbürgerlichung ziehen die Juden in die Großstädte und
aus dem Osten in die deutschen Staaten, wo sich beispielsweise in Sachsen erst
nach 1830 die Befürworter eines langsamen Angleichungs- und Erziehungsprozesses
durchsetzen. Gegen 1860 hat sich das Judentum als eigene kulturelle Komponente
in der bürgerlichen Gesellschaft etabliert (1871 1,05 Prozent der Deutschen,
1925 564379, 1933 499682 oder 0,76 Prozent von rund 65 Millionen). In Abwehr
der Judenemanzipation entsteht am Ende des 19. Jh.s der Antisemitismus (in
Deutschland z. B. Treitschke, Stoecker, Eugen Dühring, Wilhelm Marr, Hermann
Ahlwardt, Theodor Fritsch [1852-1933], Otto Böckel, Erwin Bauer, Max Bewer,
Alfred Rosenberg, Hans F. K. Günther). Er bildet einen Kern des politischen Programms
des →Nationalsozialismus Adolf →Hitlers. Als Folge der bis 1918
judendiskriminierenden Einstellungspolitik sind Juden im Staatsdienst nur
schwach vertreten (1924 in Preußen von 987 Ordinarien 39 Juden, daneben 97
nicht beamtete Professoren, 43 Privatdozenten) und drängen in den
Rechtsanwaltsstand. 1933 wird (bei 9208 im Deutschen Reich zugelassenen
Rechtsanwälten, davon rund 5000 nicht arisch) mehr als ein Viertel (von 11814
3370 d. h. 28,5 %) der Rechtsanwälte Preußens und die Hälfte (54 oder 48 %,
rund 1830) der Rechtsanwälte Berlins als Nichtarier erfasst (Frankfurt am Main
45 %, Breslau 35 %, Hamm 14 %, Kiel 7 %, Bayern 460 von etwa 2400). Von 1663
Beamten des höheren Dienstes Preußens werden 211 und 285 Beamte vom Gesetz zur
Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (7. April 1933) betroffen (28 %, im
übrigen Reich von 2339 Beamten 106 und 143, also 9,5 %). Von 536 Richtern und
Staatsanwälten jüdischer Herkunft in Preußen müssen von Juni 1933 bis Ende 1935
309 (58 Prozent) und bis zur Mitte des Jahres 1937 weitere 182 den Justizdienst
verlassen und können nur 41 (als sog. „Mischlinge“) verbleiben. Vielleicht
verlieren 1933 insgesamt rund 2000 jüdische Beamte des höheren Dienstes und
etwa 700 Hochschullehrer ihre Stelle. 1935 werden die Juden diskriminiert (1936
Entzug des Titels und der Lehrbefugnis für alle jüdischen Professoren und
Dozenten, 1937 Verbot der Promotion für jüdische Studenten, 1938 Verbot der Immatrikulation
für jüdische Studenten, Verbot der Benutzung von Bibliotheken und Archiven für
jüdische Professoren und Dozenten, 761 jüdische Berliner Rechtsanwälte ihrer
Zulassung entsetzt). Nach einer Verordnung vom August 1938 müssen Juden
zwangsweise den zusätzlichen Vornamen Sarah oder Israel tragen. Im Herbst 1938
sind von früher etwa 100000 jüdischen Unternehmen noch etwa 40000 in jüdischer
Hand (von 50000 Einzelhandelsgeschäften noch 9000). 1938 und 1939 verlassen
bis zu 180000 Juden und Jüdinnen das Deutsche Reich. Insgesamt ergehen im
Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945 fast 2000 Juden betreffende Gesetze ,
Verordnungen und Richtlinien. Die 1938/1939 als Alternative zu der vom Ausland
bzw. möglichen Einwanderungsländern abgelehnten Auswanderung (von 300000
bis 400000 Juden) angedrohte Vernichtung wird seit Sommer 1941 verwirklicht,
wobei durch Verordnung vom 23. 10. 1941 die Auswanderung verboten wird. Nur ein
geringer Teil der europäischen Juden (um 1930 500000 Juden im Deutschen Reich
[1933 500000 mit einem geschätzten Vermögen von 16 Milliarden Reichsmark =
30000 RM pro Kopf, 778 Millionen Reichsmark Einnahmen des Reiches aus der
Enteignung deportierter Juden], 190000 in Österreich, 1939 72000 Judenmischlinge
ersten Grades und 39000 Judenmischlinge zweiten Grades in Deutschland)
überlebt die sog. Endlösung (Holocaust). Nach einer Verordnung vom 19. 9.
1941 müssen Juden durch einen aufgenähten gelben Stern auf der Kleidung
gekennzeichnet werden. Seit Sommer 1943 ist das Deutsche Reich offiziell
judenfrei. Von den vertriebenen Juden kehren nach 1945 etwa 4-5 Prozent nach
Deutschland zurück. Von den in der Bundesrepublik Deutschland in 107 Gemeinden
vertretenen etwa 100000 Juden des Jahres 2010 stammen (infolge Einwanderung
nach 1945) rund 90 Prozent aus Osteuropa.
Lit.: Köbler, DRG 120, 125, 127, 161, 172, 206, 222,
225, 228, 234, 238; Graetz, H., Geschichte der Juden, Bd. 1ff. 1853ff.,
Neudruck 1996; Stobbe, O., Die Juden in Deutschland während des Mittelalters,
1866; Scherer, J., Die Rechtsverhältnisse der Juden in den
deutsch-österreichischen Ländern, 1901; Hahn, B., Die wirtschaftliche Tätigkeit
der Juden, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1911; Rosenberg, A., Beiträge zur
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Middle Ages, 2011; Austria Judaica, bearb. v. Rauscher, P., 2011; Christ, M.,
Die Dynamik des Tötens, 2011; Zendri, C., Umanesimo giuridico ed ebraismo,
2011; Schulze-Marmeling, D., Der FC Bayern und seine Juden, 2011, 2. A. 2013;
Nazi Crimes against Jews and German Post-War Justice. The West German Judicial
System during Allied Occupation (1945-1949), 2012; Breunung, L. u. a.,
Biographisches Handbuch der Emigration deutschsprachiger Rechtswissenschaftler
nach 1933, Bd. 1 2012; Kasper-Marienberg, V., vor euer kayserlichen Mayestät
Justiz-Thron, 2012; Köbler, G., Jüdische deutsche Juristen, ZIER 2 (2012);
Timmel, J., Die Rechtsstellung der Juden im Kurfürstentum und Königreich
Hannover, 2012; Die Juden in Franken, hg. v. Brenner, M. u. a., 2012;
Geschichte der Juden in Deutschland von 1945 bis zur Gegenwart, hg. v. Brenner,
M., 2012; Berndt, J., Ich weiß, ich bin kein Beamter - Heinz Galinski, 2012;
Nietzel, B., Handeln und Überleben, 2012; Volkov, S., Walther Rathenau,
2012;Kreutzmüller, C., Ausverkauf – Die Vernichtung der jüdischen
Gewerbetreibenden in Berlin 1930-1945, 2012; Labbé, G., L’affirmation de la
puissance romaine en Judée (6 a. C. -136 p. C.), 2012; Frühneuzeitliche Ghettos
in Europa im Vergleich, hg. v. Backhaus, F. u. a., 2012; Botticini, M. u. a.,
The Chosen Few, 2012; Rosenberg, K., Einerm der nicht mehr dazu gehört –
Tagebücher 1933-1937, hg. v. eyer, B. u. a., 2012; Meinen, I. u. a., Verfolgt
von Land zu Land - Jüdische Flüchtlinge in Westeuropa 1938-1944, 2013; Grill,
T., Der Westen im Osten, 2013; Lidegaard, B., Die Ausnahme, 2013; Die Juden in
Schwaben, hg. v. Brenner, M. u. a., 2013; Hoffmann, P., Carl Goerdeler gegen
die Verfolgung der Huden, 2013; Haverkamp, A., Beziehungen zwischen Bischöfen
und Juden im ottonisch-salischen Königreich bis 1090 (in) Trier - Mainz - Rom,
2013, 45; Das Emanzipationsedikt von 1812 in Preußen, hg. v. Diekmann, I.,
2013; Toch, M., The Economic History of European Jews, 2013; Kaiser und Reich
in der jüdischen Lokalgeschichte, hg. v. Ehrenpreis, S. u. a., 2013; Jah, A.,
Die Deportation der Juden aus Berlin, 2013; Gallas, E., Das Leichenhaus der
Bücher, 2013, 2. A. 2017; Everyday Jewish Life in Imperial Russia, hg. v. Freeze,
C. u. a., 2013; Mensch – Land – Gerechtigkeit – Die Erinnerungen Erich Hellmuth
Jacobys (1903-1979), hg. v. Jacoby, R. u. a., 2013;; Schulte, M., Über die
bürgerlichen Verhältnisse der Juden in Preußen, 2014; Liedtke, R., Wirtschaft
und Ungleichheit, 2014; Koop, V., „Wer Jude ist, bestimme ich“, 2014;
„Arisierung“ und „Wiedergutmachung“ in deutschen Städten, hg. v. Fritsche, C.
u. a., 2014; Jüdische Gemeindestatuten aus dem aschkenasischen Kulturraum
1650-1850, hg. v. Litt, S., 2014; Burger, H., Heimatrecht und
Staatsbürgerschaft österreichischer Juden, 2014; Kennzeichen „Jude“, hg. v.
Grabowski, H./Haney, W., 2014; Schmidl, E., Habsburgs jüdische Soldaten
1788-1918, 2014 (etwa 300000 im ersten Weltkrieg); Friedla, K., Juden in
Breslau/Wroclaw 1933-1949, 2014; Schlesier, S., Bürger zweiter Klasse?, 2014;
Kennzeichen „Jude“ hg. v. Grabowski, H. u. a., 2014; Schmölz-Häberlein, M.,
Juden in Bamberg (1633-1802/03), 2014; Quellen zur jüdischen Geschichte im
Heiligen römischen Reich und seinen Nachfolgestaqaten, 2014; Fischer, S.,
Ökonomisches Vertrauen und antisemitische Gewalt – Jüdische Viehhändler in
Mittelfranken 1919-1939, 2014; Sinn, A., Jüdische Politik und Presse in der
frühen Bundesrepublik, 2014; Stemberger, G., Das Judentum in frührabbinischer Zeit
(in) HZ 300 (2015) 1; Jünger, D., Jahre der Ungewissheit – Emigrationspläne
deutscher Juden 1933-1938, 2015; Friedla, K., Juden in Breslau 1933-1949, 2015;
Ostjuden – Geschichte und Mythos, hg. v. Mettauer, P. u. a., 2015; Das Tübinger
Institutum Judaicum, hg. v. Morgenstern, M. u. a., 2015; Zionismus, hg. v.
Salzborn, S., 2015; Grabowsky, H. u. a., „Der Jude nahm uns Silber, Gold und
Speck …“, 2015; Herrlein, J., Zur „Arierfrage“ in Studentenverbindungen, 2015;
Hayoun, M., Léo Baeck, 2015; Connelly, J., Juden –vom Feind zum Bruder, 2016;
Bauschinger, S., Die Cassirers, 2015; Barnouw, D., Das Phänomen Anne Frank,
2015; Pacyna, J., Mittelalterliche Judenrechte – Norm und Anwendung im
Magdeburger Rechtskreis (1240-1400), 2015; Schrafstetter, S., Flucht und Versteck
– Untergetauchte Juden in München – Verfolgungserfahrung und Nachkriegsalltag,
2015; Hayoun, M., Leo Baeck – Repräsentant des liberalen Judentums, 2015; Ezra,
D., Qumraqn, 2016; Deutschland, die Juden und der Staat Israel, hg. v.
Glöckner, O. u. a., 2016; Gruner, W., Die Judenverfolgung im Protektorat Böhmen
und Mähren, 2016 (vn 118000 Juden überleben 14000); Die Zukunft Europas und das
Judentum, hg. v. Deutsch, O., 2017; Jüdische Identitäten und antisemitische
Politiken im österreichischen Parlament 1861-1933, hg. v. Stachowitsch, S. u.
a., 2017; Jünger, D., Jahre der Ungewissheit –Emigrationspläne deutscher Juden
1933-1938, 2017; Happe, K., Viele falsche Hoffnungen, 2017; Judentum und
Antisemitismus in Europa, hg. v. Wien, U., 2017; Ludwig Haas, hg. v. Grothe, E.
u. a., 2017; Aly, G., Europa gegen die Juden 1880-1945, 2017Gerlach, C., Der
Mord an den europäischen Juden – Ursache, Ereignisse, Diemensionen,
2017Scharnberg, H., Die „Judenfrage“ im Bild, 2018; Kalimi, I., König Salomo –
Mensch und Mythos, 2018
Judeneid ist der besondere, von →Juden
in Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden zu schwörende, seit dem 9. Jh.
überlieferte Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Claussen, H., Der Judeneid,
1937; Schmidt, R., Judeneide in Augsburg und Regensburg, ZRG GA 93 (1976), 322;
Zimmermann, V., Die Entwicklung des Judeneids, 1973; Kisch, G., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1 1978, 137; Vormbaum, T., Der Judeneid im 19. Jahrhundert, 2007
Judenpogrom →Juden
Judenrecht ist das besondere, für →Juden
geltende Recht. Es ist teils nichtjüdisches Recht (z. B. Codex Theodosianus
438, Codex Justinianus 534), hauptsächlich aber jüdisches, auf die Tora (5
Bücher Moses) gegründetes, zusammen mit mündlich überliefertem Recht als
Halacha (mit 613 Verhaltensregeln) bezeichnetes, in Mischna (um 200) und
(einschließlich Gemara) in Talmud (um 500) aufgezeichnetes und in Mischne Tora
(Maimonides 12. Jh.) und Schulchan auch gesetztes Recht.
Lit.: Linder, A., The Jews in Roman Imperial
Legislation, 1987; Pakter, W., Medieval Canon Law and the Jews, 1988; An
Introduction to the History and Sources of Jewish Law, hg. v. Hecht, N. u. a.,
1997;
Judenregal →Jude
Judenverfolgung →Jude
Judicature Acts von 1873/1875 sind Gesetze, die
das englische Gerichtsverfassungsrecht erheblich abändern und dabei das
Gericht des Kanzlers mit den drei Gerichten des Königs verbinden.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Judikative ist im Rahmen der
→Gewaltenteilung die rechtsprechende Gewalt.
Lit.: Köbler, DRG 191
Judikatur (F.) Rechtsprechung
Lit.: Mertens, H., Untersuchungen zur zivilrechtlichen
Judikatur des Reichsgerichts, AcP 174 (1974), 333; Schulte-Nölke, H.,
Rheinische Judikatur, ZNR 1998, 84
jüdisches Hehlerrecht →Hehler
Jugend ist die Zeit des Heranwachsens
eines Menschen. Für die J. gelten seit Entstehung des Rechtes besondere
Rechtssätze. →Kind, Vormundschaft, Jugendgericht, Jugendstrafrecht
Lit.: Speitkamp, W., Jugend in der Neuzeit, 1998;
Bornhorst, S., Selbstversorger, 2010
Jugendgericht ist das für Jugendsachen in
Deutschland zuständige Gericht, das 1908 durch gerichtliche
Organisationserlasse in Köln, Frankfurt am Main und Berlin und allgemein durch
das Jugendgerichtsgesetz (16. 2. 1923) geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 234; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Jugendgerichtsgesetz1923.pdf;
Baltl/Kocher; Hazel, N., A History of Youth Justice, 2012; Bolius, U. u. a.,
Der Jugendgerichtshof Wien - Die Geschichte eines Verschwindens, 2011
Jugendschutz ist der Schutz der Kinder und
Jugendlichen vor Gefahren. Ihm dient das besondere Jugendschutzgesetz (Deutschland
1985, Jugendarbeitsschutzgesetz 1976, Österreich 1987).
Lit.: Ukrow, J., Jugendschutzrecht, 2004
Jugendstrafrecht ist das seit dem 19. Jh.
entstehende besondere Strafrecht für Jugendliche (Deutschland 16. 2. 1923
Jugendgerichtsgesetz).
Lit.: Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts,
1957; Roth, A., Die Entstehung eines Jugendstrafrechts, ZNR 1991, 17; Wolff, J.
u. a., Das Jugendstrafrecht zwischen Nationalsozialismus und Demokratie, 1997;
Fritsch, M., Die jugendstrafrechtliche Reformbewegung, 1999; Oberwittler, D.,
Von der Strafe zur Erziehung?, 2000; Günzel, S., Die geschichtliche Entwicklung
des Jugendstrafrechts, 2001; Schady, J., Die Praxis des Jugenstrafrechts in der
Weimarer Republik, 2003; Kraft, B., Tendenzen in der Entwicklung des Jugendstrafrechts,
2004; Mill, T., Zur Erziehung verurteilt - Die Entwicklung des
Jugendstrafrechts im zaristischen Russland, 2010; Wernicke, S.,
Jugendstrafvollzug in der DDR, 2011
Jugoslawien ist der 1918 aus Gebieten
Österreich-Ungarns (Bosnien-Herzegowina, Dalmatien, Krain und Kroatien), des
osmanischen Reiches (Montenegro) und des seit 1830 autonomen und seit 1878
unabhängigen Königreichs (1882) Serbien gebildete südosteuropäische Staat. Am
29. 10. 1918 wird die Loslösung Kroatiens, am 30. 10. 1918 die Loslösung
Bosniens und Herzegowinas von Österreich, am 19. 11. 1918 der Anschluss
Montenegros an Serbien ausgerufen. Am 1. 12. 1918 wird das Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen erklärt. Zu ihm kommen Teile Kärntens, der
Steiermark und Ungarns. 1929 wird das Land in J. umbenannt, 1941-1944/1945 vom
Deutschen Reich und von Italien aufgelöst,danach aber wieder begründet und am
29. 11. 1945 zur Republik umgewandelt. 1947 kommen das ehemalige Küstenland
(ohne Triest) und Zadar hinzu. Seit 1991 zerfällt es wieder in mehrere
Einzelstaaten (Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien [1992
Bundesrepublik mit Montenegro, 2006 getrennt], Makedonien).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,325;
Büschenfeld, H., Jugoslawien, 1981; Sundhaussen, H., Geschichte Jugoslawiens,
1982; Geč-Korošec, M., Die geschichtliche Entwicklung des jugoslawischen
Familienrechts, ZRG GA 106 (1989), 331; Als Mitteleuropa zerbrach, hg. v.
Karner, S. u. a., 1990; Baer, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Suppan, A.,
Jugoslawien und Österreich, 1996; Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien,
verf. v. Arbeitskreis Dokumentation in der donauschwäbischen Kulturstiftung,
1998; Der Jugoslawien-Krieg, hg. v. Melcic, D. u. a., 1999; Meier, V., Wie
Jugoslawien verspielt wurde, 3. A. 1999; Meier, V., Jugoslawiens Erben, 2001;
Dérens, J./Samary, C., Jugoslawien von A bis Z, 2001; Schmider. K.,
Partisanenkrieg in Jugoslawien 1941-1944, 2002; Zlatar, Z., The Poetics of
Slavedom, 2007; Ramet, S., Die drei Jugoslawien, 2008; Böhm, J., Die deutsche
Volksgruppe in Jugoslawien 1918-1941, 2009; Calic, M., Geschichte Jugoslawiens
im 20. Jahrhundert, 2010; Ramet, S., Die drei Jugoslawien, 2011; Sundhaussen,
H., Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943-2011, 2012, 2. A. 2014; Böhm,
J., Einfluss des Nationalsozialismus auf die Presse der deutschen Volksgruppen
in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien, 2016; Pirjevec, J., Tito – Die Biographie,
2016; Zgonjanin, A., Der Umgang mit Kriegsverbrechern im ehemaligen
Jugoslawien, 2018
Julianus →Iulianus
Jülich ist der Mittelpunkt einer
Grafschaft, die 1356 zum Herzogtum erhoben wird und deren Gebiet über
Pfalz-Neuburg (1614), Bayern (1777) und Preußen (1814/5) 1946 zu
Nordrhein-Westfalen kommt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J.,
Sammlung der Gesetze und Verordnungen, Bd. 1 1821; Landtagsakten von
Jülich-Berg 1400-1610, hg. v. Below, G. v., Bd. 1f. 1895ff.; Stölzel, A., Die
Entwicklung der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Düren, bearb. v.
Schoop, A., 1920; Croon, H., Stände und Steuern in Jülich-Berg, 1929; Jülich,
bearb. v. Lau, F., 1932; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat, 1982; Kraus,
T., Jülich, Aachen und das Reich, 1987
Jüngstenrecht (Minorat) ist das Erbrecht des
Jüngsten als Alleinerben bei mehreren an sich gleich nahen Verwandten. Es
entsteht im →Anerbenrecht. Es ist weniger verbreitet als das
Ältestenrecht.
Lit.: Hübner 803; Kroeschell, DRG 2
Jüngster Reichsabschied ist der am 17. 5. 1654 verkündete
letzte Reichsabschied des Reichstags des Heiligen römischen Reiches (vor dem immerwährenden Reichstag). Von
Bedeutung ist die im jüngsten Reichsabschied enthaltene neue Verfahrensordnung
des Reichskammergerichts mit der Abschaffung der artikulierten Klage u. s. w.
Lit.: Ruville, A. v., Die kaiserliche Politik auf dem
Regensburger Reichstag 1653-1654, 1896; Fürnrohr, W., Der immerwährende
Reichstag zu Regensburg, 1963
Jüngstes Gericht ist das von der jüdisch-christlichen
Religion erwartete Gericht Gottes am Ende der Welt.
Juniorat →Jüngstenrecht
Junker (M.) Jungherr
Lit.: Heß, K., Junker und bürgerliche
Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Wagner, P., Bauern, Junker und Beamte,
2005
jura (lat. [N.Pl.]) →ius (lat. [N.])
Jura ist das Gebiet eines Gebirgszugs nahe dem Doubs. Der
französischsprachige J. gehört bis 1815 zum Hochstift Basel, danach zum Kanton
Bern. Nach Volksabstimmungen im Jura (1974) und in der →Schweiz (24. 9.
1978) wird J. selbständiger Kanton.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1859
Jurisdiktion (F.) Rechtsprechung, Erstbeleg 1298
Jurisdiktionsnorm ist in Österreich das Gesetz über
die Ausübung der Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 1. 8. 1895.
Lit.: Baltl/Kocher
Jurisprudenz (Rechtsklugheit) ist die (römische) Rechtskunde.
Sie geht von den Priestern (lat. [M.] pontifices, Brückenbauer) aus,
entwickelt sich im Handeln (agere), Schützen (cavere) und Antworten
(respondere) und ist bedeutsam im klassischen römischen Recht (3. Jh. v.
Chr.-3. Jh. n. Chr., Hochklassiker z. B. Celsus, Julian, Gaius, Pomponius mit
klarer, knapper Sprache, sachlicher Darlegung und überzeugender Lösung) sowie
als Rechtswissenschaft seit der Wiederentdeckung des römischen Rechtes im
Hochmittelalter (→Irnerius). Der durch J. fachlich Gebildete ist seit dem
Hochmittelalter der →Jurist. →Begriffsjurisprudenz, Interessenjurisprudenz,
Wertungsjurisprudenz
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30, 99;
Kirchmann, J. v., Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, Neudruck
1956, 1960, 1988; Ihering, R. v., Ist die Jurisprudenz eine Wissenschaft?,
1868, hg. v. Behrends, O., 1998; Kisch, G., Erasmus und die Jurisprudenz seiner
Zeit, 1960; Trusen, W., Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik,
1961; Canaris, C., Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969;
Stupp, H., Mos geometricus oder prudentia als Denkform der Jurisprudenz, Diss.
jur. Köln 1970; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Kisch, G., Studien
zur humanistischen Jurisprudenz, 1972; Blühdorn, J., Naturrechtskritik und
„Philosophie des positiven Rechts“, TRG 41 (1973), 3; Hübner, H., Jurisprudenz
als Wissenschaft im Zeitalter des Humanismus, FS K. Larenz, 1973, 41; Schröder,
J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979;
Backhaus, R., Casus perplexus, 1981; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Rückert,
J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984;
Haft, F., Aus der Waagschale der Jurisprudenz, 1986, 4. A. 2009; Liebs, D., Die
Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in Afrika, 1993; Kiesow,
R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997; Liebs, D., Römische Jurisprudenz in
Gallien (2. bis 8. Jahrhundert), 2002; Jenseits von Bologna, hg. v. Kilian, M.,
2013; Keppeler, L., Oswald Spengler und die Jurisprudenz 2013; David, J.,
Jurisprudence and Theology in Late Ancient and Medieval Jewish Thought, 2014
Jurist ist der planmäßig rechtswissenschaftlich
ausgebildete Rechtsgelehrte. Rechtskundige kennt bereits das römische Altertum,
in dem die öffentliche Ausübung einer weltlichen Rechtsunterweisung anscheinend
zuerst durch den ersten plebejischen (lat.) pontifex (M.) maximus
(Oberpriester) Tiberius Coruncanius (254 v. Chr.) erfolgt. Im Hochmittelalter
beginnt die Ausbildung von Juristen wohl mit →Irnerius und seinen
Schülern am Anfang des 12. Jh.s. 1267 begegnet der erste gelehrte Jurist des
Erzbistums Salzburg, danach des Erzbistums Trier. Kurz vor 1300 erscheint der
erste, in Bologna noch ohne Grad ausgebildete J. am Hof des Erzbischofs von
Mainz, dem bis 1440 49 weitere, dann meist in Heidelberg oder Erfurt geschulte
Juristen folgen (Bremen 1328, Riga 1360). Insgesamt finden sich zwischen 1250
und 1440 etwa 700 rechtsgelehrte Personen in 55 geistlichen und 29 weltlichen
Herrschaftsgebieten (König von Böhmen 72, Herzog von Österreich 60, Erzbischof
von Köln 56, Erzbischof von Mainz 49, Herzog von Bayern 34, Bischof von
Konstanz 32). Aus Bologna sind zwischen 1265 und 1425 3601 deutsche Studierende
des Rechtes (21 neue Namen jährlich, 0,7 Graduierungen im Jahr) bekannt, aus
Prag zwischen 1372 und 1418 3563 (jährlich 78 neue Namen und 7 Graduierungen),
aus Köln seit etwa 1400 30 (juristische) Neuimmatrikulierte jährlich, aus Wien
seit 1402 vielleicht 20, aus Heidelberg deutlich weniger. Gegen 1300 verwendet
Hugo von Trimberg im Deutschen das Wort J. Kanonisten begegnen am deutschen
Königshof erstmals unter Rudolf von Habsburg († 1291), Legisten unter Karl IV.
(† 1378, in Frankreich unter Ludwig IX., † 1270). Unter Kaiser Friedrich III.
(1452–1493) dient dem Königtum die Hälfte der mehr als 250 aus dem gesamten
Spätmittelalter bekannten gelehrten deutschen Juristen des Königs und damit
ebenso viele wie in der Zeit zwischen 1300 und 1450 und mehr als an irgendeinem
landesherrlichen Hof. Die Zahl der vor allem dem niederen Adel und dem
städtischen Großbürgertum entstammenden Juristen, die zeitweise als dem Adel
gleichwertig gelten, steigt anfangs langsam, im 15. Jh. bereits deutlich, seit
dem 20. Jh. immer stärker (um 1995 ca. 150000 Juristen in Deutschland). Im
Dritten Reich wenden sich auch Juristen dem Nationalsozialismus zu (u. a.
Kieler Schule, von Karl August Eckhardt vom 26. 5.-1. 1935 einberufenes
Kitzeberger Lager junger Rechtslehrer mit Wieacker, Larenz, Heinrich Lange, Eckhardt,
Thieme, Maunz, Höhn, Dahm, Ernst Rudolf Huber, Michaelis, Schaffstein, Siebert,
Busse, Ritterbusch, Würdinger und Heinrich Henkel in Kitzeberg bei Kiel 1936,
neue Studienordnung, neue Literatur). Die 150 berühmtesten (deutschen)
Juristen studierten im Durchschnitt an 1,88 Universitäten und lehrten
durchschnittlich an 2,26 Universitäten, wechseln also (zur Vermehrung ihrer
Fähigkeiten und geistigen Unabhängigkeit) einmal im Studium und einmal im Beruf
ganz selbverständlich und bleiben nicht lebenslang einer einzigen Umgebung
(mit Hausberufung) verhaftet.
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 8, 100, 114,
151, 154, 188, 262; Dahl, F., Juridiske Profiler, 1920; Schultheß, H.,
Schweizer Juristen, 1945; Kunkel, W., Die römischen Juristen, 1952, 2. A. 1967,
Neudruck 2001, Neudruck 2001Genzmer, E., Hugo von Trimberg und die Juristen,
Studi P. Koschaker, Bd. 1 1954, 289; Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt
Nürnberg, (in) Genealogica, Heraldica, Juridica, 1954; Wieacker, F., Textstufen
klassischer Juristen, 1960; Boockmann, H., Laurentius Blumenau, 1965; Becker,
G., Deutsche Juristen und ihre Schriften auf den römischen Indices, 1970;
Laufs, A., Rechtsentwicklungen in Deutschland, 1973, 5. A. 1996; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes im 12. Jahrhundert, 1974; Deutsche Juristen aus
fünf Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a. 1976; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Binder, G., 1984; Deutsche und europäische Juristen aus
neun Jahrhunderten, hg. v. Kleinheyer, G. u. a., 4. A. 1996, 5. A. 2008;
Kolbeck, T., Juristenschwemmen, 1978; Das Profil des Juristen in der
europäischen Tradition, 1980 (Festband f. Franz Wieacker); Jessen, J., Die
Selbstzeugnisse der deutschen Juristen, 1983; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Schulen und Studium,
hg. v. Fried, J., 1986; Männl, I., Die gelehrten Juristen, Diss. phil. Gießen
1986; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987; Juristen in
Österreich (1200-1980), hg. v. Brauneder, W., 1987; Biographisches Repertorium
der Juristen im Alten Reich (A-E und Katalog der Sammlung Lehnemann), hg. v.
Ranieri, F., Bd. 1ff. 1987ff. (CD-ROM 1997); Juristen im Portrait, 1988;
Streitbare Juristen, hg. v. Kritische Justiz, 1988; Köbler, G., Wie werde ich
Jurist?, 4. A. 1988; Wirth, T., Adelbert Düringer, 1989; Göppinger, H.,
Juristen jüdischer Abstammung, 1990; Stiefel, E. u. a., Deutsche Juristen im
amerikanischen Exil, 1991; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993; Dölemeyer, B., Frankfurter Juristen im 17. und 18.
Jahrhundert, 1993 (737 Juristen); Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1995; Ebert,
I., Die Normierung der juristischen Staatsexamina, 1995; Beneduce, P., Il corpo
eloquente, 1996; Internationaler biographischer Index des Rechts und der
Rechtswissenschaft, Bd. 1ff., 1996; Dilcher, G., Der deutsche Juristenstand, FS
K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Liebs, D., Römische Juristen der
Merowinger, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Juristinnen in
Deutschland, hg. v. Deutschen Juristinnenbund, 4. A. 2003; Recht und
Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Schmutz, J., Juristen für das
Reich, 2000; Langer, S., Rechtswissenschaftliche Itinerarien, 2000; Frassek,
R., Steter Tropfen höhlt den Stein – Juristenbildung im Nationalsozialismus,
ZRG GA 117 (2000), 294; Juristen, hg. v. Stolleis, M., 2001
(Taschenbuchausgabe); Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001;
Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen, hg. v. Jabloner, C.
u. a., 2003; Jurists uprooted – German speaking émigré lawyers in
twentieth-century Britain, hg. v. Beatson, J. u. a., 2004; Wegerich, C., Die
Flucht in die Grenzenlosigkeit. Justus Wilhelm Hedemann (1878-1963), 2004;
Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.;
Juristische Argumentation – Argumente der Juristen, hg. v. Cordes, A., 2005;
Zwischen Rechtsstaat und Diktatur – Deutsche Juristen im 20. Jahrhundert, 2006;
Juristenausbildung in Europa, hg. v. Baldus, C. u. a., 2008; Brundage, J., The Medieval Origins of the Legal
Profession, 2008; Röwekamp, M., Die ersten deutschen Juristinnen,
2011; Fischer, S., Juristen in Westfalen
im 19. Jahrhundert, 2012; Gelebtes Recht, hg. v. Strejcek, G., 2012;
Daniels, T., Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15.
Jahrhundert, 2013; Senn, M., Rechtswissenschaft und Juristenausbildung, 2013;
Gordley, J., The Jurists, 2013; Streitbare JuristInnen, hg. v. Kritische
Justiz, 2013 (25, davon 11 Frauen)
Juristenausbildung ist die universitäre oder
praktische Ausbildung zu einem →Juristen (→Rechtsunterricht). Sie
beginnt im Mittelalter nach vorrechtswissenschaftlichen Anfängen im 12. Jh.
Ausbildungsort ist hauptsächlich die →Universität, in England aber auch
die Juristenzunft (engl. inn of court). An der Universität ist die juristische
Fakultät eine der drei über der artistischen Fakultät stehenden oberen
Fakultäten. Lehrbefugt ist am Beginn der (lat. [M.]) doctor, seit dem 19. Jh.
der Habilitierte. Studierberechtigt ist anfangs der Lateinkundige, seit dem
18. Jh. der (lateinkundige) Abiturient (Preußen 1788) bzw. Maturant. Frauen
werden erst zu Beginn des 20. Jh.s zugelassen. Die Dauer des Studiums ist
zunächst (6-8 Jahre) unbestimmt, wird im 19. Jh. aber auf eine Mindestzeit von
6, später 7 Semestern festgelegt. Wichtigste Lehrveranstaltung ist die
Vorlesung (lat. [F.] praelectio). Lehrgegenstand sind ursprünglich die
römischen Texte Justinians und die kirchlichen Sammlungen, seit dem 16. Jh.
einzelne Fachgebiete. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1710, 1713) wird (für den
Staatsdienst) eine der Universitätsausbildung folgende (praktische Ausbildung
mit anschließender) Prüfung (zum Volljuristen) vorausgesetzt. In der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s wird an einzelnen Universitäten (z. B. Augsburg, Konstanz,
Bielefeld, Hamburg II) zeitweise eine einstufige J. versucht, aber nach Ausbleiben
durchschlagender Erfolge wieder aufgegeben.
Lit.: Savigny, F. v., Geschichte des römischen Rechtes
im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834; Muther, T., Zur Geschichte der
Rechtswissenschaft und der Universitäten in Deutschland, 1867; Weimar, P., Die
legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der
Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Köbler, G., Zur Geschichte der
juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768; Bake, U., Die Entstehung
des dualistischen Systems der Juristenausbildung in Preußen, Diss. jur. Kiel
1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 1ff. 1972ff.; Burmeister, K., Das Studium der Rechte, 1974; Köbler, G.,
Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Streitbare HJursiten,
hg. v. d. Redaktion Kritische Justiz, 1988, Neudruck 2016 (41, davon 3 Frauen);
Hagemann, H., Rechtsunterricht im 16. Jahrhundert, ZNR 14 (1992), 162; Frassek,
R., Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium
in den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung
der juristischen Staatsexamina, 1995; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996;
Lührig, N., Die Diskussion über die Reform der Juristenausbildung, 1997;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Juristenausbildung in Europa zwischen Tradition und Reform, hg. v.
Baldus, C. u. a., 2008; Sörgel, D., Die Implementation der Grundlagenfächer in
der Juristenausbildung nach 1945, 2013; Senn, M., Rechtswissenschaft und
Juristenausbildung, 2014
Juristen, böse Christen ist eine wohl ansatzweise im Spätmittelalter
entstandene Redewendung (überliefert in vier Handschriften von Hugo von
Trimbergs Lehrgedicht „Der Renner“ [um 1300]). Sie hat ihren Grund in den
Vermutungen, dass der gelehrte Rechtskundige auf der Seite der Mächtigen steht,
die Wahrheit verdunkelt und die Verfahren verlängert.
Lit.: Stintzing, R. v., Das Sprichwort „Juristen, böse
Christen“, 1875; Riezler, E., Die Abneigung gegen den Juristen, 1925
Juristenfakultät ist die den Rechtsunterricht
ausführende Fakultät der Universität. Sie entsteht seit dem 13. Jh. in
Oberitalien und Frankreich (Paris), seit dem 14. Jh. auch im deutschen Sprachraum.
Die J. ist Verbandsperson, gerät aber in der Neuzeit unter staatlichen Einfluss
(Wittenberg 1508, einzelne →Universitäten). Im 20. Jh. nimmt die zahlenmäßige
Größe sehr stark zu.
Lit.: Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universitäten,
Bd. 1f. 1888ff., Neudruck 1958; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.;
Willoweit, D., Das juristische Studium in Heidelberg und die Lizentiaten der
Juristenfakultät von 1386 bis 1436, (in) Semper aperta, FS Universität
Heidelberg, Bd. 1 1985, 85
Juristenrecht ist das von Juristen (statt vom Volk
oder vom Gesetzgeber) geschaffene Recht. Es spielt in der rechtswissenschaftlichen
Diskussion des frühen 19. Jh.s (→Puchta) eine gewisse Rolle.
→Richterrecht
Lit.: Kaser § 2 II; Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG
4; Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, Genossenschaften, Stände, Gemeines
Recht, 1846; Brauneder, W., Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR
1983, 22; Hofer, S., Zwischen Gesetzestreue und Juristenrecht – Die
Zivilrechtslehre Friedrich Endemanns (1857-1936), 1993
Juristenstand →Jurist
Juristentag ist eine freiwillige, periodisch
stattfindende Versammlung von Juristen (in Deutschland seit 1860). Zielsetzung
ist die öffentliche Erörterung von allgemeinen Rechtsfragen.
Lit.: Conrad, H., Der deutsche Juristentag 1860-1960,
(in) Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, FS zum hundertjährigen Bestehen des
deutschen Juristentages, Bd. 1 1960, 1; Dilcher, G., Der deutsche Juristentag
1960-1980, 1980; Landau, P., Die deutschen Juristen, 1996; Festschrift 50 Jahre
österreichischer Juristentag, hg. v. österreichischer Juristentag, 2009
Juristische Person (Hugo 1799) ist die durch
die Rechtsordnung geschaffene Person. Dem Altertum ist der Gedanke, dass ein
Personenverband mit selbständiger Rechtsfähigkeit ausgestattet sein kann,
noch fremd. Die Römer sehen z. B. beim Staat oder Verein die Gesamtheit der
jeweiligen Mitglieder als Rechtsträger an. Wohl als Folge der zunehmenden
Verdichtung der Gesellschaft und der sich hieraus ergebenden Verstärkung der
Verbandsbildung (Stadt, Gemeinde, Staat, Universität, Orden, Zunft,
Markgenossenschaft u. s. w.) spricht
Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat.) persona (F.) ficta (erdachten
Person). Im 19. Jh. wird auf der Grundlage naturrechtlicher Ansätze der
moralischen Person oder juristischen Person eigene Rechtsfähigkeit zuerkannt.
Streitig ist nur, ob die j. P. eine Fiktion (→Savigny) oder ein sozialer
Organismus (→Gierke) sei. Juristische Personen sind vor allem
→Verein (u. a. →Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter
Haftung) und →Stiftung sowie Körperschaft und Anstalt. Seit dem ausgehenden
20. Jh. ist auch die Einmanngesellschaft als j. P. möglich. Die j. P. des
Privatrechts entsteht durch Rechtsgeschäft, die j. P. des öffentlichen
Rechtes durch Hoheitsakt. Sie handelt nach der Fiktionstheorie durch
Vertreter, nach der Theorie der realen Verbandspersönlichkeit durch Organe.
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 207; Zitelmann, E.,
Begriff und Wesen der sogenannten juristischen Personen, 1873; Henkel, W., Zur
Theorie der juristischen Person im 19. Jahrhundert, 1973; Huussen-de Groot, F.,
Rechtspersonen in de 19 eeuw, 1976; Dießelhorst, M., Zur Theorie der
juristischen Person bei Savigny, Quaderni Fiorentini 9 (1980); Brauneder, W.,
Von der moralischen Person des ABGB zur juristischen Person der
Privatrechtswissenschaft, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 263; Ebihara, A.,
Was ist juristisch an der juristischen Methode des Staatsrechts, ZNR 1996, 66;
Pohlmann, J., Entstehung, Rechtsträgerschaft und Auflösung der juristischen
Person, 2007; Munsonius, H., Die juristische Person des evangelischen Kirchenrechts,
2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Jury ist das mit Laien besetzte Geschworenengericht. Die
J. entwickelt sich in England und Frankreich aus dem vorwissenschaftlichen
Gericht. Im 19. Jh. fordert der Liberalismus im Kampf gegen den Staat und
dessen Berufsrichter die J. auch in Deutschland. Nach 1848 wird die J. als
→Schwurgericht eingerichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungrechts, 1954; Willock, J., The origins and development of the
jury in Scotland, 1966; The trial jury in England, France, Germany 1700-1900,
hg. v. Padoa Schioppa, A., 1987; Padoa Schioppa, A., La giuria penale in
Francia, 1994; Cairns, J./Mc Leod, G., The Dearest Birthright of the People of
England, 2002; Pense, T., Das spanische Schwurgericht, 2006; Masschaele, J.,
Jury, State and Society in Medieval England, 2008; Lieber, N., Schöffengericht
und Trial by Jury, 2010
Justi, Johann Heinrich Gottlob von (Brücken 28. 12.
1717-Küstrin 21. 7. 1771) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg (Leyser)
1750 Professor für Kameralistik in Wien und nach 1755 Praktiker und Publizist
mit Vorlesungen in Göttingen (1755-1757). Sein Hauptwerk ist die Grundfeste zu
der Macht und Glückseligkeit der Staaten (1760f., Neudruck 1965). Hierzu
stellt er die wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit dem fiskalischen
Interesse des nur durch Grundgesetze gebundenen absoluten Monarchen voran.
Die Polizei beschränkt er auf die Gewährleistung der Rahmenbedingungen für
privates wirtschaftliches Handeln. Die systematische Bearbeitung des
Polizeibegriffs legt dabei die Grundlage für das Verwaltungsrecht des 19. Jh.s.
Lit.: Frensdorff, F., Über das Leben und die Schriften
des Nationalökonomen Johann Heinrich Gottlob von Justi, 1903, Neudruck 1970;
Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG GA 102 (1985),
239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988; Adam, U., The
Political Economy of J. H. G. Justi, 2006
Justinian (Tauresium [Taor in Mazedonien]
482-Konstantinopel 14. 11. 565), Bauernsohn und Kaiserneffe, verheiratet mit
Theodora, der Tochter eines Bärendompteurs am Zirkus in Konstantinopel, wird
527 Kaiser des oströmischen Reiches. Er veranlasst die Schaffung der
→Institutionen (533), der →Digesten oder →Pandekten (530/533)
und des →Codex (534) und erlässt danach noch Einzelgesetze
(→Novellen). Anfangs tatkräftig, wird er später vom Gedanken göttlicher
Berufung beseelt.
Lit.: Söllner §§ 19, 21; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §
43; Köbler, DRG 50, 53; Schindler, K., Justinians Haltung zur Klassik, 1966;
Browning, R., Justinian and Theodora, 1971; Mazal, O., Justinian I. und seine
Zeit, 2001; Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, 2003; Meier, M.,
Justinian, 2004; Cesaretti, P., Theodora, 2004; Leppin, H., (K)ein Zeitalter
Justinians, HZ 284 (2007), 659; Pratsch, T., Theodora von Byzanz, 2009;
Justinian, hg. v. Meier, M., 2010; Leppin, H., Justinian, 2011; Heather, P.,
Die letzte Blüte Roms – Das Zeitalter Justinians, 2019
Justiz (zu lat. iustitia [F.]
Gerechtigkeit) ist die Rechtspflege (vielfach nur der ordentlichen
Gerichtsbarkeit).
Lit.: Springer, M., Die Coccejische Justizreform,
1914; Liebermann, F., Zur Teilung des Justizertrags zwischen Herrscher und
Gerichtshalter, ZRG GA 46 (1926), 365; 200 Jahre Dienst am Recht, hg. v.
Gürtner, F., 1938; Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz, 1966, Neudruck
1987; Wenzlau, J., Der Wiederaufbau der Justiz in Nordwestdeutschland 1945 bis
1948, 1979; Kuhn, Robert, Die Vertrauenskrise der Justiz (1926-1928), 1983;
Fieberg, G., Justiz im nationalsozialistischen Deutschland, 1984; Justiz in
alter Zeit, hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1984, 2. A. 1989, 3. A. 1989; Jasper,
G., Justiz und Nationalsozialismus, 1985; Just-Dahlmann, B. u. a., Die
Gehilfen, 1988; Justizalltag im Dritten Reich, hg. v. Diestelkamp, B. u. a.,
1988; Gruchmann, L., Justiz im Dritten Reich 1933-1940, 1988, 3. A. 2003; Recht
und Justiz im Dritten Reich, hg. v. Dreier, R. u. a., 1989; Justiz in alter
Zeit, 3. neubearb. A., hg. v. Hinckeldey, C. u. a., 1989; Judicial Records, hg.
v. Baker, J., 1989; Vorträge zur Justizforschung, hg. v. Mohnhaupt, H. u. a.,
1992f.; Justiz im Dritten Reich, NS-Sondergerichtsverfahren in Rheinland-Pfalz,
1994; Wrobel, Verurteilt zur Demokratie, 1998; Royer, J., Histoire de la
justice en France, 1995; Dölemeyer, B., Justizforschung in Frankreich und
Deutschland, ZNR 18 (1996); Error iudicis, hg. v. Gouron, A. u. a., 1998; Schulte-Nölke,
H., Rheinische Judikatur im frühen 19. Jahrhundert, ZNR 20 (1998); Politische
Strafjustiz 1951-1968, hg. v. Justizministerium Nordrhein-Westfalen, 1998, neu
hg. 2014; Justiz und Gerechtigkeit, hg. v. Griesebner, A., 2002; Justiz im
Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung, hg. v. Benzler, S. u. a., 2002;
Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Justiz = Justice = Justicia? Rahmenbedingungen
von Strafjustiz im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Rudolph, H. u. a., 2003;
Wiedemann, A., Preußische Justizreformen, 2003; Justiz und Nationalsozialismus,
hg. v. Pauli, G. u. a., 2003; Kißener, M., Zwischen Diktatur und Demokratie,
2003; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates, 2004; Messerschmidt,
M., Die Wehrmachtjustiz, 2005; Book, A., Die Justizreform in der Frühzeit der
Bundesrepublik, 2005; Groß, J., Die deutsche Justiz unter französischer
Besatzung 1945-1949, 2007; Deutsche Justizinstitutionen in Geschichtswerken und
Festschriften, hg. v. Vormbaum, T., 2007; Scheib, K., Justiz unterm Hakenkreuz,
2012; Justiz und Justizverfassung, hg. v. Schubert, W. u. a., 2013
(Ostseeraum); Görtemaker, M. u. a., Die Akte Rosenburg, 2016 (Franz Masfeller,
Josef Schafheutle, Ernst Kanter, Eduard Dreher, Wolfgang Immerwahr Fränkel,
Gerhard Marquordt, Paulheinz Baldus u. a.); Justiz und Verfahren im Wandel der
Zeit, hg. v. Schumann, E., 2017 Festgabe Wolfgang Sellert)
Justizgesetzsammlung ist eine 1780 in Österreich
angelegte Sammlung der Justizgesetze.
Lit.: Baltl/Kocher
Justizsache ist im 18. Jh. die gerichtlich überprüfbare
Angelegenheit.
Lit.: Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen,
FS H. Thieme, 1983
Justizstelle →oberste Justizstelle
Justizverwaltung ist die Verwaltung der von der
allgemeinen Verwaltung getrennten Gerichtsbarkeit.
Lit.: Hamann, U., Das Oberlandesgericht Celle im
Dritten Reich, (in) FS zum 250jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle,
1986; Justizverwaltung, Rechtsprechung und Strafvollzug auf dem Gebiet des
heutigen Landes Rheinland-Pfalz, 1995
Jütisches Recht →Jyske Lov
Lit.: Das jütsche Recht, übers. v. See, K. v., 1960;
Wagner, W., Jütlands Verfassung im Mittelalter, 1992
Jütland ist der festländische Teil
Dänemarks zwischen Nordsee und Ostsee. Teile seiner germanischen Bewohner
ziehen im 5. Jh. in das heutige Belgien und von dort 449 nach Britannien bzw.
England. 1241 erlässt König Waldemar von Dänemark das →Jyske Lov.
Lit.: Nordisk kultur, Bd. 2 1938, 1ff.
Jyske Lov, Jydske Lov, ist ein im März 1241
von König Waldemar II. (1202-1241) von Dänemark als verbessertes Landschaftsrecht
für Jütland erlassenes Gesetz in dänischer Sprache. Es ist in 14 Handschriften
des 14. Jh.s überliefert. Es gliedert sich in drei Bücher gemischten Inhalts.
Es ist kirchlich und königlich geprägt. Es gilt bis 1683, in Schleswig bis
1900.
Lit.: Das Jyske Recht, hg. v. See, K. v., 1960; Amira,
K., v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 91, 96; Jutisch
Lowbok. Lübeck 1486, (Faksimiledruck) 1976
K
Kabbala (F.) mystisch-spekulative Strömung
des Judentums in Südfrankreich und Spanien (13./14. Jh.)
Lit.: Scholem, G., Ursprung und Anfänge der Kabbala,
1962; Reichstein, H., Praktisches Lehrbuch der Kabbala, 1984; Scholem, G.,
Mystik, 3. A. 1988
Kabel (F.) ist im mittelalterlichen
Norddeutschland das Los und der durch das Los bestimmte Anteil (z. B. an einem
Deich).
Lit.: Hübner § 114
Kabinett ist ursprünglich das kleine Gemach,
in dem der neuzeitliche Fürst seine besonderen Angelegenheiten besorgt. Hieraus
entwickelt sich eine beratende beamtete Organisation. In der Gegenwart ist K.
die Regierung.
Lit.: Köbler, DRG 151; Dürichen, J., Geheimes Kabinett
und Geheimer Rat unter der Regierung Augusts des Starken, Neues Archiv f.
Gesch. 51 (1930), 68; Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Leinert, B., Geheimer Rat und Kabinett
in Baden, 1973
Kabinettsjustiz ist die Gesamtheit der Eingriffe
des Landesherrn in einen geschäftlichen Ablauf im Einzelfall. Im
→Absolutismus ist der Machtspruch erlaubt. Seit der zweiten Hälfte des
18. Jh.s wird er als Verstoß gegen die →Gewaltenteilung bekämpft und im
Gefolge der französischen Revolution (1789) und der Verfassungsgebung
Frankreichs (1791, Kapitel V, Art. 1) im 19. Jh. ausgeschlossen.
Lit.: Köbler, DRG 154, 200; Bussi, E., Zur
Geschichte der Machtsprüche, FS E. Hellbling, 1971, 51; Ogris, W., Maria
Theresia iudex, Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d. Wiss.
110 (1973), 232; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS H.
Krause, 1975, 171; Regge, J., Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen, 1977;
Olechowski, T., Iustitia regnorum fundamentum, RZ 78 (2000), 132
Kadijurisprudenz ist die Streitentscheidung durch
den Kadi (Richter in arabischen Ländern) im Gegensatz zur rechtsstaatlichen
Rechtsprechung.
Lit.: Luig, K., Richterkönigtum und Kadijurisprudenz,
(in) Das Profil des Juristen, 1980, 295; Müller, C., Der Kadi und seine Zeugen,
2013
Kahn-Freund, Otto (Frankfurt am Main
1900-England 1979) wird nach dem Studium von Geschichte und Recht in
Heidelberg, Leipzig und Frankfurt (Sinzheimer) Richter. 1933 wandert er wegen
seiner jüdischen Herkunft nach England aus und wird 1951 Professor in London,
1964 in Oxford. Er gehört zu den führenden Arbeitsrechtlern des 20. Jh.s.
Lit.: Kahn-Freund, O., Autobiographische Erinnerungen
an die Weimarer Republik, Kritische Justiz 1981, 183
Kaiser ist der Träger der höchsten
weltlichen Würde. In der Nachfolge Gaius Iulius Caesars († 44 v. Chr.) nennen
sich nach Augustus (27 v. Chr.-14 n. Chr.) schon die römischen Herrscher (lat.
[M.]) caesar. Dabei hängt die Nachfolge im Wesentlichen von den jeweiligen
Machtverhältnissen ab (z. B. Soldatenkaiser). Bei Teilung des römischen
Reiches stehen mehrere K. nebeneinander. In Westrom endet das Kaisertum 476 n. Chr.
Im Osten tritt im 7. Jh. die Bezeichnung basileus an die Stelle von Caesar. An
Weihnachten 800 krönt Papst Leo III. Karl den Großen zum K. (lat. imperator
[M.] Romanorum). In der Folge erlangen viele deutsche Könige vom Papst die
Krönung zum K. (lat. [M.] imperator Romanorum semper augustus), nämlich Karl
III. der Dicke 881, Arnulf von Kärnten 896, Otto I. 962, Otto II. 973, Otto
III. 996, Heinrich II. 1014, Konrad II. 1027, Heinrich III. 1046, Heinrich IV.
1084, Heinrich V. 1111, Lothar III. 1133, Friedrich I. 1155, Heinrich VI. 1191,
Otto IV. 1209, Friedrich II. 1220, Heinrich VII. 1312, Ludwig IV. der Bayer
1328, Karl IV. 1355, Sigismund 1433, Friedrich III. 1452, Maximilian 1508, Karl
V. (1520 Selbstbenennung als erwählter Kaiser des Heiligen römischen Reiches,
erwählter römischer Kaiser Bologna 1530.Die damit verbundenen Rechte sind
gering. 1453 endet das oströmische Kaisertum unter dem Ansturm der Türken,
deren Sultan den Rang eines Kaisers beansprucht. Der Herrscher Russlands nennt
sich nach dem Untergang Ostroms ab 1478 Zar (1547 Krönung Iwans IV., des
Schrecklichen, 1721 imperator, 1917 Zarenfamilie gestürzt). Nach 1530 wird der
K. des Heiligen römischen Reiches von den Kurfürsten gewählt bzw. gekrönt
(Ferdinand I. 1558-1564, Maximilian II. 1564-1576, Rudolf II. 1576-1612,
Matthias 1612-1619, Ferdinand II. 1619-1637, Ferdinand III. 1637-1657, Leopold
I. 1658-1705, Joseph I. 1705-1711, Karl VI. 1711-1740. nach dem Wittelsbacher
Karl VII. Franz I. 1745-1765, Joseph II. 1765-1790, Leopold II. 1790-1792 und
Franz II. 1792-1806). 1804 nehmen die Herrscher von Frankreich (mit Unterbrechungen
bis 1870) und Österreich den Titel K. an. 1806 endet das Kaisertum des Heiligen
römischen Reiches . 1871 wird der König von Preußen zum K. des Deutschen
Reiches proklamiert. 1918 endet das europäische Kaisertum (Deutschland, Österreich).
Daneben gibt es auch K. von Indien (1876-1947), China, Äthiopien und Japan
sowie anderen Ländern.
Lit.: Köbler, DRG 76, 83, 109, 132, 147, 194, 195;
Tophoff, H., Die Rechte des deutschen Kaisers, 1902; Srbik, H. v., Das
österreichische Kaisertum, 1927; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen,
1928; Holtzmann, R., Der Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Schramm, P.,
Kaiser, Rom und Renovatio, 1929, 2. A. 1957; Tiedemann, H., Der deutsche
Kaisergedanke vor und nach dem Wiener Kongress, 1932; Schneider, F., Neuere
Anschauungen der deutschen Historiker zur Beurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters, 1934, 2. A. 1936, 3. A. 1938; Stengel, E.,
Kaisertitel und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Ohnsorge, W., Das
Zweikaiserproblem im früheren Mittelalter, 1947; Ohnsorge, W., Das Mitkaisertum
in der abendländischen Geschichte des früheren Mittelalters, ZRG GA 67 (1950),
309; Andreae, F., Das Kaisertum in der juristischen Staatslehre des 15.
Jahrhunderts, Diss. phil. Göttingen 1951; Drögereit, R., Kaiseridee und
Kaisertitel bei den Angelsachsen, ZRG GA 69 (1952), 24; Uhlirz, M., Die
rechtliche Stellung der Kaiserinwitwe Adelheid, ZRG GA 74 (1957), 84; Pratje,
J., Die kaiserlichen Reservatrechte, 1958; Stengel, E., Abhandlungen und
Untersuchungen zur Geschichte des Kaisergedankens im Mittelalter, 1965; Appelt,
H., Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas, 1967; Kleinheyer, G., Die
kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Fehrenbach, E., Wandlungen des
deutschen Kaisergedankens 1871-1918, 1969; Wehler, H., Das Deutsche Kaiserreich
1871-1918, 1973, 5. A. 1983, 7. A. 1994; Das byzantinische Herrscherbild, hg.
v. Hunger, H., 1975; Veh, O., Lexikon römischer Kaiser, 1976, 2. A. 1985, 3. A.
1990; Duchhardt, H., Et Germani eligunt et Germanus eligendus, ZRG GA 97
(1980), 232; Schramm, P., Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer
Zeit, 2. A. 1983; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A. 1994;
Kaisergestalten des Mittelalters, hg. v. Beumann, H., 1984, 2. A. 1985, 3. A.
1991; Wefers, S., Das politische System Kaiser Sigmunds, 1989; Die Kaiser der
Neuzeit, hg. v. Schindling, A. u. a., 1990; Kienast, D., Römische
Kaisertabelle, 1990, 2. A. 1996, 3. unv. A. 2004, 4. unv. A. 2010, 5. unv. A.
2011; Pabst, A., Comitia imperii, 1997; Die römischen Kaiser, hg. v. Clauss,
M., 2. A. 2001; Clauss, M., Kaiser und Gott, 1999; Winterling, A., Aula
Caesaris, 1999; Reichsständische Libertät und habsburgisches Kaisertum, hg. v.
Duchhardt, H. u. a. 1999;
Wagner,
N., Der deutsche Kaiser und König von Preußen, ZRG GA 117 (2000), 450; Die
Kaiserinnen Roms, hg. v. Temporini-Gräfin Vitzthum, H., 2002; Röhl, J., Kaiser,
Hof und Staat – Wilhelm II., 2002; Sommer, M., Die Soldatenkaiser, 2004, 2. A.
2010, 3. A. 2014; Schneidmüller, B., Die Kaiser des Mittelalters, 2006;
Demandt, A., Das Privatleben der römischen Kaiser, 2007; Stollberg-Rilinger,
B., Des Kaisers alte Kleider, 2008; Ostermann, T., Die verfassungsrechtliche
Stellung des deutschen Kaisers nach der Reichsverfassung von 1871, 2009;
Kaisertum im ersten Jahrtausend, hg. v. Leppin, H. u. a., 2012; Szidat, J.,
Usurpator tanti nominis, 2010; Pfeilschifter, R., Der Kaiser und
Konstantinopel, 2013; Nur die Frau des Kaisers, hg. v. Braun, B. u. a., 2015;
Kaiser, Reich und Reichsstadt in der Interaktion, 2016; Buchhardt, K., Studien
zum Kaiseramt in der frühen Neuzeit, 2016 (drei Beiträge)
Kaisergericht ist die vom →Kaiser
verwaltete Gerichtsbarkeit (z. B. in Rom).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 87 I 1, II; Bleicken, J.,
Senatsgericht und Kaisergericht, 1962
Kaiserkonstitution ist die (lat.) →constitutio
(F.) des Kaisers vor allem im spätantiken Rom.
Kaiserkrönung ist die Krönung eines Menschen zum
Kaiser, wie sie im Abendland seit dem Jahre 800 stattfindet. Für die damit
verbundenen Handlungen entwickelt sich ein besonderer Krönungsordo (seit 960
überliefert). Danach folgen auf den Krönungseid Salbung, Übergabe der
Herrschaftszeichen, Messe, Steigbügelhalten, Krönungszug und Festmahl.
Lit.: Eichmann, E., Die Kaiserkrönung im Abendland,
Bd. 1f. 1942; Die Ordines für die Weihe und Krönung, hg. v. Elze, R., 1960;
Hageneder, O., Das crimen maiestatis, FS F. Kempf, 1983
Kaiserproklamation in Versailles am 18. 1. 1871 ist
die feierliche Amtsübernahme des Kaisers des Deutschen Reiches.
Lit.: Die Reichsgründung 1870/71, hg. v. Schieder, T.
u. a., 1970
Kaiserrecht ist das auf den →Kaiser
bezogene →Recht. Im römischen Altertum lassen sich die Konstitutionen der
(lat. [M.Pl.]) principes als K. verstehen. Das 13. bis 16. Jh. meint mit K.
alles Recht, dessen Quelle der Kaiser ist oder sein soll. Damit kann deutsches
Recht wie römisches Recht erfasst sein. Als K. wird beispielsweise in den
meisten Handschriften der später sog. Schwabenspiegel bezeichnet, als kleines
Kaiserrecht ein wenig jüngeres Rechtsbuch (sog. Frankenspiegel). Im Laufe des
14. Jh.s sind K. etwa die Goldene Bulle, die Landfrieden, die Rechtsbücher, das
Recht der Reichsstädte, das in der kaiserlichen Gerichtsbarkeit gesprochene
Urteil oder das römische Recht (z. B. Sachsenspiegelglosse). Im 15. Jh. ist K.
meist das aufgenommene römische Recht. Den Gegensatz bildet häufig das
kirchliche Recht.
Lit.: Schaafs, G., Ein Kaiserrechtbruchstück, ZRG GA
26 (1905), 280; Krause, H., Kaiserrecht und Rezeption, 1952; Munzel, O., Die
Innsbrucker Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Trusen, W., Die
Rechtsspiegel und das Kaiserrecht, ZRG GA 102 (1985), 12; Munzel-Everling, D.,
Dez keisers recht. Das kleine Kaiserrecht, 2003
Kaiserslautern
Lit.: Urkundenbuch der Stadt Kaiserslautern, Teil 1ff., hg. v. Dolch,
M. u. a., 1994ff.; Das Lauterer Gericht und sein Speyerer Oberhof, hg. v.
Dolch, M., 1996; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern 1566-1571, hg. v.
Dolch, M. u. a., 2002; Keddigkeit, J., Kleine Geschichte der Stadt
Kaiserslautern, 2008
Kaisheim
Lit.: Bruch, J., Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster, 2013
Kalabrien ist bis ins 7. Jh. die südöstliche,
später die südwestliche Halbinsel der Halbinsel Italien. K. kommt über die
Punier, Römer, Byzantiner und Langobarden in der Mitte des 11. Jh.s an die
→Normannen.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie im staufischen
Königreich Sizilien, 1975; Leo, P. de, Mezzogiorno medioevale, 1984
Kalender ist das wichtigste Mittel zur
Einteilung der Dimension Zeit (nach Tagen, Monaten und Jahren) mit Hilfe
astronomisch bestimmter Gegebenheiten (von Sonne und Mond). Der nach lat.
calendae (Monatsanfang) benannte, bereits vielen Völkern des Altertums bekannte
K., für den sich in Rom schon im 5. Jh. v. Chr. der Übergang zum Sonnenjahr
andeutet, wird von Caesar (100-44 v. Chr.) neu bestimmt (julianischer K. mit
einer Ungenauigkeit von rund 12 Sekunden pro Jahr). 325 wird der Frühjahrsanfang
auf den 21. März festgesetzt. Ohne dass das Geburtsjahr Jesus Christus’ (kurz
vor 4 v. Chr.?) feststeht, setzt sich die von Dionysius Exiguus (475?-545)
eingeführte Zählung nach Christi Geburt durch. Im Frühmittelalter verbessern
Beda und vielleicht Karl der Große (Lorsch 789?) die Kalenderführung durch
Aufnahme von Ereignissen auch der gewöhnlichen Lebenswelt. 1582 wird der zu
Verschiebungen führende julianische K. unter Papst Gregor XIII. durch den
genaueren, zehn Tage auslassenden gregorianischen K. ersetzt, dem sich die reformierten
Landesherren im Heiligen römischen Reich am 23. 9. 1699 anschließen (England
1752, Russland 1917). Ein an der französischen Revolution ausgerichteter neuer
Kalender Frankreichs des Jahres 1792 scheitert bereits 1805.
Lit.: Wislicenus, F., Der Kalender, 1905; Meinzer, M.,
Der französische Revolutionskalender (1792-1805), 1992; Graf, F., Der Lauf des
rollenden Jahres, 1997; Borst, A., Die karolingische Kalenderreform, 1998; Der
karolingische Reichskalender, hg. v. Borst, A., 2001; Der Streit um die Zeit,
hg. v. Herzog, M., 2002; Der Kalender, hg. v. Geerlings, W., 2002; Borst, A.,
Der Streit um den karolingischen Kalender, 2004; Rüpke, J., Zeit und Fest,
2006; Stern, S., Calendars in Antiquitiy, 2012; Weidemann, K., Römische
Staatskalender aus der Spätantike, 2016 (ambivalent)
Kalif (M.) Stellvertreter (des
islamischen Propheten Mohammed)
Lit.: Halm, H., Die Kalifen von Kairo, 2003
Kalligas, Pavlos (1814-1896) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin (Gans, Savigny) und Heidelberg 1843 Professor in Athen
und Politiker. Er fördert die Aufnahme deutscher und römischrechtlicher
Gedanken in Griechenland. Er wirkt an der Schaffung eines Entwurfes eines
griechischen Zivilgesetzbuchs mit.
Lit.: Kairophylas, K., Pavlos Kalligás, 1937
Kalumnieneid (Gefährdeeid, Schikaneeid, lat.
iuramentum [N.] calumniae) ist der im römischen Zivilprozessrecht (Formularverfahren)
sichtbare Eid der Parteien und ihrer Advokaten, das Verfahren nicht rechtsmissbräuchlich
zu führen. Justinian (527-565) macht ihn zur Prozessvoraussetzung. Der K. wird
nach einer frühen Erwähnung im Jahre 1186 mit dem römisch-kanonischen Verfahren
am Ende des Spätmittelalters in Deutschland übernommen, wobei das Verhältnis
zum Voreid des deutschen Rechtes (Gefährdeeid) streitig ist. Später geht der
Sinn des Kalumnieneids verloren. Ihm entsprechen in der Gegenwart die
Notwendigkeit des Rechtsschutzinteresses und die Strafbarkeit wegen falscher
Anschuldigung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Zimmermann, E., Der
Glaubenseid, 1863, 62; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966, 214;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 349
Kalvinismus →Calvin
Lit.: Calvinism and Religious Toleration in the Dutch
Golden Age, hg. v. Hsia, R. u. a., 2002
Kameralismus (Kameralwissenschaft) ist die
Wissenschaft von den wirtschaftlichen Verhältnissen und Aufgaben des frühneuzeitlichen
Staates (Finanzwissenschaft und Polizeiwissenschaft). Der K. ist eine Sonderform
des →Merkantilismus. Wichtige Vertreter sind →Justi,
→Seckendorff und →Sonnenfels (Wien 1763). Seit 1727 werden in
Deutschland besondere Lehrstühle für diese Wissenschaft eingerichtet.
Lit.: Köbler, DRG 134, 152; Nielsen, A., Die
Entstehung der deutschen Kameralwissenschaft im 17. Jahrhundert, 1911; Gerloff,
A., Staatspraxis und Staatstheorie des kameralistischen Verwaltungsstaates,
1937; Kunze, K., Ernst Ludwig Carl, 1966; Schiera, P., Dall’arte di governo
alle scienze di stato, 1968; Brückner, J., Staatswissenschaft, Kameralismus und
Naturrecht, 1977; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen
Steuerrechts, 1978; Schulz, H., Das System und die Prinzipien der Einkünfte im
werdenden Staat der Neuzeit, 1982; Sandl, M., Ökonomie des Raumes, 1999
Kameralistik (Kameraljurisprudenz) ist die
wissenschaftlich-literarische Tätigkeit von Richtern am Reichskammergericht
(bzw. auch die Kameralwissenschaft). Als Beisitzer des Gerichts veröffentlichen
Johann →Mynsinger von Frundeck (1517-1588, [lat.] Singularium
observationum iudicii imperialis camerae centuriae [F.Pl.] quattor, 1565,
Vierhundert Einzelbeobachtungen des kaiserlichen Kammergerichts) und Andreas
→Gaill (1526-1587, [lat.] Practicarum observationum …. libri [M.Pl.] duo,
1578, Zwei Bücher … praktischer Beobachtungen) Urteile.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Kameralprozess →Reichskammergericht
Kameralwissenschaft →Kameralismus
Kammer ist ursprünglich die gewölbte
Decke, danach der von daher benannte Raum und die darin beherbergte fürstliche
Behörde. Nach dem schon im Frühmittelalter sichtbaren →Kämmerer entstehen
bereits im späten 15. Jh. in einzelnen habsburgischen Ländern ständische
Raitkammern. 1498 richtet König Maximilian I. eine Hofkammer als zentrale,
kollegial organisierte Finanzbehörde des Reiches und der habsburgischen
Erbländer ein. In Brandenburg erscheinen im 16. Jh. Amtskammern und 1689 eine
geheime Hofkammer. Seit dem 18. bzw. 19. Jh. ist K. ein Haus eines mehrteiligen
Gesetzgebungsorgans, ein kollegialer Spruchkörper eines Gerichts oder eine
berufliche Standesvertretung.
Lit.: Mensi, F. v., Die Finanzen Österreichs, 1890;
Storch, A., Der brandenburg-preußische Kammerstaat, Diss. jur. Göttingen 1912;
Thimme, H., Das Kammeramt in Straßburg, Worms und Trier, 1913; Richardson, W.,
Tudor Chamber Administration, 1952; Die Kontrolle der Staatsfinanzen, hg. v.
Zavelberg, H., 1989
Kämmerer (lat. [M.] camerarius) ist der für
die Einkünfte zuständige Verwaltungsamtsträger bereits des frühmittelalterlichen
Könighofs (882). 936 erscheint der Herzog von Schwaben als K. (Erzkämmerer),
seit dem 12. Jh. der Markgraf von Brandenburg. Das seit dem 13. Jh. erbliche
Hofamt des Kämmerers haben zunächst die Grafen von Bolanden-Falkenstein, danach
die von Weinsberg und seit dem 16. Jh. die Grafen bzw. Fürsten von Hohenzollern
inne, doch verliert es seit der Neuzeit an Bedeutung. In England verdrängt in
der normannischen Zeit der Schatzmeister den königlichen K., in Frankreich im
13. Jh. der (frz.) Grand-chambellan bzw. im 14. Jh. der (frz.) trésorier. K.
amtieren auch in den einzelnen Städten und Ländern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112;
Schubert, P., Die Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter,
DA 45 (1989), 485
Kammergericht im Heiligen römischen Reich ist ein
seit 1415 urkundlich nachweisbares, neben dem königlichen Hofgericht
bestehendes königliches Gericht. Es entsteht vielleicht bereits im 14. Jh. aus
dem königlichen Rat. Es ist mit (gelehrten) Räten des Königs besetzt. Es ist
zuständig für Angelegenheiten des Königs und Reiches, später auch für weitere
Gegenstände. Nach Verschwinden des den neuen Anforderungen (Appellation) nicht
mehr gerecht werdenden Hofgerichts (zwischen) 1451 (und 1456) wird es als Hof-
und Kammergericht bezeichnet. Von 1455 ist ein Sitzungsprotokollbuch
überliefert, seit 1467 ein Urteilsbuch, von 1471 der Entwurf einer
Kammergerichtsordnung, nach der die Juristen die Hälfte der Urteiler bilden
sollen. Tatsächlich sind von fast 350 Beisitzern der Herrschaftszeit Kaiser
Friedrichs III. (1452-1493) fast 100 Juristen. Das K. wird vor allem von
süddeutschen Ständen häufig angerufen, gelangt aber vielfach nur sehr langsam
zu Entscheidungen und vermag nur selten diese in der Wirklichkeit umzusetzen.
Seit 1461 wird es verpachtet, seit 1475 tritt es nur noch selten zusammen. Am
9. 7. 1490 ernennt Kaiser Friedrich III. nochmals einen Kammerrichter (1494 20
Prozessrubra, 1495 35 Prozessrubra genannt). Dem K. folgt 1495 das
→Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, DRG 114; Tomaschek, J., Die höchste
Gerichtsbarkeit, 1865; Franklin, O., Das königliche Kammergericht vor dem Jahre
1495, 1871; Neumann, G., Zwei Lübecker Hausbesitzer vor dem Kammergericht, ZRG
GA 96 (1979), 209; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, 1986, 44; Jahns, S., Das Kammergericht und seine Richter, 1996ff.;
Recht und Verfassung, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Die Protokoll- und
Urteilsbücher des königlichen Kammergerichts aus den Jahren 1465 bis 1480, hg.
v. Battenberg, F. u. a., 2004; Spiller, P., Personalpolitik beim Kammergericht
von 1933 bis 1945, 2016
Kammergericht in Brandenburg bzw. Preußen ist das
(oberste) Gericht des Reichskämmerers (Markgrafen von Brandenburg) für die Mark
→Brandenburg (14. Jh. des kemerers kamere tu tangermünde, 1392
kammerrecht, 17. 3. 1468 K.). Von 1516 stammen der Entwurf einer Kammergerichtsordnung,
von 1540 (Cölln an der Spree) und 1709 in Kraft getretene Kammergerichtsordnungen.
1748 wird das K. auch für Strafsachen zuständig. 1782 wird es Mittelinstanz.
1877/1879 wird es Oberlandesgericht mit Sitz in Berlin, behält aber seinen besonderen
Namen und erhält 1913 einen Neubau.
Lit.: Holtze, F., Geschichte des Kammergerichts in
Brandenburg-Preußen, Bd. 1ff. 1890ff.; Hassenpflug, R., Die erste
Kammergerichtsordnung Kurbrandenburgs, 1895; Fünfhundert Jahre Kammergericht,
1913; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Werner, F., Zur
Geschichte des Kammergerichts in Berlin, 1968; Scholz, F., Berlin und seine
Justiz, 1982; Weichbrodt, S., Die Geschichte des Kammergerichts von 1913-1945,
2009; Kipp, J., Einhundert Jahre. Zur Geschichte eines Gebäudes 1913-2013, 2013
Kammergut (Tafelgut, Domänen) ist in der
frühen Neuzeit die Gesamtheit der Einkünfte der →Kammer. Streitig ist im
17. Jh. und 18. Jh., ob das K. dem Staat oder dem Landesherrn gehört.
Lit.: Baltl/Kocher; Zachariae, H., Das Eigentumsrecht
am deutschen Kammergut, 1864; Breysig, K., Geschichte der brandenburgischen
Finanzen, 1895
Kammerrichter →Reichskammergericht
Kammerzieler ist in der Neuzeit (1548-1806) die
Gesamtheit der von den Reichständen für das →Reichskammergericht
aufzubringenden Geldleistungen. Der K. beläuft sich meistens auf weniger als
1% der Ausgaben des schuldenden Reichsstands, wird aber vielfach gleichwohl
nicht ordentlich oder überhaupt nicht geleistet.
Lit.: Köbler, DRG 150; Gothein, E., Der gemeine
Pfennig, 1877; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911
Kampanien ist die um Neapel liegende
süditalienische Landschaft, die über die Römer, Goten und Oströmer um 570 an
das langobardische Herzogtum Benevent gelangt.
Lit.: Storia arte e cultura della Campania, 1976
Kanada ist der nördlich der Vereinigten
Staten von Amerika gelegene, aus Kolonien Englands und Frankreichs entstandene
Staat.
Lit.: Vachon, A., Histoire du notariat canadien
1621-1960, 1962; Sautter, U., Geschichte Kanadas, 2000; Handschug, S.,
Einführung in das kanadische Recht, 2003
Kanon (lat. [M.] canon) ist die Regel
oder Vorschrift des richtigen Glaubens und Handelns sowie des kirchlichen (kanonischen)
Rechtes (325). Die in (lat. [M.Pl.]) canones formulierten Synodalbeschlüsse
werden seit der Mitte des 4. Jh.s (bis zu →Gratian, um 1140, und danach)
in Kanonessammlungen, von denen allein zwischen 1000 und 1400 außerhalb
Italiens mehr als 27 verschiedene entstehen, zusammengefasst.
Lit.: Wenger, L., Über canon und regula in den
römischen Rechtsquellen, ZRG KA 63 (1943), 495; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Fransen, G., Les collections canoniques, 1985; Landau, P., Erweiterte
Fassungen der Kanonessammlung des Anselm von Lucca, (in) Sant’ Anselmo, 1987,
383; Gaudemet, J., Droit de l’Eglise, 1989; Fowler-Magerl, L., Ausgewählte
Kanonessammlungen zwischen 1000 und 1400 außerhalb Italiens, 1998 (CD-ROM);
Kéry, L., Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400-1140),
History of Medieval Canon Law 1, hg. v. Hartmann, W. u. a., 1999, 3 2008;
Landau, P., Die Quellen der mittelitalienischen Kanonessammlung in sieben
Büchern (MS Vat. lat. 1346),
(in) Ritual, Text and Law, 2003, 255; Stadelmaier, M., Die Collectio
Sangermanensis XXI titulorum, 2004
Kanoniker (535 lat. [M.] canonicus) ist ein
Mitglied eines Stiftskapitels oder Domkapitels (Domkapitular, Domherr).
Lit.: Semmler, J., Mönche und Kanoniker, 1980;
Istituzioni monastiche e istituzioni canonicali, 1980
Kanonisches Recht (lat. →ius [N.] canonicum)
ist das kirchliche Recht im Gegensatz zum weltlichen Recht. Im engeren Sinn ist
es im Gegensatz zum neueren kirchlichen Recht nur das im (lat.) →corpus
(N.) iuris canonicum enthaltene Recht bzw. das innere katholische Kirchenrecht
im Gegensatz zum staatlichen Kirchenrecht (Staatskirchenrecht). Seit der Mitte
des 4. Jh.s wird es in Kanonessammlungen zusammengefasst. In Nov. 131, 1 (545)
ordnet Kaiser Justinian (Ostrom) an, dass 54 Kanones der ersten vier
allgemeinen Konzilien wie Gesetze zu beachten sind. Große Bedeutung hat das
kanonische Recht lange für Ehe, Verfahren, Testament, Eid, Wucher und Schule
sowie (formlosen) Vertrag, ius ad rem als Vorform der Anwartschaft,
Appellation, rechtliche Bindung des Verwaltungshandelns, Amt, Ordnung,
Rechtssicherheit und allgemein Rechtsprinzipien wie etwa ne bis in idem.
Lit.: Friedberg, E., Das kanonische und das
Kirchenrecht, Dt. Z. f. Kirchenrecht 8 (1898), 1; Landau, P., Der Einfluss des
kanonischen Rechtes auf die europäische Rechtskultur, (in) Europäische Rechts-
und Verfassungsgeschichte, 1991, 39; Die Bedeutung des kanonischen Rechtes für
die Entwicklung einheitlicher Rechtsprinzipien, hg. v. Scholler, H., 1996;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1, 1997; Aymans, W./Mörsdorf,
K., Kanonisches Recht, 13. A. Bd. 2 1997; Martínez-Torron, J., Anglo-American
Law and Canon Law, 1998; Erdö, P., Geschichte der Wissenschaft vom kanonischen
Recht, 2003; Fowler-Magerl, L., Clavis canonum. Selected Canon Law Collections
before 1140, 2005; The History of Medieval Canon Law in the Classical Period
1140-1234, hg. v. Hartmann, W./Pennington, K., 2008; Austin, G., Shaping Church
Law around the Year 1000, 2009; Rüfner, T., Die gesetzesgleiche Geltung des
kanonischen Rechtes in der Spätantike, ZRG KA 122 (2010), 1; Landau, P.,
Europäische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter, 2013 (40
Aufsätze der 40 Jahre von 1967 bis 2006)
Kanonisches Zinsverbot ist das auf Lukas 6,35 (Tut Gutes
und gebt ein Darlehen, ohne davon etwas zu erhoffen) gegründete kirchliche
Verbot, für Darlehen Zinsen zu nehmen. Es setzt sich im Mittelalter allgemein
durch. Die wirtschaftlichen Ziele des verzinslichen Darlehens werden aber mit
Hilfe zahlreicher Umgehungsgeschäfte erreicht. Im Übrigen dürfen →Juden
verzinsliche Darlehen geben und werden infolgedessen vielfach zu Gläubigern
christlicher Schuldner. 1654 wird im Heiligen römischen Reich das kanonische Zinsverbot durch einen
Höchstzinssatz von 6% ersetzt, im 19. Jh. schwindet auch der Höchstzinssatz.
Lit.: Köbler, DRG 127, 166; Endemann, W., Studien in
der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Ruth, R., Das kanonische Zinsverbot, FS E. Heymann, 1931, 316
Kanonistik (F). Wissenschaft des kanonischen Rechtes oder
des →Kirchenrechts
Lit.: Berman, H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution, 2. A.
1991); Brundage, J., The Medieval Origins of the Legal Profession, 2008;
Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2009; Bertram, M.,
Kanonisten und ihre Texte (1234 bis Mitte 14. Jh.), 2013 (Aufsatzsammlung); Der
Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg. v. Schmoeckel, M.
u. a., Bd. 1 Zivil- und Zivilprozessrecht, 2009, Bd. 2 Öffentliches Recht,
2011, Bd. 3 Straf- und Strafprozessrecht, 2012, Bd. 4 Prozessrecht, 2014, Bd. 5
Das Recht der Wirtschaft, 2016
Kant, Immanuel (Königsberg 22. 4. 1724-12. 2. 1804),
Sattlerssohn (Riemerssohn), wird nach dem Studium von Mathematik,
Naturwissenschaften und Philosophie 1746 Hauslehrer, 1765 Bibliothekar und 1770
(zunehmend introvertierter) ordentlicher Professor für Metaphysik und Logik
(1781 Kritik der reinen Vernunft). Nach ihm ist Recht der Inbegriff der
Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach
einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann
(Metaphysik der Sitten, 1797/1798). Hierauf bauen alle Einzelausführungen zum
Recht auf. In erheblichem Maße von Kants Freiheitsethik beeinflusst wird
→Savigny.
Lit.: Köbler, DRG 147, 178, 187; Cassirer, E., Kants
Leben und Lehre, 1918; Swoboda, E., Das ABGB im Lichte Kants, 1926; Haensel,
W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Buchda, G., Das Privatrecht
Immanuel Kants, 1929; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973, 1987; Naucke, W., Kant und die psychologische
Zwangstheorie Feuerbachs, 1962; Kiefner, H., Der Einfluss Kants auf Theorie und
Praxis des Zivilrechts, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3;
Naucke, W., Die Dogmatisierung von Rechtsproblemen bei Kant, ZNR 1 (1969);
Ritter, C., Der Rechtsgedanke Kants nach den frühen Quellen, 1971; Saage, R.,
Eigentum, Staat und Gesellschaft bei Immanuel Kant, 1973, 2. A. 1994; Höffe,
O., Immanuel Kant, 1983, 5. A. 2000, 7. A. 2007; Kants Rechtsphilosohpie, hg.
v. Küsters, G., 1988; Dießelhorst, M., Naturzustand und Sozialvertrag bei
Hobbes und Kant, 1988; Kersting, W., Wohlgeordnete Freiheit, 1993, 3. A. 2007;
Zotta, F., Immanuel Kant. Legitimität und Recht, 1998; 200 Jahre Kants
Metaphysik der Sitten, hg. v. Sharon Byrd, B., 1998; Recht, Staat und
Völkerrecht bei Immanuel Kant, hg. v. Hüning, D. u. a., 1998; Immanuel Kant:
Metaphysische Anfangsgründe der Rechtsgeschichte, hg. v. Höffe, O., 1999;
Falkenburg, B., Kants Kosmologie, 1999; Küper, W., Immanuel Kant und das Brett
des Karneades, 1999; Kater, T., Politik, Recht, Geschichte, 1999; May, S.,
Kants Theorie des Staatsrechts, 2002; Höffe, O., Kants Kritik der reinen
Vernunft, 2003; Kühn, M., Kant, 2003, 5. A. 2004; Dietzsch, S., Immanuel Kant,
2003; Sala, G., Kants Kritik der praktischen Vernunft, 2004; Baumanns, P., Kant
und die Bioethik, 2004; Römpp, G., Kant leicht gemacht, 2005; Birken-Bertsch,
H., Subreption und Dialektik bei Kant, 2006; Recht und Sittlichkeit bei Kant,
Jb. f. Recht und Ethik 14 (2006); Kant’s Theory of Law, hg. v. Merle, J. u. a.,
2015
Kanton ist vor allem das Mitglied (Verwaltungseinheit
bzw. Bundesstaat) der Eidgenossenschaft der Schweiz seit der Einrichtung der
Helvetischen Republik im Jahre 1798. Die 24 (bzw. mit Halbkantonen 26) Kantone
sind Aargau, Appenzell, (Appenzell-Außerrhoden, Appenzell-Innerrhoden),
Basel (Basel-Stadt, Basel-Landschaft), Bern, Freiburg, Genf, Glarus,
Graubünden, Jura, Luzern, Neuenburg, Sankt Gallen, Schaffhausen, Schwyz,
Solothurn, Tessin, Thurgau, Unterwalden (Unterwalden nid dem Wald, Unterwalden
ob dem Wald), Uri, Waadt, Wallis, Zug und Zürich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; His, E.,
Geschichte des neueren Schweizer Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Adler, B., Die
Entstehung der direkten Demokratie, 2006
Kantonssystem ist ein 1733/5 in
Brandenburg-Preußen eingeführtes Aushebungssystem, bei dem der Staat in
Bezirke (Kantone) aufgeteilt wird, die je einem Regiment zur Aushebung
zugeordnet sind. Das K. wird 1771 von Österreich, 1804 von Baden und 1804/1805
von Bayern übernommen, später (Preußen 1804) aber wieder aufgegeben.
Lit.: Büsch, O., Militärsystem und Sozialleben im
alten Preußen 1713-1807, 1962
Kantorowicz, Hermann Ulrich (Posen
1877-Cambridge 1940), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Rechtswissenschaft,
Philosophie und Nationalökonomie in Berlin (Liszt) und München (Brentano) und
der Habilitation in Freiburg (Schmidt, Albertus Gandinus und das Strafrecht der
Scholastik [1908]) 1929 Professor in Kiel. Nach der Entlassung aus dem
Staatsdienst (1933) wechselt er nach New York und Cambridge. Mit seiner frühen
Schrift (Gnaeus Flavius) Der Kampf um die Rechtswissenschaft wird er einer der
Begründer der →freien Rechtsschule.
Lit.: Muscheler, K., Hermann Ulrich Kantorowicz, 1984;
Muscheler, K., Relativismus und Freirecht, 1984; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 631
Kanzlei ist die für die Herstellung von
Schriftstücken zuständige Behörde. Sie entsteht bereits im römischen Altertum
unter Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.). Hieran knüpfen die merowingischen Könige
an, deren K. sich aus weltlichen Hofbeamten (lat. [M.Pl.] referendarii) und
diesen untergeordneten Schreibern zusammensetzt. Wenig später treten
Geistliche an ihre Stelle. Die Leitung übernimmt 870 bzw. 965 der Erzbischof
von Mainz. Zur gleichen Zeit festigt sich auch eine K. des Papstes. Seit dem
12. Jh. wird die K. eine nach festen Regeln eingerichtete Behörde zur
Herstellung von Schriftstücken. Im 13. und 14. Jh. bilden sich auch in den
Ländern und Städten besondere Kanzleien.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Wilkinson, B., The
Chancery under Edward III, 1929; Merkel, W., Das Aufkommen der deutschen
Sprache in den städtischen Kanzleien, 1930; Groß, L., Die Geschichte der
deutschen Reichshofkanzlei, 1933; Vogelgesang, G., Kanzlei der pfälzischen
Kurfürsten, 1939; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und Regierungssystem der
Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214 bis 1255/1294, 1967;
Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichtes,
1974; Csendes, P., Die Kanzlei Kaiser Heinrichs VI., 1981; Kölzer, T., Urkunden
und die Kanzlei von Kaiserin Konstanze, 1983; Petke, W., Kanzlei, Kapelle und
königliche Kurie unter Lothar III. (1125-1137), 1985; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen bei Rhein, 1986; Frenz, T., Die Kanzlei
der Päpste, 1986; Stadt, Kanzlei und Kultur im Übergang zur frühen Neuzeit, hg.
v. Suntrup, R., 2004; Gleixner, S., Sprachrohr kaiserlichen Willens, 2006;
Kanzleisprachenforschung, hg. v. Greule, A. u. a., 2012
Kanzler ist der Angehörige oder Leiter
einer →Kanzlei. Der (lat. [M.]) cancellarius (4. Jh.) ist in Rom die an
den die Richter von der Allgemeinheit trennenden Schranken (lat. [M.Pl.]
cancelli) Dienste verrichtende Hilfsperson, im Frühmittelalter der Schreiber,
seit dem 10. Jh. der Leiter einer Beurkundungsstelle (Reich 953, Frankreich
12. Jh.). Seit dem 12. Jh. erscheint der K. an Schulen und Universitäten als
bedeutsamer Amtsträger. Auch nach dem Ende des Heiligen römischen Reiches bleibt der K. bedeutsam (1810 Preußen
Staatskanzler, 1866 Norddeutscher Bund Bundeskanzler, 1871 Reichskanzler, 1949
Bundeskanzler[, Österreich 1920]).
Lit.: Köbler, DRG 83, 112, 113; Rosenberg, W., Die
staatsrechtliche Stellung des Reichskanzlers, 1889; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912; Hantsch, H., Reichsvizekanzler Friedrich Karl
Graf von Schönborn (1674-1746), 1929; Rashdall, H., The Universities of Europe,
2. A. 1936
Kapelle ist in Ableitung von (lat. [F.])
capa (Mantel [des heiligen Martin, 316-400]) die kleine Kirche, deren
Rechtsstellung gegenüber der Kirche zeitweise in verschiedener Hinsicht
gemindert ist.
Lit.: Fleckenstein, J., Die Hofkapelle der deutschen
Könige, 1959
Kaperei ist die Aufbringung feindlicher
Schiffe durch bewaffnete, staatlich dazu ermächtigte Privatschiffe seit dem 17.
Jh. Ihre Wurzeln liegen bereits im Mittelalter. Im 19. Jh. wird die K. durch
Staatsverträge und die Pariser Seerechtsdeklaration von 1856 beseitigt.
Lit.: Böhringer, K., Recht der Prise, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1970; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte 1994, 2. A. 2007,
§§ 30, 35, 36
Kapetinger, Capetinger ist
der Angehörige eines (rheinfränkischen?,) mit dem 866 gefallenen Robert
sichtbaren Geschlechts, das mit Hugo Capet 987/988 das Königtum im westfränkischen
Reich erlangt. Bei dem Erlöschen der Kapetinger (1328) folgen die Nebenlinien
Valois (bis 1589), Bourbon (bis 1792, 1814-1830) und Orléans (1830-1848), so
dass die K. insgesamt alle Könige Frankreichs stellten. Weitere Nebenlinien
(Anjou, Borgonha, Bragança u. a.) herrschen zeitweise in Portugal (1093-1580,
1640-1853), Byzanz (1217-1261), Neapel-Sizilien (1266-1282/1422, 1735-1860),
Ungarn (1308-1385), Polen (1370-1382), Parma (1748-1802, 1847-1860) oder
Brasilien (1822-1789). Als Familienbezeichnung erscheint das Wort K. spät
(17. Jh.).
Lit.: Lohrmann, K., Die Titel der Kapetinger
(987-1200). Diss. phil. Wien 1976 (masch.schr.); Actes du colloque Hugues
Capet, 1987; Ehlers, J., Die Kapetinger, 1999; Krause, I., Konflikt und Ritual
im Herrschaftsbereich der frühen Capetinger, 2006; Barthélemy, D., Nouvelle
historie des Capétiens (978-1124), 2012
Kapital (N.) ist die verzinsliche Geldsumme
bzw. die Gesamtheit der in ein Unternehmen eingebrachten Mittel
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 399;
Weber, A., Der Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 1954; Peyer, H., Könige,
Stadt und Kapital, 1982; Nyikos, E., Das Kapital als Prozess, 2010; Piketty,
T., Das Kapital im 21. Jahrhundert, 2014; Piketty, T., The Economics of
Inequality, 2015
Kapitalgesellschaft ist die →Gesellschaft, bei
der die bloße Beteiligung von →Kapital im Vordergrund steht und es nicht
wesentlich auf die Persönlichkeit des einzelnen Gesellschafters ankommt. Die
K. entsteht nach dem Frühkapitalismus mit der Entwicklung des risikoreichen,
kapitalbedürftigen Welthandels (→Aktiengesellschaft) zu Beginn des 17.
Jh.s. Ihre Bedeutung wächst noch immer.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Fleckner, A., Antike Kapitalvereinigungen, 2010
Kapitalismus ist die Wirtschaftsform, in der das
→Kapital prägende Bedeutung hat. Auf der Grundlage der Anerkennung des
Privateigentums strebt der Einzelne im freien Wettbewerb mit anderen am Markt
den größtmöglichen Gewinn durch maximalen Einsatz verfügbaren Kapitals an. Als
Frühform des K. (Frühkapitalismus) gilt die Wirtschaftsweise z. B. der
→Fugger am Beginn der Neuzeit. Eigentlich setzt sich der K. erst seit dem
18. Jh. im Liberalismus des 19. Jh.s durch, bewirkt dort aber auch die Trennung
der Gesellschaft in Kapitalisten (besitzende Bürger) und Proletarier
(besitzlose Arbeiter).
Lit.: Söllner § 18; Köbler, DRG 177; Strieder, J., Zur
Genesis des modernen Kapitalismus, 1904; Hinze, Die Arbeiterfrage zu Beginn des
modernen Kapitalismus, 2. A. 1963; Turner, H., Faschismus und Kapitalismus,
1972; Koslowski, P., Ethik des Kapitalismus, 2. A. 1984; Duplessis, R.,
Transitions to Capitalism, 1997; Kurz, R., Schwarzbuch Kapitalismus, 1999;
Pelz, W., Against Capitalism, 2007; Leidinger, H., Kapitalismus, 2008; Miles,
K., The Origins of International Investment Law, 2013; Beckert, S., King
Cotton, 2014; Welskopp, T., Unternehmen Praxisgeschichte, 2014
(Aufsatzsammlung); Gleeson-White, J., Soll + Haben. Die doppelte Buchführung
und die Entstehung des modernen Kapitalismus, 2015; Capitalism, hg. v. Kocka,
J. u. a., 2017; Maß, S., Kinderstube des Kapitalismus – Monetäre Erziehung im
18. und 19. Jahrhundert, 2017; Müller, P., Zeit der Unterhändler –
Koordinierter Kapitalismus in Deutschland und Frankreich zwischen 1920 und
1950. 2019
Kapitän ist der Führer eines Schiffes. Er bedarf eines
Patents (Zulassung).
Lit.: Hanses, D., Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen
Seeschiffen, 1983
Kapitel (N.) „Häuptlein“, Teil,
Gemeinschaft
Kapitular (N.) ist im frühmittelalterlichen
fränkischen Recht die in Kapitel eingeteilte Anordnung des Königs bzw. in einem
weiteren Sinn der Überrest einer in Beratungen auf Versammlungen bei Hof in
Gegenwart des Herrschers lebenden politischen Praxis. Das unter verschiedenen
Namen verschiedenste Gegenstände behandelnde K. setzt der Herrscher oft mit
Zustimmung der Großen und des Volkes, meist für das ganze Reich. Kapitularien
begegnen, in rund 275 Handschriften überliefert, von etwa 500 bis etwa 900, am
häufigsten zwischen 802 und 830. Lat. [N.] capitulare erscheint erstmals 779
(773). Bei einer Neuedition ist nicht mit grundlegenden Veränderungen zu
rechnen.
Lit.: Köbler, DRG 81; Boretius, A./Krause, V., Capitularia
regum Francorum, Bd. 1f 1883ff. , Neudruck 1960, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BoretiusAlfredCapitulariaRegumFrancorum1883.pdf;
Seeliger, G., Die Kapitularien der Karolinger,
1893; Eckhardt, W., Die Kapitulariensammlung Bischof Ghaerbalds von Lüttich,
1955; Ganshof, F., Wat waren de Capitularia?, 1955; Ganshof, F., Was waren
die Kapitularien, 1961; Eckhardt, W., Was waren die Kapitularien?, ZRG GA 79
(1962), 237; Schneider, R., Zur rechtlichen Bedeutung der Kapitularientexte,
DA 23 (1967), 273; Capitula episcoporum, Bd. 1ff. 1984ff.; Überlieferung und
Geltung normativer Texte des frühen und hohen Mittelalters, 1986; Schmitz, G.,
Die Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Sousa
Costa, A. de, Studien zu volkssprachlichen Wörtern in karolingischen
Kapitularien, 1993; Woll, I., Untersuchungen zur Überlieferung und Eigenart der
merowingischen Frühkapitularien, 1995; Mordek, H., Bibliotheca capitularium
regum Francorum manuscripta, 1995 (sieben neue Stücke); Schriftkultur und
Reichsverwaltung unter den Karolingern, hg. v. Schieffer, R., 1996; Buck, T.,
Admonitio und praedicatio, 1997; Mordek, H., Studien zur fränkischen
Herrschergesetzgebung, 2000; Koal, V., Studien zur Nachwirkung der Kapitularien
in den Kanonessammlungen, 2001; Geiselhart, M., Die Kapitulariengesetzgebung
Lothars I. in Italien, 2002; Schneider, H., Karolingische Kapitularien und ihre
bischöfliche Vermittlung, DA 63 (2007), 469; Glatthaar, M., Die drei Fassungen
des Doppelkapitulars von Diedenhofen, DA 69 (2013), 443; Glatthaar, M.,
Subjektiver und indirekter Stil in den Kapitularien, DA 70 (2014), 1; Patzold,
S., Benedictus Levita I, 279 DA 70 (2014) 67; Glatthaaar, M., Die drei
Fassungen des Doppelkapitulars von Diedenhofen/Thionville (805/806)- Entwurf
–Erlass – Revision DA 69 (2013) 443
Kapitulation (17. Jh.) ist
der in Kapitel eingeteilte Vertrag (z. B. Wahlkapitulation), insbesondere der
Vertrag über die Übergabe von eigenen Truppen oder sonstigen kriegerischen
Mitteln.
Lit.: Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland,
hg. v. Becker, J. u. a., 1979; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Kaplan (M.) Hofgeistlicher, Hilfspriester
Kapras, Jan (1880-1947) wird nach dem
Rechtsstudium in Innsbruck und Prag 1910 außerordentlicher Professor und 1917
ordentlicher Professor in Prag. Sein Hauptwerk ist die Rechtsgeschichte der
Länder der böhmischen Krone (Právní dejiny zemí Koruny české, 1913ff.).
Lit.: Antologie české právní vedy, 1993, 44
Karantanien (7. Jh.) →Kärnten
Kardinal ist im katholischen Kirchenrecht
der vom Papst ernannte höchste kirchliche Würdenträger nach dem Papst. Mit dem Adjektiv
(lat.) cardinalis werden seit etwa 500 n. Chr. zur Bischofskirche oder zur
bischöflichen Priesterschaft gehörende Kleriker bezeichnet, seit dem Anfang
des 8. Jh.s die jeweils ranghöchsten Priester einer Titelkirche in Rom. Am
Beginn des Frühmittelalters wird (lat.) cardinalis zum Titel. Um 1100 findet
sich ein Kardinalskollegium mit Bischöfen von 53 Kardinälen, das im 15. Jh. auf
24 Kardinäle beschränkt wird. Am Ende des 16. Jh.s wird die Zahl auf 70 und
1958 nochmals erweitert. Der K. wird vom Papst frei ernannt. Seit dem Ende des
11. Jh.s wirken die Kardinäle (Kardinalbischof, Kardinalpriester,
Kardinaldiakon) an der Herrschaft der Gesamtkirche mit, seit 1179 wählen sie
den Papst. (Altersgrenze 80 Jahre)
Lit.: Fürst, C., Cardinalis, 1967; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hüls, R., Kardinäle, 1977;
Weber, C., Senatus divinus, 1996; Jagd nach dem roten Hut, hg. v. Karsten, A.,
2004; Geschichte des Kardinalates im Mittelalter, hg. v. Dendorfer, J. u. a.,
2011
Karl der Große (frz. Charlemagne) (Westfranken 2.
4. 748 [?]-Aachen 28. 1. 814), aus der Familie der Arnulfinger bzw. Pippiniden
bzw. Karolinger, wird 768 König der Franken (bis 771 mit seinem Bruder
Karlmann) und 800 von Papst Leo III. zum Kaiser gekrönt. Durch zahlreiche
Kriegszüge dehnt er das Reich der Franken aus (→Langobarden,
→Sachsen). In →Kapitularien setzt er Recht. Im Übrigen veranlasst
er die Aufzeichnung von →Volksrechten. Wahrscheinlich um 770 führt er
→Schöffen in der Gerichtsbarkeit ein. Er kann, wo und wann er will,
Bischöfe einsetzen, macht davon aber nur im Kernraum zwischen Rhein, Loire und
Rhone Gebrauch. Er fördert die deutsche Sprache durch einheimische Monatsnamen
und Windnamen. Seine Körpergröße wird auf 1,84 Meter berechnet (gegenüber einem
Durchschnitt von 1,69 Metern), sein Gewicht auf 78 Kilogramm, sein Körperbau
als grazil angesehen.
Lit.: Köbler, DRG 81; Siegel, H., Die deutschen
Rechtsbücher und die Kaiser-Karls-Sage, 1899; Gundlach, W., Karl der Große im
Sachsenspiegel, 1899; Heldmann, K., Das Kaisertum Karls des Großen, 1928;
Brandenburg, E., Die Nachkommen Karls des Großen, 1935, Neudruck 1964;
Pirenne, H., Mahomet und Karl der Große, 1935 (1963); Seiler, K., Der
Erziehungsstaat Karls des Großen, 1937; Folz, R., Le souvenir et la légende de
Charlemagne, 1950; Folz, R., Études sur le culte liturgique de Charlemagne,
1951; The coronation of Charlemagne, hg. v. Sullivan, R., 1959; Sprigade, K.,
Zur Frage der Verfälschung von Karls d. Gr. divisio regnorum, ZRG GA 81 (1964),
305; Fleckenstein, J., Karl der Große, 1962; Karl der Große, hg. v. Braunfels,
W. u. a., Bd. 1ff. 1966ff.; Das Paderborner Epos von 799, 1967; Wolf, G., Die
Königssöhne Karl und Karlmann und ihr Thronfolgerecht, ZRG GA 108 (1991), 282;
Wolf, G., Die Qualität der fränkisch-langobardischen Verbindung 770/71 und die
sonstigen Verbindungen Karls des Großen, ZRG GA 113 (1996), 397; Classen, P.,
Karl der Große, 1985; Becher, M., Karl der Große, 1999; Kerner, M., Karl der
Große, 2000; Hägermann, D., Karl der Große, 2000; Epperlein, S., Leben am Hofe
Karls des Großen, 2000; Karl der Große und das Erbe der Kulturen, hg. v.
Erkens, F., 2001; Kerner, M., Karl der Große, 2001; Tischler, M., Einharts Vita
Karoli, 2001; Karl der Große und sein Nachleben, hg. v. Kraus, T. u. a., 2003;
Karl der Große in den europäischen Literaturen des Mittelalters, hg. v.
Bastert, B., 2004; Kintzinger, M., Die Erben Karls des Großen, 2005;
Charlemagne, hg. v. Story, J., 2005; McKitterick, R., Karl der Große, 2008;
Pauler, R., Karl der Große, 2009; Hartmann, W., Karl der Große, 2010; Karl der
Große, hg. in Zusammenarbeit mit Damals, 2011; Schneider-Ferber, K., Karl der
Große, 2013; Fried, J., Karl der Große, 2013; Bachrach, B., Charlemagne’s Early
Campaigns (768-777), 2013; Latowsky, A., Emperor of the World – Charlemagne,
2013; Weinfurter, S., Karl der Große, 2013; Bredekamp, H., Der schwimmende
Körper, Üatzold, S., Ich und Karl der Große, 2013; Ubl, K., Karl der Große und
die Rückkehr des Gottesstaats, HZ 301 (2015) 374; Davis, J., Charlemagne’s
Practice of Peace, 2015
Karl IV. (Wenzel) (Prag 14. 5. 1316-29. 11.
1378), aus der Familie der Grafen von Luxemburg, wird 1346 deutscher König und
1355 Kaiser. Er macht Prag zum Mittelpunkt des Reiches (1344 Erzbistum, 1348
Universität) und veranlasst für Böhmen die sog. (lat.) →Maiestas (F.])
Carolina und für das Reich die →Goldene Bulle.
Lit.: Die Goldene Bulle des Kaisers Karl IV. 1356,
bearb. v. Müller, K., 1970; Seibt, F., Karl IV., 1978; Kaiser Karl IV.
Staatsmann und Mäzen, 1978; Vita Karoli Quarti, hg. v. Stammler, W., 1979,
aktualisierte Neuausgabe 2016; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982; Kavka, F., Am
Hofe Karls IV., 1990; Widders, E., Itinerar und Politik, 1993; Pauler, R., Die
Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Karl IV. und den Päpsten, 1996;
Schlotheuber, E., Die Autobiographie Karls IV., HZ 281 (2005), 561; Paravicini,
A., Die Vita Karls IV., DA 63 (2007), 101; Bauch, M., Divina favente clemencia,
2014; Kaiser Karl IV. und die Goldene Bulle, bearb. v. Frauenknecht, E. u. a.,
2016
Karl V. (Gent 24. 2. 1500-Estremadura/Spanien
21. 9. 1558), aus der Familie der Habsburger (Enkel Maximilians), wird 1515
Herzog Burgunds, 1516 König Spaniens, 1519 deutscher König und 1530 Kaiser.
1521/1522 überlässt er seinem Bruder Ferdinand die Herrschaft in den österreichischen
Erblanden und die Stellvertretung im Reich (9 Reisen nach Deutschland, zehn
Reisen in die Niederlande, 40 Reisen insgesamt). 1521 entscheidet er sich gegen
die Reformation. Unter seiner Herrschaft wird 1532 die (lat.)
→Constitutio (F.) Criminalis Carolina erlassen. 1555/1556 verzichtet K.
auf die Regentschaft in Burgund/Spanien zu Gunsten Philipps II., 1556 auf die
Kaiserwürde zu Gunsten Ferdinands I.
Lit.: Die Reichsregisterbücher Kaiser Karls V.,
1913ff.; Kalkoff, P., Die Kaiserwahl Friedrichs IV. und Karls V., 1925; Die
Reichsregisterbücher Kaiser Karls V., hg. v. Gross, L., 1930; Zippel, W.,
Nationale und nationalitätenrechtliche Gedanken bei der Wahl und in der
Wahlkapitulation Karls V., 1950; Boom, G. de, Les voyages de Charles Quint,
1957; Weber, H., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG 77 (1960),
288; Rabe, H., Reichsbund und Interim, 1971; Press, V., Kaiser Karl V., 1976;
Spěvaček, J., Karl IV., 1978; Das römisch-deutsche Reich im
politischen System Karls V., hg. v. Lutz, H., 1982; Brandi, K., Kaiser Karl V.,
8. A. 1986; Kaiser Karl V. und die Zunftverfassung, hg. v. Naujoks, E., 1985;
Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987; Karl V., hg. v. Rabe, H., 1996;
Kohler, A., Karl V., 3. A. 2001; Größing, S., Karl V., 1999; Schulin, E.,
Kaiser Karl V., 1999; Schorn-Schütte, L., Karl V., 2000; Kodek, I., Der
Großkanzler Kaiser Karls V. zieht Bilanz, 2004; Kohler, A., Karl V. 1500-1558,
2005; Pelizaeus, L., Dynamik der Macht, 2007; Schlegelmilch, A., Die
Jugendjahre Karls V., 2010
Karlsbader Beschlüsse sind die unter dem maßgeblichen
Einfluss Metternichs vom 6.-31. 8. 1819 in Karlsbad (nordwestlich Prags) von
den Ministern von 10 deutschen Staaten getroffenen, den einzelnen Untertanen
unter Einschränkung der Souveränität der beteiligten Staaten bindenden
Beschlüsse zur strengen Überwachung der Universitäten durch Regierungsbevollmächtigte
(Universitätsgesetz), zur Einschränkung der Pressefreiheit (Pressgesetz),
zur Einsetzung einer Kommission zur Aufdeckung revolutionärer Bestrebungen
und zur Herstellung einer Exekutionsordnung. Ihr äußerer Anlass ist die
Ermordung des Schriftstellers August von Kotzebue durch den Studenten Karl
Ludwig Sand. Am 20. 9. 1819 verabschiedet der Bundestag (Bundesversammlung) des
→Deutschen Bundes die in den Karlsbader Beschlüssen enthaltenen
Gesetzesentwürfe. Eine dauerhafte Unterdrückung demokratischer Bestrebungen
gelingt nicht.
Lit.:; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KarlsbaderBeschluesse1819Universitaetsgesetz.htm;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KarlsbaderBeschluesse1819Untersuchungsgesetz.htm;
Ilse, L., Geschichte der politischen Untersuchungen, 1860; Brümmer, M., Staat
kontra Universität, 1991; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A.
2005, § 30 III; Schermaul, S., Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse an der
Universität Leipzig, 2013
Karlsruhe ist die von Markgraf Karl-Wilhelm
von Baden-Durlach um ein neues Schloss seit 17. 6. 1715 sonnenförmig gegründete
Stadt, die sich nach 1945 und der Zerschlagung Preußens wegen des Sitzes des
Bundesgerichtshofs (1950) und des Bundesverfassungsgerichts (1951) der Bundesrepublik
Deutschland zur deutschen Residenz des Rechtes entwickelt hat.
Lit.: Schiller, C., Das Oberlandesgericht Karlsruhe im
Dritten Reich, 1997; Fischer, D., Rechtshistorische Rundgänge durch Karlsruhe,
2005, 2. A. 2011;Die Bestände des Generallandesarchivs Karlsruhe Teil 5, bearb.
v. Krimm-Beumann, J., 2010
Karlstadt
Lit.: Riedenauer, E., Karlstadt, 1963
Kärnten ist ein im keltisch-römischen Norikum
enthaltenes, nach der Karanta (Ulrichsberg, Karnburg, Karnberg) benanntes, ab
dem 6. Jh. von slawischen Einwanderern besetztes, seit 740/750 (Karantanien)
unter die Herrschaft der Bayern und dann der Franken geratenes Gebiet an der
mittleren Drau, das unter Einschluss der Steiermark und weiterer Gebiete im
Süden 976 von →Bayern getrenntes Herzogtum wird und 1335 durch Kaiser
Ludwig den Bayern von den Grafen von Görz/Tirol an die Grafen von Habsburg
gelangt (1809-1813 in den illyrischen Provinzen Frankreichs, 1816-1849 Teil des
Königreichs Illyrien Österreichs, 1849-1918 eigenes Kronland). Im 16. Jh.
entsteht aus dem →Landlauf von Steyr ein Kärntner Rechtsbuch. K. ist seit
1920 Bundesland →Österreichs (1945-1955 Besatzungsgebiet Großbritanniens).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Puntschart, P., Herzogseinsetzung und Huldigung in Kärnten, 1899;
Goldmann, E., Die Einführung der deutschen Herzogsgeschlechter in den
slovenischen Stammesverband, 1903; Unterluggauer, J., Sankt Leonhard und das
obere Lavanttal, 1925; Torggler, K., Darstellung des Kärntner Rechts und
Rechtsganges, Archiv f. vaterländ. G. u. T. 24/25 (1936), 127; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Torggler, K., Die Arbeiten
Ludmil Hauptmanns, Carinthia 1 (1938); Rauch, K., Die Kärntner Herzogseinsetzung,
FS Adolf Zycha, 1941, 173; Graber, G., Schwabenspiegel und Einritt am
Fürstenstein, 1942; Puntschart, P., Einige Ergänzungen zur kritischen Literatur
über die bäuerliche Herzogseinsetzung in Kärnten, ZRG GA 65 (1947), 337;
Braunmüller, H., Geschichte Kärntens, Bd. 1ff. 1949ff.; Fräss-Ehrfeld, C.,
Geschichte Kärntens, Bd. 1 1984; Kärnten, hg. v. Rumpler, H. u. a., 1998;
Gleirscher, P., Karantanien, 2000; Die Kärntner Volksabstimmung 1920, 2002;
Kahl, H., Der Staat der Karantanen, 2002; Enzyklopädie der slowenischen
Kulturgeschichte in Kärnten, hg. v. Sturm-Schnabl, H. u. a., 2015; Danglmaier,
N./Koroschitz, W., Nationalsozialismus in Kärnten, 2015
Kärntner Rechtsbuch →Landlauf von Steyr
Karo, Josef (1488-Sated 1575) ist ein jüdischer
Rechtsgelehrter aus Spanien, der lange auf dem Balkan und in Galiläa lebt. Er
kommentiert umfassend die Arba ’at ha-Turim des →Jakob Ben Ascher (Bet
Josef, Kurzform Sulchan ’Arukh). In erweiterter Form gewinnt das Werk in
Mitteleuropa und Osteuropa bis ins 19. Jh. allgemeine Anerkennung in den
jüdischen Gemeinden.
Lit.: Elon, M., Ha-Mischpat ha-’ibri, Bd. 2 3. A.
1988, 1087
Karolinger ist der (seit dem 10. Jh. so
bezeichnete) Angehörige eines (vielleicht mit den Merowingern verwandten,) von
Bischof Arnulf von Metz (Arnulfinger, 7. Jh.) hergeleiteten, über Karl Martell
(714-741) und Pippin (III.) den Jüngeren (bzw. den Kurzen bzw. den Kleinen
741-768) als →Hausmeier 751 zum fränkischen Königtum (Pippiniden)
aufgestiegenen Geschlechts, das später nach →Karl dem Großen als K. bezeichnet
wird. Die K. sterben nach der Reichsteilung von 843 (Vertrag von Verdun) bzw.
877 im Ostteil des fränkischen Reiches 911 und im Westteil 987 aus.
Lit.: Köbler, DRG 76; Vaccari, P., Studi sull’Europa
precarolingia e carolingia, 1955; Haselbach, I., Aufstieg und Herrschaft der
Karolinger, 1970; Ullmann, W., The Carolingian renaissance, 1969; Diplomata
Karolinorum, Faksimileausgabe, hg. v. Bruckner, A., 1970; Haselbach, I.,
Aufstieg und Herrschaft der Karolinger, 1970; Borgolte, M., Der Gesandtenaustausch
der Karolinger mit den Abbasiden, 1976; Riché, P., Les Carolingiens, 1983; Mc
Kitterick, R., The Frankish Kingdoms, 1983; Schulze, H., Vom Reich der Franken
zum Land der Deutschen Merowinger und Karolinger, 1987; Schieffer, R., Die
Karolinger, 1992, 3. A. 2000, 4. A. 2006, 5. A. 2013; Karl Martell in seiner
Zeit, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Joch, W., Legitimität und Integration,
1999; Semmler, J., Der Dynastiewechsel, 2003; Grahn-Hoek, H., Gundulfus
subregulus, DA 59 (2003), 1; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late
Ninth Century, 2004; Schieffer, R., Die Zeit des karolingischen Großreichs,
2005; Koch, A., Kaiserin Judith, 2005; Laudage, J. u. a., Die Zeit der
Karolinger, 2006; Kaschke, S., Die karolingischen Reichsteilungen bis 831,
2006; Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008; Keller, H./Althoff, G., Die
Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008; Drews, W., Die
Karlinger und die Abbasiden von Bagdad, 2009; Hack, A., Alter, Krankheit, Tod
und Herrschaft, 2009 (35 Karolinger mit 57 Frauen und 133 Kindern); Fischer,
A., Karl Martell, 2011; Busch, J., Die Herrschaften der Karolinger 714-911,
2011; Fischer, A., Karl Martell, 2012
Karolus de Tocco (Tocco bei Benevent 2. H. 12.
Jh.-nach 1215), adliger Sohn eines Rechtskundigen, wird nach dem Rechtsstudium
in Bologna (Placentinus, Johannes Bassianus) Rechtslehrer in Bologna (?) und
Benevent sowie Gerichtsbeisitzer in Sizilien. Von ihm stammt vor allem wohl
eine um 1215 entstandene umfangreiche Glossierung der gegen Ende des 11. Jh.s
entstandenen systematischen Sammlung langobardischer Gesetze
(→Lombarda). Sie wirkt in Oberitalien bis in das 14. Jh., in Süditalien
bis in das 18. Jh.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 5 2. A. 1850, 174; Leicht, P., Le glosse di Carlo di Tocco,
(in) Studi e memorie per la storia dell’università di Bologna 4 (1920), 157;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 305; Lange, H., Zum
Lombarda-Kommentar, FS D. Medicus, 1999, 317
Karrenstrafe ist in der Neuzeit eine im (Beladen
und) Ziehen eines Karrens bestehende Freiheitsstrafe oder Ehrenstrafe.
Lit.: Wächter, C., Die Strafarten und Strafanstalten
des Königreichs Württemberg, 1832, 253
Karte ist das beschriebene Blatt bzw. das
verkleinerte Abbild von Land.
Lit.: Ortelius, A., Theatrum orbis terrarum, 2006; Oehme, R., Die
Geschichte der Kartographie des deutschen Südwestens, 1961; Schumm, K.,
Inventar der handschriftlichen Karten im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein,
1961; Großer historischer Weltatlas, hg. v. bayerischen Schulbuch-Verlag, Teil
1ff. 1953ff.; Putzger, F., Atlas und Chronik zur Weltgeschichte, 2002;
Schneider, U., Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom
Mittelalter bis heute, 2004, 3. A. 2011; Recker, G., Gemalt, gezeichnet und
kopiert – Karten in den Akten des Reichskammergerichts, 2004; Kartenwelten, hg.
v. Dipper, C. u. a., 2006; Iwańczak, W., Die Kartenmacher, 2009; Schramm,
M., Digitale Landschaften, 2009; Horst, T., Die älteren Manuskriptkarten
Altbayerns, 2009 (300 Karten); Schröder, I., Das Wissen von der ganzen Welt,
2011; Christoph, A., Die Ökonomisierung des Naturwissens um 1800, 2011; Die
Werkstatt des Kartographen, hg. v. Siegel, S. u. a., 2011; Schraut, S.,
Kartierte Nationalgeschichte – Geschichtsatlanten im nternationalen Vergleich
1860-1960, 2011; Kupčik, I., Alte Landkarten, 2011; Sonnabend, H., Antike
Geographie, 2012; Dueck, D., Geofraphie der antiken Welt, 2013; Di Cesare, M.,
Studien zu Paulinus Venetus De mapa mundi, 2015; Rosenberg, D. u. a., Die Zeit
in Karten, 2015; Garfield, S., Karten, 2015?
Kartell ist die Abrede selbständiger Unternehmer
zwecks bestimmten gemeinsamen Verhaltens am Markt. Wie schon die →Zunft
den Wettbewerb beeinflusst und seit dem Spätmittelalter bewusst Unternehmer
sich zur Wettbewerbsgestaltung zusammenschließen, so finden sich am Ende des
19. Jh.s auch in der Großindustrie Kartelle. 1897 werden sie vom deutschen
Reichsgericht zugelassen (RGZ 38, 155). Da sie bald überhandnehmen, werden sie
am 2. 11. 1923 verboten, ohne dass das Verbot Wirkungen zeigt. Am 27. 7. 1957
ergeht in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. 1. 1958 ein Gesetz gegen die
Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), das später noch verschärft wird (3.
8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen Preisbindung
für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht) und neben dem seit
diesem Zeitpunkt auch europäisches Kartellrecht gilt. Im Mai 2004 wird das
europäische Kartellrecht inhaltlich umgestellt auf das Anmeldeprinzip und kann außer
von der Europäischen Kommission von allen nationalen Kartellbehörden und
Kartellgerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union angewendet
werden.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 243, 272; Mickwitz, G.,
Die Kartellfunktionen der Zünfte, 1936; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,3852; Großfeld, B., Zur Kartellrechtsdiskussion vor dem ersten
Weltkrieg, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4
1979, 255; Kartelle und Kartellgesetzgebung, hg. v. Pohl, H., 1985; Schwab, D.,
Kartelle im Mittelalter, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 442; Schröder, R., Die Entwicklung des Kartellrechts, 1988;
Baums, T., Kartellrecht in Preußen, 1990; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des
österreichischen Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Nörr, K.,
Die Leiden des Privatrechts, 1994; Gith, R., Die Entstehungsgeschichte des
europäischen Kartellrechts, 2003; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch,
2004; Richter, K., Die Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914,
2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Maetschke, M.,
Ursprünge der Zwangskartellgesetzgebung, 2008; Bechtold/Bosch/Brinker,
EU-Kartellrecht, 3. A. 2014; Klix, J., Privatrechtstheorie und Wirtschaft von
1967 bis 1982, 2017; Böse, C., Kartellpolitik im Kaiserreich, 2018
Karthager ist der Angehörige des um die
phönizische Kolonie Karthago am Golf von Tunis gegründeten, bis nach Spanien
ausgreifenden, jedoch seit dem 3. Jh. v. Chr. von Rom (in drei punischen
Kriegen) bekämpften und 146 v. Chr. von den Römern endgültig unterworfenen
Reiches (Feldherr Hannibal 247-183 v. Chr.).
Lit.: Lancel, S., Carthage, 1992; Geus, K., Prosopographie
der literarisch bezeugten Karthager, 1994; Moscati, S., Die Karthager, 1996;
Gerhold, M., Rom und Karthago zwischen Krieg und Frieden, 2002; Zimmermann, K.,
Rom und Karthago, 2005, 2. A. 2009, 3. A. 2014; Christ, K., Hannibal, 2003;
Huss, W., Die Karthager, 3. A. 2004
Karthäuser, Kartäuser, ist der Angehörige des
von Bruno von Köln (um 1030-1101) 1084 in La Chartreuse bei Grenoble als
Eremitengemeinschaft in die Wege geleiteten christlichen Ordens.
Lit.: Gruys, A., Cartusiana, 1976; Mursell, S., The Theology
of the Carthusian Life, 1988; Schilling, B., Zur Vorgeschichte der Kartäuser,
DA 68 (2012), 53
Kartular (N.) Urkundensammlung
Kaser, Max (Wien 21. 4. 1906 – Ainring bei Salzburg 13. 1.
1997), Geschichtsprofessorensohn, wird nach der Promotion in Graz und der
Habilitation in Gießen (1931) Professor für römisches Recht in Münster (1933)
und Hamburg (1959). Von ihm stammt die führende Darstellung des römischen
Privatrechts (1955ff., in drei zeitliche Epochen gegliedert) und
Zivilprozessrechts (1966). Zusammengefasst sind seine synthetisierenden
Arbeitsergebnisse in einem zeitlebens aktualisierten Kurzlehrbuch.
Lit.: Knüttel, R., Max Kaser, NJW 1997, 1492; Giaro,
T., Max Kaser, Rechtshist. Journal 16 (1997), 231
Kassation ist die Aufhebung eines Urteils
(wegen Nichtigkeit). Während das römische Recht ein unter Verletzung der
Gesetze zustandegekommenes Urteil ohne weiteres als nichtig ansieht, verlangt
das frühmittelalterliche langobardische Recht ein besonderes Verfahren (lat.
reclamatio [F.] ad regem, Beschwerde an den König). Seit der Mitte des 12. Jh.s
wird zwischen Verletzung des Verfahrensrechts (→Nichtigkeitsbeschwerde)
und Verletzung des materiellen Rechtes (→Appellation) unterschieden,
später aber unter dem Einfluss des kanonischen Rechtes die Nichtigkeitsbeschwerde
auch auf große erhebliche Rechtsfehler erstreckt. Die Nichtigkeitsbeschwerde
hat zunächst devolutive und seit der Mitte des 14. Jh.s auch aufschiebende
Wirkung. Für sie werden unter Ausdehnung auf alle Rechtsfehler im 19. Jh. in
Italien Kassationsgerichtshöfe zuständig, die 1888/1923 zusammengefasst werden.
In Frankreich entwickelt sich die K. (einer Abteilung des Staatsrats) als ein
auf Rechtsfragen beschränkter Rekurs außerhalb des eigentlichen Instanzenzugs
im Lauf des 18. Jh.s und wird 1790 einer mit den Garantien einer unabhängigen
Rechtsprechung ausgestatteten Einrichtung (Kassationsgerichtshof)
übertragen, welche die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und die genaue
Auslegung der Gesetze gewährleisten soll und zwingend an die Instanzgerichte
zurückverweisen muss.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Skedl, F., Die
Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Montazel, L., Entre fait et droit, 1998;
Seynsche, G., Der rheinische Revisions- und Kassationshof in Berlin
(1819-1852), 2002; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof, 2004
Kasse ist ein Behältnis für Geld. Mit der
Entwicklung der Geldwirtschaft werden bei (Unternehmern und bei allen) Behörden
besondere Kassen gebildet.
Kassel („Haus an einer Mulde“?an der Fulda ist eine aus einem 913
erstmals bezeugten fränkischen Königshof erwachsene Stadt (1632-1652
Universität), die 1807-1813 Hauptstadt des Königreichs Westphalen ist und in
der Bundesrepublik Deutschland das Bundessozialgericht und von 1954 bis 1999
auch das 1993/1996 gesetzlich nach Erfurt verlegte Bundesarbeitsgericht
beherbergt.
Lit.: Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919;
Eisenträger, M. u. a., Territorialgeschichte der Kasseler Landschaft, 1935;
Nehls, A., Alte Gewohnheit und Stadtrecht zu Kassel in Erbfällen, 1967;
Heinemeyer, K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Die
Handschriften der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel, bearb. v. Kremer,
M., Bd. 2 1969; Kassel als Stadt der Juristen, 1990; Feldner, U., Kleine Geschichte
der Stadt Kassel, 2010; Huber, J., Stadtgeschichte Kassel, 2012; Vom Königshof
zur Stadt, hg. v. Baumgärtner, I., 2013
Kassenarzt ist der auf Grund eines von der
deutschen Reichsregierung geforderten Abkommens zwischen Krankenkassenverbänden
und Arztverbänden abgeschlossenen Abkommens (1914) bzw. einer Verordnung
(1923) bzw. eines Gesetzes (1955) von der Krankenkasse
(→Krankenversicherung) für die Behandlung Kranker zugelassene und deshalb
in ein Arztregister eingetragene Arzt (1914 ein K. auf 1350 Versicherte, bzw.
bei Familienbehandlung ein K. auf 1000 Versicherte).
Lit.: Jörg, M., Das neue Kassenarztrecht, 1993; Maaß,
R., Das Kassenarztrecht der Reichsversicherungsordnung, 1990
Kassiergesetz ist das zwecks Einschränkung der
Rechtsliteratur die Anwendung der Anmerkungen Paulus‘ und Ulpians zu den Werken
Papinians verbietende Gesetz Kaiser Konstantins I. von 321 n. Chr. (Codex Theodosianus
1. 4. 2).
Kaste (F.) Stand in Indien
Lit.: Zilm, A., Das Kastensystem in der Rechtsordnung
Indiens, 1997
Kastilien ist das nach (lat. [N.Pl.])
castella benannte Gebiet am oberen Ebro, das im späten 8. Jh. als Grafschaft
des Königreichs Asturien-León mit dem Hauptort Burgos erscheint. K. gelangt
1029 erbweise an den König von Navarra, dessen Sohn 1035 König von K. wird. Von
1037 bis 1065 und 1230 wird León mit K. vereinigt. 1085 wird K. um Toledo
erweitert, 1236 um Córdoba, 1243 um Murcia und 1248 um Sevilla. 1412 wird der
König von K. auch Herrscher in Aragonien. Wenig später werden K. und A. in
Personalunion (1474) verbunden.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff,
2,2,230; Martínez Gijón, J., La compañía mercantil en Castilla, 1979; Las
Cortes de Castilla y León, 1988; Büschgens, A., Die politischen Verträge
Alfons’ VIII. von Kastilien, 1995; Czeguhn, I., Die kastilische
Höchstgerichtsbarkeit 1250-1520, 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und
das Imperium, 2002; Ladero Quesada, M., Isabel I de Castilla, 2012 (Aufsätze);
Collantes de Terán de la Hera, M., El El amancebamiento, 2014
Kastration (F.) →Entmannung
Lit.: Schneider, C., Die Verstaatlichung des Leibes,
2000; Huonker, T., Diagnose Moralisch defekt, 2003; Czeguhn, I., Das Gesetz zur
Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 und die
Erbgesundheitsgerichte, TRG 72 (2004), 359; Einhaus, C., Zwangssterilisation in
Bonn (1933-1945), 2006; Justiz und Erbgesundheit, hg. v. Justizministerium des
Landes Nordrhein-Westfalen, 2009
Kasuistik (F.) Einzelfallbetrachtung (vor
allem in Rechtsgutachten römischer Rechtskundiger mit Respondierrecht im Namen
des Kaisers seit Kaiser Augustus)
Katalonien (12. Jh.) im Nordosten Spaniens
gelangt über Iberer und Punier seit dem Ende des 3. Jh.s v. Chr. allmählich an
die Römer, seit 409 an die Alanen und 415 an die Goten (Kata-lanen), um 800 an
die Franken. 1137 fällt die dort entstehende Grafschaft Barcelona, deren
Gewohnheitsrecht in dem seit etwa 1060 entstehenden Rechtsbuch Usatges de
Barcelona (Usatici Barchinonae) überliefert wird, an →Aragonien, behält
aber Selbständigkeit. 1714 verliert K. die bestehenden Sonderrechte, erhält
aber von 1932 bis 1939 und 1979 Autonomie.
Lit.: Lalinde Abadía, J., La institución virreinal en
Cataluña (1471-1716), 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,264; Iglesia Ferreirós, A., La creación del derecho en Cataluña, Anuario de
historia del derecho Español 47 (1977), 99; Allemann, F./Bahder, X. v.,
Katalonien und Andorra, 3. A. 1985; Costums de Tortosa, hg. vom Centre Associat
de Tortosa, 1979; Font Ruis, J., Cartas de población y franquicia, Bd. 2 1983;
Massip, J., La gestació de les costums de Tortosa, 1984; Brocá, G. de, Historia
del derecho de Cataluña, 1985; Zimmermann, M., En les orígens de Catalunya,
1989; El dret comú i Catalunya, hg. v. Ferreirós Aquilino, 2000; Revista de
dret històric català, Bd. 1ff. 2001ff.Bowman, J., Shifting landmarks. Property,
proof and dispute in Catalonia around the year 1000, 2004, Ryder, A., The Wreck
of Catalonia, 2007; Iglesia Ferreirós, A., Cataluña Medieval, 2008; Ferro Pomà,
V., El dret públic català, 2015
Kataster ist ein Verzeichnis von Personen
oder Gegenständen, insbesondere ein Verzeichnis der Grundstücke eines Gebiets
mit genauen Angaben über die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks. Im 15.
Jh. erscheinen erste Vorläufer (Florenz 1427). Der neuzeitliche Staat legt seit
dem 18. Jh. zwecks Sicherung der Grundsteueraufkommen K. an (Neapel 1740,
Lombardei 1750, Österreich unter Maria Theresia und Joseph II., Preußen 1822
für Rheinland und Westfalen). Das K. liefert auch dem →Grundbuch die
notwendigen technischen Angaben.Lit.: Köbler, DRG 152;
Grävell, M., Die Grundsteuer und deren Kataster, 1821; Strippel, K., Die
Währschafts- und Hypothekenbücher Kurhessens, 1914; Heider, J., Der bayerische
Kataster, 1954; Lego, K., Geschichte des österreichischen Grundkatasters, 1968;
Atlante storico, hg. v. Bocchi, F. u. a., 1986ff.; Kataster und moderner Staat,
hg. v. Mannori, L., 2001; De l’estime au cadastre en Europe, hg. v. Rigaudière,
A., 2006; Der franziszeische Kataster im Kronland Bukowina, hg. v. Rumpler, H.
u. a., 2015
Katharer (erstmals um 1143 in Köln)
→Ketzer
Lit.: Rottenwöhrer, G., Der Katharismus, Bd. 1ff.
1982ff.; Lambert, M., Geschichte der Katharer, 2001; Hoécker, C., Disputatio
inter Catholicum et Paterinum hereticum, 2001: Auffarth, C., Die Ketzer,
Katharer, Waldenser und andere, 2005
Kathedersozialist (1871) ist der im späteren 19. Jh.
sozialpolitische Anliegen (Wirtschaftsgesetzgebung, Tarifverträge, Wirtschaftsethik)
verfolgende, von Sozialisten bekämpfte Wirtschaftswissenschaftler (z. B.
Gustav von Schmoller 1838-1917, Lujo Brentano 1844-1931, Werner Sombart).
Lit.: Oppenheim, H., Kathedersozialismus, 1872
Kathedrale ist die Hauptkirche am Sitz des
Erzbischofs oder Bischofs.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; La cathédrale, 1995; Binding, G., Als die Kathedralen in den Himmel
wuchsen, 2006
katholisch (allumfassend, seit dem 4. Jh.
Bischofstitel)
Lit.: Katholizismus
und Reichsgründung, hg. v. Real, W., 1988; Georg von Hertling
1843-1919, hg. v. Becker, W., 1993; Kirche und Katholizismus seit 1945, hg. v.
Gatz, E., 1998; Arnold, C., Katholizismus als Kulturmacht, 1999; Schwendenwein,
H., Die katholische Kirche, 2003; Hollerbach, A., Katholizismus und
Jurisprudenz, 2004; Houlihan, P., Catholicism and the Grat War, 2015; Profil
und Prägung – Historische Perspektiven auf 100 deutsche Katholikentage, hg. v.
Kösters, C. u. a., 2017
Katzenelnbogen ist eine mittelalterliche, 1479 an
Hessen gelangte Grafschaft. 1591 wird von Johannes Kleinschmidt der Entwurf
einer Landesordnung geschaffen, der nach Aufnahme in der Praxis bis zum Ende
des 19. Jh.s Bedeutung hat.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, A., Die
geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen,
1893, 67; Demandt, K., Regesten der Grafen von Katzenelnbogen, Bd. 1ff.
1953ff.; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969;
Maulhardt, H., Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafschaft Katzenelnbogen,
1980
Kauf (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
ein gegenseitiger, grundsätzlich formloser Vertrag, durch den der eine Teil
(Verkäufer) sich zur endgültigen Übertragung eines Gegenstands (verkehrsfähiger
körperlicher, möglicherweise erst noch herzustellender Gegenstand, Recht
einschließlich einer [lat.] spes [F.], Hoffnung, Chance) und der andere Teil
(Käufer) sich zur Zahlung eines bestimmten, ernst gemeinten Kaufpreises
verpflichtet. Der K. ist dem römischen Recht als (lat.) →emptio (F.)
venditio vertraut (auf [lat.] bona fides, guter Treue beruhender Konsensualkontrakt).
Er kann mit verschiedenen Nebenabreden versehen werden (z. B. aufschiebende
oder auflösende Abrede des Rücktrittsrechts des Verkäufers bei besserem
Angebot eines anderen Kaufinteressenten innerhalb einer bestimmten Frist).
Er führt als solcher (noch) nicht zum Eigentumserwerb. Möglich sind Gattungskauf
und Stückkauf. Der Käufer hat die (lat.) actio empti auf Lieferung, der
Verkäufer die (lat.) actio venditi auf Zahlung. Zu den Germanen kommt er über
den namengebenden römischen Schankwirt an der Grenze (lat. [M.] caupo).
Bedeutung erlangt er mit der Durchsetzung der Geldwirtschaft in der
hochmittelalterlichen Stadt. Seit dem Spätmittelalter wird die
römischrechtliche Gestaltung einschließlich der Sachmangelhaftung im Heiligen
römischen Reich aufgenommen. Für den
K. von Grundstücken wird das (aus den um 1130 sichtbaren hochmittelalterlichen
Schreinskarten Kölns hervorgehende) →Grundbuch bedeutsam. Im 19. Jh.
wird in Deutschland der Handelskauf ausgesondert und das Verpflichtungsgeschäft
vom Erfüllungsgeschäft streng getrennt. Seit dem Ende des 19. Jh.s wird der
sozial schwache Käufer (Verbraucher) besonders geschützt (Abzahlungsgesetz).
Am 11. 10. 2011 veröffentlicht die Europäische Kommission einen Vorschlag für
ein gemeinsames europäisches Kaufrecht. →Marktkauf
Lit.: Kaser § 41; Söllner §§ 9, 15; Hübner; Köbler,
DRG 45, 63, 67, 91, 127, 165, 215, 270; Conze, F., Kauf nach hanseatischen
Quellen, 1889; Amira, K., Nordgermanisches Obligationenrecht, 1892ff.; Mitteis,
H., Rechtsfolgen des Leistungsverzugs, 1913; Peterka, O., Der Kauf im Altstadt
Prager und Brünner Recht, ZRG GA 58 (1938), 421; Planitz, H., Handelsverkehr
und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 175; Ebel,
W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Bauer, F., Die Entwicklung des Kaufrechts
in Deutschland seit der Rezeption des römischen Rechtes, Diss. jur. Bonn 1953;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Müller, H., Das Kaufrecht in
süddeutschen Stadtrechtsreformationen, Diss. jur. Kiel 1961; Greiser, P., Der
Kauf nach deutschen Landrechten der Rezeptionszeit, Diss. jur. Kiel 1965;
Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung, 1965; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971; Wesener, G., Der Kauf
nach österreichischem Privatrecht, FS H. Hämmerle, 1972, 433; Oeckinghaus, A.,
Kaufvertrag und Übereignung, 1973; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen,
Diss. jur. Mainz 1981; Wolfgang, E., Das klassische römische Recht der
Gefahrtragung beim Kauf, Diss. jur. Bonn 1981; Knellwolf, M., Zur Konstruktion
des Kaufes auf Probe, 1987; Cortesi, O., Die Kaufpreisgefahr, 1996; Knütel, R.,
Hoffnungskauf und Eviktionshaftung, ZRG RA 117 (2000), 445; Michaels, R.,
Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Kaufen nach römischem Recht, hg. v.
Jakab, E. u. a., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; CISG vs. Regional Sales Law Unification, hg.
v. Magnus, U., 2012; Sondertagung der Zivilrechtslehrervereinigung zum
Vorschlag für ein Common European Sales Law in Bonn im April 2012, hg. v.
Wagner, G./Zimmermann, R., (in) AcP 212 (2012), 467; Gemeinsames europäisches
Kaufrecht, hg. v. Gebauer, M., 2013
Kauf auf Probe ist der Kauf, bei dem der Käufer auf Grund
einer Vereinbarung im Kaufvertrag den Kaufgegenstand bei Nichtgefallen
innerhalb einer bestimmten Frist zurückgeben kann.
Kauf bricht nicht die Miete ist ein Rechtssprichwort, das
besagt, dass im Gegensatz zum römischen Recht (Kauf bricht Miete,
Gewährleistungsanspruch des vertriebenen Mieters gegen seinen Vermieter) in
(vielen) deutschen Rechten seit dem Hochmittelalter die Veräußerung eines Grundstücks
durch den Eigentümer das Mietverhältnis eines Mieters nicht beendet
(Veräußerung vertreibt den Mieter nicht).
Lit.: Kaser § 42 II 4; Kroeschell, DRG 3; Gilissen,
J., Huur gaat voor koop, TRG 16, 281; Jüttner, B., Zur Geschichte des
Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960
Kauf einer erhofften Sache (lat. emptio [F.] rei speratae) ist der Kauf
einer erst noch entstehenden Gegenstands (z. B. eines Tierjungen), der durch
die Entstehung aufschiebend bedingt ist.
Kaufgut ist das durch →Kauf erworbene
Gut. Es wird im Mittelalter teilweise anders behandelt als das durch Erbschaft
erlangte Gut (Erbgut).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 2 1886, 58, 199
Kaufhaus ist das großbetriebliche Unternehmen für den
Kleinhandel mit Waren verschiedenster Art in einheitlichen Verkaufshäusern. In
Deutschland werden die ersten Kaufhäuser oder Warenhäuser von jüdischen Kaufleuten
im letzten Viertel des 19. Jh.s errichtet (Wertheim Stralsund 1876, Karstadt
Wismar 1881, Tietz Gera 1882). Gegen sie wenden sich ohne großen Erfolg die
kleineren Handelsunternehmen und Kaufleute. Im 21. Jh. wird das K. durch das
Telekommunikationsgeschäft gefährdet.
Lit.: Spiekermann, U., Warenhaussteuer in Deutschland, 1994; Felten,
F., Mittelalterliche Kaufhäuser im europäischen Vergleich, hg. v. Felten, F.,
2015; Lindemann, U., Das Warenhaus, 2015
Kaufmann (812) ist,
wer ein Handelsgewerbe betreibt. In Rom von eher untergeordneter rechtlicher
Bedeutung, erscheinen im Frühmittelalter Syrer, Juden, Griechen und Friesen als
vereinzelte Wanderhändler. Mit dem Hochmittelalter lässt sich der K. in der
Stadt nieder und bildet Gilden oder Zünfte. Im 19. Jh. wird der Begriff des
Kaufmanns gesetzlich festgelegt, 1998 vereinheitlicht und vereinfacht.
Österreich ersetzt 2007 den Kaufmann des Handelsgesetzbuchs durch das
Unternehmen und den Unternehmer des Unternehmensgesetzbuchs.
Lit.: Köbler, DRG 67, 95, 111, 167, 217; Gross, C.,
The Gild Merchant, 1890; Stoeven, M., Der Gewandschnitt in den deutschen
Städten des Mittelalters, 1915; Die Korporation der Kaufmannschaft von Berlin,
1920; Weider, M., Das Recht der deutschen Kaufmannsgilden, 1931; Planitz, H.,
Handelsverkehr und Kaufmannsrecht im fränkischen Reich, FS E. Heymann, Bd. 1
1940, 175; Planitz, H., Kaufmannsgilde und städtische Eidgenossenschaft, ZRG
GA 60 (1940), 1; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Sapori, A., Le
marchand italien, 1952; Bergfeld, C., Einzelkaufmann und Unternehmer, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 126;
Kroeschell, K., Ius omnium mercatorum, FS B. Schwineköper, 1982; Köbler, G.,
Mercatores personati, FS L. Carlen, 1989, 157; I mercanti italiani, hg. v.
Frangioni, L., 1990; Müller-Boysen, C., Kaufmannsschutz und Handelsrecht, 1990;
Ars mercatoria. Handbücher und Traktate für den Gebrauch des Kaufmanns
1470-1820, hg. v. Hoock, J. u. a., Bd. 1ff. 1991ff.; Ebert-Weidengeller, A., Hamburgisches
Kaufmannsrecht, 1992; Kaufmannsbücher und Handelspraktiken, hg. v. Denzel, M.
u. a., 2002; Rösch, G., Kaufmannsbildung und Kaufmannsethik im Mittelalter,
2004; Becker, A., Die Entwicklung des Kaufmannsbegriffes, 2004; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Kaufleute, Seefahrer und Piraten, hg. v. Schwara, D. u. a., 2011
Kaufmannseigenschaft →Kaufmann
Kaufvertrag (1574) ist der über einen →Kauf geschlossene
→Vertrag. Er begründet nach deutschem Recht nur zwei Verpflichtungen des
Verkäufers und des Käufers. Erst mit der Erfüllung ändert sich auch die
sachenrechtliche Lage (Eigentum)..
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Kausalität ([F.] Ursächlichkeit) ist das
Verhältnis zwischen einer Ursache und einer Folge dieser Ursache. K. eines
Verhaltens für einen Erfolg ist gegeben, wenn das Verhalten nicht hinweggedacht
werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt bzw. ein gebotenes, aber
unterlassenes Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Im Schadensersatzrecht
kann die K, durch die Adäquanz eingeschränkt sein. K. bei einem Eigentumserwerb
bedeutet, dass ohne rechtmäßigen Erwerbsgrund (z. B. Kaufvertrag) die Erwerbsart
(z. B. Übergabe) keinen Eigentumsübergang bewirken kann (vgl. § 380 ABGB).
Seit Savigny (1779-1861) gibt das deutsche Recht die K. zwischen Kaufvertrag
und Eigentumsübergang allmählich auf und verlangt für den Eigentumserwerb eine
sachenrechtliche Einigung.
Lit.: Ling, M., Die Unterbrechung des Kausalzusammenhanges,
1996
Kautelarjurisprudenz ist die im Verhüten von
Rechtsstreitigkeiten bestehende Tätigkeit des Rechtskundigen, die schon dem
römischen Recht bekannt ist und seit dem Mittelalter vor allem von
→Notaren durch Erstellung einwandfreier Urkunden ausgeübt wird. Von hier
aus kommt es zu eigenen Sammlungen von Cautelen und seit dem 18. Jh. auch
besonderen Standesregeln.
Lit.: Söllner § 11; Weißler, A., Geschichte der
Rechtsanwaltschaft, 1905, 247
Kaution (F.) Sicherheitsleistung (Wort
1511)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Kawerze (M.) Einwohner von Cahors,
Südfranzose, Geldhändler (13. Jh.)
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991
Kebsehe ist die (dauerhafte) Geschlechtsverbindung
eines Mannes mit einer Unfreien (als Nebenfrau). Sie wird von der Kirche
bekämpft.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 3
Keilschrift ist die durch Zeichen oder Elemente in Keilform
gebildete Schrift des vorchristlichen Zweistromlands.
Keilschriftrecht (Paul Koschaker) ist
das in Keilschrift aufgezeichnete Recht (der Sumerer, Akkader, Assyrer,
Babylonier und Hethiter).
Lit.: Haase, R., Einführung in das Studium keilschriftlicher
Rechtsquellen, 1965; Die keilschriftlichen Rechtssammlungen in deutscher
Fassung, 2. A. 1979; Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 34 (Franck 1541)
Keine Regel ohne Ausnahme.
Lit.: Deutsche Rechtssprichwörter und Rechtsregeln,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 276 (Körte 1837, lat. nulla regula sine
exceptione)
Keller oder Kellner ist im Mittelalter der
für die Verwaltung der Vorräte zuständige Amsträger der Grundherrschaft oder
der Landesherrschaft.
Lit.: Lamprecht, K., Deutsches Wirtschaftsleben im
Mittelalter, Bd. 1 1886, 1410; Die Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg.
v. Patze, H., 1983
Kelloggpakt (Briand-Kellogg-Pakt) ist ein nach
dem (französischen Ministerpräsidenten Aristide Briand [Nantes 28. 3.
1862-Paris 7. 3. 1932 und dem) amerikanischen Außenminister Frank Billings
Kellogg (Potsdam 22. 12. 1856-Saint Paul 21. 12. 1937) benannter, am 27. 8.
1928 von verschiedenen Staaten vereinbarter Vertrag zur Ächtung des Krieges.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007; Buchheit, E., Der Briand-Kellogg-Pakt, 1998
Kelsen, Hans (Prag 11. 10. 1881-Orinda
bei Berkeley 19. 4. 1973), aus kleinbürgerlicher, aus Ostgalizien kommender
Familie, wird nach dem Rechtsstudium in Wien, der Taufe (1905), der Promotion
(1906) und der Habilitation (1911) während des Kriegsdiensts als
Wissenschaftsoffizier im Kriegsministerium 1917 außerordentlicher Professor,
1918 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Staatskanzlei, 1919 als Nachfolger
seines Lehrers Edmund Bernatzik ordentlicher Professor in Wien und (1919-1930)
Mitglied des Verfassungsgerichtshofs. 1920 wirkt er unter Karl Renner bei der
Ausarbeitung des Bundesverfassungsgesetzes →Österreichs mit (vor allem
Verfassungsgerichtsbarkeit). 1930 wird er seiner Mitgliedschaft im
Verfassungsgerichtshof kraft Gesetzes enthoben. 1930 wechselt er nach Köln,
wo er am 13. 4. 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft beurlaubt wird. 1934
veröffentlicht er sein Hauptwerk (Die reine Rechtslehre), dem es um die reine
Lehre des positiven Rechtes geht. Auf der Voraussetzung einer angenommenen
Grundnorm baut er eine wertfreie normative Ordnung auf, deren Einzelgestaltung
er auch während seiner späteren Tätigkeiten in Genf (1933-1935), Prag
(1936-1938), New York (1940-1942) und Kalifornien (Berkeley 1945-1952) weiter
ausgestaltet. Bekämpft wird er von Neuhegelianern (Kaufmann, Heller, Carl
Schmitt, Smend, Schwind, Hold-Ferneck u. a.), Antipositivisten und Anhängern
der Staatsautorität.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, Neudruck
2009; Kelsen, H., Vergeltung und Kausalität, 1940; Walter, R., Hans Kelsen,
1985; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und Demokratietheorie bei Hans
Kelsen, 1986; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a.,
1993, 705; Rub, A., Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995; Heidemann, C., Die
Norm als Tatsache, 1997; Carrino, A., Die Normenordnung, 1998; Normativity and
Norms, hg. v. Paulson, S. u. a., 1998; Hans Kelsen und Carl Schmitt, hg. v.
Diner, D. u. a., 1999; Walter, R., Hans Kelsens Rechtslehre, 1999; Nogueira
Dias, G., Rechtspositivismus und Rechtstheorien, 2004; Hans Kelsen, hg. v.
Paulson, S. u. a., 2005; Walter, R., Hans Kelsen als Verfassungsrichter, 2005;
Hans Kelsen, Werke, Bd. 1ff. hg. v. Jestaedt, M u. a., 2007ff. (30 Bände); Der
Kreis um Hans Kelsen, hg. v. Walter, R. 2008; Ogris, W., Hans Kelsen
redivivus?, Nova & Varia 1 (2009), 7; Korb, A., Kelsens Kritiker, 2010;
Merlino, A., Kelsen im Spiegel der italienischen Rechtslehre, 2013; Hans Kelsen
und die deutsche Staatsrechtslehre, hg. v. Jestaedt, M., 2013; Hans Kelsen –
Die Aktualität eines großen Rechtswissenschaftlers, hg. v.
Aliprantis/Olechowski, T., 2014
Kelte ist der Angehörige der keltisch
sprechenden, von den Indogermanen abstammenden Völker. Die vielleicht seit
etwa 600 v. CHr. sichtbaren Kelten siedeln zuerst zwischen Main und Donau,
werden dann aber nach Süden (386 v. Chr. vor Rom) und Westen (Galicien,
Bretagne, Wales, Irland) und Osten (Galater) abgedrängt. Aus ihrer Frühzeit
sind eigene schriftliche Zeugnisse nicht überliefert. In der Gegenwart bestehen
noch die (auf ein anscheinend recht einheitliches Keltisch zurückgehenden)
Nachfolgesprachen Bretonisch in der Bretagne, Walisisch in Wales, Irisch in
Irland und Gälisch in Schottland, während Gallisch (in Frankreich und Südwestdeutschland),
Lepontisch (in Oberitalien) und Iberokeltisch (in Westspanien) ausgestorben
sind.
Lit.: Köbler, DRG 66; Roessingh, D., Het gebruik en
besit van de grond, 1915; Liebermann, F., Die Fabeln von urältesten Gesetzen
der Kymren, ZRG GA 46 (1926), 365; Thurneysen, R., Das keltische Recht, ZRG GA
55 (1935), 81; Moreau, J., Die Welt der Kelten, 1958; Die Kelten in
Mitteleuropa, 3. A. 1980; McCone, K., Pagan past, 1990; Wernicke, I., Die
Kelten in Italien, 1991; Spindler, K., Die frühen Kelten, 1996; James, S., Das
Zeitalter der Kelten, 1996; Birkhan, H., Kelten, 2. A. 1997; 3. A. 1999;
Strobel, K., Die Galater, 1998; Mees, B., Celtic Influence in the Vocabulary of
Hierarchy, ZRG GA 115 (1998), 361; Demandt, A., Die Kelten, 1998, 4. A. 2002,
7. A. 2011; Birkhan, H., Kelten - Bilder ihrer Kultur, 1999; Maier, B., Die Kelten,
2. A. 2003, 3. A: 2016; Maier, B., Die Religion der Kelten, 2001;
Fries-Knoblach, J., Die Kelten, 2002; Sievers, S., Manching, 2003; Maier, B.,
Kleines Lexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs, 2003; Kuckenburg,
M., Die Kelten in Mitteleuropa, 2004; Pilch, H., Die keltischen Sprachen und
Kulturen, Bd. 1f. 2007; Die Kelten, hg. v. Zimmer, S., 2009; Matasović,
R., Etymological Dictionary of Proto-Celtic, 2009; Gvozdanovic, J., Celtic and
Slavic in the Great Migrations, 2009; Kuckenburg, M., Die Kelten, 2010;
Rieckhoff, S. u. a., Die Keltenstädte aus der Luft, 2011; Maier, B., Geschichte
und Kultur der Kelten, 2012; Lexikon zur keltischen Archäologie, hg. v. Sievers, S. u. 1., 2012; Petersmann, A., Die
Kelten, 2016; Maier, B., Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zur
Gegenwart, 3. A. 2016; Baray, L., Celtes, Galates et Gaulois – Mercenaires de
l’Antiquité, 2017
Kemnath
Lit.: Sturm, H., Kemnath, Landrichteramt Waldeck-Kemnath mit Unteramt
Pressath, 1975
Kent, James (1763-1843), Rechtsanwalt, Professor am
Columbia College und Richter, gibt mit seinen (engl.) Commentaries on American
Law (1826ff., Kommentare zum amerikanischen Recht) die erste systematische
Darlegung des durch Anpassung des →englischen Rechtes an amerikanische
Bedürfnisse geschaffenen amerikanischen Rechtes.
Lit.: Horton, J., James Kent, 1939
Kerbholz ist ein vor allem im Mittelalter
zum Einkerben von Beweiszeichen für Dienste, Schulden oder Abgaben verwendetes
Holzstück.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Rechtliche Volkskunde,
1936, 139
Kerker (lat. [M.] carcer) ist eine Art von Gefängnis. Zeitweise wird der K. für
eine verschärfte Haftstrafe verwendet.
Lit.: Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und
Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Kerze ist eine aus Docht und umgebendem
Wachs gebildete Lichterzeugungsquelle, die auch im Recht als Symbol Verwendung
findet.
Lit.: Wohlhaupter, E., Die Kerze im Recht, 1940
Kesselfang ist im Mittelalter das Eintauchen
des Armes in siedendes Wasser eines Kessels im Rahmen des →Gottesurteils
(belegt bei Gregor von Tours).
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956, 255
Ketzer (13. Jh., Häretiker) ist im
katholischen Kirchenrecht jeder bewusste Leugner eines kirchlichen Grundsatzes.
Ketzerische Lehren erscheinen bereits kurz nach der Begründung des
Christentums. Die Abgrenzung zwischen Glauben und Irrglauben ist dabei objektiv
kaum möglich und der Vorwurf der Ketzerei ist vielfach mit anderen Überlegungen
(z. B. menschliche Ablehnung, wirtschaftlicher Wettbewerb, Machtstreben)
verbunden. Die Kirche bekämpft die K. mit Exkommunikation, seit Gratian (um
1140) mit Verbannung, Gütereinziehung und gegebenenfalls kriegerischem
Vorgehen, der Staat mit Verbannung, Beschlagnahme und Todesstrafe. Im
Mittelalter werden die Katharer (in Konstantinopel aus dem älteren Bogomilismus
entstanden, erstmals um 1143 in Köln, von Anfang 13. Jh. bis etwa 1460
vernichtet) namengebend. Auch die Protestanten (1517) sind K. 1697 wendet sich
Christian Thomasius dagegen, den K. als Verbrecher zu behandeln. Seitdem setzt
sich allmählich eine aufgeklärtere Betrachtungsweise durch.
Lit.: Köbler, DRG 119; Theloe, H., Die
Ketzerverfolgungen im 11. und 12. Jahrhundert, 1913; Grundmann, H., Religiöse
Bewegungen im Mittelalter, 1935, Neudruck 1961; Nigg, W., Das Buch der Ketzer,
1949; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Borst, A., Die Katharer,
1991; Opitz, C./Wehrli-Johns, M., Die frommen Ketzerinnen, 1998; Lambert, M., Geschichte
der Katharer, 2001; Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser und andere,
2005; Ragg, S., Ketzer und Recht, 2006; Rottenwöhrer, G., Lexikon der
mittelalterlichen „Ketzer“, 2009; Kirche und Ketzer, hg. v. Hägg, T., 2010;
Räisänen, P., Ketzer im Dorf, 2010
Kiburg
Lit.: Rieger, E., Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg,
1986
Kiel nahe der Ostsee (1773-1866 dänisch) ist seit 1665 Sitz
einer Universität. 1933 werden dorthin zahlreiche junge dem Nationalsozialismus
zugeneigte Rechtslehrer berufen (Kieler Schule Ernst Rudolf Huber, Karl
Michaelis, Friedrich Schaffstein, [Franz Wieacker,] Martin Busse, Georg Dahm,
Karl August Eckhardt,. Karl Larenz, Wolfgang Siebert, Paul Ritterbusch).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Kieler Erbebuch (1411-1604),
hg. v. Reuter, C., 1887; Wolff, O., Das lübsche Recht in der Stadt Kiel, 1898;
Das Kieler Varbuch 1465-1546, hg. v. Luppe, H., 1899; Schröder, R., Das
Eigentum am Kieler Hafen, ZRG GA 26 (1905), 34; Stern, M., Das zweite Kieler
Rentebuch (1487-1586), 1904; Das Kieler Denkelbok, hg. v. Gundlach, F., 1908;
Trautmann, P., Kiels Ratsverfassung und Ratswirtschaft, 1909; Rehme, P., Über
die Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Wohlhaupter,
E., Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät, ZRG GA 58 (1938),
752; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen der Christian-Albrechts-Universität
Kiel, hg. v. Ritterbusch, P. u. a., 1940 (S. 48-108 Wohlhaupter, E., Geschichte
der juristischen Fakultät); Döhring, E., Geschichte der juristischen Fakultät
1665-1965, 1965; Willert, H., Anfänge und frühe Entwicklung, 1990; Recht und
Rechtslehre im Nationalsozialismus, hg. v. Säcker, F., 1992;
Feldmüller-Bäuerle, B,m Die strafrechtliche Kieler Schule, 2010 (Dahm,
Schaffstein); Wiener, C., Kieler Fakultät und „Kieler Schule“, 2013; Bichow,
S., Die Universität Kiel in den 1960er Jahren, 2013; Freche, J., Die
Eingemeindungen in die Stadt Kiel (1869-1970), 2014; Aus Kiel in die Welt, hg.
v. Delbrück, J., 2014; Göllnitz, M., Karrieren zwischen Diktatur und Demokratie
– Die Berufungspolitik in der Kieler theologischen Fakultät 1936 bis 1946,
2014; Wissenschaft im Aufbruch, hg. v. Cornelissen, C., 2015
kiesen (wählen)
Kietz (M.) slawisch-mittelalterliche
Fischersiedlung in Brandenburg (mindestens 74 bereits vor 1700 bezeugt)
Lit.: Ludat, H., Die ostdeutschen Kietze, 1936;
Krüger, B., Die Kietzsiedlungen, 1962
Kimber ist der Angehörige eines (wohl) aus
Jütland stammenden germanischen Volkes, das 101 v. Chr. bei Vercellae in
Oberitalien von den Römern vernichtet wird.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
Kind (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
der Abkömmling ersten Grades eines Menschen (bis zum Erwachsensein [Mündigkeit]).
In Rom steht das K. (lat. [M.] infans) grundsätzlich unter der Hausgewalt des
freien römischen Bürgers in seiner Eigenschaft als Hausvater bzw. hilfsweise
unter der Personalgewalt eines Vormunds (lat. [M.] tutor). Bei den Germanen
untersteht es der Hausgewalt (ahd. munt) des Vaters bzw. der Personalgewalt
eines Vormunds. Aus ihr löst es sich durch Abschichtung oder Verheiratung bzw.
Mündigkeit. Die Unterscheidung nach Ehelichkeit und Nichtehelichkeit wird von
der christlichen Kirche gefördert. Schon seit dem Frühmittelalter nehmen König
und Kirche Einfluss auf die Rechtsstellung des Kindes. Ehelich ist nur das in
rechter Ehe zu rechter Zeit geborene K. Seit dem Hochmittelalter wird die
Bildung außerhalb des Hauses in Schule, Lehre oder Universität für das K. immer
wichtiger. Seit dem Spätmittelalter wird römisches Recht aufgenommen und die
Volljährigkeit als Zeitpunkt der rechtlichen Verselbständigung auf die
Vollendung des 25. Lebensjahrs gelegt. Das K. unter sieben Jahren ist
grundsätzlich handlungsunfähig. Im 19. Jh. wird das K. vielfach über die
häusliche Mithilfe hinaus zur Kinderarbeit gezwungen. Aus
verteidigungspolitischen bzw. gesundheitspolitischen Gründen wird dann die
Kinderarbeit beschränkt (Österreich 1859, 1918). Im Bürgerlichen Gesetzbuch
von 1900 sind die Eltern gesetzliche Vertreter des Kindes, kann der unehelichen
Mutter auf Antrag die Vormundschaft übertragen werden und kann die Mutter das
uneheliche Kind adoptieren. Seit 1921 hat sie das Recht auf religiöse Erziehung
des unehelichen Kindes. Im Übrigen greift der Staat auf die Kindererziehung durch
Förderung und Schaffung von Kinderbewahranstalten und Kindergärten zu. Seit
1961 (Familienrechtsänderungsgesetz) kann die uneheliche Mutter die
Verleihung der elterlichen Gewalt beantragen, nach dem Nichtehelichengesetz
von 1969 steht ihr das Sorgerecht, ergänzt durch eine Amtspflegschaft, kraft
Gesetzes zu. Der Wohlfahrtsstaat des späteren 20. Jh.s versucht die immer
wenigeren Kinder (Empfängnisverhütung) durch Verrechtlichung der Beziehung zu
den Eltern zu schützen und zu fördern (Kindergeld, elterliche Sorge statt
elterlicher Gewalt beider Elternteile [Gesetz zur Neuregelung des Rechtes der
elterlichen Sorge vom 18. 7. 1979], Gleichstellung unehelicher bzw. nichtehelicher
Kinder, Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. 12. 1997 zum 1. 7.
1998, Kindeswohl, Anerkennung des Kindes als Rechtsträger, Gesetz vom 16. 4.
2013 rur Reform der elterlichen Sorge). Dem entspricht auch die Verabschiedung
einer Kinderrechtskonvention durch die Generalversammlung der Vereinten
Nationen im Jahre 1989, die alle Mitgliedstaaten unterzeichnet und alle mit
bisheriger Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika und Somalias auch
ratifiziert haben.
Lit.: Kaser § 14 II 1; Hübner 64, 697; Köbler, DRG 88,
120, 160, 210, 267; Köbler, WAS; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912;
Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder, 1920; Jankowiak, K.,
Die Rechtsstellung der Kinder nach dem Magdeburger Recht des Mittelalters,
Diss. jur. Marburg 1923; Fiez, M., Das Eltern- und Kindesverhältnis, 1932; Bischof,
I., Die Rechtsstellung der außerehelichen Kinder, 1931; Etzensperger, C., Die
Rechtsstellung des außerehelichen Kindes nach den schaffhauserischen
Rechtsquellen, Diss. jur. Zürich 1931; Heck, F., Die Stellungnahme Erzbischofs
Wichmann von Magdeburg zu der Kindesfolge, ZRG GA 60 (1940), 257; Das Kind, hg.
v. Behler, W., 1971, 279; Wiesner, I., Über die Rechtsstellung der ehelichen
Kinder im Landrecht des Sachsenspiegels, Diss. jur. Kiel 1973; Leineweber, A.,
Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978; Kinderarbeit und
Kinderschutz in Deutschland, 1837-1976, hg. v. Quandt, S., 1978; Mayer-Maly,
T., Vom Kinderschutz zum Arbeitsrecht, FS G. Schmelzeisen, 1980, 227; Krause,
E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Haus und Familie in der
spätmittelalterlichen Stadt, hg. v. Haverkamp, A., 1984; Zur Sozialgeschichte
der Kindheit, hg. v. Martin, J. u. a., 1986; Shahar, A., Childhood in the
Middle Ages, 1990 (deutsch 1991); Meumann, M., Findelkinder, Waisenhäuser,
Kindsmord, 1995; Schumacher, S., Das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und
Kindern, 1999; Torp, S., Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und ihren
Kindern, 2000; Schulze, N., Das Umgangsrecht, 2001; Wesener, G., Peculia – bona
adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula - Studi in onore
di M. Talamanca, 2002, 393; Brokamp, I., Die Verrechtlichung der
Eltern-Kind-Beziehung, 2002; Ohlbaum, I., Kind sein, 2003; Jütte, R., Lust ohne
Last, 2003; Krah, J., Das Haager Kinderschutzübereinkommen, 2004; Boentert,
A., Kinderarbeit im deutschen Reich 1871-1914, 2006; Winkler, S.,
Kindserdrücken, 2007; Ritzmann, I., Sorgenkinder, 2008; Ostermann, S., Das
Klärungsverfahren, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; 1989-2009 - 20 Jahre
UN-Kinderrechtskonvention, hg. v. Schorlemer, S. v. u. a., 2010; Child Labour’s
Global Past 1650-2000, hg. v. Lieten, K. u. a., 2011; Berg, T., Die Entwicklung
des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder, 2012; Rao, S., International
Law on Trafficking of Children for Sexual Exploitation in Prostitution
(1864-1950), 2013; Lange, C., Öffentliche Kleinkinderziehung in Bayern, 2013;
Winkler, M., Kindheitsgeschichte, 2017; Kindeswohl zwischen Anspruch und
Wirklichkeit, hg. v. Heimbach-Steins, M. u. a., 2017; Osterberg, M., Das kalte
Haus, 2017
Kindererziehung, religiöse →religiöse
Kindererziehung
Kindergeld ist eine staatliche Leistung an Menschen
mit Kindern zur Verminderung ihrer Belastung, die in Deutschland nach dem
Vorbild Frankreichs 1954 durch Gesetz (Kindergeldgesetz) in Höhe von (zunächst)
25 DM ab dem dritten Kind gewährt wird.
Lit.: Köbler, DRG 261; Igl, G., Kindergeld und
Erziehungsgeld, 1986; Nelleßen-Strauch, D., Der Kampf ums Kindergeld, 2003
Kindesmissbrauch ist der sexuelle Missbrauch eines
→Kindes, der strafrechtlich bewehrt ist.
Lit.: Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Kindestötung (Kindsmord) ist die Tötung eines
Kindes (durch die Eltern). Ursprünglich hat im römischen und germanischen Recht
der Gewalthaber das Recht über Leben und Tod des Kindes. Dieses Recht wird aber
sowohl im römischen Recht wie auch im mittelalterlichen Recht allmählich
verdrängt. Als K. in einem engeren Sinn erscheint am Ende des 18. Jh.s (1772
Susanna Margarethe Brandt in Frankfurt als Anregung zu Gretchen in Goethes
Faust) die Tötung eines neugeborenen, außerehelichen Kindes während oder
gleich nach der Geburt durch die Mutter. Sie ist ein privilegierter
Tötungstatbestand, der die ältere Mordqualifizierung ablöst. Am Ende des 20.
Jh.s wird er in Deutschland aufgegeben.
Lit.: Jordan, L., Über den Begriff und die Strafe des
Kindesmordes, 1844; Wächtershäuser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973;
Weber, B., Die Kindsmörderin im deutschen Schrifttum von 1770-1795, 1974;
Dülmen, R. van, Frauen vor Gericht, 1991; Hammer, E., Kindsmord, 1997; Meumann,
M., Findelkinder, Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Habermas, R., Susanna Brandt,
NJW 1999, 1936; Das Frankfurter Gretchen, hg. v. Habermas, R., 1999; Das Kind
in meinem Leib, hg. v. Wahl, V. u. a., 2004; Czelk, A., Privilegierung und
Vorurteil, 2005
Kindsmord →Kindestötung
Kipper und Wipper sind seit dem 17. Jh. (1621)
Geldwechsler, die vollwertiges Silbergeld gegen unterwertiges Kleingeld
eintauschen.
Lit.: Gaettens, R., Inflationen, 2. A. 1955; Redlich,
F., Die deutsche Inflation des frühen 17. Jahrhunderts, 1972
Kirche (zu griech. kyriake oikos Haus des Herrn) ist
die in eigenen Verfassungs
formen
geordnete, im christlichen Bekenntnis vereinigte Gemeinde und Glaubensgemeinschaft.
Sie entsteht im Anschluss an das Leben des Religionsstifters Jesus Christus im
1. Jh. n. Chr. Im Wettbewerb mit zahlreichen anderen fremdländischen
Heilslehren im römischen Weltreich setzt sich die christliche K., die ihre
Schriften gegen 180 n. Chr. kanonisiert und schon früh eine hierarchische
Verfassung von Bischöfen, Klerus und Laien annimmt, als eine revolutionäre, die
unteren Schichten gegen ihre Obrigkeit einnehmende Massenbewegung durch. Nach
anfänglicher Verfolgung wegen der Lehre von der Unterordnung des irdischen
Reiches unter das himmlische Reich Gottes wird die christliche K. 313 im
Mailänder Toleranzedikt von Kaiser Konstantin anerkannt und in seiner im
Glaubensstreit zwischen Athanasius und Arius von Athanasius vertretenen Form
391 Staatskirche. Ihre geistige Verfeinerung und lateinische Durchdringung
erfolgt vor allem durch Hieronymus (345-420), Ambrosius und Augustinus.
Organisatorisch setzt sich unter dem Primat Roms die Bischofskirche mit
Erzbischöfen und Bischöfen in den (lat. [F.Pl.]) civitates (Städten) durch.
Spätestens seit dem 4. Jh. werden auch germanische Völker christianisiert. Seit
dem Frühmittelalter durchdringt die K. das gesamte Europa in vielfältiger
Hinsicht. Nach der Verbindung zwischen Papst und fränkischem Herrscher (751,
800) kommt es allerdings unter den Saliern (Heinrich IV. 1075) zum
→Investiturstreit mit der durch das Schisma von 1054 entstandenen,
Reformen anstrebenden römisch-katholischen K. Danach gewinnt die K. als Folge
der →ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik weltliche Macht in der
Form der geistlichen Fürstentümer. 1517 verursacht Martin →Luther mit
seinen gegen kirchliche Missstände gerichteten 95 Reformationsthesen die
Abspaltung der Protestanten. Seit der Aufklärung sieht sich die als
Körperschaft des öffentlichen Rechtes organisierte K. einer ständigen
Säkularisierung aller Verhältnisse ausgesetzt. Gefordert und in erheblichem
Umfang verwirklicht wird die Trennung von Staat und Kirche (1797 Vereinigte
Staaten von Amerika, Revolution in Frankreich, →Kulturkampf). Am Ende des
20. Jh.s ziehen sich immer mehr Christen zwar noch nicht formal, aber doch
tatsächlich aus der K. zurück. Neben der K. als Gemeinschaft steht die K. als
Gebäude (älteste erhaltene K. 3. Jh. n. Chr.).
Lit.: Köbler, DRG 77, 79, 82, 88, 108, 115, 119, 121,
159, 205, 265; Hauck, A., Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 1ff. 1887, 8.
unv. A. 1954; Makower, F., Die Verfassung der Kirche von England, 1894;
Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche, 1910; Sehling, E., Geschichte
der protestantischen Kirchenverfassung, 2. A. 1914; Schulte, A., Der Adel und
die deutsche Kirche im Mittelalter, 2. A. 1922; Tomek, E., Kirchengeschichte
Österreichs, Bd. 1ff. 1935ff.; Tellenbach, G., Libertas, 1936; Schubert, G.,
Der Einfluss des kirchlichen Rechtes auf das weltliche Strafrecht der
Frankenzeit, 1937; Gampl, I., Staat und evangelische Kirche in Österreich, ZRG
KA 52 (1966), 299; Feine, H., Reich und Kirche, hg. v. Merzbacher, F., 1966;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Huber, E./Huber, W.,
Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1973ff.; Wallmann, J.,
Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 1973, 5. A. 2000, 6. A.
2006, 7. A. 2012; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche, 1975; Scholder, K.,
Die Kirche und das Dritte Reich, Bd. 1f. 1977ff.; Theologische Realenzyklopädie,
Bd. 1ff. 1977ff.; Church and Society in England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977;
Oakley, F., The Western Church, 1979; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und
Kirche, 1981; Hausberger, K., Staat und Kirche nach der Säkularisation, 1983;
Fuchs, J., Das schweizerische Staatskirchenrecht, ZRG KA 101 (1984); Hölscher,
W., Kirchenschutz als Herrschaftsinstrument, 1985; Leitner, F., Kirche und
Parteien in Österreich nach 1954, 1988; Merzbacher, F., Recht - Staat - Kirche,
hg. v. Köbler, G. u. a., 1989; Staat, Kirche, Wissenschaft in einer
pluralistischen Gesellschaft, 1989; Histoire du christianisme, hg. v. Mayeur,
J. u. a., 1990ff.; Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Kaspar, W. u. a.,
Bd. 1ff. 1990ff.; Ackermann, R., Mittelalterliche Kirchen als Gerichtsorte, ZRG
GA 110 (1993), 530; Hauschild, W., Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte,
Bd. 1ff. 1995ff.; Frank, K., Lehrbuch der Geschichte der alten Kirche, 1996, 2.
A. 1997, 3. A. 2002; Zippelius, R., Staat und Kirche, 1997; Heim, M., Kleines
Lexikon der Kirchengeschichte, 1998; Bücherverzeichnis zur Kirchengeschichte,
hg. v. Fürstenberg, M. u. a., 1998; Biographisch-bibliographisches
Kirchenlexikon, Bd. 1ff. 1998; Mühlenberg, E., Epochen der Kirchengeschichte,
3. A. 1999; Greschat, M., Personenlexikon Religion und Theologie, 1998;
Rehberg, A., Kirche und Macht im römischen Trecento, 1999; Heim, M., Kirchengeschichte,
2000; Lexikon der Kirchengeschichte, 2001; Die Erforschung der Kirchengeschichte,
hg. v. Smolinsky, H., 2001; Besier, G., Die Kirchen und das Dritte Reich, 2001;
Prinz, F., Die Kirche und die pagane Kulturtradition, HZ 276 (2003), 281;
Schwarz Lausten, M., Abendländische Kirchengeschichte, 2003; Studt, B., Papst
Martin V. (1417-1431) und die Kirchenreform in Deutschland, 2004; Logan, F.,
Geschichte der Kirche im Mittelalter, 2005; Cushing, K., Reform and Papacy in
the Eleventh Century, 2005; Ökumenische Kirchengeschichte, hg. v. Kaufmann, T.
u. a. Bd. 1ff. 2006; Städtische Gesellschaft und Kirche im Spätmittelalter, hg.
v. Klapp, S. u. a., 2007; Norman, E., Geschichte der katholischen Kirche, 2007;
Neumann, F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007;
Krüger, E., Der Traktat De ecclesiastica postestate des Aegidius Romanus, 2007;
Kirchlicher und religiöser Alltasg im Spätmittelalter, hg. v. Meyer, A.,
2007;Atlas zur Kirche in Geschichte und Gegenwart - Heiliges Römisches Reich -
Deutschsprachige Länder, hg. v. Gatz, E., 2009; Zippelius, R., Staat und
Kirche, 2. A. 2009; Hinkel, S., Adolf Kardinal Bertram - Kirchenpolitik im
Kaiserreich und in der Weimarer Republik, 2010; Pragmatische Quellen der
kirchlichen Rechtsgeschichte, 2011; Hergemüller, B., Promptuarium
ecclesiasticum medii aevi, 2011; Mueller, H., Die kirchliche Krise des
Spätmittelalters, 2012; Hahn, T., Staat und Kirche im deutschen Naturrecht,
2012; Czok, M., Gottes Haus, 2012; Schmal, B., Das staatliche
Kirchenaustrittsrecht, 2013; Lehmann, R., Die Transformation des
Kirchenbegriffs in der Frühaufklärung, 2013; Großbölting, T., Der verlorene
Himmel, 2013; Voigt, K., Ökumene in Deutschland – Internationale Einflüsse und
Netzwerkbildung – Anfänge 1848-1945, 2014; Das evangelische Pfarrhaus im
deutschsprachigen Südwesten, hg. v. Krüger, J. u. a., 2014; Kirchenfinanzierung
in Europa, hg. v. Höfer, K., 2014; Hoffarth, C., Urkirche als Utopie, 2016;
Handbuch der Kirchengeschichte, hg. v. Jedin, H., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2017;
Schmidt, B., Kirchengeschichte des Mittelalters, 2017: Engelhardt, J.,
Pietismus und Krise, HZ307 (2018) 341
Kirchenasyl →Asyl, →Kirche
Kirchenbann →Kirche, →Bann
Kirchenbaulast ist die Belastung einer Gruppe von
Menschen, eines einzelnen Menschen oder eines Vermögens mit den Kosten (des
Baues,) der Unterhaltung und des Wiederaufbaues einer →Kirche
(→Eigenkirche). Sie ist mit dem →Patronat verbunden. Wo eine K. in
das Eigentum des Staates übergegangen ist, trägt infolge des Vermögensübergangs
der Staat die K.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Beyme, B.
v., Die Baulast für das Freiburger Münster, 2003
Kirchenbuch ist ein von der →Kirche
geführtes Buch über kirchliche Angelegenheiten (z. B. Mitglieder, Taufen,
Eheschließungen, Begräbnisse). Nach Mitgliederlisten des Altertums und Totengedenkbüchern
des Frühmittelalters erscheinen Taufmatrikeln in Italien und Südfrankreich im
14. Jh. Im Heiligen römischen Reich
tritt das K. um 1490 auf (z. B. Tübingen 1553 Ehebuch). In der Neuzeit
verwendet auch die weltliche Gewalt das K. für ihre Zwecke. 1875 tritt neben
das K. das Personenstandsbuch des Staates. Die Zahl der Kirchenbücher des
Deutschen Reichs wird auf 400000 mit rund einer Milliarde Einzeleinträgen
geschätzt.
Lit.: Köbler, DRG 105; Lampe, W., Die
Kirchenbuchführung in Vergangenheit und Gegenwart, 1936; Schmitz, H., Die
pfarrlichen Kirchenbücher, 1992; Das älteste Tübinger Ehebuch, hg. v. Schieck,
S. u. a., 2000; Neininger, F., Brandenburgische Kirchenbuchduplikate
1794-1874, 2008; Das renovierte Kirchenbuch von Zimmersrode, Gilsa und Dorheim
aus dem Jahre 1663, hg. v. Gräf, H. u. a., 2010
Kirchenbuße →Kirche, →Buße
Kirchenfabrik (lat. fabrica [F.] ecclesiae) ist
die mit der Errichtung einer Kirche (Gebäude) entstehende Verbandsperson („juristische
Person“). Die Hauptlast der K. ist die →Kirchenbaulast. Das Vermögen der
K. kann nur in einem besonderen Verfahren veräußert werden. →Kirchengut
Kirchengut ist die Gesamtheit der geldwerten
Rechte einer →Kirche. Das K. entsteht anfangs vor allem durch Gaben, dann
aber auch Abgaben (→Zehnt), die gemeinsam verwaltet und später nach
bestimmten Regeln verteilt werden (z. B. Vierteilung unter Bischof, Klerus,
Armen und →Kirchenfabrik, 5. Jh.). Im Frühmittelalter, in dem auch K.
säkularisiert wird, können Klöster bis zu 15000 Hufen K. haben. Das K. gliedert
sich dann in mehrere selbständige Untereinheiten. Im 13. Jh. wird aus dem K.
teilweise Landesherrschaft. Seit der frühen Neuzeit wird K. in erheblichem
Umfang säkularisiert (u. a. im Reichsdeputationshauptschluss vom 28. 2. 1803).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Stutz, U., Die Verwaltung
und Nutzung des kirchlichen Vermögens, Diss. jur. Berlin 1892; Buchholzer, J.,
Die Säkularisation katholischen Kirchenguts im 18. und 19. Jahrhundert, 1921;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Mempel, H., Die
Vermögenssäkularisation 1803/10, 1979
Kirchenordnungen sind ordnende Gestaltungen des
kirchlichen Lebens durch vorschreibende Regeln, wie sie sich bereits im
Altertum und dann insbesondere als Folge der Reformation Martin →Luthers
im 16. Jh. zwecks Ablösung des kanonischen Rechtes finden (z. B. Hessen 1526,
Schwäbisch Hall 1526, Hadeln 1526, Braunschweig 1528, Hamburg 1529, Lübeck
1531, Lüneburg 1531, Brandenburg-Nürnberg 1533, Pommern 1534, Hannover
1536 u. s. w.).
Lit.: Schwanhäuser, G., Das Gesetzgebungsrecht der
evangelischen Kirche, 1967; Sehling, E., Die evangelischen Kirchenordnungen des
16. Jahrhunderts, Bd. 1ff. 1902ff., Neudruck 1980 (z. B. Bd. 18 2006, Bd. 17,
4, 2 2009); Wolf, E., Ordnung der Kirche, 1961; Brecht, M., Kirchenordnung und
Kirchenzucht in Württemberg, 1967; Sprengler-Ruppenthal, A., Zu den
Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, 2004; Ordnungen für die Kirche –
Wirkungen auf der Welt, hg. v. Arend, S. u. a., 2015
Kirchenrecht ist die Gesamtheit der Rechtssätze,
die entweder das Leben innerhalb der Kirche ordnen (inneres K. bzw. in der
katholischen Kirche auch kanonisches Recht) oder das Verhältnis des Staates zur
Religion und zu den Religionsgemeinschaften regeln (äußeres K.,
Staatskirchenrecht). K. entsteht unter Beachtung vieler jüdischer Sätze bereits
im 1. Jh. n. Chr. Die Kirche des Altertums bedient sich dabei in weitem Umfang
des römischen Rechtes, gestaltet durch Konzilien und päpstlich-bischöfliche
Einzelreskripte (Dekretalen) K. aber auch vielfach neu ([lat.] →ius
divinum, →ius ecclesiasticum, →ius naturale). Bereits seit dem 4.
Jh. wird das K. gesammelt (u. a. von →Dionysius Exiguus). Dem schließen
sich frühmittelalterliche Sammlungen an (600 Vetus Gallica, 633 Hispana, 774
von Papst Hadrian an Karl den Großen übermittelte Dionysio-Hadriana, 850
„Benedictus Levita“, 906 [lat.] libri [M.Pl.] duo de causis synodalibus [zwei
Bücher Synodalsachen] des Regino von Prüm, 1007-1022 [lat., N.] Decretum
Bischof Burchards von Worms, das mit dem Ziel einer in sich konsistenten,
widerspruchsfreien Sammlung autoritativer Texte für die Praxis bereits die
Schwelle zu wissenschaftlicher Kanonistik erreicht). Um 1140 fasst in Bologna
→Gratian Konzilscanones, päpstliche Dekretalen und Texte von
Kirchenvätern zu seinem (lat. [N.]) →Decretum zusammen. Daran schließen
sich Sammlungen von Dekretalen an (1234 [lat.] →Liber [M.] extra, 1298
[lat.] Liber sextus, 1317 →Clementinen), so dass allmählich das (lat.)
→corpus (N.) iuris canonici entsteht. Dessen Inhalt wird von den
protestantischen Kirchen seit der frühen Neuzeit zunächst grundsätzlich
anerkannt, danach aber vor allem durch →Kirchenordnungen abgewandelt.
1917/1918 und 1983 wird das katholische K. neu gestaltet (lat. →Codex
[M.] iuris canonici). →Staatskirchenrecht im eigentlichen Sinn entsteht
seit der Reformation Martin →Luthers (1517). Dabei setzt sich seit dem
ausgehenden 18. Jh. der Gedanke der Toleranz durch. Das 20. Jh. trennt zwar
Staat und Kirche grundsätzlich, sichert der Kirche aber noch wichtige Teile
ihrer hergebrachten Rechtsstellung (→Körperschaft des öffentlichen
Rechtes, →Kirchensteuer, Art. 137 WRV, 140 GG).
Lit.: Köbler, DRG 1, 8, 81, 106, 126, 205, 266;
Eichhorn, K., Grundsätze des Kirchenrechts der katholischen und evangelischen
Religionspartei in Deutschland, 1831ff.; Richter, A., Lehrbuch des katholischen
und evangelischen Kirchenrechts 1842, 8. A. 1886; Bickell, J., Geschichte des
Kirchenrechts, 1843; Friedberg, E., Lehrbuch des katholischen und evangelischen
Kirchenrechts, 1879, 6. A. 1909, Neudruck 1965; Rothenbücher, K., Die Trennung
von Staat und Kirche, 1908; Ebers, G., Staat und Kirche im neuen Deutschland,
1930; Barion, H., Rudolph Sohm und die Grundlegung des Kirchenrechts, 1931;
Liermann, H., Deutsches evangelisches Kirchenrecht, 1933; Heckel, J., Das
Decretum Gratiani und das evangelische Kirchenrecht, (in) Studia Gratiana 3
(1955), 483; Plöchl, W., Geschichte des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 2. A. 1960ff.;
(Eichmann, E./)Mörsdorf, K., Lehrbuch des Kirchenrechts, Bd. 1ff. 11. A. 1964;
Benn, E., Entwicklungslinien des evangelischen Kirchenrechts im 19.
Jahrhundert, Z. f. ev. Kirchenrecht 15 (1970), 2; Köbler, G., Das Recht im
frühen Mittelalter, 1971; Feine H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 5. A. 1972;
Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im Dritten Reich, 1979;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Berman,
H., Law and Revolution, 1983 (Recht und Revolution 2. A. 1991); Gaudemet,
J., Droit de l’Eglise et vie sociale, 1989; Campenhausen, A. v.,
Staatskirchenrecht, 3. A. 1996; Stumpf, C., Kirchenrecht als Bekenntnisrecht,
1999; Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht, hg. v. Campenhausen, A.
Frhr. v., Bd. 1ff. 1999ff.; Erdö, P., Die Quellen des Kirchenrechts, 2002;
Landau, P., Evangelische Kirchenrechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, Zs. f.
ev. Kirchenrecht 48 (2003), 1; Brundage, J., The Profession and Practice of
Medieval Canon Law, 2004; Stagnation oder Fortbildung, hg. v. Bertram, M.,
2005; Recht und Gericht in Kirche und Welt um 900, hg. v. Hartmann, W., 2007;
Austin, G., Shaping Church Law around the year 1000, 2008; Link, C:, Kirchliche
Rechtsgeschichte, 2009; Alltag reformierter Kirchenleitung. hg. v. Arnold, M.
u. a., 2009; Der Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg.
v. Condorelli, O. u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Siems, H., Die Collectio
Sangermanensis XXI titulorum, DA 65 (2009), 1; Austin, G., Shaping Church Law
around the year 1000, 2009; Konrad, D., Der Rang und die grundlegende Bedeutung
des Kirchenrechts, 2009; Landau, P., Grundlagen und Geschichte des
evangelischen Kirchenrechts und des Staatskirchenrechts, 2008 (Aufsätze);
Richter, M., Kirchenrecht im Sozialismus, 2011; The History of Byzantine and
Eastern Canon Law, hg. v. Hartmann, W. u. a., 2012; Tendenzen der kirchlichen
Strafrechtsentwicklung, hg. v. Pulte, Matthias, 2017
Kirchenregiment
ist die am Ende
des 15. Jh.s einsetzende Herrschaft (z. B. eines Landesherrn) über die Kirche,
die in protestantischen Ländern (Territorien) bis 1918 anhält.
Lit.: Heckel, J., Cura religionis, FS U. Stutz, 1938,
224
Kirchenstaat ist
der (weltliche) →Staat der katholischen Kirche. Er nimmt seinen Ausgang
vom Mailänder Toleranzedikt des römischen Kaisers Konstantin (313), das die
christlichen Gemeinden als rechtsfähige Vermögensträger anerkennt. Hinzu kommt
die sog. →konstantinische Schenkung, nach der Kaiser Konstantin an Papst
Silvester die politische Autorität im weströmischen Reich verliehen haben soll.
Danach erhält die Kirche zahlreiche Grundstücke als Gaben, die in ihrer
Gesamtheit seit dem 6. Jh. (lat.) patrimonium (N.) Petri heißen. Seit dem 7.
Jh. gilt der Papst als Schutzherr und Herrscher des Gebiets um Rom bzw.
zwischen Venedig und Benevent. Am 14. 4. 754 gibt der fränkische König Pippin
Papst Stephan die ehemals oströmischen, von den Langobarden besetzten Güter in
Italien um Ravenna und Rom (zurück, →pippinische Schenkung). Der
Sicherung der Herrschaft dient wenig später der K. um die Romagna und Tuszien
(sowie um Venaissin [1274] und Avignon [1378], bis 1797), im 16. und 17. Jh. um
Ferrara (1598), Urbino (1630) und Castro (1649). 1798 ersetzt Frankreich den K.
durch die Römische Republik, doch gelingt 1814/1815 die Wiederherstellung. Am
20. 9. 1870 zieht die italienische Einigungsbewegung den K. bis auf geringe
Reste an sich bzw. das neue Königreich →Italien. 1929 kommt es in
Lateranverträgen zu einem Ausgleich. Das weltliche Gebiet der römischen Kirche
beschränkt sich auf die Vatikanstadt. Der Vatikan hat Souveränität.
Lit.: Nürnberger, A., Papsttum und Kirchenstaat, Bd.
1ff. 1897ff.; Gundlach, W., Die Entstehung des Kirchenstaates, 1899, Neudruck
1969; Hayward, F., Le dernier siècle de la Rome pontificale 1769-1870, Bd. 1ff.
1927f.; Ermini, G., La libertà comunale nello stato della chiesa, 1926f.;
Ermini, G., I parlamenti dello Stato della Chiesa, 1930; Kölmel, W., Rom und
der Kirchenstaat im 10. und 11. Jahrhundert, 1935; Waley, D., The Papal State
in the Thirteenth Century, 1961; Quellen zur Geschichte des Kirchenstaates, hg.
v., Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1968; Noble, T.,
The Republic of St. Peter, 1984; Arnaldi, G., Le origini dello Stato della
Chiesa, 1987; Marazzi, D., I Patrimonia sanctae Romanae ecclesiae nel Lazio,
1998; Modell Rom?, hg. v. Büchel, D. u. a., 2003
Kirchensteuer ist die durch die öffentlichrechtlichen
Religionsgesellschaften erhobene, vom Staat (durch seine Behörde für die
Kirche) eingezogene Steuer. Sie ersetzt den älteren Kirchenzehnt (Preußen 20.
6. 1875, vgl. auch das Allgemeine Landrecht von 1794). Rechtliche Grundlagen
werden Art. 137 VI der Weimarer Reichsverfassung und Art. 140 GG.
Lit.: Köbler, DRG 198; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Fischer, G., Finanzierung der kirchlichen Sendung, 2005
Kirchenvertrag ist der Vertrag eines Staates mit
einer (evangelischen) Kirche über kirchliche Angelegenheiten. →Konkordat
Lit.: Die Konkordate und Kirchenverträge in der
Bundesrepublik Deutschland, hg. v. Listl, J., Bd. 1f. 1987
Kirchenvogtei ist die Ausübung weltlicher
→Herrschaft für eine →Kirche durch einen →Vogt.
Lit.: Otto, E., Die Entstehung der deutschen
Kirchenvogtei im 10. Jahrhundert, 1933
Kirchenzehnt ist (meist) der zehnte Teil (von
Erträgnissen und Früchten von Grundstücken und Vieh). Er erscheint im 5. Jh. n.
Chr. auf der Grundlage von 4. Moses 18,21-32. Wenig später wird er von der
Kirche gefordert und vom fränkischen König als Ausgleich für eingezogenes
Kirchengut zugestanden. Seit der französischen Revolution (1789) und den Unruhen
der Jahre 1848ff. verschwindet er und wird in deutschen Staaten durch die
→Kirchensteuer ersetzt.
Lit.: Perels, E., Die kirchlichen Zehnten im
karolingischen Reich, 1904; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972
Kirchliches Recht ist das auf die →Kirche
bezogene →Recht (→Kirchenrecht). Einen wichtigen Gegensatz zum
kirchlichen Recht bildet das weltliche Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Kirchmann, Julius Hermann von (1802-1884)
Lit.: Julius Hermann von Kirchmann, hg. v. Bast, R., 1993
Kirchspiel (Kirchenbezirk) →Kirche
Lit.: Liebe, G., Die kommunale Bedeutung der
Kirchspiele, Diss. phil. Berlin 1885; Oberdörfer, K., Das alte Kirchspiel Much,
1923; Haff, K., Das Großkirchspiel, ZRG KA 63 (1943), 1, 64 (1944), 1, 65
(1947), 1, 253; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig, 1966
Kistenpfand (N.) Pfand an leblosen beweglichen
(in Kisten aufbewahrbaren) Sachen
Lit.: Hübner 470
k. k. (kaiserlich-königlich,
Österreich 1867, nicht pragmatische Angelegenheiten) →k. u. k.
Klage ist im rechtlichen Sinn das
Begehren des Klägers an das Gericht auf Rechtsschutz gegenüber dem Beklagten.
Im römischen Recht ist K. die (lat.) →actio (F.), für die der Verletzte
bei dem Gerichtsmagistrat die Einsetzung eines Gerichts (meist lat. [N.] iudex)
und einer Anweisung einer Entscheidung verlangt. Von K. wird wohl unter
kirchlichem Einfluss erst seit dem Frühmittelalter gesprochen, in dem sich der
Verletzte nicht mehr unmittelbar gegen einen möglichen Verletzer, sondern
hauptsächlich an einen Herrschaftsträger mit der Bitte um Unterstützung bei der
Verfolgung des Rechtes wendet. Im Hochmittelalter werden verschiedene Arten
der K. unterschieden (um Eigen und Erbe, um Gut, um Schuld, später bürgerliche
K., peinliche K. und gemischte K.) und anscheinend genaue Formulierungen oder
auch bestimmte Wörter verlangt (→Prozessgefahr), so dass Vertreter im
Wort (→Fürsprecher) erscheinen. Mit dem im Spätmittelalter aus
Oberitalien kommenden gelehrten Verfahrensrecht wird die K. vielfach
schriftlich und durch Vertreter in der Sache (→Anwalt) geformt.
Lit.: Kaser § 82 II; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
86, 116, 117, 156, 202; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen, 1869;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1878/9,
Neudruck 1973, 357, 757; Turner, V., The King and his Courts, 1968; Schlosser,
H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Gudian, G., Zur Klage mit
Schadensformel, ZRG GA 90 (1973), 121; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren euopäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
383,467; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1; Apathy, P.,
Die publizianische Klage, 1981; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift,
FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bieresbom, D., Klage und Klageerwiderung
im deutschen und englischen Zivilprozess, 1999; Artner, M., Agere praescriptis
verbis, 2002; Halfmeier, A., Popularklagen im Privatrecht, 2006; Flurschütz,
B., Die bayerische Popularklage, 2014; Nicht zu klagen? – Der Rückgng der
Klageeingangszahlen in der Justiz, hg. v. Hööland, A. u. a., 2016
Klage gegen den toten Mann ist eine wissenschaftliche
Bezeichnung des Verfahrens gegen den auf handhafter Tat erschlagenen Täter. Sie
ist vor allem im altnordischen Recht verbreitet. Seit dem 13. Jh. wird die K.
g. d. t. M. durch die anerkannte Berufung auf Notwehr verdrängt.
Lit.: Scherer, Die Klage gegen den toten Mann, 1909;
Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen gegen Tote, 1936; Wallén, P., Die
Klage gegen den Toten, 1958
Klage mit dem toten Mann ist im norddeutschen Recht des
Mittelalters ein Verfahren gegen den auf handhafter Tat erschlagenen, vor
Gericht gebrachten Täter.
Lit.: Brunner, H., Die Klage mit dem toten Mann, ZRG
GA 31 (1910), 235; Frommhold, G., Zur Klage mit dem toten Mann und mit der
toten Hand, ZRG GA 36 (1915), 458
Klageformel ist im römischen Formularprozess die
Anweisung und die Ermächtigung des Gerichtsmagistrats an einen (lat.) iudex
(M.), den Beklagten unter bestimmten Bedingungen zu verurteilen oder
freizusprechen. Die K. enthält üblicherweise eine Sachverhaltsbeschreibung
(lat. demonstratio), ein Begehren (lat. intentio) und einen
Verurteilungsbefehl (lat. condemnatio).
Klagengewere ist im mittelalterlichen
sächsischen Prozess die Zusicherung des Klägers gegenüber dem Beklagten, dass
er zur →Klage befugt sei. Macht ein zweiter Beteiligter gegen den
Beklagten das Recht geltend, muss der Kläger die Ansprüche vom Beklagten
abwehren. Gelingt dies nicht, muss er die eigene Klage aufgeben und
→Gewette zahlen. Im 18. Jh. verschwindet die K. Sie wird von der
Litiskontestation und der Einrede der Rechtskraft verdrängt.
Lit.: Ebeling, K., Die Klagengewere, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1958
Klagenkonkurrenz ist im klassischen römischen Recht
die mehrfache Geltendmachung einer Klage (gegen mehrere Beteiligte, kumulative
K.). Geht es um (lat.) eadem res (denselben Gegenstand), besteht grundsätzlich
strenge Alternativität und wird mit der ersten (lat.) litis contestatio (F.)
die Klage verbraucht.
Lit.: Kaser § 82 III; Köbler, DRG 48; Liebs, D., Die
Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972
Klagenkonsumtion ist im altrömischen Recht der
Ausschluss eines zweiten Streites über das geltend gemachte Recht durch die
Streiteinsetzung (lat. [F.] →litiscontestatio) bzw. bei einer auf den
Sachverhalt hin ausgerichteten Klage und einer sachverfolgenden Klage durch
die Einrede der beurteilten Angelegenheit (lat. [F.] exceptio rei iudicatae).
Lit.: Kaser § 80 II, 82 III, 87 II; Köbler, DRG 19
Kläger ist, wer durch eine →Klage
vom Gericht Rechtsschutz begehrt. Wo kein K. (ist), da kein Richter (vgl. Codex
3, 7, 1 [lat.] invitus agere vel accusare nemo cogitur, gegen seinen Willen
wird niemand zum Klagen oder Anklagen gezwungen).
Lit.: Söllner § 9; Köbler, G., Klage, klagen, Kläger,
ZRG GA 92 (1975), 1
Klageschrift ist im gelehrten Prozessrecht seit
dem Spätmittelalter der Schriftsatz, durch den der →Kläger →Klage
erhebt bzw. Rechtsschutz begehrt. Der Kläger überreicht die K. dem Beklagten im
Termin. Später reicht er sie bei Gericht ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117; Bethmann
Hollweg, M. v., Der germanisch-römische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1
1868ff., Neudruck 1959; Litewski, W., Mündliche Klage und Klageschrift, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Klagspiegel ist die 1516 von Sebastian
→Brant unter dem Titel Richterlich Clagspiegel mit rund 308000 Wörtern
neu aufgelegte, vermutlich von einem Stadtschreiber (Conrad Heyden, aus Schwäbisch
Hall oder der Umgebung, ab 1403 Studium in Erfurt als pauper, ohne Abschluss,
1413 Stadtschreiber Schwäbisch Hall, 1436 entlassen, † 1444) in Schwäbisch
Hall um 1436 verfasste, zwei Teile umfassende Schrift über Verfahrensfragen.
Der erste Teil will, hauptsächlich nach Roffredus, De libellis iuris civilis
(Von Büchlein des weltlichen Rechtes), ein Handbuch des geschriebenen Rechtes
bieten. Der zweite Teil stellt Strafrecht und Strafverfahren nach römischen
Rechtsgrundsätzen (Digesten, Codex, Durantis, Speculum iudiciale u. a.) dar.
Insgesamt ist der K. die älteste und umfassendste Wiedergabe des römischen
Rechtes in deutscher Sprache und unter Zuschnitt auf die einheimischen zeitgenössischen
Bedürfnisse. Er wird von 1460-1470 bis über die Mitte des 16. Jh.s in 24
Auflagen gedruckt und bildet eine wichtige Quelle der Stadtrechtsreformation
von →Worms, der (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis
(1507), für (Tenglers →Laienspiegel 1509/1511 [streitg, vielleicht nur
gemeinsame Vorlagen],) Justin Goblers Der Rechten Spiegel (1550) und Heinrich
Rauchdorns Practica und Proceß peinlicher Halsgerichtsordnung (1564).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stintzing, R., Geschichte der
populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 335; Deutsch, A., Der Klagspiegel,
2004
Klammer, Balthasar (Kaufbeuren um
1504-Celle 6.(?) 2. 1578), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Studium von
Theologie und Recht in Ingolstadt und Leipzig 1529 Notar, 1530 Professor in
Marburg und 1540 Kanzler der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. Neben der
Mitwirkung an wichtigen Landesgesetzen (Hofgerichtsordnung, Kanzleiordnung,
Polizeiordnung) verfasst er 1565 ein posthum vielfach gedrucktes, deutsches
(lat.) Compendium (N.) iuris (Lehnrecht und Landrecht) mit lateinischen
Erläuterungen.
Lit.: Eckhardt, A., Der Lüneburger Kanzler Balthasar
Klammer und sein Compendium juris, 1964; Theuerkauf, G., Lex, Speculum,
Compendium iuris, 1968
Klasse (F.) Gruppe
Lit.: Gall, L., Vom Staat zur Klasse, HZ 261 (1995),
1; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Rose, P., Class in Archaic Greece, 2012
Klassenjustiz ist die Ausübung des Richteramtes
durch Angehörige der gesellschaftlich herrschenden →Klasse (Liebknecht
1907) bzw. nach Klassen unterscheidende, im Dienste einer herrschenden Klasse
stehende Rechtspflege.
Lit.: Kroeschell, 20 Jh.; Engels, F., Die Lage der
arbeitenden Klasse in England, 1845; Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 46; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung, 1983; Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassenkampf
zur Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2009
Klassisches römisches Recht (vgl. Hugo 1790 Lehrbuch und Chrestomathie
des classischen Pandectenrechts) →römisches Recht
Kleid ist eine dem Schutz und Schmuck
dienende, durch Tätigkeit geschaffene Umhüllung des Menschen. Das Kleid kann
durch Rechtssätze festgelegt werden (Kleiderordnung). Es kann als Metapher oder
Kennzeichen für rechtliche Vorgänge und Zustände Verwendung finden
(→Gewere, →Investitur, Robe, Uniform).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994;
Kania, K., Kleidung im Mittelalter, 2010; Das Thema Kleidung in den Etymologien
Isidors von Sevilla und im Summarium Heinrici, hg. v. Müller, M. u. a., 2013;
Frieling, K., Sehen und gesehen werden – Kleidung an Fürstenhoföen, 2013
Kleiderordnung ist eine →Ordnung über die
Verwendung von →Kleidern. Vielleicht unter dem Einfluss der Kirche, in
der die Bekleidung der Geistlichen von erheblicher Bedeutung ist, werden im
Spätmittelalter zum Schutz vor Verschwendung an vielen Orten Kleiderordnungen
erlassen (Spanien 1234/1256, Frankreich 1279/1294, Hannover 1312, England 1336,
Göttingen 1340). Dabei gehen die Städte den Ländern anscheinend voran.
Lit.: Köbler, DRG 139; Hampel-Kallbrunner, G.,
Beiträge zur Geschichte der Kleiderordnungen, 1962; Eisenbart, L.,
Kleiderordnungen, 1962; Schädler, K., Die Lederhose in Bayern und Tirol, 1962;
Baur, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Jarrett, L., Striptease, 1999;
Reich, A., Kleidung als Spiegelbild sozialer Differenzierung, 2005 Klein,
Ernst Ferdinand (Breslau 3. 9. 1744-Berlin 18. 3. 1810), Kaufmannssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Halle (Nettelbladt) Anwalt, 1781 Mitarbeiter am
Allgemeinen Landrecht Preußens (Strafrecht), 1791 Professor in Halle und 1800
Richter in Berlin. In seinen Merkwürdigen Rechtssprüchen der Hallischen
Juristenfakultät erarbeitet er Ansätze für sichernde Maßnahmen.
Lit.: Mumme, H., Ernst Ferdinand Kleins Auffassung von
der Strafe und den sichernden Maßnahmen, 1936; Hoffmann, U., Ernst Ferdinand
Kleins Lehre vom Verhältnis von Strafen und sichernden Maßnahmen, Diss. jur.
Breslau, 1938; Brünker, H., Der Kriminalist Ernst Ferdinand Klein, Diss. jur.
Bonn 1973; Kleensang, M., Das Konzept der bürgerlichen Gesellschaft bei E. F.
Klein, 1998
Klein, Franz (Wien 24. 4. 1854-6. 4. 1926),
Goldschmiedssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Wien 1885 Kanzleidirektor,
1891 außerordentlicher Professor und 1895 ordentlicher Universitätsprofessor.
Auf Grund der Schrift (lat.) Pro futuro (Für die Zukunft) wird er Beamter des
Justizministeriums in →Österreich und arbeitet die Zivilprozessordnung
(1895), die Exekutionsordnung und das Gerichtsorganisationsgesetz aus, in denen
die Stellung des Richters gestärkt wird.
Lit.: Festschrift Franz Klein, 1914; Forschungsband
Franz Klein, hg. v. Hofmeister, H., 1988
kleindeutsch (Adj.) deutsch ohne Österreich
Kleines Kaiserrecht ist ein wohl zwischen 1328 und
1350 zwischen Frankfurt am Main und der Wetterau nach dem später sog.
→Schwabenspiegel (Kaiserrecht) abgefasstes Rechtsbuch eines fränkischen
Anhängers Kaiser Ludwigs des Bayern. Es enthält Prozessrecht und Gerichtsverfassungsrecht,
Privatrecht und Strafrecht, Lehnrecht (besonders der Reichsdienstmannen) und
Recht der Reichsstädte.
Lit.: Das Keyserrecht, hg. v. Endemann, H., 1846,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/EndemannHermannErnstDasKeyserrecht1846.pdf;
Gosen, J. v., Das Privatrecht nach dem kleinen Kaiserrecht, 1866; Schröder, E.,
Ein altertümliches Bruchstück, ZRG GA 17 (1896), 120; Isay, H., Zur Geschichte
des kleinen Kaiserrechts, ZRG GA 19 (1998), 145; Munzel, D., Die Innsbrucker
Handschrift des Kleinen Kaiserrechts, 1974; Munzel, D., (in) Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 42; Munzel-Everling, D.,
Des keisers recht, 2003
Klenkok, Johannes (Brücken 1. Viertel 14.
Jh.-Avignon 15. 6. 1374), Professor der Theologie, stellt in Magdeburg 1369
zehn (später 21) Artikel des →Sachsenspiegels zusammen, die nach seiner
Ansicht gegen kirchliches Recht verstoßen (lat. [M.Pl.] →articuli
reprobati).
Lit.: Böhlau, H., Zur Chronologie, ZRG GA 4 (1883),
118; Kullmann, J., Klenkok und die „articuli reprobati“ des Sachsenspiegels,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1959; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 28; Rentmeister, L., Staat und Kirche im späten
Mittelalter, 2016
Kleriker ist der Angehörige des
→Klerus. Für ihn gilt das kirchliche Recht. Da vor allem im
Frühmittelalter fast nur K. schreiben können, sind sie gleichzeitig Träger
wichtiger weltlicher Aufgaben (vgl. engl. clerk).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poncet, P., Les privilèges
des clercs au moyen-âge, 1901; Moeller, B., Kleriker als Bürger, FS H. Heimpel,
Bd. 2 1972, 195
Klerus ist im katholischen Kirchenrecht
der geistliche Stand im Gegensatz vor allem zu den Laien. Der K. hat zahlreiche
Standespflichten. Umgekehrt genießt er zumindest zeitweise erhöhten Schutz
gegen Ehrverletzungen (lat. privilegium [N.] canonis, vgl. C. 1, 3, 10),
Befreiung von der weltlichen Gerichtsbarkeit (lat. privilegium [N.] fori, vgl.
Nov. 79 u. Ä.), Befreiung von weltlichen Pflichten wie Kriegsdienst, Schöffenamt u. s. w. (lat. privilegium [N.] immunitatis,
vgl. Codex Theodosianus 16, 2) und Schutz vor Zwangsvollstreckung (lat.
beneficium [N.] competentiae, vgl. Liber extra 3, 23, 3). Während des Heiligen
römischen Reiches ist der K. sowohl in den
Reichsständen wie auch in den Landständen ansehnlich vertreten.
Lit.: Schulte, A., Der Adel und die deutsche Kirche im
Mittelalter, 3. A. 1958; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Johag, H., Die Beziehungen zwischen
Klerus und Bürgerschaft, 1977; Schulte-Umberg, T., Profession und Charisma,
1999
Klettgau
Lit.: Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966
Kleve, Cleve, ist eine im 11. Jh. entstandene Grafschaft,
die 1417 zum Herzogtum erhoben wird und 1614 an Brandenburg (bzw. 1701 Preußen)
fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J.,
Sammlung der Gesetze und Verordnungen, 1821; Scotti, J., Sammlung der Gesetze
und Verordnungen, 1826; Schottmüller, K., Die Organisation der Centralverwaltung
in Kleve-Mark, 1896; Wollenhaupt, L., Die Cleve-Märkischen Stände im 18.
Jahrhundert, 1924; Ilgen, T., Quellen zur inneren Geschichte der rheinischen
Territorien – Herzogtum Kleve, 1921; Rüthning, G., Ein bisher unbekanntes
Stadtrecht von Kleve, ZRG GA 55 (1935), 239; Köbler, G., Gericht und Recht in
der Provinz Westfalen (1815-1945), FS G. Schmelzeisen, 1980, 176; Klevische
Städteprivilegien, hg. v. Fink, K., 1989; Die ältesten Klever
Stadtrechtshandschriften, bearb. v. Schleidgen, W., 1990; Das Stadtrecht von
Cleve, hg. v. Fink, K., 1991; Die ältesten Klever Stadtrechtshandschriften,
bearb. v. Schleidgen, W., 1994; Der Oberhof Kleve und seine Schöffensprüche,
hg. v. Diestelkamp, B. u. a., 1994; Die klevischen Hofordnungen, hg. v. Flink,
K., 1997; Lieven, J., Adel, Herrschaft und Memoria, 2008
Klöntrup, Johann Aegidius (Glane 30. 3.
1754-Lechterke 25. 4. 1830), Prokuratorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Göttingen Anwalt in Osnabrück. Er verfasst mehrere Werke zum bäuerlichen Recht
(u. a. Alphabetisches Handbuch der besonderen Rechte und Gewohnheiten des
Hochstifts Osnabrück, 1798).
Kloster ist die geschlossene, Ordensangehörigen
als gemeinsame Wohnung, Gebetsstätte und Arbeitsraum dienende Anlage. Sie erscheint
im Bereich des Christentums in Oberägypten im 4. Jh. erstmals (Pachomius). Im
fränkischen Reich werden Marmoutier (Martin von Tours) und Luxeuil (Columban)
wichtige Vorbilder für zahlreiche, schon früh vom König und Adel durch
Privilegien und Gaben unterstützte Gründungen, für die sich im 8. Jh. die
Ordnung des →Benedikt von Nursia durchsetzt. Diese wird seit dem 10. Jh.
in Cluny, Gorze und Hirsau erneuert. Seit dem 12. Jh. bilden sich
unterschiedliche Orden aus (→Zisterzienser, →Prämonstratenser,
→Dominikaner, Franziskaner). In der Neuzeit, in der in Europa um 1750
etwa 350000 Mönche und Nonnen in etwa 25000 Ordenshäusern von der Allgemeinheit
getragen werden, werden unter dem Einfluss auch der Reformation und danach der
Aufklärung zahlreiche Klöster säkularisiert.
Lit.: Köbler, DRG 79; Wrede, A., Das Klostergut Sülz
bei Köln, 1909; Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f.
1910, Neudruck 1965; Hirsch, H., Klosterimmunität und Investiturstreit, 1913;
Urkundenbuch des Klosters Fulda, hg. v. Stengel, E., Bd. 1 1913ff.; Bader, K.,
Das Benediktinerinnenkloster Friedenweiler, 1938; Stillhart, A., Die Rechtspersönlichkeit
der klösterlichen Verbandsformen, 1953; Sprandel, R., Das Kloster Sankt Gallen
in der Verfassung des karolingischen Reiches, 1958; Siepen, K., Vermögensrecht
der klösterlichen Verbände, 1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950,, 5. A. 1972; Rehfus, M., Das Zisterzienserinnenkloster Wald, 1971; Die
Traditionen, Urkunden und Urbare des Klosters Asbach, bearb. v. Geier, J.,
1969; Reden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft, 1982;
Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Boetticher, M. v.,
Kloster und Grundherrschaft Mariengarten, 1989; Mönchtum, Orden, Klöster, hg.
v. Schwaiger, G., 2. A. 1994; Grégoire, R. u. a., Die Kultur der Klöster, 1995;
Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol,
bearb. v. Faust, U. u. a., 2000f.; Patzold, S., Konflikte im Kloster, 2000;
Gleba, G., Klöster und Orden im Mittelalter, 2002, 2. A. 2006, 3. A. 2008, 4. A.
2012; Zehetmayer, R., Kloster und Gericht, 2001; Württembergisches Klosterbuch,
2003; Beales, D., Prosperity and Plunder, 2003; Gleba, G., Klosterleben im
Mittelalter, 2004; Schlotheuber, E., Klostereintritt und Bildung, 2004;
Ströbele, U., Zwischen Kloster und Welt, 2005, 2006; Ertl, T., Religion und
Disziplin. Selbstdeutung und Weltordnung im frühen deutschen Franziskanertum,
2006; Buttinger, S., Hinter Klostermauern, 2007; Beales, D., Europäische
Klöster im Zeitalter der Revolution 1650-1815, 2008; Monasteri in Europa, hg.
v. Eubeis, F. de u. a., 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr Wirken, 2009;
Rüffer, J., Mittelalterliche Klöster, 2009; Mitteleuropäische Klöster der
Barockzeit, hg. v. Herzog, M. u. a., 2009; Schmähling, A., Hort der Frömmigkeit
- Ort der Verwahrung, 2009; Nordrheinisches Klosterbuch, hg. v. Groten, M. u.
a., Teil 1 2009; Buttinger, S., Alltag im mittelalterlichen Kloster, 2010;
Zwanzig, C., Gründungsmythen fränkischer Klöster, 2010; Niedersächsisches
Klosterbuch, hg. v. Dolle, J., Bd. 1ff. 2012; Aus Liebe, zur Sicherheit und zur
Ehre des Klosters, hg. v. Lachmann, H., 2012; Frauenklöster im Alpenraum hg. v.
Mazohl, B u. a., 2013; Pfälzisches Klosterlexikon, hg. v. Keddigkeit u. a., Bd.
1 2014; Benz, S., Frauenklöster Mitteleuropas, 2014 (etwa 1200 in dem Heiligen
römischen Reich); Mecklenburgisches Klosterbuch, hg.v. Huschner, W. u. a., 2016
(43 Institutionen)
Klosterschule ist die seit dem 5. Jh. sichtbare Schule für
Geistliche und auch Laien in einem Kloster (z. B. Reichenau, Sankt Gallen,
Fulda, Kremsmünster, Melk, Admont, Corvey, Prüm). Sie bezieht außer der
christlichen Lehre die sieben freien Künste ein. Nach dem 11. Jh. tritt sie
hinter der Universität und später auch den städtischen Schulen zurück.
Klostertod ist der Verlust weltlicher Rechte
durch den Eintritt in ein →Kloster vom Mittelalter bis in das 19. Jh.
→bürgerlicher Tod
Lit.: Hübner; Brünneck, W. v., Das Klostergelübde,
Gruchot Beiträge 45 (1901), 193
Kluftbrief (Vetternschaftsbrief)
Lit.: Künssberg, E. Frhr. v., Vier Kluftbriefe aus Dithmarschen, ZRG GA
43 (1922), 304
kluniazensische Kirchenreform →Cluny
Knappe (M.) Edelknabe, Bergmann
Knappschaft ist vielleicht schon seit dem
Hochmittelalter ein Zusammenschluss von Bergleuten zur Sicherung gegen Unglücksfälle
durch eine Unterstützungskasse. Die K. wird seit dem Spätmittelalter in Bergordnungen
geregelt. 1770 bildet sich auf Grund eines vom König von Preußen 1767 gewährten
Privilegs eine ausgedehnte Knappschaftskasse für Kleve, Moers und Mark. Mit
Gesetz vom 10. 4. 1854 führt Preußen unter Knappschaftszwang eine
öffentlich-rechtliche Versicherung in der Form von Knappschaftsvereinen ein.
Das Reichsknappschaftsgesetz vom 23. 6. 1923/1. 7. 1926 bringt eine
einheitliche Regelung im Deutschen Reich (28. 7. 1969 Bundesknappschaft).
Lit.: Köbler, DRG 218; Karwehl, H., Die Entwicklung
und Reform des deutschen Knappschaftswesens, 1907; Inbusch, H., Das deutsche
Knappschaftswesen, 1910; Thielmann, H., Geschichte der Knappschaftsversicherung
seit 1934, Z. f. Bergrecht 95 (1954), 174; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J.,
1990; Lauf, U., Die Knappschaft, 1994; Festschrift aus Anlass des 30jährigen
Bestehens der Bundesknappschaft, 1999
Knecht ist der junge Mensch, der im Verhältnis
zu einem Herrn Dienste leisten muss. Am Ende des Mittelalters scheidet K. aus
den Altersbezeichnungen aus und wird unabhängig vom Alter zur Bezeichnung für
einen niederen, vielfach bäuerlichen Bediensteten.
Lit.: Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen
Norwegen, 2004
Knien ist ein vielleicht dem vorderen
Orient entstammendes Demutsverhalten.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Koadjutor (M.) vom Papst ernannter, mit
bischöflicher Weihgewalt ausgestatteter Vertreter eines Bischofs
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Koalition (F.) Vereinigung
Koalitionsfreiheit ist die Freiheit, zur Wahrung und
Förderung der Arbeitsbedingungen oder Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen
zu bilden (oder auch [negativ] solchen Vereinigungen fernzubleiben). Die
frühe Neuzeit wendet sich gegen die K. der Handwerksgesellen (1530, 1731,
1845). Im 19. Jh. werden die Verbote aufgehoben (England 1824, Sachsen 1861,
Baden 1862, Norddeutscher Bund 1869, Frankreich 1884). Die Weimarer Reichsverfassung
erhebt die K. zu einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 273; Scholz, R.,
Die Koalitionsfreiheit, 1971
Koblenz am Rhein ist von 1806 bis 1813 Sitz einer
französischen Rechtsschule, von 1814 bis 1817 Sitz einer preußischen
juristischen Fakultät. 2011 soll das Oberlandesgericht in K. mit dem Oberlandesgericht
in Zweibrücken zusammengeführt werden.
Lit.: Bär, M., Zur Entstehung der deutschen Stadtgemeinde (Koblenz),
ZRG GA 12 (1891), 1; Just, L., Franz von Lasaulx, 1926; Conrad, H., Stadtgemeinde
und Stadtfrieden in Koblenz während des 13. und 14. Jahrhunderts, ZRG GA 58
(1938), 337; Buyken, T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG
GA 59 (1939), 165; Eilers, K., Stadtfreiheit und Landesherrschaft in Koblenz,
1980; Mallmann, L., Französische Juristenausbildung im Rheinland 1794-1814. Die
Rechtsschule von Koblenz, 1987; Hennig, J., 2000 Jahre Koblenz, 1994
Kodex →Codex
Kodifikation (Wort 1806 bzw.1815, Gesetzbuchmachung) ist
die grundsätzlich erschöpfend gedachte (und damit anderes Recht bzw. andere
Rechtsquellen ausschließende) Zusammenfassung des gesamten Stoffes eines oder
mehrerer Rechtsgebiete in einem einheitlichen Gesetzbuch (, lat. [M.]
→codex) (oder Gesetz). Die Zusammenfassung des gesamten (römischen)
Rechtes in Codex, Digesten und Institutionen durch Justinian (527-565) stellt
noch eher eine Kompilation als eine K. dar. In der Neuzeit sind die
Landesherren ebenfalls an zusammenfassender Regelung interessiert. Beeinflusst
von Montesquieus De l’esprit des lois (Vom Geist der Gesetze, 1748) schaffen
(Bayern 1751-1756,) Preußen (auf der Grundlage eines von Samuel von Cocceji
bearbeiteten Projekts eines Codicis Fridericiani Pomeranici 1747, eines
Projekts des Codicis Fridericiani Marchici 1748 und eines Projekts des Corporis
juris Fridericiani 1749, 1751, Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs 1784ff.,
Allgemeines Landrecht, 1794), Frankreich (Code civil, 1804, sowie 4 weitere
Codes) und Österreich (auf der Grundlage des Codex Theresianus von 1766, des
Entwurfs Horten von 1774, des Josephinischen Gesetzbuchs von 1787, des
Entwurfs Martini 1796 und des Westgalizischen Gesetzbuchs von 1797 Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch, 1811/1812) bekannte Kodifikationen, die inhaltlich
(außer vom römischen und vom einheimischen Recht) stark vom →Naturrecht
(Vernunftrecht) geprägt sind. Ihnen schließen sich später zahlreiche andere
Staaten an (z. B. Deutsches Reich 1871, 1877/1879, 1900, Schweiz 1907/1912, Portugal
1833/1867, Niederlande 1838, Italien 1865, Spanien 1829/1889 u. s. w.). Geprägt wird der Begriff der K.
von Bentham (Juni 1815 in Briefen an den Zaren von Russland und den polnischen
Prinzen Adam Czartoriski, 1817 Papers relative to Codification and Public
Instruction mit einem separaten Rundschreiben On Codification). Kennzeichnend
sind materielle Vollständigkeit, sprachliche Verständlichkeit und unabänderliche
Festigkeit. Die inflationäre Verwendung von K., kodifikatorisch und
kodifizieren dürfte fehlendes rechtsgeschichtliches Verständnis indizieren.
Lit.: Söllner §§ 1, 19, 20, 25; Köbler, DRG 139;
Cauvière, H., L’idée de codification en France, 1910; Thieme, H., Die
preußische Kodifikation, ZRG GA 57 (1937), 335; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Aquarone, A.,
L’unificazione legislativa e i codici del 1865, 1960; Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960; Vanderlinden, J., Code et codification
dans la pensée de J. Bentham, TRG 32 (1964), 45; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Gesetzgebung
und Kodifikation in Frankreich, Ius commune 1 (1967); Vanderlinden, J., Le
concept de code, 1967; Caroni, P., Savigny und die Kodifikation, ZRG GA 86
(1969), 97; Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft
Friedberg-Scheer am Ende des 18. Jahrhunderts, Zs. f. württ. LG 28 (1969), 265;
Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974; Wissenschaft und
Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd.
1ff. 1974ff.; Bühler, T., Gewohnheitsrecht, Enquête, Kodifikation, 1977;
Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg. v. Vormbaum, T., 1977; Coing,
H., Zur Vorgeschichte der Kodifikation, (in) Formazione storica, Bd. 2 1977,
797; Hübner, H., Kodifikation und Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980;
Kodifikation als Mittel der Politik, 1986; Bühler, T., Der Stand der
Kodifikationsentwicklung Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts, 1986; Lokin,
J., Hoofdstukken uit de Europese Codificatiegeschiedenis, 1990, 2. A. 1992;
Rechtskodifikation und soziale Normen im interkulturellen Vergleich, hg. v.
Gehrke, H., 1994; Kodifikation gestern und heute, hg. v. Merten, D. u. a.,
1995; Gesetz und Gesetzgebung im Europa der frühen Neuzeit, hg. v. Dölemeyer,
B. u. a., 1998; Caroni, P., Saggi sulla storia della codificazione, 1998;
Kodifikation und Dekodifikation, hg. v. Maly, K. u. a., 1998; Becchi, P.,
Ideologie della codificazione in Germania, 1999; Brauneder, W., Vergessene
Jubiläen, JuS 2000, 15; La Codification des lois dans l’antiquité, hg. v. Levy,
E., 2000; Der Kodifikationsgedanke und das Modell des Bürgerlichen
Gesetzbuches, hg. v. Behrends, O. u. a., 2000; Nörr, K., Kodifikation und
Wirtschaftsordnung, ZNR 2001, 51; Caroni, P., Gesetz und Gesetzbuch, 2003;
Mertens, B., Gesetzgebungskunst im Zeitalter der Kodifikationen, 2004;
Bäumer, M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium,
2008; Behrens, O. u. a., Die Kodifikation und die Juristen, 2008; Wesener, G.,
Kodifikationen und Kompilationen, ZRG RA 127 (2010), 202; Jansen, N., The
Making of Legal Authority - Non-legislative Codifications, 2010; Grilli, A., Il
difficile amalgama, 2012
Kodifikationsstreit ist der hauptsächlich von
→Thibaut (1772-1840) und →Savigny (1779-1861) 1814 geführte
rechtspolitische Streit um die Schaffung eines einheitlichen deutschen
Nationalgesetzbuchs. Thibaut begründet seine Schrift „Über die Notwendigkeit
eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für Deutschland“ mit
Vaterlandsliebe und praktischem Interesse der zivilrechtlichen Verhältnisse.
Savigny stellt dem die Behauptung entgegen, dass Recht organisch aus dem
Volksbewusstsein entstehe und (deshalb im Jahre 1814) ein von oben kommendes
Gesetz unorganisch und damit überflüssig oder schädlich sei. Im Ergebnis setzt
sich die von den politischen Gegebenheiten (viele souveräne deutsche
Einzelstaaten) nahegelegte und (vielleicht auch) von Savignys Gelehrtenruhm
gestützte Ablehnung durch, so dass es (bis 1900) bei der Rechtszersplitterung
in den deutschen Staaten bzw. seit 1871 dem Deutschen Reich (im bürgerlichen
Recht) bleibt.
Lit.: Köbler, DRG 180; Thibaut und Savigny, hg. v.
Stern, J. 1914; Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG
RA 72 (1955), 359; Wieacker, F., Wandlungen im Bild der historischen
Rechtsschule, 1967; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Hattenhauer,
H., Thibaut und Savigny, 1973; Wrobel, H., Die Kontroverse Thibaut/Savigny im
Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart, 1975; Jakobs, H., Wissenschaft
und Gesetzgebung im bürgerlichen Recht, 1983; Schöler, C., Deutsche
Rechtseinheit, 2004
Kodizill →codicillus (letztwillige Verfügung
ohne Erbeinsetzung, die im klassischen römischen Recht durchsetzbar und im
nachklassischen römischen Recht dem Testament angenähert wird)
Kofod Ancher, Peder (1710-1788), 1741
Rechtsprofessor, verfasst in der Form verschiedener Einzelabhandlungen die
erste, bis zur Neuzeit reichende Rechtsgeschichte Dänemarks (En Dansk
Lovhistorie, Bd. 1f. 1769ff.).
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 8; Tamm, D., Retsvidenskaben i Danmark, 1992, 98
Kognat (lat. [M.] cognatus) ist der durch
Abstammung (auch über Frauen) Verwandte. Im römischen Recht ist zunächst der
→Agnat wichtiger als der K.
Lit.: Kaser §§ 9 12 I 2e, 58 IV 5a, 61 I 1, 65 II 2,
66 III
Kognitionsverfahren (lat. [F.] cognitio) ist im
klassischen römischen Recht ein einheitliches, vor einem beamteten Richter
durchgeführtes Verfahren. Dieses recht formlose Verfahren erscheint zunächst
als durch wohlfahrtsstaatliche Erwägung gegründete (lat.) cognitio (F.)
extraordinaria (außerordentliche Erkenntnis auf ausgewählten Sachgebieten wie
Fideikommissen, Verfahren des [lat.] fiscus, Verfahren über den [lat.] status)
durch den Prinzeps in seiner Stellung als Tribun, dann durch einzelne
ausgewiesene Magistrate und schließlich durch die Verwaltung des Prinzeps. Die
Parteien sind der Entscheidung ohne weiteres unterworfen. Die →Ladung
wird ein amtlicher Akt (Amtsbetrieb), dessen Missachtung den Streitverlust
nach sich zieht. Das Begehren richtet sich allein nach dem sachlichen Recht.
Das auf freier Beweiswürdigung beruhende →Urteil wird schriftlich
verfasst. Die →Kosten trägt in der Regel der Unterlegene. Gegen die Entscheidung
wird die →Appellation an eine höhere Instanz möglich. Im 2. und 3. Jh.
verdrängt das K. das ältere →Formularverfahren.
Lit.: Kaser §§ 80, 87 I; Söllner §§ 14, 15, 17, 18;
Köbler, DRG 33, 55; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966
Kohle ist ein aus Pflanzenüberresten unter hohem Druck
entstandener fossiler Brennstoff, von dem ab 2030 weltweit jährlich 13000000000
Tonnen abgebaut werden sollen. →Bergbau
Lit.: Kranz, H., Kohle in der Krise, ZRG GA 117
(2002), 592
Kohler, Josef (Offenburg 9. 3.
1849-Berlin 3. 8. 1919), Volksschullehrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Freiburg im Breisgau und Heidelberg (Vangerow) Richter, nach Veröffentlichung
seines Werks über das deutsche Patentrecht (1878) 1878 ohne Habilitation
Professor in Würzburg und 1888 in Berlin. Vielseitig interessiert befasst er
sich mit zahlreichen, Vermögensrecht und Persönlichkeitsrecht verbindenden
immaterialgüterrechtlichen Fragen und rechtsgeschichtlichen Ausgaben
(Werksverzeichnis mit 2482 Titeln, darunter 104 Bücher, davon 80 juristischen
Inhalts).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KohlerJosefDeutschesPatentrecht1878.pdf,
Die Carolina und ihre Vorgängerinnen, hg. v. Kohler, J. u. a., Bd. 1ff.
1900ff., Neudruck 1968; Osterrieth, A., Josef Kohler, ein Lebensbild, 1920;
Kohler, A., Bibliographie für Josef Kohler, 1931; Spendel, G., Josef Kohler,
1983; Josef Kohler und der Schutz des geistigen Eigentums, hg. v. Adrian, J.,
1996; Spendel, G., Josef Kohler (1848-1919), ZRG GA 113 (1996), 434; Nies, K.,
Die Geschichte ist weiter als wir, 2009
Kohlhase →Fehde
Kolbengericht
Lit.: Haupt, H., Ein oberrheinisches Kolbengericht aus dem Zeitalter
Maximilians I., ZRG 16 (1895), 199
Kolchos(e) (F.) landwirtschaftlicher genossenschaftlicher
Großbetrieb in der Sowjetunion
Kolderup-Rosenvinge, Janus Lauritz Andreas
(1792-1850), dänischer Rechtshistoriker, verfasst neben verschiedenen anderen
Lehrbüchern die erste systematische Rechtsgeschichte Dänemarks (Grundrids af
den danske Lovhistorie, 1822f.) und gibt verschiedene Quellensammlungen heraus.
Lit.: Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft,
1940, 57; Tamm, D., Retsvidenskaben i. Danmark, 1992, 148
Koldín, Pavel Kristián (1530-1589) wird
nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Prag 1557 Professor. Er verfasst
1569 einen 1579 vom Landtag und 1610 von allen Städten in Böhmen angenommenen
Entwurf für ein einheitliches Stadtrecht, das teilweise bis 1811 in Böhmen und
Mähren gilt.
Lit.: Mestské právo v 16.-18. stoleti v Europe, hg. v.
Maly, K., 1982, 341
Kollatai, Hugo (1750-1812) wird nach dem
Studium der Theologie und des Kirchenrechts in Krakau, Wien und Rom Priester,
Professor und Richter. Auf ihn geht wesentlich die Verfassung →Polens vom
3. 5. 1791 zurück. 1793 muss er in die Emigration gehen, von 1794 bis 1802 ist
er von Österreich gefangengesetzt.
Lit.: Opalek, K., Poglady Hugo Kollataj, 1952;
Chamcowna, M., Uniwersytet Jagiellonski, 1957
Kollation ([F.] Zusammenbringen) ist das Einbringen
eines vor dem Erbfall durch den Erblasser erlangten Vermögenswerts zwecks
Ausgleichs unter mehreren Anwärtern.
Kolleg (N.) Genossenschaft, Disputationsgesellschaft
von Studenten (Köln 1530), Vorlesung
Lit.: Ahsmann, M., Collegium und Kolleg, 2000
Kollegialbehörde ist eine aus mehreren
gleichberechtigten Mitgliedern bestehende, meist durch Stimmenmehrheit
beschließende Behörde. Nach älteren Ansätzen wird sie zu Beginn der Neuzeit
planmäßig gebildet (Baden 1495, Reich 1498, Schlesien 1498, Sachsen 1499,
Hessen 1500).
Kollegialgericht ist ein aus mehreren Mitgliedern
bestehendes, durch Abstimmung entscheidendes Gericht. Ohne besondere Form
kollegial verfahren bereits (die germanische Volksversammlung und) die mittelalterlichen
Rachinburgen oder Schöffen. Demgegenüber tritt der Einzelrichter mit dem
Aufkommen des gelehrten Rechtes zuerst im kirchlichen Gericht (12. Jh.), danach
in den unteren landesherrlichen Gerichten hervor. Im 19. Jh. führt der
Liberalismus wieder zum K. (→Schwurgericht). Aus Kostengesichtspunkten
wird seit 1924 dagegen die Zuständigkeit des Einzelrichters erneut erweitert.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954
Kollegiatkirche (Kollegiatstift) ist eine mit
Pfründen für Kanoniker (Kollegiatkapitel) ausgestattete, nichtbischöfliche
Kirche. Sie erscheint bereits im ausgehenden Altertum. Im 12. Jh. ist die K.
voll ausgebildet. In der Neuzeit verringert sich ihre Bedeutung.
Lit.: Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Gampl, I., Adelige Damenstifte,
1960; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Studien zum
weltlichen Kollegiatstift in Deutschland, hg. v. Crusius, I., 1995
kollektiv (gemeinschaftlich)
Kollisionsrecht ist das für das Verhältnis mehrerer
nationaler Rechtsordnungen zueinander geltende nationale Recht (z. B.
→internationales Privatrecht Deutschlands). Es entsteht in Oberitalien
seit dem 12. Jh. Es gewinnt mit der zunehmenden Internationalisierung
wachsende Bedeutung.
Lit.: Gamillscheg, F., Der Einfluss Dumoulins auf die
Entwicklung des Kollisionsrechts, 1955; Merzyn, G., Der Beitrag Benedikt
Carpzovs zur Entwicklung des Kollisionsrechts, 1963; Behn, M., Die Entstehungsgeschichte
der einseitigen Kollisionsnormen des EGBGB, 1980; Schröder, R., Die Entwicklung
des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, 1988
Köln am Rhein geht auf eine römische Stadt (50 v. Chr.
[lat.] oppidum [N.] Ubiorum, 50 n. Chr. Colonia Agrippinensium) zurück, in der
seit dem Anfang des 4. Jh.s ein Bischof wirkt, der 794/795 zum Erzbischof
erhoben wird (seit dem 13. Jh. Kurfürst). Zur Sicherung des Grundstücksverkehrs
werden in K. bereits seit etwa 1130 in einem Schrein (Reliquienschrein)
verwahrte Karten (→Schreinskarten) erstellt. Seit 1288 ist K. weitgehend
unabhängig und reichsunmittelbar. 1388/1389 erhält K. die bis 1798
bestehende, unter Besetzung Frankreichs geschlossene erste deutsche städtische
Universität. Zu ihren Fächern zählt das römische Recht. 1437 werden die
Statuten der Stadt in einer Zwischenstufe zwischen mittelalterlichen
Stadtrechten und frühneuzeitlichen Reformationen aufgezeichnet, wobei
eindeutig römischen Ursprungs nur das Inventarrecht in Art. 14 und die dem
senatusconsultum Macedonianum entsprechende Regelung in Art. 75 sind. 1919
wird die Universität erneuert. Am 3. 3. 2009 stürzt das bedeutendste Kommunalarchiv
nördlich der Alpen (in K.) in sich zusammen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gottfried Hagen
Reimchronik der Stadt Köln, hg. v. Gärtner, K. u. a., 2008; Kruse, E., Die
Kölner Richerzeche, ZRG GA 9 (1888), 152; Liesegang, E., Zur
Verfassungsgeschichte der Stadt Köln, ZRG GA 11 (1890), 1; Kohler,
J./Liesegang, E., Das römische Recht am Niederrhein, Bd. 1f. 1896ff.; Tille,
A., Instanzenzug des kurkölnischen Gerichts im 17. Jahrhundert, ZRG 21 (1900),
222; Heldmann, K., Der Kölngau und die civitas Köln, 1900; Wrede, A., Die
Kölner Bauerbänke, 1905; Loesch, H. v., Die Kölner Zunfturkunden, 1907;
Beyerle, K., Die Entstehung der Stadtgemeinde Köln, ZRG GA 31 (1910), 1;
Keussen, H., Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910; Mayer-Homberg,
E., Anklänge an die Lex Ribuaria im mittelalterlichen Kölner Recht, ZRG GA 33
(1912), 483; Gothein, E., Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt Köln
vom Untergange der Reichsfreiheit bis zur Errichtung des deutschen Reiches,
1916; Schmidt, A., Die Kölner Apotheken, 1918; Kober, A., Grundbuch des Kölner
Judenviertels 1135-1425, 1920; Ratjen, F., Verfassung und Sitz der Gerichte in
Köln, 1921; Koebner, R., Die Anfänge des Gemeinwesens der Stadt Köln, 1922;
Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs, hg. v. Kuske, B., Bd.
1ff. 1917ff.; Braubach, M., Max Franz von Österreich, letzter Kurfürst von
Köln, 1925; Loesch, H. v., Das Recht des Niederichs, ZRG GA 52 (1932), 323;
Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln, 1932; Loesch, H. v., Die
Grundlagen der ältesten Kölner Gemeindeverfassung, ZRG GA 53 (1933), 89;
Planitz, H., Das Grundpfandrecht in den Köner Schreinskarten, ZRG GA 54 (1934),
1; Keussen, H., Die alte Universität Köln, 1934; Planitz, H., Das Kölner Recht
und seine Verbreitung in der späteren Kaiserzeit, ZRG GA 35 (1955), 131;
Conrad, H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935;
Die Amtleutebücher der kölnischen Sondergemeinden, hg. v. Buyken, T. u. a.,
1936; Die Kölner Schreinsurkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, hg. v.
Planitz, H. u. a., 1937; Die Kölner Schreinsbücher, hg. v. Planitz, H. u. a.,
1937; Festschrift zur Erinnerung an die Gründung der alten Universität Köln im
Jahre 1388, 1938 (S. 109-238 Bohne, G., Die juristische Fakultät der alten
Universität Köln in den beiden ersten Jahrhunderten der Kölner
Juristenfakultät); Buyken, T./Conrad, H., Ein frühes Statut der Amtleutegenossenschaft,
ZRG GA 58 (1938), 808; Buyken, T./Conrad, H., Das älteste Amtleutebuch der
kölnischen Sondergemeinde St. Severin, ZRG GA 59 (1939), 263; Fischer, K., Die
Erbleihe in Köln 1939; Jungbluth, T., Die donatio post obitum und die donatio
reservato usufructu in den Kölner Schreinsurkunden, 1939; Korsch, H., Das
materielle Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Droege, G., Verfassung und
Wirtschaft in Kurköln, 1957; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich und Bedeutung des
kurkölnischen Hofrates, 1965; Pötter, W., Die Ministerialität der Erzbischöfe
von Köln, (um 1969); Strait, P., Cologne in the twelfth century, 1974; Köln
1475, hg. v. historischen Archiv der Stadt Köln, 1975; Herborn, W., Die
politische Führungsschicht der Stadt Köln, 1977; Wensky, M., Die Stellung der
Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft, 1980; Steinwascher, G., Die
Zisterzienserstadthöfe in Köln, 1981; Iustitia Coloniensis, 1981; Strauch, D.,
Iurisprudentia Coloniensis, JuS 1985, 421; Langen, T., Zur Geschichte der
Zivilrechtspflege in Köln 1780 bis 1877, Diss. jur. Köln 1987; Deeters, J., Das
Bürgerrecht der Reichsstadt Köln, ZRG GA 104 (1987), 1; Bolten, J.,
Hochschulstudium für kommunale und soziale Verwaltung in Köln 1912-1929, 1987;
Chmurzinski, B., Die Kurkölnische Rechtsreformation von 1538, Diss. jur. Köln
1988; Beschlüsse des Rates der Stadt Köln, hg. v. Groten, M., Bd. 1ff. 1988ff.;
Festschrift der rechtswissenschaftlichen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der
Universität Köln, 1989; Aus der Geschichte der Universität zu Köln, hg. v.
Binding, G., 1990; Bergerhausen, H., Die Stadt Köln und die
Reichsversammlungen, 1990; Dorn, U., Öffentliche Armenpflege in Köln, 1991;
Rheinische Justiz, 175 Jahre Oberlandesgericht Köln, hg. v. Laum, D. u. a.,
1994; Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, hg. v. Deeters, J. u. a.,
1996; Groten, M., Köln im 13. Jahrhundert, 1998; Mettele, G., Bürgertum in
Köln, 1998; Heppekausen, U., Die Kölner Statuten von 1437, 1999; Quellen zur
Geschichte der Stadt Köln, hg. v. Rosen, W. u. a., Bd. 1ff. 1999ff.; Strauch,
D./Arntz, J./Schmidt-Troje, J., Der Appellhof zu Köln, 2002; Rügemer, W.,
Colonia corrupta, 2002, 6. A. 2010, 7. A. 2012; Herbers, W., Der Verlust der
Hegemonie, 2003; Beuckers, K., Der Kölner Dom, 2004; Berchem, V., Das
Oberlandesgericht Köln in der Weimarer Republik, 2004; Luig, K., … weil er
nicht arischer Abstammung ist, 2004; Daniels, H., Kurkölnisches Landrecht, hg.
v. Becker, C., 2005; Dirr, K. Hoheitsrechtliche Streitigkeiten zwischen den
Kölner Erzbischöfen und der Stadt Köln auf Grundlage reichskammergerichtlicher
Verfahren des 16. und 17. Jahrhunderts, 2005; Schlüter, T., Flug- und
Streitschriften zur Kölner Reformation, 2005; Doktorgrad entzogen, hg. v.
Szöllösi-Janze, M., 2005; Bartz, C., Köln im Dreißigjährigen Krieg, 2005;
Leiverkus, Y., Köln, 2005; Haupts, L., Die Universität zu Köln im Übergang vom
Nationalsozialismus zur Bundesrepublik, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 162; Strauch, D., Der Große Schied
von 1258, 2008; Landau, P., Die Kölner Kanonistik des 12. Jahrhunderts, 2008;
Haupts, L., Die Universität Köln am Übergang, 2007; Die Protokolle des Kölner
Domkapitels, Bd. 1ff., hg. v. Militzer, K., 2009ff.; Regesten zu den Urkunden
des Amtleutearchivs St. Columba in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009;
Matzerath, H., Köln in der Zeit des Nationalsozialismus, 2009; Gedächtnisort,
hg. v. Schmidt-Czaia, B. u. a., 2010; O felix Agrippina nobilis Romanorum
Colonia, hg. v. Rutz, A. u. a., 2010; Herbers, M., Organisationen im Krieg,
2012; Wulf, T., Die Pfarrgemeinden der Stadt Köln, 2012 (19); Hillen, C. u. a.,
Zur Geschichte der Kölner Königspfalz (in) Geschichte in Köln 59 (2012) 5;
Justiz im Krieg – Der Oberlandesgerichtsbezirk Köln 1939-1945, hg. v.
Haferkamp, P. u. a., 2012; Kölner Juristen im 20. Jahrhundert, hg. v. Augsberg,
S. u. a., 2013; Köln in unheiligen Zeiten, hg. v. Lewejohann, S., 2014; Eck,
W., Die Gestaltung der Welt – Augustus und die Anfänge des römischen Köln,
2014; Rechte, Güter und Lehen der Kölner Erzbischöfe in Westfalen, bearb. v.
Wolf, M., 2014; Rosen, W., Die Ökonomie des Kölnser Stifts St. Aposteln, 2015;
Bönisch, G., Der 96-Prozent-Mann – Kölns Oberbürgermeister Theo Burauen, 2015;
Löffelsender, M., Kölner Rechtsanwälte im Nationalsozialismus, 2015; Kober, K.,
Der Kölner Residentenstreit, 2016; Kneis, A., Die Richter am Landgericht Köln
in der Zeit zwischen 1933 und 1945. 2016; Das Oberlandesgericht Köln, hg. v.
Haferkamp, H. u. a., 2019
Kolonat →colonus
Kolonialismus ist die Bildung von Kolonien durch europäische
Staaten auf den anderen Erdteilen seit der frühen Neuzeit. Der K. unterliegt
dem Freiheitsstreben der Betroffenen nach dem zweiten Weltkrieg, so dass bis
zum Ende des 20. Jh.s die Kolonien weitgehend aufgehoben sind. Obwohl der K.
den Kolonien auch die Vorteile der europäischen Zivilisation vermittelt, wird
er insgesamt eher als nachteilig eingestuft.
Lit.: Burke, R., Decolonization and the Evolution of International
Human Rights, 2010; Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde -
Kolonialismuskritik, 2010; Kleinschmidt, H., Diskriminierung durch Vertrag und
Krieg, 2013; Walter, D., Organisierte Gewalt in der europäischen Expansion,
2014; German Colonialism Revisited, hg. v. Berman, N., 2014; Deutscher
Kolonialismus, hg. v. Deutschen Historischen Museum Berlin, 2016; Habermas, R.,
Skandal in Togo, 2016; Hoffman, P., Wie Europa die Welt eroberte, 2017
(zwischen 1492 und 1914 84 Prozent der Erde mit Hilfe der aus der
Kleinstaaterei entstandenen militärisch-technischen Überlegenheit erobert);
Häußler, M., Der Genozid an den Herero, 2018
Kolonie ist die Niederlassung von
Angehörigen eines Volkes oder Staates in fremder Umgebung. Sie ist dem Altertum
(Griechen, Römer) ebenso bekannt wie dem Mittelalter (Ostsiedlung). In der
Neuzeit entstehen ausgedehnte Kolonien europäischer Staaten (England,
Frankreich, Portugal, Spanien, Niederlande, Belgien, seit 1884 auch Deutsches
Reich [Schutzgebiet] u. a. April 1884 Deutsch-Südwestafrika [Adolf Lüderitz,
1913 fast 15000 Weiße im Land], Togo, 1899 Westsamoa) in den neu entdeckten
Erdteilen. Sie gehen im 20. Jh. weitgehend wieder verloren (für Deutschland
1918 als Folge des ersten Weltkriegs, im Übrigen meist nach verlustreichen
Freiheitskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jh.s). Ihre rechtliche Einordnung
in der Zwischenzeit ist nicht einheitlich (neues Volk, Teil des Mutterlands).
Insgesamt war der Kolonialismus vor allem ein wirtschaftliches Geschäft und
eine probematische Stufe auf dem Wege zur Globalisierung der Welt.
Lit.: Köbler, DRG 172; Deutsches Koloniallexikon, hg.
v. Schnee, H., 1920; Ansprenger, F., Auflösung der Kolonialreiche, 1966, 4. A.
1981; Kunst, A., Recht, commercie en kolonialisme in West-Indië, 1981; Walz,
G., Imperialismus und Kolonialmission, hg. v. Bade, K., 1983; Reinhard, W.,
Geschichte der europäischen Expansion, 1983ff.; Gründer, H., Geschichte der
deutschen Kolonien, 2. A. 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2.
A. 2007; Osterhammel, J., Kolonialismus, 1995; Coloniser au Moyen Age, 1995;
Wolter, U./Kaller, P., Deutsches Kolonialrecht, ZNR 1995; Aas, N u. a.,
Koloniale Konflikte im Alltag, 2. A. 1997; Albertini, R. v., Europäische
Kolonialherrschaft, 4. unv. A. 1997; Schubert, W., Das imaginäre Kolonialreich,
ZRG 115 (1998), 86; Wesseling, H., Teile und herrsche, 1999; Oloukpona-Yinnon,
A., Unter deutschen Palmen, 1999; Schwarz, M., Je weniger Afrika, desto besser,
1999; Huber, H., Koloniale Selbstverwaltung in Deutsch-Südwestafrika, 2000;
Richter, K., Deutsches Kolonialrecht in Ostafrika, 2001; Grosse, P.,
Kolonialismus, 2000; Kolonialisierung des Rechts, hg. v. Voigt, R., 2001;
Zimmerer, J., Deutsche Herrschaft über Afrikaner, 2001; Die deutsche Südsee
1884-1914, hg. v. Hiery, H., 2. A. 2002; Fischer, H., Die deutschen Kolonien,
2001; Kaulich, U., Die Geschichte der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika
(1884-1914), 2. A. 2003; Fichtner, A., Die völker- und staatsrechtliche
Stellung der deutschen Kolonialgesellschaften des 19. Jahrhunderts, 2002;
Wagner, N., Die deutschen Schutzgebiete, 2002; Kundrus, B., Moderne
Imperialisten, 2003; Hasian, M., Colonial Legacies in Postcolonial Contexts,
2002; Martone, L., Giustizia coloniale, 2002; Völkermord in Deutsch-Südwestafrika,
hg. v. Zimmerer, J. u. a., 2003; Wesseling, H., The European Colonial Empires
1815-1919, 2004; Fuhrmann, M., Der Traum vom deutschen Orient, 2006;
Kolonialkriege, hg. v. Klein, T. u. a., 2006; Zeller, B., Ex facto ius oritur,
2006; Schlottau, R., Deutsche Kolonialrechtspflege, 2007; Tiebel, A., Die
Entstehung der Schutztruppengesetze, 2008; Ein Platz an der Sonne, hg. v.
Aldrich, R., 2008; Klose, F., Menschenrecht im Schatten kolonialer Gewalt,
2009; Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2009; Eicker,
S., Der Deutsch-Herero-Krieg und das Völkerrecht, 2009; Nagl, D. u. a.,
Staatlichkeit und Governance im Zeitalter der europäischen Expansion, 2009;
Kraus, J. u. a., Die deutschen Kolonial- und Schutztruppen von 1889 bis 1918,
2009; Stuchtey, B., Die europäische Expansion und ihre Feinde, 2010; Kolonialgeschichten,
hg. v. Kraft, C. u. a., 2010; Kuß, S., Deutsches Militär auf kolonialen
Kriegsschauplätzen, 2010; Bismarck und der deutsche Kolonialerwerb 1883-1885,
hg. v. Baumgart, W., 2011; Lindner, U., Koloniale Begegnungen – Deutschland und
Großbritannien als Imperialmächte in Afrika 1880-1914, 2012; Habermas, R., Die
deutschen Großforschungsprojekte zum „Eingeborenenrecht“ um 1900, ZRG GA 129
(2012), 150; Schaper, U., Koloniale Verhandlungen, 2012 (Kamerun 1884-1916);
Short, J., Magic Lantern Empire, 2012; Von Käfern, Märkten und Menschen hg. v.
Habermas, R. u. a. 2013; Hespanha, A., Uncommon laws, ZRG GA 130 (2013), 180;
Cooper, F., Out of Empire, 2013; Belmessous, S., Assimilation and Empire, 2013;
Kein Platz an der Sonne, hg. v. Zimmerer, J., 2013; Nagl, D., No Part of the
Mother Country, but Distinct Dominion, 2013; Lockert, M., Entwicklung und
Kontinuität des namibischen Rechtssystems, 2014; Olpen, B., Johann Karl Vietor
(1861-1934), 2014; Erinnerungskulturen post-imperialer Nationen, hg. v. Rothermund,
D., 2015; Lexikon zur Überseegeschichte, hg. v. Hiery, H., 2015; Die
europäische Expansion, hg. v. Burschel, P. u. a., 2015; Gräbel, C., Die
Erforschung der Kolonien, 2015; Walther, D., Sex and Control, 2015; Tau
Anzoátegui, V., Zwischen dem spanisch-amerikanischen lkolonialen Recht und dem
des Nationalstaats in Argentinien, ZRG GA 133 (2016), 440; Deutscher
Kolonialismus, 2016 (Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Musums in
Berlin); Schürmann, F., Der graue Unterstrom – Walfänger und Küstengesellschaften
an den tiefen Stränden Afrikas (1720-1920), 2017
Kolonisation ist die Erschließung neuen
Wirtschaftslands (vor allem am Ende des Frühmittelalters im Osten des Deutschen
Reiches, Ostsiedlung).
Lit.: Die mittelalterliche Kolonisation, hg. v.
Brauer, M. u. a., 2009
Kommanditgesellschaft ist die Gesellschaft, deren Zweck
auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet
ist und bei der bei mindestens einem Gesellschafter die Haftung gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern auf den Betrag einer bestimmten Vermögenseinlage beschränkt
(Kommanditist) sowie bei mindestens einem anderen Gesellschafter unbeschränkt
(Komplementär) ist. Sie entwickelt sich in der frühen Neuzeit (16. Jh.)
allmählich aus der im Hochmittelalter und Spätmittelalter entstandenen
→Handelsgesellschaft. Im 19. Jh. wird die im preußischen Entwurf des
Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs noch als →stille Gesellschaft
bezeichnete K. gesetzlich geregelt (Code de commerce [1807], Allgemeines
Deutsches Handelsgesetzbuch [1861]). In Österreich ist die K. seit 2007
rechtsfähig (Unternehmensgesetzbuch).
Lit.: Köbler, DRG 167, 217; Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche Struktur süddeutscher
Handelsgesellschaften, 1976; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die
stille Gesellschaft im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999; Zur
Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a., 2003
Kommendation ist die übergebende Anvertrauung
insbesondere innerhalb des Lehnsrechtes.
Lit.: Ehrenberg, V., Commendation und Huldigung nach
fränkischem Recht, 1877; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972; Kienast, W., Die fränkische Vasallität, 1990
Kommentar ist die Erklärung oder die
Erläuterungsschrift (zu einem Gesetz). Der K. findet sich bereits im Altertum.
In der rechtswissenschaftlichen Literatur tritt der K. seit dem 14. Jh. hervor.
Er ist auch in der Gegenwart noch sehr bedeutsam. →Kommentator
Lit.: Les Commentaires, hg. v. Mathieu-Castellani, G.
u. a., 1990; Mohnhaupt, H., Die Kommentare zum BGB, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 495; Der Kommentar in Antike und
Mittelalter, hg. v. Geerling, W. u. a., 2002; Kommentare in Recht und Religion,
hg. v. Kästle, D. u. a., 2013; Kästle-Lamparter, D., Welt der Kommentare, 2016;
Doyle, M., Peter Lombard and his students, 2016
Kommentator ist der Verfasser eines Kommentars.
Als K. werden die führenden rechtswissenschaftlichen Schriftsteller des
Spätmittelalters (1250-1500) (z. B. für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts
Jacobus de Arena, Dinus de Rossonis Mugellanus, Johannes de Blanoso, Albertus
Gandinus, Guilelmus Duranti, Raimundus Lullus, in Neapel Benedictus de Isernia,
Marinus de Caramanico, Bartholomäus de Capua, Andreas Bonellus de Barulo,
Andreas de Isernia, Blasius de Morcone, in Frankreich →Jacobus de
Ravanis, →Petrus de Bellapertica, Guilelmus de Cuneo und Johannes Faber,
für das 14. Jahrhundert Ricardus Malumbra, Oldradus de Ponte, Jacobus de
Belvisio, Jacobus Butrigarius, →Cinus de Pistoia, Johannes Andreae,
Albericus de Rosate, der berühmte →Bartolus de Saxoferrato, Rainerius de
Forlivio, Lucas de Penna, der ebenfalls berühmte →Baldus de Ubaldis sowie
für das fünfzehnte Jahrhundert Bartholomäus Salicetus, Raphael Fulgosius,
Johannes de Imola, Paul de Castro, Antonius Minuccius de Prato Veteri,
Alexander Tartagnus, Bartholomaeus Caepolla, Johannes Baptista Caccialupus,
Franciscus de Accoltis, Bartholomaeus Socinus, Ludovicus Bologninus,
Philippus Decius und →Jason de Mayno) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 107; Söllner, A.,
Die causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77
(1960), 182; Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörungen bei Glossatoren,
Kommentatoren und Kanonisten, 1960; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Horn, N., Die juristische Literatur der Kommentatorenzeit,
Ius commune 2 (1969), 84; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter,
Bd. 2 2007; Kästle-Lamparter, D., Welt der Kommentare, 2015
Kommentierverbot ist das Verbot, ein Gesetz mit
Erklärungen zu versehen. Es findet sich bereits bei Kaiser Justinian (527-565)
in Bezug auf die Digesten. Hieran erinnern Erklärungen Friedrichs I. Barbarossa
von 1182, Innozenz’ III. von 1200 oder Friedrichs II. in den Konstitutionen von
Melfi (1231). Tatsächliche Kommentierverbote beginnen aber erst wieder in der
Neuzeit (Spanien 1567, Frankreich 1667, Sachsen 1729, Preußen 1794). Das 19. Jh.
kehrt sich hiervon ab.
Lit.: Maridakis, G., Justinians Verbot der
Gesetzeskommentierung, ZRG RA 73 (1956), 396; Vanderlinden, J., Le concept de
code en Europe, 1967
Kommissar ist der Beauftragte, der im
Bedarfsfall zur Verwirklichung von Aufsichtsbefugnissen eingesetzt werden kann.
In der frühen Neuzeit unterscheidet Jean →Bodin (1529/1530-1596) 1576
zwischen dem regelmäßigen Amtsträger und dem außerordentlichen K. Sachlich
finden sich Kommissare bereits im römischen Prinzipat und in der
mittelalterlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit. In der Gegenwart ist der K. ein
staatlicher Beamter, der die Aufsicht des Staates über bestimmte Einrichtungen
ausübt oder die zeitweise Verwaltung einer Selbstverwaltungskörperschaft
durchführt.
Lit.: Hintze, O., Der Commissarius, FS K. Zeumer 1910,
493; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff.
1983ff.
Kommission ist einerseits der Ausschuss,
andererseits ein schuldrechtliches Handelsgeschäft, bei dem es eine Person
(Kommissionär) übernimmt, gegen Entgelt Waren oder Wertpapiere für Rechnung
einer anderen Person (Kommittenten) in eigenem Namen zu kaufen oder zu
verkaufen. Nach älteren Ansätzen gewinnt die K. seit dem 11. Jh. in Südeuropa
und seit dem 13. Jh. in Mitteleuropa tatsächliche Bedeutung. Seit dem Ende des
16. Jh.s ist die K. von der →Gesellschaft sicher abgegrenzt. Gesetzliche
Regelungen finden sich seit den Statuten von Genua 1588/1589, dem Codex
Maximilianus Bavaricus civilis von 1756 und dem Code de commerce 1807.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäftes in Deutschland, Bd.
1 1915; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971;
Landwehr, T., Das Kommissionsgeschäft, 2003
kommunal (gemeindlich)
Kommunalverband ist der kommunale Personenverband (z. B. in
Österreich seit 1862 Reichsgemeindegesetz mit Ortsgemeinde. (ziemlich
bedeutungsloser) Gebietsgemeinde und bis 1920 Land).
Kommunalverfassung ist die Gesamtheit der die
Grundordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände betreffenden Rechtssätze. Nach
älteren Ansätzen in Altertum und Mittelalter (Stadt, Dorf) entwickelt sich eine
einheitliche Vorstellung der Gemeinde erst in der Neuzeit (Württemberg 1758
Kommunordnung). Im 19. Jh. sind mehrere Typen der K. nebeneinander vorhanden.
Nach der Magistratsverfassung stehen eine Versammlung von gewählten
Gemeindevertretern und ein kollegiales oberstes Verwaltungsorgan (Magistrat)
nebeneinander. Nach der Bürgermeisterverfassung ist der Bürgermeister allein
entscheidender Leiter der Verwaltung und gleichzeitig Vorsitzender der
Versammlung der gewählten Gemeindevertreter.
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im
19. Jahrhundert, 1950; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970; Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht in
Deutschland, 1974; Speck, U., Staatsordnung und Kommunalverfassung, 1995;
Ackermann, C., Die Bedeutung der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts
zum Kommunalrecht für unsere heutige Dogmatik, 2012
Kommune (F.) Gemeinde, im Mittelalter
Stadtgemeinde in Italien (z. B. 1085 Pisa, Lucca u. s. w., seit etwa 1300 teilweise unter
Adelsherrschaft) und Frankreich, Gemeinschaft (z. B. Pariser Kommune 14. 7.
1789-1795, 18. März 1871-28. Mai 1871)
Lit.: Vermeersch, A., Essai sur les origines, 1966;
Haupt, H./Hauser, K., Die Pariser Kommune, 1979; L’evoluzione delle città
italiane, hg. v. Bordone, R. u. a., 1988; Theorien kommunaler Ordnung in
Europa, 1996; Jones, P., The Italian city-state, 1997; Tombs, R., The Paris
Commune 1871; Coleman, E., The Italian communes, Journal of Medieval History 25
(1999), 373; Dilcher, G., Die Kommune als europäische Verfassungsform, HZ 272
(2001), 667; Starr, P., Commemorating Trauma, 2006
Kommunikation (F.) „Gemeinmachung“,
Gedankenmitteilung
Lit.: Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft,
hg. v. Rösener, W., 2000; Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im
Mittelalter, hg. v. Althoff, G., 2001; Kommunikation und Medien in Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Öffentliche Kommunikation in Brandenburg-Preußen, hg.
v. Sösemann, B., 2002; Gall, L./Schulz, A., Wissenskommunikation im 19.
Jahrhundert, 2003; Medien der Kommunikation im Mittelalter, hg. v. Spieß, K.,
2003; Huschner, W., Transalpine Kommunikation im Mittelalter, 2003; Aspekte der
politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts, hg. v.
Schütte-Schorn, L., 2004; Kommunikation im Spätmittelalter, hg. v. Günthart,
R. u. a., 2005; Goppold, U., Politische Kommunikation in den Städten der
Vormoderne, 2007; Politische Kommunikation und öffentliche Meinung in der
antiken Welt, hg. v. Kuhn, C., 2012; Kommunikationswnetze des Ritteradels im
Reich um 1500,hg. v. Schneider, J., 2012; Die Ordnung der Kommunikation und die
Kommunikation der Ordnung, Bd. 1, Bd. 2 hg. v. Andenna, C. u. a., 2012, 2013
Kommunismus ist die Gesellschaftsordnung, in
der alle Gegenstände allen Menschen entsprechend ihren Bedürfnissen gemeinsam
zustehen und alle Menschen gleichgestellt sind. Der K. entsteht nach älteren
Ansätzen im Altertum (Urkommunismus) und im Mittelalter kurz vor der Mitte des
19. Jh.s (1848 Kommunistisches Manifest) als Gesellschaftstheorie. Versuche zu
seiner praktischen Umsetzung finden mit geringem Erfolg im 20. Jh. statt
(Sowjetunion seit 1917, von der Sowjetunion beeinflusste mitteleuropäische
Staaten von 1945-1990). Das Recht ist im K. theoretisch überflüssig.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 455;
Böckenförde, E., Die Rechtsauffassung im kommunistischen Staat, 2. A. 1967;
Die frühsozialistischen Bünde, hg. v. Busch, O. u. a., 1975; Leonhard, W., Was
ist Kommunismus?, 1978; Wesson, R., Communism and communist systems, 1978;
Brünneck, V., Politische Justiz, 1978; Dowe, D., Bibliographie zur Geschichte
der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981; Rudzid, W., Die Erosion der
Abgrenzung, 1988; Mallmann, K., Kommunisten in der Weimarer Republik, 1996;
Furet, F., Das Ende der Illusion, 1996; Thompson, W., The Communist Movement,
1998; Koenen, G., Utopie der Säuberung, 1998; Maier, C., Das Verschwinden der
DDR und der Untergang des Kommunismus, 1999; Die Weltpartei aus Moskau, hg. v.
Hedeler, W. u. a., 2008; Loughlin, B. u. a., Kommunismus in Österreich, 2009;
Die rechtliche Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit in Osteuropa, hg.
v. Schroeder, F. u. a., 2010; Mildt, D. de, Het Thälmanncomplex, 2011; Bois,
M., Kommunisten gegen Hitler und Stalin, 2014; Koenen, G., Die Farbe Rot –
Ursprünge und Geschichte des Kommunismus, 2017; Aus den Giftschränken des
Kommunismus, hg. v. Kührer-Wielach, F. u. a., 2018
Kommunistisches Manifest ist die von Karl →Marx und
Friedrich →Engels im Auftrag des zweiten Kongresses der Union der
Kommunisten erarbeitete und in London im Februar 1848 anonym veröffentlichte
Programmschrift. Das Kommunistische Manifest versucht die Ansicht zu belegen,
dass die Geschichte aller bisherigen menschlichen Gesellschaft die Geschichte
von Klassenkämpfen sei. Es nennt als Ziel die Aufhebung des Eigentums des
Einzelnen durch Zentralisierung der Produktionsmittel in den Händen der als
herrschende Klasse organisierten Proletarier. Es erklärt den wissenschaftlichen
Kommunismus zur einzigen richtigen Theorie. Es endet mit der Aufforderung:
Proletarier aller Länder vereinigt euch. Eine kommunistische Partei entsteht in
Russland 1898 (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands), in Deutschland
1918.
Lit.: Köbler, DRG 177; Winkler, A., Die Entstehung des
„Kommunistischen Manifestes“, 1936; Chambre, H., Le Manifest communiste, 1948;
Karl Marx, 1968; Marx-Engels-Werke, Bd. 4 1972, 459ff.; Marx, K./Engels, F.,
Das Kommunistische Manifest, hg. v. Kuczynski, T., 1995; Das Manifest heute,
hg. v. Hobsbaum, E. u. a., 2. A. 2000
Komotau ist die 1252 erstmals (als [lat.] oppidum) bei
der Übergabe an den deutschen Orden erwähnte, 1335 als Stadt (lat. civitas)
bezeichnete, 1411 durch König Wenzel dem Orden wieder entzogene böhmische
Siedlung im deutschen Sprachgebiet am Fuße des mittleren Erzgebirges.
Lit.: Weizsäcker, W., Rechtsgeschichte von Stadt und Bezirk Komotau,
1935
Kompetenz (F.) Zuständigkeit
Lit.: Stimpfle, A., Kompetenzverschiebungen zwischen
Gesetzgebungsorganen in föderalen Strukturen, 2015
Kompetenzkompetenz ist die Zuständigkeit zur
Bestimmung (bzw. Änderung) der Zuständigkeit. Sie wird 1848 bereits dem zu gründenden
Deutschen Reich zugewiesen. 1873 wirkt sie sich zugunsten der Schaffung eines
Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) aus. Auch in Ö. hat der Bund die K.
Lit.: Köbler, DRG 195
Kompetenzkonflikt ist der Streit über die
Zuständigkeit einer staatlichen Stelle. Grundsätzlich ist er überall dort
möglich, wo mehrere staatliche Stellen (ohne eindeutige Zuständigkeitsabgrenzung)
nebeneinander stehen. Geschichtlich bedeutsam sind die Kompetenzkonflikte
zwischen Herrscher und Ständen, zwischen Reichskammergericht und Reichshofrat
seit dem 16. Jh., zwischen Gerichtsbarkeit und Verwaltung seit dem 18. Jh. oder
zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit seit dem
späten 19. Jh. In Österreich ist seit 1920 der Verfassungsgerichtshof für den
gerichtlichen K. zuständig.
Lit.: Brater, K., Studien zur Lehre von den Grenzen
der civilrichterlichen und der administrativen Zuständigkeit, 1855; Hagens,
J., Über Competenz-Conflikte, Arch. f. rechtswiss. Abh. 2 (1861), 315; Poppitz,
J., Der Kompetenzkonflikt, 1941; Lemmer, G., Die Geschichte des preußischen
Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, 1997; Fu, A.,
Kompetenzkonflikte im preußischen Recht, 1999
Kompilation (F.) Plünderung, Sammlung,
Aufhäufung
Lit.: Wesener, G., Kodifikationen und Kompilationen,
ZRG RA 127 (2010), 202
Kompositionensystem ist das Rechtssystem, in dem die
Komposition ( Buße) eine wesentliche Stellung einnimmt. Im altrömischen Recht
soll, wer einem anderen ein Bein bricht, 300 Pfund Kupfer, bei einem Sklaven
150 Pfund Kupfer entrichten. Wer einem anderen ein sonstiges Unrecht antut,
soll 25 Pfund Kupfer leisten. Das ausgehende Altertum kennt die Verdoppelung
oder Vervierfachung des deliktisch entzogenen Sachwerts. Das Frühmittelalter
zeichnet umfangreiche Kataloge von festen Rechnungsbeträgen (→Wergeld,
→Buße) für unterschiedliche Verhaltensweisen (Tötung, Körperverletzung,
Diebstahl) und verschiedene Stände (Adel, Freie, Freigelassene, Unfreie) auf,
die nach den Angaben des Tacitus germanische Grundlagen zu haben scheinen. Das
frühmittelalterliche K. wird seit dem Hochmittelalter von der peinlichen
→Strafe verdrängt, doch werden Sühneverträge erst im 17. Jh. unter der
Einwirkung der Constitutio Criminalis Carolina allgemein aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 91, 119; Brunner, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958, 221, 332; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 342, Neudruck 1964; Levy,
E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 307; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122
(2005), 113
Komputistik (Zeitrechnung)
Lit.: Schriften zur Komputistik im Frankenreich von 721 bis 818, hg. v.
Borst, A., 2006
Kondiktion ist der Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung. Die K. geht auf die (lat. F.)
→condictio des römischen Rechtes zurück, mit der im klassischen römischen
Recht eine nichtgeschuldete Leistung (lat. indebitum solutum N.)
wohl wegen der Ähnlichkeit mit dem Darlehen zurückverlangt werden kann. Über die
Nichtschuld hinaus gilt dies auch für Fälle nicht eingetretener Erwartungen
oder sittenwidrigen Leistungszwecks. Herauszugeben ist grundsätzlich der
erlangte bestimmte Gegenstand, vielleicht später auch ein unbestimmter
Gegenstand (lat. N.
incertum). Im spätantiken römischen Recht gewinnt die - im Westen völlig verschwindende
- (lat. F.
) condictio aus grundloser Vorenthaltung im Osten größere Bedeutung. Sie wird
mit der allgemeinen philosophisch-christlichen Überlegung gerechtfertigt,
dass niemand aus dem Nachteil eines anderen reicher werden dürfe. Darunter
werden vereint die Rückforderung des irrtümlich auf eine Nichtschuld
Geleisteten, des aus unsittlichem Grund oder verbotswidrigem Grund Geleisteten
und des in Erwartung eines nicht eingetretenen Grundes Geleisteten. Dazu kommen
verschiedene weitere Fälle. Inhalt der K. ist stets die Herausgabe des
Erlangten. In der frühen Neuzeit erscheint von den Kondiktionen, welche die
hochmittelalterlichen Glossatoren erstmals fest mit dem Grundsatz der
Beschränkung der Herausgabepflicht auf die noch vorhandene Bereicherung zu
verbinden versuchen, die K. wegen Nichtschuld bereits in Worms 1499. Von Hugo
→Grotius wird dann der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass jemand, der
aus der Sache eines anderen, der sie nicht mehr hat, reicher geworden ist,
herauszugeben hat, worum er reicher sei. Die vernunftrechtlichen Kodifikationen
beschränken sich demgegenüber vor allem auf die Regelung der K. wegen
Nichtschuld. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) unterscheidet bei der
ungerechtfertigten →Bereicherung zwischen Leistungskondiktion und Nichtleistungskondiktion.
Lit.: Köbler, DRG 47, 166, 215, 271; Söllner, A., Die
causa im Kondiktionen- und Vertragsrecht des Mittelalters, ZRG RA 77 (1960),
182; Schartl, R., Ungerechtfertigte Bereicherung nach deutschen Rechtsquellen
des Mittelalters, TRG 60 (1992), 109; Hähnchen, S., Die causa condictionis,
2003
Kondominat ist die gemeinsame Ausübung der
Hoheitsgewalt durch mehrere Hoheitsträger auf einem ihnen gehörigen Gebiet
(Kondominium). Das K. ist seit dem Mittelalter nicht selten, wird aber seit
1803 beseitigt. 1864/1865 besteht ein K. Österreichs und Preußens an
Schleswig-Holstein, dessen Durchführung das Ende des →Deutschen Bundes
bewirkt.
Lit.: Bader, K., Beiträge zur oberrheinischen Rechts-
und Verfassungsgeschichte I. Das badisch-fürstenbergische Kondominat im
Prechtal, 1934; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §
32 I 2; Jendorff, A., Condominium, 2010 (Beispiel Treffurt)
Kondominium →Kondominat
Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (KSZE)
ist die vom 30. 7. 1975 bis 1. 8. 1975 währende Konferenz der 35 Außenminister
europäischer Staaten (sowie der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas) in
Helsinki. Im Schlussdokument werden zehn Leitlinien als Absichtserklärungen
zusammengefasst. An die K. schließen sich mehrere Nachfolgekonferenzen in
Belgrad, Madrid, Wien u. s. w. an. Im
Ergebnis bereitet die K. ü. S. u. Z. i. E. die Öffnung des seit 1945 geschaffenen
Eisernen Vorhangs zwischen Osteuropa und Westeuropa vor, die ab 1989 verwirklicht
wird.
Lit.: Der KSZE-Prozess, hg. v. Altrichter, H. u. a.,
2010; Peter, M., Die Bundesrepublik im KSZE-Prozess 1975-1983. 2015
Konfession (F.) Bekenntnis
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten und konfessionelle Besetzung, 1972; Heckel, M., Deutschland im
konfessionellen Zeitalter, 1983; Probleme des Konfessionalismus in Deutschland
seit 1800, hg. v. Rauscher, W., 1984; Schilling, H., Die Konfessionalisierung
im Reich, HZ 246 (1988), 1; Die Bildung des frühmodernen Staates, hg. v.
Timmermann, H., 1989; Die katholische Konfessionalisierung, hg. v. Reinhardt,
W. u. a., 1995; Konfessionen im Konflikt, hg. v. Blaschke, O., 2001; Klueting,
H., Das konfessionelle Zeitalter, 2007; Schilling, H., Konfessionalisierung und
Staatsinteressen 1559-1660, 2007; Konfession im Recht, hg. v. Cancik, P. u.
a., 2009; Fürstinnen und Konfession, hg. v. Gehrt, D. u. a., 2015
Konfessionsschule (Bekenntnisschule) ist die auf eine
bestimmte →Konfession ausgerichtete →Schule. Sie ist im Gegensatz
zur Gemeinschaftsschule in der Gegenwart die Ausnahme. Sie ist aber zulässig.
Konfinen →Militärgrenze
Konfiskation (F.) Einziehung
Lit.: Iterson, W. van, Geschiedenis der confiscatie in
Niederland, 1957
Konflikt
Lit.: Conflict in Medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003;
Dierkes, F., Streitbar und ehrenfest, 2007; Dirks, F., Konfliktaustragung im
norddeutschen Raum des 14. und 15. Jahrhunderts, 2015
Konföderation (F.) Staatenbund
Konfusion ist die Vereinigung des Schuldners
und Gläubigers in einer Person (z. B. Schuldner wird Erbe des Gläubigers). Die
K. bewirkt im klassischen römischen Recht das Erlöschen einer Schuld.
Lit.: Kaser §§ 28, 31, 53, 56; Köbler, DRG 43; Kieß,
P., Die confusio im klassischen römischen Recht, 1995
Kongress (Zusammenkunft) ist in den
Vereinigten Staaten von Amerika das aus Repräsentantenhaus und Senat bestehende
→Parlament.
Koni, Anatolij Fedorovic (1844-1927) wird als
Staatsanwalt, Richter und Strafrechtslehrer in Sankt Petersburg zu einem
führenden liberalen Rechtspolitiker →Russlands im ausgehenden 19. Jh.
Lit.: Smoljarcuk, V., Anatolij Fedorovic Koni, 1982;
Balantine, E., Anatolij Fedorovic Koni and the Russian Judiciary, Diss. Yale
1986
König (lat. M.
rex) ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Germanenstämmen der
durch Zugehörigkeit zu einem Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes. In
Rom wird im Jahre 509 der (etruskische) König (Tarquinius Superbus) gestürzt
und durch Prätor bzw. Konsuln ersetzt. Bei den Franken gelingt Chlodwig ([* um
466,] 481-511) die gewaltsame Einung unter seinem Königtum. Die wichtigste
Gewalt des Königs ist dann der Königsbann. Daneben stützt sich seine Herrschaft
außer auf Charisma (Königsheil) auch auf das Königsgut, auf die Grafen
(→Der König ist gemeiner Richter überall), auf das Lehnsprinzip und auf
die römische Tradition. Den →Merowingern folgen als Könige die
→Karolinger (751-911), (nach Konrad I. →Ottonen (919-1024, Heinrich
I. 919-936, Otto I. 936-973, Otto II. 973-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II.
1002-1024), →Salier (1024-1125, Konrad II. 1024-1039, Heinrich III.
1039-1056, Heinrich IV. 1056-1106, Heinrich V. 1106-1125), (nach Lothar von
Supplinburg bzw. Süpplingenburg →Staufer (1138-1254, Konrad III.
1138-1152, Friedrich I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1190-1197, Philipp
von Schwaben 1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 11250-1254) und
nach dem Interregnum (1254-1273) mit geringen Unterbrechungen die →
Habsburger (1273-1806, Rudolf I. 1273-1291, Albrecht I. 1298-1308, Sigmund
1410-1437, Albrecht II. 1438/1439, Friedrich III. 1440-1493 – 1468 mit 320
Begleitern und 396 Pferden nach Rom gereist -, Maximilian I. 1486-1519, Karl V.
1519, Kaiser 1520-1556). Zunehmend gebunden wird dabei der K., der mit Beginn
der Neuzeit auch ohne Mitwirkung des Papstes →Kaiser wird, durch die
→Reichsstände. Von ihnen machen die ihn seit dem 13. Jh. wählenden
→Kurfürsten die Wahl von →Wahlkapitulationen abhängig. Dennoch
setzt sich die nicht durch Erbrecht gesicherte tatsächliche Abfolge der Habsburger
fast gänzlich durch. Seit dem späten 17. Jh. streben im Übrigen auch deutsche
Landesfürsten nach einem Königstitel (Sachsen, Preußen, Hannover), der sich zu
Beginn des 19. Jh.s allgemeiner durchsetzen lässt (Bayern, Württemberg). 1918
bzw. 1945 wird in manchen Staaten Europas das Königtum beseitigt.
Lit.: Söllner §§ 4, 6; Dahn, F., Die Könige der Germanen,
Bd. 1ff. 1861ff.; Krüger, J., Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen
der deutschen Könige in der Zeit von 911 bis 1056, 1911; Becker, F., Das
Königtum der Thronfolger im deutschen Reich des Mittelalters, 1913; Rosenstock,
E., Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen 911 und 1250, 1914; Bloch,
M., Les rois thaumaturges, 1924; Samanek, V., Studien zur Geschichte König
Adolfs, 1930 (SB Wien); Bögl, O., Die Auffassung von Königtum und Staat im
Zeitalter der sächsischen Könige und Kaiser, 1932; Isenburg, W., Prinz v., Die
Ahnen der deutschen Kaiser, Könige und ihrer Gemahlinnen, 1932; Schramm, P.,
Geschichte des englischen Königtums, 1937; Tellenbach, G., Königtum und Stämme,
1939; Schramm, P., Der König von Frankreich, Bd. 1f. 1939; Naumann, H.,
Altdeutsches Volkskönigtum, 1940; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Das Königtum, 1954; Kantorowicz, E., The
king’s two bodies, 1957; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Fleckenstein,
E., Die Hofkapelle der deutschen Könige, 1959; Kahl, H., Europäische Wortschatzbewegungen
im Bereich der Verfassungsgeschichte, ZRG GA 77 (1960), 154; Baaken, G.,
Königtum, Burgen und Königsfreie, (in) Vorträge und Forschungen 6 (1961);
Schmidt, R., Königsumritt und Huldigungen in ottonisch-salischer Zeit, (in)
Vorträge und Forschungen 6 (1961); Das Königtum, 1963; Krause, H., Königtum und
Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis,
1968; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung, 1972; Sawyer, P./Wood, I., Early Medieval
Kingship, 1977; Giese, W., Das Gegenkönigtum des Staufers Konrad 1127-1135, ZRG
GA 95 (1978), 202; Krieger, K., Die Lehnshoheit der deutschen Könige, 1979;
Schubert, E., König und Reich, 1979; Hannig, J., Consensus fidelium, 1982;
Reich und Kirche vor dem Investiturstreit, hg. v. Schmid, K., 1985; Das
spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. v. Schneider, R.,
1987; Krah, A., Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, 1987;
Hlawitschka, E., Stirps regia, 1988 (Aufsätze); Wolf, A., König für einen Tag,
1993; Esders, S., Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997;
Schneider, R., Der rex Romanorum als gubernator oder administrator imperii, ZRG
GA 114 (1997), 296; Krah, A., Die Entstehung der potestas regia im
Westfrankenreich, 2000; Schlick, J., König, Fürsten und Reich 1056-1159, 2001;
Körntgen, L., Königsherrschaft und Gottes Gnade, 2001; See, K. v., Königtum und
Staat im skandinavischen Mittelalter, 2002; Schenk, G., Zeremoniell und
Politik, 2003; Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. v. Schneidmüller,
B./Weinfurter, S., 2003; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im
Mittelalter, Bd. 4 2004; MacLean, S., Kingship and Politics in the Late Ninth
Century, 2004; Erkens, F., Die Herrschersakralität im Mittelalter, 2005;
Jussen, B., Die Macht des Königs, 2005; Rogge, H., Die deutschen Könige im
Mittelalter – Wahl und Krönung, 2006; Deutinger, R., Königsherrschaft im
ostfränkischen Reich, 2006; Schimmelpfennig, B., Könige und Fürsten, Kaiser
und Papst im 12. Jahrhundert, 2. A. 2010; Adventus, hg. v. Johanek, P. u. a.,
2010; Tschacher, W., Königtum als lokale Praxis, 2010; Wagner, W., Die
liturgische Gegenwart des abwesenden Königs, 2010; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter ,Bd. 4 Das Königtum 2011
Königin ist die Frau des Königs, bis zum
20. Jh. selten die Anführerin eines Volkes bzw. das Oberhaupt eines Staates.
Lit.: Kowalski, W., Die deutschen Königinnen und
Kaiserinnen von Konrad III. bis zum Ende des Interregnums, 1913; Die
Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, hg. v. Schütte, B, 1994; Schütte,
B., Untersuchungen zu den Lebensbeschreibungen der Königin Mathilde, 1994; Eickhoff,
E., Theophanu und der König, 1996; Fößel, A., Die Königin im mittelalterlichen
Reich, 2000; Woll, C., Die Königinnen des hochmittelalterlichen Frankreich,
2002; Hartmann, M., Die Königin im frühen Mittelalter, 2008; Königinnen der
Merowinger, hg. v. Wamers, E. u. a., 2012
Königreich ist das Herrschaftsgebiet eines
→Königs.
Lit.: Reynolds, S., Kingdoms and Communities, 1984;
Regna and Gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002
Königsbann ist der dem →König zustehende
→Bann. Er wird im frühen Mittelalter auf 60 Schillinge bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Königsberg am Pregel in Preußen, 1255 eine vom
Deutschen Orden nach König Ottokar II. von Böhmen benannte Burg, ist seit 1544
Sitz einer Universität (→Kant) (bis 1945).
Lit.: Conrad, G., Geschichte der Königsberger
Obergerichte, 1907, 2. A. 2013; Forstreuter, K., Das preußische Staatsarchiv in
Königsberg, 1955; Albinus, R., Lexikon der Stadt Königsberg, 1985; Komorowski,
M., Promotionen an der Universität Königsberg 1548-1799, 1988 (nur 45
juristische Inauguraldissertationen); Neuschäffer, H., „Das Königsberger
Gebiet“, 1991; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rauschning, D.,
1995; Gause, K., Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1ff. z. T. 3. A.
1996; Die Albertus-Universität zu Königsberg, hg. v. Rothe, H. u. a., 1996;
Heckmann, D., Das Wortzinsverzeichnis der Stadt Königsberg-Kneiphof von um
1455, ZRG GA 114 (1997), 318; Vorlesungsverzeichnisse der Universität Königsberg,
hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1998; Lawrynowicz, K., Albertina. hg. v.
Rauschning, D., 1999; Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte, bearb. v.
Hartmann, S., 2002; Manthey, J., Königsberg, 2005; Garber, K., Das alte
Königsberg, 2005; Vercamer, G., Siedlungs-, Sozial- und Verwaltungsgeschichte
der Komturei Königsberg in Preußen, 2010
Königsbote (lat. missus M.
dominicus) ist unter den fränkischen Königen, vor allem unter Karl dem Großen,
ein Beauftragter des Königs, der Verbesserungsbedürftiges verbessern soll.
Meist werden zwei Königsboten für ein Gebiet bestellt, das sie viermal jährlich
bereisen. Am Beginn des 10. Jh.s verschwindet der K.
Lit.: Krause, V., Geschichte des Institutes der missi
dominici, MIÖG 11 (1890), 193; Eckhardt, W., Die Capitularia missorum specialia
von 802, DA 12 (1956), 498; Hannig, H., Zur Funktion der karolingischen missi
dominici, ZRG GA 100 (1984)
Königsfreier ist der dem →König
unterworfene Freie (T. Mayer 1953). Er schuldet dem König Zins. In den Quellen
lässt er sich im 6. bis. 9. Jh. (vereinzelt und wenig genau) fassen. Abzulehnen
ist die Ansicht, jeder Freie im Frühmittelalter sei (K. und deshalb) eigentlich
unfrei.
Lit.: Köbler, DRG 78; Mayer, T., Königtum und
Gemeinfreiheit im frühen Mittelalter, DA 6 (1943), 239; Müller-Mertens, E.,
Karl der Große, Ludwig der Fromme und die Freien, 1963; Tabacco, G., I liberi
del re, 1966; Krause, H., Die liberi der lex Baiuvariorum, FS M. Spindler,
1969, 41; Hunke, H., Germanische Freiheit, Diss. jur. Göttingen 1972; Köbler,
G., Die Freien im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht,
hg. v. Schott, C., 1978, 38
Königsfriede ist der mit dem →König
verbundene →Friede im Mittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Lehmann, K., Der
Königsfriede der Nordgermanen, 1886; Mitteis, H., Der Staat des hohen
Mittelalters, 1940, 11. A. 1987
Königsgastung ist (der Anspruch auf) die
Beherbergung des Königs und seiner Begleitung zu Lasten eines Verpflichteten.
Im Frühmittelalter hat die K. hauptsächlich der Inhaber von Königsgut zu
leisten. Ihr Umfang lässt sich daran ermessen, dass zumindest im Hochmittelalter
der Zug des Königs wohl mehr als 1000 Beteiligte umfasst.
Lit.: Lehmann, K., Die Gastung der germanischen
Könige, 1888; Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Heusinger, B., Servitium
regis in der deutschen Kaiserzeit, AUF 8 (1923), 26; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Göldel, C., Servitium regis, 1997
Königsgericht ist das durch den →König
ausgeübte →Gericht, über das im Frühmittelalter nur bruchstückhafte
Berichte vorliegen. Danach sind Urteiler die Vornehmen und Getreuen, die
vielleicht zusammen mit dem König entscheiden. Im Hochmittelalter ist der
König jedenfalls allgemeiner Richter (mit Reichsfürsten als Urteilern) und
alles Gericht wird ihm ledig, wohin er auch kommt. Er hat ein grundsätzliches,
1356 aber zu Gunsten der Kurfürsten aufgegebenes Evokationsrecht. Allerdings
beschränkt sich tatsächlich schon im 13. Jh. die königliche Gerichtsbarkeit
nur noch auf wenige Gerichte, zu denen in erster Linie das mit ihm ziehende
→Hofgericht zählt. Vielleicht im 14. Jh., in dem mehr als 7400 Nachweise
für Verfahren am Königshof bekannt sind (d. h. knapp 75 je Jahr), entsteht ein
königliches →Kammergericht. 1451 verschwindet das den neuen
Anforderungen nicht mehr entsprechende Hofgericht. 1495 wird das →Reichskammergericht
(der Reichsstände) geschaffen. Neben dieses tritt bald eine Rechtsprechung des
→Reichshofrats. (Schätzungsweise beträgt die Zahl der Quellennachweise
zur Tätigkeit der zentralen Gerichte am deutschen Königshof von 911 bis 1451
rund 14500 (d. h. 27 je Jahr), davon 2000 bis 1272 (d. h. 5,5 je Jahr), 1750
von 1273 bis 1347, 2750 von 1347 bis 1400 und rund 8000 von 1400 bis 1451 d. h.
rund 400 je Jahr).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Barchewitz, V., Das Königsgericht
zur Zeit der Merowinger und Karolinger, 1882; Franklin, O., Das
Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Kaufmann, E.,
Aequitatis iudicium, 1959; Diestelkamp, B., Bericht über das Projekt Sammlung
von Quellen zur Tätigkeit der höchsten Gerichte im alten Reich, ZRG GA 94
(1977), 450; Diestelkamp, B., Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht,
FS A. Erler, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1986, 44; Urkundenregesten der Tätigkeit
des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, Bd. 1ff. 1987ff.; Diestelkamp,
B., Königsferne Regionen und Königsgerichtsbarkeit, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Oestmann, P., Prozesse aus Hansestädten vor dem
Königs- und Hofgericht in der Zeit vor 1400, ZRG GA 128 (2011), 114;
Diestelkamp, B., Vom einstufigen Gericht zur obersten Rechtsmittelinstanz,
2013; Baumbach, H., Königliche Gerichtsbarkeit und Landfriedenssorge im
deutschen Spätmittelalter, 2017
Königsgut ist das dem →König zustehende
(unbewegliche) Gut. Es besteht, weil im Mittelalter eine strenge Scheidung
zwischen Allgemeingut und Privatvermögen noch nicht durchgesetzt ist, aus dem
vom Vorgänger hinterlassenen Gut und dem vom neuen König zusätzlich
eingebrachten Gut. Durch zahlreiche Vergabungen schwindet das K. Vielleicht
(erst) im späteren 13. Jh. wird zwischen Reichsgut und Eigengut deutlicher getrennt.
Lit.: Eggers, A., Der königliche Grundbesitz, 1909;
Stimming, M., Das deutsche Königsgut im 11. und 12. Jahrhundert, 1922; Ranzi,
F., Königsgut und Königsforst, 1939; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Metz, A., Das karolingische
Reichsgut, 1960; Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im
Mittelalter, 1967; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Heinemeyer,
K., Königshöfe und Königsgut im Raum Kassel, 1969; Müller-Kehlen, H., Die
Ardennen im Frühmittelalter, 1973; Schlunk, A., Königsmacht und Krongut, 1988;
Göldel, C., Servitium regis und Tafelgüterverzeichnis, 1997; Kupfer, E., Das
Königsgut im mittelalterlichen Niederösterreich, 2000; Kupfer, E., Krongut,
Grafschaft und Herrschaftsbildung in den südöstlichen Marken und
Herzogtümern, 2009
Königsheil ist das den König umgebende Heil
(Charisma).
Lit.: Wolfram, H., Splendor imperii, 1963
Königshof ist im Mittelalter der den
→König begleitende →Hof (z. B. 320 Menschen mit 396 Pferden als
Begleitung Kaiser Friedrichs III. auf einem Zug nach Rom) sowie der dem König
gehörige landwirtschaftliche Hof.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112;
Stölzel, A., Ein Karolinger Königshof, 1919
Königspfalz ist der (nach dem Vorbild des
römischen Kaiserpalasts auf dem Palatinshügel in Rom im fränkischen Reich vom
König errichtete befestigte Aufenthaltsort (z. B. in Paris, Orléans, Reims,
Worms, Trier, Köln, Mainz, Clichy, Quierzy, Compiègne, Herstal, Aachen,
Ingelheim, Goslar). Da der tägliche Reiseweg des Königs etwa 20-30 km beträgt,
wird in vielen Teilen des Reiches ein darauf abstellendes Netz von
Königspfalzen eingerichtet. Durch sie ist es dem König möglich, sein Reich im
Umherziehen zu beherrschen. Mit dem Übergang zur Hausmachtpolitik nach 1273
erübrigen sich Königspfalzen weitgehend.
Lit.: Die deutschen Königspfalzen, hg. v.
Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.
Königsschutz ist der im Frühmittelalter aus
Privilegien bekannte Schutz des Königs für einzelne Menschen oder Gruppen von
Menschen (z. B. Kleriker, Kaufleute, Juden, Witwen, Waisen, Klöster). Die
meisten dieser Gruppen werden im Hochmittelalter durch →Landfrieden
geschützt.
Lit.: Halban-Blumenstok, A., Königsschutz und Fehde,
ZRG GA 17 (1896), 63; Heidrich, J., Die Verbindung von Schutz und Immunität,
ZRG GA 90 (1973), 10
Königsurkunde ist die vom mittelalterlichen
→König ausgestellte →Urkunde im Gegensatz vor allem zur
Privaturkunde. Sie kann nicht als falsch gescholten werden. Bei zwei sich
widersprechenden Königsurkunden ist bis in das 12. Jh. die ältere gültig. Seit
dem 10. Jh. finden sich vermehrt Zeugen in der K.
Lit.: Köbler, DRG 81, 105; Erben, W., Die Kaiser- und
Königsurkunden des Mittelalters, 1907, Neudruck 1970; Classen, P.,
Kaiserreskript und Königsurkunde, 1977; Hägermann, D., Studien zum
Urkundenwesen Wilhelms von Holland, 1977; Fees, I., Abbildungsverzeichnis der
original überlieferten fränkischen und deutschen Königs- und Kaiserurkunden
von den Merowingern bis zu Heinrich VI., 1994; Brühl, C., Studien zu den
merowingischen Königsurkunden, 1998
Königswahl ist die Wahl des Königs. Sie
bedeutet vielfach nur eine Auswahl innerhalb eines mit →Königsheil
begabten Geschlechts. Anfangs sind die Wähler Große des Reiches ohne feste
Abgrenzung. Im 13. Jh. sondern sich im deutschen Reich aus nicht genau
bekanntem Grund (zeitgenössisch nie erwähnte Herkunft aus ottonischem
Tochterstamm?, Träger eines Hofamts?) die (sieben) →Kurfürsten aus.
Einzelheiten des Wahlverfahrens werden immer genauer festgelegt. Im 14. Jh.
setzt sich dabei das Mehrheitsprinzip durch.
Lit.: Schröder, R., Zur Geschichte der deutschen
Königswahl, ZRG GA 2 (1881), 200; Lindner, T., Die deutschen Königswahlen und
die Entstehung des Kurfürstentums, 1893; Wretschko, A. v., Der Einfluss der
fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen, ZRG GA 20 (1899), 164; Lindner,
T., Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899; Mayer, E., Zu den
germanischen Königswahlen, ZRG GA 23 (1902), 1; Krammer, M., Wahl und
Einsetzung des deutschen Königs, 1905; Hugelmann, K., Die deutsche Königswahl
im corpus iuris canonici, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und die
deutsche Königswahl, 1910; Bloch, H., Die staufischen Kaiserwahlen und die
Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck 1972; Buchner, M., Die
deutschen Königswahlen, 1913, Neudruck 1971; Hugelmann, K., Die Wahl Konrads
IV., 1914; Neumann, W., Die deutschen Königswahlen, 1921; Stutz, U., Zur
Geschichte des deutschen Königswahlrechtes im Mittelalter, ZRG GA 44 (1924),
263; Stutz, U., Neue Forschungen zur Geschichte des deutschen
Königswahlrechtes, ZRG GA 47 (1927), 646; Oppermann, O., Der fränkische
Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen, 1929; Lies, R., Die Wahl
Wenzels zum römischen Könige, 1931; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938,
2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Lintzel, M., Zu den deutschen Königswahlen der
Ottonenzeit, ZRG GA 66 (1948), 46; Schlesinger, W., Die Anfänge der deutschen
Königswahl, ZRG GA 66 (1948), 381; Mitteis, H., Die Krise des deutschen
Königswahlrechts 1951 (SB München); Höfler, O., Germanisches Sakralkönigtum,
1952; Krause, H., Königtum und Rechtsordnung in der Zeit der sächsischen und
salischen Herrscher, ZRG GA 82 (1965), 1; Die deutsche Königswahl, eingeleitet
v. Schimmelpfennig, B., 1968; Königswahl und Thronfolge in
ottonisch-frühdeutscher Zeit, hg. v. Hlawitschka, E., 1971; Schneider, R.,
Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter, 1972; Reinhard, U.,
Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den Königswahlen, 1975;
Königswahl und Thronfolge in fränkisch-karolingischer Zeit, hg. v. Hlawitschka,
E., 1975; Reinhardt, U., Untersuchungen zur Stellung der Geistlichkeit bei den
Königswahlen, 1975; Hlawitschka, E., Untersuchungen zu den Thronwechseln der
ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zur Adelsgeschichte Süddeutschlands,
1987; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge im 12. Jahrhundert, 1987; Wolf,
A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291) König werden?, ZRG GA 109 (1992),
48; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Wolf, A.,
Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998), 150; Weisert, H., Zur Dauer der Königswahlen bis zu
den Krönungen, ZRG GA 115 (1998), 598; Lenz, M., Konsens und
Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349), 2002; Landau, P., Eike von Repgow und
die Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18; Büttner, A., Der Weg
zur Krone, 2012; Wolf, A., Wie kamen die Kurfürsten zu ihrem Königswahlrecht?
ZRG GA 129 (2012), 340; Wolf, A., Verwandtschaft - Erbrecht - Königswahlen,
2013 (gesammelte Aufsätze)
Königszins ist ein an den →König zu
entrichtender →Zins im Mittelalter. Er beruht auf unterschiedlichen
Gründen. Erstmals erscheint er vielleicht 724.
Lit.: Minnigerode, H. Frhr. v., Königszins, 1927;
Gallmeister, E., Königszins und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen
1946 masch.schr.; Sprandel, R., Grundherrlicher Adel, rechtsständische
Freiheit und Königszins, DA 19 (1963), 1
Königtum →König
Lit.: Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft im 10.
und 11. Jahrhundert, 1993, 3. A. 2010; Das frühmittelalterliche Königtum, hg.
v. Erkens, F., 2005
Konklave
Lit.: Wolf, H., Konklave – Die Geheimnisse der
Papstwahl, 2017
Konkordat (1418 lat. capitula [N.Pl.]
concordata) ist im katholischen Kirchenrecht ein völkerrechtlicher Vertrag
zwischen der Kirche (bzw. dem Heiligen Stuhl) und einem Staat zur Regelung
einer kirchenpolitischen Angelegenheit. Als erstes K. gilt das Wormser K. vom
23. 9. 1122, das den →Investiturstreit (vorläufig) beendet. Danach
erscheinen Konkordate mit England (1213/1215), Portugal (1238) und anderen
Ländern. Für das Reich ist besonders bedeutsam das bis 1803 wirksame Wiener K.
vom 17. 2. 1448. Seit dem 19. Jh. versucht der Staat die Kirche seiner Aufsicht
zu unterstellen (z. B. Napoleonisches K. 15. 7. 1801/8. 4. 1802). Österreich
vereinbart am 18. 8. 1855 ein in weiten Teilen kaum umgesetztes, 1870 von ihm
gekündigtes und 1874 außer Kraft gesetztes K., das Deutsche Reich (Dritte
Reich) am 20. 7. 1933, Österreich am 5. 6. 1933 (am 1. 5. 1934 mit der
Maiverfassung verkündet, 1957 als gültig erklärt).
Lit.: Köbler, DRG 205; Münch, E., Vollständige
Sammlung aller älteren und neueren Konkordate, Teil 1f. 1830f.; Bernheim, E.,
Das Wormser K., 1906, Neudruck 1970; Bertrams, W., Der neuzeitliche
Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters, 2. A. 1950;
Raab, H., Die concordata nationis Germanicae, 1956; Weber, W., Die deutschen
Konkordate, Bd. 1f. 1962ff.; Hollerbach, A., Verträge zwischen Staat und Kirche
in der Bundesrepublik Deutschland, 1965; Weber, H., Staatskirchenverträge,
1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Volk, L., Das
Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, 1972
Konkubinat ist die auf längere Zeit
abgestellte außereheliche Geschlechtsgemeinschaft. Der K. gewinnt im
klassischen römischen Recht als Folge der Eheverbote des Princeps Augustus (44
v. Chr.-14 n. Chr.) an Bedeutung. Da er christlichen Vorstellungen
widerspricht, wird er von der Kirche bekämpft. Von 21 sicher nachweisbaren
königlichen Konkubinen des Frühmittelalters sind 6 (lat.) nobilis (adelig) und
nur eine oder zwei sicher unfrei. 1530 wird der K. förmlich verboten. Im
letzten Drittel des 20. Jh.s setzt sich die →nichteheliche
Lebensgemeinschaft durch.
Lit.: Kaser §§ 58 VIII, 61 II; Hübner; Köbler, DRG 37,
58, 161; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder nach kanonischem Recht,
1971; Ebel, E., Der Konkubinat nach altwestnordischen Quellen, 1993; Friedl,
R., Der Konkubinat im kaiserzeitlichen Rom, 1996; Esmyol, A., Geliebte oder
Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter, 2002
Konkurrenz ist allgemein der Wettbewerb. Im
Recht können Ansprüche oder Straftatbestände miteinander konkurrieren.
Systematisch befasst sich mit dieser Frage erst die neuzeitliche
(strafrechtliche) Rechtswissenschaft ([nach Carpzov 1635] Koch 1758, 5. A.
1779). Sie unterscheidet Idealkonkurrenz und Realkonkurrenz bzw. Handlungseinheit
und Handlungsmehrheit, doch werden die seit dem Strafgesetzbuch Bayerns von
1813 gesetzlich festgelegten sehr unterschiedlichen Folgen rechtstatsächlich
vielfach gemildert.
Lit.: Köbler, DRG 204; Koch, J., Institutiones iuris
criminalis, 1758, 3. A. 1770, 9. A. 1791; Rotteck, H. v., Über Concurrenz der
Verbrechen, 1840; Schreuer, H., Die Behandlung der Verbrechenskonkurrenz in
den Volksrechten, 1896; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961;
Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973;
Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz im römischen Recht, 1972; Lang, B., Die
Idealkonkurrenz als Missverständnis, 2008
Konkurs (1571, lat. concursus M.
creditorum, Zusammenlauf der Gläubiger, nach 1646) ist das Verfahren zur
gleichzeitigen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger eines Schuldners
aus dessen Vermögen. Bereits im spätantiken römischen Recht wird das Vermögen
eines Schuldners in seiner Gesamtheit bei Überschuldung gegenüber mehreren
Gläubigern in einer Gesamtvollstreckung verwertet. Im Mittelalter gilt
demgegenüber zunächst der Grundsatz der Priorität der jeweiligen Einzelvollstreckung.
Seit dem Ende des 13. Jh.s findet sich vielleicht unter oberitalienischem
Einfluss in den Hansestädten zunächst bei Tod oder Flucht des Schuldners der
Gedanke der quotenmäßigen Aufteilung des verbleibenden Vermögens auf mehrere
Gläubiger. Für Augsburg ist ermittelt, dass es ein eigenes abschließendes
Konkursrecht nicht gegeben hat, sondern das frühnzeitliche Konkursrecht
Augsburgs letztlich eine Weiterentwicklung des gemeinen Rechtes unter
Berücksichtigung der regionalen Erfahrungen und Besonderheiten ist. Im 17. Jh.
werden die römisch-oberitalienischen Ansätze (bahnbrechend der königliche Rat
in Valladolid/Spanien Salgado de Samoza, (lat.) Labyrinthus creditorum
concurrentium ad litem per debitorem communem inter illos causatum, 1646) von
der europäischen Rechtswissenschaft vertieft. Das gemeinrechtliche
Konkursverfahren ist ein Erkenntnisprozessverfahren mit einem langwierigen
Liquidations- und Prioritätsverfahren unter Beteiligung eines Verwalters und
meist eines die Gläubiger und deren Rechte feststellenden (lat. [M.])
contradictor, das jeweils durch ein Urteil abgeschlossen wird. Es wird vielfach
gesetzlich geregelt (Preußen Landrecht 1685, Landrecht 1721, Hypotheken- und
Konkursordnung 1722, Project des Codicis Fridericiani Marchici 1748, Corpus
Juris Fridericianum 1781, Allgemeine Gerichtsordnung 1793/1795, französischrechtlich
orientierte Konkursordnung 1855, Bayern Codex Juris Bavarici Judiciarii 1753,
französischrechtlich orientierte Zivilprozessordnung 1869, Österreich 1781,
Westgalizien 1796, Württemberg 1818, 1869, Braunschweig 1850, Hannover 1850).
Der Code de commerce (Frankreich 1807) und das Fallimentgesetz (1838)
beschränken den K. auf Kaufleute und stärken die Stellung der Gläubiger. Ihnen
folgen Preußen (1855, Abwicklungsverfahren unter staatlicher Lenkung, bei dem
im Vorverfahren nur noch eine summarische Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen
erfolgt, Schuldner, Gläubiger und Verwalter nicht mehr kontradiktorisch
verhandeln und die Liquidation als Prozess abgeschafft ist), Baden (1864),
Deutsches Reich (1877/1879 bzw. 1898 mit starker Stellung des Richters zwecks
Wahrheitsermittlung) und Österreich (1869 bzw. 1914). Am Ende des 20. Jh.s
(Deutschland 1994 zum 1. 1. 1999) wird der Privatkonkurs zugelassen, die
Vernichtung wirtschaftlicher Werte eingeschränkt, die interessengerechte
Abwicklung zwecks Marktbereinigung angestrebt und dabei das Konkursrecht in
das allgemeinere Insolvenzrecht (Insolvenzordnung) überführt.
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 III; Söllner § 8; Köbler, DRG
56, 116, 156, 183, 202; Endemann, W., Die Entwicklung des Konkursverfahrens, Z.
f. dt. Civilprozess 12 (1888), 24; Kohler, J., Lehrbuch des Konkursrechts,
1891; Deutsches Konkursprozessrecht, hg. v. Seuffert, L. u. a., 1899, Neudruck
2013; Hellmann, F., Das Konkursrecht der Reichsstadt Augsburg, 1905; Skedl, A.,
Die Grundlage des österreichischen Konkursrechts, FS L. v. Bar, 1908, 5;
Hellmann, F., Zur Geschichte des Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909;
Skedl, A., Die Grundlagen des österreichischen Konkursrechtes, FS Adolf Wach,
1913; Fliniaux, A., La faillite des Ammanti de Pistoie, Revue historique de
droit français et étranger 4, 3 (1924), 436; Urfus, V., (Entstehung und Anfänge
des Konkursrechts in Böhmen), 1960 (mit deutscher Zusammenfassung); Santarelli,
U., Per la storia del fallimento, 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,856; Wesener, G., Zur Entwicklung des Konkursrechtes, FS H. Baltl,
1978, 535; Zambrana Moral, P., Derecho concursal histórico I, 2001; Zambrana
Moral, P., Iniciación histórica al derecho concursal, 2001; Meier, A., Die
Geschichte des deutschen Konkursrechts, 2003; Hofer, S., So haben wir zu
Beförderung des Credits …, ZNR 26 (2004), 177; Vollmershausen, C., Vom
Konkursprozess zum Marktbereinigungsverfahren, 2007; Ausschüsse für Vergleichs-
und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Forster, W., Konkurs als
Verfahren, 2009; Danckelmann, V. v., Aus- und Absonderung im deutschen
Konkursrecht, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Zech, H., Die soziale Frage im Konkursrecht, 2012; Birnbaum, S.,
Konkursrecht in der frühen Augsburger Neuzeit, 2014; Falk, U., Die Konkursübel,
ZRG GA 131 (2014), 266; Jilek, C., Priorität im bayerischen Konkurs seit der
frühen Neuzeit, 2015; Alles, M., Haftung des Konkursverwalters, 2016
Konkursordnung →Konkurs
Konrad III. (1138-1152) deutscher König aus der Familie
der Staufer
Lit.: Die Regesten des deutschen Kaiserreiches unter Lothar III. und
Konrad II., 2. A., bearb. v. Niederkorn, J. u. a., 2008; Ziegler, W., König
Konrad III. (1138-1152), 2008; Konrad III., red. v. Ruess, K., 2011
Konrad von Gelnhausen (Gelnhausen um 1320-Heidelberg 13.
4. 1390) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem Kirchenrechtsstudium
in Bologna Professor in Paris und 1386 Mitbegründer und Kanzler der Universität
Heidelberg.
Lit.: Wenck, K., Konrad von Gelnhausen, HZ 76 (1896),
6
Konrad von Megenberg →Megenberg
Konradiner ist der Angehörige eines vom
Lahngau bis Thüringen vom 8. bis 11. Jh. bedeutsamen Grafengeschlechts.
Lit.: Jackman, D., The Konradiner, 1990; Hlawitschka,
E., Der Thronwechsel des Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993),
149; Wolf, A., Quasi hereditatem inter filios, ZRG GA 112 (1995), 64; Jackman,
D., Criticism and Critique. Sidelights on the Konradiner, 1997; Hlawitschka,
E., Konradiner Genealogie, unstatthafte Verwandtenehen und
spätottonisch-frühsalische Thronbesetzungspraxis, 2003; Fried, J., Konradiner
und kein Ende, ZRG GA 123 (2006), 1
Konsens ist die Willensübereinstimmung. Der
K. begründet im klassischen römischen Recht den Konsensualkontrakt (Konsensualvertrag
wie Kauf, Miete, Dienstvertrag, Werkvertrag, Gesellschaft und Auftrag). Seit
dem frühen Mittelalter vertritt die Kirche die Ansicht, dass auch die Ehe durch
K. zustande kommt. In der frühen Neuzeit werden die Voraussetzungen eines
Konsenses genauer festgelegt (verbindlich, gegenseitig, wahr, vollkommen und
ausdrücklich erklärt). Die Willensübereinstimmung wird zum Kern jedes Vertrags
und jeder Einigung.
Lit.: Kaser § 38; Söllner §§ 9, 12, 18; Hübner;
Köbler, DRG 45, 164; Opet, O., Brauttradition und Konsensgespräch in
mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Marongiu, A., Il principio della
democrazia e del consenso, Studia Gratiana 8 1962, 551; Benöhr, H., Das
sogenannte Synallagma in den Konsensualkontrakten, 1965; Huber, J., Der
Ehekonsens im römischen Recht, 1977; Konsens und Konflikt, hg. v. Randelzhofer,
A. u. a., 1986; Recht und Konsens im frühen Mittelalter, hg. v. Epp, V. u. a.,
2017
Konsensualkontrakt (M.) Konsensualvertrag
→Konsens
Konsensualvertrag (nur den Konsens voraussetzender Vertrag) →Konsens
konservativ (bewahrend)
Konservativismus ist die auf das Bewahren des
Hergebrachten ausgerichtete menschliche Haltung, die sich daraus ergibt, dass
von einem oder mehreren Menschen (liberale, soziale oder sonstige)
Veränderungen angestrebt werden. Seit dem ausgehenden 18. bzw. dem 19. Jh. will
der K. als Gegenbewegung zur →französischen Revolution von 1789 Staat,
Gesellschaft und Kultur in der bisherigen Weise fortführen bzw. sich zeitweise
nur gegen ungestümes Vorwärtsdrängen wehren. Der entschiedenste Vertreter der
vor allem von Adel, Bauern, Beamten und Kirche geteilten Auffassung ist Karl
Ludwig von Haller (1768-1854). Politisch als Partei organisiert sich der K.
kurz vor 1848 (1835-1845 Gerlach, Leo, Stahl). Konservative Parteien des 20.
Jh.s sind etwa Zentrum, Konservative Partei, Democrazia Cristiana,
Österreichische Volkspartei, Christlich-Demokratische Union, Gaullisten u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 531; Mohler, A., Die konservative Revolution in
Deutschland 1918-1932, 1950, 6. A. 2005; Schwentker, W., Konservative Vereine
und Revolution in Preußen 1848/49; Die Konstitutierung des Konservativismus als
Partei, 1988; Ribhegge, W., Konservative Politik in Deutschland, 1989; Dittmer,
L., Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Conservatism, hg. v.
Müller, J., 1997; Schildt, A., Konservatismus in Deutschland, 1998; Konservativismus,
hg. v. Heidenreich, B., 1999; Stand und Probleme der Erforschung des
Konservativismus, hg. v. Schrenck-Notzing, C. v., 2000; Breuer, S., Ordnungen
der Ungleichheit, 2001; Nitschke, W., Adolf Heinrich v. Arnim-Boitzenburg
(1803-1868), 2004; Müller, J., Konservativismus, 2007; Zrenner, P., Die
konservativen Parteien und die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2008;
Heinsohn, K., Konservative Parteien in Deutschland 1912 bis 1933, 2009;
Terhalle, M., Deutschnational in Weimar, 2009; Albrecht, H., Antiliberalismus
und Antisemitismus, 2010; Konservative deutsche Politiker im 19. Jahrhundert,
hg. v. Grothe, E., 2010; Weiß, V., Moderne Antimoderne – Arthur Moeller van den
Bruck, 2012; Waldmann, P., Der konservative IImpuls – Wandel als
Verlusterfahrung, 2017; Jones, E., Edmund Burke and the Invention of Modern
Conservatism 1830-1914, 2017
Konsiliator ist der Gutachten verfassende
Jurist des 14. und 15. Jh.s (Postglossator, Kommentator, z. B. →Bartolus,
→Baldus). Auch nach dieser Zeit werden einzelne Juristen und juristische
Fakultäten vielfach gutachterlich tätig (→Aktenversendung). Die Eigenart
der gutachterlichen Tätigkeit besteht in der begründeten Anwendung des
allgemeinen Rechtssatzes auf den besonderen Einzelfall. Die Konsilien sind
teilweise in gedruckten Sammlungen veröffentlicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Lipenius,
M., Bibliotheca realis iuridica, Bd. 1ff. 1757ff. (6 Teile, erfasst [1630-1692]
ursprünglich 20000, später insgesamt mehr als 100000 Titel aus mehr als 350
Jahren bis 1830, auch durch Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte nicht ersetzt); Kunkel, W., Das Wesen des
ius respondendi, ZRG RA 66 (1948), 423; Pfister, A., Konsilien der Basler
Juristenfakultät, 1929; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967, §§ 9, 10; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2 1 1975; Horn, N.,
Consilia, 1970; Scholz, J., Spanische Rechtssprechungs- und Konsiliensammlungen,
Ius commune 3 (1970), 98; Gehrke, H., Die privatrechtliche Entscheidungsliteratur
Deutschlands, 1974; Falk, U., Consilia, 2006
Konsistorium ist in der römischen Spätantike der
Rat des Kaisers, seit dem Mittelalter die Versammlung der Kardinäle, in der
Neuzeit eine protestantische Kirchenbehörde (Wittenberg 1539). Seit 1918 wird
das protestantische K. zum Landeskirchenamt.
Lit.: Krusch, B., Die Entwicklung der herzoglich
braunschweigischen Centralbehörden, Z. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1893,
201; Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Robinson, S., The Papacy, 1990
Konskription ist die listenmäßige Erfassung
zwecks Heranziehung zu kriegerischen Diensten. Sie wird auf der Grundlage
römischer Ansätze durch Gesetz vom 5. 9. 1798 in Frankreich aufgegriffen und
danach auch in den deutschen Staaten angewendet. Dort war schon seit dem Beginn
des 17. Jh.s das Söldnerheer allmählich durch die Wehrpflicht ersetzt worden
(Preußen 1733, Österreich 1771).
Lit.: Handbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd.
2f. 1964ff.
Konstantin (der Große) (Naissus 27. 2.
280-Nikomedia Pfingsten 337) ist der römische Kaiser (306), der 330 in
Konstantinopel (ab 425 Rechtsunterricht, Philosophie, Rhetorik, spätere Namen
Byzanz, Istanbul) eine neue Reichshauptstadt errichtet, das Christentum
(vielleicht aus kühler Überlegung?) anerkennt (313) und das Recht in mancherlei
Einzelheiten ändert (Zeugen beim Grundstückskauf, Beurkundung der Grundstücksschenkung,
Pflichtteil, Verbot der Verfallsabrede).
Lit.: Söllner § 19; Konstantin der Große, hg. v.
Kraft, H., 1979; Clauss, M., Konstantin der Große, 1996; Odahl, C., Constantine
and the Christian Empire, 2004; Heinze, T., Konstantin der Große, 2005;
Schmitt, O., Constantin der Große, 2006; Herrmann-Otto, E., Konstantin der
Große, 2007, 2. A. 2009; Konstantin und das Christentum, hg. v.
Schlange-Schöningen, H., 2007; Kaiser Konstantin der Große, hg. v. Girardet,
K., 2007; Piepenbrink, K., Konstantin der Große und seine Zeit, 2. A. 2007, 3.
A. 2010; Eusebius von Caesarea, De Vita Constantini, hg. v. Bleckmann, B.,
2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u. a., 2008; Roesen, K.,
Konstantin der Große, 2013; Wallraff, M., Sonnenkönig der Antike, 2013
Konstantinische Schenkung ist die auf →Konstantin den
Großen (306-337) gefälschte Urkunde des 8./9. Jh.s, in der Konstantin angeblich
Papst Silvester I. Rom und das weströmische Reich überträgt und den Vorrang der
römischen Kirche festlegt. Die Urkunde wird bereits 1001 als Fälschung
angezweifelt und im 15. Jh. (Lorenzo Valla) als Fälschung erwiesen.
Geschichtlich gesichert ist nur die Gabe des (lat. F.)
domus Faustae an den Bischof von Rom.
Lit.: Köbler, DRG 77; Ohnsorge, W., Die
konstantinische Schenkung, Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen
Kaiseridee, ZRG GA 68 (1951), 78; Fuhrmann, H., Konstantinische Schenkung und
abendländisches Kaisertum, DA 22 (1966), 63; Constitutum Constantini, hg. v.
Fuhrmann, H., 1968 (MGH); Maffei, D., La donazione di Constantino, 1969; Fälschungen
im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., 1988; Fried, J., Donation of Constantine
and Constitutum Constantini, 2007; Konstantin der Große, hg. v. Goltz, A. u.
a., 2008
Konstantinopel →Konstantin
Lit.: Asutay-Effenberger, N., Die Landmauer von
Konstaninopel, 2007; Schreiner, P., Konstantinopel, 2007; Crowley, R.,
Konstantinopel 1453, 2009; Devereaux, R., Constantinople and the West in
Medievl French Literature, 2012
Konstanz ist der auf einem vermutlich nach
300 eingerichteten römischen Kastell am Bodensee beruhende Ort. K. wird (in der
Tradition einer spätantiken Militärsiedlung) zwischen 550 und 590 Bischofsitz.
1237 heißt es Reichsstadt. Von 1414 bis 1418 tagt dort das 16. allgemeine
Konzil. 1966 erhält K. eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Beyerle, K., Die
Konstanzer Ratslisten, 1898; Konstanzer Häuserbuch, bearb. v. Beyerle,
K./Maurer, A., 1908; Beyerle, K., Grundeigentumsverhältnisse und Bürgerrecht im
mittelalterlichen Konstanz – Das Salmannenrecht, 1900; Isele, E., Die Säkularisation
des Bistums Konstanz, 1933; Feger, O., Das älteste Urbar des Bistums Konstanz,
1943; Das rote Buch, hg. v. Feger, O., 1945; Bader, K., Eine wieder
aufgefundene Quelle zum Konstanzer Stadtrecht des 14. und 15. Jahrhunderts, ZRG
GA 71 (1954), 382; Kimmig, H./Rüster, P., Das Konstanzer Kaufhaus, 1954;
Meisel, P., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Konstanz, 1955; Feger, O.,
Vom Richtebrief zum roten Buch, 1955; Rexroth, K., Die Entstehung der
städtischen Kanzlei in Konstanz, 1960; Feger, O./Rüster, P., Das Konstanzer
Wirtschafts- und Gewerberecht zur Zeit der Reformation, 1961; Eisenmann, H.,
Konstanzer Institutionen des Familien- und Erbrechts von 1370 bis 1521, 1964;
Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979; Kühne, K., Das Kriminalverfahren und der
Strafvollzug in der Stadt Konstanz, 1979; Bechtold, K., Zunftbürgerschaft und
Patriziat, 1981; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988;
Baur, P., Testament und Bürgerschaft, 1989; Maurer, H., Konstanz im
Mittelalter, Bd. 1f. 1989; Brandmüller, W., Das Konzil von Konstanz, 1991;
Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995; Burkhardt, M., Konstanz im 18.
Jahrhundert, 1997; Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Die Konstanzer
Bischöfe vom Ende des 6. Jahrhunderts bis 1206, bearb. v. Maurer, H., 2003;
Seuffert, R., Konstanz, 2003, 2. A. 2013; Bihrer, A., Der Konstanzer
Bischofshof im 14. Jahrhundert, 2005; Crivellari, F. u. a., Vom Kaiser zum
Großherzog, 2006; Immenhauser, B., Bildungswege –Lebenswege, 2007; Der
Konstanzer Domschtaz, hg. v. Prange, M., 2012; Frenken, A., Das Konstanzer
Konzil (1414-1418), 2013; Das Konstanzer Konzil, hg. v. Braun, K. u. a., 2013;
Augenzeuge des Konstanzer Konzils – Die Chronik des Ulrich Richental, übers. v.
Kühle, M. u. a., 2014; Rügert, W., Konstanz zur Zeit des Konzils, 2014; Rolker,
C., Das Spiel der Namen, 2014 Petersohn, J., Reichsrecht versus Kirchenrecht,
2015; Buck, T., Das Konzil von Konstanz, HZ 201 (2016), 703; Eckhart, P.,
Ursprung und Gegenwart – Geschichtsschreibung in der Bischofsstadt, 2016
Konstitution (lat. F.
→constitutio) ist die Festsetzung. Im römischen (und auch
mittelalterlichen) Recht ist damit das (kaiserliche) Gesetz (im Altertum
edictum Erlass, decretum Entscheidung, rescriptum Antwort) gemeint, seit dem
ausgehenden 18. Jh. (Vattel, E. v. Völkerrecht 1758 Ordnung, nach der eine
Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten
zu wollen, deretwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist) die Verfassung
(→Polen, →Vereinigte Staaten von Amerika).
Lit.: Söllner §§ 15, 19, 22, 23; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 32 I, II; Köbler, DRG 31, 52; Schletter, H., Die Konstitutionen Kurfürst
Augusts von Sachsen, 1857; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in
Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988, 42; Wegelin, P., Die bayerische
Konstitution von 1808, 1958; Dilcher, H., Die sizilianische Gesetzgebung Kaiser
Friedrichs II., 1975; Kleinheyer, G., Aspekte der Gleichheit, Der Staat Beiheft
4 1980, 7; Kaiser, W., Authentizität und Geltung spätantiker Kaisergesetze,
2007
Konstitutionalismus ist die europaweit in
unterschiedlicher Einzelform erkennbare politische Gestaltung, bei der das
Staatsoberhaupt durch eine (formelle, anfangs oktroyierte, später vom Volk
mitbestimmte) Verfassung (→Konstitution) beschränkt ist (z. B. Entwürfe
am Ende des 18. Jh.s [Mainz 1792], konstitutionelle Monarchie vor allem im 19.
Jh., z. B. Spanien Cortes-Verfassung von Cádiz 1812, Frankreich charte
constitutionelle 1814, Nassau 1814, Baden, Bayern 1818, Württemberg 1819,
Hessen-Darmstadt 1820, Belgien 1831 u.
s. w.). Die Gesetzgebung wird zwischen Staatsoberhaupt und Volk geteilt. Die
Ausführung der Gesetze verbleibt dem Staatsoberhaupt, das die Regierung
ernennt. Unabhängige Richter sprechen Recht in seinem Namen. Das Volk ist noch
nicht der Souverän.
Lit.: Aretin, C. v./Rotteck, C. v., Staatsrecht der
konstitutionellen Monarchie, Bd. 1f. 1824ff.; Pfeffer, W., Die Verfassung der
Rheinbundstaaten, 1960; Rimscha, W. v., Die Grundrechte im süddeutschen
Konstitutionalismus, 1973; Kohler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973;
Probleme des Konstitutionalismus, hg. v. Böckenförde, E., 1975; Aretin, K.
Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Floßmann, U.,
Eigentumsbegriff und Bodenordnung, 1976; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für
das Parlament in der konstitutionellen Monarchie, 1977; Dilcher, G., Zum
Verhältnis von Verfassung und Verfassungstheorie im frühen Konstitutionalismus,
Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 65; Press, V., Landtage im alten Reich und
im Deutschen Bund, Z. f. württemberg. LG. 39 (1980), 100; Wahl, R., Rechtliche
Wirkungen und Funktionen der Grundrechte, Der Staat 20 (1981), 321; Ris, G.,
Der kirchliche „Konstitutionalismus“, 1988; Die Anfänge des Frühkonstitutionalismus,
hg. v. Dippel, H., 1991; Peters, W., Späte Reichspublizistik und
Frühkonstitutionalismus, 1993; Würtenberger, T., Der Konstitutionalismus des
Vormärz. Der Staat, 1998, 166; Herz, D., Die wohlerwogene Republik, 1999;
Kirsch, M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Denken und Umsetzung
des Konstitutionalismus, hg. v. Kirsch, M. u. a., 1999; Der Verfassungsstaat
vor der Herausforderung der Massengesellschaft, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2002;
Schulze, C., Frühkonstitutionalismus in Deutschland, 2002; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Konstitutionalismus
und Verfassungskonflikt, hg. v. Müßig, U., 2006; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Schmidt, R., Verfassungskultur und
Verfassungssoziologie, 2012
Konstitutionelle Monarchie ist die durch eine Verfassung
(→Konstitution) beschränkte →Monarchie. Vorbild der konstitutionellen
Monarchie ist seit der Glorious Revolution von 1689 →England. In
→Frankreich werden 1814 die Rechte des Monarchen durch Regelmäßigkeit der
Tagungen des Parlaments, Budgetrecht und Ministerverantwortlichkeit
eingeschränkt. Teils behält in der Folge der Herrscher alle Rechte, die er
nicht ausdrücklich der Volksvertretung gibt, teils hat er nur die Rechte, die
ihm ausdrücklich gewährt werden. Seit 1918 wird in Europa die k. M. durch die
Republik oder durch die parlamentarische Monarchie ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 193; Hartung, F., Die Entwicklung
der konstitutionellen Monarchie in Europa, (in) Hartung, F., Volk und Staat in
der deutschen Geschichte, 1940, 183; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder
parlamentarische Demokratie, HZ 216 (1973), 553; Greve, F., Die
Ministerverantwortlichkeit im konstitutionellen Staat, 1977; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, §§ 28, 29, 31, 32, 37
Konstitutionen von Melfi ist das von Friedrich II. im
September 1231 für das Königreich Sizilien erlassene Gesetz (seit dem 19. Jh.
lat. liber [M.] augustalis). Es beruht auf römischem, byzantinischem, langobardischem,
normannischem, fränkischem, arabischem sowie kirchlichem Recht und gliedert
sich in drei Bücher mit 74, 49 und 81 Konstitutionen (später insgesamt 253 bzw.
291), von denen knapp 80 Regeln auf älteren Bestimmungen (Rogers II., Wilhelms
II. und Friedrichs II.) beruhen und nur etwa ein Fünftel völlig neu geschaffen
wird. Inhaltlich werden besonders das Verfahrensrecht, das Staatsorganisationsrecht
und das Strafrecht erfasst. Die K. haben bis in die erste Hälfte des 19.
Jahrhunderts Bedeutung.
Lit.: Constitutiones regni Siciliae, 1475, Neudruck
1973; Die Konstitutionen Friedrichs II., hg. v. Conrad, A. u. a., 1973; Buyken,
T., Die Constitutionen von Melfi und das jus Francorum, 1973; Dilcher, H., Die
sizilianische Gesetzgebung Kaiser Friedrichs II., 1975; Il Liber Augustalis,
hg. v. Trompetti Budriesi, A., 1987; Martino, F., Federico II, 1988; Die
Konstitutionen Friedrichs II. für das Königreich Sizilien, hg. v. Stürner, W.,
1996
Konstruktionsjurisprudenz ist die durch wissenschaftliche Konstruktion
Recht gewinnende, vor allem romanistische, aber auch germanistische und
staatsrechtliche Jurisprudenz des 19. Jh.s. →Begriffsjurisprudenz
konstitutiv (begründend)
konstruktiv (aufbauend)
Konstruktives Misstrauensvotum ist die Bestimmung der
Verfassungen Württemberg-Badens (1947), Württemberg-Hohenzollerns,
Nordrhein-Westfalens und des deutschen Grundgesetzes (1949), nach der das Parlament
bzw. der Bundestag einem Ministerpräsidenten bzw. Bundeskanzler nur dann das
Misstrauen aussprechen kann, wenn er gleichzeitig mit Mehrheit einen neuen Ministerpräsidenten
bzw. Bundeskanzler wählt. Der Gedanke des konstruktiven Misstrauensvotums wird
seit 1927 erörtert (Herrfahrdt, Rothenbücher, Glum, Schmitt, Wolgast, Smend)
und für das Grundgesetz von 1949 von Carlo Schmid besonders unterstützt. In der
Bundesrepublik Deutschland erstmals tatsächlich verwirklicht wird es 1956 in
Nordrhein-Westfalen (Sturz Karl Arnolds).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Konsul (lat. M.
→consul) ist schon im altrömischen Recht ein Höchstmagistrat. Im
Hochmittelalter werden die Ratsherren als (lat. M.Pl.)
consules (Italien um 1100) bezeichnet. In der Neuzeit ist K. der Vertreter
eines Staates in einem anderen Staat. 1799 bezeichnet sich Napoleon als erster
K. Frankreichs.
Lit.: Kaser §§ 61, 77; Söllner §§ 6, 11, 14, 23;
Köbler, DRG 18; Gouron, A., Diffusion des consulats, (in) Bibliothèque de
l’École des Chartes 121 (1963), 226; Brieger, A., Die Jurisdiktion der
römischen Konsuln, Diss. jur. Bonn 2007
Konsum (M.) Verbrauch
Lit.: Europäische Konsumgeschichte, 1997; Konsumpolitik,
hg. v. Berghoff, H., 1999; Briesen, D., Warenhaus, Massenkonsum und
Sozialmoral, 2001; Haupt, H., Konsum und Handel, 2003; North, M., Genuss und
Glück des Lebens – Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, 2003; Konsum –
Konsumgenossenschaften in der DDR, bearb. v. Ludwig, A., 2007; Pohl, H.,
Aufstieg und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007; Die
bundesdeutsche Massenkonsumgesellschaft 1950-2000, 2007; König, W., Kleine
Geschichte der Konsumgesellschaft, 2008, 2. A. 2013; Torp, C., Konsum und
Politik in der Weimarer Republik, 2011; Belndorfer, H., Wegwerfen ist eine
Sünde, 2018
Konsument (M.) Verbraucher
Konsumentenschutzgesetz ist das dem Schutz des Verbrauchers
dienende Gesetz. Solche Gesetze finden sich seit dem ausgehenden 19. Jh.,
insbesondere seit dem letzten Drittel des 20. Jh.s.
Konsumgenossenschaft ist eine nach englischem Vorbild
(Anfänge seit etwa 1770, Verstetigung seit etwa 1840) seit dem späteren 19. Jh.
(seit etwa 1860) zur Verbilligung des Gütererwerbs der Handwerker und Arbeiter
gebildete →Genossenschaft von Verbrauchern. Im späteren 20. Jh. erweisen
sich die Konsumgenossenschaften (1969 coop) als zu unproduktiv, so dass der inzwischen
entstandene Konzern 1990 in Teilbereichen verkauft wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Prinz, M., Brot und
Dividende, 1996; Spiekermann, U., Basis der Konsumgesellschaft, 1999; Pohl, H.,
Aufstieg und Niedergang der deutschen Konsumgenossenschaften, 2007; Konsum -
Konsumgenossenschaften in der DDR, bearb. v. Ludwig, A., 2007
Konsumtionskonkurrenz ist im römischen Recht bei
Gesamtforderung und Gesamtschuld der Ausschluss einer weiteren Klage eines
anderen Gläubigers oder gegen einen anderen Schuldner durch die (lat.)
→litis contestatio (F.) bezüglich einer (lat. F.)
→actio eines Gläubigers oder gegen einen Schuldner.
Lit.: Kaser § 56 II
Kontinuität ist allgemein die Fortdauer, im
besonderen die Fortdauer römischer Gegebenheiten im Frühmittelalter. Diese ist
streitig. Deswegen muss im Einzelfall untersucht werden, ob eine frühmittelalterliche
Erscheinung aus dem römisch-christlichen Bereich oder aus dem
heidnisch-germanischen Bereich kommt oder in der Zeit selbst erst neu
entstanden ist. Dabei belegen beispielsweise jüngere Ausgrabungen in Straßburg,
Konstanz, Köln, Mainz, Trier und Regensburg in starkem Maße
Siedlungskontinuität vom Altertum in das Frühmittelalter, während im ländlichen
Bereich die römischen villae von der Verteilung von Dörfern mit zahlreichen
Gehöften im späten 5. Jh. abgelöst werden. Bei Veränderungen im politischen
Bereich besteht aus Sachzwängen heraus vielfach Kontinuität der rechtlichen
Bestimmungen (z. B. 1918, 1933, 1945), so dass z. B. die Magna Charta in
Großbritannien seit 1215, der Code civil in Frankreich seit 1804, das ABGB in
Österreich seit 1811 oder das BGB in Deutschland seit 1900 ungeachtet einzelner
Veränderungen als solche gelten.
Lit.: Kontinuität?, hg. v. Bausinger, H. u. a., 1969;
Baumgartner, H., Kontinuität und Geschichte, 1972; La Continuità nella Storia
del Diritto, hg. v. Erler, A. u. a., 1972; Kontinuität-Diskontinuität in den
Geisteswissenschaften, hg. v. Trümpy, H., 1973; Westdeutschland 1945-1955, hg.
v. Herbst, L., 1986; Angenendt, A., Das Frühmittelalter, 1990
Kontokorrent ist die laufende Rechnung zwischen
zwei Beteiligten. Einen Ansatz hierfür liefert bereits das in Rom bekannte
Kassenbuch. Bedeutsam wird die laufende Rechnung aber erst in Oberitalien im
13. und 14. Jh., im Heiligen römischen Reich
im 15. Jh. Als Vertragsverhältnis wird das K. seit dem 19. Jh.
angesehen.
Lit.: Endemann, W., Studien in der
romanisch-kanonistischen Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff., Neudruck 1962, 455;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 77, 105; Prausnitz, O., Die
Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928
Kontrahierungszwang ist die rechtliche Verpflichtung,
eine Vereinbarung abzuschließen. Der K. widerspricht der Privatautonomie. Er
wird in engen Grenzen im 20. Jh. anerkannt. Ältere Ansätze kennt bereits das
mittelalterliche Stadtrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kontrakt (1465, lat. M.
→contractus) ist der →Vertrag.
Lit.: Köbler, DRG 45; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Kontraktualismus ist die Lehre zur Begründung staatlicher
Rechtsordnung auf Vertrag seit der Aufklärung (z. B. Jean-Jacques Rousseau, Le
contrat social, 1762).
Kontrollrat →Alliierter Kontrollrat
Kontroverse (F.) Meinungsverschiedenheit
Kontumazialverfahren ist das bei Ladungsungehorsam
(lat. F.
contumacia) eintretende Verfahren des klassischen römischen und neuzeitlichen
Verfahrensrechts. →Versäumnisverfahren
Lit.: Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966;
Bethmann Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter,
Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959
Konvaleszenz ist das nachträgliche Wirksamwerden
eines nicht oder nicht voll wirksamen Geschäfts im römischen und gemeinen
Recht.
Lit.: Kaser §§ 9 I 3, 27 II 1, 59 I 3a; Schanbacher,
D., Die Konvaleszenz von Pfandrechten im klassischen römischen Recht, 1987
Konventionalstrafe ist die bereits im römischen Recht
als Fall der →Stipulation mögliche Vertragsstrafe.
Lit.: Kaser § 40 I 4b
Konversion ist die schon dem römischen Recht
bekannte Umdeutung eines unwirksamen Rechtsgeschäfts.
Lit.: Kaser § 9 I 3; Krampe, C., Die Konversion des
Rechtsgeschäfts, 1980
Konzentrationslager ist ein wohl dem spanischen
Ausdruck campos reconcentrados nachgebildetes Wort. In campos reconcentrados
(campos de concentración) hält Spanien seit 1895 im zehnjährigen Unabhängigkeitskrieg
kubanische Guerrilleros und deren Angehörige gefangen. Am Ende des 19. Jh.s
errichtet England im südafrikanischen Burenkrieg „laagers“ bzw. concentration
camps für die Angehörigen der Burenguerilleros. In der Sowjetunion, in der 1921
bereits rund 50 Zwangsarbeitslager bestehen, durchlaufen zwischen 1929 und 1953
etwa 18 Millionen Menschen Lager, aus denen mehr als 4,5 Millionen Menschen
nicht zurückkehren. Seit 1933/1934 entstehen durch das Deutsche Reich etwa 60
K. (z. B. Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau (22. 3. 1933),
Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen 1936 – bis 1945 mndestens 200000
Häftlinge - ), in denen 1934 etwa 45000 und 1938 etwa 60000 Menschen
untergebracht sind (1944 in Buchenwald nur noch 8 Prozent Deutsche). Sie werden
zu regierungsgestützten planmäßigen Vernichtungslagern aller missliebigen
Fremdvölkischen gemacht, in die seit Oktober 1939 alle Juden, die ein
staatsabträgliches Verhalten zeigen, eingewiesen und überwiegend durch Arbeit
und Mord vernichtet werden (möglicherweise insgesamt mehr als 2 Millionen
Opfer), wobei allerdings nach Wachsmann die allermeisten Inhaftierten überlebt
haben (erste offizielle Hinrichtung eines Lagerinsassen an dem 4. 6. 1938) und
1945 etwa 1,1 Millionen Inhaftierte befreit wurden..
Lit.: Köbler, DRG 222; Kogon, E., Der SS-Staat, 1946;
Broszat, M., Studien zur Geschichte der Konzentrationslager, 1970; Richardi,
H., Schule der Gewalt, 1983; Czech, D., Kalendarium der Ereignisse im
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939-1945, 1989; Tuchel, J.,
Konzentrationslager, 1991; Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg.
v. Dieckmann, C. u. a., 1998; Konzentrationslager Buchenwald, 1998;
Konzentrationslager Buchenwald, 1998; Wippermann, W., Konzentrationslager,
1999; Orth, K., Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager,
1999; Auschwitz 1940-1945, hg. v. Dlugoborski, W. u. a., 1999; Lotfi, G., KZ
der Gestapo, 2000; Orth, K., Die Konzentrationslager-SS, 2000; Darstellungen
und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, hg. v. Institut für Zeitgeschichte u.
a., Bd. 1ff. 2000; Wenck, A., Zwischen Menschenhandel und Endlösung, 2000;
Friedler, E. u. a., Zeugen aus der Todeszone, 2002; Schwarzbuch Gulag. Die
sowjetischen Konzentrationslager, hg. v. Dobrowolski, I., 2002; Strebel, B.,
Das KZ Ravensbrück, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Steinbacher, S.,
Auschwitz, 2004; Petit, G., Rückkehr nach Langenstein, 2004; Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager, hg. v. Benz, W. u. a., Bd. 1ff.
2005ff.; … und wir hörten auf, Mensch zu sein, hg. v. Mayer, M., 2005; Fings,
K., Krieg, Gesellschaft und KZ – Himmlers SS-Baubrigaden, 2005; Benz, W. u. a.,
Der Ort des Terrors, Bd. 1ff. 2005ff.; Konzentrationslager im Rheinland und in
Westfalen 1933-1945, hg. v. Schulte, J., 2005; Dirks, C., Das Verbrechen der
anderen, 2006; Grabher, M., Irmfried Eberl, 2. A. 2006; Kirschner, A., Salas
Geheimnis, 2008; Sommer, R., Das KZ-Bordell, 2009; Heise, L., KZ-Aufseherinnnen
vor Gericht, 2009; Encyclopedia of Camps and Ghettos, hg. v. Megargee, G, 2009;
Concentration Camps in Nazi Germany, hg. v. Caplan, J. u. a., 2010; Wiedemann,
F., Alltag im Konzentrationslager Mittelbau-Dora, 2010; Cramer, J., Der
Lüneburger Prozess gegen Wachpersonal der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen,
2011; Greiser, A., Der Kommandant, 2011; Weise, N., Eicke, 2013; Berger, S.,
Experten der Vernichtung, 2013; Welt der Lager, hg. v. Greiner, B. u. a., 2013;
Kuwałek, R., Das Vernichtungslager Belżec, 2013; Bertrand, N., Die
Ordnung der Gewalt in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern, ZRG 131
(2014), 363; Heyningen, E. van, The Concentraion Camps of the Angl-Boer War,
2013; Das Konzentrationslager Mauthausen 1938-1945 – Katalog zur Ausstellung in
der Gedenkstätte Mauthausem, 2013. 2. A. 2019, Der Tatort Mauthausen – Eine
Spurensuche, 2014; Buggeln, M., Slave Labor in Nazi Concentration Camps, 2014;
Kreienbaum, J., Ein trauriges Fiasko – Koloniale Konzentrationslager im
südlichen Afrika 1900-1908, 2015; Hördler, S., Orndung und Inferno – Das
KZ-System im letzten Kriegsjahr. 2015; Garbe, D., Neuengamme im System der
Konzentrationslager, 2015; Wagner, J., Produktion des Todes. Das KZ
Mittelbau-Dora, 2015 (entspricht im Wesentlichen einer Veröffentlichung von
2001); Freund, Florian, Konzentrationslager Ebensee, 2016; Helm, S., Ohne Haar
und ohne Namen – Im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, 2016; Cymes, M.,
Hippokrates in der Hölle, 2016; Wachsmann, N., KL – Die Geschichte der
nationalsozialistischen Konzentrationslager, 2016; Lieske, D., Unbequeme Opfer?
„Berufsverbrecher“ als Häftlinge im KZ Sachsenhausen, 2016; Pivnik, S., Der
letzte Überlebende, 2017; Rabl, C., Mauthausen vor gericht, 2019
Konzentrationsmaxime ist im neuzeitlichen
Verfahrensrecht der bereits im gemeinen Recht sichtbare, auf Konzentration
gerichtete Verfahrensgrundsatz, der den Ablauf des Verfahrens durch
Konzentration auf möglichst wenige Termine beschleunigen soll.
Lit.: Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975¸ Willmann, P., Die Konzentrationsmaxime, 2004
Konzern ist im Wirtschaftsrecht des
(letzten Viertels des) 19. Jh.s und des 20. Jh.s die unter Wahrung der
rechtlichen Selbständigkeit erfolgende Zusammenfassung eines herrschenden und
mindestens eines abhängigen Unternehmens (Unterordnungskonzern) oder
mehrerer rechtlich selbständiger, nicht von einander abhängiger Unternehmen
(Gleichordnungskonzern) unter einheitlicher Leitung. Mit der Internationalisierung
der Wirtschaft tritt der große multinationale K. in den Vordergrund. Den
Missbrauch soll in Deutschland das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (27.
7. 1957, 3. 8. 1973) eindämmen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 250; Emmerich,
V., Konzernrecht, 8. A. 2005; Dettling, H., Die Entstehung des Konzernrechts im
Aktiengesetz von 1965, 1997; Ellenberg, S., Herrschaft und Reform, 2012;
Damler, D., Konzern und Moderne, 2016 (anregend und unklar)
Konzentrationsmaxime ist die der Beschleunigung des
Zivilprozesses durch Konzentration auf möglichst wenige Termine dienende
Maxime, die bereits im gemeinen Recht sichtbar wird.
Lit.:
Konzessionssystem ist das im 19. Jh. bestehende
System, das für die Entstehung einer juristischen Person eine Konzession
(Verleihung, Genehmigung) des Staates erfordert. Es wird durch den liberalen
Grundsatz der freien Körperschaftsbildung (System der Normativbestimmungen)
abgelöst (Österreich 1870).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207, 217; Dörr,
C., Vom Konzessionszwang zum Normativrecht, 2013
Konzil (lat. N.
concilium) (oder →Synode, Versammlung) ist im katholischen Kirchenrecht
das kollegiale, nicht ständige Organ zur Behandlung kirchlicher
Angelegenheiten. Das K. lässt sich seit der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr.
nachweisen. Allgemeine (ökumenische) Konzile (bisher 21) finden seit Nikäa (325),
Konstantinopel (381), Ephesus (431) und Chalkedon (451) statt (Konstantinopel
553, Nikäa [II] 787, Konstantinopel 869, Konstantinopel 880. weitere wichtige
Konzile sind die vier Laterankonzile von 1123, 1139, 1179 und 1215, das 16.
ökumenische K. von Konstanz von 1414-1418, das 17. ökumenische K. von Basel
(1431-1437), das 19. ökumenische K. von Trient (1545-1563), das erste
Vatikanische K. (1869-1870) sowie das zweite Vatikanische K. von 1962-1965. Sie
treffen meist richtungweisende Beschlüsse.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hefele, C. v., Conciliengeschichte,
Bd. 1ff. 2. A. 1873ff.; Jedin, H., Kleine Konziliengeschichte, 1959, 8. A.
1969; Tangl, G., Die Teilnehmer an den allgemeinen Konzilien des Mittelalters,
1922; Conciliorum Oecumenicorum Decreta, hg. v. Alberigo, G., 3. A. 1973; Nörr,
K., Kirche und Konzil bei Nikolaus de Tudeschis, 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Sieben, H., Die Konzilsidee der Alten
Kirche, 1979; Sieben H., Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters, 1984;
Dekrete der ökumenischen Konzilien, hg. v. Wohlmuth, J., Bd. 1ff. 1997ff.; Das
Konzil von Aachen, hg. v. Willjung, H., 1998; Ballweg, J., Konziliare oder
päpstliche Reform, 2000; Gresser, G., Die Synoden und Konzilien der Zeit des
Reformpapsttums in Deutschland, 2004; Uphus, J., Der Horos des zweiten Konzils
von Nizäa (787), 2004; Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken
Gallien, 2004; Sieben, H., Studien zu Gestalt und Überlieferung der Konzilien,
2005; Boockmann, H./Dormeier, H., Konzilien, Kirchen- und Reichsreform
(1410-1495), 2005; The Oecumenical Councils, hg. v. Alberigo, G. u. a., 2006;
Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg.
v. Müller, H. u. a., 2007; Concilium universale Nicaenum secundum, hg. v.
Lamberz, E., 2008; Minnich, N., Councils of the Catholic Reformation, 2008;
Müller, H., Das Basler Konzil (1431-1449) und die europäischen Mächte, HZ 293
(2011), 593; Die Konzilien der karolingischen Teilreiche 875-911, hg. v.
Hartmann, W. u. a., 2012; Hartmann, W., Über 100 Jahre Edition der
karolingischen Konzilien bei den Monumenta Germaniae Historica (in) DA 70
(2014) 107 (es fehlt noch die Zeit zwischen 1002 und 1022, wünschenwert sind
auch neu Editionen der Rechtssammlungen Reginos von Prüm und Burchards von
Worms); Ubl, K., Bischöfe und Laien auf dem Konzil von Tribur 895 (in) DA 70
(2014) 143, Kirsch, M., Das Konzil im späten Mittelalter, 2016; Jedin, H.,
Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1-5 Sonderausgabe 2017; Eßer, F.,
Schisma als Deutungskonflikt – Das Konzil von Pisa und die Lösung des großen
abendländischen Schismas (1378-1409), 2019 (papstloses Konzil mit wesentlicher
Veränderung der Fronten 1409)
Konziliarismus ist in der katholischen Kirche die
am Ende des 14. Jh.s entstehende Bewegung, die das →Konzil zur höchsten
Gewalt der Kirche zu machen versucht. Der K. kann sich nicht durchsetzen.
Lit.: Kneer, A., Die Entstehung der konziliaren
Theorie, Römische Quartalschrift 1893; Angermeier, H., Das Reich und der
Konziliarismus, HZ 191 (1961), 529; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte,
1950, 5. A. 1972; Brandmüller, W., Papst und Konzil im großen abendländischen
Schisma, 1990; Das Ende des konziliaren Zeitalters, hg. v. Müller, H., 2012
Konzilsappellation ist der wohl seit der Spätantike bekannte
Versuch, gegen eine Entscheidung des Papstes →Appellation an ein
→Konzil einzulegen. Die K. kommt, ohne durchschlagende Erfolge, während
des gesamten Hochmittelalter und Spätmittelalters häufiger vor.
Lit.: Becker, H., Die Appellation vom Papst an ein
allgemeines Konzil, 1978
Kopenhagen gelangt 1167 als Fischersiedlung
vom König von Dänemark an den Bischof von Seeland. 1254 erhält der Ort
Stadtrecht. 1416 kommt er an den König zurück. 1479 wird er Sitz einer
Universität.
Lit.: Wiborg, A./Gralle, J., Kopenhagen, 1981;
Christophersen, A., Fra Villa Hafn, 1986; Kobenhavns Universitet, hg. v.
Ellehoj u. a., Bd. 1ff. 1990ff.
Kopernikus (Thorn 1473-Frauenburg 1543), Domherr, Arzt,
Jurist, Administrator, erweist mit seinen auf antiken griechischen Quellen
fussenden Beobachtungen (De revolutionibus orbium coelestium, 1543, Von den
Umdrehungen der himmlischen Welten), dass die nicht die Erde der Mittelpunkt
unseres Sonnensystems ist, sondern die Sonne.
Lit.: Biographia Copernicana, bearb. v. Kühne, A. u. a., 2004; Bieri,
H., Der Streit um das kopernikanische Weltsystem im 17. Jahrhundert, 2. A. 2008
Kopfsteuer ist eine verschiedentlich
verwendete Art der →Steuer, bei welcher der Mensch (Kopf) als solcher die
Steuergrundlage bildet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Baltl/Kocher
Kopialbuch ist ein Sammelband von Abschriften
von Urkunden. Das K. erscheint im Frühmittelalter in kirchlichen Kanzleien und
im Hochmittelalter in landesherrlichen Behörden.
Lit.: Köbler, DRG 105; Dülfer, K., Urkunden, Akten und
Schreiben im Mittelalter und Neuzeit, Archival. Z. 53 (1957)
Köppen, Johann (Treuenbrietzen
1531-Berlin 1611) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Frankfurt an
der Oder Rechtslehrer in Frankfurt an der Oder, Kammerrat, Richter und
Diplomat. Sein Entwurf eines Landrechts für die Kurmark und die Neumark (1590,
gegliedert nach Personen, Contracten, Erbrecht, Strafrecht, Verfahrensrecht)
scheitert.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973
Koran (arab. [M.] Lesung) ist das in
Reimprosa abgefasste heilige, die Offenbarung des Propheten →Mohammed (um
569-632) (608 bzw. 610-632) in loser Reihenfolge enthaltende Buch des
→Islams (114 Suren bzw. Kapitel, davon die ersten Offenbarungen in
einprägsamen Reimen) in arabischer Sprache. Die ältesten überlieferten
Handschriften des zumindest in Teilen abgeänderten Textes entstammen dem 9. Jh.
Der K. ist Grundlage des islamischen Glaubens und Rechtes. Etwa 200 der 6437
Verse des Koran betreffen Gewalt.
Lit.: Paret, R., Der Koran, Bd. 1f. 1975, 3. A. 1983,
10. A. 2008, 11. A. 2010; Nagel, T., Der Koran, 3. A. 1998; Zirker, H., Der
Koran, 1999, Thyen, J., Bibel und Koran, 2000; Der Koran und sein religiöses
und kulturelles Umfeld, hg. v. Nagel, T., 2010; Judaism, Christianity and Islam
in the Course of History, hg. v. Gall, L. u. a., 2010; Pohlmann, K., Die
Entstehung des Korans. 2012, 2. A. 2013, 3. A. 2015
Korea (1895 Gerichtsverfassungsgesetz, 1905
Strafgesetzbuch, 1910 Korea von Japan annektiert bis 1945)
Lit.: Eggert, M./Plassen, J., Kleine Geschichte Koreas, 2005; Ostasiatisches
Strafrecht, hg. v. Hilgendorf, E., 2010; Einführung in das koreanische Recht,
hg. v. Korea Legislation Research Institute, 2010; Kim, D., Grundlagen der
strafrechtlichen Aufarbeitung von DDR-Unrecht und Möglichkeiten ihrer
Übertragung auf die Bewältigung nordkoreanischen Systemunrechts, 2012
Kormcaja (Kniga) (F.) (Steuermannsbuch?) ist das
vielleicht noch in das 9. Jh. zurückreichende, auf byzantinischen Grundlagen
aufbauende Rechtsbuch des slawischen Kirchenrechts (Fassung des 11. Jh.s mit 14
Titeln). Eine Fassung wird 1649/1650 bzw. 1653 in Moskau erstmals gedruckt.
Lit.: Zuzek, I., Studies on the Chief Code of Russian
Canon Law, 1964; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht
der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Körper ist die einen Inhalt
einschließende Hülle einer 8räumlichen) Gegebenheit (z. eines Menschen, Tieres
oder Feuerwerks).
Lit.: Tyszka, P., The Human Body in Barbarian Laws c.
500-c. 800, 2014; Meder, S., Doppelte Körper im Recht, 2015
Körperkraft ist verschiedentlich ein rechtlich
bedeutsames Merkmal.
Lit.: Kaser §§ 17, 82 IV 3; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H.,
Kraft und Recht, FS J. Hedemann, 1938, 3
Körperschaft (1800) ist die mitgliedschaftlich verfasste, vom Wechsel der
Mitglieder unabhängige Personenvereinigung. Nach älteren Ansätzen im römischen
Altertum und im Mittelalter sowie in der evangelischen Staatskirchenlehre des
17. Jh.s (so Endrös) setzt sich die Figur der →juristischen Person bzw.
Körperschaft in der ersten Hälfte des 19. Jh.s (so Forsthoff) durch
(→Beseler). Streitig ist die Art des Verständnisses (Fiktion oder realer
Organismus). Die K. kann dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht
angehören. Der Personenverband (K.?) wird schon in älterer Zeit durch Symbole
dargestellt (z. B. Krone, Lanze, Thron, Schlüssel, Leib, Schiff, Mauer). In
Deutschland wird 1920 die Körperschaftsteuer für juristische Personen von der
seit 1799 entwickelten Einkommensteuer verselbständigt.
Lit.: Kaser §§ 17 I, II, 82 IV 3; Kroeschell, DRG 3;
Gierke, O. v., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Schnorr von
Carolsfeld, L., Geschichte der juristischen Person, 1932; Schikorski, F., Die
Auseinandersetzung um den Körperschaftsbegriff, 1978; Schröder, J., Zur älteren
Genossenschaftstheorie, Quaderni Fiorentini 11/12 (1982/3), 399; Endrös, A.,
Entstehung und Entwicklung des Begriffs „Körperschaft des öffentlichen Rechts“,
1985; Landau, P., Gesellschaftliches Recht und das Prinzip freier
Körperschaftsbildung in der Rechtsphilologie von Heinrich Ahrens, FS A. Erler,
1986, 157; Eichler, H., Die Verfassung der Körperschaft und Stiftung, 1986;
Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116 (1999), 314;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Körperschaftsteuer ist die Körperschaften betreffende
Einkommensteuer (2006 rund 5 Prozent des Steueraufkommens in Deutschland). Sie
entsteht in den deutschen Bundesstaaten nach 1871 durch Einbeziehung der
Gesellschaften in die Einkommensteuer. Dem folgt das Deutsche Reich 1913 und
1916/1918. 1920 wird ein besonderes Körperschaftsteuergesetz geschaffen.
Lit.: Potthast, T., Die Entwicklung der Körperschaftsteuer, 2008
Körperverletzung ist der Eingriff in die körperliche
Unversehrtheit eines Menschen. Die K. ist von Anbeginn der Menschheit an
denkbar. Im altrömischen Recht soll, wer einem Freien ein Glied zerreißt, sich
entweder mit ihm vergleichen oder (höchstens) dasselbe erleiden. Wer einem
anderen (nur ?) ein Bein bricht, soll (nur ?) die feste Summe von 300 Pfund
Kupfer (lat. F.
poena) entrichten, bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer. Wer einem anderen ein
sonstiges Unrecht (sonstige Körperverletzung, Freiheitsentzug, Beleidigung)
antut, soll 25 Pfund Kupfer leisten. Im klassischen römischen Recht ist
Rechtsfolge der K. ein durch Schätzung zu bestimmender (unvererblicher)
Geldausgleich. Bei den Germanen und im Frühmittelalter wird die K. durch
→Buße ausgeglichen. Im Hochmittelalter erscheint sie als Straftatbestand
(Lähmung, blutende Wunde, trockener Schlag). In der Constitutio Criminalis
Carolina (1532) fehlt ein Straftatbestand K. In der Neuzeit wird die tätliche
Beleidigung von der K. abgesondert. Zugleich wird für Schmerzen im Privatrecht
Schadenersatz gewährt. Im 19. Jh. wird die K. systematisiert (schwere K.,
fahrlässige K.).
Lit.: Söllner §§ 8, 10; Köbler, DRG 27, 48, 119, 158;
Brunner, H., Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 2. A. 1906, Neudruck 1958;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; His, R., Die
Körperverletzung im Strafrecht des deutschen Mittelalters, ZRG GA 41 (1920),
75; Wittmann, R., Die Körperverletzung an Freien im klassischen Recht, 1972;
Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984;
Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007;
Korn, F., Körperverletzungsdelikte, 2003; Gröning, C.,
Körperverletzungsdelikte, 2004
Korporation (F.) →Körperschaft (E. 19.
Jh. auch Studentenverbindung)Lit.: Feistl, M., Eigentumsverhältnisse an
Corpshäusern, Diss. jur. Regensburg 2010
Korruption (Verderbnis) ist
das durch materielle Vorteile (in einfachen Fällen Geld, in eleganteren Fällen
geldwerte Beziehungen) bewirkte pflichtwidrige Verhalten von Verpflichteten
bzw. die Erlangung eines privaten Vorteils durch Missbrauch eines öffentlichen
Amtes. K. findet sich an vielen Orten zu vielen Zeiten (z. B. Vermittlung einer
Stelle als Universitätsassistent als Entgelt für eine Schmeichelbiographie,
Verbeamtung eines Betrügers auf Antrag eines Lügners als Entgelt für eine Wahl
zum Institutsvorstand, Überlassung einer Schriftenreihe einer Klinik als
Entgelt für die Habilitationsvermittlung, Verbeamtung gegen Festschrift u. s. w.). Wer sie bekämpft und sich nicht
selbst korrumpieren lässt, wird von ihr mit allen Mitteln verfolgt. In Altertum
und Mittelalter ist K. (z. B. Ämterkauf) (als personenorientierte
Mikropolitik) selbstverständlich, mit der Trennung von öffentlichem Bereich
und privaten Interessen wird sie vielfach grundsätzlich (bei anderen
öffentlich) abgelehnt (, im eigenen Interesse aber tatsächlich selbverständlich
geübt).
Lit.: Brooks, R., Corruption in American Politics,
1910; Göhring, M., Die Ämterkäuflichkeit im Ancien Régime, 1935; Klaveren, J.
van, Die historische Erscheinung der Korruption, VSWG 44 (1957), 289; Gardiner,
J., The Politics of Corruption, 1970; Korruption im Altertum, hg. v. Schuller,
W., 1982; MacCullen, R., Corruption and the Decline of Rome, 1988; Political
Corruption, hg. v. Heidenheimer, A. u. a., 1989; Bannenberg,
B./Schaupensteiner, W., Korruption in Deutschland, 2004; Engels, I.,
Politische Korruption in der Moderne, HZ 282 (2006), 313; Durynek, J.,
Korruptionsdelikte (§§ 331ff. StGB), 2008; Geld - Geschenke - Politik -
Korruption im neuzeitlichen Europa, hg. v. Engels, J. u. a., 2009; Rosillo
López, C., La corruption à la fin de la République romaine, 2010; Baumann, A.,
Korruption und Visitation am Reichskammergericht, 2012; Klein, A., Korruption
und Korruptionsskandale in der Weimarer Republik, 2014; Engels, J., Die
Geschichte der Korruption, 2014; Ruderer, S., Korruption und
Staatsbildungsprozess (in) HZ 300 (2015) 66
Korsika ist die im nordwestlichen
Mittelmeer gelegene Insel, die seit 227 zur römischen Provinz Sardinien gehört.
Nach Einfällen von Vandalen, Ostgoten, Oströmern, Langobarden, Sarazenen und Mauren
setzt sich bis 1347 Genua durch. 1764/1768 gibt Genua K. an Frankreich. 1982
erhält das demnach im Recht nacheinander römisch, genuesisch und französisch
geprägte K. in Frankreich Autonomie.
Lit.: Histoire de la Corse, hg. v. Arrighi, J., 1971;
Grimaldi, S., La Corse, 1988
Kosovo ist das 2008 von Serbien verselbständigte, von
Albanern bewohnte Gebiet des ehemaligen Jugoslawien.
Lit.: Schmitt, O., Kosovo, 2008; Gritsch, K., Inszenierung eines
gerechten Krieges?, 2010; Das neue Kosovo, hg. v. Džihic, V. u. a., 2013
Kossuth, Lajos (Monok/Ungarn 19. 9. 1802-Turin 20. 3.
1894) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Sárospatak und Pest
Advokat, Journalist und Abgeordnetenvertreter (1837 vier Jahre Festungshaft
wegen Hochverrats), 1848 Finanzminister Ungarns, 1849 nach Unabhängigkeitserklärung
vom 14. 4. 1849 in Ungarn Reichsverweser. Am 11. 8. 1849 tritt er zurück und
flieht nach der Kapitulation in das osmanische Reich, 1852 nach London und
(nach Bekanntschaft mit Giuseppe Mazzini) 1861 nach Turin.
Lit.: Lajos Kossuth, hg. v. Fischer, H., 2007
Kosten sind die Werte, die für die
Beschaffung oder Herstellung eines Gutes aufgewendet werden. Bereits im
→Kognitionsverfahren des klassischen römischen Rechtes trägt der
Unterliegende die K. des Verfahrens. Dieser Grundsatz ist in der Neuzeit wieder
erkennbar, wobei im 18. Jh. aus aufgeklärten Erwägungen das sog.
→Armenrecht bzw. im späteren 20. Jh. (Deutschland 1980) die
→Prozesskostenhilfe entsteht.
Lit.: Köbler, DRG 34, 56, 155; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im
Mittelalter, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981; Oestmann, P., Streit um Anwaltskosten in der frühen
Neuzeit, ZRG 132 (2015), 152, ZRG 133 (2016), 191
Kostvertrag ist im Mittelalter der Vertrag über
Verköstigung, Kleidung und Ausbildung eines Kindes.
Lit.: Ebel, W., Kostverträge nach lübischen
Stadtbüchern, FS H. Lentze, 1969, 137
KPD (Kommunistische Partei Deutschlands)
→Kommunismus
Kraftfahrzeug ist das Landfahrzeug, das durch
Maschinenkraft bewegt wird, ohne an Geleise gebunden zu sein. Das mit Benzin
getriebene Kraftfahrzeug wird 1885 erfunden und 1886 von Carl Benz vorgeführt.
In Frankreich (1893 etwa 500 Automobile, 1900 2897 Automobile und 11252
Motorräder) wird am 14. 8. 1893 eine Pariser Ordonnance über den Verkehr mit
Motorfahrzeugen erlassen. In Deutschland, wo 1902 4738 Kraftfahrzeuge
(Automobile) für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind, werden 1909
durch das Kraftverkehrsgesetz (3. 5. 1909) zum 1. 10. 1909 die →Gefährdungshaftung
für den Halter eines Kraftfahrzeugs und der Straftatbestand der Unfallflucht
des Kraftfahrzeugführers (§ 22 KFG) eingeführt. Um 1935 ist wegen der
schwächeren Kaufkraft der Bevölkerung die Hälfte der Motorräder weltweit im
Deutschen Reich zugelassen. Nach 1960 werden Automobile in Deutschland zum Massenartikel für
jedermann.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GesetzUeberDenVerkehrMitKraftfahrzeugen1909.pdf,
Köbler, DRG 216, 251; Schubert, W., Das Gesetz über den Verkehr mit
Kraftfahrzeugen vom 3. 5. 1909, ZRG GA 117 (2000), 238; Gadow, O. v., Die
Zähmung des Automobils, 2002; Schubert, W., Das Auomobil ist der Anarchist
unter den Gefährten, ZRG GA 123 (2006), 218; Ausschüsse für Luftrecht,
Luftschutzrecht, Kraftfahrzeugrecht und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert, W.,
2009; Steinbeck, F., Das Motorrad, 2012; Automobilindustrie 1945-2000, hg. v.
Tilly, S. u. a., 2013; Öffner, A., Die Macht der Interessen, 2016
Kraichgau
Lit.: Adam, T., Kleine Geschichte des Kraichgaus, 2010
Krain ist die nahe den Karawanken
gelegene Landschaft, die nacheinander von Römern, Langobarden und Slowenen
besiedelt wird und im 8. Jh. an die Bayern bzw. Franken gelangt (1040 Markgrafschaft).
Über verschiedene Grafengeschlechter fällt K. 1282 und nach Verpfändung
endgültig 1335 an die Grafen von →Habsburg. 1394 wird K. Herzogtum. Am
29. 10. 1918 kommt der größte Teil von K. mit Laibach an Jugoslawien, von dort
1991 an Slowenien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Vilfan, S.,
Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas,
1987; Kos, D., In Burg und Stadt, 2006
Krakau an der oberen Weichsel wird 1000
Sitz eines Bischofs und nach der Neugründung nach Magdeburger Recht (1257)
1320-1611 Hauptstadt →Polens (Stadtrat urkundlich 1264 erstmals erwähnt).
1364 wird in K. eine Universität gegründet. Das Gericht auf der Krakauer Burg
(1356?) wird Oberhof für zahlreiche deutschrechtliche Städte und Dörfer (bis
1791, Urteile von 1392-1794 erhalten). Von 1795 bis 1918 ist K. zeitweise
österreichisch.
Lit.: Köbler, DRG 100; Patkaniowski, M., Der Krakauer
Stadtrat im Mittelalter, 1934 (polnisch); Klodzinski, A., Najstarsza
księga sadu najwyzszego prawa niemickiego na zamku krakowskim, 1936;
Antiquum registrum privilegiorum et statutorum civitatis Cracoviensis, hg. v.
Estreicher, S., 1936; Bardach, J., Historia Panstwa i Prawa Polskiego, Bd. 1
1965, 474; Pauli, K., Das Problem der Kodifikation des Strafrechts in der
freien Stadt Krakau nach dem Wiener Kongress, ZRG GA 87 (1970), 224; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2108,2115,2118, 3,3,3507,3509; Z
przeszlosci Krakowa, 1989; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri
Cracoviensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius
supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Schüßler, M., Verbrechen
in Krakau, ZRG GA 115 (1998), 339; Obladen, M., Magdeburger Recht auf der Burg
zu Krakau, 2005; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Boroda, K., Studenci
Uniwersytetu Krakowskiego, 2010 (21000, mehr als die Hälfte aus dem Königreich
Polen, 10-20 Prozent Abschlüsse des Bakkalaureats); Starzyński, M., Das
mittelalterliche Krakau, 2015; Krogner-Kornalik, K., Tod in der Stadt, 2015
Kramer (M.) Kleinhändler
Krankenhaus ist die die bloße Aufbewahrung von
Kranken im Spital durch den Versuch der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit
ersetzende Einrichtung. Das K. setzt sich im 19. Jh. durch.
Lit.: Spree, R., Krankenhausentwicklung und
Sozialpolitik, HZ 260 (1995), 75; Sauerteig, L., Krankheit, Sexualität, Gesellschaft,
1999; Kumm, R., Das Krankenhauswesen in Hameln, 1999; Leidinger, B.,
Krankenhaus und Kranke, 2000; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im
Mittelalter, 2003, 2. A. 2012; Stolberg, M., Homo patiens, 2003; Hübner, S.,
Vom allgemeinen Krankenhaus zur Gesundheitsfabrik, 2004; Dross, F., Krankenhaus
und lokale Politik 1770-1850, 2004; Der Dienst am Kranken, hg. v. Aumüller, G.
u. a., 2007; Quellen zur Geschichte der Krankenpflege, hg. v. Hähner-Rombach,
S., 2008; Homo debilis, hg. v. Nolte, C., 2009; Verortungen des Krankenhauses,
hg. v. Görgen, A. u. a., 2014; 200 Jahre Universitätskliinikum Erlangen, hg. v.
Leven, K. u. a., 2016
Krankenkasse →Krankenversicherung
Krankenversicherung ist die private oder soziale
Versicherung gegen (die Auswirkungen bzw. Kosten) einer Krankheit. Die soziale
K. ist Teil der Sozialversicherung. Sie entsteht nach älteren Gemeindekrankenversicherungen,
Hilfs- und Unterstützungskassen (z. B. Armen- und Versorgungskasse Chemnitz
1795), Knappschaftskassen, Fabrikkrankenkassen oder Innungskrankenkassen im
Deutschen Reich 17. 11. 1881/15. 6. 1883 (19. 7. 1911 Reichsversicherungsverordnung,
20. 12. 1988 Sozialgesetzbuch V). Träger sind die Krankenkassen.
Lit.: Koch, P., Kleine Geschichte der privaten Krankenversicherung,
1971; Ritter, G., Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983;
Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht in der Schweiz und ihre
Ablösung durch Kranken- und Unfallversicherung von 1911, ZNR 8 (1986), 157;
Reiter, H., Entstehungsgeschichte, Aufgaben und Organisation der
Spitzenverbände der Krankenkassen, 1996; Käsbauer, A., Die Neuordnung der
Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen durch das Berliner Abkommen
vom 23. 12. 1913, 2015
Krankheit ist das Fehlen des natürlichen Wohlbefindens
des Menschen.
Lit.: Frevert, U., Krankheit als politisches Problem 1770-1880, 1984;
Göckenjan, G., Kurieren und Staat machen, 1985; Barthel, C., Medizinische
Polizey und medizinische Aufklärung, 1989; Stolberg, M., Homo patiens, 2003;
Schäfer, D., Alter und Krankheit in der frühen Neuzeit, 2004; Müller-Jahncke,
F. u. a., Arzneimittelgeschichte, 2. A. 2004; Landgraf, S., Heilen außerhalb
der Medizinal-Ordnung, 2004; The Treatment of Disabled Persons in Medieval
Europe, hg. v. Turner, W., 2010; Ritual Healing, hg. v. Csepregi, I, 2012;
Hack, A., Gregor der Große und die Krankheit, 2012;Korge, M., Kollektive
Sicherung bei Krankheit und Tod, 2013; Jütte, R., Krankheit und Gesundheit in
der frühen Neuzeit, 2013; Stölzle, A., Kriegskrankenpflege im ersten Weltkrieg,
2013; Büttner, A., Die konfessionelle Kriegskrankenpflege im 19. Jahrhundert,
2013; Vasold, M., Grippe, Pest und Cholera, 2015; Meyer, S., Zuflucht, Kurhaus,
Strafanstalt – Die Trinkerheilstätte Stift Isenwald, 2017
Kranrecht (lat. ius N.
geranii) ist im deutschen Mittelalter das Recht des Landesherrn, Auslegen,
Wiegen und Messen von auf Schiffen beförderten Waren anzuordnen.
Lit.: Eichhorn, F., Einleitung in das deutsche
Privatrecht, 1823, 2. A. 1825, 3. A. 1829, 947, 5. A. 1845
Kranz
Lit.: Bergmann, B., Der Kranz des Kaisers, 2010
Kranzgeld ist die Bezeichnung für den
Schadensersatzanspruch einer unbescholtenen Verlobten, die ihrem Verlobten die
Beiwohnung gestattet. Dass der Verführer eines Mädchens dieses heiraten und
ausstatten soll, bestimmt bereits 2. Moses 22,16 und danach der →Liber
extra und das gelehrte Recht. Später tritt eine Entschädigung ein, wenn der
Verführer das Mädchen nicht heiratet. Im 19. Jh. wird der Anspruch
eingeschränkt, 1996 beseitigt.
Lit.: Gerber, C.(/Cosack, K.), System des Deutschen
Privatrechts, 1848, 17. A. 1895
Krause, Karl Christian Friedrich
Eisenberg (Thüringen) 7. 5. 1781-München 27. 9. 1832
Lit.: Wirmer-Donos, B., Die Strafrechtstheorie Karl
Christian Friedrich Krauses, 2001; Forster, W., Karl Christian Krauses frühe
Rechtsphilosophie und ihr geistesgeschichtlicher Hintergrund, 2000;
Dierksmeier, C., Der absolute Grund des Rechts, 2003; Krause, K., Ausgewählte
Schriften, Bd. 1ff., hg. v. Bach, T. u. a., 2007ff.
Kredit ist die zeitweise Überlassung von eigenen
Mitteln an einen anderen zur wirtschaftlichen Verwertung. Der gebräuchlichste
Weg der Gewährung von K. ist das →Darlehen. Seit dem 19. Jh. wird das
Kreditwesen ständig erweitert. Am 5. 12. 1934 wird in Deutschland das Gesetz
über das Kreditwesen erlassen. →Bank
Lit.: Kredit, hg. v. North, M., 1991; Müller, C., Die
Entstehung des Reichsgesetzes über das Kreditwesen, 2003; Schönfelder, B., Vom
Spätsozialismus zur Privatrechtsordnung, 2012; Georg, J. v., Die Entstehung des
Kreditwesengesetzes von 1961, 2012; Keding, S., Finanzmarktsteuerung durch
Kreditsicherungsrecht, 2013; Schlütz, F., Ländlicher Kredit, 2013; Signori, G.,
Schuldenwirtschaft, 2015
Kreditderivat ist das am Ende des 20. Jh.s international entwickelte
wichtigste Instrument zur Isolierung und Übertragung eines Kreditrisikos.
Lit.:
Berg, S., Kreditderivate im deutschen Privatrecht, 2000
Kreditmandat ist der Auftrag, einem Dritten Kredit zu
gewähren.
Kreis ist seit der frühen Neuzeit (1500)
im Heiligen römischen Reich eine
Gebietskörperschaft (→Reichskreis). Seit dem 19. Jh. ist K. in deutschen
Staaten eine Gebietskörperschaft, die eine Mehrzahl von Gemeinden zur
Erledigung öffentlicher Aufgaben in der Form der Selbstverwaltung zusammenfasst
(Landkreis). In Österreich werden ab 1748 nach dem Vorbild Böhmens in den
Kronländern für Kreise zentralstaatliche Kreisämter eingerichtet, die 1849 in
Bezirke untergliedert, aber 1851 zum Teil bzw. 1868 ganz abgeschaffft werden,
wobei die Bezirkshauptmannschaften unmittelbar den Statthaltereien unterstellt
werden.
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909;
Hartung, F., Die Geschichte des fränkischen Kreises von 1521-1559, 1910,
Neudruck 1973; Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise während der
Regierungszeit Maximilians I., 1950; Mally, A., Der österreichische Kreis,
1967; Stadler, K., Der Weg zur Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise,
1962; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Das Land Baden-Württemberg (Amtliche
Beschreibung nach Kreis und Gemeinden), Bd. 1ff. 1977ff.; Hundert Jahre
Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen,
1988; Dotzauer, W., Die deutschen Reichskreise, 1989; Henneke, H., Die
deutschen Kreise und ihr Landkreistag, 2016
Kreisassoziation ist der Zusammenschluss mehrerer
Reichskreise zu gemeinsamem Vorgehen. Eine K. wird 1559 erstmals verwirklicht.
Mit der Frankfurter Assoziation vom 13./23. 1. 1697 erlangt die K. vorübergehend
beachtliche Bedeutung.
Lit.: Hofmann, H., Reichskreis und Kreisassoziation,
Z. f. bay. LG. 25 (1962), 377; Der Kurfürst von Mainz und die Kreisassoziation
1648-1746, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975
Kreisgericht ist das für einen →Kreis
zuständige Gericht (z. B. in Österreich oder der Deutschen Demokratischen
Republik).
Kreisordnung ist eine für einen oder mehrere
→Kreise geltende →Ordnung (z. B. Preußen 13. 12. 1872, Posen 20.
12. 1828).
Lit.: Hundert Jahre Kreisordnungen in
Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 1988; Benzig, H.,
Bismarcks Kampf um die Kreisordnung, 1996
Kreisverfassung ist die Verfassung eines Kreises
(Reichskreis, Landkreis).
Lit.: Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis und die
Kreisverfassung von 1542, 1909; Schmidt, W., Geschichte des niedersächsischen
Kreises, Nieders. Jb. 7 (1930), 1; Humphreys, N., Der Fränkische Kreistag
1650-1740, 2011
Kreittmayr (Kreitmeir), Wiguläus Xaverius
Aloysius (1745 Frhr. v.) (München 14. 12. 1705-27. 10. 1790), Hofratssohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Salzburg, Ingolstadt, Leiden und Utrecht und einem
Praktikum am Reichskammergericht 1725 (mit 20 Jahren) Hofrat in Bayern, 1749
Vizekanzler und 1758 Kanzler. Er steht im Mittelpunkt der zwecks Rechtsvereinheitlichung,
Bindung der Richter an das Gesetz und Abstellung von Missbräuchen in der Mitte
des 18. Jh.s vorgenommenen Gesetzgebung Bayerns. Auf ihn gehen maßgeblich der
(lat. M.)
→Codex iuris Bavarici criminalis (1751), der →Codex iuris Bavarici
iudiciarii (1753) und der →Codex Maximilianeus Bavaricus civilis (1756)
zurück, die er auch selbst kommentiert. Außerdem verfasst er Grundrisse zum
Privatrecht (1768) und Staatsrecht (1769).
Lit.: Köbler, DRG 139; Kreittmayr, W., Compendium
iuris, 1768, Neudruck 1990; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern, 1968; Wiguläus
Xaverius Aloysius Freiherr von Kreittmayr, hg. v. Bauer, B. u. a.,
1991;http://www.koeblergerhard.de/Fontes/CMBC1756.htm
Kreml (M.) Wald, Burg
Kremsierer Entwurf ist der vom im Juli 1848
gewählten, am 22. 7. 1848 in Wien konstituierten, am 22. 10. 1848 von Wien nach
Kremsier (in Mähren [Kromeriz]) verlegten österreichischen Reichstag
erarbeitete Entwurf einer Verfassung, der zwar ursprünglich von der Volkssouveränität
ausgeht, inhaltlich aber im Wesentlichen der →pillersdorfschen
Aprilverfassung (mit Gewaltenteilung, Gegenzeichnung der Vollzugshandlung
des Kaisers durch den verantwortlichen Minister, Reichstag bestehend aus Volkskammer
[Zensuswahlrecht] und [von Landtagen und Kreistagen beschickter] Länderkammer,
Grundrechtskatalog) entspricht. Wegen gewaltsamer Auflösung des Reichstags
durch die Regierung zum 4. 3. 1849/17. 3. 1849 auf Grund der Meinungsverschiedenheit
über die Volkssouveränität bleibt der K. E. bloßer Entwurf.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Gottsmann, A., Der
Reichstag von Kremsier, 1995
Kremsmünster
Lit.: Die Anfänge des Klosters Kremsmünster, red. v. Haider, S., 1978
Kreta ist die Insel im südöstlichen
Mittelmeer, die 67 v. Chr. römische Provinz wird und über Oströmer und Araber
1204/1212 an Venedig fällt. 1645-1649 erobern die Osmanen (Türken) die Insel.
Die 1832 einsetzende Befreiungsbewegung führt 1908/1913 zum Anschluss an
→Griechenland.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., 3,5,485; Gallas, K.,
Kreta, 1984; Tsougarakis, D., Byzantine Crete, 1988; Link, S., Das griechische
Kreta, 1994; Chaniotis, A., Das antike Kreta, 2004; Wallace, S., Ancient Crete,
2010
Kreuz ist das Sinnbild des Leidens und
der Auferstehung des durch Kreuzigung getöteten Religionsstifters Jesus
Christus. Es kennzeichnet daneben auch die Herrschaftsgewalt. Im Mittelalter
werden vielfach Steinkreuze als Erinnerung an den Tod eines Menschen
angebracht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, 1, 238f., 271f.; Paulsen, P., Axt und
Kreuz bei den Nordgermanen, 1948; Dinkler, E., Das Kreuz als Tropaion, FS T.
Klausen, 1964; Maisel, W., Archeologia prawna Europy, 1989; Kunz, W.,
Gipfelkreuze in Tirol, 2011; Samuelsson, G., Crucifixion in Antiquity, 2011, 2. A. 2013; Cook, J., Crucifixion in
the Mediterranean World, 2014
Kreuzbergurteil ist das vom preußischen
Oberverwaltungsgericht 1882 gefällte Urteil, das der →Polizei die
Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege (Untersagung eines
Bauvorhabens) dann abspricht, wenn keine besondere gesetzliche Grundlage dafür
vorliegt. Damit wird die Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung
beschränkt. Der Freiheitsraum des Bürgers wird erweitert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Kreuznach
Lit.: Massmann, G, Die Verfassung der Stadt Kreuznach, Diss. jur. Bonn
1962
Kreuzprobe ist das Gottesurteil, bei dem sich
zwei Menschen mit ausgebreiteten Armen aufstellen und die Behauptung dessen als
erwiesen angesehen wird, der seine Arme länger waagrecht halten kann.
Lit.: Köbler, G., Welchen Gottes Urteil ist das
Gottesurteil des Mittelalters?, FS W. Trusen, 1994, 84
Kreuzzug ist die unter dem Zeichen des
christlichen Kreuzes ausgeführte Kriegsfahrt (zur Eroberung der christlichen
Gedenkstätten in Palästina zwischen 1096 und 1270). 1095 ruft Papst Urban II.
in Clermont auf Bitten des von den turkmenischen Seldschuken bedrohten
oströmischen Kaisers die Ritter zum K. auf. 1099 wird Jerusalem erobert. In den
folgenden 6 Kreuzzügen wird nur die islamische Rückgewinnung verzögert. Dessenungeachtet
belebt der K. den Handel und beeinflusst in Randbereichen auch das Recht
(Ritterorden, Kreuzfahrerstaaten, Ablass, Verschollenheit, Todeserklärung).
Lit.: Köbler, DRG 93; Mitteis, H., Zum Schuld- und
Handelsrecht der Kreuzfahrerstaaten, Arbeiten zum Handelsrecht u. s. w. 62 (1931), 229; Grousset, R.,
Histoire des croisades et du royaume franc de Jérusalem, Bd. 1ff. 2. A. 1949;
Runciman, R., Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1ff. 1957ff., 7. A. 2001; Atiya,
A., Kreuzfahrer und Kaufleute, 1964; Mayer, H., Geschichte der Kreuzzüge, 1965,
9. A. 2000, 10. A. 2005; The Atlas of the Crusades, hg. v. Riley-Smith, J.,
1991; Housley, N., The Later Crusades, 1992; Mayer, H., Varia Antiochena, 1993;
Hehl, E., Was ist eigentlich ein Kreuzzug?, HZ 259 (1994), 297; Buisson, L.,
Heerführertum und Erobererrecht auf dem ersten Kreuzzug, ZRG GA 112 (1995),
316; Richard, J., Histoire des croisades, 1996; Riley-Smith, J., The first
Crusaders 1095-1131, 1997; Die Kreuzfahrerstaaten, hg. v. Mayer, H. u. a.,
1997; Riley-Smith, J., Historische Geschichte der Kreuzzüge, 1999; The
Crusades, hg. v. Hunyadi, Z., 2001; Der Kreuzzug Friedrich Barbarossas, hg. v.
Bühler, A., 2002; Jaspert, N., Die Kreuzzüge, 2002, 4. A. 2008, 5. A. 2010, 6.
A. 2014; Geldsetzer, S., Frauen auf Kreuzzügen 1096-1291, 2003; The Experience
of Crusading, Bd. 1f. hg. v. Bull, M. u. a., 2003; Oberste, J., Der Kreuzzug
gegen die Albigenser, 2003; Thorau, P., Die Kreuzzüge, 2004; Hechelhammer, B.,
Kreuzzug und Herrschaft unter Friedrich II., 2005; Hebräische Berichte über die
Judenverfolgungen während des ersten Kreuzugs, hg. v. Haverkamp, E., 2005;
Ebendorfer, T., Historia Jerusalemitana, hg. v. Zimmermann, H., 2006; Housley,
N., Contesting the Crusades, 2006; The Seventh Crusade, hg. v. Jackson, P.,
2007; Constable, G., Crusaders and Crusading in the Twelfth Century, 2008;
Projets de Croisade (v. 1290-v. 1330), hg. v. Paviot, J., 2008; Phillips, J.,
Holy Warriors, 2009; Wagner, T., Die Seuchen der Kreuzzüge, 2009; Seitz, A.,
Das lange Ende der Kreuzfahrerreiche, 2010; Gladysz, M., The Forgotten
Crusaders, 2012; Remembering the Crusades, hg. v. Paul, N. u. a., 2012; Barber,
M., The Crusader States, 2012; Guard, T., Chivalry, Kingship and Crusade, 2013;
Christie, N., Muslims and Crusaders, 2014; Cobb, P., Der Kampf ums Paradies,
2015; Riley-Smith, J., Die Kreuzzüge, 2016; Durrer, A., Die
Kreuzfahrerherrschaften, 2017
Krieg ist die Austragung von Streitigkeiten
zwischen Völkern oder Staaten mit Gewalt. Die Anfänge des Krieges reichen in
vorgeschichtliche Zeit zurück und lassen sich vielleicht mit der
Sesshaftwerdung verbinden. Seit dem Altertum stellt sich dabei die Frage nach
dem →gerechten Krieg. Angesichts der Gefährlichkeit der von der
Menschheit allmählich erfundenen Waffen werden in der Neuzeit bestimmte
Erscheinungen des Krieges als menschenrechtswidrig angesehen. Seit dem 19.
Jh. kommt es zu völkerrechtlichen Vereinbarungen über unzulässige Maßnahmen
(Genfer Konvention über die Verbesserung des Loses der Verwundeten der
Streitkräfte von 1864, Haager Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des
Landkriegs, Haager Landkriegsordnung von 1907). 1914 beginnt der Bombenkrieg
und am 9. Februar 1916 verwendet der französische Journalist Léon Daudet den
Ausdruck totaler Krieg. Durch den →Kelloggpakt (1928) wird der K.
allgemein geächtet, aber nicht beseitigt.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 567;
Köbler, WAS; Görris, G., De denkbeelden over oorlog, 1912; Thilo, M., Das Recht
der Entscheidung über Krieg und Frieden, 1938; Cram, K., Iudicium belli, 1955;
Rosenau, P., Wehrverfassung und Kriegsrecht in mittelhochdeutscher Epik, Diss.
jur. Bonn 1959; Pietzcker, F., Die Schlacht bei Fontenoy 841, ZRG GA 81 (1964),
318; Angermeier, H., Die Reichskriegsverfassung in der Politik der Jahre
1679-1681, ZRG GA 82 (1965), 190; Auer, L., Der Reichskriegsdienst des Klerus
unter den sächsischen Kaisern, Diss. phil. Wien 1968 (masch.schr.); Das Deutsche
Reich und der zweite Weltkrieg, Bd. 1ff. 1979ff.; Gruchmann, L., Der zweite
Weltkrieg, 8. A. 1985; Goldstein, E., Wars and Peace Treaties, 1992; Contamine,
P., La guerre au Moyen Age, 3. A. 1992; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte,
1994, 2. A. 2007; La guerre, hg. v. Contamine, P., Bd. 1f. 1996; Ohler, N.,
Krieg und Frieden im Mittelalter, 1997; Heiduk, C./Höfert, A./Ulrichs, C.,
Krieg und Verbrechen, 1997; Krieg ist ein Gesellschaftszustand, hg. v.
Hamburger Institut für Sozialforschung, 1998; Die Wiedergeburt des Krieges, hg.
v. Kunisch, J./Münkler, H., 1999; Der Krieg im Mittelalter, hg. v. Brunner, H.,
1999; Tuck, R., The rights of war and peace, 1999; Krieg im Mittelalter, hg. v.
Kortüm, H., 2000; Staat und Krieg, hg. v. Rösener, W., 2000; Wie Kriege
entstehen, hg. v. Wegner, B., 2000; Die Wahrnehmung und Darstellung von Kriegen
im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, hg. v. Brunner, H., 2000; Schlachten
der Weltgeschichte, hg. v. Dörster, S. u. a., 2001; Wie Kriege enden, hg. v.
Wegner, B., 2. A. 2003; Dülffer, J., Im Zeichen der Gewalt, hg. v. Kröger, M.
u. a., 2003; Wolfrum, E., Krieg und Frieden in der Neuzeit, 2003; Der Krieg im
Bild, hg. v. Arbeitskreis historische Bildforschung, 2003; Rak, C., Krieg,
Nation und Konfession, 2004; Kriegsniederlagen, hg. v. Carl, H., 2004; Luh, J.,
Kriegskunst in Europa, 2004; Fuchs, S., Vom Segen des Krieges, 2004; The
Cambridge History of Warfare, hg. v. Parker, G., 2005; Chaniotis, A., War in
the Hellenistic World, 2005; Krieg – Gesellschaft – Institutionen, hg. v.
Meißner, B. u. a., 2005; Prietzel, M., Kriegführung im Mittelalter, 2006;
Prietzel, M., Krieg im Mittelalter, 2007; Stöver, B., Der kalte Krieg, 2007;
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des Krieges – von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Beyrau, S. u. a., 2007;
Flaig, E., Heiliger Krieg, HZ 285 (2007), 265; Zeillinger, G., Lebensformen im
Krieg, 2007; Klesmann, B., Bellum solemne, 2007; Toppe, A., Militär und
Kriegsvölkerrecht, 2008; Der siebenjährige Krieg, hg. v. Externbrink, S.,
2008; Kriegskosten und Kriegsfinanzierung in der Antike, hg. v. Burrer, F. u.
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Schreiner, K., 2008; Krieg, Militär und Migration in der frühen Neuzeit, hg. v.
Asche, M. u. a., 2008; Kortüm, H., Der Krieg im Mittelalter, 2009; Heuser, B.,
Den Krieg denken, 2009; Dieckie, I. u. a., Geschichte der Seekriege, 2010;
Sidebottom, H., Der Krieg in der antiken Welt, 2008; Clauss, M.,
Kriegsniederlagen im Mittelalter, 2010; Kortüm, H., Kriege und Krieger, 2010;
Die Kriege des 20. Jahrhunderts, hg. v. Black, J., 2010; Berger, D., Krieg und
Völkerrecht am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 2010; Imperialkriege von
1500 bis heute, hg. v. Bührer, T. u. a., 2011; Emmerich, A., Der Kalte Krieg,
2011; Urban, W., Matchlocks to Flintlocks, 2011; Rechtsprechung zur Bewältigung
von Kriegsfolgen, hg. v. Jörn, N., 2012; Schuirmann, J., Rahmenbedingungen der
medialen Kriegsberichterstattung, 2012: Parrott, D., The Business of War, 2012;
Tischer, A., Offizielle Kriegsbegründungen in der frühen Neuzeit, 2012; Bönker,
D., Militarism in a Global Age, 2012; Bachrach, D., Warfare in Tenth-Century
Germany, 2012; Airy Curtains in the European Ether - Broadcasting and the Cold
War, hg. v. Badenoch, A. u. a., 2013; Kleinschmidt, H., Diskriminierung durch
Vertrag und Krieg, 2013; Karsten, A., Große Seeschlachten, 2013; Heuser, B.,
Rebellen – Partisanen – Guerilleros, 2013; Hüppauf, B., Was ist Krieg?, 2013;
Woodard, R., Myth, Ritual and the Warrior in Roman and Indo-European Antiquity,
2013; Kramp, M., 1914 – Vom Traum zum Albtraum – Köln und der Beginn des
Bombenkriegs in Europa, 2014; Brock, T., Archäologie des Krieges – Die
Schlachtfelder der deutschen Geschichte, 2015; Martines, L., Blutiges Zeitalter
– Europa im Krieg 1450-1700, 2015; Kruse, V., Kriegsgesellschaftliche Moderne,
2015; Krieg – eine archäologische Spurensuche, hg. v. Meller, H., 2015; Buc,
P., Heiliger Krieg – Gewalt im Namen des Christentums, 2015; Deißler, S.,
Eigendynamische Bürgerkriege, 2015; JMünkler, H., Kriegssplitter – Die
Evolution der Gewalt im 20. und 21. Jahrhundert, 2015; Jentzsch, C., Der
Seekrieg 1914-1918, 2016; Krieg – eine archäologische Spurensuche, 2016;
Gehrig, S., Recht im Kalten Krieg, HZ 303 (2016),64; Busam, K.,
Kriegsfolgenbewältigung in der Rechtsprechung, 2017; Creveld, M. van, More on
War, 2017
Kriegsartikel sind in der Neuzeit kriegsherrliche
Gebote für die Soldaten (Schweden 1632, Brandenburg 1656, Österreich 1808). Im
19. Jh. tritt das Militärstrafgesetzbuch teilweise an die Stelle der K.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen
Kriegsrechts, 1848; Weisl, E., Heeresstrafrecht, 1892
Kriegsbefestigung oder Streitbefestigung ist die
deutsche Bezeichnung für die (lat.) →litis contestatio (F.) des
(römischen) Verfahrensrechts.
Kriegsentschädigung ist die Entschädigung des Siegers
eines Krieges durch den Besiegten wegen der erlittenen Schäden. Ansätze hierzu
kennen Altertum und Mittelalter. Francisco de Vitoria (vor 1546) und Hugo
→Grotius (1624) erlauben die K. durch Beutemachen. Seit dem 18. Jh.
enthalten Friedensverträge häufig eine Verpflichtung zu einer K. (Reparation).
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Kriegserklärung ist die Erklärung eines Krieges
durch einen Staat gegenüber einem anderen Staat. Sie findet sich schon im
Altertum und im Mittelalter, ohne als stets notwendig angesehen zu werden. 1907
wird die K. als verpflichtend festgelegt.
Lit.: Steinbein, A., Die Form der Kriegserklärung,
Diss. jur. Straßburg, 1917; Müller, K., Zur Reichskriegserklärung im 17. und
18. Jahrhundert, ZRG GA 90 (1973), 246; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte,
1994, 2. A. 2007
Kriegsgefangener ist der in einem Krieg in die
Gefangenschaft des Gegners geratene Mensch. Ursprünglich ist er Feind bzw.
Beute und damit weitgehend rechtlos. Erst seit dem späteren 18. Jh. entwickeln
sich Rechte des Kriegsgefangenen (Preußen-Amerika 1785, Genf 1864). Die Haager
Landkriegsordnung (29. 7. 1899) sichert dem Kriegsgefangenen rechtmäßiges Verhalten
zu, was durch das Genfer Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenschaft
vom 26. 7. 1929 noch entschiedener gesichert wird (abgeändert durch das Genfer
Abkommen vom 12. 8. 1949).
Lit.: Kaser §§ 15 II, 58 VII; Knorr, W., Das Ehrenwort
Kriegsgefangener, 1916; Scheidl, F., Die Kriegsgefangenen, 1943; Hinz, J., Das
Kriegsgefangenenrecht, 1955; Contamine, P., La guerre au Moyen Age, 3. A.
1992; In der Hand des Feindes, hg. v. Overmans, R., 1999; Hilger, A., Deutsche
Kriegsgefangene in der Sowjetunion 1941-1956, 2000; Hinz, U., Gefangen im
Großen Krieg, 2006; Kriegsgefangene im Europa des ersten Weltkrieges, hg. v.
Oltmer, J., 2006; Scherstjanoi, E., Wege in die Kriegsgefangenschaft, 2010
Kriegsgericht ist das besondere Gericht für
Soldaten, später das für Straftaten der Soldaten während eines Krieges
zuständige Gericht. Zu Beginn der Neuzeit erscheint bei den Landsknechten ein
besonderes Gericht des Kriegsschultheißen und zwölfer Landsknechte. Im 17. Jh.
treten Juristen in dieses Truppengericht ein. In der Folge wird ein stärker
verrechtlichtes K. entwickelt (z. B. Schweden 1632, Deutsches Reich, Militärstrafgerichtsordnung
1898), das jedoch entarten kann (z. B. zwischen 1933 und 1945 im Deutschen
Reich).
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechts,
1848; Dangelmaier, E., Geschichte des Militärstrafrechts, 1891; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg
1967; Steinkamm, E., Die Wehrstrafgerichtsbarkeit im Grundgesetz, Diss. jur.
Würzburg 1972
Kriegsministerium ist die in Österreich 1848 nach Übergang zum
Ministerialsystem aus dem 1556 gebildeten Hofkriegsrat entstehende Behörde,
die 1867 trotz getrennter Landesverteidigungsministerien in der pragmatischen
Angelegenheit des Kriegswesens für den gesamten Staat Österreich-Ungarn
zuständig blieb.
Lit.: Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten, 2001
Kriegsrecht ist einerseits die Gesamtheit der
(erst zu Beginn des 20. Jh.s eindeutig festgelegten) völkerrechtlichen, im Krieg
zwischen den Beteiligten geltenden Rechtssätze und andererseits die Gesamtheit
der innerstaatlichen, für den Kriegszustand abgeänderten Rechtssätze.
Lit.: Friccius, C., Geschichte des deutschen Kriegsrechtes,
1848; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Ritter-Döring, V.,
Zwischen Normierung und Rüstungswettlauf. Die Entwicklung des Seekriegsrechts
1856-1914. 2014
Kriegsverbrechen ist das während eines Krieges
begangene Verbrechen. Seit dem deutsch-französischen Krieg der Jahre 1870/1871
befassen sich Rechtswissenschaftler mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen,
wobei Gustave Moynier als Präsident des internationalen Komitees vom roten
Kreuz 1872 vergeblich die Errichtung eines internationalen Gerichtshofs
vorschlägt. Die Genfer Konvention des Jahres 1906 enthält in Art. 28 eine
Verpflichtung zum Erlass nationaler einschlägiger Strafbestimmungen. Zwecks
Verfolgung Deutscher verfügt Art. 227 des Versailler Friedensvertrags nach dem
ersten Weltkrieg die Einsetzung eines besonderen Gerichtshofs, doch gelangt der
Artikel (samt Auslieferungsbegehren gegen 890 Angeschuldigte) nicht zur
Ausführung und werden vor dem Reichsgericht in Leipzig insgesamt nur vier
Angeklagte wegen K. verurteilt (7 Freisprüche). Im zweiten Weltkrieg könnten
sich vielleicht 5 Prozent der 10 Millionen deutschen Soldaten an K. beteiligt
haben. Ab 1945 (Londoner Charta vom 8. August 1945) werden internationale
Kriegsverbrecherprozesse in Deutschland (36000 Ermittlungsverfahren gegen mehr
als 170000 Beschuldigte, Strafverfahren gegen 106178 Beschuldigte mit 6494
rechtskräftigen Verurteilungen [172 wegen Mordes] und 486 Hinrichtungen) und
Japan (1946, 1948), seit 1993 (nach Auflösung der Sowjetunion) mit geringem
Erfolg) Kriegsverbrecherprozesse wegen K. im jugoslawischen Bürgerkrieg und
seit 1996 im ruandischen Bürgerkrieg durchgeführt. 1998 wird von vielen
Staaten vor allem für Völkermord ein internationaler Strafgerichtshof (in Den
Haag) vereinbart, dessen Statut aber bisher von den Vereinigten Staaten von
Amerika und China nicht unterzeichnet ist
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Kriegsverbrechen
in Europa und im nahen Osten im 20. Jahrhundert, hg. v. Seidler, F. u. a.,
2002; Hankel, G., Die Leipziger Prozesse, 2003; Wiggenhorn, H.,
Verliererjustiz, 2005; Segesser, D., Recht statt Rache oder Rache durch Recht?,
2010; Scheffer, D., All the Missing Souls, 2012; Hong Kong’s War Crimes Trials,
hg. v. Linton, S., 2013
Kriegsverfahren ist das im Krieg anzuwendende
Militärstrafverfahren. Für dieses wird 1898 im Deutschen Reich die
Militärstrafgerichtsordnung geschaffen, die 1934 abgeändert und 1938
(Kriegsstrafverfahrensordnung) erheblich vereinfacht wird.
Lit.: Marck, H. v., Der Militärstrafprozess in Deutschland,
Bd. 1 1893; Dombrowski, H., Kriegsstrafrecht, 6. A. 1944; Block, J., Die
Ausschaltung und Beschränkung der deutschen ordentlichen
Militärgerichtsbarkeit, Diss. jur. Würzburg 1967
Kriegswirtschaftsrecht ist das im Krieg geltende
Wirtschaftsrecht, das z. B. die knappen Güter rationiert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
kriminal (die Straftat betreffend, z. B.
Österreich 1788 Allgemeine Kriminalgerichtsordnung, Preußen 1805 Kriminalordnung)
Lit.: Bellmann, E., Die internationale
kriminalistische Vereinigung (1889-1933), 1994; Gschwend, L., Nietzsche und die
Kriminalwissenschaften, 1999
Kriminalistik (Verbrechenskunde)
Lit.: Fallanalyse und Täterprofil, hg. v. Hoffmann, J. u. a., 2003;
Becker, P., Dem Täter auf der Spur, 2005
Kriminalität ist die Begehung von Straftaten
(Straffälligkeit). Sie setzt eine Bestimmung von Straftaten voraus. Seitdem ist
jeder Verstoß gegen ein Straftatverbot grundsätzlich K. Die rechtstatsächliche
Erfassung der soziologisch immer bedeutenderen K. ist Gegenstand der
historischen Kriminologie (Verbrechenskunde). Während des Modernisierungsvorgangs
des 19. Jh.s steigt die K. in den industriellen Ballungsgebieten (z. B. in
Baden) deutlich an. Frauen treten bisher erkennbar seltener kriminell hervor
(am ehesten Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte, Aussagedelikte).
Lit.: Lipowsky, F., Geschichte des baierischen Kriminalrechtes,
1803; Quetelet, A., Sur l´homme, 1835; Bader, K., Soziologie der deutschen
Nachkriegskriminalität, 1949; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des
römischen Kriminalverfahrens, 1962; Peitzsch, W., Kriminalpolitik in Bayern,
1968; Mechler, K., Studien zur Geschichte der Kriminalsoziologie, Kriminolog.
Studien 5 (1970); Hartl, F., Das Wiener Kriminalgericht, 1973; Blasius, D.,
Bürgerliche Gesellschaft und Kriminalität, 1976; Blasius, D., Kriminalität und
Alltag, 1978; Freiburg, A., Kriminalität in der DDR, 1981; Blasius, D.,
Geschichte der politischen Kriminalität in Deutschland, 1988; Wehner, B., Vom
Rechtsstaat ins Desaster, (in) Kriminalistik 1989, 335; Verbrechen, Strafen und
soziale Kontrolle, hg. v. Dülmen, R. van, 1990; Schwerhoff, G., Köln im
Kreuzverhör, 1991; Jütte, R., Geschlechtsspezifische Kriminalität im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit, ZRG GA 108 (1991), 86; Melchers, A.,
Kriminalistik im 19. Jahrhundert, 1992 (Diss.); Lange, K., Gesellschaft und
Kriminalität, 1994; Roth, A., Kriminalitätsbekämpfung in deutschen Großstädten
1850-1914, 1996; Schüßler, M., Quantifizierung, ZRG GA 113 (1996), 247, ZRG GA
116 (1999), 482; Blastenbrei, P., Kriminalität in Rom 1560 – 1585, 1995; Frank,
M., Dörfliche Gesellschaft und Kriminalität, 1995; Von Huren und Rabenmüttern,
hg. v. Ulbricht, O., 1995; Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus und
Rechtstheorie, ZRG GA 113 (1996), 246; Wagner, P., Volksgemeinschaft ohne
Verbrecher, 1996; Eibach, J., Kriminalitätsgeschichte, HZ 263 (1996) 681;
Kolmer, L., Gewalttätige Öffentlichkeit, ZRG GA 114 (1997), 261; Schwerhoff,
G., Aktenkundig und gerichtsnotorisch, 1999; Kriminalität und abweichendes
Verhalten, hg. v. Berding, H. u. a., 1999; Kriminalitätsgeschichte, hg. v.
Blauert, A. u. a., 1999; Shore, H., Artful Dodgers, 1999; Oberwittler, D., Von
der Strafe zur Erziehung?, 2000; Wetzell, R., Inventing the Criminal, 2000;
Schuster, P., Eine Stadt vor Gericht, 2000; Mord und andere Kleinigkeiten, hg.
v. Freitag, S. u. a., 2001; Scheutz, M., Alltag und Kriminalität, 2001; Becker,
M., Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft im Königreich Württemberg, 2001;
Hohlfeld, N., Moderne Kriminalbiologie, 2002; Unrecht und Recht. Kriminalität
und Gesellschaft von 1500-2000. Gemeinsame Landesausstellung der
rheinland-pfälzischen und saarländischen Archive. Ausstellungskatalog, hg. v.
Borck, H., 2002; Vec, M., Die Spur des Täters, 2002; Eibach, J., Frankfurter
Verhöre, 2003; Kriminalität und Gesellschaft in Spätmittelalter und Neuzeit,
hg. v. Matheus, M. u. a., 2003; Kertelhein, Arne, Alltag und Kriminalität,
2003; Krause, J., Kriminalgeschichte der Antike, 2004; Fritz, G., Eine Rotte
von allerhandt rauberischem Gesindt, 2004; Friedländer, H., Interessante Kriminalprozesse,
2005 (CD-ROM); Moses, A., Kriminalität in Baden im 19. Jahrhundert, 2006;
Lindner, A., 100 Jahre Frauenkriminalität, 2006; Repräsentation von Kriminalität
und öffentlicher Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009; Kraus, D.,
Kriminalität und Recht in frühneuzeitlichen Nachrichtendrucken, 2013;
Kriminelle – Freidenker – Alchemisten, hg. v. Mulsow, M., 2014; Koblbauer, S.,
Unterschichtenkriminalität, 2015 (Fränkischer Reichskreis)
Kriminalpolizei
Lit.: Wagner, P., Hitlers Kriminalisten, 2002
Kriminologie (F.) Verbrechenskunde
Lit.: Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des
Verbrechens, 1951; Rode, C., Kriminologie in der DDR, 1996; Wetzell, R.,
Inventing the Criminal, 2000; Becker, P., Verderbnis und Entartung. Eine
Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts, 2002; Müller, C.,
Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat, 2004; Galassi, S., Kriminologie im
deutschen Kaiserreich, 2004; Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004;
Baumann, I., Dem Verbrechen auf der Spur, 2006; Mayenburg, D. v., Kriminologie
und Strafrecht zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, 2006; Vormbaum,
T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte 8
(2006/2007), 221ff.; Freitag, S., Kriminologie in der Zivilgesellschaft, 2013
Kristallnacht →Reichskristallnacht
Kroatien (Kroatien-Slawonien) ist die Landschaft zwischen Donau,
Drau und Adria sowie Serbien, die seit dem 7. Jh. von Südslawen (Kroaten)
besiedelt wird. Das 845 selbständige K. kommt 1102 in Personalunion an Ungarn
und damit 1526 an →Österreich. 1849 wird K. (mit Fiume, Küstenland und
Slowenien) dort Kronland, das 1867 Ungarn zugeteilt wird (1868 kroatischer
Ausgleich zwischen Ungarn und Kroatien-Slawonien in subdualistischer Form).
1918 wird K. Teil →Jugoslawiens, von dem es sich 1991 löst. 2011 wird die
Aufnahme Kroatiens in die Europäische Union zum 1. 7. 2013 vereinbart.
Lit.: Gazi, S., A history of Croatia, 1973; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 4,5,331; Sanjek, F., Crkva i krscanstvo u
Hrvata, 1988; Gavella, N., Die Rolle des ABGB in der Rechtsordnung Kroatiens,
ZEuP 1994, 603; Bär, S., Der Zerfall Jugoslawiens, 1995; Steindorff, L.,
Kroatien, 2001; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001; Weber, J.,
Kroatien, 2002; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Krone ist ein aus Metall gefertigter
Stirnreif, der als Sinnbild der Würde und Macht eines Fürsten verwendet wird.
Die K. findet sich früh in vorderasiatischen Königreichen. In Rom ist
vielleicht der Lorbeerkranz der Ausgangspunkt. Die deutsche Königskrone vom
ausgehenden Frühmittelalter wird bis 1796 als Teil der Reichskleinodien in
Nürnberg verwahrt, von wo aus sie vor den Wirkungen der französischen
Revolution nach Wien verbracht wird.
Lit.: Hadwich, R., Die rechtssymbolische Bedeutung von
Hut und Krone, 1952; Machetanz, G., Deutsche Königskrone und römische
Kaiserkrone, Diss. jur. Göttingen 1954; Schramm, P., Herrschaftszeichen und
Staatssymbolik, Bd. 2 1955; Biehn, H., Die Kronen Europas, 1957; Corona regni,
hg. v. Hellmann, M., 1961; Staats, R., Theologie der Reichskrone, 1976; Staats,
R., Die Reichskrone, 1991; Schulze-Dörrlamm, M., Die Kaiserkrone Konrads II.
(1024-1039), 1991; Wolf, G., Die Wiener Reichskrone, 1995; Büttner, A., Der Weg
zur Krone, 2012
Krone der rechten Wahrheit
Lit.: Carstens,
W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen Siebenhardenbeliebung,
Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 65, 368
Krongut →Königsgut
Kronkardinal ist der seit dem Hochmittelalter
auf Vorschlag eines weltlichen Herrschers vom Papst ernannte Kardinal.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972
Kronland ist in Österreich zwischen 1849 und
1860 das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum Salzburg, das Herzogtum Steiermark,
das Königreich Illyrien (Kärnten, Krain, Görz, Gradiska, Istrien, Triest), die
Grafschaft Tirol (mit Vorarlberg), das Königreich Böhmen, die Markgrafschaft
Mähren, das Herzogtum Schlesien, das Königreich Galizien und Lodomerien
(Auschwitz, Zator, Kakau), das Herzogtum Bukowina, das Königreich Dalmatien,
das Königreich Kroatien, das Königreich Slawonien, das Königreich Ungarn, das
Großfürstentum Siebenbürgen, die Gesamtheit der Militärgrenzbezirke und das
lombardisch-venetische Königreich.
Lit.: Huber, H./Dopsch, A., Österreichische
Reichsgeschichte, 2. A. 1901, Neudruck 1968
Kronprinz ist der als Thronfolger in Aussicht
genommene Prinz.
Kronprinzenprozess ist der 1730 gegen den Kronprinzen
Friedrich (II.) von Preußen wegen eines Fluchtversuches geführte, wegen
Unzuständigkeitserklärung des Gerichts ohne Strafausspruch gebliebene Prozess.
Lit.: Henrichs, C., Der Kronprinzenprozess, 1936
Krönung ist das Aufsetzen der →Krone
zum Zeichen eines Herrschaftsantritts. Die K. beginnt im fränkischen Reich
vielleicht mit Pippin III. (751)?.
Lit.: Werminghoff, A., Ein Tractatus de coronatione,
ZRG GA 24 (1903), 380; Schreuer, H., Über altfranzösische Krönungsordnungen,
ZRG GA 30 (1909), 142; Buchner, M., Zur Datierung und Charakteristik
altfranzösischer Krönungsordnungen, ZRG GA 31 (1910), 360; Schreuer, H., Noch
einmal über altfranzösische Krönungsordnungen, ZRG GA 32 (19119, 1; Schreuer,
H., Die rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung, 1911;
Buchner, M., Nochmals die Krönungsordnung Ludwigs VII. von Frankreich, ZRG GA
33 (1912), 328; Schiffers, H., Die deutsche Königskrönung, 1936; Bouman, C.,
Sacring and crowning, 1957; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter,
1972; Coronations, hg. v. Bak, J., 1990; Cavina, M., Imperator Romanorum
triplici corona coronatur, 1991; Ordines coronationis Franciae, hg. v. Jackson,
R., Bd. 1f. 1995ff.; Bronisch, A., Krönungsritus und Kronenbrauch im
Westgotenreich, ZRG 116 (1999), 37; Krönungen, hg. v. Kramp, M., 2000;
Investitur- und Krönungsrituale, hg. v. Steinicke, M. u. a., 2004; Zey, C.,
Imperatrix, si venerit Romam, DA 60 (2004), 1; Wahl und Krönung in Zeiten des
Umbruchs, hg. v. Pelizaeus, L., 2008
Kronvasall ist der mit →Königsgut vom
→König bzw. von der Krone belehnte →Lehnsmann.
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972
Kronzeuge ist im angloamerikanischen Recht
ein Zeuge der (die Krone bzw. den Staat vertretenden) Anklage, der an der Tat
beteiligt war, aber für seine Aussage Strafmilderung oder Straffreiheit erhält.
Am Ende des 20. Jh.s wird der K. bedingt auch in Deutschland (kurzfristig bis
1999 und tatsächlich selten von Bedeutung) und Österreich in das
Strafverfahrensrecht aufgenommen.
Lit.: Röhrkasten, J., Die englischen Kronzeugen, 1990;
Mühlhoff, U./Mehrens, S., Das Kronzeugengesetz, 1999
Krummstab ist der bereits bei Isidor von
Sevilla (vor 639) bezeugte (oben gekrümmte) Stab des Bischofs.
Lit.: Lind, K., Über den Krummstab, 1863; Bauerreiß,
R., Abtsstab und Bischofsstab, Stud. u. Mitt. z. G. d. Benediktinerordens 68
(1957), 215
KSZE →Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa
Lit.: Der KSZE-Prozess, Vom Kalten Krieg zu einem
neuen Europa 1975 bis 1990, hg. v. Altrichter, H. u. a., 2011
Kues →Nikolaus von Kues
Lit.: Die Urkunden des St. Nikolaus-Hospitals in
Bernkastel-Kues an der Mosel, hg. v. Kortenkamp, G., 2004; Hensel-Grobe, Das
St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007
k. u. k.
(kaiserlich und königlich, Österreich 1867, pragmatische Angelegenheiten)
→k. k.
Kulm (Culm) ist der Mittelpunkt eines Bistums und Landes in
Preußen (1366 Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v.,
Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen, 1891; Brünneck, W.
v., Zur Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; 750 Jahre Kulm
und Marienwerder, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983; Willoweit, D., Verbrechen und
Verfestung im Spiegel der Kulmer Gerichtsbücher, ZRG GA 133 (2016), 488
Kulm (der alte K.) ist das in der zweiten Hälfte des 14.
Jh.s in Kulm aus einer um wenige Zusätze vermehrten Form des Breslauer
Stadtrechts (Magdeburg-Breslauer systematisches Schöffenrecht) durch Auslassungen,
Artikelversetzungen und Hinzufügung von Magdeburger Schöffenurteilen für Kulm
und von Stücken aus dem Schwabenspiegel gewonnene, in fünf Bücher geteilte
Rechtsbuch. →Kulmer Handfeste, Landläufige kulmische Rechte
Lit.: Laband, P., Das Magdeburg-Breslauer
Systematische Schöffenrecht, 1863; Lohmeyer, Über eine neue Handschrift des
alten Kulm, ZRG GA 3 (1882), 197; Kisch, G., Die Kulmer Handfeste, 1978; Ebel,
F., Kulmer Recht, (in) 750 Jahre Kulm, hg. v. Jähnig, B. u. a., 1983, 9;
Sondel, J., Studia nad prawem rzyskim w ius Culmense, 1984; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50; Ebert, I., 600 Jahre
alter Kulm, (in) Ostdeutsche Gedenktage 1994, 1993, 241; Janicka, D., Prawo
karne w trzech rewizjach prawa chelminskiego z 16 wieku, 1992; Rymaszewski, Z.,
Nieznany spis prawa chełmińskiego z przełomu XIV-XV wieku (Das
bisher unbekannte kulmische Rechtsbuch aus der Wende des 14. zum 15.
Jahrhundert), 1993
Kulmer Handfeste ist die am 28. 12. 1233 (?) vom
Hochmeister des Deutschen Ordens und vom Landmeister Preußens den Städten Kulm
(1232) und Thorn (1231) verliehene Urkunde, welche die Grundlage der
Rechtsentwicklung im Einflussgebiet des Deutschen Ordens wird. Sie umfasst 24
Artikel. Sie betreffen die Rechtsverhältnisse der Ansiedler. Ihr folgen jüngere
Gerichtsbücher.
Lit.: Kretzschmer, J., Die Culmische Handfeste, 1892;
Kisch, G., Studien zur Kulmer Handfeste, ZRG GA 50 (1930), 180; Kisch, G., Die
Kulmer Handfeste, 1931; Willoweit, D., Die Kulmer Handfeste, Beitr. z. G.
Westpreußens 9 (1985), 5; Das Kulmer Gerichtsbuch 1330-1430, hg. v. Lückerath,
C./Benninghoven, F., 1999
Kulpakompensation ist im neuzeitlichen gemeinen Recht
die Berücksichtigung des Mitverschuldens im Wege einer Aufrechnung, die zum
Verlust des Ersatzanspruchs führt.
Lit.: Köbler, DRG 214
Kultur (F.) Bearbeitung, Ausbildung,
Daseinsgestaltung
Lit.: Das Fest, hg. v. Schultz, U., 1988; Kultur und
Staat in der Provinz, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 1992; Kulturgeschichte
heute, hg. v. Hardtwig, W. u. a., 1996; Wehler, H., Die Herausforderung der
Kulturgeschichte, 1998; Kittler, F., Eine Kulturgeschichte der
Kulturwissenschaft, 1999; Kulturwissenschaft, hg. v. Appelsmeyer, H. u. a.,
2001; Gassert, M., Kulturtransfer durch Fernhandelskaufleute, 2001; Hartmann,
P., Kulturgeschichte des Heiligen römischen Reiches 1648 bis 1806, 2001;
Müller, R., Die Entdeckung der Kultur, 2003; Handbuch der Kulturwissenschaften,
hg. v. Jaeger, F. u. a., 2004; Landwehr, A./Stockhorst, S., Einführung in die
europäische Kulturgeschichte, 2004; Übergänge und Verflechtungen, hg. v.
Kokorz, G. u. a., 2004; Vietta, S., Europäische Kulturgeschichte, 2005; Burke,
P., Was ist Kulturgeschichte?, 2005; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des
20. Jahrhunderts, 2006; Maurer, M., Alte Kulturgeschichte – Neue Kulturgeschichte,
HZ 280 (2005), 281; Hermand, J., Deutsche Kulturgeschichte des 20.
Jahrhunderts, 2006; Assmann, A., Einführung in die Kulturwissenschaft, 2006, 3.
A. 2011; Zwischen Kult und Gesellschaft, hg. v. Nielsen, I., 2006;
Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft?, hg. v. Senn, M., 2007Wagner, M.,
Europäische Kulturgeschichte, 2008; Kulturgeschichte, hg. v. Tschopp, S.,
2008; Kraus, H., Kultur, Bildung und Wissenschaft im 19. Jahrhundert, 2008;
Landwehr, A., Kulturgeschichte, 2009; Tschopp, S., Die neue Kulturgeschichte,
HZ 289 (2009), 573; Bringmann, K., Kleine Kulturgeschichte der Antike, 2011;
Brunner, K., Kleine Kulturgeschichte des Mittelalters, 2012; Zwischen Konflikt
und Kooperation – Praktiken der europäischen Gelehrtenkultur (12.-17.
Jahrhundert), hg. v. Boer, J. de u. a., 2016; Ferreira, R., Cross-Cultural
Exchange in the Atlantic World, 2012; Föllmer, M., „Ein Leben wie im Traum“ -
Kultur im Dritten Reich, 2016; Mankowski, P., Rechtskultur, 2016; Müller, S.,
Kultur in Deutschland, 2016; Streitfall Evolution – Eine Kulturgeschichte, hg.
v. Schwarz, G., 2017; Welt-kult-ur-sprung, hg. v. Hiller, G./Kölbl, S., 2017
(in vier Höhlen des Achtals und Loenetal vor 40000 Jahren); Assmann, J.,
Achsenzeit, 2018 (um 500 v. Chr.)
Kulturkampf ist der politische Kampf zwischen
dem liberalen →Staat und der katholischen →Kirche (Papst Pius IX.
1846-1878) um die Säkularisierung von Staat und Gesellschaft (Badener Artikel
1834, Aargauer Klostersturm 1841, Baden 9. 10. 1860, Bayern 1868 Abschaffung
der geistlichen Schulaufsicht, Österreich 1870 Kündigung des Konkordats,
Deutsches Reich 10. 12. 1871 Kanzelparagraph, 4. 7. 1872 Ausweisung der
Jesuiten, Preußen 11. 3. 1872 Gesetz über die staatliche Schulaufsicht). 1873
erlegen die vier sog. Maigesetze der Kirche staatliche Kontrolle auf. Am 6. 2.
1875 wird die obligatorische Zivilehe eingeführt. Unter Papst Leo XIII. kommt
es seit 1880 zu einer Beruhigung und schließlich bis 1887 zu einem beiderseits
annehmbaren Ausgleich.
Lit.: Köbler, DRG 172, 209; Baltl/Kocher; Heckel, J.,
Die Beilegung des Kulturkampfes in Preußen, ZRG KA 19 (1930), 215; Bornkamm,
H., Die Staatsidee im Kulturkampf, 1950; Schmidt-Volkmar, E., Der Kulturkampf
in Deutschland 1871-1890, 1962; Becker, J., Liberaler Staat und Kirche in der
Ära von Reichsgründung und Kulturkampf, 1975; Der Kulturkampf in Italien und in
den deutschsprachigen Ländern, hg. v. Lill, R. u. a., 1993; Der Kulturkampf,
hg. v. Lill, R., 1997; Ross, R., The Failure of Bismarck’s Kulturkampf, 1998;
Ruppert, S., Kirchenrecht und Kulturkampf, 2002
Kummer ist im Mittelalter die Bezeichnung
für →Arrest. Der K. entwickelt sich vielleicht im Frühmittelalter aus dem
Verfahren bei handhafter Tat. Der Gläubige kann den flüchtigen, später auch
schon den nur fluchtverdächtigen Schuldner festnehmen bzw. seine
Vermögensstücke beschlagnahmen, um dadurch die Rechtsverweigerung zu
verfolgen, später auch um die Erfüllung der Ansprüche zu sichern. Durch die
spätmittelalterliche Wissenschaft wird die rechtliche Behandlung des Kummers
unter italienischem Einfluss verfeinert.
Lit.: Köbler, DRG 116; Wach, A., Der Arrestprozess,
1868, Neudruck 1973; Planitz, H., Grundlagen des deutschen Arrestprozesses,
1922
Kündigung (1328, Kündigungsfrist 1863) ist die einseitige, auf die
Beendigung eines Schuldverhältnisses (Dauerschuldverhältnisses) gerichtete
Willenserklärung. Dem römischen Recht scheint sie nicht eigen zu sein.
Vielleicht ist sie beim Darlehen entstanden. Ihre Verallgemeinerung erfolgt
erst in der Neuzeit.
Lit.: Kaser §§ 42 II 5, 43 I 4, 44 I 3; Immerwahr, W.,
Die Kündigung, 1898; Molitor, E., Zur Entwicklung des Kündigungsrechts, FS E.
Heymann, 1931, 349; Römermann, M., Kündigungen und Kündigungsschutz im
Franquismus, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Rödel, L., Das Kündigungsrecht des Vermieters, 2011; Maier, H., Die württembergische Gewerbe- und
Kaufmannsgerichtsbarkeit und insbesondere deren Rechtsprechung zur fristlosen
Kündigung aus wichtigem Grund, 2015
Kündigungsschutz ist der gesetzliche Schutz gegen
die →Kündigung. Der K. gehört dem 20. Jh. an, in dem die schrankenlose
Freiheit aus sozialen Gründen eingeengt wird. Er findet sich hauptsächlich im
Mietrecht und im Arbeitsrecht. Im Arbeitsrecht schreibt das deutsche
Kündigungsschutzgesetz vom 10. 8. 1951 für die Kündigung eine soziale
Rechtfertigung vor.
Lit.: Köbler, DRG 273; Kroeschell, 20. Jh.; Welslau,
A., Befristete Arbeitsverhältnisse und Kündigungsschutz, Diss. jur. Bielefeld,
1998; Kaiser, C., Kündigungsschutz ohne Prinzip, 2005; Römermann, M.,
Kündigungen und Kündigungsschutz im Franquismus, 2007; Kimmich, M., Die Kleinbetriebsklausel,
2009
Kunkelmage ist im mittelalterlichen deutschen
Recht die weibliche Verwandte.
Lit.: Hübner
Künßberg, Eberhard Frhr. v. (Porohy 28. 2.
1881-Heidelberg 3. 5. 1941), Forstmeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Wien Mitarbeiter des Deutschen Rechtswörterbuchs (1911) in Heidelberg und 1929
Honorarprofessor.
Lit.: Künßberg, E., Frhr. v., Der Wortschatz des
österreichischen ABGB, 1930; Künßberg, E., Frhr. v., Rechtliche Volkskunde,
1936, Nachruf ZRG GA 62 (1942), XLIII (Fehr, Hans); Schorsch, R., Eberhard
Georg Otto Freiherr von Künßberg, 2010
Kunst ist die Hervorbringung eines von
Menschen anerkannten Werkes.
Lit.: Fehr, H., Kunst und Recht, Bd. 1ff. 1923ff.;
Wohlhaupter, E., Dichterjuristen, Bd. 1ff. 1953ff.; Becker, E., Das Recht im
„Parzival“, Diss. jur. Bonn 1956; Combridge, R., Das Recht im Tristan
Gottfrieds von Straßburg, 1959; Müller, J., Die Rechts- und Staatsauffassung
Heinrichs von Kleist, 1962; Pensel, F., Rechtsgeschichtliches und
Rechtssprachliches im epischen Werk Hartmanns von Aue und im Tristan Gottfrieds
von Straßburg, Diss. phil. Berlin (HU) 1961; Mittler, E., Das Recht in Heinrich
Wittenwilers „Ring“, 1967; Langer, A., Zu den Quellen des Rechtsdenkens bei
Adalbert Stifter, 1968; Hoffmann, E. T. A., Juristische Arbeiten, hg. v.
Schnapp, F., 1973; Becker, K., Amors Urteilssprüche, 1991; Canisius-Loppnow,
P., Recht und Religion im Rolandslied des Pfaffen Konrad, 1992; Just, R., Recht
und Gnade in Heinrich von Kleists Schauspiel Prinz Friedrich von Homburg, 1993;
Sellert, W., Recht und Gerechtigkeit in der Kunst, 1993; Wambach, L., Die
Dichterjuristen des Expressionismus, 2002; Geschichte der deutschen Kunst, hg.
v. Klotz, H. u. a., Bd. 1ff. Sonderausgabe 2003; Meid, V., Metzler Literatur
Chronik, 3. A. 2006; Hölscher, T., Die griechische Kunst, 2007 (und 11 ähnliche
Bände zu anderen Kunstepochen); Die Kunst der Mächtigen und die Macht der
Kunst, hg. v. Oevermann, U. u. a. 2007; Handbuch Kunst und Recht, hg. v.
Hoeren, T. u. a., 2008; Kloepfer, M., Dichtung und Recht, 2008; Miederhoff, T.,
Man erspare es mir, mein Juristenherz auszuschütten, 2008 (Tucholsky); Braun,
J., Kunstprozesse, 2. A. 2009; Schneider, N., Historienemalerei, 2010; Pippl, M.,
Kunst des Mittelalters, 3. A. 2010; Iselt, K., Sonderbeauftragter des Führers,
2010; Sprecher, T., Literatur und Verbrechen, 2011; Bünnigmann, K., Die
„Esra“-Entscheidung, 2013; Michael G. Berolzheimer, hg. v. Berolzheimer, M.,
2014; Pieroth, B., Recht und Literatur, 2015; Clouzot, M., Musique, Folie et
Nature au Moyen Âge, 2015; Keazor, H., Täuschend echt!, 2015; Schäfke, W.,
Kunsthaus Lempertz, 2016; Höhlen, Kultplätze, sakrale Kunst, hg. v. Bosinski,
G. u. a., 206
Kunstfälscher ist der Fälscher eines Kunstwerks.
Seit dem 15. Jh. und insbesondere seit dem ausgehenden 18. Jh. wird er
verstärkt bekämpft.
Lit.: Würtenberger, T., Das Kunstfälschertum, 1940,
Neudruck 1970
Kuppelei ist die seit dem Hochmittelalter in
Deutschland bis 1973 allgemein, seitdem nur noch in wenigen Formen verfolgte
Förderung sexueller Handlungen zwischen anderen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; The Changing Legal Regulation
of Cohabitation, 2012
Kur (F.) Wahl, →Kurfürst
Kurator (zu lat. [M.] →curator,
Pfleger) ist seit dem 18. Jh. der staatliche Aufsichtsbeamte über die
Universität.
Lit.: Bornhak, C., Geschichte der preußischen
Universitätsverwaltung bis 1810, 1900; Schäfer, K., Verfassungsgeschichte der
Universität Bonn, 1968
Kurbayern →Bayern, Kurfürstentum
Kurbrandenburg →Brandenburg, Kurfürstentum
Kurfürst ist (im Heiligen römischen Reich
[deutscher Nation]) seit dem 13. Jh. (→Sachsenspiegel) der den
→König wählende Fürst (Wort 1298 belegt). An sich wird der König vom Volk
gewählt. Für dieses handeln allgemein die Großen (Herzöge, Erzbischöfe,
Bischöfe, Äbte, Grafen). Wie sich aus ihnen die Kurfürsten entwickelt haben,
ist ungewiss (zeitgenössisch nie erwähnte Herkunft aus ottonischem
Tochterstamm?, Träger eines Hofamts?, unterschiedliche Einzelursachen?,
Wahlrechtsreduktion durch Hoftagsbeschluss im Jahre 1252?). Jedenfalls
nennt bereits der →Sachsenspiegel (1221-1224) die Erzbischöfe von
Mainz, Köln (bis 1803) und Trier (bis 1803), den Pfalzgrafen bei Rhein (Stammespfalzgrafen
von Lothringen) (bis 1623 und ab 1648, Erzschatzmeister, bis 1777), den Herzog
von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg sowie den (nicht deutschen)
König von Böhmen als Königswähler. 1356 festigt die →Goldene Bulle die
Stellung der Kurfürsten. Sie bilden gemeinsam einen Reichsstand (Kurfürstenkollegium,
Kurfürstenrat, der als Führungsgruppe um einen Anteil an der Herrschaft im
Heiligen römischen Reich ringt). Ihre Zahl steigt schließlich auf 10 (Bayern
1623/1648, Hannover 1692/1708, 1803 (ohne Auswirkung wegen fehlender
Kaiserwahl) Hessen-Kassel, Baden, Württemberg, Salzburg), doch verringert sich
ihre Bedeutung durch die Religionskriege, das Fehlen fester Verfahrensweisen
und die Verlagerung der Interessen vom Reich auf die angehörigen Länder. 1806
endet mit dem Untergang des Reiches ihre Stellung.
Lit.: Köbler, DRG 109, 110, 147, 148; Bloch, H., Die
staufischen Kaiserwahlen und die Entstehung des Kurfürstentums, 1911; Buchner,
M., Die Entstehung und Ausbildung der Kurfürstenfabel, 1912; Krammer, M., Das
Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluss im Renser
Kurverein des Jahres 1338, 1913; Quellen zur Geschichte der deutschen
Königswahl und des Kurfürstenkollegs, hg. v. Krammer, M., 1911/2, Neudruck
1972; Stutz, U., Das Mainzer Erststimmrecht, ZRG GA 42 (1921), 466; Perels, E.,
Zur Geschichte der böhmischen Kur, ZRG GA 45 (1925), 83; Mitteis, H., Die
deutsche Königswahl, 1938, 2. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Vogelgesang, G.,
Kanzlei und Ratswesen der pfälzischen Kurfürsten, 1939; Mess, F., Wartburgkrieg
und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Haan, H., Der Regensburger
Kurfürstentag von 1636/1637, 1967; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973;
Mathies, C., Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege, 1978; Reuling,
U., Die Kur, 1979; Hoffmann, P., Die bildlichen Darstellungen des
Kurfürstenkollegiums, 1982; Luttenberger, A., Kurfürsten, Kaiser und Reich,
1994; Wolf, A., Königswähler in den deutschen Rechtsbüchern, ZRG GA 115 (1998),
150; Wolf, A., Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298, 1998, 2. A.
2000; Gotthard, A., Die Säulen des Reiches, 1999; Erkens, F., Kurfürsten und
Königswahl, 2002; Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. v.
Wolf, A., 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren
Mittelalter, hg. v. Moraw, P., 2002; Begert, A., Böhmen, die böhmische Kur und
das Reich, 2003; Ertl, T., Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des
Kurfürstenkollegiums, ZHF 30 (2003), 619ff ¸Erkens, F., Vom historischen Deuten
und Verstehen, ZRG GA 122 (2005), 327; Landau, P., Eike von Repgow und die
Königswahl im Sachsenspiegel, ZRG GA 125 (2008), 18; Begert, A., Die Entstehung
und Entwicklung des Kurkollegs, 2010; Wolf, A., Wie kamen die Kurfürsten zu
ihrem Königswahlrecht? ZRG GA 129 (2012), 340; Wolf, A., Verwandtschaft –
Erbrecht – Königswahlen, 2013 (beweist eine Denkmöglichkeit die Wirklichkeit
des Gedachten?)
Kurfürstenkollegium →Kurfürst
Kurfürstenrat →Kurfürst
Kurfürstentum ist das Herrschaftsgebiet eines
→Kurfürsten.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum
im Kurfürstentum Mainz, 1908; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums
Trier, 1965; Pelizaeus, L., Der Aufstieg Württembergs und Hessens zur Kurwürde
1692-1803, 2000
Kurhessen ist die 1803 zum →Kurfürstentum
erhobene Landgrafschaft Hessen-Kassel.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kulenkamp, E.,
Neue Sammlung der Landesordnungen, Bd. 1ff. 1828ff.; Probst, K., Die
Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Zivilprozesses in Kurhessen, 1911;
Mayer-Edenhauser, T., Untersuchungen über Anerbenrecht und Güterschluss in
Kurhessen, 1942; Frotscher, W., Die kurhessische Verfassung von 1831, ZNR 2008,
45; Die Abgeordneten der kuressischen Ständeversammlungeen 1830-1866, hg. v.
Grote, E., 2016
Kuriatstimme ist die im Reichstag des Heiligen
römischen Reiches mehreren kleinen
Reichsständen nur gemeinsam zustehende Stimme (Grafen und Herren, Prälaten).
1653 bestehen 4 weltliche Kuriatstimmen (für 99 Reichsstände) und 2 geistliche
Kuriatstimmen (für 41 Reichsstände).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 148;
Meister, A., Entstehung der Kuriatstimmen, Hist. Jb. 34 (1913), 828
Kurie ist im römischen Recht eine
Untergliederung der Volksversammlung (Kuriatkomitie), im katholischen Kirchenrecht
die zentrale, aus mehreren Kardinalskongregationen bzw. Ämtern und
Gerichtshöfen bestehende Verwaltungsbehörde des Papstes und im Heiligen
römischen Reich die körperschaftlich
organisierte Vertretung der Reichsstände (Kurfürsten, sonstige Reichsfürsten,
Reichsstädte) und Landstände (Prälaten, Ritter. Städte und unter Umständen
Bauern).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 3, 7, 17;
Schreiber, G., Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, Bd. 1f. 1910, Neudruck
1965; Rusch, B., Die Behörden und Hofbeamten der päpstlichen Kurie, 1936;
Jordan, K., Die Entstehung der römischen Kurie, ZRG KA 28 (1939), 97; Schubert,
F., Die deutschen Reichstage, 1966; Robinson, I., The Papacy, 1990
Kurienwahlrecht ist das Wahlrecht nach Kurien (z. B. in
Österreich zwischen 1849/1850 und 1907/1918), das dem Grundsatz der Gleichheit
aller Stimmen bei einer Wahl widerspricht.
Lit.: Melik, V., Wahlen im alten Österreich, 1997
Kurköln →Köln, Kurfürstentum
Kurland ist das Land eines Kurfürsten, an
dem das Wahlrecht haftet. Davon zu trennen ist K. als das ursprünglich von
Kuren besiedelte Land am Rigaischen Meerbusen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2076; Kurland, hg. v. Oberländer, E. u. a.,
2008; Mesenhöller, M., Ständische Modernisierung, 2009
Kurmainz →Mainz, Kurfürstentum
Kurmede ist eine mittelalterliche grundherrschaftliche
Abgabe.→Besthaupt
Kurpfalz →Pfalz, Kurfürstentum
Kursachsen →Sachsen, Kurfürstentum
Kursächsische Konstitutionen sind die in Kursachsen (am 21. 4.)
1572 in einem längeren Anhörungsverfahren gesetzlich getroffenen Entscheidungen
in 211 bzw. 249 bzw. 277 von den juristischen Fakultäten von Wittenberg und
Leipzig ermittelten Streitfragen (Verfahren, Verträge, Erbrecht und Lehnsrecht,
Strafrecht). Sie werden trotz ihres oft bewahrenden Zuges von den Zeitgenossen
als Fortbildung des sächsischen Rechtes empfunden. 1661 und 1746 folgen 91 bzw.
40 weitere Entscheidungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schletter, H., Die
Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen vom Jahre 1572, 1857: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KursaechsischeKonstitutionen1572.htm
Kurtrier →Trier, Kurfürstentum
kurulisch, Adj., zum Wagen (lat.] currus) gehörig (Kennzeichnung
der für das Marktwesen zuständigen Ädile in Rom, auf deren Tätigkeit Wandelung
[Rückgängigmachung] und Minderung (Preisherabsetzung] bei Sachmängeln eines
Kaufgegenstands beruhen)
Kurverein ist ein vertragliches Bündnis von
→Kurfürsten. Bedeutsam ist der K. von Rhens (1338). Der Inhalt dieses
Bündnisses wird 1356 durch die →Goldene Bulle gefestigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Krammer, M., Das Kurfürstenkolleg,
1913; Stengel, E., Avignon und Rhens, 1930
Kurwürde →Kurfürst
Kuss ist die Berührung mit den Lippen. Der K. kann als
Gebärde rechtliche Bedeutung haben.
Lit.: Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, Bd. 1 1943, 83; Perella, N., The Kiss, 1969; Strätz, H., Der
Verlobungskuss, 1979; Die Braut, hg. v. Völger, G. u. a., 1985
Küste ist die Grenzlinie zwischen Land
und Meer. Die vor der K. liegenden Küstengewässer werden seit dem 17. Jh. in
stetig erweitertem Umfang vom Hoheitsträger auf dem Land beansprucht (3, 12
oder 200 Seemeilen).
Lit.: Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, 1948; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007
Küstenland ist das Gebiet an der oberen Adria, das 1564
zu Innerösterreich zählt, 1809 Teil der illyrischen Provinzen Frankreichs ist
und 1849 zum aus Görz-Gradisca, Istrien und Triest gebildeten Kronland wird
(1910 8000 Quadratkilometer, 900000 Einwohner, davon 50 Prozent Italiener).
1919 fällt es an Italien, 1947 überwiegend an Jugoslawien, bei dessen Auflösung
1991/1993 im Norden an Slowenien, im Süden an Kroatien.
Kuttner, Stephan (Bonn 24. 03. 1907-Berkeley 12. 08.
1996) ist der führende, aus politischen Gründen aus Deutschland über Italien
1940 in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewanderte Kanonist des 20.
Jh.s.
Lit.: Hetzenecker, A., Stephan Kuttner in Amerika 1904-1964, 2007
Kux ist seit dem Anfang des 14. Jh.s der Anteil an einer
→Gewerkschaft des Bergrechts. Der Anteil an der Gewerkschaft des alten
Rechtes ist (unbewegliches Vermögen und) ideeller Anteil zur gesamten Hand
(ursprünglich 4, zuletzt 128 Anteile, davon 122 für Gewerken, 4 für Grundstückseigentümer,
2 für Gemeinde, 2 für Schule). Bei der seit dem preußischen Allgemeinen
Berggesetz vom 24. 6. 1865 entstehenden Gewerkschaft neuen Rechtes ist der K.
Anteil an der Gewerkschaft als juristischer Person und damit ein Recht (100
oder höchstens 10000 Anteile). In Deutschland wird der K. 1980 beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 167; Zycha, A., Das böhmische
Bergrecht des Mittelalters, 1902; Kromrey, P., Die Übertragung, Belastung und
Pfändung von Kuxen, Diss. jur. Heidelberg, 1905; Müller-Erzbach, R., Das
Bergrecht Preußens, 1917; Ehrenzweig, Das Wort Kux, Z. f. Bergrecht 62 (1921),
191; Kuhlen, H., Die Wandlung in der Rechtsnatur der Kuxe, Diss. jur. Köln
1938; Guder, A., Der Kux, 1959
L
Laband, Paul (Breslau 24. 5.
1838-Straßburg 23. 3. 1918), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau,
Heidelberg (Vangerow, von Mohl) und Berlin (Gneist, Stahl) und der Konversion
(1857) 1864 außerordentlicher Professor und 1866 ordentlicher Professor in
Königsberg und 1872 in Straßburg. Von der Rechtsgeschichte ausgehend wendet er
sich dem Staatsrecht zu, für das er bestimmte Begriffe (z. B. →Gesetz im
formellen Sinn, Gesetz im materiellen Sinn) und berechenbare Ordnung der Sätze
des geltenden Rechtes (durch Verfassung) zur Eindämmung politischer Willkür (im
Rechtsstaat) verlangt.
Lit.: Köbler, DRG 195, 199, 208; Laband, P.,
Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1887, 2. A. 1894, 3. A. 1895, 4. A.
1901, 5. A. 1911/1914, Neudruck 1964; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 145; Gierke, O. v., Labands Staatsrecht und
die deutsche Rechtswissenschaft, 2. A. 1961; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958, 226; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im
19. Jahrhundert, 1958, 2. A. 2003; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 301; Pauly, W., Der Methodenwandel im deutschen
Spätkonstitutionalismus, 1993; Laband, P., Staatsrechtliche Vorlesungen, 2004
Labeo, Marcus Antistius (L. filius) (1. Jh. v. Chr.-5/22
[10/11?] n. Chr.), Rechtskundigensohn (des Pacuvius Antistius Labeo), Schüler
des Trebatius, wird nach durchlaufener Ämterlaufbahn als ein führender
Rechtskundiger des frühklassischen römischen Rechtes Haupt der prokulianischen
Schule. Von seinem möglicherweise 400 Bücher umfassenden Werk (Fallsammlungen,
Kommentar zum Edikt des Prätors, Abhandlung über das Pontifikalrecht) zeugen
mehr als 500 überlieferte Bruchstücke (u. a. Kommentare zum Edikt des Prätors).
Lit.: Söllner §§ 11, 15, 16; Köbler, DRG 30; Pernice,
A., Labeo, Bd. 1 1873, 7; Kohlhaas, C., Die Überlieferung der libri posteriores
des Antistius Labeo, 1986
Labeo, Pacuvius Antistius (L. pater) (1. Jh. v. Chr.-42 v.
Chr.) ist der an der Verschwörung des Brutus gegen Caesar teilnehmende römische
Rechtskundige, dessen Sohn Haupt der prokulianischen Schule wird.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung
römischer Juristen, 2. A. 1967, 32
Lachen
Lit.: Le Goff, J., Das Lachen im Mittelalter, 2004
lacina (lat.-afrk. [F.]) Wehrung
Laden (M.) ist das Brett, der Verschluss
einer Öffnung oder der Geschäftsraum. Im Spätmittelalter verlagert sich der
Verkauf vom allgemeinen Markt zunehmend in den einzelnen L. Der Angestellte im
L. hat eine beschränkte Vollmacht. Die Zeit, in der ein Laden geschlossen sein
muss, wird vereinzelt seit dieser Zeit (Goslar 1281, Brieg 1318, Lüneburg
1350), allgemein erst im 20. Jh. (Deutschland 1956 Ladenschlussgesetz) genau
festgelegt, aus wirtschaftlichen Erwägungen gegen den Widerstand der Kirchen
aber immer stärker eingeschränkt. Seit dem 20. Jh. erscheint das Kaufhaus. Der
Übergang zum Selbstbedienungsladen beginnt unter dem Einfluss der Vereinigten
Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland 1949. Große Handelsketten
treten an die Stelle der früheren bedienenden Kaufleute, deren Läden (so
genannte Tante-Emma-Läden) verschwinden. Danach setzt im 21. Jh. in
beachtlichem Umfang die digital-elektronische Bestellung von Waren im Internet
mit Lieferung durch Frachtdienste ein.
Lit.: Rühling, M., Das Ladenschlussgesetz vom 28.
November 1956, 2004; Langer, L., Revolution im Einzelhandel, 2013
Ladiner ist der Angehörige der in den Alpen
und (vor allem) in den Dolomiten ansässigen, vom Spätlateinischen abgeleiteten
besonderen Sprachgemeinschaft des Ladinischen.
Lit.: Perathoner, Die Dolomitenladiner, 1998;
Videsott, P. u. a., Ennebergisches Wörterbuch, 1998
Ladung ist die Aufforderung vor einer
Behörde oder einem Gericht zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erscheinen. Sie
findet sich bereits im XII-Tafelgesetz des altrömischen Rechtes (lat. si in ius
vocat, ito, wenn er zu Gericht ruft, soll er [d. h. der Gerufene oder Geladene]
gehen). Sie wird auch zu Beginn des frühfränkischen (lat. [M.]) Pactus legis
Salicae (507-511?) sichtbar und hat vermutlich bereits für die germanische
Volksversammlung bestanden. Im Frühmittelalter wird die private L. durch den
Ansprecher (lat. [F.] mannitio) durch die öffentliche L. des Verfahrensleiters
(lat. [F.] bannitio) ersetzt. Ungerechtfertigtes Nichterscheinen
(Ladungsungehorsam, anders →echte Not ) zieht den jeweiligen →Bann
nach sich, wobei insgesamt dreimal zu laden ist (→Aller guten Dinge sind
drei). In der frühen Neuzeit kann das Erscheinen mit Zwangsmitteln erzwungen
werden. Die L. erfolgt vielfach schriftlich. Die Voraussetzungen und
Förmlichkeiten werden streng festgelegt. →Ediktalzitation
Lit.: Kaser §§ 82 I 1, 87 I 4, 87 II 3; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 70, 86, 117, 155, 202; Bethmann Hollweg, M. v., Der
Zivilprozess des gemeinen Rechts, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973;
Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Kulessa,
M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis in den Urteilen des Ingelheimer
Oberhofes, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Die Ladung des
Beklagten vor das Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Reinschmidt, T.,
Die Entstehung des Rechtsganges und das Versäumnisverfahren im salfränkischen
Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1968
Ladungsfrist ist die zwischen →Ladung und
Zeitpunkt des Erscheinens vor Gericht liegende, dem Schutz bzw. der
Vorbereitung des Geladenen dienende Frist.
Ladungsungehorsam ist die gewollte Nichtbeachtung der
→Ladung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Laesio (F.) enormis (lat.) ist die außergewöhnliche
(enorme) Verletzung (der Vertragsgerechtigkeit). Sie geht vielleicht auf
Diokletian (284-313) zurück und ist philosophisch-christlich geprägt. Nach ihr
kann der Verkäufer einer Sache (z. B. Bauer als Eigentümer eines Grundstücks)
den Vertrag anfechten und gegen Rückzahlung des Preises die Rückgabe der Sache
verlangen, wenn der Preis geringer ist als die Hälfte des Wertes und der Käufer
nicht den auf den gerechten Preis (lat. iustum pretium [N.]) fehlenden Betrag
nachzahlt. 1234 übernimmt die mittelalterliche Kirche die von Justinian
vertretene Lehre vom gerechten Preis und der l. e. Diese wird vom gemeinen
Recht fortgeführt, vom Liberalismus des 19. Jh.s aber (z. B. im Bürgerlichen
Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1896/1900) aufgegeben.
Lit.: Kaser § 41 II 3; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
64, 127, 166, 214; Dekkers, R., La lésion énorme, 1937; Schulze, W., Die laesio
enormis, Diss. jur. Münster 1973; Kalb, H., Lex Baiuvariorum, Vita Corbiniani
und laesio enormis, ZRG GA 106 (1989), 325; Becker, C., Die Lehre von der
laesio enormis, 1993; Langer, V., Laesio enormis, 2009
laesowerpire (lat.-afrk.) in den Schoß werfen
Lagerbuch →Urbar
laghsaga (an. [F.]) Rechtsvortrag
Lagus (Hase), Conrad (um 1500-1546) wird
1516 als Conradus Haß de Creutzburgk in Leipzig und 1519 in Wittenberg immatrikuliert
und macht sich um das rechtswissenschaftliche Studium als juristischer
Privatlehrer und Humanist in Wittenberg verdient (Traditio methodica utriusque
juris 1543 [De iure personarum, De modis acquirendi alienandi et amittendi res,
De pactis et obligationibus, De actionibus et exceptionibus, De iudiciis, De
privilegiis et iuris beneficiis], Compendium juris Saxonici posthum 1597).
Lit.: Köbler, DRG 144; Muther, T., Zur Geschichte der
Rechtswissenschaft, 1876, 299; Reis, T., Historia in Conrad Lagus’ Traditio
methodica (1543), ZRG GA 130 (2013), 103
Lähmung →Körperverletzung
Laibach in Slowenien wird 1919 Sitz einer
Universität.
Laie (lat. [M.] laicus) ist der Nichtfachmann, im
Kirchenrecht der einfache Gläubige im Gegensatz zum →Kleriker (Klerus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit, 1974; Felten, F., Äbte und Laienäbte im Frankenreich,
1980; Vauchez, A., Les laics au Moyen Age, 1987; Löhr, D., Zur Mitwirkung der
Laienrichter im Strafprozess, 2008
Laieninvestitur (Investitur von Laien in kirchliche Ämter
durch den König) →Investitur,
Investiturstreit
Laienrichter ist der nicht rechtswissenschaftlich
gebildete Richter im Gegensatz zum rechtswissenschaftlich gebildeten
Berufsrichter. Ursprünglich sind alle Richter und Urteiler Laien und alle
freien Männer an Entscheidungen über Streitigkeiten beteiligt. Bereits in
fränkischer Zeit beschränkt sich die Tätigkeit als Richter (thunginus, Graf)
und Urteiler (Rachinburge, Schöffe) auf ausgewählte Männer. Seit dem 12. Jh.
verdrängt ausgehend von der kirchlichen Gerichtsbarkeit der wissenschaftlich
zur Streitentscheidung Ausgebildete (Jurist) den L. fast völlig. Bereits am
Reichskammergericht des Heiligen römischen Reiches (1495) sind je zur Hälfte
nur Adelige und Doktoren tätig, während die Constitutio Criminalis Carolina
(1532) noch durchweg die Mitwirkung von (ungelehrten) Schöffen vorsieht.
Rechtstatsächlich setzt sich allmählich der gelehrte Jurist bis in die
Untergerichte durch. Die Aufklärung strebt demgegenüber die Mitwirkung von
Laienrichtern ein (z. B. Justus Möser 1774). Nach dem Vorbild Englands führt
Frankreich 1791 eine Jury von Laienrichtern ein. Im 19. Jh. verlangt der
Liberalismus auch im deutschen Sprachraum nach englisch-französischem Vorbild
die Rückkehr zum L. Im Schwurgericht, Handelsgericht, Arbeitsgericht, Verwaltungsgericht
und Sozialgericht setzt sich dieses Verlangen in gewissem Umfang durch, wobei
seit 1922 auch Frauen als L. zugelassen werden. Die sog. Lex Emminger (1924) beseitigt
aus Kostengründen das Schwurgericht und erweitert die Zuständigkeit des berufsmäßigen
Einzelrichters. 1939 wird im Deutschen Reich die Mitwirkung von Laienrichtern
in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (bis 1945) beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 201, 202; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 35; Kern, E. Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hahn, W., Die Entwicklung der
Laiengerichtsbarkeit, 1974; Löhr, D., Zur Mitwirkung der Laienrichter im
Strafprozess, 2008; Andoor, G., Laien in der Strafrechtsprechung, 2013
Laienspiegel ist die von dem Nördlinger
Stadtschreiber und Höchstädter Landvogt Ulrich →Tengler für Laien
verfasste, erstmals in Augsburg 1509 wohl von Sebastian Brant herausgegebene
Einführung in das gelehrte Recht (Nachdrucke Straßburg 1510, 1511, Neuer
Laienspiegel Augsburg 1511, elf Nachdrucke, darunter Straßburg 1536). Der L.
behandelt in seinen drei Büchern (1) die Stellung weltlicher Herrschaftsträger
(Richter, Partei, Fürsprecher, Vorstand, Bürgermeister, Ratsherr), (2) die
Gerichtsverfassung und das Privatrecht sowie (3) das Strafverfahren. Als
Quellen lassen sich das (lat.) Speculum (N.) iudiciale des →Durantis
(1290), Johannes Andreae, Bartolus, Petrus de Ferrariis, verschiedene
verbreitete Traktate, die Bibel, Aristoteles, die Goldene Bulle und andere
Reichsgesetze, der →Klagspiegel, der →Hexenhammer und die
→Constitutio Criminalis Bambergensis (1507) nachweisen. Im Verhältnis
zum Klagspiegel stellt der L. an Stelle des kanonistischen
Inquisitionsverfahrens den gemeinrechtlichen Inquisitionsprozess dar, lässt
aber gelehrte Grundsätze zum Schutz des Befragten außer Acht. Der L. ist fast
im gesamten 16. Jh. durch zahlreiche Drucke weit verbreitet.
Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R.,
Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in
Deutschland, 1867, Neudruck 1959; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 147, 172; Der Teufelsprozess, hg. v. Schmitz, W.,
1980; Burret, G., Der Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler,
2010; Ulrich Tenglers Laienspiegel, hg. v. Deutsch, A., 2011
Laizismus (M.) ist die in Frankreich im 19.
Jh. entwickelte Bezeichnung für seit der Aufklärung erkennbare Bestrebungen,
den Einfluss der Kirche auf den Staat zurückzudrängen.
lance et licio (lat.) mit Schüssel und
Schurzfell, →Haussuchung
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 27, 48
Land ist das als eine Einheit erscheinende Gebiet der Erde,
insbesondere auch der Gliedstaat eines Bundesstaats. Als politisches Gebilde im
fränkisch-deutschen Reich begegnet das L. seit dem Hochmittelalter (vielleicht
unter Auswirkung des Abschlusses des Investiturstreits durch das Konkordat von
Worms 1122). Es entwickelt sich durch territoriale Aufteilung des älteren
Personalverbands (Volk). Augenfällige Beispiele sind die Verselbständigung
→Österreichs gegenüber →Bayern (1156) zwecks Ausgleichs zwischen
Babenbergern, Welfen und Staufern und die Aufteilung →Sachsens (1180)
zwecks Herabsetzung Heinrichs des Löwen durch Kaiser Friedrich I. Barbarossa.
Innerhalb des Heiligen römischen Reiches bilden sich in der Folge sehr viele
Länder. Am Rande spalten sich die →Schweiz und die →Niederlande
(spätestens 1648) ab. Innerhalb Österreichs werden die Länder von 1744 bis 1848
von Gubernien überlagert. In der Schweiz treten die Teile von 1798 bis 1803
zurück. 1806 werden die größeren Länder nach Beseitigung der kleineren
Herrschaften selbständige Staaten. Sie vereinigen sich 1815 zum 1866 am
österreichisch-preußischen Gegensatz scheiternden →Deutschen Bund.
Innerhalb Österreichs verliert das Land von 1848 bis 1920 seine
Rechtspersönlichkeit. Die Mehrzahl der deutschen Länder findet 1871 zum
Deutschen Reich zusammen. Den in Österreich zusammengeschlossenen Ländern
(Bundesländern) wird 1918 von den anderen europäischen Mächten der Beitritt
verwehrt. Im Deutschen Reich werden die Länder von 1934 (bis 1945)
bedeutungslos. Der 1938 erfolgte →Anschluss Österreichs an das Deutsche
Reich wird 1945 rückgängig gemacht. Die Abtrennung der 1945 der sowjetischen Besatzungszone
zugeschlagenen, 1958 durch Bezirke ersetzten Länder (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) in der →Deutschen Demokratischen
Republik endet am 3. 10. 1990.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 94, 101, 110,
113, 138, 148, 150, 197, 230, 244, 247, 256, 258, 259; Köbler, Historisches
Lexikon (1. A. 1988); Köbler, WAS; Müller, L., Badische Landesgeschichte, Bd. 1
1900; Brunner, O., Land und Herrschaft, 1939, 3. A. 1943, 6. A. 1973;
Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen, 1961; Köbler, G., Land und Landrecht im
Mittelalter, ZRG GA 86 (1969), 1; Das Land Baden-Württemberg, Bd. 1ff. 1977ff.;
Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Kofler, W., Land,
Landschaft, Landtag, 1985; Möckli, G., Die schweizerischen
Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Ay, K., Land und Fürst im alten Bayern, 1988;
Weltin, M., Der Begriff des Landes bei Otto Brunner und seine Rezeption durch
die verfassungsgeschichtliche Forschung, ZRG GA 107 (1990), 337;
Länderparlamentarismus in Deutschland, hg. v. Mielke, S. u. a., 2004; March,
U., Kleine Geschichte deutscher Länder, 2010; Die Außenpolitik der deutschen
Länder im Kaiserreich, 2012; Zusammenschlüsse und Neubildungen deutscher Länder
im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Kretzschmar, R. u. a., 2013
Landbrauch
Lit.:
Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch, 1913
Landbuch ist ein in verschiedener Hinsicht
ein →Land betreffendes Buch (z. B. L. der Neumark um 1336, L. der Mark
Brandenburg 1375/6).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Das Landbuch der Mark
Brandenburg, hg. v. Schultze, J., 1940; Karl IV., hg. v. Engel, E., 1982, 357
Landesausbau ist im Mittelalter und der früheren
Neuzeit der innere Ausbau eines Landes durch verstärkte wirtschaftliche Nutzung
(z. B. Rodung, Entwässerung).
Lit.: Brenning, A., Innere Kolonisation, 1909; Ranzi,
F., Königsgut und Königsforst, 1939; Mitteis, H., Der Staat des hohen
Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Strukturen der Grundherrschaft, hg. v.
Rösener, W., 1989, 411
Landesausschuss ist der in Österreich in der frühen Neuzeit
vom Landtag gewählte Ausschuss zur Verwaltung des Landes mit dem
Landeshauptmann an der Spitze (1918 Landesrat, 1920 Landesregierung). Ab 1744
treten ihm Zentralstaatsbehörden zu Seite (Gubernien). Die Doppelgleisigkeit
endet mit einer Verfassungsänderung 1925.
Landesfürst ist im Heiligen römischen
Reich der Fürst eines Landes
(Landesherr). Es gibt weltliche und geistliche Landesfürsten (z. B. Herzog,
Markgraf, Graf., Erzbischof, Bischof, Abt). Der L. hat zusammen mit den
Landständen die Landesherrschaft. Im Reich ist der L. zugleich Reichsfürst (im
Reichstag).
Lit.: Baltl/Kocher; Spindler, M., Die Anfänge des
bayerischen Landesfürstentums, 1937, Neudruck 1973; Stolz, O., Zur Entstehung
und Bedeutung des Landesfürstentums im Raume Bayern – Österreich – Tirol, ZRG
GA 71 (1954), 339; Burkert, G., Landesfürst und Stände, 1987
Landesgericht ist das in einem oder für ein Land
gebildete Gericht. Seit dem Hochmittelalter geht im deutschen Reich die
Gerichtsbarkeit allgemein weitgehend vom König auf den Landesherrn über. Dieser
bildet meist eine mehrstufige landesfürstliche Gerichtsbarkeit aus. Oberste
Gerichtshöfe entstehen als Landesgerichte beispielsweise in Preußen (1483
Kammergericht), in Österreich (1749 Oberste Justizstelle) oder Bayern (1625
Revisorium). Am 14. 6. 1849 werden in Österreich Landesgerichte eingerichtet.
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 27; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954, 38
Landesgeschichte ist die auf das einzelne Land (z.
B. Bayern, Baden, Vorarlberg) ausgerichtete →Geschichte bzw. Geschichtsschreibung.
Sie steht in Deutschland vor allem im Gegensatz zur Reichsgeschichte.
Lit.: Probleme und Methoden der Landesgeschichte, hg.
v. Fried, P., 1978; Deutsche Landesgeschichtsschreibung im Zeichen des
Humanismus, hg. v. Brendle, F. u. a., 2001; Im Spannungsfeld von Wissenschaft
und Politik, hg. v. Werner, M., 2004; Mechthold, R., Landesgeschichtliche
Zeitschriften 1800-2009. 2011
Landesgesetz ist das für ein Land vom
zuständigen Organ geschaffene Gesetz. Es steht im Gegensatz zum Reichsgesetz
oder Bundesgesetz. Es gewinnt seit der frühen Neuzeit an Bedeutung.
Lit.: Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze,
Bd. 1ff. 1769ff.; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956,
2. A. 1958, Neudruck 1988; Maier, K., Die Anfänge der Polizei- und
Landesgesetzgebung in der Markgrafschaft Baden, 1984
Landeshauptmann ist der Leiter der Verwaltung eines
Landes. Er erscheint als (lat. [M.]) capitaneus in der Steiermark, Kärnten und
Krain an der Stelle des königlichen Reichsstatthalters in der Mitte des 13.
Jh.s. Er ist gleichzeitig Haupt der Stände des Landes. In den habsburgischen
Ländern erhält sich das Amt des jetzt vom Landesfürsten ernannten, dem
Landesausschuss und dem Landtag vorsitzenden Landeshauptmanns. 1918 werden
ihm die bisher vom Statthalter wahrgenommenen Aufgaben der
Zentralstaatsverwaltung auf Landesebene übertragen. Dem Landtag sitzt seit
1920 ein besonderer Landtagspräsident vor. In der Gegenwart ist der L. Leiter
der Regierung eines Landes, der auch die mittelbare Bundesverwaltung ausführt.
Lit.: Baltl/Kocher; Brandis, J., Geschichte der
Landeshauptleute von Tirol, 1850; Kozina, G., Die Landeshauptleute von Krain,
1864
Landesherr (lat. dominus [M.] terrae) ist seit
der ersten Hälfte des 13. Jh.s der →Herr eines besonderen →Landes.
Er ist Empfänger der wichtigsten Regalien, höchster Richter im Land, Träger des
Heerbanns und Wahrer des Landfriedens, somit insgesamt Inhaber der sich
ausbildenden Landesherrschaft. Zu seinen Einnahmequellen zählt vor allem auch
die →Steuer. Im Ringen mit den Großen im Land (→Landständen) setzt
er sich in der Neuzeit meist durch. Am Ende des ersten Weltkriegs muss der L.
dem Grundsatz der Volkssouveränität weichen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 112, 148,
154; Ludicke, R., Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, 1901;
Lichtner, A., Landesherr und Stände in Hessen-Cassel, 1913; Brunner, O., Land
und Herrschaft, 5. A. 1965; Renger, R., Landesherr und Landstände im Hochstift
Osnabrück, 1968; Ammerich, H., Landesherr und Landesverwaltung, 1981;
Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft?, 1982; Gmür,
R., Städte als Landesherren, FS H. Thieme, 1986
Landesherrschaft ist seit dem hohen Mittelalter die
→Herrschaft des →Landesherrn über ein →Land. Ihre Grundlage
ist im Einzelnen sehr unterschiedlich (Grundherrschaft, Banngewalt,
Gerichtsgewalt, Vogtei, Schirmvertrag, königliches Amt). Sie muss im Ringen
mit den Ständen gefestigt werden. Sobald das Land, wie das für die
Kurfürstentümer 1356 in der Goldenen Bulle und für Österreich 1358/1359 in
einer Fälschung (lat. privilegium N.
maius) festgelegt wird, nicht mehr geteilt werden kann, tritt die Vorstellung
von der privaten, im Erbfall ohne weiteres teilbaren Sachherrschaft des
Landesherrn über das Land zugunsten der öffentlichen Einordnung zurück
(Entstehung des modernen, Hoheitsidee, Gesetzgebung und rationales
Verwaltungsverständnis voraussetzenden Staates). Seit dem 18. Jh. ist
wichtigster Bestandteil der einheitlichen monarchischen, an der Wohlfahrt des
Gemeinwesens ausgerichteten Staatsgewalt die Polizeigewalt (lat. ius [N.]
politiae). Die nun so bezeichnete Landeshoheit, in der sich die früher
vereinzelten Hoheitsrechte zur umfassenden Hoheitsgewalt (Souveränität)
verdichten, wird als ursprünglich und damit nicht vom Reich abgeleitet
angesehen. Demgegenüber lassen sich die Rechte der Landstände nicht
erweitern, sondern höchstens bewahren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111, 149;
Baltl/Kocher; Roßberg, A., Die Entwicklung der Territorialherrlichkeit in der
Grafschaft Ravensberg, Diss. phil. Leipzig 1909; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Schlesinger, W., Die Entstehung der Landesherrschaft, 1941,
Neudruck 1964; Schlesinger, W., Die Landesherrschaft der Herren von Schönburg,
1954; Patze, H., Die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen, 1962;
Schulze, H., Adelsherrschaft und Landesherrschaft, 1963; Bühler, T.,
Gewohnheitsrecht und Landesherrschaft, 1972; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei,
1985; Immunität und Landesherrschaft, hg. v. Kappelhoff, B. u. a., 2002
Landeshoheit ist die in der frühen Neuzeit durch
Zusammenfassung von Herrschaftsrechten und Verdichtung der →Landesherrschaft
entstehende Hoheitsgewalt (Souveränität) des Landesherrn (Fürsten) in einem
Land (Staat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 149; Moser, J.,
Von der Landeshoheit der deutschen Reichsstände, 1773; Stutz, U., Das
habsburgische Urbar und die Anfänge der Landeshoheit, ZRG 25 (1904), 192; Fehr,
H., Die Entstehung der Landeshoheit im Breisgau, 1904; Aubin, H., Die
Entstehung der Landeshoheit, 1920, Neudruck 1961; Mack, E., Die Entstehung der Landeshoheit
der Grafen von Wirtenberg, 1926; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen
Länder, 1938; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in
der Kurpfalz, 1937; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt,
1975; Landeshoheit, hg. v. Riedenauer, E., 1994
Landeskirche ist im evangelischen Kirchenrecht
die Kirche eines Landes oder Landesteils (z. B. Baden, Kurhessen-Waldeck,
Hannover, Schleswig-Holstein, Schaumburg-Lippe, Württemberg, Eutin, Lippe).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Hinschius, P., Die
evangelischen Landeskirchen in Preußen, 1867; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Närger, N., Das Synodalwahlsystem in den deutschen evangelischen
Landeskirchen, 1988
Landesobrigkeit ist die im Übergang zwischen
→Landesherrschaft und →Landeshoheit befindliche landesherrliche
Gewalt der frühen Neuzeit.
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975
Landesordnung ist die seit dem Spätmittelalter
sichtbare, umfassendere, ordnende Gesetzgebung des Landesherrn zur Klarstellung
wichtiger Fragen auf den unterschiedlichsten Rechtsgebieten (z. B. Tirol 1526
Bauernlandesordnung, 1532, 1573, Böhmen 1500, 1530, 1549, 1564, 1627, Mähren
1535, 1545, 1562, 1604, 1628, Oberlausitz 1538/1539, 1582, 1597, Oppeln-Ratibor
1562, Teschen 1573 u. a.). Im 19. Jh. regeln in Österreich Landesordnungen vom
26. 2. 1861 Fragen des Landesverfassungsrechts (bis 1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kleinschmidt, C., Sammlung
fürstlich hessischer Landesordnungen, Bd. 1ff. 1767ff.; Ebel, W., Geschichte
der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Richter, G.,
Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Quellen zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte,
Bd. 2 Landes- und Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 517; Wesener, G., Zur Bedeutung der österreichischen
Landesordnungsentwürfe, FS N. Grass, Bd. 1 1974, 613; Berg, T.,
Landesordnungen in Preußen, 1998; Landesordnung und gute Policey, hg. v.
Gehringer, H. u. a., 2008
Landesparlament ist das →Parlament eines
→Landes.
Lit.: Eicher, H., Der Machtverlust der
Landesparlamente, 1988
Landesrecht ist das besondere →Recht
eines →Landes im Gegensatz zu einem übergeordneten Recht wie z. B. dem
Bundesrecht. Es entsteht anfangs im Hochmittelalter als Landrecht im Gegensatz
zum Stadtrecht. Bis in das 19. Jh. überwiegt es das gesetzte einheitliche Recht
(in Deutschland). Durch die einheitliche staatliche Gesetzgebung des
ausgehenden 19. Jh.s wird es in Deutschland in vielen Bereichen auf Randfragen
zurückgedrängt (sog. Verlustliste der deutschen Rechtseinheit), bleibt aber z.
B. im Verwaltungsrecht bedeutsam. Grundsatz wird, dass bei konkurrierender
Zuständigkeit das Reichsrecht oder das Bundesrecht das L. bricht.
Lit.: Köbler, DRG 103, 184, 231; Kahler, O., Das
schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Leiber, G., Das Landgericht
der Baar, 1964; Schneider, M., Das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht,
2002
Landesregierung ist die →Regierung eines
→Landes (z. B. 1849 in Salzburg, Kärnten, Krain, Schlesien und Bukowina,
1918/1920 allgemein).
Landessteuer ist die seit dem 13. Jh. in einem
→Land erhobene →Steuer. Der Kreis der Steuerpflichtigen ist nicht
überall gleich. Die L. bedarf grundsätzlich der Bewilligung durch die
Landesbehörde.
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965,
273; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken, 1960; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Landesteilung ist die der Reichsteilung des
fränkischen Frühmittelalters entsprechende Teilung eines →Landes unter
mehrere Söhne. Sie birgt die Gefahr der Machtzersplitterung in sich. Deswegen
finden sich Teilungsverbote bereits unter Friedrich I. Barbarossa und Rudolf
von Habsburg (1283). Für die →Kurfürstentümer schließt die
→Goldene Bulle (1356) die Teilung aus. Noch in der späteren Zeit werden
Länder aber tatsächlich geteilt (Hessen 1567, Österreich, Anhalt 1635,
Braunschweig 1636, Sachsen-Gotha 1680, Mecklenburg 1701).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schulze, H., Das
Recht der Erstgeburt, 1851; Hartel, R., Über Landesteilungen in deutschen
Territorien, FS F. Hausmann, 1977, 179
Landesverfassung ist die besondere (formelle)
→Verfassung eines →Landes.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kopp, U., Handbuch zur
Kenntnis der Hessen-Casselschen Landesverfassung, Teil 1 1796; Kaltenborn, C.,
Geschichte der deutschen Bundesverhältnisse, Bd. 1f. 1857
Landesverordnung ist die ein →Land betreffende
→Verordnung im Gegensatz vor allem zum →Landesgesetz.
Lit.: Kreittmayr, W. Frhr. v., Sammlung der
churbaierischen Generalien und Landesverordnungen, 1771
Landesverrat ist der Verrat des eigenen
→Landes durch einen Menschen. Ihm geht bereits bei den Germanen der
Verrat des Volkes voraus, bei dem nach Tacitus der gefasste Verräter aufgehängt
wird. Seit dem Hochmittelalter wird das römischrechtliche (lat.) →crimen
(N.) maiestatis (Majestätsverbrechen) aufgenommen. Strafe der Verräterei ist
das Rädern oder Vierteilen Nach der österreichischen (lat.) Constitutio (F.)
Criminalis Josephina (1787) ist L. das Verbrechen gegen den Staat bzw.
Vaterland im Gegensatz zu dem gegen den Herrscher gerichteten
→Hochverrat. In der Mitte des 19. Jh.s ist L. die Bedrohung der äußeren
Machtstellung des Staates.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Schröder, F., Der Schutz von Staat und Verfassung im Strafrecht,
1970; Hanten, M., Publizistischer Landesverrat vor dem Reichsgericht, 1999
Landesverwaltung ist die →Verwaltung (eines
→Landes) durch Landesbehörden. Hierzu bildet der Landesherr seit dem
Spätmittelalter eine beamtete Verwaltungsorganisation aus. Als deren späte
Folge ist auch in der Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland die Verwaltung
grundsätzlich Angelegenheit des Landes.
Lit.: Köbler, DRG 113, 151, 197, 258; Ammerich, H.,
Landesherr und Landesverwaltung, 1981; Deutsche Verwaltungsgeschichte hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.
Landesverweisung ist die Verweisung (z. B. eines Straftäters)
aus dem Land. Ihr geht die ältere Verbannung voraus. Ihr entspricht im
Hochmittelalter die Verweisung aus der Stadt, die beispielsweise in Augsburg
des späten 14. Jh.s jährlich etwa ein ½ % der Stadtbewohner betrifft. Seit dem
15. Jh. wird von L. gesprochen. Sie führt zu Konflikten mit den benachbarten
Ländern. Seit dem 18. Jh. wird sie allgemein aufgegeben und auf Ausländer
beschränkt (anders z. B. in Österreich 3. 4. 1919 die L. der Familie Habsburg).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 410, 533, Neudruck 1964; Müller, W., Die
Stadtverweisung, Diss. jur. Leipzig 1935; Breithaupt, W., Die Strafe des
Staupenschlags, Diss. jur. Jena 1938
Landfolgepflicht ist die bereits im Frühmittelalter
sichtbare Verpflichtung, bei Gefährdung der Allgemeinheit wehrhafte Hilfe zu
leisten. Mit der Entstehung des ritterlichen Reiterheeres tritt die L. im
Hochmittelalter an Bedeutung zurück, ohne ganz zu verschwinden. In der
Wehrpflicht des 18. Jh.s wird sie in veränderter Form neu belebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Fehr, H., Landfolge und
Gerichtsfolge im fränkischen Recht, FG R. Sohm, 1914
Landfriede ist der von Rechtsbruch nicht
gestörte Zustand (in einem Land). Seit dem 10. Jh. ist in Südfrankreich und
Spanien ([Le Puy um 975,] Charroux 989, Narbonne um 990, Le Puy 994, Limoges
994, Poitiers 1000) das von der Kirche in Wiederholung merowingischer und
karolingischer Kapitularien und Bußbücher ausgehende Gebot des
→Gottesfriedens sichtbar. Seit dem ausgehenden 11. Jh. erscheint der
weltliche L. (z. B. Kaiser Heinrichs IV. von 1103 oder Kaiser Friedrichs I.
Barbarossa von 1152). Er sieht peinliche →Strafen für Unrechtstaten vor.
Seine Grundlage ist meist eine beschworene →Einung, in anderen Fällen
auch ein Gesetz. Wichtige Landfrieden sind der Mainzer Reichslandfriede von
1235 und der ewige L. von 1495, der die Fehde (Selbsthilfe) vollständig
verbietet. →Landfriedensbruch
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 118, 147;
Baltl/Kocher; Weiland, B., Sächsischer Landfriede aus der Zeit Friedrichs II.
und die sog. Treuga Heinrici regis, ZRG GA 8 (1887), 88; Bock, E., Der Kampf um
die Landfriedenshoheit in Westfalen, ZRG GA 48 (1928), 379; Quidde, L.,
Histoire de la Paix publique en Allemagne au moyen âge, 1929; Schnelbögl, W.,
Die innere Entwicklung der bayerischen Landfrieden des 13. Jahrhunderts, 1932;
Wohlhaupter, E., Studien zur Rechtsgeschichte der Gottes- und Landfrieden in
Spanien, 1933; Meyer, B., Der Sorge für den Landfrieden im Gebiet der werdenden
Eidgenossenschaft 1250-1350, 1935; Bader, K., Probleme des
Landfriedensschutzes, Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 3
(1939), 1; Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung in Deutschland, 1952;
Partsch, G., Ein unbekannter Landfrieden aus dem 12. Jahrhundert, ZRG GA 75
(1958), 93; Hattenhauer, H., Die Bedeutung der Gottes- und Landfrieden, Diss.
jur. Marburg 1958; Stein, G., Die Einungs- und Landfriedenspolitik der Mainzer
Erzbischöfe, Diss. phil. Mainz 1960; Gerlich, A., Studien zur
Landfriedenspolitik König Rudolfs von Habsburg, 1963; Angermeier, H., Königtum
und Landfriede im Spätmittelalter, 1966; Mohrmann, W., Der Landfriede im
Ostseeraum, 1972; Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen
Landfriedensorganisation, bearb. v. Pfeiffer, G., 1975; Leist, W., Landesherr
und Landfrieden in Thüringen im Spätmittelalter, 1975; Wadle, E., Der
Nürnberger Friedebrief Kaiser Friedrich Barbarossas, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 548; Stercken, M., Königtum und
Territorialgewalten, 1989; Rotthoff-Kraus, C., Die politische Rolle der
Landfriedenseinungen zwischen Maas und Rhein, 1990; Wadle, E., Gottesfrieden
und Landfriede, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 63;
Wadle, E., Landfrieden, Strafe, Recht, 2001; Landfrieden, hg. v. Buschmann, A.
u. a., 2001; Graevenitz, C. v., Die Landfriedenspolitik Rudolfs von Habsburg,
2003
Landfriedensbruch ist die Verletzung des
Landfriedens. Die Folge ist eine peinliche →Strafe. Daneben ist auch die
→Acht von großer Bedeutung. Mit dem 16. Jh. macht sich der Einfluss des
römischen Rechtes bemerkbar (Gail), wonach der L. die zu gewalttätigem Zweck
erfolgende Vereinigung einer Menge von 10 bis 15 Menschen voraussetzt. Mit dem
Ende des Heiligen römischen Reichs (1806) wird die Verbindung mit dem mittelalterlichen
Landfrieden schwächer. 1871 bestimmt das deutsche Reichsstrafgesetzbuch den L.
als eine Verbindung von Zusammenrottung und Gewaltanwendung. 1970 wird die
Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme an einer gewalttätigen öffentlichen Zusammenrottung
in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben. Für Österreich vgl. § 274 StGB.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1; Roth, A.,
Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Kerth, J., Der landsfried ist
zerbrochen, 1997
Landfriedensgericht ist im Hochmittelalter und
Spätmittelalter das für die Wahrung des →Landfriedens vorgesehene
→Gericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Eberhardt, H., Die
Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen im Mittelalter, ZRG GA 75
(1958), 108
Landgemeinde ist die nichtstädtische Gemeinde. Sie
entsteht im Hochmittelalter und Spätmittelalter aus den unterschiedlichsten
Ansatzpunkten (Nachbarschaft, Hofgenossenschaft, Markgenossenschaft, Grundherrschaft,
Gericht, Vogtei, Kirche u. s. w.). Nach
der staatlichen Verdichtung der frühen Neuzeit wird die Idee der →Selbstverwaltung
der ländlichen Gemeinde im 19. Jh. aufgegriffen und in Preußen in der
Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz von 1845 und für die sieben östlichen
Provinzen von 1891 verwirklicht (vgl. Baden Gemeindegesetz 1831, Österreich
Gemeindegesetz 1849, Bayern Gemeindeordnung 1869). Als Gebietskörperschaft
dient die L. seitdem als kleinste räumliche Einheit der (staatlichen)
Verwaltung.
Lit.: Hübner 129; Kroeschell, DRG 1; Bognetti, G.,
Sulle origini dei comuni rurali del medio evo, Studi nelle scienze giuridiche e
sociali 10f. (1926f.); Quirin, K., Herrschaft und Gemeinde, 1952; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Steinbach, F., Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen,
1960; Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Schwineköper, B.,
1964, 2. A. 1986; Nikolay-Panter, M., Entstehung und Entwicklung der
Landgemeinde im Trierer Raum, 1976; Bognetti, G., Studi sulle origini del
comune rurale, 1978; Schildt, B., Bauer - Gemeinde - Nachbarschaft, 1996;
Landgemeinden im Übergang zum modernen Staat, hg. v. Franz, N. u. a., 1999
Landgericht ist allgemein ein für ein
→Land zuständiges →Gericht. Es erscheint mit der
Territorialisierung des Rechtes im Hochmittelalter. Wesentliche Kennzeichen
könnten der Graf als Landrichter, die Zuständigkeit für gewichtigere
Streitfälle (Eigen und Erbe, Freiheit, Ungericht), die Anwendung des Landrechts
und die regelmäßige Abhaltung an (mehreren) festen Gerichtsplätzen (Dingstätten,
Schrannen) sein. Das L. ist meist nicht für den Adel zuständig und steht unter
dem landesfürstlichen →Hofgericht. Von daher versteht sich seine
Entwicklung zu einer mittleren Instanz. 1877/1879 wird das L. (1893 im
Deutschen Reich 172 Landgerichte mit 2341 Richtern) zu dem zwischen Amtsgericht
und Oberlandesgericht stehenden Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, das
Eingangsgericht nur für gewichtigere Zivilsachen und Straffälle ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 115, 200,
261; Rosenthal, E., Geschichte des Gerichtswesens und der
Verwaltungsorganisation Baierns, Bd. 2 1906; Voltelini, H. v., Die Entstehung
der Landgerichte im bayerisch-österreichischen Rechtsgebiete, Archiv f.
österreichische Geschichte 94 (1905), 1; Müller, H., Das kaiserliche
Landgericht der vormaligen Grafschaft Hirschberg, 1911; Kalisch, H., Die
Grafschaft und das Landgericht Hirschberg, ZRG GA 34 (1913), 141; Feine, H.,
Die kaiserlichen Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Hiereth, S.,
Die bayrische Gerichts- und Verwaltungsorganisation, 1950; Merzbacher, F.,
Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956; Landwehr, G., Die
althannoverschen Landgerichte, 1964; Leiber, G., Das Landgericht der Baar,
1964; Peter, A., Das Landgericht Klettgau, 1966; Düsseldorf und sein
Landgericht 1820-1970, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landgerichts in
Oldenburg (1573-1935), 1975; Iustitia Coloniensis, 1981; Hiereth, S., Moosburg,
1986; Strätz, H., 175 Jahre Hof- und Landgericht Konstanz, 1988; Raubold, D., Das
Landgericht Hildesheim, 2003
Landgerichtsordnung ist die für das →Landgericht
verfasste Ordnung (z. B. Oberösterreich 1514, Franken 1618).
Lit.: Bartmann, J., Das Gerichtsverfahren vor
und nach der münsterischen Landgerichtsordnung von 1571, 1908; Merzbacher, F.,
Ordinatio Iudicii Provincialis Franconica, Würzburger Diözesangeschichtsbll.
32 (1970), 83
Landgraf ist seit der ersten Hälfte des 12.
Jh.s ein wohl im Zuge der allgemeinen Territorialisierung entstehender Titel
eines reichslehnbaren Amtes zur Verwaltung und Sicherung königlicher Rechte (in
einem Land). Landgrafen finden sich in Thüringen 1131, Oberelsass 1135,
Unterelsass 1138, (Leuchtenberg 1143,) Heiligenberg 1169, Burgund-Buchegg
1226, Thurgau 1227, Aargau 1232/1234, Frickgau 1234, Burgund-Neuenburg 1235,
Zürichgau 1245, Hessen 1265, Hegau 1275, Breisgau 1276, Baar 1287, Stühlingen
1296, Buchsgau 1318, Klettgau 1325, Sisgau 1354 und Leiningen 1444. Ihre
Stellung endet spätestens 1806, in Hessen-Homburg 1866.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Franck, W., Die Landgrafschaften
des heiligen römischen Reichs, 1873; Doeberl, M., Die Landgrafschaft der
Leuchtenberger, 1893; Mayer, T., Über die Entstehung und Bedeutung der älteren
deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58 (1938), 138; Hess, W., Hessische Städtegründungen
der Landgrafen von Thüringen, 1966; Eyer, F., Die Landgrafschaft im unteren
Elsass, ZGO N. F. 78 (1969), 148
Landgrafschaft →Landgraf
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Mayer, T., Über
Entstehung und Bedeutung der älteren deutschen Landgrafschaften, ZRG GA 58
(1938), 138; Eberhardt, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft
Thüringen, 75 (1958), 108; Demandt, K., Der Personenstaat der Landgrafschaft
Hessen im Mittelalter, 1981
Landgut ist im deutschen Privatrecht des
19. Jh.s das in eine Landgüterrolle eingetragene Anerbengut, an welchem dem
Anerben bei der Erbteilung nur ein Übernahmerecht zusteht (Brandenburg,
Schlesien, Schleswig-Holstein, Regierungsbezirk Kassel 1884/1887). Es wird
1933 durch das Reichserbhofgesetz beseitigt, in Hessen 1947 (Neufassung 1970)
aber wieder hergestellt.
Lit.: Enneccerus, L., Ein Höferecht für Hessen 1882;
Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 2. A. 1970; Starke, A., Die hessische
Landgüterordnung, 1995
Landhofmeister ist eine im 15. Jh. erscheinende
Fortbildung des →Hofmeisters.
Landkasse ist seit dem Spätmittelalter die
besondere, neben der landesherrlichen Finanzverwaltung stehende landständische
Finanzverwaltung. Sie wird auch Landkasten genannt. Sie wird vom Absolutismus
beseitigt.
Lit.: Bamberger, E., Die Finanzverwaltung in den
deutschen Territorien des Mittelalters, Diss. jur. München 1923
Landkreis ist der untere staatliche Verwaltungsbezirk
mit überörtlichen Selbstverwaltungsaufgaben. Der L. geht auf die Bildung von
kleineren Kreisen (z. B. Teltow, Barnum, Zauche) oder größeren Kreisen (z. B.
Altmark, Mittelmark, Neumark) in Brandenburg seit dem 14. Jh. zurück. Im 16.
Jh. erkennt der Landesherr Kreisversammlungen an. Aus den Kreisdirektorien und
den Kreiskommissaren entwickelt sich der →Landrat. Zuständig sind die
Kreise vor allem für Wohlfahrtsmaßnahmen, militärische Angelegenheiten und
Verkehrsbelange. Zwischen 1825 und 1828 werden Kreisordnungen für die
einzelnen Provinzen Preußens erlassen. 1872 werden echte Kommunalverbände mit
Selbstverwaltungsrecht geschaffen, deren wichtigste Organe Kreistag,
Kreisausschuss und Landrat sind. 1919 wird das allgemeine, gleiche und direkte
Wahlrecht eingeführt. Etwa zur gleichen Zeit wird die Bezeichnung L. (für
Kreis) üblich. Die Angleichung der übrigen Länder an die Verhältnisse Preußens
erfolgt vereinzelt seit dem 19. Jh., in Baden mit der Landkreisordnung vom 24.
6. 1939, in Bayern durch die dritte Verordnung über den Neuaufbau des Reiches
vom 28. 11. 1938. Eine geplante Reichskreisordnung kommt nicht zustande. Nach
der institutionellen Sicherung der Kreise durch Art. 28 I GG erlassen die
Länder der Bundesrepublik Deutschland eigene, die Verbindung von
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung fortführende Landkreisordnungen.
Lit.: Constantin, O./Stein, E., Die deutschen
Landkreise, 1926; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19.
Jahrhundert, 1950; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise in der Geschichte
Südwestdeutschlands, 1960; Unruh, G., Der Kreis, 1960; Stadler, K., Der Weg zur
Selbstverwaltung der bayerischen Landkreise, 1962; Der Kreis, 1972ff.;
Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f.
1975; Hundert Jahre Kreisordnungen Nordrhein-Westfalen, hg. v. Landkreistag,
1988; Der Landkreistag Nordrhein-Westfalen 1947-1997, hg. v. Möller, F. u. a.,
1997; Henneke, H., Die deutschen Kreise und ihr Landkreistag, 2016
Landlauf von Steyr ist das frühestens am Ende des 14.
Jh.s vielleicht von einem unbekannten Gerichtsschreiber der steirischen Landschranne
unter Einbeziehung einiger Sätze des Schwabenspiegels in 252 Artikeln
verfasste Rechtsbuch, das sich vor allem mit dem Verfahren, mit den
Landesdienstherren, den Bürgern, den Strafen und den Juden befasst. In Kärnten
wird hieraus im 16. Jh. das Kärntner Rechtsbuch.
Lit.: Bischoff, E., Steiermärkisches Landrecht
des Mittelalters, 1875; Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965, 207;
Wesener, G., Das innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963, 19
Landläufige kulmische Rechte sind die aus dem alten →Kulm
und anderen Quellen um die Mitte des 15. Jh.s in Danzig (?) entstandenen
Rechtsaufzeichnungen.
Lit.: Litewski, W., Landrecht des Herzogtums
Preußen. Strafrecht, 1982; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters,
Bd. 1 1990, 52
Landleihe ist die zeitweise Überlassung von
Land durch den Berechtigten in größerem oder kleinerem Umfang. Hierfür gilt
seit dem Mittelalter teils unterschiedlich ausgestaltetes Leiherecht, teils
Lehnrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Levy, E., Vom römischen
precarium zur germanischen Landleihe, ZRG RA 66 (1948), 1
Ländliche Rechtsquellen sind die vor allem im
Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit sichtbaren, im nichtstädtischen
Bereich geltenden örtlichen Rechtsquellen (der bäuerlichen Belange). Hierher
gehören hauptsächlich →Weistümer, Hofrechte und Dorfrechte. Trotz der
Rechtsvereinheitlichung der frühen Neuzeit gelten sie teilweise bis in das 19.
Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Württembergische ländliche Rechtsquellen, hg.
v. Wintterlin, F. u. a., Bd. 1ff. 1910ff.; Deutsche ländliche Rechtsquellen, hg. v.
Blickle, P., 1977 (Wege der Forschung); Die ländlichen Rechtsquellen aus den
pfalz-neuburgischen Ämtern Höchstädt, Neuburg, Monheim und Reichertshofen vom
Jahre 1585, hg. v. Fried, P., 1983; Ländliche Rechtsquellen aus dem
kurtrierischen Amt Cochem, bearb. v. Krämer, C. u. a., 1986; Ländliche
Rechtsquellen aus dem Kurmainzer Rheingau, bearb. v. Jeschke, P., 2003
Landnahme ist die junge geschichtswissenschaftliche
Bezeichnung für das Eindringen germanischer Stämme in fremde Siedlungsgebiete
in der Völkerwanderungszeit (375-568).
Lit.: Meyer, H., Die fränkische Landnahme und
das Rheinland, 1936; Petri, L., Zum Stand der Diskussion über die fränkische
Landnahme, 1954; Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen, hg. v.
Müller-Wille, M. u. a., 1993f.
Landpacht →Pacht
Landrat ist in den meisten Ländern der
Bundesrepublik Deutschland der Hauptverwaltungsbeamte der Gebietskörperschaft
Kreis bzw. Landkreis und Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde. Er
entwickelt sich in der Mark Brandenburg im 16. Jh. wohl aus dem vom
Landesherrn auf Vorschlag der Landstände ernannten Kreiskommissar. Jedenfalls
erhalten am 27. 9. 1702 alle märkischen Kreiskommissare den Titel L. Im 18. Jh.
wird das Amt auf Preußen insgesamt ausgedehnt. 1825 werden seine Befugnisse
zugunsten des Kreistags eingeschränkt, 1872 zugunsten des Kreisausschusses,
dessen Vorsitzender der L. ist. Die übrigen deutschen Länder gleichen sich dem
an. Vielfach ist der L. Volljurist.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 151, 197;
Baltl/Kocher; Gelpke, F., Die geschichtliche Entwicklung des Landratsamts,
1902; Lammermann, G., Die Entwicklung der rechtlichen Stellung des preußischen
Landrats, Diss. jur. Göttingen 1939; Unruh, G. v., Der Landrat, 1966; Eifert,
C., Paternalismus und Politik, 2003; Weil, F., Entmachtung im Amt, 2004;
Penzholz, G., Geliebt und gefürchtet, 2016
Landrecht ist
vom Hochmittelalter bis in die frühe Neuzeit das für die Bewohner eines
→Landes des Heiligen römischen Reiches
geltende allgemeine →Recht im Gegensatz vor allem zum Stadtrecht
oder zum Lehnsrecht. Seit der Mitte des 11. Jh.s lassen die lateinischen
Quellen deutliche territoriale Bezüge erkennen (z. B. [lat.] provinciae mos
[M.], ius [N.] terrae, regionis consuetudo [F.]). Im Jahre 1200 stellt eine
Urkunde mhd. lantreht und (lat.) statuta [N.Pl.] civitatis (Statuten der
Stadt) gegenüber. Der das L. vielleicht nach römisch-kanonischem Vorbild
anfänglich lateinisch aufzeichnende →Sachsenspiegel →Eike von Repgows
(1221-1224) unterscheidet das (mnd.) landreht ausdrücklich vom Lehnsrecht, von
des mannes reht, von dem geistlichen Recht, vom Dorfrecht und wohl
selbstverständlich auch vom →Stadtrecht. Hauptquelle des Landrechts ist
das gewohnheitsrechtlich fortgebildete →Volksrecht, doch werden auch
gesetzliche (bzw. gesetzte) oder vertragliche (bzw. vereinbarte) Regelungen
einbezogen. Die Aufzeichnung erfolgt seit dem 13. Jh. in zunehmender Dichte
(Österreich 1237 u. s. w.). Zur gleichen
Zeit ist auch bereits gesetzlicher Erlass von L. möglich (z. B. Kulmer
Handfeste 1233). Weitere bedeutsame Landrechte sind das etwa 1335 entstandene,
1346 vermehrte oberbayerische Landrecht, das schlesische Landrecht (1356), das
Würzburger Landrecht (1435) oder das dithmarsche L. (1447). In der frühen
Neuzeit wird das L. unter dem Einfluss des römischen Rechtes verschiedentlich
reformiert (Bayern 1518, [Brandenburg 1527,] Kurköln 1538, Württemberg 1555,
Solms 1571, [Kursachsen 1572,] Siebenbürgen 1583, Herzogtum Preußen 1620). Hier
sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Zivilprozess und Strafrecht erfasst. Mit
dem preußischen Allgemeinen Landrecht und dem Badischen Landrecht als
naturrechtlichen Kodifikationen klingen die Landrechte 1794 bzw. 1809 (auch)
dem Namen nach aus. Daneben ist L. auch das Landgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93,
102; Baltl/Kocher; Böhlau, H., Mecklenburgisches Landrecht, Bd. 1 1871;
Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1
(zum Rheingauer Landrecht); Meyer, H., Das sogenannte Rheingauer Landrecht, ZRG
GA 24 (1903), 309; Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands, Bd.
1, Halbbd. 2 Landrechte des 16. Jahrhunderts, eingel. v. Kunkel, W., 1938;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Carlen, L., Das Landrecht des
Kardinals Schiner, 1955; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland,
1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Dirks, M., Das Landrecht des Kurfürstentums
Trier, 1965; Das bayerische Landrecht von 1616, hg. v. Günther, H., 1969; Das
Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973;
Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Friedrich
Esaias Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W.,
1970; Köbler, G., Land und Landrecht im Mittelalter, ZRG 86 (1969), 1ff.;
Floßmann, U., Landrecht als Verfassung, 1976; Litewski, W., Landrecht des
Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1982ff.; Schroeder, F., Das Oberpfälzer
Landrecht von 1657/59, ZRG GA 110 (1993), 482; Löw, I., Die Eiderstedter
Landrechte von 1426 bis 1591, 2003; Zimmer, K., Das Burger Landrecht, 2003;
Vries, O., Thet is ac londriucht – Landrechte und Landrecht im
mittelalterlichen Friesland (in) Directions for Old Frisian Philology, hg. v.
Bremmer jr., R u. a., 2014, 571
Landrechtsbuch →Landrecht
Landrechtsglosse →Sachsenspiegel, Glosse
Landrechtsreformation →Landrecht, Reformation
Landrichter ist der für ein →Land
zuständige →Richter (1186 lat. iudex [M.] provinciae). Das ist zunächst
ein königlicher Amtsträger, danach der Landesherr, seit dem 13./14. Jh. der
landesherrliche Richter im →Landgericht und seit 1877/1879 (umgangssprachlich)
der Richter am Landgericht.
Lit.: Döhring, H., Geschichte der deutschen
Rechtspflege seit 1500, 1953; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971, 104
Landsasse ist im Sachsenspiegel (1221/1224)
der untere Freie (ohne Grundeigentum). In der frühen Neuzeit ist L. der über
dem einfachen Freien stehende, meist den Landständen angehörende Untertan.
Lit.: Hagemann, A., Die Stände der Sachsen, ZRG
GA 76 (1959), 111, 147; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt,
1975
Landsässiger Adel ist in der frühen Neuzeit der ein
Haus mit mindestens einer Grundherrschaft besitzende, grundsätzlich im Landtag
sitzende und damit über Landstandschaft verfügende, aber auch der Landesherrschaft
unterworfene Adel in einem Land. →Landsasse
Lit.: Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A.
1965; Lieberich, H., Landherren und Landleute, 1964
Landschädliche Leute (lat. nocivi [M.Pl.] terrae) sind
im Spätmittelalter die für den Landfrieden gefährlichen Menschen. Sie können
von Amts wegen auch ohne handhafte Tat festgenommen werden. Gegen sie kann ohne
Weiteres öffentliche Klage erhoben werden. Gegen sie kann ein summarisches Verfahren
stattfinden. Seit dem Spätmittelalter genügt zu ihrer Überführung der Nachweis
ihrer Schädlichkeit bzw. Gefährlichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 207; Zallinger, O. v.,
Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute, 1895; Knapp, H., Das Übersiebnen
der schädlichen Leute in Süddeutschland, 1910; Vogt, A., Die Anfänge des
Inquisitionsprozesses in Frankfurt am Main, ZRG GA 68 (1951), 234; Hirsch, H.,
Die hohe Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958
Landschaft ist allgemein eine als Einheit verstandene
Gegend und im besonderen ein in einer solchen Einheit seit dem Spätmittelalter
gebildeter Zusammenschluss bestimmter (ständischer) Personen und das von
ihnen im 19. Jh. geschaffene genossenschaftlich organisierte
Grundstückskreditinstitut.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Urkundenbuch der
Stadt und Landschaft Zürich, hg. v. Escher, J. u. a., Bd. 1ff. 1888ff;
Berghaus, W., Verfassungsgeschichte der ostfriesischen Landschaft, 1956; Gut, J.,
Die Landschaft auf den Landtagen der markgräflich badischen Gebiete, 1970;
Blickle, Peter, Landschaften im alten Reich, 1973; Engelberg, G., Ständerechte
und Verfassungsstaat, 1979; Kofler, W., Land, Landschaft, Landtag, 1985;
Sonnabend, H., Mensch und Landschaft, 1998; Deter, G., Die landschaftsbezogene
Rechtsgemeinschaft, ZRG GA 123 (2006), 358
Landschaftsrecht ist das Recht einer skandinavischen
Landschaft (z. B. Västergötland um 1220/1240). →nordisches Recht,
→Schweden
Lit.: Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988
Landschenkung ist die unentgeltliche Übereignung
mindestens eines Grundstücks, im weiteren Sinn auch die Überlassung mindestens
eines Grundstücks zur Nutzung. In welchem Umfang in germanischer Zeit eine
derartige L. (Landgabe) besteht, lassen die Quellen nicht sicher erkennen, wenn
sie auch (lat.) servi (M.Pl.) in der Art römischer (lat.) coloni (M.Pl.)
bezeugen. Im Frühmittelalter geben die durch Einziehung der römischen
Staatsgüter reich gewordenen Könige Land an Adel und Kirche in teils
lehnsrechtlicher, teils anderer Form. Auch Adel und Freie begaben (beschenken)
die Kirche in erheblichem Umfang zu verschiedenem Recht.
Lit.: Brunner, H., Die Landschenkungen der
Merowinger und Agilolfinger, SB. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1885, Bd. 2 1173;
Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Gladiß, D. v., Die Schenkungen
der deutschen Könige zu privatem Eigen, DA 1 (1937), 80; Hattenhauer, H., Die
Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Dorn, F., Die Landschenkungen der
fränkischen Könige, 1991
Landsgemeinde ist die förmliche Versammlung der
schweizerischen Gemeinwesen. Sie wird in ersten Anfängen 1231 in Uri, 1294 in
Schwyz und 1309 in Unterwalden sichtbar. Sie ist oberste gesetzgebende,
vollziehende und gerichtliche Gewalt. Teilnahmepflichtig ist grundsätzlich der
mit 14 oder 16 Jahren erwachsene Mann. Zeitweise bestehen 80 Landsgemeinden,
Ihre Zahl schrumpft bis 1997 auf vier (Appenzell-Innerrhoden,
Appenzell-Außerrhoden, Glarus, Obwalden) und bis 2007 auf zwei (Appenzell-
Innerrhoden, Glarus).
Lit.: Ryffel, H., Die schweizerischen
Landsgemeinden, 1903; Kellenberg, M., Die Landsgemeinden der schweizerischen
Kantone, Diss. jur. Zürich 1965; Carlen, L., Die Landsgemeinde der Schweiz,
1976; Mockli, G., Die schweizerischen Landsgemeinde-Demokratien, 1987; Brändle,
F., Demokratie und Charisma – Fünf Landsgemeindekonflikte, 2005; Helg, F., Die
schweizerischen Landsgemeinden, 2007
Landsiedelrecht ist eine seit dem 13. Jh. vor allem
in Hessen gebräuchliche, vielleicht aus dem römisch-italienischen Recht
stammende Form der nicht erblichen bäuerlichen Leihe, die seit dem 16. Jh.
erblich wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Thieme, H., Zum
hessischen Landsiedelrecht, FS A. Schultze, 1934, 207; Welkoborsky, G., Das
Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Geschichte, N.F. 30 (1967/8), 1f., 28ff;
Franz, E., Grangien und Landsiedel, FS G. Franz, 1967
Landshut ist die 1204 von Herzog Ludwig dem
Kelheimer am Fuß des Hofbergs in den Auenwäldern der mittleren Isar gegründete
Stadt, die zeitweise Sitz eines bayerischen Teilfürstentums ist und von 1800
bis 1826 die (1459/1472) in Ingolstadt gegründete, 1826 nach München verlegte
Universität beherbergt.
Lit.: Becher, H., Landshut, 1978; Strasser, S., Die
Geschichte der juristischen Fakultät der Universität Landshut (1800-1826),
2001; Tausche, G./Ebermeier, W., Geschichte Landshuts, 2003; Die älteste
Landshuter Universitätsbeschreibung von Franz Dionys Reithofer (1811), hg. v.
Böhm, L, 2003; Von der Donau an die Isar, hg. v. Böhm, L. u. a., 2003
Landsknecht ist seit dem ausgehenden 15. Jh.
der Söldner zu Fuß (aus kaiserlichen Landen?), der in der Mitte des 17. Jh.s
dem staatlich gebundenen Söldner weicht.
Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der
Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte, (Diss.
phil. Frankfurt am Main) 1976; Kurzmann, G., Maximilian I. und das Kriegswesen,
Diss. phil. Graz 1983; Baumann, R., Die Landsknechte, 1994; Rogg, M.,
Landsknechte und Reisläufer, 2002
Landstadt ist die unter der Herrschaft eines
Landesherrn stehende Stadt. Die L. gehört den Landständen an. In den meisten
Landstädten nimmt der Landesherr die Gesetzgebung ganz oder teilweise, die
Verwaltung weitgehend und die Gerichtsbarkeit in der Form der Einfügung in den
Instanzenzug in Anspruch. In der frühen Neuzeit wird die L. auf diese Weise
mehr und mehr eine staatliche Einrichtung. Im 19. Jh. wird demgegenüber die
→Selbstverwaltung wieder belebt (Preußen 1808).
Lit.: Lorenz, O., Über den Unterschied zwischen
Reichsstädten und Landstädten, SB. d. Akad. d. Wiss. Wien 89 (1878), 17;
Haberer, G., Verwaltungsvorschriften in den älteren Rechten südhessischer
Landstädte, Diss. jur. Frankfurt 1981; Landesherrliche Städte im Südwesten, hg.
v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Vetter, K., Zwischen Dorf und Stadt, 1996
Landstand ist seit dem Hochmittelalter (z. B.
1231) die Gesamtheit der Angehörigen oder Vertreter gewisser Bevölkerungsgruppen,
die im Sinne eines Dualismus zusammen mit dem Landesherrn die Herrschaft über
ein Land ausüben. Die Landstände entwickeln sich aus den Besseren und Größeren
des Landes (lat. meliores [M.Pl.] et maiores terrae), die in wichtigen Angelegenheiten
(z. B. Kriegserklärung, Gebietsveräußerung, Steuerbewilligung) mitwirken
müssen. Zu ihnen gehören vor allem weltliche Adlige (Ritter), geistliche Adlige
(Prälaten) und meist Städte (unter Vogtei des Landesherrn) sowie
verschiedentlich auch (freie) Bauern (z. B. Tirol 1408, zeitweise Salzburg
1473, Vorarlberg 1504). Sie beraten auf dem →Landtag (z. B. Württemberg
1457). In der frühen Neuzeit verlieren sie fast überall (anders z. B.
Württemberg) ihre Mitwirkungsrechte an den Landesherrn, der den Adel mit der
Überlassung der patrimonialen Herrschaft über das Land, mit Offiziersstellen
und höheren Beamtenstellen abfindet. Im 19. Jh. setzen sich die L. teilweise in
einer ersten Kammer der konstitutionellen Monarchie fort (landständische
Verfassung). 1918 verlieren sie ihre zunächst noch verbliebenen Rechte
gänzlich, doch verbleiben gewisse Fernwirkungen bis zum Ende des 20.
Jahrhunderts (z. B. im Senat als zweiter Kammer Bayerns).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 111, 121,
149, 193; Baltl/Kocher; Mell, R., Abhandlungen zur Geschichte der Landstände im
Erzbistum Salzburg, 1903; Spangenberg, H., Vom Lehnstaat zum Ständestaat, 1912;
Croon, G., Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer, 1912; Krause,
H., System der landständischen Verfassung Mecklenburgs, 1927; Brunner, A., Die
Vorarlberger Landstände, 1929; Hermann, F., Die Aufhebung der Verfassung der
hessen-darmstädtischen Landstände, 1933; Croon, H., Die kurmärkischen
Landstände, 1938; Jappe Alberts, W., De staten van Gelre en Zutphen, 1950ff.;
Bachmann, S., Die Landstände des Hochstifts Bamberg, 1962; Kuhna, R., Die
ständische Verfassung in den westfälischen Landesteilen Preußens und im
Fürstbistum Münster 1780-1806, 1964; Sapper, N., Die
schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im 16. Jahrhundert, 1965;
Reden-Dohna, A. v., Landständische Verfassung und fürstliches Regiment, 1974;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Schubert, E., Die Landstände des
Hochstifts Würzburg, 1967; Brandt, H., Landständische Repräsentation im
Vormärz, 1968; Lücke, J., Die landständische Verfassung im Hochstift
Hildesheim, 1968; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert,
hg. v. Gerhard, D., 1969; Arnswaldt, C. v., Die Lüneburger Ritterschaft, 1969;
Reichsstände und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Aretin, K. Frhr. v.,
Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Putschögl, G., Die landständische
Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Wunder, B., Landstände
und Rechtsstaat, ZHF 5 (1978), 139; Quarthal, F., Landstände und
landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-Österreich, 1980; Lanzinner, M.,
Fürst, Räte und Landstände, 1980; Walz, R., Stände und frühmoderner Staat 1982;
Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Stollberg-Rilinger, B.,
Vormünder des Volkes?, 1999; Landschaften und Landstände in Oberschwaben, hg.
v. Blickle, P., 2000; Schmidt-Salzen, W., Die Landstände im Fürstentum Lüneburg
zwischen 1430 und 1545, 2001; Landstände in Thüringen, hg. v. Thüringer
Landtag, 2008; Metz, A., Der Stände oberster Herr, 2009; Auf dem Weg zur
politischen Partizipation?, hg. v. Lorenz, S. u. a., 2010
landständisch (Adj.), Landstände betreffend (z. B. Art. 13
DBA findet eine landständische Verfassung statt, str. ob materielle herkömmliche
Verfassung gemeint oder formelle [konstitutionelle] Verfassung)
Landstandschaft, F., Zugehörigkeit zu einem Landstand mit Sitz
und Stimme im Landtag
Landsturm ist in der frühen Neuzeit (Preußen
1813) das durch alle nicht beim Heer oder der Landwehr stehenden männlichen
Staatsbürger zwischen 15 und 60 Jahren gebildete Aufgebot zur
Landesverteidigung.
Lit.: Franke, A., Das Landsturm-Edikt vom 21. 4. 1813,
Diss. phil. Breslau 1923
Landtafel ist seit dem Spätmittelalter ein
Verzeichnis von Urkundeninhalten über (landständische) Grundstücke. Im 13. Jh.
findet sich eine L. in Böhmen, 1348 in Mähren, am Ende des 14. Jh.s. in
Jägerndorf, 1730 in der Steiermark, 1746 in Kärnten, 1754 in Oberösterreich,
1758 in Niederösterreich und 1769/1783 im Breisgau. Die L. ist vielleicht vom
Grundbuchgedanken beeinflusst. Eine übersichtliche Darlegung der rechtlichen
Verhältnisse an einem Grundstück sichert sie nicht. Für das Grundbuchwesen des
19. Jh.s ist sie dennoch ein bedeutsamer Anknüpfungspunkt. Daneben kann L.
auch eine Landesordnung (Oberösterreich 1616, 1652) oder eine Bilddokumentation
(Salzburg 1592, 1620, 1706, 1739) sein.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 142;
Baltl/Kocher; Demelius, H., Die breisgauische Landtafel 1783, ZRG GA 74 (1957),
261; Strätz, H., Die oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Zaisberger, F.,
Die Salzburger Landtafeln, 1990
Landtag ist seit dem späten Hochmittelalter
die im Absolutismus an Bedeutung verlierende Versammlung (der Stände) eines
Landes (z. B. Württemberg 1457) an einem bestimmten Tag, seit dem 19. Jh. die
(zunehmend demokratischer) gewählte Volksvertretung eines Landes.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111; Croon,
G., Der rheinische Provinziallandtag, 1918; Hugelmann, K., Die österreichischen
Landtage im Jahre 1848, Archiv f. österreich. G. 111 (1939), 114 (1938), 115
(1943); Franz, E., Bayerische Verfassungskämpfe, 1926; Vries, R. de, Die
Landtage des Stiftes Essen, 1934; Grube, W., Der Stuttgarter Landtag 1457-1957,
1957; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage im
16. Jahrhundert, 1965; Franz, G., Die Bauern in den Landtagen des 19. Jahrhunderts,
FS K. Bosl, 1974, 28; Ehrle, P., Volksvertretung im Vormärz, Teil 1f. 1979;
Press, V., Landtag im alten Reich, Z. f. württemberg. LG. 39 (1986), 100;
Schober, R., Geschichte des Tiroler Landtags, 1984; Kofler, W., Land,
Landschaft, Landtag, 1985; Lange, U., Landtag und Ausschuss, 1986; Köck, P.,
Der bayerische Landtag 1946 bis 1986, 1988; Der bayerische Landtag, hg. v.
Ziegler, W. u. a., 1995; Hildebrandt, T., Die brandenburgischen Provinziallandtage
von 1841, 1843 und 1845, 2002; Gerhardt, J., Der erste vereinigte Landtag in
Preußen, 2007; Linck, J., Wie ein Landtag laufen lernte, 2010; Harding, E., Landtag und Adeligkeit, 2011
Landvogt ist seit dem späten 13. Jh. ein vom
König zur Verwaltung gefährdeten Reichsgutes eingesetzter Vogt (in Oberschwaben,
Niederschwaben, Oberelsass, Niederelsass, der Ortenau, der Wetterau, dem
Speyergau, Nürnberg, Rothenburg und der Schweizer Waldstätte). Im 14. Jh.
stellt auch Brandenburg Landvögte ein, im 19. Jh. Württemberg (1810-1817).
Danach verschwindet der L.
Lit.: Niese, H., Prokurationen und Landvogteien, 1904;
Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980
Landvogtei →Landvogt
Landwehr ist seit dem Hochmittelalter eine
Gesamtheit von Erdwällen mit Gräben zur Verteidigung eines Landes oder
kleineren Gebiets und auch die zeitweise zur Landesverteidigung verpflichtete
Bevölkerung (z. B. Österreich 1808-1852.,1869).
Lit.: Pelissier, E., Die Landwehr, (in) Rund um
Frankfurt, hg. v. Bingemar, H., 1924, 145; 800 Jahre Lemgo, hg. v. Johanek, P.
u. a., 1990; Wassermann, E., Landwehren in Schaumburg, 2016
Landwirtschaft ist die Nutzung von Grundstücken
zur Erzeugung pflanzlicher und tierischer Rohstoffe. Seit der Sesshaftwerdung
sind die Menschen hauptsächlich in Ackerbau und Viehzucht tätig
(→Agrarverfassung). Im Altertum zeigt sich mit der Entwicklung von
Stadtstaaten eine beachtliche wirtschaftliche Differenzierung. Sie findet sich
auch in der →Grundherrschaft und in der Stadtwirtschaft. Am Ende der frühen
Neuzeit wird die L. (der →Bauern) trotz stark wachsender Erzeugung stark
von der Industrie zurückgedrängt, während des 20. Jh.s auch von den
Dienstleistungsberufen, so dass schon 1975 in der Bundesrepublik Deutschland
(von rund 65 Millionen Einwohnern) nur noch 1,5 Millionen Menschen in der L.
tätig sind. Seitdem ist ihre Zahl nochmals erheblich gesunken.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 77, 96, 133,
174, 224, 250, 252; Treue, W., Die deutsche Landwirtschaft zur Zeit Caprivis,
Diss. phil. Berlin 1933; Sering, M., Deutsche Agrarpolitik, 1934; Abel, W.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1935, 2. A. 1966; Below, G. v.,
Geschichte der deutschen Landwirtschaft, 1937, 2. A. (Neudruck) 1966; Lütge,
F., Die Agrarverfassung des frühen Mittelalters im mitteldeutschen Raum, 1937,
2. A. (Neudruck) 1963; Kroeschell, K., Landwirtschaftsrecht, 1963, 2. A. 1966;
Cherubini, G., Agricoltura, 1972; Steitz, W., Die Realbesteuerung der
Landwirtschaft, 1976; Kroeschell, K., Deutsches Agrarrecht, 1983; Henning, F.,
Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1 4. A. 1985, Bd. 2 1978;
Astill, G./Grant, A., The Countryside of medieval England, 1988; Hauschildt,
H., Zur Geschichte der Landwirtschaft im alten Land, 1988; Heß, K., Junker und
bürgerliche Großgrundbesitzer im Kaiserreich, 1990; Achilles, W.,
Landwirtschaft in der frühen Neuzeit, 1991; Rösener, W., Agrarwirtschaft, 1992;
Scheidel, W., Grundpacht und Lohnarbeit, 1994; Agriculture in the Middle Ages,
hg. v. Sweeney, D., 1995; Agrargeschichte, hg. v. Troßbach, W. u. a., 1998;
Noel, G., Le Conseil de l’Europe et l’agriculture, 1999; Howkins, A., The Death
of Rural England, 2003; Agrarstatistik der Provinz Westfalen 1750-1880, hg. v.
Nitsch, M. u. a., 2009; Will, M., Selbstverwaltung der Wirtschaft, 2010; Tauger,
M., Agriculture in World History, 2011; Küster, H., Am Anfang war das Korn,
2013; Grundzüge der Agrargeschichte, hg. v. Brakensiek, S. u. a., 2014; DIe
Wiese, 2016
Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft ist die zwangsweise eingerichtete
Genossenschaft in der verstaatlichten Landwirtschaft der →Deutschen
Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Landwirtschaftsrecht ist das seit dem 19. Jh. allmählich
als Einheit erkennbare Recht der Landwirtschaft.
Lit.: Köbler, DRG 205; Kroeschell, K., Deutsches
Agrarrecht, 1983; Südel, I., Das landwirtschaftliche Erbrecht, 2007
Landzwang ist seit dem Spätmittelalter die
von der Lebensführung landschädlicher Leute ausgehende Gefährdung, der im
Reichsstrafgesetzbuch von 1871 die §§ 240, 126 entsprechen.
Lit.: John, R., Über Landzwang, 1852; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 216
Lanfrancus (Pavia 1005?-Canterbury 24./28. 5.
1089?), Adligensohn, wird nach dem Studium der (lat.) artes (F.Pl.) liberales
Kenner des Rechtes, 1039 Lehrer in Avranches, 1042 Mönch und 1045 Prior in Bec
sowie 1070 Erzbischof von Canterbury. Durch Urkundenfälschungen erreicht der
gesuchte Gelehrte und führende Theologe den Vorrang des Erzbistums Canterbury
in England.
Lit.: Montclos, J. de, Lanfranc et Bérenger, 1971;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Álvarez de las Asturias,
N., La „Collectio Lanfranci“, 2008 (23 Handschriften)
Lang, Karl Heinrich Ritter von (Balgheim 7. 7.
1764-Ansbach 26. 3. 1835), Pfarrerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Altdorf
(Malblanc) 1789 Sekretär, 1795 Archivar und 1799 ansbachischer, dann
bayerischer Rat, Archivar und Kreisdirektor. Er verfasst eine Reihe
rechtsgeschichtlicher Arbeiten (z. B. Historische Entwicklung der deutschen
Steuerverfassung, 1793, Neudruck 1966).
Lit.: Raumer, K. v., Der Ritter von Lang und seine
Memoiren, 1923
Langdell, Christopher Columbus (1826-1906),
1870-1895 Professor an der Harvard University, lehrt das amerikanische Recht
nach der sokratischen Lehrmethode (im Recht), nach der an Hand ausgewählter
Entscheidungen induktiv Grundsätze ermittelt werden, die ihrerseits deduktiv
der Lösung neuer Fälle dienen.
Lit.: Gilmore, G., Ages of American Law, 1977
Langobarde ist der Angehörige des germanischen
Volk, das von Norddeutschland nach Italien zieht (568) und große Teile
Oberitaliens und Mittelitaliens beherrscht. 774 unterliegen die Langobarden,
von denen 46 Königsurkunden, knapp 40 Herzogsurkunden Spoletos und insgesamt
knapp 350 langobardische (lat. [F. Pl.] chartae zwischen dem Ende des 7. Jh.s
(um 650, 685, häufiger erst ab 740) und der Eroberung Pavias durch den
fränkischen König Karl (den Großen) im Jahre 774 (rund 270 aus dem
langobardischen Reich [139 aus Lucca], 63 aus dem Herzogtum Spoleto, 11 aus dem
Herzogtum Benevent) als kleiner Rest des ursprünglich wohl vorhandenen größeren
Bestands erhalten sind, Karl dem Großen. Selbständig bleibt der Dukat Benevent.
Mit dem 12. Jh. werden die Langobarden von der sie umgebenden Vorbevölkerung
aufgesogen. An sie erinnert noch die Lombardei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67;
Pflugk-Harttung, J. v., Die Thronfolge im Langobardenreiche, ZRG GA 8 (1887),
66; Bruckner, W., Die Sprache der Langobarden, 1895; Kjer, C.,
Overretssagfører, 1898, 1900; Morossi, C., L’assemblea nazionale del regno
Langobardo-Italico, Rivista di storia del diritto Italiano 9 (1936), 3;
Bognetti, G., L’Età longobarda, Bd. 1ff. 1966ff.; Winterer, H., Die Stellung
des unehelichen Kindes in der langobardischen Gesetzgebung, ZRG GA 87 (1970),
32; Cavanna, A., Fara sala arimannia nella storia di un vico longobardo, 1967;
Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung,
1972; Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, 1982; Scardigli, P., Goti e Longobardi,
1987; Langobardia, 1990; Francovich Onesti, N., Vestigia longobarde in Italia
(568-774), 1999; Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Il regno
dei Longobardi in Italia, hg. v. Gasparri, S., 2004; Die Langobarden, hg. v.
Pohl, W. u. a., 2005; Priester, K., Geschichte der Langobarden, 2004,
Sonderausgabe 2008; Die Langobarden, hg. v. Landschaftsverband Rheinland u. a.,
2008; Paulus Diaconus, Geschichte der Langobarden, hg. v. Schwarz, W., 2009;
The Langobards before the Frankish Conquest, hg. v. Ausenda, G. u. a., 2010; I
longobardi e la storia, hg. v. Lo Monaco, F. u. a., 2012
Langobardisches Recht ist das Recht der Langobarden.
Nach älteren Gewohnheiten (gawarfide) wird am 22. 11. 643 das Edikt (lat.
edictus M.)
Rotharis angenommen, das spätere Könige vielfach ergänzen. In Pavia wird dieses
Recht vielleicht ständig gepflegt. Möglicherweise um 1054 entsteht dort die
hierauf beruhende Sammlung (lat.) Liber (M.) Papiensis, die Lehnrecht
einschließt. Hierzu bildet sich wenig später eine (lat.) Expositio (F.) mit
erläuternden Abhandlungen zu einzelnen Bestimmungen und eine (lat.)
→Lombarda (F.) genannte Systematisierung, die im 13. Jh. von Karolus de
Tocco in Süditalien kommentiert wird. Das langobardische Lehnrecht wird in den
(lat.) Libri (M.Pl.) feudorum zusammengefasst und später den Novellen
(Justinians) angefügt.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des
Ariprand und Albertus, 1855; Neumeyer, K., Notizen zur Literaturgeschichte des
longobardischen Rechts, ZRG GA 20 (1899), 249; Lehmann, K., Handschriften des
langobardischen Lehnrechts, ZRG GA 21 (1900), 232; Seckel, E., Quellenfunde zum
lombardischen Lehenrecht, FS Otto Gierke, 1910; Mayer, E., Asto animo, ZRG GA
38 (1917), 300; Codice diplomatico Longobardo, hg. v. Schiaparelli, L. u. a.
1928ff. (2003 abgeschlossen); Schupp, A., Die Stellung der Frau im
langobardischen Recht, Diss. jur. Bonn 1952; Buchner, R., Die Rechtsquellen,
1953; Die Gesetze der Langobarden, hg. v. Beyerle, F., 2. A. 1962; Löfstedt,
B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Vaccari, P.,
Diritto langobardo, (in) Ius Romanum medii aevi, I 4b ee, 1964; Dilcher, G.,
Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Brühl. C., Studien zu den
langobardischen Königsurkunden, 1978; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Löfstedt, B., Ein textkritisches Problem in den langobardischen Gesetzen, ZRG
GA 93 (1976), 319; Rivers, T., Symbola, manumissio et libertas Langobardorum,
ZRG GA 95 (1978), 57; Cavanna, A., La civiltà giuridica longobarda, 1978; Origo
gentis Langobardorum, hg. v. Bracciotti, A., 1998; Giese, W., Untersuchungen
zur Herrschaftsnachfolge in langobardischen Herzog- und Fürstentümern, ZRG 119
(2002), 44; Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003),
387; Priester, K., Die Geschichte der Langobarden, 2004
Languedoc (aus langue d’oc Sprache
des ja)
ist ein westlich der unteren Rhone gelegenes Gebiet, das um 415 n. Chr. an die
Westgoten, danach an die Franken fällt. Es bildet im Hochmittelalter die
Grafschaft Toulouse.
Lanze ist eine (Stichwaffe und)
Wurfwaffe, die auch rechtssymbolisch verwendet werden kann. Zu den
Reichskleinodien des Heiligen römischen Reichs
zählt die heilige Lanze (von Burgund).
Lit.: Boeheim, W., Handbuch der Waffenkunde, 1890;
Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908; Fillitz, H., Die Insignien und
Kleinodien, 1954; Wegener, W., Die Lanze des heiligen Wenzel, ZRG GA 72 (1955),
56; Rexroth, K., Die Herkunft der heiligen Lanze, (in) Nationes, Bd. 3 1977
Lappe ist der Angehörige eines nichtindogermanischen,
in der Gegenwart über die Nordgebiete Norwegens, Schwedens, Finnlands und
Westrussland verteilten Volkes.
Lit.: Solem, E., Lappiske Rettsstudier, 1933
Larenz, Karl (Wesel 23. 4. 1903-München
24. 1. 1993) wird nach dem Rechtsstudium Professor in Kiel (1933) und München
(1960). Anfangs (idealistisch?) dem Nationalsozialismus zugetan
(Parteimitgliedschaft 1937), entwickelt sich Larenz zu einem führenden
Privatrechtslehrer der zweiten Hälfte des 20. Jh.s.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 495; Frassek, R.,
Von der „völkischen Lebensordnung“ zum Recht, 1996; Frassek, R., Karl Larenz,
JuS 1998, 296; Hartmann, F., Das methodologische Denken bei Karl Larenz, 2001;
Hüpers, B., Karl Larenz, 2010, 2. A. 2016
Lasker, Eduard (Jarotschin 14. 10.
1829-New York 5. 1. 1884) ist nach dem Rechtsstudium in Breslau und Berlin der
Jurist und Publizist, der als nationalliberaler Abgeordneter des deutschen
Reichstags dem Reich die Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht
eröffnet.
Lit.: Köbler, DRG 183; Laufs, A., Eduard Lasker, 1984;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 249;
Schuder, R., Der Fremdling im Osten, 2008
Laski, Jan (1455-1531), 1480 Notar, 1503 Großkanzler in
Polen, veröffentlicht 1506 eine Sammlung der Gesetze des Königreichs Polen.
Lit.: Kaczmarczyk, Z., O kancler zu Jan Laski, 1955
Lassalle, Ferdinand (Breslau 11. 4.
1825-Genf 31. 8. 1864 nach Duell wegen Beleidigung), Sohn eines jüdischen
Seidenhändlers einer Familie aus Loslau, wird nach dem Studium von Philosophie,
Philologie und Geschichte in Breslau und Berlin (1842-46) Revolutionär und
theoretischer Arbeiterführer (1863 Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein,
Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands).
Lit.: Köbler, DRG 177; Ramm, T., Ferdinand Lassalle,
1953; Ramm, T., Ferdinand Lassalle (1825-1864), (in) Nova, F., Lassalle als
sozialistischer Theoretiker, 1980; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v.
Heinrichs, H. u. a., 1993, 117; Ramm, T., Ferdinand Lassalle, 2004; Ferdinand
Lassalle und das Staatsverständnis der Sozialdemokratie, hg. v. Brandt, P. u.
a., 2014
Lassite ist in der frühen Neuzeit ein
freier, abgabenpflichtiger, grundherrlicher Bauer mit erblichem Nutzungsrecht.
Lit.: Hübner § 45; Schultze, J., Die Mark Brandenburg,
Bd. 5 1969, 156
Lassberg, Friedrich von (Lindau 13. 5.
1798-Sigmaringen 30. 6. 1838), Freiherrnsohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg und Jena Verwaltungsbeamter. 1840 veröffentlicht er posthum den sog.
Schwabenspiegel nach einer unvollständigen Handschrift aus der Burg der Rucken
von Tanneck zu Weinfelden im Thurgau und zu dem restlichen Drittel nach einer
Züricher Handschrift.
Lit.: Der Schwabenspiegel, hg. v. Lassberg, F. Frhr.
v., 1840, Neudruck 1916; Stutz, U., Freiherr Joseph von Laßberg, Jacob Grimm
und das deutsche Recht, ZRG GA 52 (1932), 338; Bader, K. u. a., Joseph von
Lassberg, 1955
Lastenausgleich ist ein allgemeiner Ausgleich der
Schäden oder Verluste, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der
Kriegszeit und Nachkriegszeit des zweiten Weltkriegs ergeben haben oder in der
sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder im sowjetischen Sektor in Berlin
entstanden sind (z. B. durch Kriegsschadenrente, Eingliederungsdarlehen oder
Hausratentschädigung, Gesetz vom 14. 8. 1952, weitgehend durch Abgaben erwirtschaftete
Leistungen in Höhe von 126 Mrd. DM bis 1998, insgesamt - teils quotal, teils
sozial ausgerichtet - 143 Mrd. DM bis 2001). Vorläufer des Lastenausgleichs finden
sich im Allgemeinen Landrecht Preußens von 1794, im Kriegsdienstleistungsgesetz
von 1873, im Kriegsschädenschlussgesetz von 1928 und der Kriegssachschädenverordnung
von 1940.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Müller, C., Praxis und
Probleme des Lastenausgleichs, 1997; Gallenkamp, G., Der Lastenausgleich, NJW
1999, 2486; Oldenhage, K., Lastenausgleich (1948-1900), 2002; Wenzel, R., Die
große Verschiebung?, 2008; Habbe, T., Lastenausgleich, 2014
Lasterstein ist ein spätmittelalterliches
Strafwerkzeug für Ehrenstrafen.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 2, 315
Late ist in Sachsen im Hochmittelalter wohl der
Freigelassene.
Lit.: Hübner 356; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 1952, 97
Lateinisch ist die Sprache der aus Sabinern
und Latinern zusammengesetzten Römer. Das Lateinische wird vom westlichen
Christentum übernommen. Es ist die Schreibsprache bis ins Hochmittelalter und
die Wissenschaftssprache bis ins 19. Jh. Im 18. Jh. ersetzen deutsche
Vorlesungen, im 19. Jh. deutsche Vorlesungsverzeichnisse ihre lateinischen Vorgänger.
Am Ende des 20. Jh.s wird fast durchwegs auf Latein als Studienvoraussetzung
für Juristen verzichtet.
Lit.: Köbler, DRG 10, 80, 102, 105; Köbler, LAW; Kalb,
W., Das Juristenlatein, 2. A. 1888; Thesaurus linguae latinae, Bd. 1ff (1998
bis perm...); Löfstedt, B., Studien über die Sprache der langobardischen
Gesetze, 1961; Hattenhauer, H., Zum Übersetzungsproblem im hohen Mittelalter,
ZRG GA 81 (1964), 341; Vossen, L., Mutter Latein und ihre Töchter, 1968, 13. A.
1992, 14. A. 1999; Langosch, K., Die deutsche Literatur des lateinischen
Mittelalters, 4. A. 1983; Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden des
13. Jahrhunderts, 1975; Dictionnaire fréquentiel et index inverse de la langue
latine, 1981; Pick, E., Aufklärung und Erneuerung des juristischen Studiums,
1983; Filip-Fröschl, J./Mader, P., Latein in der Rechtssprache, 1990, 2. A.
1993, 3. A. 1999, 4. A. 2014; Stotz, P., Handbuch zur lateinischen Sprache des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1996ff.; Einleitung in die lateinische Philologie, hg.
v. Graf, F., 1997; Benke, N., Juristenlatein, 1997; Latein für Jurastudenten,
von einem römischen Bürger (Adomeit, K.), 1997, Adomeit, K./Hähnchen, S. Latein
für Jurastudierende, 6. A: 2015; ; Einleitung in die lateinische Philologie,
hg. v. Graf, F., 1997; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007; Riemer,
P. u. a., Einführung in das Studium der Latinistik, 1998; Kindermann, U.,
Einführung in die lateinische Literatur des mittelalterlichen Europa, 1998; La
transizione dal latino alle lingue romanze, hg. v. Herman, J., 1998; Götz, H.,
Lateinisch-althochdeutsch-neuhochdeutsches Wörterbuch, 1999; Compendium
auctorum Latinorum medii aevi, hg. v. Lapidge, M. u. a., Bd. 1ff. 2000ff;
Fuhrmann, M., Latein und Europa, 2001; Handbuch der lateinischen Literatur der
Antike, Bd. 1 hg. v. Suerbaum, W., 2002; Lateinische Lehrer Europas, hg. v. Ax,
W., 2005; Mader, M., Lateinische Wortkunde, 3. A. 2005; http://www.koeblergerhard.de/Latein/LAWVorwort20050201.html;
La prière en latin, hg. v. Cottier, HJ., 2006; Stroh, W., Latein ist tot, es
lebe Latein, 2007; Vitali, D., Mit dem Latein am Ende?, 2007; Bauer, J.,
Wörterbuch der heutigen Rechts- und Politiksprache Deutsch-Latein, 2008;
Leonhardt, J., Latein - Geschichte einer Weltsprache, 2009; http://www.koeblergerhard.de/Latein2/LAWVorwort2.html;
Denooz, J., Nouveau lexique fréquentiel de latin, 2010; Neulateinisches
Jahrbuch 12 (2010); http://www.koeblergerhard.de/Mittellatein-HP/VorwortMlat-HP.htm;
Kaiser, G., Romanische Sprachgeschichte, 2012; Tyrolis Latina. Geschichte der
lateinischen Literatur in Tirol, hg. v. Korenjak, M. u. a., Bd. 1f. 2012;
Touratier, C., Lateinische Grammatik, 2012; Georges, K., Der neue Georges,
bearb. v. Baier, T., 2012 (Antiqua-Schrifttype); Froesch, H., Lexikon
lateinischer Abkürzungen, 2014 Lederer, R. u. a., Latein für Vogelbeobachter,
2015
Lateran ist der Sitz des Papstes in Rom
seit der sog. →konstantinischen Schenkung (326-1308, 1586ff.
Sommerresidenz). Der L. gehört zu der 1929 gebildeten Vatikanstadt.
Lit.: Erler, A., Lupa, lex und Reiterstandbild im
mittelalterlichen Rom, 1972
Lateransynode ist ein im →Lateran
abgehaltenes Konzil (313, 487, 649, 769, 774, 823, 1049, 1059, 1060, 1079,
1102, 1105, 1110, 1112, 1116). Ökumenische Konzile (Laterankonzile) finden 1122-1123, 1139, 1179, 1215 (1200
Teilnehmer, Besitz, Ehe, Juden, Prozess, Universität, Wahl) und 1512-1517
statt.
Lit.: Deslandres, P., Les grandes conciles de Latran,
1913; Foreville, R., Lateran I - IV, 1970; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Latifundium (N.) Großgrundeigentum
Lit.: Köbler, DRG 16
Latiner →lateinisch, Römer
Lit.: Kaser §§ 13, 16, 68, 71; Köbler, DRG 16, 57
latro (lat. M.)
Straßenräuber
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Grünewald, T.,
Räuber, Rebellen, Rivalen, Rächer, 1999
Latium ist das am tyrrhenischen Meer
gelegene Siedlungsgebiet der Latiner, das in der →pippinischen Schenkung
754 an den →Kirchenstaat des Papstes gelangt.
Laudemium (lat. N.)
ist in Spätmittelalter und früher Neuzeit eine unterschiedlich bezeichnete
Abgabe bei Besitzwechsel eines Leiheguts.
Lit.: Henning, F., Dienste und Abgaben der Bauern im
18. Jahrhundert, 1969
Lauenburg ist eine 1182 von den Askaniern
(→Anhalt) erbaute Burg. Das in Anlehnung hieran entstehende Herzogtum
kommt 1689 an Celle-Lüneburg bzw. 1705 Hannover und 1815 bzw. (nach Erlass
eines Grundgesetzes vom 14. 5. 1849) 1864ff. an Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Prange, W.,
Siedlungsgeschichte des Landes Lauenburg im Mittelalter, 1960; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,2906; Hempel, B., Der Entwurf einer
Polizeiordnung für das Herzogtum Sachsen-Lauenburg aus dem Jahre 1591, 1980;
Hillmann, J., Territorialrechtliche Auseinandersetzungen der Herzöge von
Sachsen-Lauenburg, 1999; Meding, W. v., Stadt ohne Land am Fluss, 2007; Meding,
W. v. Lauenburg, 2008
Launegild ist im →langobardischen Recht
die (symbolische) Lohngabe für eine Gabe (Schenkung).
Lit.: Hübner § 82; Köbler, WAS; Pappenheim, M.,
Launegild und Gairethinx, 1882; Val de Lièvre, Revision der Launegildstheorie,
ZRG GA 4 (1883), 15; Rhee, F. van der, Die germanischen Wörter in den
langobardischen Gesetzen, 1970, 94
Lausanne am Genfer See ist der auf eine
römische Siedlung zurückgehende, um 600 Sitz eines Bischofs werdende Ort. 1334
erlangt L. die Stellung einer Reichsstadt. 1536 fällt es an Bern. 1537 wird
eine Universität eingerichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grandjean, M., La
ville de Lausanne, 1965ff.; Anex-Cabanis, D., La vie économique à Lausanne,
1978; Histoire de Lausanne, hg. v. Blaudet, J., 1986; Gratiae fructus.
Festschrift zu Ehren der Universität Lausanne - 100 Jahre deutscher
Rechtsunterricht, hg. v. Schmidt-Cotta, R. (für Altherrenschaft), 1997
Lausitz ist die an der Lausitzer Neiße gelegene, in
der Gegenwart teils deutsche, teils polnische Landschaft.
Lit.: Oberlausitzer Forschungen, hg. v. Reuther, M., 1961; Die
Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa, hg. v. Bahlcke, J., 2007; Salza
und Lichtenau, H. v., Die weltliche Gerichtsverfassung in der Oberlausitz bis
1834, 2013
Läuterung ist in Sachsen seit dem 15. Jh. die
Erklärung einer nicht deutlich genug vorgebrachten Willensäußerung (des Klägers
oder Beklagten). Seit dem 16 Jh. entwickelt sich die L. zu einem ordentlichen
fristgebundenen und schriftbedürftigen Rechtsmittel innerhalb der
entscheidenden Instanz (neben der Appellation). Sie wird erst 1877/1879
beseitigt.
Lit.: Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen
Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Law French ist die normannisch geprägte altfranzösische
Juristensprache des →englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Kerber, K., Sprachwandel im
englischen Recht, 1997; Baker, J., The Common Law Tradition, 2000
Leben ist die besondere Eigenschaft bestimmter
abgeschlossener natürlicher Gegebenheiten (Lebewesen) aus bisher ungeklärtem
Grund in der Anfang und Ende kennenden Zeit mittels Stoffwechsels zu sein und
sich fortzupflanzen.(Lebensbedarf 1841, Lebensgemeinschaft 1839)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Lane, N., Der Funke des Lebens –
Energie und Evolution, 2017 (Die Energie als eine elektrische Spannung stieß
die Entwicklung des höheren Lebens aus dem Einzeller an.); Wedemeyer-Kolwe, B.,
Aufbruch! Die Lebensreform in Deutschland, 2017; Roberts, A., Spiel des Lebens,
2019
Lebendgeburt (F.) ist die Geburt eines lebenden Menschen im
Gegensatz zur Totgeburt. L. st Voraussetzung der Rechtsfähigkeit.
Lebendig begraben ist eine im späten Mittelalter
bezeugte, bis in das 17. Jh. (selten) vollzogene Strafe. Ältere Vorläufer sind
zweifelhaft.
Lit.: Liebermann, F., Ein Ordal des lebendig
Begrabens, ZRG GA 19 (1898), 140; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922; Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942; Schmidt, E.,
Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965,
62
Lebensalter →Alter
Lebensfähigkeit ist die Fähigkeit nach der Geburt
(selbständig) zu leben. Sie wird im Mittelalter vielfach für die
Rechtsfähigkeit vorausgesetzt. Im gelehrten Recht ist sie streitig, wird aber
vom Code civil verlangt.
Lit.: Kaser § 72 II; Hübner 54
Lebensmittelrecht ist das die zum Leben des Menschen
erforderlichen oder geeigneten Nahrungsmittel betreffende Recht. Es wird in der
römischen und hochmittelalterlichen Stadt sichtbar, in der Amtsträger
Aufsichtsbefugnisse über den Markt haben. Zahlreiche Bestimmungen hierzu
enthalten die Landesordnungen bzw. Polizeiordnungen der frühen Neuzeit.
Verstöße gegen das L. werden mit Bußen und Strafen belegt. Nach § 367 Nr. 7 des
Reichsstrafgesetzbuchs von 1871 wird im Deutschen Reich 1879 ein Nahrungsmittelgesetz
und 1927 ein Lebensmittelgesetz erlassen.
Lit.: Heidinger, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Zürich im Mittelalter, 1910; Bruder, H., Die Lebensmittelpolitik der Stadt
Basel im Mittelalter, 1909; Siebert, L., Die Lebensmittelpolitik der Städte
Baden und Brugg im Aargau, 1911; Lindlar, J., Die Lebensmittelpolitik der
Stadt Köln im Mittelalter, Diss. phil. Münster 1913; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955, 43; Lebensmittelrechts-Handbuch
(Lbl.), hg. v. Streinz, R., 1994; Schenker, S., Gegen Täuschungen und
Gesundheitsgefährdungen durch schlechte Nahrung, 2013; Stoff, H., Gift in der
Nahrung, 2015; A Companion to Food in the Ancient World, hg. v. Wilkins, J. u.
a., 2015
Lebenspartnerschaft ist die am Ende des 20. Jh.s in einzelnen
Ländern gesetzlich geregelte gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft zweier
Menschen, die mit eheähnlichen Wirkungen versehen wird.
Lit.: Winckler, K., Die unwirksame eingetragene Lebenspartnerschaft,
2007
Lebensversicherung (1795) ist die Versicherung des Lebens bei
einem Versicherer gegen die Gefahr des Todes. Sie ist eine Privatversicherung
auf den Todesfall oder auf das Erleben eines bestimmten Zeitpunkts. Sie
entsteht nach Vorläufern des 17. Jh.s im 18. Jh. in England (London 1706 John
Hartley), in Deutschland (gesetzliche Regelung bereits im Allgemeinen Landrecht
Preußens von 1794) im 19. Jahrhundert (z. B. in Gotha 1829) vielleicht auch aus
dem Grund, dass der Wegfall des mit der Grundherrschaft verbundenen Schutzes
ausgeglichen werden soll.
L.: Heiss, S., Die Institutionalisierung der deutschen Lebensversicherung,
2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Lebus
Lit.: Ludat, H., Das Lebuser Stiftsregister von 1405, 1965
Le Conte (Contius), Antoine (1517-1586),
Königsbeamtensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bourges (Baron) 1557
Professor in Bourges, 1570 in Orléans und 1574 in Bourges. Er veröffentlicht
textkritisch römisches und kirchliches Recht.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,1977,775
Ledigmann →(lat.) homo (M.) ligius
Leeds in England erhält
1626 Stadtrecht. 1890 wird eine Universität eingerichtet
Leeuwen, Simon van (Leiden 1626-1682) wird
nach dem Rechtsstudium in Leiden Anwalt, Sekretär und Gerichtsschreiber. Er
verfasst eine niederländische Darstellung des römisch-holländischen Rechtes
(lat. Paratitla [N.Pl.] iuris novissimi, 1652, Het Rooms-Hollands-Recht, 1664)
und eine lateinische Zusammenfassung des geltenden römischen Rechtes (lat.
Censura F.
forensis theoretico-practica, 1662), die trotz ihres geringen
wissenschaftlichen Wertes das niederländische Recht bedeutsam beeinflussen.
Lit.: Simon van Leeuwen, Censura, hg. v. Hewett, M.,
1991
Legal realism (Rechtsrealismus) ist im
(anglo-)amerikanischen Recht die seit etwa 1930 erkennbare tatsächliche Betrachtungsweise
von Grundsätzen und Regeln in der Wirklichkeit (z. B. Llewellyn 1893-1962).
Lit.: Reich, N., Sociological Jurisprudence and Legal
Realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967; Rechtsrealismus, multikulturelle
Gesellschaft und Handelsrecht, hg. v. Drobnig, U. u. a., 1994
Legaldefinition ist die von einem Gesetz gegebene
Inhaltsbestimmung eines Rechtsworts (vielleicht ab der Lüneburger Reformation
des Heinrich Husanus von 1577).
Lit.: Ebel, F., Über Legaldefinitionen, 1974
Legalhypothek (F.) vom Gesetz vorgesehene Hypothek
Legalismus
Lit.: Legalism, hg. v. Dresch, P. u. a., 2012
Legalitätsprinzip ist der im 19. Jh. entwickelte
Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein Anderes
bestimmt ist, verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Streitigkeiten einzuschreiten,
sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Straftat
vorliegen. Das L. wird seit etwa 1860 (Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft,
1860, 57) im Gegensatz zum bislang geltenden →Opportunitätsprinzip
verlangt. 1877 wird das L. gesetzlicher Grundsatz, doch werden (1924, 1931) verschiedene
Ausnahmen zugelassen. Als L. wird auch der in der Verwaltung im 19. Jahrhundert
durchgesetzte Grundsatz verstanden, dass staatliche Vollziehung nur auf Grund
eines Gesetzes erfolgen darf (vgl. für Österreich Art. 18 I B-VG).
Lit.: Richter, E., Die Entwicklung des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Göttingen 1925; Hertz, F., Die Geschichte des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schürer, K., Die
Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F.,
Legalitäts- und Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters, 1974, 411; Legalität,
Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Dettmar, J., Legalität und
Opportunität, 2008; From the Judge’s Arbitrium to the Legality Principle, hg.
v. Matyn, G. u. a., 2013
Legalservitut (F.) auf Gesetz beruhende Servitut (z. B.
nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung)
Legat (M.) Gesandter
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Legat (N., Wort 1494) Vermächtnis
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Legatum (lat. N.)
ist das bereits im altrömischen Recht in vier Formen mögliche
→Vermächtnis.
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23, 38; Köbler, LAW
Legatum (N.) per damnationem (Damnationslegat) ist das wohl
spätere Vermächtnis schon des altrömischen Rechtes, bei dem vielleicht der
(lat.) familiae emptor (M.) (treuhänderischer Vermögenskäufer) dem Bedachten
nur für eine bestimmte Geldsumme, später auch für andere Leistungen haften
soll.
Lit.: Kaser §§ 32, 33, 76; Köbler, DRG 23
Legatum (N.) per praeceptionem (lat.) ist schon im altrömischen
Recht das Vorwegnahmevermächtnis zugunsten eines Miterben.
Lit.: Kaser §§ 76; Köbler, DRG 23
Legatum (N.) per vindicationem (lat.) ist schon im altrömischen
Recht das Vermächtnis, bei dem der Begünstigte (lat. M.
legatarius) im Todesfall die Sache unmittelbar erwerben soll, so dass er sie
von jedermann herausverlangen kann (Vindikation).
Lit.: Kaser 28, 29, 76; Köbler, DRG 23
legatum (N.) sinendi modo (lat.) Zulassungsvermächtnis
Lit.: Kaser § 76; Köbler, DRG 23
leges (lat. F.Pl.)
sind die Gesetze. (Sg.) →lex
Lit.: Kaser §§ 2, 3, 9; Kroeschell, DRG 1, 2
leges (F.Pl.) barbarorum (lat.) Gesetze (Rechte) der
germanisch/germanistischen Völker
Lit.: Leges – Gentes – Regna. Zur Rolle von
germanischen Rechtsgewohnheiten und lateinischer Schrifttradition bei der
Ausbildung der frühmittelalterlichen Rechtskultur, hg. v. Dilcher, G. u. a.,
2006
Leges (F.Pl.) Edwardi confessoris (lat.) ist ein vermutlich um 1130
lateinisch geschriebenes Buch vielleicht eines Geistlichen französischer
Herkunft, das angeblich die Darlegung der Gesetze König Eduard des Bekenners
(1042-1066) im Jahre 1070 durch zwölf Geschworene enthält. Sein Inhalt dürfte
von der Rechtswirklichkeit abweichen.
Lit.: Liebermann, F., Über die Leges Edwardi
Confessoris, 1896; Plucknett, T., Early English Legal Literature, 1958
Leges (F.Pl.) Henrici Primi (lat.) ist ein lateinisches,
systematisches, jedoch nicht besonders überzeugend gelungenes Rechtsbuch des
in England unter König Heinrich I. (1100-1135) geltenden Rechtes (Gerichtsverfassung,
Kirche, Strafe, Verfahren, Lehen, Grundstücke) vielleicht eines französischen
Geistlichen in Wessex (Winchester?) um 1115. Vermutlich verfasst derselbe auch
den sog. (lat. M.)
→Quadripartitus.
Lit.: Liebermann, F., Ein ungedrucktes Vorwort zu den
Leges Henrici I., ZRG GA 3 (1882), 127; Plucknett, T., Early English Legal
Literature, 1958; Leges Henrici Primi, hg. v. Downer, L., 1972; Korte, G.,
Untersuchungen zu Inhalt, Stil und Technik angelsächsischer Gesetze, 1974
leges (F.Pl.) Iuliae iudiciorum
privatorum (lat.)
→lex Iulia iudiciorum
Lit.: Kaser §§ 80 II 4b, 82 III 2b; Söllner § 9
Leges (F.Pl.) Langobardorum (lat.) sind die Gesetze der
Langobarden, durch die seit 643 das →langobardische Recht als Gesetz
festgelegt wird. →Volksrecht
Lit.: Köbler, DRG 82; Leges Langobardorum, hg. v.
Bluhme, F., 1868, Neudruck 1925; Tamassia, N., Römisches und westgotisches
Recht in Grimowalds und Liutprands Gesetzgebung, ZRG GA 18 (1897), 148; Köbler,
G., Wörterverzeichnis zu den Leges Langobardorum, 1977
Leges (F.Pl.) Romanae (lat.) sind die
Rechtsaufzeichnungen der germanisch/germanistischen Völker für die in ihrem
Gebiet lebenden Römer (Lex Romana Visigothorum, Lex Romana Burgundionum).
Lit.: Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953
Leges (F.Pl.) Upstalsbomicae (lat.) ist der 1617 von Siccama
verwendete Name für die am 18. 9. 1323 von den Vertretern der friesischen
Landschaften auf dem Upstalsbom bei Aurich beschlossenen, wohl nur kurzfristig
wirksamen Rechtssätze (u. a. Bußen, Wergelder, Friedensgelder, Strafen) auf der
Grundlage von vielleicht bis in das 11. Jh. zurückreichenden gemeinfriesischen
Beschlüssen.
Lit.: Richthofen, K., Untersuchungen über friesische
Rechtsquellen, Bd. 1 1880, 250; Heck, P., Altfriesische Gerichtsverfassung, 1894,
361; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Leges Visigothorum →Lex Visigothorum
Legisactio (lat. F.)
ist im altrömischen und klassisch-römischen Recht (bis 17 v. Chr., [lat. F.]
lex Iulia iudiciorum privatorum) die zulässige Verfahrensform. Es werden dabei
(5) verschiedene Legisaktionen unterschieden, zu denen genau vorgeschriebene
Spruchformeln gehören. Nach dem Vorbringen des Verfolgers entscheidet der
Magistrat darüber, ob die Rechtsordnung für das Begehren einen Schutz (lat. F.
→actio) enthält. Noch in republikanischer Zeit werden in Rom die
Legisaktionen durch das Formularverfahren bzw. den Formularprozess abgelöst.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81, 82 II 5c, d, 84 I 1, 85 I;
Köbler, DRG 19, 20, 32, 224; Lévy-Bruhl, H., Recherches sur les actions de la
loi, 1960; Wolf, J., Die literarische Überlieferung der Publikation der Fasten
und Legisaktionen durch Gnaeus Flavius, Nachr. d. Akad. d. Wiss. Göttingen
1980, Nr. 2
Legisactio (F.) per condictionem (lat.) ist die etwas jüngere
Legisaktion durch Ansage des altrömischen Rechtes, die beispielsweise für
Stipulation, Darlehen oder Litteralkontrakt auf eine bestimmte Leistung
eröffnet ist und durch Ansagen eines neuen Termines zur Einsetzung einer
Entscheidungsperson innerhalb von 30 Tagen (Frist für eine freiwillige
Erfüllung) vor dem Prätor geschieht.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 3; Söllner § 9; Köbler,
DRG 19
Legisactio (F.) per iudicis arbitrive
postulationem (lat.)
ist die Legisaktion durch Anfordern eines Richters oder Schlichters im
altrömischen Recht (z. B. bei lat. sponsio -
stipulatio Versprechen
oder Erbengemeinschaftsteilung).
Lit.: Kaser §§ 32 II 4a, 81 II 2; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 19
Legisactio (F.) per manus iniectionem (lat.) ist die Legisaktion durch
Handanlegen im altrömischen Recht. Sie dient der Vollstreckung in die Person.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4, 81 III 1; Söllner §§ 8, 9;
Köbler, DRG 19, 20
Legisactio (F.) per pignoris capionem (lat.) ist die Legisaktion durch
Pfandergreifung im altrömischen Recht. Sie steht für die Vollstreckung in
Sachen in einigen Fällen zur Verfügung. In anderen Fällen ist der eigenmächtige
Zugriff auf die Sache erforderlich.
Lit.: Kaser §§ 80 II 2, 81 III 2; Söllner § 9; Köbler,
DRG 19, 20
Legisactio (F.) sacramento in personam (lat.) bzw. in rem (lat.) ist die
Legisaktion durch Eid entweder auf eine Person oder auf eine Sache im
altrömischen Recht. Sie erfordert das Setzen einer feststehenden, (je nach
Streitwert von über oder unter 1000 As) 500 oder 50 As d. h. 5 Rinder oder 5
Schafe betragenden Summe durch jeden der Streitteile, die der Unterliegende als
Sühne für den nachträglich durch den Ausgang als falsch erwiesenen Eid, mit dem
er ursprünglich seine Behauptung bekräftigt, an den Staatsschatz verliert.
Streitgegenstand ist die Rechtmäßigkeit des Eides.
Lit.: Kaser §§ 22 II 1b, 32 II 2c, 81 II 1a, b;
Söllner § 9; Köbler, DRG 19, 25; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1
1988; Zlinszky, J., Gedanken zur legisactio sacramento in rem, ZRG RA 106
(1989), 106
Legisaktion (römische Verfahrensform)
→legisactio
Legislation (F.) Gesetzgebung
Lit.: Daube, D., Forms of Roman Legislation, 1966
Legislative ist die gesetzgebende Gewalt im
gewaltengeteilten Staat.
Lit.: Köbler, DRG 190f.
legislator (lat. M.)
Gesetzgeber
Lit.: Köbler, DRG 69; Köbler, LAW
Legist (M.) Kenner des römischen
Gesetzesrechts (seit dem Hochmittelalter)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Weigand, R., Die
Naturrechtslehre der Legisten und Dekretisten, 1967; Weimar, P., Die
legistische Literatur und die Methode des Rechtsunterrichts der
Glossatorenzeit, Ius commune 2 (1969), 43; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997
Legistik →Legist
Legitimation (1561) ist der Nachweis der Berechtigung eines Verhaltens
oder eines Zustands, insbesondere die Verschaffung der Stellung eines ehelichen
Kindes für ein nichteheliches Kind. Bereits der spätrömische Kaiser Konstantin
(306-337) und andere stellen durch nachfolgende Eheschließung Konkubinenkinder
ehelichen Kindern gleich. Dasselbe Ergebnis wird durch Eintritt in den
Zwangsstand der Gemeinderäte und in bestimmten Fällen durch öffentlichen
Gnadenakt (538) hergestellt. Dies wird seit dem 12. Jh. (Papst Alexander III.
1159-1181) aus dem römischen Recht in das Kirchenrecht und danach in das
weltliche Recht (Nürnberg 1522) übernommen, in Deutschland 1998 beseitigt.
Lit.: Kaser § 61 II 2b; Hübner 715; Köbler, DRG 121;
Koch, K., Legitimatio per subsequens matrimonium, 1897; Kogler, F., Beiträge
zur Geschichte der Rezeption und der Symbolik der legitimatio per subsequens
matrimonium, ZRG GA 25 (1904), 94; Kogler, F., Die legitimatio per rescriptum
von Justinian bis zum Tode Karls IV., 1904; Weitnauer, A., Die Legitimation des
außerehelichen Kindes, 1940; Beumann, H., Die sakrale Legitimierung des
Herrschers im Denken der ottonischen Zeit, ZRG GA 66 (1948), 1; Herkunft und
Ursprung, hg. v. Wunderli, P., 1991; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Legitimität ist die seit Beginn des 19. Jh.s
erfasste Rechtmäßigkeit einer Herrschaft.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 677;
Gauland, A., Das Legitimitätsprinzip, 1971; Würtenberger, T. jun., Die
Legitimität staatlicher Herrschaft, 1973; Schliesky, U., Souveränität und
Legitimität von Herrschaftsgewalt, 2004; Legalität, Legitimität und Moral, hg.
v. Bruha, T. u. a., 2008
Lehen (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen),
Lehn, ist ein leihweise von einem (adeligen oder freien) Lehnsherrn (z. B. dem
König) einem adligen oder freien Lehnsmann (z. B. dem Herzog) unter Sicherung
zur (lebenslangen) Nutzung gegen Treue und Dienste (vor allem Waffendienste)
überlassenes (Land, Amt oder sonstiges) Recht oder Gut (z. B. das Herzogtum). Es
entsteht im Frühmittelalter nach herkömmlicher Ansicht aus personenrechtlicher
Vasallität und sachenrechtlichem Benefizium. Bei der Vasallität (von kelt. gwas
Knecht) übernimmt nach einem Ergebungsakt (Kommendation) der Herr Schutz und
Unterhalt des Vasallen gegen Gehorsam und (militärische) Dienste. Bei dem
Benefizium gibt ein Mächtiger Land (oder andere Gegenstände) zur Nutzung an
andere gegen Dienste und Unterstützung. Mit der Verschmelzung von Vasallität
und Benefizium wird Land hauptsächlich an Vasallen gegeben und erhalten
Vasallen zunächst in erster Linie Land. Das vertraglich zu begründende Lehnsverhältnis
ist grundsätzlich höchstpersönlich, endet also mit dem Tode jedes
Beteiligten, neigt aber allmählich zur Erblichkeit (Quierzy 877 Leihezwang,
1037 Erblichkeit kleinerer Lehen), wodurch es für den Lehnsherrn an Wert
verliert. Seit dem 9. Jh. wird die Stellung als Graf zu L. gegeben, später
jedes andere Amt. Auf diese Weise wird nach und nach die gesamte Verwaltung vom
Lehnsprinzip durchdrungen. Allerdings lassen sich erst seit der Mitte des 12.
Jh.s im mittelalterlichen Reich eindeutige Belege für das von der Mündlichkeit
bestimmte Lehnswesen mit seiner Verbindung von Vasallität und Belehnung finden.
Im 14. Jh. hat beispielsweise der Herzog von Württemberg etwa 500 Lehensleute
in einem deutlich schwankenden Bestand (etwa ein Drittel Bürger). Beseitigt
wird das L. im 19. Jh. durch Allodifikation (Herstellung von Eigentum), das
Ende des Heiligen römischen Reiches (1806, in Österreich bäuerliche Lehen 1822,
ritterliche Lehen 1868) und die einzelstaatliche Gesetzgebung. Vom (adligen) L.
trotz des ähnlichen Leihecharakters grundsätzlich zu trennen ist die
(bäuerliche) →Grundherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 148;
Hagemann, T., Einleitung in das gemeine, in Teutschland übliche Lehnrecht,
1787; Brunner, H., Der Reiterdienst und die Anfänge des Lehnswesens, ZRG GA 8
(1887), 1; Wasserschleben, H., Über die Sukzession in fuldische Lehne, ZRG GA
11 (1890), 151; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und
Westpreußen, 1895ff.; Schmid, H., Lehn = Hufe, ZRG GA 44 (1924), 289; Pöhlmann,
C., Das ligische Lehensverhältnis, ZRG GA 47 (1927), 678; Prausnitz, O., Feuda
extra curtem, 1929; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck
1957, 1972; Staedtler, E., Zum Sprachgebrauch der libri feudorum, ZRG GA 56
(1936), 361; Boutruche, R., Seigneurie et féodalité, 1959; Studien zum
mittelalterlichen Lehenswesen, 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Krawinkel, H., Untersuchungen zum
fränkischen Benefizialrecht, 1936; Krawinkel, H., Zur Entstehung des
Lehnwesens, 1936; Schabinger Freiherr von Schowingen, K., Das sankt gallische
Freilehen, 1938; Ganshof, F., Qu’est-ce que la féodalité?, 2. A. 1947, 3. A.
1957; Goez, W., Der Leihezwang, 1962; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom
14. bis zum 16. Jahrhundert, 1961; Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961,
6. A. 1983, Neudruck 1989; Bechstein, F., Die Beziehungen zwischen Lehnsherr und
Lehensträger in Hohenlohe, Diss. jur. Tübingen 1965; Droege, G., Landrecht und
Lehnrecht im hohen Mittelalter, 1969; Schönberg, R. Frhr. v., Das Recht der
Reichslehen im 18. Jahrhundert, 1977; Minninger, M., Von Clermont zum Wormser
Konkordat, 1978; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung, 1978;
Rödel, V., Reichslehnswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel,
1979; Schulze, R., Der nexus feudalis in Vernunftrecht und historischer
Rechtsschule, ZRG GA 106 (1989), 68; Abels, R., Lordship and Military
Obligation, 1988; Bisson, T., Medieval France and her Pyrenean Neighbours,
1989; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994; Hauser, S., Staufische
Lehnspolitik, 1998; Heirbaut, D., Over lenen en families, 2000; Bachmann, M.,
Lehenhöfe von Grafen und Herren im ausgehenden Mittelalter, 2000; Spieß, K.,
Das Lehnswesen im hohen und späten Mittelalter, 2002, 2. A. 2009; Miller, M.,
Mit Brief und Revers - Das Lehenswesen
Württembergs, 2004; Esders, S., Friedrich II., die Mark Brandenburg und das
Erzbistum Magdeburg – Zur Kommerzialisierung von Lehensbeziehungen, ZRG GA 123
(2006), 67; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Brückner, T., Lehnsauftragung, 2010; Das Lehnswesen im Hochmittelalter,
hg. v. Dendorfer, J. u. a., 2010; Patzold, S., Das Lehnswesen, 2012; West, C.,
Reframing the Feudal Revolution, 2013; Mordini, M., Il feudo ecclesiastico
nella prima età dei glossatori, 2013; Ausbildung und Verbreitung des
Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert, hg. v. Spieß,
K., 2013; Bader, M., Das Lehnswesen Herzog Heinrichs XVI. des Reichen von
Bayern-Lamdshut, 2013; Becker, P., Süddeutsche Lehenrechtsgesetzgebung im 19.
Jahrhundert, 2014; Andermann, K., Vasallität zwischen Nicht-Adel und Adel –
Bauernlehen im Spiegel hohenlohischer Überlieferungen, DA 69 (2013), 106 (1490
ist die Trennung zwischen Adellslehen und Bauernlehen in Hohenlohe vollzogen
und die Standesgrenzen sind eindeutig festgeschrieben
Lehnrecht ist die quellenmäßige Bezeichnung
des Mittelalters für das Lehnsrecht. Der Sachsenspiegel gliedert sich
beispielsweise in Landrecht und Lehnrecht.
Lit.: Köbler, DRG 85, 101, 103, 104, 106, 112, 125,
163; Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann,
1494, Neudruck 1989; Gierke, O., Belehnung des Mannesstammes mit
Allmendstücken, ZRG GA 2 (1881), 198; Brünneck, W. v., Zur Geschichte des sog.
Magdeburger Lehnrechts, ZRG GA 14 (1894), 53; Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933; Lehnrecht und Staatsgewalt im deutschen Hochmittelalter,
eingeleitet v. Goez, W., 1969; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969; Kaiserliches Lehnrecht, hg. v. Altmann, U., 1989;
Brancoli Busdraghi, P., La formazione storica del feudo Lombardo, 2. A. 1999;
Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des lombardischen Lehensrechts,
1999; Fischer, C., Schildgeld und Heersteuer, 2013
Lehnrechtbuch →Lehnsrechtsbuch
Lehnsbrief ist die über die Bestellung eines
Lehens seit dem (11. oder) 12. Jh. ausgestellte Urkunde.
Lit.: Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 69, 115
Lehnsbuch ist ein →Lehen verzeichnendes
Buch. Es findet sich anscheinend seit dem 9. Jh. Im Spätmittelalter wird es
durch das Handlungen verzeichnende Lehnsregister ersetzt.
Lit.: Lippert, W., Die deutschen Lehnbücher, 1903,
Neudruck 1970; Lippert, W./Beschorner, H., Das Lehnbuch Friedrichs des Strengen
1349/50, 1903; Spieß, K., Das älteste Lehnbuch der Pfalzgrafen bei Rhein vom
Jahr 1401, 1981
Lehnsdienst ist die Dienstleistung des
Lehnsmanns (Heerfahrt, Hoffahrt, Ehrendienst).
Lit.: Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933,
Neudruck 1957, 1972, 591
Lehnseid ist der vom Lehnsmann dem
Lehnsherrn zu schwörende Eid.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Diestelkamp, B., Das
Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969, 83
Lehnserneuerung ist die Neubegründung des
Lehnsverhältnisses nach dem Tod eines Beteiligten mit dessen Nachfolger (bzw.
einem neuen Beteiligten).
Lit.: Goez, W., Lehnsrecht und Staatsgewalt im deutschen
Hochmittelalter, 1969
Lehnsfähigkeit ist die Fähigkeit, ein
Lehnsverhältnis einzugehen. Die L. setzt an sich Ritterlichkeit und
Rittermäßigkeit der Lebensführung voraus. In der Rechtswirklichkeit sind aber
vielfach Geistliche und Frauen sowie auch Bürger und Bauern in eingeschränktem
Umfang in das Lehnswesen einbezogen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Paetz, K./Goede, C., Lehrbuch
des Lehnrechts, 1825, 120; Frensdorff, F., Die Lehensfähigkeit des Bürger,
1894; Grabscheid, D., Die Bürgerlehen, Diss. phil. Frankfurt am Main 1957
Lehnsgericht ist das im Mittelalter für
Angelegenheiten des Lehnswesens ausgebildete besondere Gericht, das sich aus
Richter (meist der Lehnsherr) und Urteilern zusammensetzt (u. a. Reichshofrat).
Es endet im 19. Jh. (Bayern 1808).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die königliche
Lehngerichtsbarkeit im Zeitalter der Staufer, DA 26 (1970), 400; Früh, M., Die
Lehensgerichtsbarkeit der Reichsabtei Fulda, Hess. Jb. F. LG 49 (1999), 39
Lehnsgesetz ist ein das Lehen betreffendes Gesetz,
wie es sich im Mittelalter etwa 1037, 1136, 1154, 1158 und 1338 sowie in der
Neuzeit in der Form von Lehnsedikten oder Lehnsmandaten findet (Sachsen 1764,
Baden 1807, Bayern 1808).
Lit.: Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896,
Neudruck 1921
Lehnsherr →Lehen, Herr
Lehnsinvestitur →Lehen, Investitur
Lehnsmann →Lehen
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Lehnspflicht →Lehen, Lehnsrecht
Lehnsprozess ist der Rechtsstreit um Rechte und
Pflichten aus dem →Lehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lehnspyramide ist der durch Lehen und teilweise
Weitergabe (Unterverlehnung) entstehende pyramidenförmige Aufbau der
Lehnsgesellschaft des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die bereits bei Karl
dem Großen auf etwa 2000 Vasallen und 30000 Aftervasallen berechnet wird. In
der L. nimmt der König die erste Stelle vor geistlichen Fürsten, weltlichen
Fürsten, freien Herren und Dienstmannen ein. In England, Frankreich und
Sizilien ist der Lehnseid des Aftervasallen innerhalb der L. durch einen
Treuevorbehalt zu Gunsten des Königs (ligesse) abgeschwächt.
Lit.: Köbler, DRG 85, 98; Mitteis, H., Lehnrecht und
Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972
Lehnsrecht ist die Gesamtheit der das Lehen
betreffenden Rechtssätze und die Berechtigung an einem Lehen. Das L. entsteht
durch die Vereinbarung zahlloser Lehnsverhältnisse gewohnheitsrechtlich sowie
durch die →Lehnsgesetze. Im Streitfall entscheidet das
→Lehnsgericht. Zeitweise führend ist das langobardische oder italienische
L., das über an italienischen Universitäten ausgebildete Juristen auch in
Gebiete nördlich der Alpen gebracht wird. Neben allgemeinerem L. besteht
jeweils auch ein besonderes L. eines Lehnsherrn (z. B. Grafen von Katzenelnbogen).
Durch Annahme des Titels Kaiser von Österreich (1804) bzw. durch Auflösung des
Reiches 1806 endet das L. des Heiligen römischen Reiches , im 19. Jh. auch das
L. der einzelnen deutschen Staaten.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 101, 112,
125; Moser, J., Von der Teutschen Lehens-Verfassung, 1774; Weber, G., Handbuch
der in Deutschland üblichen Lehnsrechte, Bd. 1ff. 1807ff.; Homeyer, C., System
des Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844; Eichhorn, K., Einleitung in
das deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Lehmann, K., Consuetudines feudorum,
1896, Neudruck 1971; Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck
1957, 1972; Goebel, J., Felony and misdemeanor, 1937; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Droege, G., Landrecht und Lehnrecht im hohen
Mittelalter, 1969; Wyluda, W., Lehnrecht und Beamtentum, 1969; Diestelkamp, B.,
Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein, 1978; Litewski, W.,
Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 3 1984; Kroeschell, K.,
Lehnrecht und Verfassung, 1997; Plate, B., Lehnsrecht in Hartmanns Gregorius,
Mediaevistik 10 (1997); Iblher Ritter von Greiffen, N., Die Rezeption des
lombardischen Lehensrechts, 1999
Lehnsrechtsbuch, Lehnrechtsbuch, ist das Lehen und
Lehnsrecht betreffende →Rechtsbuch. Es tritt zuerst im langobardisch/lombardischen
Bereich auf (Obertus de Orto, Pavia 11./12. Jh.). Sein Inhalt wirkt sich aber
erst im späteren Mittelalter auf Deutschland aus. In einem engeren Sinn ist L.
das an das Lehnsrecht des →Sachsenspiegels angeschlossene Rechtsbuch (lat.
→Auctor M.
vetus de beneficiis, 1221-1224). Das Lehnsrecht des Sachsenspiegels selbst wird
(1272-1292) lateinisch übersetzt, in Bilderhandschriften aufgenommen, glossiert
(Mitte 14. Jh.s) und mit einem →Richtsteig versehen. Dem Sachsenspiegel
folgen →Deutschenspiegel und →Schwabenspiegel und ein Teil der
darauf aufbauenden Rechtsbücher. Selbständige Lehnsrechtsbücher finden sich in
Estland und Livland (waldemar-erichsches Lehnrecht, 1315, ältestes
livländisches Ritterrecht, 1355-1377, mittleres livländisches Ritterrecht,
systematisches livländisches Ritterrecht).
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879;
Lehmann, K., Consuetudines feudorum, 1896, Neudruck 1971; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lullies, E., Die ältesten
Lehnbücher des Hochstiffts Eichstätt, 2012
Lehnsregister →Lehnsbuch
Lehnsretrakt ist die Ausübung eines
Retraktrechts eines Berechtigten bei entgeltlicher Veräußerung eines
→Lehens. Der L. ist später in verschiedenen Lehnsrechten möglich (z. B.
1609 im Reich).
Lit.: Ganshof, F., Was ist das Lehnswesen?, 1961, 6.
A. 1983
Lehnsträger (lat. provasallus M.)
ist ein anstelle des eigentlichen Lehnsinhabers (Lehnsmanns) die Rechte und
Pflichten aus dem Lehen tragender Mensch (z. B. Vormund). Der L. tritt schon
im Frühmittelalter auf (860).
Lit.: Mitteis, H., Zur Geschichte der
Lehnsvormundschaft, (in) Die Rechtsidee in der Geschichte, 1957, 193
Lehnsverhältnis →Lehen
Lehnsvormundschaft →Lehen, Vormundschaft
Lehnswesen →Lehen
Lit.: Söllner § 4; Kroeschell, DRG 1;
Transehe-Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903;
Studien zum mittelalterlichen Lehnswesen, 1960; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis
zum 16. Jahrhundert, 1961
Lehre →herrschende Lehre
Lehrfreiheit ist die Freiheit, die
wissenschaftlich gewonnenen Einsichten und Überzeugungen frei zu verbreiten.
Die L. ist als Grundrecht bereits in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung
(1848) enthalten.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft,
1929; Sterzel, D., Wissenschaftsfreiheit und Hochschulorganisation, Diss. jur.
Gießen 1973
Lehrer
Lit.: Lehrer an westfälischen Gymnasiwen in der frühen
Neuzeit, hg. v. Musolff, H., 2014; Berg-Ehlers, L., Unbeugsame Lehrerinnen –
Frauen mit Weitblick 2015 (Frauen in Bayern 1903 und in Preußen 1908 zu dem
Lehramtsstudium zugelassen)
Lehrling (Köln 1310) ist der eine praktische Berufsausbildung
(Lehre) durchlaufende junge Mensch. Der L. erscheint im 13. Jh. in
Zunftordnungen der Städte. Seit dem 14. 8. 1969 ist der L. durch den
Auszubildenden ersetzt.
Lit.: Wissell, R., Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Bd. 1 1929, 137; Beyer, W., Die Entwicklung des Lehrlingsverhältnisses, 1938;
Quef, P., Histoire de l’apprentissage, 1964; Wesoly, K., Lehrlinge und
Handwerksgesellen am Mittelrhein, 1985; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Lehrvertrag ist der für die Ausbildung eines
→Lehrlings geschlossene Vertrag. Er sieht lange Zeit ein besonderes, vom
Lehrling zu zahlendes Lehrgeld vor. Erst in jüngerer Zeit erhält der Lehrling
für seine Leistung eine Vergütung. Der L. endet regelmäßig mit Ablegung einer
Gesellenprüfung.
Lit.: Ebel, W., Gewerbliches Arbeitsvertragsrecht im
deutschen Mittelalter, 1934
Leibeigener ist der in →Leibeigenschaft
befindliche Mensch. Seine Erfolgsaussichten in frühneuzeitlichen
Freiheitsrechtsstreitigkeiten sind gering.
Lit.: Ullmann, I., Die rechtliche Behandlung
holsteinischer Leibeigener um die Mitte des 18. Jahrhunderts, 2007
Leibeigenschaft ist im neuzeitlichen deutschen
Recht die meist durch Überlassung von Grundstücksnutzung und damit geschaffener
grundherrschaftlicher Bindung erreichte persönliche Abhängigkeit eines
Menschen von einem anderen. Sachlich sind auch Sklaven und Kolonen im Altertum
und Unfreie und Hörige im Frühmittelalter leibeigen, doch gehen erst seit etwa
1350 die Grundherren dazu über, zur Abwehr der Landflucht (→Stadtluft
macht frei) Höfe nur noch an Leihenehmer zu vergeben, die sich völlig
unterwerfen und schwören, nicht fortzuziehen, und dehnen diese Stellung vereinheitlichend
auf alle abhängigen Leihenehmer aus. Sprachlich wird eigen im 15. Jh. zu
leibeigen fortgebildet. L. beschränkt die Rechtsfähigkeit und insbesondere die
Freizügigkeit. Zwischen (1781 Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien bzw.)
1783 (Baden) und 1820 (Mecklenburg) wird die L. in Deutschland gesetzlich
beseitigt (Ungarn 1785/1791 gescheitert, 1848 Leibeigenschaftspatent).
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kindlinger, N., Geschichte
der Hörigkeit, 1819; Sugenheim, S., Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft
und Hörigkeit, 1861; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Ostpreußen, ZRG GA
8 (1887), 1; Brünneck, W. v., Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888),
104; Brünneck, W. v., Die Aufhebung der Leibeigenschaft durch die Gesetzgebung
Friedrichs des Großen und das Allgemeine preußische Landrecht, ZRG GA 10
(1889), 24, 11 (1890), 101; Knapp, T., Über Leibeigenschaft in Deutschland, ZRG
GA 19 (1898), 16; Wipper, R., Vom 15.-18. Jahrhundert. Die Zeit der
Leibeigenschaft, 1930; Tischler, M., Die Leibeigenschaft im Hochstift Würzburg,
1963; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ulrich, C.,
Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter, 1979; Keitel, C., Herrschaft
über Land und Leute, 2000; Hauser, A., Die Gesetzgebung zur Herstellung
unbeschränkten Grundeigentums, Diss. jur. Tübingen 2002/2003; Leibeigenschaft,
hg. v. Klussmann, J., 2003; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu den
Menschenrechten, 2003, 2. A. 2006; Sprandel, R., Die Entstehung der Leibeigenschaft,
Saeculum 56 (2005), 33
Leibesfrucht (1350) ist
das Kind im Mutterleib von der Zeugung bis zur Vollendung der Geburt. Das
römische Recht kennt für die L. (lat.M.
→nasciturus) einen (lat.) →curator (M.) ventris (vgl. § 1912 BGB).
Von Teilfragen betreffenden Ausnahmen abgesehen, fehlt der L. die →Rechtsfähigkeit.
Lit.: Kaser §§ 13 II 1a, 64 V, 66 III 2a; Hübner § 6;
Wolf, E./Naujoks, H., Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit, 1955; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Leibesstrafe ist die am körperlichen Leib eines
Menschen vollzogene Strafe (z. B. Schlagen, Verstümmeln, Scheren). Sie ist seit
dem Altertum bekannt. Im Frühmittelalter erscheint sie gegenüber dem →Kompositionensystem
selten. Vom Hochmittelalter an gewinnt sie erhebliches Gewicht. Am Ende des 18.
Jh.s werden verstümmelnde Strafen nicht mehr angewandt. Seit dem Anfang des 20.
Jh.s wird auch die Prügelstrafe beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 119, 204;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 981; Schreuder, L.,
Bijdrage tot de kennis van eenige lijfstraffen, 1928; Wrede, R., Die
Körperstrafen, 1908, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 510, Neudruck 1964; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965
Leibfall →Sterbefall
Leibgedinge →Leibzucht
Leibniz, Gottfried Wilhelm (Leipzig 1. 7.
1646-Hannover 14. 11. 1716), Sohn eines Notars und Professors der Moral, wird
nach dem Studium von Recht, Mathematik und Philosophie in Leipzig und der
Promotion in Altdorf Sekretär in Nürnberg, 1667 Rat in Mainz und 1676
Bibliothekar und Hofrat in Hannover. Nach seiner Monadenlehre besteht die von
Gott als der vollkommensten Monade (Einheit) als bestmöglich geschaffene Welt
in einer umfassenden prästabilierten Harmonie unter allen Monaden. Diese
Harmonie ist eine natürliche Ordnung, die mit der Vernunft erkannt werden kann.
Das auf der vernünftigen Natur der Dinge beruhende Recht (→Naturrecht)
ist vom Willen Gottes unabhängig und kann vom Gesetzgeber nicht beliebig
gestaltet werden. Der Staat ermöglicht die Gerechtigkeit. L. begründet die
mathematische Logik, die Differentialrechnung und das binäre Zahlensystem.
Seit 1671 entwirft er Pläne umfassender Gesetzgebung (lat.
Codex M.
Leopoldinus, Corpus N. iuris reconcinnatum).
Ein zusammenfassendes Hauptwerk des mit seinen Erfolgen unzufriedenen Universalgelehrten
fehlt. Der bekannte bzw. erhaltene Briefwechsel (seit 2007 Weltkulturerbe)
umfasst 150000 Stücke, bei 50 aktiven Lebensjahren rund 3000 im Jahr oder 10 am
Tag). Er liebte die Menschen und hatte doch keinen Freund. Sein Schüler ist
Christian →Wolff.
Lit.: Köbler, DRG 136, 139, 142; Leibniz, G., Codex
iuris gentium diplomaticus, 1693; Mollat, G., Zur Würdigung Leibnizens, ZRG GA
7 (1886), 71; Taranowsky, F., Leibniz und die sogenannte äußere
Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Heymann, E., Leibniz’ Plan einer
juristischen Studienreform vom Jahre 1667, 1931 (SB preußische Akademie der
Wissenschaften); Herrmann, K., Das Staatsdenken bei Leibniz, 1958; Bontadini,
G., Der Rechtsbegriff und die Rechtsidee bei Leibniz, 1967; Müller, K.,
Leibniz-Biographie, 1967; Schneider, H., Iustitia universalis, 1967; Sturm, F.,
Das römische Recht in der Sicht von Gottfried Wilhelm Leibniz, 1970; Burkhard,
H., Logik und Semiotik in der Philosophie von Leibniz, 1980; Luig, K., Die
Rolle des deutschen Rechtes in Leibnizs Kodifikationsplänen, Ius commune 5
(1975), 56; Otte, G., Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Luig,
K., Die Wurzeln des aufgeklärten Naturrechts bei Leibniz, (in) Naturrecht -
Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1994, 61; Riley, P.,
Leibniz‘ universal jurisprudence, 1997; Hirsch, E., Der berühmte Herr Leibniz,
2000; Berkowitz, R., The Gift of Science, 2005; Leibniz und das Judentum, hg.
v. Cook, D. u. a., 2008; Zwischen Fürstenwillkür und Menschheitswohl, hg. v.
Hartbecke, K., 2008; Der universale Leibniz, hg. v. Reydon, T. u. a., 2009;
Leibniz in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Li, W. u. a., 2013; Einheit
der Vernunft und Vielfalt der Sprachen, hg. v. Li, W., 2014; Das Recht kann
nicht ungerecht sein, hg. v. Li, W., 2015; G. W. Leibniz und der
Gelehrtenhabitus, hg. v. Li, W. u. a., 2016
Leibrente ist eine auf die Lebensdauer eines
oder mehrerer Menschen vereinbarte Rente. Die L. findet sich bereits im
Frühmittelalter. Sie entsteht hauptsächlich durch Kauf. Der seit dem 14. Jh.
verbreitete Verkauf von Leibrenten durch Verbandspersonen (Staat, Stadt,
Kloster u. s. w.) endet mit dem
Aufkommen der verzinslichen Anleihe.
Lit.: Hübner 397; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961
Leibzucht oder Leibgedinge ist ein
Rechtsgeschäft (meist Vertrag), in dem eine Person sich zur Überlassung einer
Nutzung auf Lebenszeit gegenüber einem Menschen verpflichtet. Die L. begründet
ein (dingliches) Nutzungsrecht an einem nutzbaren Gegenstand (z. B. Hof, Haus,
Lehen,Berechtigung). Im Familienrecht dient die L. der Versorgung des
überlebenden Ehegatten. In der Neuzeit wird die L. bedeutungslos.
Lit.: Hübner 677; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125;
Brünneck, W. v., Die gesetzliche Leibzucht und das Gnadenjahr im partikulären
deutschen Lehn- und Adelsrecht, ZRG GA 27 (1906), 1; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961, 269; Brauneder, W., Die Entwicklung
des Ehegüterrechts in Österreich, 1973, 65, 83
Leiche als toter Körper des Menschen ist eine Sache,
für die besonderes Recht gilt und deren Begegnung seit dem ausgehenden 18. Jh.
als unzumutbar angesehen wird.
Lit.: Groß, D., Die Entwicklung der inneren und äußeren Leichenschau,
2002; Der Knochen-Code, hg. v. Hahn, P., 2013; Schmitz-Esser, R., Der Leichnam
im Mittelalter, 2014
Leichenraub ist die Wegnahme einer Leiche aus
einem Gewahrsam eines Berechtigten. Der L. wird bereits im Altertum
(→Todesstrafe) und im Frühmittelalter (→Buße, Ausweisung) mit
Rechtsfolgen bedroht. Das spätrömische Recht sieht den L. als
Religionsverbrechen an.
Lit.: Mommsen, T., Zum römischen Grabrecht, ZRG RA 16
(1815), 203; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
211
Leiden am alten Rhein ist der im 11. Jh.
erscheinende, 1266 Stadtrecht erhaltende Ort. 1574/1575 wird es Sitz einer
Universität.
Lit.: Ahsmann, M./Feenstra, R., Bibliografie van
hoogleraren, 1984; Clotz, H., Hochschule für Holland, 1998; Ahsmann, M.,
Collegium und Kolleg, 2000
Leihe (1504) ist ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender
schuldrechtlicher Vertrag, in dem sich der eine Teil (Verleiher) verpflichtet,
dem anderen Teil (Entleiher) den Gebrauch der geliehenen Sache auf Zeit
unentgeltlich zu gestatten Im römischen Recht entspricht dem vermutlich in den
letzten vorchristlichen Jahrhunderten der anerkannte unvollkommen zweiseitige
Realvertrag (lat.) →commodatum (N.) mit (lat. [F.]) actio des Verleihers
auf Rückgabe und actio des Entleihers auf eventuellen Aufwendungsersatz oder
Schadensersatz, dem das unverbindliche (lat.) →precarium (N.)
(Bittleihe) zur Seite steht. Im Frühmittelalter begünstigen die Vergrößerung
der Liegenschaften durch Landnahme (Grundherrschaft) und das antike Vorbild
die Ausbildung von beschränkten eigentumsähnlichen Rechten an fremden
Grundstücken (sog. Landleihe, sachenrechtliches geteiltes Eigentum). Bei der
(lat.) →precaria (F.) wird Land auf Zeit, auf Widerruf, auf Lebenszeit
eines oder mehrerer Menschen (Leibgedinge, Leibzucht) oder überhaupt erblich
(Erbleihe) gegeben. Das Land kann vom Geber stammen (lat. precaria F.
data), vom Empfänger (lat. precaria F.
oblata) oder von beiden zu je einem Teil (lat. precaria F.
remuneratoria). Meist ist bei diesen Grundstücksleiheverhältnissen eine
Gegenleistung in Abgaben, Diensten oder Land zu erbringen. Bei der freien L.
behält dabei der Entleiher seine persönliche Freiheit, bei der unfreien L.
gerät er in Abhängigkeit. In der Stadt entsteht aus der dortigen freien L. ein
zinspflichtiges (reallastbelastetes) Eigentum. Eine Sonderform der L. ist das
→Lehen. Als wirtschaftlich bedeutungslose unentgeltliche Gebrauchsgestattung
erscheint die L. in der spätmittelalterlichen Stadt und wird früh den Regeln
des aufgenommenen römischen Rechtes unterstellt, wobei die Trennung von (lat.)
commodatum und (lat.) precarium im 19. Jh. schwindet.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 39 II, 42 II; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 45, 91; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, § 2; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1 1985 272, 297, 385, 480, 560; Berndt, B., Das commodatum, 2009; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
The Development of Leasehold in Northwestern Europe, hg. v. Bavel, B. van u. a.
2008
Leihezwang ist der Zwang zur Verleihung bzw.
Verlehnung eines bäuerlichen oder ritterlichen Gutes nach Heimfall an den
Grundherrn oder Lehnsherrn. Es ist streitig, in welchem Umfang ein allgemeiner
L. bestand. Für das Lehen gilt in einzelnen Gebieten L. Im Heiligen römischen
Reich ist es fraglich, ob sich im Hochmittelalter zahlreiche einzelne Ansprüche
auf Wiederausgabe eines Lehens zu einem allgemeinen L. verdichteten.
Tatsächlich gibt jedenfalls der König die heimgefallenen Lehen (im Gegensatz zu
England und Frankreich) regelmäßig wieder aus, wodurch er seine Stellung
schwächt. Der bäuerliche L. wird in Preußen durch Edikt vom 9. 10. 1807
erheblich eingeschränkt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Brunner, H.,
Der Leihezwang in der deutschen Agrargeschichte, 1897; Mitteis, H., Lehnrecht
und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Gunia, H., Der Leihezwang, ein
angeblicher Grundsatz des Reichsstaatsrechts im Mittelalter, 1938; Goez, W.,
Der Leihezwang, 1962; Krause, H, Der Sachsenspiegel und das Problem des sog.
Leihezwanges, ZRG GA 93 (1976), 21; Leppin, H., Untersuchungen zum Leihezwang,
ZRG GA 105 (1988), 239
Leihhaus ist eine im Spätmittelalter in
Italien entstandene Einrichtung der Allgemeinheit, die unter Befreiung vom
→kanonischen Zinsverbot kurzfristige Darlehen gegen ein Faustpfand
gewährt (lat. mons M. pietatis bzw.
mons M.
profanus). Im Heiligen römischen Reich
entstehen Leihhäuser in der frühen Neuzeit (Augsburg 1591, Hannover
1598, Nürnberg 1618 u. s. w.). Im 18.
Jh. übernimmt die Sparkasse einen Teilbereich des Geschäfts. 1869 lässt die
Gewerbeordnung das private L. zu, wenn auch 1879 eine Konzession vorgeschrieben
wird.
Lit.: Hübner; Seidel, M./Pfitzner, J., Das Sparkassenwesen,
1916; Vespes, J., Historia de los montes de piedad, 1971
Leiningen
Lit.: Wild, G., Das Fürstentum Leiningen, 1954
Leinpfad (Treidelpfad) ist der für das Ziehen
von Schiffen an schiffbaren Flüssen bestehende Uferpfad. Das Recht am L. ist
Teil des Stromregals an schiffbaren öffentlichen Flüssen, das im
Spätmittelalter auf die Landesherren übergeht. Es steht auch nach Aufgabe des
Schiffsziehens seit dem 19. Jh. meist dem Staat zu.
Lit.: Werkmüller, D., Leinpfad, HRG 2 1978, 1835
Leipzig an der Pleiße (um 900 slawische
Siedlung, 1015 urbs Libzi, Burg der Linden) gehört seit der zweiten Hälfte des
12. Jh.s zum hallisch-magdeburgischen Recht. Sein aus dem Stadtgericht
entwickelter Schöppenstuhl wird schon im Spätmittelalter bedeutsam (1574
landesherrliche, 1835 aufgelöste Spruchbehörde). 1409 wird es infolge eines
Teilauszugs von 500 bis 800 Mitgliedern der nichtböhmischen Nationen aus Prag
Sitz einer Universität. 1813 wird in einer Völkerschlacht bei L. Napoleon
besiegt. 1879 verbietet die Universität für fast 15 Jahre das Studium für
Frauen. Im Sommersemester 1945 sind in der juristischen Fakultät De Boor,
Gallas (formal), Haupt, Michaelis, Eberhard Schmidt, Hans Thieme
(Kriegseinsatz), Werner Weber, Wieacker (Kriegseinsatz), von denen Schmidt inhaftiert
wird und im Oktober 1945 Haupt, Michaelis und Weber wegen ihrer Mitgliedschaft
in der NSDAP entlassen werden und Schmidt, Thieme und Wieacker nicht mehr
nach L. zurückkehren.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die Matrikel der Universität
Leipzig, 1895ff.; Distel, T., Gutachten der Juristenfakultät, ZRG GA 6 (1885),
189, 10 (1889), 63; Distel, T., Beitrag zur älteren Verfassungsgeschichte des
Schöppenstuhls zu Leipzig, ZRG GA 7 (1887), 89, 10 (1889), 63; Die jüngere
Matrikel der Universität Leipzig, Bd. 1ff. 1909ff.; Kötzschke, R., Leipzig in
der Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, Schriften des Vereins für die
Geschichte Leipzigs 11 (1917); Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch,
G., 1919; Simm, H., Für Zwickau ergangene Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur.
Leipzig 1942 (masch.schr.); Karl-Marx-Universität Leipzig, Bibliographie zur
Universitätsgeschichte 1409-1959, hg. v. d. hist. Komm. bei d. sächs. Ak. d.
Wiss., 1961; Leipzigs Messen, hg. v. Bentele, G. u. a., 1998; Steinführer, H.,
Die Leipziger Ratsbücher 1466-1500, 2003; Krause, K., Alma Mater Lipsiensis,
2003; Die Universität Leipzig und ihr gelehrtes Umfeld 1680-1780, hg. v. Marti,
H. u. a., 2004; Die Matrikel der Universität Leipzig 1409-1809, 2004; Sachsens
Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, hg. v. Hehl, U. v.,
2005; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung, 2006;
Universitätsgeschichte als Landesgeschichte, hg. v. Döring, D., 2007; Die
Matrikel der Universität Leipzig (1809-1909), hg. v. Blecher, J. u. a., Bd.
1ff., 2008ff.; Kusche, B., Ego collegiatus - Die Magisterkollegien an der
Universität Leipzig, 2009 (mit 211 Biogrammen); Pätzold, J., Leipziger gelehrte
Schöffenspruchsammlung, 2009; Bünz,
E. u. a., Geschichte der Universität Leipzig 1409-2009, Bd. 1ff. 2009ff.;
Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität
Leipzig, 2009; Sembdner, A., Stadt und Universität Leipzig im späten
Mittelalter, 2010; Bünz, E./Graber, T., Die Gründungsdokumente der Universität
Leipzig, 2010; Wejwoda, M., Die Leipziger Juristenfakultät im 15. Jahrhundert,
2012; Schmotz, T., Die Leipziger Professorenfamilien im 17. und 18.
Jahrhundert, 2012; Das Leipziger Schöffenbuch 1420-1478, bearb. v. Kunze, J.,
2012; Lang, H., Zwischen allen Stühlen, 2014 (zwischen 1825 und 1838 vier
Immatrikulationen jüdischer Studierender, zwischen 1848 und 1953 289 jüdische
Juristen u. a. Emil Friedberg); Rau, U., Die Universität Leipzig als
Gerichtsherrschaft, 2014; Leipzig, hg. v. Denzer, V. u. a., 2015; Geschichte
der Stadt Leipzig, hg. v. Bünz, E., 2015; Kürschner, D., Leipzig als
Garnisonsstadt 1866-1945/1949, 2015
Leistung (Wort 1285, Leistungsort 1828) ist
der Gegenstand einer Schuldverpflichtung. Mit der L. wird der Schuldner frei.
Bei Leistungsstörungen (→Unmöglichkeit, →Verzug, →positive
Forderungsverletzung) treten besondere Rechtsfolgen ein.
Lit.: Kaser § 53 I; Köbler, DRG 42, 44, 126, 165, 214;
Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges beim Kaufvertrag, 1913;
Dilcher, H., Die Theorie der Leistungsstörung bei Glossatoren, Kommentatoren
und Kanonisten, 1960; Harder, M., Die Leistung an Erfüllungs Statt, 1976;
Emmert, J., Auf der Suche nach den Grenzen vertraglicher Leistungspflichten,
2001; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Thomale, C., Leistung als Freiheit, 2012
Leistungsstörung (1936 Heinrich Stoll) →Leistung, →positive
Forderungsverletzung, →Verzug, →Unmöglichkeit
Lit.: Stoll, H., Die Lehre von den Leistungsstörungen,
1936; Würthwein, S., Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990;
Sessler, A., Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1994; Süß-Hoffmann, E., Das
BGB und der Versuch einer Rechtserneuerung im nationalsozialistischen Sinne,
Diss. jur. Mannheim 2000; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Leistungsverwaltung ist die in der Erbringung von
Leistungen bestehende Verwaltung im Gegensatz zur Eingriffsverwaltung. Die L.
tritt im 19. Jh. hervor (Wasser, Gas, Strom, Müllabfuhr, Verkehr).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 259;
Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Deutsche
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Kommunale
Leistungsverwaltung und Stadtentwicklung, hg. v. Blotevogel, H., 1990; Die
Stadt als Dienstleistungszentrum, hg. v. Reulecke, J., 1992; Fischer, A.,
Kommunale Leistungsverwaltung im 19. Jahrhundert, 1995; Heider, M., Die
Konzessionsverträge der Stadt Lüdenscheid, 2005
Leitkauf ist der im Hochmittelalter
sichtbare, unter Gelöbnistrunk erfolgende Kauf, der die Beteiligten bis zur
nachfolgenden Erfüllung bindet.
Lit.: Hübner
Lemberg
Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum
ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Lentze, Hans (Lauban 14. 3. 1909-Wien 24.
3. 1970), protestantischer Bürgerssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in
Göttingen, Bonn und Breslau und der Theologie Prämonstratenser (1939), 1947 in
Innsbruck habilitiert, 1952 außerordentlicher Professor in Innsbruck und 1954
Professor für Rechtsgeschichte (1958 ordentlicher Professor) in Wien.
Lit.: Festschrift für Hans Lentze, hg. v. Grass, N. u.
a., 1969
Leoben
Lit.: Schillinger-Prassl, C., Die Rechtsquellen der Stadt Leoben, 1997
Leobschütz in Mähren an der Grenze zu Polen ist eine im
Mittelalter als Oberhof einer Stadtrechtsfamilie wirkende Stadt, in der
1420/1421 eine Prachthandschrift eines Leobschützer Rechtsbuchs mit
Privilegien, Bestätigungen, Leobschützer Willkürrecht und einem Meißener
Rechtsbuch in fünf Büchern in ostmitteldeutscher Sprache hergestellt wird.
Lit.: Das Leobschützer Rechtsbuch, bearb. v. Roth, G., hg. v. Irgang,
W., 2006
Leodis (lat.-afrk.), leudis, ist im fränkischen
Frühmittelalter der Freie bzw. sein Wergeld.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Mayer, E.,
Leudes – curiales, ZRG GA 36 (1915), 438; Schmidt-Wiegand, R., Fränkische und
frankolateinische Bezeichnungen für soziale Schichten und Gruppen, Nachr. d.
Akad. d. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. 1972, Nr. 4, 240
León ist ein 912 durch Abspaltung von Asturien entstehendes
Königreich, zu dem 914 Galicien und 924 Asturien zurückkehren. 1037 bzw. 1230
wird Kastilien mit L. vereinigt.
Lit.: Reilly, B., The kingdom of León-Castilla under
king Alfonso VII (1126-1157), 1998
Leopoldina ist eiine manchmal verwendete
Bezeichnung für die von der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532
beeinflusste Landgerichtsordnung für Österreich ob der Enns von 1675.
Les Tenures ist eine 1481 von Sir Thomas
→Littleton veröffentlichte, 1628 von Edward →Coke kommentierte Darstellung
des Lehnrechts und damit auch des Liegenschaftsrechts des englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Lettland ist das seit dem 9. Jh. (?) von
baltischen Letten besiedelte Gebiet an der unteren Düna, das im 13. Jh. unter
deutschen Einfluss gerät. 1561 kommt es teils unmittelbar, teils lehnsrechtlich
zu Polen, 1810 an Russland. 1864 entsteht ein von Bunge nach dem Vorbild des
sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs geschaffenes Gesetzbuch für die
Ostseeprovinzen. 1918 bildet sich ein unabhängiges L., das 1934/1937 unter
(trotz Abkehr von einem individualistisch ausgerichteten Privatrecht und Hinwendung
zu einem stärker gemeinschaftsbezogenen sozialen Recht) inhaltlicher Wahrung
des vorhergehenden, zu mehr als der Hälfte römisch geprägten Provinzialrechts
des Ostseegouvernements Russlands von 1864 (rund 4600 Bestimmungen) ein
Zivilgesetzbuch mit rund 2400 Paragraphen erlässt (und 1938 durch ein
Grundbuchgesetz ergänzt), wenig später (5. 8. 1940) von der Sowjetunion
einverleibt, aber am 6. 9. 1991 wieder freigegeben wird. Ab 1992 wird das
lettländische Zivilgesetzbuch von 1937 mit Änderungen nach und nach wieder in
Kraft gesetzt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche
Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein
Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Schwabe,
A., Grundriss der Agrargeschichte Lettlands, 1928; Lettlands Zivilgesetzbuch
vom 28. Januar 1937, hg. v. Herderinstitut zu Riga, 1938; Noltein, E. v., Die
rechtsgeschichtlichen Grundlagen der lettischen Agrarreform vom 16. September
1920, Diss. jur. München 1959; Von den baltischen Provinzen zu
den baltischen Staaten, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1977; Ludwig, K., Das
Baltikum, 2. A. 1992; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte, 1997;
Ludwig, K., Lettland, 2000; Wohlfahrt, K., Der Rigaer Letten-Verein, 2006;
Donnert, E., Agrarfrage und Aufklärung in Lettland und Estland, 2008; Schwartz,
P., Das lettländische Zivilgesetzbuch vom 28. Januar 1937, 2008; Felder, B.,
Unter wechselnden Herren. Lettland im zweiten Weltkrieg, 2009; Jüngerkes, S.,
Deutsche Besatzungsverwaltung in Lettland 1941-1945, 2010; Osipova, S.,
Geschichte, Rechtsgeschichte und nationale Identität in Lettland, ZRG GA 130
(2013), 371
Lettre (F.) de cachet ist in Frankreich in der frühen
Neuzeit der von einem Staatssekretär gegengezeichnete königliche Brief, der
vielfach einem politisch unerwünschten Menschen befiehlt, sich in ein
Staatsgefängnis oder in die Verbannung zu begeben. →Haftbefehl
Lit.: Hertz, E., Voltaire und die französische
Strafrechtspflege im 18. Jahrhundert, 1887
Letzter Wille (Adj. letztwillig 1500, letztwillige
Verfügung 1784/1794) ist der im →Testament (oder Erbvertrag) geäußerte
Wille, welche Rechtsfolge am Vermögen des Erblassers eintreten soll.
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Leu, Johann Jakob (Zürich 1689-1768), Bürgerssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Marburg 1759 Bürgermeister in Zürich. Das
eidgenössische Stadt- und Landrecht (Bd. 1ff. 1727) stellt das Schweizer
Privatrecht dar, ein 20-bändiges Allgemeines helvetisches ... Lexikon (1747ff.)
das damalige Gesamtwissen.
Lit.: Soliva, C., Das eidgenössische Stadt- und Landrecht
des Zürcher Bürgermeisters Johann Jakob Leu, 1969; Vogt, M., Johan Jakob Leu,
1976
Leuchtenburg
Lit.: Kaiser, U., Das Amt Leuchtenburg 1479-1705, 2012
leudes →leodis
Leumund ist der Ruf eines Menschen. Wer
einen schlechten L. hat (z. B. landschädliche Leute), ist im Mittelalter vom
Reinigungseid ausgeschlossen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 346
Leutkircher Heide ist ein Gebiet in
Oberschwaben, für das ein kaiserliches Landgericht für Freie von 1348 bis 1802
bezeugt ist.
Lit.: Gut, M., Das ehemalige kaiserliche Landgericht
auf der Leutkircher Heide, Diss. jur. Tübingen 1909; Diehl, A., Die Freien auf
Leutkircher Heide, Zs. f. württ. LG. 1940, 257; Feine, H., Kaiserliche
Landgerichte in Schwaben, ZRG GA 66 (1948), 148; Kegel-Schorer, C. de, Die
Freien auf Leutkircher Heide, 2007
Leviathan (hebr. Sb.
gewundenes Tier?) ist eine alttestamentliche Bezeichnung für Drachen, Krokodil
und Ägypten, die Thomas →Hobbes 1651 als Buchtitel einer Staatsdarstellung
verwendet.
Lit.: Schmitt, C., Der Leviathan in der Staatslehre
des Thomas Hobbes, 1938; Kohl, W./Stolleis, M., Im Bauch des Leviathan, NJW
1988, 2849; Der wiederkehrende Leviathan - Staatlichkeit und Staatswerdung in
Spätantike und früher Neuzeit, 2011; Bredekamp, H., Der Behemoth –
Metamorphosen des Anti-Leviathan, 2016
Levy, Ernst (Berlin 23. 12. 1881-Davis 14. 9. 1968),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau und Berlin
Amtsrichter und 1919 Professor in Frankfurt am Main, 1922 in Freiburg im
Breisgau und 1928 in Heidelberg. 1936 muss er emigrieren, kehrt aber von 1945
bis 1966 nach Europa zurück. Er erforscht das spätrömische Vulgarrecht
Westroms.
Lit.: Levy, E., Zum Wesen des weströmischen
Vulgarrechts, 1935; Levy, E., West Roman Vulgar Law - The Law of Property,
1951; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht -
Das Obligationsrecht, 1956; Levy, E., Gesammelte Schriften, 1963;
Kunkel, W., Ernst Levy zum Gedächtnis, ZRG RA 86 (1969), XIII; Ernst Levy und
Wolfgang Kunkel, Briefwechsel 1922-1968, hg. v. Mußgnug, D., 2005
Lex (lat. F., Pl. leges)
ist im römischen Recht das Gesetz (z. B. lat.
lex duodecim tabularum [Zwölftafelgesetz]
u. s. w.). Für die Zeit von etwa 510 v. Chr. bis etwa 100 n. Chr. lassen
sich rund 800 einzelne römische leges (publicae) (Gesetze) ermitteln, die
grundsätzlich nach dem Antragsteller benannt sind. Daneben können als (lat.
[F.]) lex privata ein Vertrag, eine Satzung oder eine Hausordnung geschaffen
werden. Im spätrömischen Recht wird der Ausdruck (lat. N.)
ius (Recht) wegen der überragenden Bedeutung der kaiserlichen Gesetzgebung in
erheblichem Umfang durch l. verdrängt, so dass l. bald auch zur Benennung des
Rechtes insgesamt wird. Deswegen bezeichnen l. und (lat. N.)
ius im Frühmittelalter eine objektive, ständigen Veränderungen unterliegende
Ordnung (Stammesrecht, Volksrecht). Seit dem 12. Jh. kehrt l. zur
ursprünglichen Bedeutung (Gesetz) zurück.
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 8, 14, 15; Köbler, LAW;
Balon, J., Ius medii aevi 2 Lex iurisdictio, 1960; Köbler, G., Das Recht im
frühen Mittelalter, 1971; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris,
1968; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Bleicken, J., Lex publica, 1978;
Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Münsch, O., Der liber legum des Lupus
von Ferrières, 2001
Lex Aebutia ist das römische Gesetz der ersten
Hälfte des 2. Jh.s v. Chr., das vermutlich die (lat.) legis actio (F.) per
condictionem durch die zum Formularverfahren gehörige (lat.) condictio ersetzt.
Lit.: Kaser § 80 II 4b; Söllner § 9; Köbler, DRG 33
Lex Aelia Sentia ist das römische
Gesetz des Jahres 4 n. Chr., das die Freilassung an bestimmte Voraussetzungen
knüpft.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex aeterna (ewiges Recht) ist das von
Augustin (354-430) auf Gott zurückgeführte Recht, das der Mensch als
Naturrecht (lat. lex F. naturalis)
erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Lex Alamannorum ist das (nach dem Pactus
Alamannorum) zwischen 712 und 725 aufgezeichnete, in 50 Handschriften
überlieferte Volksrecht der →Alemannen. Die L. A. gliedert sich in
Kirchensachen, Herzogssachen und Volkssachen. Sie ist stark kirchlich
beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81: Leges
Alamannorum, hg. v. Lehmann, K., 1888; Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924;
Beyerle, F., Die süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Beyerle, F., Die
beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG 73 (1956), 84; Amira, K. v./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Rivers, T., The Legal Status of
Freewomen in the Lex Alamannorum, ZRG GA 91 (1974), 175; Köbler, G., Die Freien
im alemannischen Recht, (in) Beiträge zum frühalemannischen Recht, hg. v.
Schott, C., 1978; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und
Baiwariorum, 1979; Dilger, A., Die Stuttgartensis und ihre Bedeutung, ZRG GA 99
(1982), 298; Siems, H., Zu Problemen der Bewertung frühmittelalterliccher
Rechtstexte, ZRG GA 106 (1989), 291; Lex Alamannorum, hg. v. Schott, C., 1993;
Schott, C., Wie alemannisch sind Pactus und Lex Alamannorum (in) Antile im
Mittelalter, hg. v. Brather, S. u. a., 2014, 167
Lex Anastasiana ist das Gesetz des römischen Kaisers Anastasius
I. (491-510) aus dem Jahre 506, das anordnet, dass der Käufer einer Forderung,
der einen unter dem Nominalwert der Forderung liegenden Preis bezahlt hat, von
dem Schuldner nur diesen geringeren Betrag verlangen kann. Ihr Inhalt ist nicht
in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794), das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs (1811), das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens (1863)
oder das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) aufgenommen und
in einzelnen Staaten des Deutschen Bundes durch Gesetz ausgeschlossen
(Großherzogtum Hessen 1827, Württemberg 1828, Frankfurt am Main 1829, Kurfürstentum
Hessen 1840, Nassau 1841, Hannover 1864, vgl. auch Art. 299 ADHGB 1861).
Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Zweiter Abschnitt, 2. A.
1975, 453; Rennpferdt, M., Lex Anastasiana, 1991; Beaucamp, E., Die Lex
Anastasiana von Thomasius zum BGB, 1994
Lex Angliorum et Werinorum →Lex
Thuringorum
Lit.: Liebermann, F., Zur Lex Angliorum, ZRG GA 15
(1894), 174
Lex Apuleia ist das römische Gesetz, das dem
mehr leistenden von mehreren Bürgen einen Ausgleichsanspruch gegen die übrigen
gewährt.
Lit.: Kaser § 57 II 2a
Lex Aquilia de damno ist das (um) 286 v. Chr.
als Plebiszit erlassene, drei Kapitel umfassende römische Gesetz über den
Schaden. Danach ist die rechtswidrige (lat. iniuria) (vorsätzliche oder
fahrlässige) Tötung fremder Sklaven und vierfüßiger Herdentiere seitens des
Täters - nicht mehr wie noch im Zwölftafelgesetz durch einen vorgegebenen
Betrag, sondern - durch ihren höchsten Wert des letzten Jahres, die sonstige
Schädigung von Vermögensgütern durch Brennen, Brechen, Reißen durch ihren
höchsten Wert der letzten 30 Tage - bei Bestreiten jeweils doppelt - auszugleichen.
Die l. A. wird seit dem Spätmittelalter in vereinfachter Form im Heiligen
römischen Reich aufgenommen und bildet die Grundlage des Rechtes der
unerlaubten Handlungen (Delikte) bis zur Gegenwart.
Lit.: Kaser §§ 15 I 1, 36 II 2, 51 II, 57 I; Söllner §
8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 31, 48, 65, 166, 216; König, R., Das
allgemeine Schadensersatzrecht im Mittelalter im Anschluss an die lex Aquilia,
1954; Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958;
Lübtow, U. v., Untersuchungen zur lex Aquilia, 1971; Hausmaninger, H., Das
Schadenersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1996; Schebitz, B., Berechnung des
Ersatzes nach der lex Aquilia, Diss. jur. Berlin 1988; Bilstein, R., Das
deliktische Schadensersatzrecht der lex Aquilia in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
1994
Lex Arcadia ist das römische Gesetz des Jahres
397, das die Ehrverletzung der Amtsträger mit verstärkter Straffolge bedroht.
Lit.: Köbler, DRG 56
Lex Atilia ist das römische Gesetz des Jahres
210 v. Chr., das die Bestellung des Vormunds durch Magistrate ermöglicht.
Lit.: Kaser §§ 62 II 3, 63 3c; Köbler, DRG 36
Lex Atinia ist das römische Gesetz von etwa
200 v. Chr., das gestohlene Sachen von der Ersitzung durch jeden weiteren
Erwerber ausschließt, bis sie zum Eigentümer zurückkehren.
Lit.: Kaser § 25 I 2b, IIa; Söllner § 8
Lex Baiwariorum ist das vielleicht ([nach Hermann
Nehlsen] vor 643 oder) um 743 aufgezeichnete, in mehr als 30 Handschriften überlieferte
Volksrecht der →Bayern, das auffälligerweise enge Verwandtschaft zum
westgotischen (lat.) Codex (M.) Euricianus (wörtliche Übernahmen in
überzeugender Art und Weise) und zur (lat.) lex (F.) Alamannorum (sachliche
Übereinstimmungen möglicherweise auf Grund einer gemeinsamen älteren Vorlage)
aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Kralik, D.,
Die deutschen Bestandteile der lex Baiwariorum, NA 38 (1913), 13, 401, 581;
Krusch, B., Die Lex Bajuvariorum, 1924; Lex Baiwariorum, hg. v. Schwind, E.
Frhr. v., 1926, Neudruck 1999; Lex Baiuvariorum – Lichtdruckwiedergabe der
Ingolstädter Handschrift, hg. v. Beyerle, K., 1926; Beyerle, F., Die
süddeutschen Leges, ZRG GA 49 (1929), 264; Zeller, F., Das Verhältnis der Lex
Bajuvariorum zum späteren bayerischen Recht, Diss. jur. München 1941; Beyerle,
F., Die beiden süddeutschen Stammesrechte, ZRG GA 73 (1956), 84; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 8; Kobler, M.,
Stammesrecht und Stammesherrschaft, Habilschr. München 1967 (masch.schr.);
Krause, H., Die liberi der lex Baiwariorum, FS M. Spindler, 1969, 41; Gastroph,
H., Herrschaft und Gesellschaft in der Lex Baiuvariorum, 1969; Köbler, G., Die
Begründungen der lex Baiwariorum, Gedächtnisschrift W. Ebel, 1982, 69: Köbler,
G., Wörterverzeichnis zu den Leges Alamannorum und Baiwariorum, 1979;
Fastrich-Sutty, I., Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex
Baiuvariorum, 2002
Lex Burgundionum (lex Gundobada) ist das im frühen
6. Jh. (von König Sigismund am 29. 3. 517?) aufgezeichnete (, in 14
Handschriften überlieferte) Volksrecht der →Burgunder, dessen Grundlage
ein von König Gundobad um 500 erlassener (lat.) liber (M.) constitutionum (Buch
der Konstitutionen) bildet.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LexBurgundionum.pdf;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Leges Burgundionum, hg. v. Salis, R., 1892;
Mitteis, L., Eine neue Handschrift der Lex Burgundionum, ZRG GA 34 (1913), 407;
Gesetze der Burgunden, hg. v. Beyerle, F., 1938; Baesecke, G., Das Verhältnis
der Handschriften der Lex Gundobada, ZRG GA 59 (1939), 233; Rüegger, H.,
Einflüsse des römischen Rechtes in der Lex Burgundionum, Diss. jur. Bern 1949;
Amira, K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 33; Beyerle,
F., Zur Textgestalt und Textgeschichte der Lex Burgundionum, ZRG GA 71 (1954),
23; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum,
Thuringorum und Frisionum, 1979
Lex Cincia de donis et muneribus ist das römische Gesetz (lat.
plebiscitum N.)
des Jahres 204 v. Chr., das es grundsätzlich verbietet, Schenkungen über
einen bestimmten Höchstwert hinaus anzunehmen.
Lit.: Kaser §§ 9 47 II 1
Lex commissoria ist im römischen Recht die
Verfallsabrede beim Pfand (im Fall der Nichtzahlung der Schuld), die Kaiser
Konstantin (306-337) verbietet, und die Nebenabrede des Rücktritts vom
Kaufvertrag und der Rückforderung des Kaufgegenstands beim Kauf für den Fall,
dass der Preis nicht rechtzeitig bezahlt wird.
Lit.: Kaser § 41 VII; Köbler, DRG 62; Wieacker, F.,
Lex commissoria, 1932
lex contractus (lat. [F.] Gesetz des Vertrags) durch Vertrag
(wie durch ein Gesetz) verbindlich festgelegter Inhalt
Lex Cornelia de sicariis et veneficis ist das unter Sulla (138-78 v. Chr.)
ergangene römische Gesetz gegen Gewaltverbrechen.
Lit.: Köbler, DRG 35; Cloud, D., Leges de sicariis,
ZRG RA 127 (2010), 114
Lex Cornelia testamentaria nummaria ist das römische, unter Sulla
(138-78 v. Chr.) ergangene Gesetz gegen Fälschung von Testamenten und Münzen.
Lit.: Köbler, DRG 35
Lex duodecim tabularum (lat. [F.]) Zwölftafelgesetz (451/450 v. Chr.)
Lex Emminger ist die nach dem seinerzeitigen
Reichsjustizminister Erich Emminger (1880-1951) benannte Vereinfachung des
deutschen Verfahrensrechts (Verordnung vom 4. 1. 1924, Verordnung vom 13. 2.
1924).
Lit.: Köbler, DRG 234; Vormbaum, T., Die Lex Emminger
vom 24. 1. 1924, 1988
Lex Falcidia ist das römische Gesetz des Jahres
40 v. Chr., das dem Erben wenigstens ein Viertel der Erbschaft (lat. quarta F.
Falcidia, falzidisches Viertel) durch Nichtigkeit und anteilige Kürzung vor der
Verfügung durch Vermächtnisse sichert.
Lit.: Kaser §§ 76 V 2, 79 I 2b; Söllner § 15; Köbler,
DRG 39, 60; Schanbacher, D., Ratio legis Falcidiae, 1995
lex familiae →Hofrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Lex Francorum Chamavorum (ewa Chamavorum) ist das wohl 802
aufgezeichnete, in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Volksrecht des
fränkischen Teilstamms der Chamaven (im Hamaland bei Zutphen).
Lit.: Lex Francorum Chamavorum, hg. v. Sohm, R., 1883;
Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953, 42; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den
Leges Francorum, 1979
Lex Frisionum ist das wohl 802 (als Vorarbeit?)
aufgezeichnete, nur durch einen Druck Johannes Herolds (Basel 1557) überlieferte
Volksrecht der →Friesen, das in 22 Titel und eine (lat.) Additio (F.)
sapientium (Zusatz der Weisen eines Wlemar und Saxmund) zerfällt und in
mittelfriesisches Recht, ostfriesisches und westfriesiches Recht gegliedert
gewesen zu sein scheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Lex
Frisionum, hg. v. Richthofen, K. Frhr. v., 1863; Bewer, R., Die Totschlagssühne
in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Jaekel, H., Die Entstehung der Lex
Frisionum, ZRG GA 46 (1926), 1; Heck, P., Die Entstehung der Lex Frisionum,
1927 (besprochen von Schwerin, C. Frhr. v., ZRG GA 49 [1929], 481); Amira,
K.v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, § 9; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Burgundionum, Saxonum, Thuringorum und
Frisionum, 1978; Siems, H., Studien zur Lex Frisionum, 1980; Lex Frisionum, hg.
und übersetzt v. Eckhardt, K. u. a. 1982
Lex Fufia Caninia ist das römische Gesetz des Jahres
2 v. Chr., das die Freilassung beschränkt.
Lit.: Kaser § 16 I 2; Söllner § 14; Köbler, DRG 36
Lex Furia ist das römische Gesetz der
letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das in Italien die Haftung von Bürgen
einengt.
Lit.: Kaser § 57 II 2ª
Lex Gundobada →Lex Burgundionum
Lex Hortensia ist das römische Gesetz des Jahres
287 v. Chr., das den Entscheidungen der Plebsversammlung Gesetzeskraft gibt.
Lit.: Söllner §§ 6, 8; Köbler, DRG 8
Lexikon ist das meist alphabetisch oder
systematisch geordnete Wörterbuch. Es findet sich bereits im griechischen
Altertum. Rechtskenntnisse vermitteln etwa die rund 7000 Begriffe umfassenden
20 Bücher Etymologien des Bischofs Isidor von Sevilla († 636), die ungedruckte
(lat.) tabula (F.) utriusque iuris des Johannes von Erfurt, der (lat.)
Vocabularius (M.) iuris utriusque des Jodocus (1452), (lat.) De copia verborum
et rerum in iure civili Oldendorps (1542) oder das von Julius Weiske
herausgegebene 15bändige Rechtslexikon (1839ff.). Die umfangreichste und
wirkungsmächtigste Enzyklopädie des Mittelalters ist das wohl vor 1250
entstandene Werk (lat.) De proprietatibus rerum des Franziskaners Bartholomaeus
Anglicus (mehr als 300 Handschriften, zwischen 1470 und 1609 52
Druckauflagen), eines der bedeutendsten Lexika der Neuzeit Johann Heinrich
Zedlers (1706-1751) Großes vollständiges Universallexikon (1731ff., 64 Bände).
Das deutsche Rechtschreibelexikon Konrad Dudens enthielt in der ersten Auflage
(1880) 27000 Stichwörter und in der 26. Auflage (2013) 140000 Stichwörter.
Lit.: Köbler, G., Lexikon, (in) HRG Bd. 2 1978, 1979;
Murmellius, J., Pappa, 1513ff., Neudruck 2006; Zedler, J., Großes vollständiges
Universallexikon, Bd. 1ff. 1732ff., Neudruck 1961ff.; Heumann, G./Seckel, E.,
Handlexikon zu den Quellen des römischen Rechtes, 10. A. 1958; Haberkern,
E./Wallach, J., Hilfswörterbuch für Historiker, 2. A. 1964; Wörterbücher, hg.
v. Hausmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1989; Köbler, G., Juristisches Wörterbuch,
1978, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Weijers, O., Dictionnaires et répertoires au
moyen âge, 1991; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Bierbach,
M., Grundzüge humanistischer Lexikographie, 1997; Lexicon Juridicum
Romano-Teutonicum, hg. v. Oberländer, S. (, 4. Aufl. 1753, Neudruck 2000), hg.
v. Polley, R., 2000; Schlaefer, M., Lexikologie und Lexikographie, 2002, 2. A.
2009; Lexikologie, hg. v. Cruse, D. u. a., 2002; Wissenschaftliche
Lexikographie im deutschsprachigen Raum, hg. v. Städtler, T., 2003;
Bartholomaeus Anglicus, De proprietatibus rerum, hg. v. Meier, C. u. a., 2007;
Erschließen und Speichern von Wissen in der frühen Neuzeit, hg. v. Grunert, F.
u. a., 2010; Lexicon Monacense Anonymum, hg. v. Lunardini, V., 2009 (3
Handschriften des 12. Jh.s aus Schäftlarn); Hergemöller, B., Promptuarium
ecclesiasticum medii aevi, 2011 (rund 4000 Ansätze); Lang-Groth, I., Auf dem
Weg zu einem Belegwörterbuch – Der Beitrag von Joachim Campe und Theodor Bernd,
2012; Ältere Konversationslexika und Fachenzyklopädien, hg. v. Koch, H. u. a.,
2013; Harm, V., Einführung in die Lexikologie, 2014; vnuornemliche alde
vocabulen, hg. v. Prinz, M. u. a., 2014
lex imperfecta (lat. [F.]) unvollkommenes Gesetz
Lex Julia de adulteriis (julisches Gesetz über Ehebrüche)
Lex Iulia de maritandis ordinibus (julisches Gesetz über die zu
verheiratenden Stände) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das
Ehegebote und Eheverbote schafft.
Lit.: Kaser § 58 IV 8; Söllner § 14; Köbler, DRG §6
Lex Iulia de dote fundali (julisches Gesetz über die
Grundstücksmitgift) ist das römische Gesetz des Jahres 18 v. Chr., das die
Veräußerung eines Mitgiftgrundstücks durch den Ehemann ohne Zustimmung der Frau
verbietet.
Lit.: Kaser § 59 II 5; Köbler, DRG 37
Lex Iulia iudiciorum privatorum (julisches Gesetz über die
privaten Gerichte) ist das römische Gesetz des Jahres 17 v. Chr., das die
einzelnen →Legisaktionenverfahren bis auf geringe Reste zugunsten des
→Formularverfahrens abschafft.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 32 III 2; Köbler,
DRG 32
Lex Iulia iudiciorum publicorum (julisches Gesetz über die
öffentlichen Gerichte) ist das römische Gesetz des Augustus (63 v. Chr.-14 n.
Chr.), das für die meisten Verbrechen öffentliche Gerichte schafft und damit
das altrömische magistratisch-komitiale Verfahren weitgehend aufgibt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 12 IV 4; Köbler,
DRG 34
Lex Laetoria ist das römische Gesetz von etwa
200 v. Chr., das den noch nicht 25jährigen (minor XXV annis „Minderjährigen“)
(nicht durch Nichtigkeit des betreffenden Geschäfts, aber doch) durch
(Klagansprüche und) Einreden gegen den schützt, der ihn übervorteilt.
Lit.: Kaser § 14 II 3a
Lex Langobardorum ist das hauptsächlich durch die
Königsgesetze der Langobarden bekannte Volksrecht der →Langobarden.
→Leges Langobardorum
Lex legum ist die vielleicht im 9. oder 10.
Jh. in Süditalien entstandene kleine Zusammenstellung von Ausschnitten aus dem
Edictum Theoderici, dem Codex Justinianus, der Lex Visigothorum und dem langobardischen
Recht.
Lit.: Conrat, M., Die lex legum breviter facta, ZRG GA
10 (1889), 230
Lex Licinia ist das römische Gesetz des Jahres
367 v. Chr., das Plebejer als Konsuln zulässt.
Lit.: Kaser §§ 23, 81; Köbler, DRG 18
Lex Licinnia ist das römische Gesetz, das den
Gemeinschaftsteilungsklageanspruch eröffnet.
Lit.: Kaser §§ 23 IV 2, 81 II 2; Köbler, DRG 25
Lex mercatoria
Lit.: Meyer, R., Bona fides und lex mercatoria, 1994; Scherner, K., Lex
mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 148; Cordes, A., Auf der Suche nach der
Rechtswirklichkeit der mittelalterlichen lex mercatoria, ZRG GA 118 (2001), 168
lex minus quam perfecta (lat. [F.]) weniger als vollkommenes Gesetz (z.
B. lex Laetoria)
Lex Miquel/Lasker ist das von den Abgeordneten
Miquel und Lasker bewirkte Gesetz des Deutschen Reiches, das 1873 dem Reich die
Zuständigkeit für die Gesetzgebung im Bereich des bürgerlichen Rechtes gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Lex naturalis (Naturrecht) ist das Naturrecht,
durch das der Mensch das auf Gott zurückgeführte ewige Recht (lat. lex F.
aeterna) erkennen kann.
Lit.: Köbler, DRG 145, Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983
Lex Ogulnia ist das altrömische Gesetz, das
den Plebejern die Priesterämter eröffnet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 15 VI 2; Köbler,
DRG 18
Lex Papia Poppaea (9. n. Chr.) ist das römische
Gesetz unter Augustus über eherechtliche und erbrechtliche Fragen.
Lit.: Kaser §§ 58 IV 8, 71 II 1, 76 III 1; Söllner §
14; Köbler, DRG 36
Lex Poetelia ist das römische Gesetz des Jahres
326, nach dem der Gläubiger den Schuldner als Schuldknecht die Schuld
abarbeiten lassen kann.
Lit.: Kaser §§ 39 I1, 81 III 1; Söllner § 8; Köbler,
DRG 20
Lex posterior derogat legi priori (lat.). Ein späteres Gesetz hebt
ein früheres auf.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Modestin, um 190-um 250, Digesten 1, 4, 4)
lex perfecta (lat. [F.]) vollkommenes, Nichtigkeit
vorsehendes Gesetz (z. B. lex Voconia)
Lex publica ist im römischen Recht das
(öffentliche) Gesetz (im Gegensatz zur privaten Vereinbarung).
Lit.: Bleicken, J., Lex publica, 1978
lex regia (königliches Gesetz)
Lit.: Lomonaco, F., New Studies on Lex Regia, 2011
Lex Rhodia de iactu (rhodisches Recht über den
Seewurf) ist die im hellenistischen Bereich schon im Altertum verbreitete
Regelung, dass der Schiffer, der in Seenot Waren eines Befrachters opfert, dem
Befrachter zu einem Ausgleich verpflichtet ist. →Haverei
Lit.: Kaser § 42 IV 4; Wesener, G., Von der lex Rhodia
de iactu zum § 1043 ABGB, FS J. Bärmann, 1975, 36; Letsios, D., Nomos Rhodion
nautikos, 1996; Ullmann, E., Der Verlust von Fracht und Schiff, FS H. Piper,
1996, 1049
Lex Ribvaria ist das in Vorformen wohl im 7.
Jh. (584-629?, 623-639) und in den überlieferten Formen seit 763/764 aufgezeichnete
Volksrecht des um Köln im Gebiet Ribvaria (Ripuaria, Uferland) sitzenden Teiles
der Franken bzw. des um Köln siedelnden fränkischen Teilstamms der Ribvarier
(Ripuarier).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Krusch, B.,
Die Lex Bajuvariorum, 1924; Beyerle, F., Die Lex Ribuaria, ZRG GA 48 (1928),
264; Beyerle, F., Das Gesetzbuch Ribvariens, ZRG GA 55 (1935), 1; Lex Ribvaria,
hg. v. Beyerle, F. u. a., 1954; Buchner, R., Zu Text und Handschriftenbaum der
Lex Ribvaria, ZRG GA 80 (1963), 306; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges
Francorum, 1979; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988
Lex Romana Burgundionum ist die durch vier Handschriften
überlieferte, 47 Titel mit 176 Bestimmungen umfassende Zusammenstellung von
Stücken aus dem →Codex Gregorianus, →Codex Hermogenianus,
→Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen, Paulussentenzen und
einem nicht sicher zu ermittelnden Werk des Gaius. Sie wird entweder König
Gundobad († 516) oder König Sigismund zugeordnet.
Lit.: Köbler, DRG 53, 80; Lex Romana Burgundionum, hg.
v. Salis, L. v., 1892, 123; Roels, W., Onderzoek naar het gebruik, 1958;
Chevrier, G./Piéri, G., La loi romaine des Bourgondes, Ius Romaum medii aevi I,
2b, aa, 1969; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995
Lex Romana canonice compta ist die in Norditalien um die
Mitte des 9. Jh.s entstandene Sammlung römischen Rechtes (Institutionen, Codex
Justinians, Epitome Iuliani) zu kirchlichem Gebrauch mit 324 Kapiteln.
Lit.: Mor, C., Lex Romana canonice compta, 1927
Lex Romana Curiensis (oder Lex Romana Raetica Curiensis
oder früher auch Lex Romana Utinensis) ist die in drei Handschriften
überlieferte, wohl in Rätien im 8. Jh. (vor 765?) entstandene private Kurzfassung
der →Lex Romana Visigothorum (→Breviarium Alarici).
Lit.: Köbler, DRG 81; Schupfer, F., La legge Romana
Udinese, 1881; Schupfer, F., Nuovi studi sulla legge Romana Udinese, 1882;
Wagner, R., Zur Frage nach der Entstehung, ZRG GA 4 (1883), 54; Salis, L. v.,
Lex Romana Curiensis, ZRG GA 6 (1885), 141; Zeumer, K., Über Heimat und Alter
der Lex Romana raetica Curiensis, ZRG GA 9 (1888), 1; Die Lex Romana Curiensis,
hg. v. Meyer-Marthaler, E., 1959; Meyer-Marthaler, E., Römisches Recht in
Rätien, Beiheft ZSG 13 (1968), 43; Meyer-Marthaler, E., Fränkisches Recht in
der Lex Romana Curiensis, Der Geschichtsfreund 1972, 169
Lex Romana Visigothorum (Breviarium Alarici) ist die um
506 durch den westgotischen König Alarich II. veranlasste Sammlung römischen
Rechtes mit Auszügen aus dem Codex Theodosianus, posttheodosianischen Novellen,
den Institutionen des Gaius, den Paulussentenzen, dem Codex Gregorianus und
dem Codex Hermogenianus, wobei den meisten Texten eine wohl im 5. Jh.
entstandene, vereinfachende Erklärung (lat. F.
interpretatio) hinzugefügt ist. Die L.R.V. gilt in Südfrankreich trotz ihrer
Aufhebung durch den westgotischen König Rekkesvind (654) bis in das 12. Jh.
(für die römische Bevölkerung) und wird Grundlage des droit écrit.
Lit.: Söllner § 20; Köbler, DRG 53, 80, 82; Lex Romana
Visigothorum, hg. v. Haenel, G., 1849, Neudruck 1962; Müller, K., Eine neue
Handschrift der Lex Romana Visigothorum, ZRG GA 57 (1937), 429; Gaudemet, J.,
Le Bréviaire d’Alaric et le Epitome, (in) Ius Romanum medii aevi I, 2b, aa,
1965; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972, 93
Lex Salica ist das vielleicht auf Grund
antiker formaler Vorbilder 507-511 in 65 Titeln (lat. Pactus M.
legis Salicae) erstmals aufgezeichnete Volksrecht des salischen Teilstamms der
→Franken (Salfranken). Diese älteste Fassung besteht aus Texten im
Weistumsstil (Bußweistümern) und Texten im Konstitutionenstil (Gesetzen). Sie
enthält eine Reihe von altfränkischen, aber nur noch teilweise verständlichen
Wörtern (→malbergische Glossen). Sie wird bis etwa 800 mehrfach
überarbeitet und ergänzt, so dass sich insgesamt 8 überlieferte Fassungen
unterscheiden lassen. Die älteste erhaltene Handschrift wird auf 751-68
datiert. Inhaltlich ist das →Kompositionensystem sehr kasuistisch
behandelt. Am Ende werden vielfach jüngere Teilstücke kapitularienartig
angefügt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 80; Zycha, A.,
Zur Auslegung des Titels 37, ZRG GA 21 (1901), 155; Fehr, H., Über den Titel
58, ZRG GA 27 (1906), 151; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des
Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Rietschel, S. Die
Entstehungszeit der Lex Salica, ZRG GA 30 (1909), 117; Luschin von Ebengreuth, A., Der Denar der Lex
Salica, 1910; Krammer, M., Die ursprüngliche Gestalt und Bedeutung der Titel De
filtorto und De vestigio minando, ZRG GA 36 (1915), 336; Pétrau-Gay, J., La
notion de „lex“ dans la coutume salienne, 1920; Jaekel, H., Die
leichten Goldschillinge der merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103;
Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen der Lex Salica, ZRG GA 44 (1924),
216; Claußen, C., Die Beziehungen der Lex Salica zu den Volksrechten der
Alemannen, Bayern und Ribuarier, ZRG GA 56 (1936), 349; Pétrau-Gay, J., La
„Laghsaga“ salienne, Revue historique de droit français et étranger 14 (1935),
54, 252; Lex Salica, 100-Titel-Text, hg. v. Eckhardt, K., 1953;
Schmidt-Wiegand, R., Die kritische Ausgabe der Lex Salica – noch immer ein
Problem?, ZRG GA 76 (1959), 301; Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K.,
1962; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand
der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275; Gutenbrunner, S., Über
salfränkisch atōmiu und altnordisch tómr, Rechtssprache und
Bauterminologie, ZRG GA 85 (1968), 189; Lex Salica, hg. v. Eckhardt, K., 1969;
Roll, H., Zur Geschichte der Lex Salica-Forschung, 1972; Nehlsen, H.,
Sklavenrecht, 1972; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979;
Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Simone, G., LS v. LF.
La tradizione frammentaria in antico alto tedesco della Lex Salica, 1991; Ubl,
K. Sinnstiftungen eines rechtsbuchs, 2016
Lex Saxonum ist das in zwei Handschriften (und
zwei Drucken Johannes Herolds 1557 bzw. Tilius’ 1573) überlieferte, vielleicht
802 aufgezeichnete, durch die sog. (lat.) →Capitulatio (F.) de partibus
Saxoniae (782/785) und das (lat.) →Capitulare (N.) Saxonicum (797?)
ergänzte Volksrecht der von den Franken besiegten →Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Schwerin, C.
Frhr. v., Zu den Leges Saxonum, ZRG GA 33 (1912), 390; Leges Saxonum und Lex
Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918; Lintzel, M., Die Entstehung
der Lex Saxonum, ZRG GA 47 (1927), 130; Theuerkauf, G., Lex, speculum,
compendium juris, 1968; Landwehr, G., Die Liten, Gedächtnisschrift W. Ebel,
1982, 117
Lex Scribonia ist das römische Gesetz der
letzten vorchristlichen Jahrhunderte, das zur Sicherung der Freiheit des
Eigentümers die Ersitzung einer →Dienstbarkeit (Servitut) durch (lat. F.)
usucapio (Ersitzung nach strengen Regeln) ausschließt.
Lit.: Kaser § 28 II 1b
lex temporalis (zeitliches, weltliches Recht) im Gegensatz
zur lex aeterna
Lex Thuringorum (Lex Angliorum et Werinorum) ist
das durch eine Corveyer Handschrift (und einen Druck Herolds [1557])
überlieferte, wohl 802 aufgezeichnete Volksrecht der →Thüringer (Angeln
und Warnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Leges Saxonum
et Lex Thuringorum, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1918, 51; Landau, P., Die Lex
Thuringorum, ZRG GA 118 (2001), 23
Lex Visigothorum ist das Volksrecht der
→Westgoten. Seine älteste Fassung ist der (lat.) →Codex (M.)
Euricianus (475/476?, Kapitel 276-336 erhalten). Die L. V. wird nach der
Abwanderung der Westgoten von Gallien nach Spanien unter den Königen Leovigild
(568-586, nicht überliefert), Rekkesvind (654, 2 Handschriften, 12 Bücher) und
Ervig (681) überarbeitet und erweitert. Die L.V. weist römischen und
christlichen Einfluss auf. Sie wird bis in das 13. Jh. benutzt. →Fuero,
Fuero Juzgo
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Menhardt, H.,
Ein Bruchstück der Lex Visigothorum, ZRG GA 46 (1926), 360; Müller, H., Das
Strafrecht der Lex Visigothorum, 1955; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Fastrich-Sutty, I.,
Die Rezeption des westgotischen Rechts in der Lex Baiuvariorum, 2002; Sauter,
M., Hexenprozess und Folter, 2010; Kimmelmann, A., Die Folter im Beweisverfahren
der Leges Visigothorum, 2010
Lex Voconia ist das römische Gesetz des Jahres
169 v. Chr., das die Erbeinsetzung von Frauen wohl zum Schutz großer Vermögen
(zeitweise) beschränkt.
Lit.: Kaser §§ 66 II 1, 68 III 3
Leyes de Toro (Gesetze von Toro) sind die
spanische Rechtsquelle des 16. Jh.s (1565), die Zweifelsfragen bei der
Auslegung des (span. M.) →Fuero
Real und der (span. F.Pl.) →Siete
Partidas klärt und in Kastilien bis zum Codigo civil von 1888/1889 gilt. Die L.
d. T. werden von Antonio Gómez (nach 1500-vor 1572) kommentiert.
Lit.: Pérez Martín, A./Scholz, J., Legislación y
jurisprudencia en la España del antigua régimen, 1978
Leyser, Augustin (Wittenberg 18. 1.
1683-3. 5. 1752) wird nach dem Rechtsstudium in Wittenberg und Halle (Stryk,
Thomasius) 1707 außerordentlicher Professor in Wittenberg, 1712 ordentlicher
Professor in Helmstedt und 1729 in Wittenberg. Seine elf Bände (lat.)
Meditationes (F.Pl.) ad Pandectas (1713ff., Überlegungen zu den Pandekten), die
mehr als 700 Studien zu mehreren tausend Urteilen und Sprüchen wiedergeben,
erweisen ihn als Vertreter des →usus modernus. In einem Kurs von 18
Monaten Dauer trägt er (täglich zweistündig) das gesamte Recht vor.
Lit.: Köbler, DRG 144; Luig, K., Richterkönigtum und
Kadijurisprudenz, (in) Das Profil des Juristen, hg. v. Luig, K. u. a., 1980,
295
Libell (N.) Büchlein, Schrift (z. B.
Klaglibell)
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 155
Libellarvertrag (lat. contractus M.
libellarius) ist ein in Italien im Frühmittelalter verbreiteter Grundstücksleihvertrag
freier Leute.
Lit.: Pivano, S., Precarie e livelli, Università di
Torino, Memorie dell’ instituto giuridico II/CVIII, 1962
Libellus (M.) conventionis (lat.) ist die Klageschrift des
spätantiken Zivilprozesses.
Lit.: Köbler, DRG 55
Libellus (M.) repudii (lat.) ist im spätantiken
römischen Recht die unter östlichem Einfluss entstandene förmliche Erklärung
der Ehescheidung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c; Köbler, DRG 58
Libellverfahren ist das im spätantiken römischen
Recht seit der Mitte des 5. Jh.s mit der Einreichung eines Klaglibells (lat.
libellus M.
conventionis) an den Richter beginnende →Kognitionsverfahren.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
liber (lat. M.)
Buch (in klassischer römischer Zeit hat ein l. einen Umfang von
durchschnittlich 70000 Zeichen bzw. von etwa 30 bis 40 heutigen Druckseiten)
liber (lat. M.)
Freier
Lit.: Köbler, LAW; Weber, A., Liber, ingenuus, 1983
liber ad edictum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zum Edikt des
Prätors (z. B. des Paulus mit 80 libri) oder Ulpians (mit 83 libri)
liber ad Sabinum (lat. [M.]) Buch bzw. Kommentar zu Sabinus (z.
B. des Paulus mit 16 libri oder Ulpians mit mehr als 51 libri
Liber augustalis →Konstitutionen von Melfi
Liber cartularii ist eine wohl langobardische
Formelsammlung von 25 Formularen vielleicht des frühen 11. Jh.s.
Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, Bd. 1 1954,
315
Liber constitutionum →Lex Burgundionum
liberal (freiheitlich)
Liberalismus ist die im 18. Jh. ausgebildete
Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die sich von der freien
Entfaltung des Einzelnen die bestmögliche Entwicklung der Gesellschaft erhofft.
Grundlegend wird das Werk (engl.) Inquiry into the Nature and Causes of the
Wealth of Nations (1776) des schottischen Nationalökonomen Adam →Smith
(1723-1790). Politisch strebt der L. Teilhabe des Einzelnen am Staat an, dem,
getrennt von der Gesellschaft, der Schutz des Einzelnen aufgegeben ist (Jeremy
→Bentham 1748-1832, John Stuart Mill, Herbert Spencer, Karl von
→Rotteck 1775-1840, Karl Theodor →Welcker). Die unbeschränkte
Freiheit des L. führt aber zu gesellschaftlichen Schwierigkeiten (soziale
Frage), so dass am Ende des 19. Jh.s der L. vom →Sozialismus
zurückgedrängt wird. Politisch wirken sich anscheinend besonders Napoleons
idées libérales vom 18. Brumaire 1799 aus, die um 1810 in Spanien die
Bezeichnung der Angehörigen einer Gruppe als liberal bzw. Liberale und danach
in England die Umwandlung der Whig Party zur Liberal Party bewirken.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 741;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133f., 173, 179, 197, 202, 205f., 216;
Benöhr, H., Wirtschaftsliberalismus und Gesetzgebung, ZFA 1977, 187; Wadl, W.,
Liberalismus und soziale Frage in Österreich, 1987; Carl Schmitt und die
Liberalismuskritik, hg. v. Hansen, K. u. a., 1988; Wilhelm, U., Der deutsche
Frühliberalismus, 1995; Hodenberg, C. v., Die Parteien der Unparteiischen,
1996; Liberalismus, hg. v. Brix, E. u. a., 1996; Theuringer, T., Liberalismus
im Rheinland, 1998; Rawls, J., Politischer Liberalismus, 1998; Tober, H.,
Deutscher Liberalismus, 2000; Steinsdorfer, H., Die Liberale Reichspartei,
2000; Backes, U., Liberalismus und Demokratie, 2000; Leonhard, J.,
Liberalismus, 2001; Kieseritzky, W. v., Liberalismus und Sozialstaat, 2002; Die
Anfänge des Liberalismus und der Demokratie in Deutschland und Österreich
1830-1848/49, hg. v. Reinalter, H., 2002; Cioli, M., Pragmatismus und
Ideologie, 2003; Leonhard, J., Europäische Liberalismen, ZRG GA 121 (2004),
313; Haunfelder, B., Die liberalen Abgeordneten des deutschen Reichstags
1871-1918, 2004; Biographisches Lexikon der demokratischen und liberalen
Bewegungen in Mitteleuropa 1770 bis 1848/49, hg. v. Reinalter, H. u. a., 2015;
Liberalismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Doering-Manteuffel, A. u. a. 2015;
Siedentop, L., Die Erfindung des Individuums – Der Liberalismus und die westliche
Welt, 2015 (Das liberale Denken wird als Erzeugnis des Christentums
angesehen.); Liberalismus-Forschung nach 25 Jahren, hg. v. Grothe E. u. a.,
2016
libertas (lat. F.)
Freiheit
Lit.: Köbler, LAW; Schrage, E., Libertas est facultas
naturalis, 1975; Fürbringer, C., Necessitas und libertas, 1985; Schott, C.,
Freiheit und libertas, ZRG 104 (1987), 84; Arena, V., Libertas and the Practice
of Poitics in the Late Roman Republic, 2012
Libertas (F.) ecclesiae (lat.) ist die von der Kirche im
11. Jh. geforderte Freiheit von der weltlichen Gewalt. →Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 77; Tellenbach,
G., Libertas, 1936; Szabó-Bechstein, B., Libertas ecclesiae, 1985
Libertät ist die verhältnismäßige Freiheit
der Reichsstände des Heiligen römischen Reichs
in der frühen Neuzeit (Wahlrecht, Wahlkapitulation, Glaubensfreiheit).
Lit.: Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des
Johannes Limnaeus, 1968; Reichsständische Libertät und habsburgisches
Kaisertum, hg. v. Duchhardt, H. u. a. 1999
libertus (lat.) freigelassen
Libra (lat. F.)
Waage, ist im römischen Recht eine wichtiges Instrument zur Durchführung von
Libralgeschäften wie z. B. →Manzipation, nexum und als dessen Gegenstück
nexi liberatio)
Lit.: Köbler, DRG 25
Libralgeschäft ist im römischen Recht das mit der
Waage (lat. F.
libra) durchgeführte Geschäft (z. B. Zuwägen des Entgelts bei der
→Manzipation).
Lit.: Kaser § 7 I
Libri (M.Pl.) feudorum (lat.) (bzw. Liber feudorum) sind
die im 11./12. Jh. entstandenen und im 12./13. Jh. in mehr als 150
Handschriften aufgezeichneten und zu den wichtigen Rechtsquellen gerechneten
→Lehnsrechtsbücher des langobardischen Lehnsrechts (obertische Rezension
Mailand vor 1158 7 Handschriften, ardizonische Rezension (benannt nach
Jacobus de Ardizone) Mailand Ende 12. Jh.s 21 Handschriften, Vulgata Accursius’
Bologna um 1235/40 132 Handschriften). Sie beruhen auf Lehnsgesetzen Konrads
II., Lothars II. Friedrichs I., Heinrichs IV. und Friedrichs II. Sie werden
später in zwei Bücher mit 26 oder 28 und 55 oder 56 Titel gegliedert und seit
der Mitte des 13. Jh.s in das sog. →Volumen der justinianischen
Kompilation aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101, 104, 106;
Kaiserliches Lehnrecht. Die libri feudorum in der Fassung des Jodokus Pflanzmann,
1494, Neudruck 1989; Lehmann, K., Das langobardische Lehnrecht, 1896; Weimar,
P., Die Handschriften des Liber feudorum, Rivista Internazionale di Diritto
Comp. 1 (1900), 31; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Libri (M.Pl.) Karolini (lat.) (eine kirchenpolitische
Schrift von etwa 790/7911)
Lit.: Freeman, A., Theodulf of Orléans and the Libri
Carolini, Speculum 32 (1957), 663; Schwandt, W., Studien zu den Libri Carolini,
1966
Libri (M.Pl.) terribiles (lat.) sind die das Strafrecht
behandelnden (schrecklichen) Bücher 47, 48 der →Digesten.
Lit.: Köbler, DRG 56
libripens (lat. M.)
Waagehalter beim Libralgeschäft
Lit.: Kaser § 7, 2
Libro do Leyes ist die von dem spanischen
Juristen Alonso Díaz de Montalvo (1405-1499) verfasste Sammlung kastilischen
Rechtes des späten Mittelalters (ordenamiento von 1484). →Compilación de Leyes
Lit.: Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991, 53
Licet iuris (lat.) ist das nur literarisch
überlieferte Reichsgesetz des Heiligen römischen Reiches über die Königswahl
vom 6. 8. 1338, nach dem allein die deutsche Königswahl ohne jede päpstliche
Mitwirkung den Anspruch auf das Kaisertum begründet und deshalb der Gewählte
alle Reichsrechte im Reich ausüben darf (, obwohl der Kaisertitel erst durch
die Kaiserkrönung legitimiert wird). Der im l. i. erhobene politische Anspruch
ist in der Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. von 1356 aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107, 109;
Stengel, E., Avignon und Rhens, Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte,
6, 1 1930, 157; Thomas, H., Deutsche Geschichte des Spätmittelalters, 1983, 200
Licinius
Rufus (Marcus
Gnaeus Licinius Rufus) ist ein aus Kleinasien stammender, bisher wenig
beachteter römischer Jurist.
Lit.: Biedermann, F., Die Rechtsansichten des Licinius
Rufus, 2013
Lidlohn ist seit dem 14. Jh. der
Entgeltanspruch für Dienstleistungen der Dienstboten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schmidt-Wiegand, R., Lidlohn,
Rhein-Westfäl. Z. f. Volkskunde 25 (1978)
Liebe
Lit.: La Croix, A. de, Liebeskunst und
Lebenslust, 2003
Liebermann, Felix (Berlin 20. 7. 1851-7. 10.
1925 [von Automobil überfahren]), Textilfabrikantensohn, Bruder Max
Liebermanns, wird nach dem Studium der Geschichte in Göttingen (Waitz) Privatgelehrter
(1896 titulierter Professor). 1903ff. veröffentlicht er die nach anderen
Editionen maßgebliche Ausgabe der Gesetze der →Angelsachsen.
Lit.: Heymann, E., (Nachruf auf) Felix Liebermann, ZRG
GA 46 (1926), XXIII; English Law before
Magna Charta, hg. v. Jurasinski, S. u. a., 2010
Liechtenstein ist das zwischen Schweiz und
Österreich gelegene Fürstentum, das sich seit 1699/1712 aus den Herrschaften
Vaduz und Schellenberg entwickelt und 1806 souverän wird (bis 1866 Mitglied des
Deutschen Bundes, 1984 160 Quadratkilometer mit 26680 Einwohnern, elf
Gemeinden, sechstkleinster Staat der Welt in der Gegenwart). 1808 erstellt
Landvogt Joseph Schuppler eine Erbfolge- und Verlassenschaftsabhandlungsordnung,
1809 den Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch. Durch Patent vom 18. 2.
1812 übernimmt L. das →Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs ohne
Erbrecht, 1846 auch dessen Erbrecht (ab 1847). Am 26. 9. 1862 setzt der Fürst
eine Verfassung in Kraft. Seit 1918 wendet sich L. von (dem Verlierer im ersten
Weltkrieg) Österreich ab und der Schweiz zu (1923 Zollvertrag) und ändert
Sachenrecht, Personenrecht und Gesellschaftsrecht nach deutschem bzw.
Schweizer Vorbild. 1921 erhält es eine Verfassung, die dem Fürsten bedeutende
Rechte gegenüber Landtag und der (5 köpfigen, als demokratisch angesehenen)
Regierung belässt (z. B. Sanktionierung der Gesetze). Über Verkauf von
Briefmarken, Verkauf von Pässen an reiche Flüchtlinge und eine niedrige
Gesellschaftsteuer gelangt es zu Wohlstand. 1974 wird das Ehegesetz mit
obligatorischer Zivilehe und Möglichkeit der Ehescheidung eingeführt. Um 2010
gelten noch etwa 40 Prozent des ursprünglichen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs (Vormundschaftsrecht, Kindschaftsrecht, Erbrecht, Schuldrecht)
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Falke, J.,
Geschichte des fürstlichen Hauses Liechtenstein, Bd. 1ff. 1858ff.; Raton. P.,
Liechtenstein, 1969; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1827; Das Fürstentum Liechtenstein, hg. v. Müller,
W., 1981; Liechtenstein, hg. v. Press, V. u. a., 1987; Der ganzen
Welt ein Lob und Spiegel, hg. v. Oberhammer, E., 1990; Bradke, S., 75 Jahre
Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Korfmacher, N., Der Landtag des
Fürstentums Liechtenstein, 1999; Eine Zivilrechtsordnung für Liechtenstein, hg.
v. Berger, E., 1999; Götzenberger, A., Steueroase Liechtenstein, 2000; Meili,
A., Geschichte des Bankwesens in Liechtenstein (1945-1980), 2000; Winkler, G.,
Die Verfassungsreform in Liechtenstein, 2003; Zimmermann, G., Die Entwicklung
der internationalen Rechtshilfe, Diss. jur. Innsbruck 2003; Merki, C.,
Wirtschaftswunder Liechtenstein, 2007; Kleinstaaten in Europa, hg. v.
Langewiesche, D., 2007; Winkelbauer, T., Gundaker von Liechtenstein als
Grundherr, 2008; Geiger, P., Kriegszeit. Liechtenstein 1939 bis 1945. 2010;
Dokumente zur liechtensteinischen Geschichte zwischen 1928 und 1950, hg. v.
Liechtensteinischen Landesarchiv, 2011; 90 Jahre Fürstlicher Oberster
Gerichtshof, 2013; Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein, red. v.
Brunhart, A. u. a., Bd. 1f. 2013 (rund 2600 Artikel); Perrez, A., Fremde
Richter, 2015 (17 von 51 an Landgericht, Schöffengericht, Kriminalgericht,
Ibergericht, Oberstem Gerichtshof, Verwaltungsbeschwerdeinstanz,
Staatsgerichtshof)
Lieferung (Wort Köln 1311)
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Liegenschaft ist eine ältere Bezeichnung für
→Grundstück. Für das Recht der L. ist von besonderer Bedeutung das
→Grundbuch.
Lit.: Köbler, DRG 89, 125; Hedemann, J., Die
Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, II, 1 1930; Conrad, H.,
Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T.,
Das Recht der Liegenschaftsübertragung in Freiburg, 1937; Voser, P., Die
altdeutsche Liegenschaftsübertragung, 1952; Hofmeister, H., Die Grundsätze des
Liegenschaftserwerbs, 1977; Faußner, H., Zur Liegenschaftsübertragung in der
Baioaria provincia, ZRG GA 111 (1994), 1
Liegnitz an der Katzbach ist der 1149
bezeugte Ort, der bald Sitz einer Linie der Herzöge von Schlesien wird und 1252
Stadtrecht erlangt. Am Ende des 14. Jh.s (1399) verfasst Nikolaus →Wurm
das in Frage und Antwort von Schüler und Lehrer gehaltene, in 30 Artikeln
gegliederte, unvollendete Liegnitzer Stadtrechtsbuch, das keinen Bezug zum
Stadtrecht von L. aufweist. 1526-1530 ist Liegnitz Sitz einer Universität.
Lit.: Elsner, W., Liegnitzer Stadtgeschichte, 1971;
Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch des Nikolaus Wurm, 1990; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 58
Liga ist eine Bezeichnung für ein Bündnis. Die katholische
L. ist die am 10. 7. 1609 abgeschlossene Vereinigung katholischer
Reichsstände.
Lit.: Hartung, F., Deutsche Verfassungsgeschichte, 9.
A. 1969, 15
ligius →homo ligius
Ligurien ist die um Genua liegende
norditalienische Landschaft, die über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden
und Franken zum deutschen Reich gelangt. Seit dem frühen 11. Jh. wird
→Genua führend. 1815 kommt das Herzogtum Genua zum Königreich
→Sardinien.
Lit.: Meyer, H., „Ligurisches“ Erbrecht, ZRG GA 50
(1930), 354; Airaldi, G., Genova e la Liguria, 1986; Balzaretti, R., Dark Age
Liguria, 2013
Lille
Lit.: Monier, R., Le Livre Roisin de la fin du 13e siècle, 1932;
Monier, R., Les lois, enquêtes et jugements des pairs du Castel de Lille, 1937
Limburg
Lit.: Rechtsbronnen van het Hertogdom Limburg, hg. v. Janssen de
Limpens, K., 1977
Limes (lat. M.)
Grenze (z. B. zwischen Römern und Germanen, zwischen Brohl bei Koblenz und
Eining bei Regensburg, ausgebaut seit 84 n. Chr., überrannt seit 260 n. Chr.,
Länge rund 550 Kilometer, im Jahre 2005 in das Weltkulturerbe der UNESCO
aufgenommen)
Lit.: Köbler, DRG 28, 67; Baltl/Kocher; Baatz, A., Der
römische Limes, 1974; Schallmayer, E., Der Limes, 2003; Waldherr, G., Der
Limes, 2009; Moschek, W., Der Limes, 2010; Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, hg.
v. Ausbüttel, F. u. a., 2011; Kemkes, M. u. a., Der Limes, 2014; Reuter,
M./Thiel, A., Der Limes, 2015
Limnaeus (Wirn), Johannes (Jena 5. 1.
1592-Ansbach 13. 5. 1663), Mathematikprofessorensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Jena (Arumaeus) und Altdorf 1623 Erzieher, Hofmeister und Rat.
Er entwickelt ein System des Staatsrechts (Iuris publici Imperii
Romano-Germanici libri M.Pl. IX, 1629ff.)
auf der Grundlage der Reichsgesetze. Das Reich sieht er als (lat. M.)
status mixtus (gemischten dualistischen Staat).
Lit.: Köbler, DRG 148; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre
des Johannes Limnaeus, 1968
Lindau
Lit.: Stolze, A., Der Sünfzen zu Lindau, 1956; Niederstätter, A.,
Kaiser Friedrich II. und Lindau, 1986
Linden, Johannes van der (Zuid-Scharwoude
1756-Amsterdam 1835) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden Rechtsanwalt und
1827 Richter. Bedeutsam ist seine Übersicht über das römisch-holländische Recht
(Rechtsgeleerd practicaal en koopmans handboek, 1806).
Lit.: Roberts, A., A South African Legal Bibliography,
1942, 190; Kop, P., Linden, (in) Zestig juristen, 1987, 196
Lindenbrog, Friedrich (Hamburg 28. 12.
1573-9. 9. 1648), Historikerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leiden
gelehrter Ratgeber. Er veröffentlicht 1602 die →Lex Salica mit Glossen
und 1613 einen (lat.) Codex (M.) legum antiquarum (mit 11 Volksrechten u. s. w.).
Lit.: (Wilckens, N.,) Leben der berühmten
Lindenbrogiorum, 1723; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967, 212
Linealfolge (Erbfolge nach Linien)
Linealgradualordnung (erbliche Ordnung nach Linien und
Graden) s. Parentel
Lingen
Lit.: Cramer, W., Geschichte der Grafschaft Lingen, 1940; Lingen
975-1975, hg. v. Ehbrecht, W. u. a., 1975
Linz
Lit.: Rausch, W., Handel an der Donau 1, 1969; Linz zwischen Demokratie
und Diktatur, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2006; Linz zwischen Wiederaufbau und
Neuorientierung 1945-1984, hg. v. Mayrhofer, F. u. a., 2007
Lippe ist ein deutsches Fürstentum (1900
1215 qkm, 138000 Einwohner) (eines 1123 erstmals nachweislichen adligen Geschlechts),
das am 12. 11. 1918 Freistaat wird (12. 2. 1919 vorläufige Verfassung, 21. 12.
1920 Verfassung, 11. 9. 1946 nochmaliger Verfassungsversuch), der am 21. 1.
1947 in Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Anschütz, G., Der
Fall Friesenhausen, 1904; Henkel, W., Die Entstehung des Territoriums Lippe,
1937; Ebert, B., Kurzer Abriss einer lippischen Rechtsgeschichte, (in) Mitt.
aus der Lipp. Gesch. 25 (1956), 12; Kittel, E., Geschichte des Landes Lippe, 1957;
Benecke, G., Society and Politics in Germany 1500-1750, 1974; Salbücher der
Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u. a., 1969;
Bartels-Ishikawa, A., Der lippische Thronfolgestreit, 1995; Schaletzki, A.,
Pragmatismus und Beständigkeit, Diss. jur. Würzburg 2008; Peters, R.,
Sprachgeschichte des lippischen Raumes, 2016
Lipski, Andrzej (1572-1631) wird nach dem
Rechtsstudium in Straßburg und Heidelberg 1601 Sekretär des Königs von Polen,
Assessor, 1617 Bischof, 1620 Großkanzler und 1630 Bischof von Krakau. Er
veröffentlicht 1602 (lat.) Practicarum observationum ex iure civili et saxonico centuria (F.) prima (Erstes Hundert praktischer
Beobachtungen aus dem römischen und sächsischen Recht) (1619 centuria secunda).
Lit.: Borodziuk, Andrzej Lipskis Observationes
practicae, (in) Czasopismo Prawno-Historyczne 41 (1989), 69
lis (lat. F.) Streit,
Rechtsstreit (Gen. litis)
Lissabon am Tejo geht auf vorrömische Spuren
zurück (römisch Felicitas Julia). 1147 erobert es König (1139) Alfons I. (von
Portugal) von den Mauren (715/6). 1179 erhält es ein Foralrecht (Stadtrecht).
1260 wird es Residenz. Seine 1288 gegründete Universität wird 1308 nach Coimbra
verlegt.
List, Friedrich (Reutlingen 6. 8. 1789-Kufstein 30. 11.
1846), Professor der Nationalökonomie in Tübingen (1817-1820), nach
Verurteilung wegen Staatsverbrechens seit 1830 im Dienst der Vereinigten
Staaten von Amerika, fördert als führender Wegbereiter der historischen Schule
der deutschen Nationalökonomie den Deutschen →Zollverein und den
Eisenbahnbau (Das nationale System der politischen Ökonomie, 1841).
Lit.: Weippert, G., Der späte List, 1956
Listenwahl (F.) Wahl auf Grund der für Listen abgegebenen
Stimmen (Verhältniswahlrecht)
Liszt, Franz (von) (Wien 2. 3. 1851-Seeheim/Hessen 21. 6.
1919), Generalstaatsanwaltssohn, Vetter des Komponisten Franz von Liszt, wird
nach dem Rechtsstudium (1869) in Wien (Ihering), Göttingen und Heidelberg,
Promotion (1874) und Habilitation (Graz 1876) Professor für →Strafrecht
in Gießen (1879), Marburg (1882), Halle (1889) und Berlin (1899). In seinem von
der Aufklärung geprägten, kriminalsoziologischen, wohl durch Rudolf Ihering,
Charles Darwin, Schneider und Adolf Merkel sowie Georg Heinrich Schneider
beeinflusstes Marburger Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht, 1882) sieht
er den Menschen als durch äußere Umstände (Umwelt) beeinflusst an und will
nicht die Tat durch Vergeltung bestrafen, sondern auf den Täter wegen seines
sozialschädlichen Verhaltens durch zweckmäßige Behandlung einwirken, wobei er
spezialpräventiv nach Tätertypen differenziert (Augenblickstäter sollen einen
Denkzettel für die Zukunft erhalten, verbesserliche Zustandstäter sollen
durch Resozialisierung wieder in die Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche
Zustandstäter sicher verwahrt werden). In seinem Lehrbuch des Strafrechts (25.
A. 1927) stellt er die liberalrechtsstaatliche, praktische Strafrechtsdogmatik
seiner Zeit ausführlich dar. 1889 ist er Mitbegründer der
→Internationalen Kriminalistischen Vereinigung. 1898 veröffentlicht er
ein bis 1919 elf Auflagen erreichendes, 1921 durch den mittellosen, aus
Russland stammenden Berner Privatdozenten Feitel Lifschitz unter dem Pseudonym
Karl Stamm plagiiertes Lehrbuch zum Völkerrecht. 23 Teilnehmer der Seminare Liszts
werden später deutsche Strafrechtslehrer. (Liszt-Schule). Insgesamt gilt L. als
begnadeter Didaktiker und bedeutender Rechtsreformer, aber nicht als großer
Strafrechtsdenker.
Lit.: Köbler, DRG 204, 236; Radbruch, G., Franz von
Liszt, (in) Elegantiae juris criminalis, 2. A. 1950, 208; Ehret, S., Franz von
Liszt und das Gesetzlichkeitsprinzip, 1996; Herrmann, F., Das Standardwerk -
Franz von Liszt und das Völkerrecht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1999;
Herrmann, F., Franz von Liszt und sein Standardwerk zum Völkerrecht, NJW 2001,
2854; Stäcker, T., Die Franz von Liszt-Schule, 2012; Kreher, C., Herkunft und
Entwicklung des Zweckgedankens bei Franz von Liszt, 2015; Die Schule Franz von
Liszts, hg. v. Koch, A. u. a., 2016; Vormbaum, T., Die Schule Franz von Liszts,
ZIER 7 (2017) 72. IT
Litauen ist das von baltischen Litauern
besiedelte Gebiet an der oberen Memel und Düna, das zwischen 1316 und 1340 Ausgangspunkt
eines größeren, 1386 mit Polen vereinigten Reiches wird (Personalunion
1386-1387, 1447-1492, 1501-1506, Nebenlinie 1387-1447, 1492-1501). Bei der
Teilung Polens fällt L. 1772/1793/1795 an Russland. Im Februar 1918 erlangt es
Unabhängigkeit. 1923 besetzen Freischärler Litauens das seit 1919 unter
alliierter Verwaltung stehende, überwiegend deutsch besiedelte Memelgebiet und
annektiert L. das Gebiet. 1940 wird L. der Sowjetunion eingegliedert, die es am
6. 9. 1991 wieder freigibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Rigasche
Zeitschrift für Rechtswissenschaft (1926 bis 1933), hg. v. Juristen-Verein
Lettlands u. a. Faksimileausgabe 2003; Mikalauskas, A., Das Strafrecht der drei
litauischen Statute von 1519 – 1566 – 1588, 1937; Hellmann, M., Geschichte
Litauens, 4. A. 1990; Ludwig, K., Das Baltikum, 2. A. 1992; Rowell, S.,
Lithuania Ascending, 1994; Stopinski, S., Das Baltikum im Patt der Mächte,
1997; Mast, P, Ost- und Westpreußen und die Deutschen in Litauen, 2000;
Holocaust in Litauen, hg. v. Bartusevicius, V. u. a., 2003; Pferr, U., Die
Verfassungskrise im Memelgebiet 1931/1932, 2005; Niendorf, M., Das
Großfürstentum Litauen, 2006; Hoffmann, T., Der Landrechtsentwurf David
Hilchens von 1599, 2007; Daugirdas, K., Andreas Volanus und die Reformation im
Großfürstentum Litauen, 2008; Einführung in das litauische Recht, hg. v.
Galginaitis, J., 2010; Likies, S., 1939; 2010
Lite (M.) Freigelassener, Höriger
Lit.: Kroeschell, DRG 1
litemonium (mlat. [N.]) Freigelassenenabgabe
Literatur (Gesamtheit der sprachlichen
Zeugnisse der Menschen)
Lit.: Deutsches Literatur-Lexikon, 1927ff., 2. A.
1947ff., 3. A. 1966ff. (bis 2016 bis Wytzell 36 Bände; Literaturlexikon, hg. v.
Killy, W., hg. v. Kühlmann, W., u. a., 13 Bände mit rund 8000 Artikeln,
Sonderausgabe 2017; Metzler Lexikon Weltliteratur, hg. v. Rückaberle, A., 2006
(1000 Autorenessays); Deutsches Literatur-Lexikon Das Mittelalter 8 Bände; ,
Eine neue Geschichte der deutschen Literatur, hg. v. Wellbery, D., 2015
litis aestimatio (lat. [F.]) Schätzung des Streitgegenstands in
Geld zwecks Ermöglichung der Verurteilung in Geld
Litis contestatio (lat. F.)
(Zeugenanrufung) ist die Streitbefestigung im Verfahrensrecht. Sie begegnet im
altrömischen Recht nach der Feststellung des Verfahrensprogrammes durch den
Magistrat. Die Parteien sagen unter Zeugenanrufung die Spruchformeln auf. Damit
endet der Verfahrensabschnitt (lat.) in iure. Mit der l. c. (Vertrag, str.)
unterwerfen sich die Parteien gegenüber dem Magistrat dem Spruch des Richters
(lat. M.
iudex), womit ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen
ist. Mit der l. c. tritt an die Stelle des ursprünglichen Rechtsverhältnisses
ein Prozessrechtsverhältnis. Im klassischen römischen Recht werden die
Klageformeln auf den formlosen Vortrag der Parteien vor dem Prätor meist
schriftlich niedergelegt. Im Kognitionsverfahren sind die Parteien der
Entscheidung ohne weiteres unterworfen, so dass die l. c. an Bedeutung
verliert. Im spätantiken römischen Recht ist die l. c., welche die
Rechtshängigkeit bewirkt, mit dem Bestreiten vollzogen (Fiktion). Im
römisch-kanonischen Verfahren des Spätmittelalters erfolgt nach Abschluss des
Vorverfahrens die l. c. (Einlassung) durch feierliche, allgemein gehaltene
Gegenbehauptungen des Beklagten zum Zweck der Kundgabe der Streitabsicht
(Quasikontrakt). Im frühneuzeitlichen Verfahren vor dem Reichskammergericht
wird die l. c. im Antworttermin durch Einlassung des Beklagten und den
Kalumnieneid durchgeführt. Mit der Vernachlässigung der (lat. [F.]) actio zu
Gunsten des Klageantrags ([lat.] petitio) und des Klagegrunds (causa) geht ein
Bedeutungsverlust einher, so dass der Kläger bei Ausbleiben des Beklagten
den Prozess einseitig führen und ein Urteil erwirken kann, wenn sein Recht zur
Überzeugung des Richters festgestellt wird, wofür die l. c. nur noch bejahend
oder verneinend fingiert wird. Mit der Neufassung des Anspruchs durch Bernhard
Windscheid (1856) wird die Verbindung von actio und l. c. aufgelöst und das Prozessrecht
vom privatrechtlich verstandenen subjektiven Recht getrennt und der l. c. als
Akt der Transformation die Grundlage entzogen. Im 19. Jh. übernimmt im Übrigen
die amtliche Zustellung (Insinuation) der Klage die meisten Wirkungen der als
einleuchtende Folge der verstärkten Stellung des Staates gegenüber den Streitparteien
überwiegend aufgegebenen l. c.
Lit.: Kaser §§ 80 II 4a, 82 III, 87 I, II; Söllner §
8; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 19, 33f., 56, 117, 155, 202; Heiner, F., Der
kirchliche Zivilprozess, 1910; Sohm, R., Die litis contestatio, 1914, Neudruck
1970; Jahr, G., Litis contestatio, 1960; Kaser, H., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966; Wolf, J., Die litis contestatio im römischen
Zivilprozess, 1968; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008; Schlinker, S.,
Prozesseinleitung in der frühen Neuzeit in historisch-vergleichender
Perspektive, ZRG GA 128 (211), 72
Litis denuntiatio (lat. F.)
ist die Streitansage einer Partei im spätantiken römischen Verfahrensrecht.
Lit.: Kaser § 87 II 3; Köbler, DRG 55
Litiskontestation (F.) Streitbezeugung s. litis contestatio
Litiskreszenz ist das Anwachsen des
Streitgegenstands im römischen Verfahrensrecht. Bereits im altrömischen Recht
kann ein gleichbegüterter Dritter für einen Ergriffenen als „Gewaltsager“ (lat.
M.
vindex) auftreten und die angelegte Hand wegschlagen, wodurch es zum Streit
zwischen Verfolger und Drittem kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich
die Summe, gegen die der Ergriffene ausgelöst werden kann, verdoppelt. Die L.
findet sich im klassischen römischen Recht bei der (lat.) actio (F.) iudicati
und der (lat.) lex (F.) Aquilia. Als Eigentümlichkeit des römischen Rechtes
wird sie bei der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter nicht
übernommen.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 51 II 1, 81 III 1, 85 II 1;
Söllner § 8; Köbler, DRG 20, 33, 49, 166
Littera (F.) Bononiensis (lat.) ist die (nicht völlig
einheitliche) Bologneser Fassung (Vulgatafassung) der justinianischen Rechtstexte.
littera (F.) Pisana (lat.)
→Florentina
Litteralkontrakt (M.) →Litteralvertrag
Litteralvertrag (Litteralkontrakt) ist
im klassischen römischen Recht eine nur kurze Zeit geübte Vertragsart, bei der
die Verbindlichkeit (Obligation) durch einen einvernehmlichen Schriftakt
(lat. F.
transscriptio, Eintrag in den [lat.] codex [M.] accepti vel expensi des pater
familias) entsteht (z. B. Umwandlung einer Kaufvertragsschuld in eine
Darlehensschuld durch Eintragung einer Auszahlung).
Lit.: Kaser § 7 II 2, 38 II 1c, 40 II; Söllner § 9;
Köbler, DRG 42, 45, 62
Littleton, Sir Thomas (1402-23. 8. 1481) ist
der englische Anwalt und Richter (1455), der das erste umfassende, in
Rechtsfranzösisch (Law French) geschriebene, systematische Lehrbuch des
englischen Rechtes (einschließlich des Lehnrechts) in drei Büchern verfasst
(Of Tenures, 1481).
Lit.: Wambaugh, E., Littleton’s Tenures, 1903; Levy-Ullmann,
H., The English Legal Tradition, 1935
Livland ist das von (ostseefinnischen)
Liven bewohnte, zu Anfang des 13. Jh.s vom Schwertbrüderorden (um 1202-1237)
bzw. Deutschen Orden unterworfene Gebiet am Rigaischen Meerbusen, mit dem sich
der dritte Bischof Livlands vom Reich belehnen lässt. 1207 tritt der Bischof
dem Schwertbrüderorden ein Drittel des eroberten Gebiets ab, bleibt aber
Lehnsherr bis 1356. 1526 wird der livländische Ordensmeister Reichsfürst, 1561
scheidet er aus dem Heiligen römischen Reich
aus. 1629 kommt das auf seinen mittleren Teil verkleinerte Gebiet an
Schweden(, das ein dem Vorbild der hohen Gerichte in Turku von 1623 und
Stockholm von 1614 bzw. des Reichskammergerichts von 1495 folgendes Obergericht
in Dorpat einrichtet), 1710/1721 an Russland. 1918/1820 wird L. zwischen
Lettland und Estland geteilt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bunge, F., Das
liv- und estländische Privatrecht, Bd. 1f. 2. A. 1847f.; Schmidt, O.,
Rechtsgeschichte Liv-, Est- und Curlands, 1894, Neudruck 1968;
Transehe-Roseneck, A. v., Zur Geschichte des Lehnswesens in Livland, 1903; Die
altlivländischen Bauerrechte, hg. v. Arbusow, L., Mitteilungen aus der
livländischen Geschichte 23 (1924-1926), 1; Transehe-Roseneck, A. v., Die
Entstehung der Schollenpflichtigkeit in Livland, Mitteilungen aus der
livländischen Geschichte 23 (1924-1926), 485; Niitema, V., Die undeutsche Frage
in der Politik der livländischen Städte im Mittelalter, 1949; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,545, 3,2,2076; Hellmann, M., Livland und das
Reich, 1989; Enrico di Lettonia, Chronicon Livoniae, hg. v. Bugiani, P., 2005;
Herzog Albrecht von Preußen und Livland (1557-1560). Regesten, bearb. v. Hartmann,
S., 2006; Selart, A., Livland und die Rus’ im 13. Jahrhundert, 2007;
Siimets-Gross, H., Das Liv-, Est- und Curländische Privatrecht (1864/65) und
das römische Recht, 2011; Hormuth, D., Livonia est omnis divisa in partes tres,
2012; Liv-, Est- und kurländisches Urkundenbuch, Abt. 1 Band 13 1472-1479,
bearb. v. Mahling, M. u. a., 2017 (bis 1914 15 Bände, Lücke von 1472-1494 jetzt
teilweise geschlossen)
Livländischer Spiegel ist die von einem unbekannten
Verfasser vermutlich im 14. Jh. geschaffene, ursprünglich mittelniederdeutsche
Bearbeitung des Sachsenspiegels für Livland. Der l. S. sondert 95 Artikel des
Landrechts des →Sachsenspiegels (1221-1224) ganz, 72 teilweise aus und
belässt nur 34 Artikel unverändert. Der l. S. folgt dem waldemar-erichschen Lehnrecht
für Estland und dem ältesten livländischen Ritterrecht nach und wird im
wiek-öselschen Lehnrecht als Buch 1-3 aufgenommen. Im Übrigen wird er durch das
mittlere livländische Ritterrecht verdrängt. Dieses geht über das livländische,
estländische und kurländische Privatrecht von 1864 in das lettländische
Zivilgesetzbuch von 1937 ein, das bis 1940 Geltung hat.
Lit.: Bunge, G., Einleitung in die liv-, est- und
kurländische Rechtsgeschichte, 1849; Bunge, G. v., Altlivlands Rechtsbücher,
1879, 95; Leesmant, L., Über das Alter des livländischen Rechtsspiegels, ZRG GA
50 (1930), 171
Livres de Jostice et de Plet sind eine
französische →coutume aus der Gegend von Orléans um 1260, die bereits
römisches Recht aufweist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Rapetti, L., Li Livres de
Justice et de Plet, 1850; Meijers, E., Études d’histoire du droit, Bd. 3 1959,
1
Lizentiat ist der wissenschaftlich Gebildete,
der die Prüfung der (lat. F.) licentia
bestanden hat. Der L. steht zwischen (lat. M.)
→baccalaureus und (lat. M.)
→doctor.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 106; Knapp, T.,
Die Lizenz des Lizentiaten, ZRG GA 51 (1931), 524; Willoweit, D., Das
juristische Studium in Heidelberg, FS Universität Heidelberg, Bd. 1 1985, 85;
Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 65
Locatio (lat. F.)
conductio (lat. F.)
ist im römischen Recht der Mietvertrag bzw. Pachtvertrag (l. c. rei,
entgeltliche Überlassung einer unverbrauchbaren Sache zu Gebrauch bzw.
Gebrauch und Fruchtziehung), der Dienstvertrag (l. c. operarum) und der
Werkvertrag (l. c. operis). Die l. c. ist Konsensualvertrag und mit (lat. N.)
→bonae-fidei-iudicium ausgestattet. Im spätantiken römischen Recht wird
sie wegen des Kolonats bedeutungslos.
Lit.: Kaser §§ 38, 42; Söllner §§ 9, 17; Köbler, DRG
44f., 64, 215; Mayer-Maly, T., Locatio conductio, 1956; Plessis, P., Letting
and Hiring in Roman Legal Thought, 2012
Locator (lat. M.)
ist im Hochmittelalter der Siedlungsunternehmer der Ostsiedlung, der später
vielfach Gutsherr wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Kötzschke, R., Das
Unternehmertum, 1894; George, R., Die Großunternehmer in der ostdeutschen
Kolonisation, Diss. phil. Münster 1948
Loccenius, Johannes (1598-1677) wird nach
dem Rechtsstudium in Helmstedt und Rostock 1625 Professor in Uppsala. In seiner
(lat.) Synopsis (F.) iuris ad leges Sueticas accomodata (Zusammenschau des
Rechtes unter Bezug auf die schwedischen Gesetze) (1648) stellt er das römische
Recht in Beziehung auf Schweden dar.
Lit.: Malmström, A., Juridiska fakulteten i Uppsala,
1985
Locke, John (Wrington 29. 8. 1632-Oates 28. 10. 1704) wird
nach dem Studium von Philosophie und Medizin in Oxford Lehrer und Berater auf
der Grundlage der Vorstellungen Francis →Bacons. Nach vierjährigem
Aufenthalt in Frankreich und sechsjährigem Exil in den Niederlanden entwickelt
er 1690 die Erkenntnistheorie des Empirismus, die aus vielen einzelnen
Erfahrungen allgemeine Zusammenhänge folgert. In seinen Two treatises of
government (Zwei Abhandlungen über die Regierung, 1690) fordert er die
Beschränkung der Macht des (nicht von Gott ableitbaren absoluten) Monarchen und
daraus folgend die Teilung der Gewalt im Staat zur Sicherung der persönlichen
Freiheit und des Eigentums des Bürgers in Legislative (Gesetzgebung) und
Exekutive (Ausführung). Allgemein setzt er sich für Freiheit, Toleranz und
Aufklärung ein.
Lit.: Köbler, DRG 148, 190; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LockeJohnTwoTreatisesofGovernment1690.pdf;
Euchner, W., Naturrecht und Politik bei John Jocke, 1969; Zwei Abhandlungen
über die Regierung, hg. v. Euchner, W., 1977; Cranston, M., John Locke, 3. A.
1985; Ayers, M., Locke, 2002; Specht, R., John Locke, 2. A. 2007
Lodovico
Pontano (um
1409-1439, aus Gelehrtenfamilie in Umbrien, herausragender Professor des
Rechtes in Bologna, Rom, Florenz und Siena, mit 30 Jahren an der Pest
gestorben)
Lit.: Woelki, T.,
Lodovico Pontano (ca. 1409-1439), 2011
Logik ist das möglichst vernünftige menschliche
Erkenntnisverfahren.
Lit.: Hruschka, J., Das deontologische Sechseck bei Gottfried
Achenwall, 1986 (SB Göttingen); Wolff, M., Abhandlung über die Prinzipien der
Logik, 2. A. 2009
Lohn (Wort bereits für das Germanische zu erschließen)
ist das
(vereinbarte) Entgelt für eine Tätigkeit (oder einen Erfolg). Der L. findet
sich außerhalb von personenrechtlichen Abhängigkeitsverhältnissen. In der
Geldwirtschaft besteht er (vorwiegend) in Geld. Er kann von der Zeit oder von
der Leistung abhängen. Besonders bedeutsam ist der L. im Arbeitsverhältnis.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Renzsch, W., Handwerker und
Lohnarbeiter, Diss. Göttingen 1981; Kocka, J., Lohnarbeit und Klassenbildung,
1983; Schulz, K., Handwerksgesellen und Lohnarbeiter, 1985; Klippel, D., Der
Lohnarbeitsvertrag in Naturrecht und Rechtsphilosophie, (in) Geschichtliche
Rechtswissenschaft, hg. v. Köbler, G., 1990, 161; Wages and Currency, hg. v.
Lucassen, J., 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist die
Fortzahlung des Lohnes eines Bediensteten trotz Krankheit in der Bundesrepublik
Deutschland seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (27. 7. 1969,
Entgeltfortzahlungsgesetz 1994).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273
Lohnkämpfer ist der gegen Lohn handelnde, in
Früh- und Hochmittelalter auftretende Zweikämpfer (z. B. bei den Langobarden
731).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Nottarp, H., Gottesurteilsstudien,
1956, 296
Lohnsteuer ist die den →Lohn des
Arbeitnehmers erfassende →Steuer, deren erste Ansätze in Württemberg 1764
und in Preußen 1808 sichtbar werden.
Lit.: Köbler, DRG 198; Baltl/Kocher H 6
Loi de Beaumont ist das Privileg des Erzbischofs
von Reims für das von ihm zur Stadt erhobene Beaumont-en-Argonne, das
allmählich auf mehr als 500 Orte erstreckt wird.
Lit.: Olivier-Martin, F., Histoire du droit Français,
2. A. 1951, §§ 118f.
Loisel, Antoine (Beauvais 1536-Paris
1617) wird nach dem Rechtsstudium in Toulouse (Cujas), Cahors, Bourges, Paris,
Valence und Bourges Advokat. Um 1600 erarbeitet er die Institutes coutumières
aus den verschiedenen französischen →coutumes, damit im Falle einer Lücke
eines örtlichen Gewohnheitsrechts auf den Rückgriff auf das römische Recht
verzichtet werden kann.
Lit.: Demasure, A., Antoine Loisel, 1876; Reulos, M.,
Étude sur l’esprit, les sources et la méthode des Institutes coutumières
d’Antoine Loisel, Diss. jur. Paris 1935
Lokator →locator
Lombarda ist eine in ihren ältesten
Handschriften aus dem ausgehenden 11. Jh. überlieferte, in Norditalien (Pavia?)
entstandene systematisierte, in drei Bücher geteilte Fassung des Stoffes des
→Liber Papiensis. Die L. wird bald kommentiert und um 1215 von
→Karolus de Tocco umfangreich glossiert.
Lit.: Anschütz, A., Die Lombarda-Commentare des
Ariprand und Alpertus, 1855; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadt-Kommune, 1967; Padoa Schioppa, A., La cultura giuridica, 1986, 219,
Storia di Pavia 2; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Meyer, C., Langobardisches Recht nördlich der Alpen, TRG 71 (2003), 387
Lombardei ist das Gebiet zwischen Alpen und
Po mit dem Mittelpunkt →Mailand, das nach Kelten und Römern am Ende der
Völkerwanderung (568) von →Langobarden besiedelt wird, im Hochmittelalter
aber in Herrschaften verschiedener →Kommunen (Städte z. B. Mailand,
Parma, Pavia) zerfällt. 1714 gelangt es am Ende des spanischen Erbfolgekriegs
an Österreich (Lombardo-Venetien, 1815 Lombardo-Venezianisches Königreich),
1859 nach der verlorenen Schlacht Österreichs gegen Sardinien-Piemont und
Frankreich bei Solferino an Sardinien und damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Lattes, A., Il
diritto consuetudinario delle città lombarde, 1899; Jarnut, J., Bergamo, 1979;
Mozzarelli, C., Sovrano, società e amministrazione locale nella Lombardia
Teresiana, 1982; Chiappa Mauri, L., Paesaggi rurali di Lombardia, 1990;
Massetto, G., Saggi di storia del diritto penale lombardo (secc. 16-17), 1994
(Aufsätze); Opll, F., Zwang und Willkür, 2010
Lombarde (im Hochmittelalter) italienischer
Kaufmann und Geldwechsler
Lit.: Piton, C., Les Lombards en France, 1892
Lombroso, Cesare (Verona 18. 11. 1836-Turin
19. 10. 1909), Professor für Gerichtsmedizin in Pavia und Turin, sieht auf
Grund experimenteller Betrachtungen die Ursache von Verbrechen in erblichen
physio-psychischen Abweichungen des Täters von der Normalität.
Lit.: Bulferetti, L., Cesare Lombroso, 1975; Die
Kriminalanthropologie Cesare Lombrosos, hg. v. Picotti, L. u. a., 2015; Menne,
J., Lombroso redivivus, 2017
London an der Themse erscheint 61 n. Chr.
als römisches Lager Londinium. Im 12. Jh. wird es Vorort Englands. 1829 erhält
es eine Universität.
Lit.: Weinbaum, M., Verfassungsgeschichte Londons
1066-1268, 1929; Weinbaum, M., London unter Eduard I. und II., Bd. 1f. 1933;
London possessory assizes, a calendar, hg. v. Chew, H., 1965; Baker, T.,
Medieval London, 1970; Rexroth, F., Das Milieu der Nacht, 1999; Shore, H.,
Artful Dodgers, 1999; Fahrmeir, A., Ehrbare Spekulanten, 2003; Barron, C., London
in the later Middle Ages, 2004; Tucker, P., Law courts and Lawyers in the City
of London 1300-1550, 2007; Münch, P., Pest und Feuer, HZ 288 (2009), 93; The
London Customs Accounts 24 Henry VI (1445/1456), hg. v. Jenks, S., 2017 (erster
von 40 geplanten Bänden)
Longi temporis praescriptio (lat. F.)
ist im klassischen römischen Recht die 199 n. Chr. aus provinzieller Praxis
heraus anerkannte, auch Nichtrömern offene Einrede langer Zeit, bei der
ungestörter Eigenbesitz nach rechtmäßigem Beginn (lat. iustum initium N.)
während 10 Jahren (inter praesentes) bzw. 20 Jahren (inter absentes) eine
eigentumsähnliche Stellung an unbeweglichen und beweglichen Sachen verschafft.
Im spätantiken Westen verdrängt die l. t. p. von 40 bzw. 30 Jahren die
→Ersitzung. Justinian verbindet die l. t. p. von 10 bzw. 20 Jahren mit
Grundstücken (ausgenommen vor allem Kirchengut und Fiskalgut) im Gegensatz zur
(lat. F.)
→usucapio bei beweglichen Sachen. Bei Justinian (527-565) erfordert die
(lat.) longissimi temporis praescriptio keine iusta causa und ist auch an
gestohlenen Sachen möglich.
Lit.: Kaser §§ 4 III, 15 III 2, 25 III, 28 II, 31 III
4; Köbler, DRG 40, 61; Nörr, D., Die Entstehung der longi temporis
praescriptio, 1969
López de Tovar, Gregorio (1496-1560) wird nach
dem Studium von Recht und Philosophie in Salamanca Bürgermeister, Verwalter,
Anwalt, Richter und Rat. 1555 veröffentlicht er die →Siete Partidas in
einer klareren Fassung.
Lit.: Martínez Cardos, J., Gregorio López de Tovar,
1960
Lord (engl.) Herr, Baron
Lit.: Powell, J./Walles, K., The House of Lords, 1968
Lorsch
Lit.: Die Reichsabtei Lorsch, hg. v. Knöpp, F., 1973; Codex
Laureshamensis (Faksimileausgabe), 2002; Aktuelle Forschungen zum ehemaligen
Reichs- und Königskloster Lorsch, hg. v. Ericsson, I. u. a., 2004
Los ist ein Mittel zur Bestimmung eines Umstandes durch
Zufall. Es ist bereits dem Altertum (biblische Landteilung) und den Germanen
bekannt (Tacitus, Germania 10, 26). Selbst in der Gegenwart entscheidet bei
Stimmengleichheit vielfach das L. Im Privatrecht ist L. eine Urkunde über eine
auf einen Spielvertrag gegründete Gewinnchance.
Lit.: Homeyer, C., Über das germanische Losen, SB. d.
Akad. d. Wiss. Berlin 1853; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f.
4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Lösegeld ist die für eine Befreiung eines
Menschen aus Gefangenschaft erforderliche Geldsumme. Das L. findet sich bereits
in 3. Moses 25, 49 und ist auch dem römischen Recht bekannt. In der Neuzeit
bilden sich Kataloge für Lösegelder entsprechend dem militärischen Rang des
Gefangenen aus.
Lit.: Felgenträger, W., Antikes Lösungsrecht, 1933;
Erler, A., Der Loskauf Gefangener, 1978
Lösungsrecht ist allgemein das Recht, sich von
einer Rechtsfolge (durch Geldleistung) zu lösen. Das L. der Juden ist das den Juden
im Mittelalter gewährte Recht, gestohlene Sachen, die sie erworben oder zu
Pfand erlangt haben, zu behalten, sofern sie nicht Ersatz des Kaufpreises oder
der Schuldsumme bekommen. →Hehler
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Felgenträger, W.,
Antikes Lösungsrecht, 1933; Feenstra, R., Zum Ursprung des Lösungsrechts, FS G.
Kisch, 1955, 237; Völkl, A., Das Lösungsrecht von Lübeck und München, 1991
Lothar (III.) von Süpplingenburg (Anfang Juni
1075-Breitenwang 3./4. 12. 1137) ist der ohne männlichen Erben verstorbene
deutsche König (1125) bzw. Kaiser (1133) zwischen →Saliern (1125) und
→Staufern (1137). Er hält sich überwiegend im Norden auf und fördert die
→Ostsiedlung.
Lit.: Köbler, DRG 93, 143; Wadle, E., Reichsgut und
Königsherrschaft unter Lothar III., 1969; Gross, T., Lothar III. und die
mathildischen Güter, 1990; Hermann, O., Lothar III. und sein Wirkungsbereich,
2000; Nicht Ruh’ im Grabe ließ man euch, hg. v. Henkel, T., 2012
Lotharingien →Lothringen
Lotharische Legende ist die seit dem 16. Jh. (Melanchthon)
belegte Legende, dass Kaiser →Lothar (III.) von Süpplingenburg das
römische Recht 1135 nach der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz in Deutschland
eingeführt habe. Sie wird 1643 durch Hermann →Conring (1606-1681) in der
Schrift (lat.) De origine iuris Germanici (Vom Ursprung des deutschen Rechtes)
widerlegt.
Lit.: Köbler, DRG 142
Lotharius ist ein aus Cremona stammender, 1201 in den
Rat des Königs Frankreichs berufener, 1208 zum Erzbischof Pisas aufgestiegener
Glossator, von dem wenige Glossen stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 240
Lothringen ist das an das 843 gebildete
Mittelreich Kaiser Lothars I. bzw. das hieraus durch weitere Teilung
entstandene, nie wirkliche lotharingische Identität erlangende Königreich
seines Sohnes Lothar II. (855-869) erinnernde Gebiet (Lotharingien) an Mosel
und Niederrhein (Herzogtum bis 939, Teilung in Oberlothringen und
Niederlothringen 959). Es gelangt 1648 bzw. 1738/1766 (Verzicht Herzog Franz
Stephans)/1801 (Verlust von Sitz und Simme im Reichstag) an Frankreich und nach
dem deutsch-französischen Krieg 1870/1871-1919 nochmals vorübergehend
(Reichsland Elsass-Lothringen) an das Deutsche Reich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Fitte, S., Das staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Lothringen zum
deutschen Reich, Diss. jur. Straßburg 1892; Parisot, R., Royaume de Lorraine,
1898; Opel, H., Die Rechtsstellung der mit dem Anschluss Lothringens (925) zum
deutschen Reich gekommenen Franzosen, Diss. jur. Göttingen 1954; Bonnaud-Delamare,
R., Les plaids annaux à Lixheim au 18ème siècle, ZRG GA 80 (1963), 118;
Hlawitschka, E., Lothringen, 1986; Thomas, H., Zwischen Regnum und Imperium,
1973; Thomas, H., Die lehenrechtlichen Beziehungen des Herzogtums Lothringen,
Rhein. Vjbll. 38 (1974), 166; Mohr, W., Geschichte des Herzogtums Lothringen,
1979ff.; Nonn, U., Pagus und comitatus in Niederlothringen, 1983; Parisse, M.,
Austrasie, Lotharingie, Lorraine, 1990; Barth, R., Der Herzog in Lotharingien
im 10. Jahrhundert, 1990; Lotharingia, hg. v. Herrmann u. a., 1995; Barth, R.,
Lotharingien, 1996; Bauer, T., Lotharingien als historischer Raum, 1997;
Schneider, J., Auf der Suche nach dem verlorenen Reich, 2010; Verortete
Herrschaft, hg. v. Lieven, J. u. a., 2014
Lotmar, Philipp (Frankfurt am Main 8. 9.
1850-Bern 29. 5. 1922), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg, Göttingen (Ihering) und München (Brinz) 1888 Professor in Bern und
begründet mit seinem Buch „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des deutschen
Reichs“ (Bd. 1f. 1902ff.) die Wissenschaft des Arbeitsrechts mit.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/LotmarPhilippDerArbeitsvertragnachdemPrivatrechtdesDeutschenReiches1902Bd1.pdf
Lotmar, P., Schriften zu Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie, hg. v.
Rückert, J., 1992; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H.,
1993, 331; Gasser, C., Philipp Lotmar, 1997; Forschungsband Philipp Lotmar
(1850-1922, hg. v. Caroni, P., 2003; Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder
erster Arbeitsrechtler?, hg. v. Fargnoli, I., 2014
Lotterie ist das in Form von bestimmten
Verträgen betriebene Spiel. Die L. ist bereits im römischen Altertum bekannt.
Seit 1444 (Niederlande) finden erneut Lotterien statt. Zeitweise werden sie
bekämpft (19. Jh.).
Lit.: Endemann, F., Beiträge zur Geschichte der
Lotterie, 1889
Löwen (Leuven, Louvain) an der Dijle
erscheint im 12. Jh. als ummauerter Ort. 1425/1426 wird es Sitz einer am Ende
des 18. Jh.s (1793) geschlossenen, 1834 neugegründeten (katholischen)
Universität. 1970 kommt eine zweite Universität hinzu.
Lit.: Uytven, R. van, Leuven, 1980; Roegers,
J./Lamberts, E., De universiteit te Leuven, 1988; Leuven, 500 jaar
universiteit, 1976; Geschiedenis van de Leuvense rechtsfaculteit, hg. v.
Waelkens, L. u. a. 2014
Löwenstein
Lit.: Fritz, G., Die Geschichte der Grafschaft
Löwenstein, 1986
Lübeck an der Trave ist die in der zweiten
Hälfte des 11. Jh.s erstmals erwähnte Siedlung, die nach Verlegung und
bedeutender Förderung durch Heinrich den Löwen 1226 Reichsstadt wird. Lübecks
Recht wird um 1225 lateinisch und um 1240 mittelniederdeutsch aufgezeichnet
(→lübisches Recht). Am 1. 4. 1937 verliert L. durch Reichsgesetz seine
Selbständigkeit innerhalb des Deutschen Reiches zugunsten →Preußens.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Michelsen, A., (Oberhof),
1839; Urkundenbuch der Stadt Lübeck, Bd. 1ff. 1843ff.; Freund, R., Aufklärung
einiger bemerkenswerter Irrtümer bezüglich der Interpretation einzelner
Artikel des ältesten lübischen Stadtrechts, ZRG GA 3 (1882), 153; Das Lübecker
Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern,
1905; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Lübische
Forschungen 1922; Fehling, E., Lübeckische Ratslinie, 1925, Neudruck 1978;
Winterfeld, L. v., Versuch über die Entstehung des Marktes und den Ursprung der
Ratsverfassung in Lübeck, Zeitschrift des Vereins für lübeckische Geschichte 25
(1929), 365; Brandt, A. v., Der Lübecker Rentenmarkt von 1320-1350, 1935;
Rörig, F., Heinrich der Löwe und die Gründung Lübecks, DA 1 (1937), 408; Ebel,
W., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts Teil 1, 1950; Ebel, W.,
Lübisches Kaufmannsrecht, (1951); Das mittelniederdeutsche Stadtrecht von
Lübeck nach seinen ältesten Formen, hg. v. Korlén, G., 1951; Ebel, W.,
Bürgerliches Rechtsleben zur Hansezeit in Lübecker Ratsurteilen, 1954; Ebel,
W., Lübecker Ratsurteile, Bd. 1ff. 1955ff.; Asch, J., Rat und Bürgerschaft in
Lübeck 1598-1669, 1961; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd.
1 1964; Civilitates, Lübecker Neubürgerlisten 1317-1356, hg. v. Ahlers, O.,
1967; Kranz, E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel
1967; Krause, U., Die Geschichte der Lübecker Gerichtsverfassung, Diss. jur.
Kiel 1967; Dahl, H., Lübeck im Bundesrat, 1969; Fuchs, H., Privilegien oder
Gleichheit, Diss. phil. Kiel 1971; Hohnsbein, G., Das Strafverfahren Lübecks im
19. Jahrhundert, 1971; Haberland, H., Der Lübecker Renten- und Immobilienmarkt
in der Zeit von 1285-1315, 1974; Ende, B. am, Studien zur Verfassungsgeschichte
Lübecks im 12. und 13. Jahrhundert, 1975; Lübeck 1226, hg. v. Ahlers, O. u. a.,
1976; Ebel, W., Jurisprudencia Lubecensis, 1980 (1342 Titel); Köbler, G., Das
Recht an Haus und Hof im mittelalterlichen Lübeck, (in) Der Ostseeraum, hg. v.
Friedland, K., 1980; Weniger, A., Die Finanzverwaltung Lübecks im 19.
Jahrhundert, 1982; Blunk, M., Der Handel des Lübecker Kaufmannes Johan Glandorp
an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert, 1985; Schneider, G., Gefährdung und
Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck, 1986;
Lübeckische Geschichte, hg. v. Graßmann, A., 1988, 2. A. 1989; Lutterbeck, M.,
Der Rat der Stadt Lübeck, 2002; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis
zur Reformation, 2003; Societates. Das Verzeichnis der Handelsgesellschaften im
Lübecker Niederstadtbuch 1211-1361, hg. v. Cordes, A. u. a., 2003; Das
Lübecker Niederstadtbuch 1363-1399, bearb. v. Simon, U., 2006; Kähler, J.,
Französisches Zivilrecht und französische Justizverfassung in den Hansestädten
Hamburg, Lübeck und Bremen (1806-1815), 2007; Grundlagen für ein neues Europa,
hg. v. Lück, H. u. a., 2007; Meyer, G., Besitzende Bürger und elende Sieche,
2010 (1618 Testamente zwischen 1400 und 1449, 1,5 Prozent Frauen); Amelsberg,
W., Die samende im lübischen Recht, 2011; Möbius, S., Das Gedächtnis der
Reichsstadt, 2012; Tirtasana, N., Der gelehrte Gerichtshof, 2012; Prange, W.,
Bischof und Domkapitel zu Lübeck, 2014; Seggern, H. v., Quellenkunde als
Methode – Zum Aussagewert der Lübecker Niederstadtbücher des 15. Jahrhunderts,
2015; Oestmann, P., Zur Gerichtspraxis im 19. Jahrhundert – Ein Schmuggeleiprozess
am Oberappellationsgericht Lübeck – Einführung und Edition, 2019
Lübisches Recht (lat. ius N.
Lubicense, 1188) ist das von der Stadt →Lübeck geschaffene und auf etwa
100 andere Städte (z. B. Rostock, Wismar, Kiel, Stralsund, Elbing, Reval,
Memel) übertragene (Stadt-)Recht. Seit der Neuzeit geht sein Einfluss dadurch
zurück, dass die umliegenden Landesherren die →Appellation nach Lübeck
verbieten. Das revidierte lübeckische Stadtrecht von 1586 gilt bis Ende 1899,
l. R. überhaupt in Reval bis 1945.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Wolff, O., Das lübsche
Recht in der Stadt Kiel, 1898; Funk, M., Die lübischen Gerichte, ZRG GA 26
(1905), 53, 27 (1906), 61; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1950; Ebel, W.,
Lübisches Recht, Bd. 1 1971; Ebel, W., Erbe, Erbgut und wohlgewonnen Gut im
lübischen Recht, ZRG GA 97 (19080), 1; Ebel, W., Jurisprudentia Lubecensis,
1980; Das lateinische lübische Recht in der schlesisch-polnischen Fassung des
13. Jahrhunderts, hg. v. Ebel, F./Schelling, R., ZRG GA 110 (1993), 93; Der
Revaler Kodex des lübischen Rechts 1282, hg. v. Kala, T., 1998; Ullrich, S.,
Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Lublin
Lit.: Hoff, E., Lublins Gründungshandfesten zu
deutschem Recht 1317/1342, 1942; Gebhard, J., Lublin, 2006
Lucas de Penna ist ein in Penna bei Pescara um 1320
geborener, in Neapel ausgebildeter praktisch tätiger und um 1390 verstorbener
Jurist (Kommentar zu den tres libri Codicis, de iuris interpretatione, de
praesumptionibus iuris).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 742
Lucca ist eine auf etruskischen und
römischen Siedlungen aufbauende Stadt in der Toskana, die 1119 frei wird. 1314
gelangt L. an Pisa, wird 1370 aber nochmals frei. 1805 gibt Napoleon L. an
seine Schwester, 1815 fällt L. als Herzogtum an Maria Luise von Etrurien, deren
Sohn es 1847 an →Toskana gibt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzmaier, H.,
Lucca und das Reich, 1971; Handbuch der Quellen und Literatur zur neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,168, 3,1,168; Lucca e l’Europa, hg. v. Mazzei, R. u. a., 1990; Meyer, A.,
Ser Ciabattus, 2005 (rund 930 Imbreviaturen); Bratchel, M., Medieval Lucca,
2008 Lucerna (F.)
iuris (lat.)
(Leuchte des Rechtes) ist eine Bezeichung für →Irnerius.
Lit.: Köbler, DRG 106
Ludewig, Johann Peter (Hohenhard 15. 8.
1668-Halle 7. 9. 1743) wird nach dem Studium von Theologie, Philologie und
Recht in Halle (Stryk) Professor für Philosophie (1695), Historiograph (1704)
und Professor der Rechtswissenschaft (1705). Er bearbeitet in erster Linie die
Geschichte der staatlichen und staatsrechtlichen Entwicklung (Reichshistorie)
aus preußischer Interessenlage (Entwurf der Reichshistorie, 1707).
Lit.: Wideburg, F., De vita et scriptis J. P. de
Ludewig, 1757; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,
Bd. 1 1988, 302
Ludovicus Bologninus ist der in Bologna 1446 geborene und
ausgebildete, ab 1468 in Bologna, Ferrara und Bologna lehrende, vielfach
praktisch tätige, in Florenz 1508 verstorbene Jurist (interpretationes, repetitiones,
consilia).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 867
Ludwig XIV. (Saint-Germain-en-Laye 5. 9.
1638-Versailles 1. 9. 1715), König von Frankreich seit 1643 (Sonnenkönig),
steigert (trotz vieler lebenslanger körperlicher Beschwerden) die sich auf
spätmittelalterlich-italienische Ansätze (→Machiavelli) stützende Lehre
von der uneingeschränkten Herrschaft des Herrschers zu einem fast religiösen
Dogma (→Absolutismus). Am Ende seiner auch von Eroberungskriegen
(1667-1697) gekennzeichneten Regierungszeit steht Frankreich trotz
merkantilistischer Politik vor dem Bankrott.
Lit.: Köbler, DRG 149; Scheswig, B., Ludwig XIV.,
1986; Malettke, K., Ludwig XIV., 1994; Hasquin, H., Louis XIV face à l’Europe
du Nord, 2005; Wrede, M., Ludwig XIV., 2015; Dreyer, R.,
Ludwig XIV., 2016; Ludwig XIV, hg. v. Deflers, I. u. a., 2016; Tischer, A.,
Ludwig XIV., 2016
Ludwig (IV.) der Bayer (Ende 1281?-Puch bei
Fürstenfeldbruck 11. 10. 1347) aus dem Geschlecht der →Wittelsbacher ist
deutscher König (1314) und Kaiser (1328). Mit Hilfe des Kurvereins von
→Rhens und des Reichsgesetzes (lat.) →Licet iuris versucht er die
Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen gegenüber dem Papst.
Lit.: Köbler, DRG 101;
Fischer, J., Das ältere Rechtsbuch Ludwig des Bayern, 1908; Riedner, O., Die
Rechtsbücher Ludwigs des Bayern, 1911; Moeller, R., Ludwig der Bayer und die
Kurie, 1914; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76
(1959), 173; Schwöbel, H., Der diplomatische Kampf zwischen Ludwig dem Bayern
und der römischen Kurie, 1968; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, Bd. 1ff.
1991ff.; Benker, G., Ludwig der Bayer, 1980; Thomas, H., Ludwig der Bayer,
1993; Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern, hg. v. Acht, P., 1995ff.; Kaiser
Ludwig der Bayer, hg. v. Nehlsen, H./Hermann, G., 2002; Clauss, M., Ludwig IV.
der Bayer, 2014
Ludwig (II.) der Deutsche (um 806-Frankfurt am Main 28. 08. 876) war als
Enkel Karls des Großen und Sohn Ludwigs des Frommen von 846 bis 876 König im
östlichen Teil des fränkischen Reiches.
Lit.: Bigott, B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im
ostfränkischen Reich, 2002; Hartmann, W., Ludwig der Deutsche, 2002; Ludwig der
Deutsche und seine Zeit, hg. v. Hartmann, W., 2004; Goldberg, E., Struggle for
Empire, 2006
Ludwig (I.) der Fromme (Casseneuil 778-Ingelheim 20. 6.
840) ist der Sohn und noch lebzeitiger Nachfolger Karls des Großen als Kaiser
(813) des fränkischen Reiches. Von ihm dürften 417 Texte, 98 Originale und rund
200 verlorene Urkunden nachweisbar sein.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schmitz, G., Die
Kapitulariengesetzgebung Ludwigs des Frommen, DA 42 (1986), 471; Charlemagne’s
Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990; Boshof, E., Ludwig der Fromme, 1996;
Depreux, P., Prosopographie de l’entourage de Louis le Pieux, 1997; Landau, P.,
Ludwig der Fromme als Gesetzgeber, FS G. Kleinheyer, 2001, 371
Luft →Stadtluft
Lit.: Fischer, A., Luftverkehr zwischen Markt und
Macht (1919-1937), 2003; Ausschüsse für Luftrecht, Luftschutzrecht,
Kraftfahrzeugrecht und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert, W., 2009
Luft macht frei. →Stadtluft
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 231 (Grimm)
Luftrecht ist das Recht des Luftverkehrs, das
sich im 20. Jh. entwickelt. →Gefährdungshaftung
Lit.: Schwenk, W., Handbuch des Luftverkehrsrechts,
1981; Helm, S., Die Deutsche Lufthansa AG, 1999; Fischer, A., Luftverkehr
zwischen Markt und Macht (1919-1937), 2003; Bethkenhagen, K., Die Entwicklung
des Luftrechts, 2004; Budrass, L., Adler und Kranich – Die Lufthansa, 2016
Lüge ist die bewusst unwahre Aussage oder Behauptung (z. B.
E sagt zu F, D habe einen Antrag gestellt, obwohl E selbst den Antrag gestellt
hat). Die L. ist geschichtlich so alt wie die Wahrheit. Die einfache L. ist
rechtlich nicht bedeutsam, doch kann die L. Teil eines Betrugs oder eines
anderen rechtlich erheblichen Sachverhalts bzw. Tatbestands sein. →Gegen
den Lügner ...
Lit.: Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H.,
Bd. 1ff. 1988; Dietzsch, S., Kleine Kulturgeschichte der Lüge, 1997; Lügen und
Betrügen, hg. v. Hochadel, O. u. a., 2000; Kulturen der Lüge, hg. v. Mayer, M.,
2003
Lügenstrafe ist in der frühen Neuzeit eine
Strafe für das Lügen oder das Verweigern einer Aussage im Strafprozess. Die L.
tritt im 18. Jh. an die Stelle der →Folter. Sie besteht meist in einer
Prügelstrafe. Seit der Mitte des 19. Jh.s wird die L. aufgegeben.
Lit.: Mauß, D., Die ,Lügenstrafe’ nach Abschaffung der
Folter ab 1740, Diss. jur. Marburg 1974
Lund wird 1019 vom König von Dänemark gegründet. 1048 wird
es Sitz eines Bischofs, 1103 (bis 1516) Sitz eines Erzbischofs. 1658 kommt es
an Schweden, erhält 1668 eine Universität und ist von 1716-1718 Residenzstadt.
Lit.: Blomqvist, R., Lund, 1951; Den historika skolan
och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982
Lüne (1171)
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Lüne, hg. v. Brosius, D., 2011 (712
Urkunden, davon 536 Originale im Archiv in Lüne, bis etwa 1350 lateinisch)
Lüneburg an der Ilmenau ist eine
landesfürstliche und für das zugehörige Herzogtum namengebende Stadt, deren
Rechtsstellung zeitweise der einer freien Reichsstadt ähnelt. 1577 wird das
Stadtrecht reformiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landesordnungen, Bd. 1ff. 1739ff.; Pappenheim,
M., Scheinbuße und Selbsturteil, ZRG GA 29 (1908), 334; Reinecke, W., Die
Straßennamen Lüneburgs, 1914, 5. A. 2007; Haase, C., Das Lüneburger Stadtrecht,
Aus Lüneburgs Vergangenheit 1956, 67; Rabe, D., Die Lüneburger Stadtrechtsreformation
(1577-1583), Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Thurich, E., Die Geschichte
des Lüneburger Stadtrechtes, 1960; Arnswaldt, C., Die Lüneburger Ritterschaft,
1969; Mörke, O., Rat und Bürger, 1983; Mellinger, J., Atlas des Fürstentums
Lüneburg um 1600, 2001; Scharnhop, C., Das Lüneburger Notariat im 19.
Jahrhundert, 2011
Luneville ist der Ort des am 9. 2. 1801 zwischen
Frankreich und Österreich geschlossenen Friedensvertrags, in dem Österreich
seine Vorherrschaft in Italien verliert und die Batavische Republik (Holland),
die Helvetische Republik (Schweiz) und die Cisalpinische Republik (Norditalien)
anerkennt. Die geschädigten deutschen Reichsfürsten sollen dafür im Gebiet
rechts des Rheins entschädigt werden.
Lünig, Johann Christian (Schwallenberg 14. 10. 1662-Leipzig
14. 9. 1740) wird nach dem Rechtsstudium in Helmstedt und Jena Hofmeister,
Amtmann und Stadtschreiber. Er veröffentlicht zahlreiche Quellen zu
Staatsrecht und Staatenkunde (u. a. Teutsches Reichsarchiv).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
235, 265, 309
Lupold von Bebenburg (um 1300-Bamberg 1363),
Reichsministerialensohn (von Bemberg bei Gerabronn), wird nach dem Studium des
Kirchenrechts und der Promotion in Bologna (Johannes Andreae) Offizial
(Domherr) in Würzburg (1332) und Mainz und Bischof von Bamberg (1353). Sein
(lat.) Tractatus (M.) de iuribus regni et imperii (1339, Abhandlung von den
Rechten des Königtums und Kaisertums) spricht dem deutschen Kaisertum Unabhängigkeit
vom römischen (päpstlich verliehenen) Kaisertum zu.
Lit.: Köbler, DRG 107; Meyer, H., Lupold von
Bebenburg, 1909; Politische Schriften des Lupold von Bebenburg, hg. v. Miethke,
J. u. a., 2004; Lupold von Bebenburg, De iuribus regni et imperii, hg. v.
Miethke, J., 2005
Luschin von Ebengreuth, Arnold (26. 8. 1841-Graz 6. 12.
1932) wird nach dem Rechtsstudium 1873 außerordentlicher Professor und 1881
ordentlicher Professor der österreichischen und deutschen Reichs- und
Rechtsgeschichte in Graz. 1896 veröffentlicht er eine österreichische
Reichsgeschichte.
Lit.: Puntschart, P., Arnold Luschin von Ebengreuth,
ZRG GA 53 (1933), XXIX
Lusitaner (Lusitanier) ist der
Angehörige eines ibero-keltischen, 15 v. Chr. unter die Herrschaft der Römer,
in der zweiten Hälfte des 5. Jh.s der →Westgoten und seit 712 der
→Araber gekommenen Volkes im späteren →Portugal.
Lit.: Tovar, J., Iberische Landeskunde, Bd. II 2 1976
Luther, Martin (Eisleben 10. 11. 1483-18.
2. 1546), Bergmannssohn, wird nach kurzem Studium des Rechtes in Erfurt
Theologe und Professor in Wittenberg (1512 doctor theologiae,). Durch seine 95
Thesen (31. 10. 1517) wird er zum (erfolglosen) Reformator der katholischen
Religion und (erfolgreichen) Stifter des Protestantismus. Er gründet die
Erlösung des Menschen statt auf zuletzt käufliche, gute Werke (Ablasskauf) auf
die göttliche Gnade. Er rechnet zum (lat.) ius (N.) divinum (göttlichen Recht)
nur das Predigtamt, die Taufe, das Abendmahl und die Sündenvergebung. Dem
Vollzug dient das menschliche Kirchenrecht (Amt, Dienst, Abgabe u. s. w.). Sprachgeschichtlich ist seine,
mehr in der Mitte als im oberdeutschen Süden angesiedelte, das Neuhochdeutsche
wesentlich prägende Übersetzung der Bibel in das Deutsche besonders bedeutsam
(neues Testament September 1522, Fertigstellung der gesamten Übersetzung 1534,
etwa 500000 Exemplare). Ein Register zum Werk Luthers ist im Aufbau (2011 rund
1300 Lemmata http://hypermedia.ids-mannheim.de/pls/elexiko/p4_).
Lit.: Köbler, DRG 129; Luther und die Obrigkeit, hg.
v. Wolf, G., 1972; Heckel, J., Lex charitatis, 2. A. 1973; Mayer, H., Zur
Naturrechtslehre des Luthertums, FS H. Welzel, 1974, 65; Günter, W., Martin
Luthers Vorstellung von der Reichsverfassung, 1976; Heckel, M., Luther und das
Recht, NJW 1983, 2521; Lohse, B., Martin Luther, 3. A. 1997; Leppin, V., Martin
Luther, 2006, 2. A: 2015, 3. A. 2017; Leppin, V., Luther privat, 2006; Korsch,
M., Martin Luther, 2. A. 2007; Fundsache Luther, hg. v. Meller, H., 2008;
Lexutt, A., Luther, 2008; Luther Handbuch, hg. v. Beutel, A., 2. A. 2010, 3. A.
2017 (64 Einzelartikel); Martin Luther, hg. v. Korsch, D. u. a., 2010; Hamm,
B., Der frühe Luther, 2010; Kaufmann, T., Luthers Judenschriften, 2011;
Schilling, H., Martin Luther. 2012; Wippermann, W., Luthers Erbe, 2014; Bering,
D., War Luther Antisemit? 2014Besch, W., Luther und die deutsche Sprache, 2014;
Schwarz, R., Martin Luther – Lehrer der christlichen Religion; 2015, 2. A:
2016; Carrasco, J. u. a., Luther und Europa, 2015; Martin Luther, hg. v. Danz,
M., 2015; Lutherland Sachsen-Anhalt, 2015; Reinhardt, V., Luther – der Ketzer,
2016; Leppin, V., Die fremde Reformation – Luthers mystische Wurzeln, 2016;
Bendikowski, T., Der deutsche Glaubenskrieg, 2016; Schilling, H., Martin
Luther, 2016; Roper, L., Der Mensch Martin Luther – Die Biographie, 2016
(gelungen); Winkler, W., Luther, 2016 (nur affirmativ), Köhler, J., Luther!,
2016; Ebeling, G., Luther, 6. A. 2017; Schilling, H., 1517 - Weltgeschichte
eines jahres, 2017
Lüttich am Zusammenfluss von Ourthe und
Maas wird 720 Sitz des Bischofs von Maastricht/Tongeren. 1817 erhält es eine
Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hélin, E., Les
capitations Liégeoises, 1961; Histoire de Liège, hg. v. Stiennon, J., 1991;
Quellen zum Lütticher Steinkohlen-Bergbau im Mittelalter, bearb. v. Kranz, H.,
2000
Luxemburg ist das nach einer 963 erwähnten
Burg an der Alzette und der daran anschließenden Stadt mit etwq 6000 Einwohnern
im 14. Jahrhundert benannte, von Franken besiedelte Herzogtum (1354) des
Heiligen römischen Reiches (1441 Burgund, 1477 Habsburg, 1555 spanische Linie,
1659 Süden an Frankreich, 1713 nach dem spanischen Erbfolgekrieg wieder an
Habsburg, 1795 an Frankreich), das 1795/1797 tatsächlich und 1806 rechtlich aus
dem Heiligen römischen Reich ausscheidet (1815 auf dem Wiener Kongress
Großherzogtum in Personalunion mit den Niederlanden [Nassau], 1830 Anschluss
an die Revolution Belgiens, 1839 durch den Vertrag von London mit seinen
deutschsprachigen Teilen als Großherzogtum wiederhergestellt, 1866
Ausscheiden aus dem Deutschen Bund, 1867 gescheiterter Verkaufsversuch an
Frankreich, gänzliche Unabhängigkeit, 1890 Personalunion mit den Niederlanden
beendet). Seit 1918 verstärkt sich als Folge der Niederlage(n) des deutschen
Reiches im ersten und zweiten Weltkrieg der Einfluss Frankreichs, so dass das
Land faktisch frankophon wird. Am 10. 4. 1940 wird es vom Deutschen Reich
besetzt und bis Kriegsende zwangsweise in das System der deutschen Kriegswirtschaft
eingegliedert. Es zählt zu den sechs Gründungsmitgliedern der europäischen
Gemeinschaften von 1951 und 1957 (1966 Luxemburger Kompromiss zur Beendigung
der Politik des leeren Stuhls Frankreichs wegen der Agrarfinanzierung).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 95,
172; Becker, E., Studien zur Gemeindeverfassung in Luxemburg; 1934; Wampach,
C., Urkunden- und Quellenbuch zur Geschichte der altluxemburgischen
Territorien, 1935ff.; Stengel, E., Baldewin von Luxemburg, 1937; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,1,1167, 3,3,3396; Pauly, M., Luxemburg im späten
Mittelalter, Diss. phil. Trier 1990; Holthöfer, E., Beiträge zur
Justizgeschichte der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs im 19. und 20.
Jahrhundert, 1993; Luxembourg, hg. v. Lefebvre, F., 5. A. 1998; Franz, N., Die
Stadtgemeinde Luxemburg, 2001;
Verfassungsdokumente Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande 1789-1848, hg.
v. Stevens, F., 2008; Volkmann, H., Luxemburg im Zeichen des Hakenkreuzes,
2010, 2. A. 2011; Heidemann, F., Die Luxemburger in der Mark Brandenburg unter
Kaiser Karl IV. und Sigismund von Luxemburg (1373-1415), 2014; Das
Großherzogtum Luxemburg unter deutscher Besatzung, verantw. v. Schiffmann, D.,
2013; Heiligen, Helden, Wüteriche, hg. v. Bauch, M. u. a., 2015; Jullien, E.,
Die Handwerker und Zünfte der Stadt Luxemburg im Spätmittelalter, 2017
Luxemburger ist der Angehörige der von den
Herzögen von Lothringen abstammenden Familie, die 1308 das Königtum im
deutschen Reich erlangt (Heinrich VII. 1308-1313, Karl IV. 1346-1378, Wenzel
1376-1400, Sigismund 1410-1437), 1441 ihr Stammland Luxemburg aber an
→Burgund verkauft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gerlich, A.,
Habsburg-Luxemburg-Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone, 1960;
Moraw, P., Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung, 1985; Hoensch,
J., Die Luxemburger, 2000; Die Rechnungsbücher der Stadt Luxemburg, hg. v.
Moulin, C. u. a., Heft 1ff. 2007ff.; Vom luxemburgischen Grafen zum
europäischen Herrscher, hg. v. Widder, E., 2008; Kaiser Sigismund, hg. v.
Hruza, K. u. a., 2012
Luxusverbot ist das Verbot unangemessenen
Aufwandes. Es findet sich bereits im Altertum. Von der Mitte des 14. Jh.s
treten Luxusverbote gehäuft in Städten und Ländern auf. Mit dem ausgehenden 18.
Jh. verlieren sie als Folge von Aufklärung und Liberalismus an Bedeutung.
→Kleiderordnung
Lit.: Baudrillart, Histoire du luxe privé et public,
Bd. 1ff. 1878ff.; Baldwin, F., Sumptuary Legislation, 1926; Schmelzeisen, G.,
Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Kick, E., Über den Wandel des
Luxusbegriffes, 1970; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1 1988, 338, 348, 353, 370, 400; Grugel-Pannier, D., Luxus, 1996;
König, B., Luxusverbote im Fürstbistum Münster, 1998; Bernhardt, R.,
Luxuskritik und Aufwandsbeschränkungen in der griechischen Welt, 2003; Weeber,
K., Luxus im alten Rom, 2006; Luxus und Integration, hg. v. Paravicini, W.,
2010; Weeber, K., Luxus im alten Rom, 3.A. 2015
Luzern am Ausfluss der Reuß aus dem
Vierwaldstättersee wird in der Mitte des 8. Jh.s Sitz eines St. Leodegar
geweihten Klosters. 1178 wird L. Stadt und kommt 1291 vom Abt von Murbach an
König Rudolf von Habsburg. Am 13. 11. 1332 verbündet sich L. mit Uri, Schwyz
und Unterwalden. 1386 gewinnt es die Unabhängigkeit und wird dann Teil der
→Schweiz. 2002 erhält es eine nahe dem See und dem Bahnhof gelegene
Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Segesser, P.,
Rechtsgeschichte der Stadt und Republik Luzern, Bd. 1ff. 1850ff.; Sautier, A.,
Die Familienfideikommisse der Stadt und Republik Luzern, 1909; Grüter, R., Die
luzernischen Korporationsgemeinden, 1914; Bättig, R., Das Bürgerrecht der Stadt
Luzern (1252-1798), Geschichtsfreund der V Orte 1922; Hofer, W., Das Verhältnis
zwischen Kirche und Staat im Kanton Luzern, 1924; Durrer, R., Studien zur
ältesten Geschichte Luzerns, Geschichtsfreund der V Orte 84 (1930); (Schnyder,
W. u. a.,) Geschichte des Kantons Luzern, 1932; Schaffer, F., Geschichte der
luzernischen Territorialpolitik bis 1500, Geschichtsfreund 95 (1940/1941), 119;
Schmid, A., Kasimir Pfyffer und das Bürgerliche Gesetzbuch für den Kanton
Luzern (1831-1839), 1960; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,433; Lötscher, P., Das Recht der Stadtgemeinde Luzern, Diss. jur. Zürich
1982; Vom Gänsekiel zum Computer, hg. v. Hofstetter, U., 1986; Die
Rechtsquellen des Kantons Luzern, Teil 1 Bd. 1 1998; Bossard-Borner, H., Im
Spannungsfeld von Politik und Religion, 2008
Lynchen ist das rechtswidrige Bestrafen
(Hinrichten) eines Menschen ohne rechtmäßiges Verfahren, insbesondere durch
eine aufgebrachte Volksmenge. Ohne sichere geschichtliche Herleitung (Charles
Lynch 1736-1796?) erscheint das L. vor allem in der Mitte des 19. Jh.s in den
(meisten)Vereinigten Staaten von Amerika (mit4736 Opfern zwischen 1882-1951,
davon 3442 Afroamerikaner).
Lit.: Cutler, Lynch law, 1905; Chadbourn, J., Lynching
and the law, 1933; Berg, M., Das Ende der Lynchjustiz im amerikanischen Süden,
HZ 283 (2006), 583; Berg, M., Lynchjustiz in den USA, 2014
Lykurg ist der sagenhafte Begründer der
Verfassung von Sparta (8. Jh. v. Chr.).
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17
Lynker, Nikolaus Christoph Freiherr von
(Marburg 1. 4. 1643-Wien 28. 5. 1726) wird nach dem Studium von Philosophie und
Sprachen in Jena und Gießen und dem Rechtsstudium 1670 außerordentlicher
Professor in Gießen, 1677 ordentlicher Professor in Jena und 1707 Reichshofrat
in Wien.
Lit.: Hellbach, J., Nikolaus Christoph Freiherr von
Lynker, 2. A. 1795; Gschließer, O. v., Reichshofrat, 1942, 366; Kisch, G.,
Consilia, 1970, 64
M
Machiavelli, Niccolò (Florenz 3. 5. 1469-22.
6. 1527), Beamtensohn, wird nach dem Sturz Girolamo Savonarolas 1498 Sekretär
und danach Kanzler der Republik Florenz. Im November 1512 nach
päpstlich-spanischem Eingreifen zu Gunsten der Medici seines Amtes enthoben,
verfasst er die Schrift (it.) Il principe (Der Fürst), in der er in
eigenständiger Erkenntnis der Maßlosigkeit des Menschen als Bedingung
erfolgreicher Politik die Fähigkeit, politische Macht zu erwerben und zu
erhalten, erkennt. In der Not ist der Fürst frei von ethischen Verpflichtungen.
Lit.: Köbler, DRG 149; Brandenburg, E., Machiavelli und
sein Principe, 1938 (SB Leipzig); Freyer, H., Machiavelli, 2. A. 1986;
Kersting, W., Niccolò Machiavelli, 2. A. 1988; Machiavelli, hg. v. Ascoli, A.
u. a., 1993; Niccolò Machiavelli, Das Leben Castruccio Castracanis aus Luca,
hg. v. Hoeges, D., 1998; Viroli, M., Das Lächeln des Niccolò, 2000; Hoeges, D.,
Niccolò Machiavelli, 2000, 2. A. 2014; Berger Waldenegg, G., Krieg und
Expansion bei Machiavelli, HZ 271 (2000), 1; Landon, W., Politics, Patriotism
and Language, 2005; Hoeges, D., Niccolò Machiavelli - Dichter - Poeta, 2006;
Machiavellismus in Deutschland, hg. v. Zwierlein, C. u. a., 2010; Barthas, J.,
L’argent n’est pas le nerf de la guerre, 2011; Pedullà, G., Machiavelli in
tumulto, 2011; Reinhardt, V., Machiavelli, 2012
Macht →Gewalt
Lit.: Köbler, DRG 189, 190; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 817; Klueting, H., Die Lehre von der Macht der
Staaten, 1986; Mann, M., Geschichte der Macht, hg. v. Haferkamp, H. u. a.,
2000; Spektakel der Macht, hg. v. Althoff, G. u. a., 2008, 2. A. 2009; Lange, H.,
Recht und Macht, 2010; Canning, J., Ideas of Power in the Late Middle Ages,
2011; Macht – Herrschaft – Regierung, hg. v. Darmstädter Atheneforum, 2014;
David, O., Facetten der Macht, 2016; Althoff, G., Kontrolle der Macht, 2016 (im
Mittelalter ungeschriebene vielfältige Regeln und Versuche mit offenem Ausgang)
Machtergreifung ist die Übernahme der
Herrschaftsgewalt (z. B. der Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bracher, K./Schulz-Sauer,
Die nationalsozialistische Machtergreifung, 1962; Schwarzwälder, H., Die
Machtergreifung der NSDAP in Bremen, 1966; Die Machtergreifung in
Südwestdeutschland, hg. v. Schnabel, T., 1982; Vezina, B., Die
„Gleichschaltung“ der Universität Heidelberg, 1982; Streng, I., Machtübernahme
1933, 2002; Machtergreifung in Augsburg, hg. v. Cramer-Fürtig, M., 2008
Machtspruch ist der auf die behauptete Machtvollkommenheit
gegründete eigenmächtige Eingriff eines (absoluten) Fürsten in die
Rechtspflege seit dem späteren 17. Jh. (im Gegensatz zum Rechtsspruch) Er ist
grundsätzlich der Idee der Gerechtigkeit verpflichtet. Seit dem ausgehenden 18.
Jh. wird der M. allmählich als unzulässig angesehen (Preußen [nach dem
Wassermüller-Arnold-Fall von 1779] 1784, 1791, Österreich 1797). Das 19. Jh.
schließt ihn auf Grund der Rechtsstaatsidee und der Gewaltenteilungslehre
(Unabhängigkeit der Rechtspflege) aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schmidt, E., Rechtssprüche
und Machtsprüche, 1943; Ogris, W., De sententiis ex plenitudine potestatis, FS
H. Krause, 1975, 171; Erwin, H., Machtsprüche. Das herrscherliche
Gestaltungsrecht „ex plenitudine potestatis“ in der frühen Neuzeit, 2009
Machtübernahme →Machtergreifung
Maciejowski, Waclaw Alexander (1792-1883) wird
nach dem Rechtsstudium in Breslau, Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn,
Hugo) Professor des römischen Rechtes in Warschau (1819-1831). Seit 1832
veröffentlicht er eine slawische Rechtsgeschichte (1835 deutsch).
Lit.: Bardach, J., Einleitung zu: Maciejowski, W.,
Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1835, Neudruck 1978; Kodrebski, J., Prawo
rzymskie w Polsce XIX w., 1990, 66f., 82
Madrid wird als maurische Festung Majerita
939 erstmals erwähnt. 1083 wird es unter Alfons VI. von den Christen erobert.
1309 treten hier die Cortes erstmals zusammen. 1561 wird es Hauptstadt
→Spaniens. 1836 erhält es die 1508 in →Alcala de Henares gegründete
Universität.
Lit.: Gibert, R., El concejo de Madrid, 1949; Montero
Vallejo, M., Historia del Madrid, 1991
Magdeburg an der Elbe, 805 erstmals bezeugt,
löst sich im Mittelalter nicht vollständig von seinem erzbischöflichen
Stadtherrn, der 1188 das Magdeburger Recht in einigen Bestimmungen ganz knapp
aufzeichnen lässt. Das darauf aufbauende Magdeburger Recht wird zwischen
Niedersachsen und der Ukraine sehr bedeutsam.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Magdeburger Schöffensprüche, hg. v. Friese, V./Liesegang, E., 1901; Brünneck,
W. v., Zur Geschichte des Magdeburger Rechts und der Statuten der Armenier in
Lemberg, ZRG GA 35 (1914), 1; Schranil, R., Stadtverfassung nach Magdeburger
Recht, ZRG GA 36 (1915), 526; Teige, J., Über die Anfänge des Magdeburger
Stadtrechtes in Mähren, ZRG GA 41 (1920), 383; Becker, W., Magdeburger Recht in
der Lausitz, 1931; Brackmann, A., Magdeburg, 1937; Markmann, W., Zur Geschichte
des Magdeburger Rechts, 1938; Gülland, P., Magdeburger Recht, ZRG GA 60 (1940),
279; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, bearb. v. Goerlitz,
T., 1944; Goerlitz, T., Die Anfänge der Schöffen, Bürgermeister und Ratmannen
in Magdeburg, ZRG GA 65 (1947), 70; Goerlitz, T., Die Rechtsweisung der
Magdeburger Schöffen vom 13. Juni 1367 an den Rat von Jüterbog, ZRG GA 65
(1947), 344, Klein-Bruckschwaiger, F., Das Buch der magdeburgischen Urteile im
Breslauer Stadtarchiv, ZRG GA 66 (1948), 260; Klein-Bruckschwaiger, F., Die
Magdeburger Schöffensprüche für Breslau in Kaspar Popplaus „Rechtem Weg“, ZRG
GA 66 (1948), 440; Najstarsze staropolskie tłumaczenie ortyli
Magdeburskich, według rękopisu Nr. 50 biblioteki zakładu
narodowego im. ossolińskich (Älteste altpolnische Übersetzung der
Magdeburger Urteile nach der Handschrift Nr. 50 der Bibliothek des staatlichen
Forschungsinstituts der Ossolinski-Stiftung), Teile 1, 2, 1970, 1972; Claude,
D., Geschichte des Erzbistums Magdeburg, 1975; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980; Ebel, F.,
Die Spruchtätigkeit des Magdeburger Schöppenstuhls für Niedersachsen, ZRG GA
98 (1981), 30; Ebel, F., Magdeburger Recht, Bd. 1f. 1983ff.; Schrader, I.,
Stadt, Kloster und Seelsorge, 1988; Decreta iuris supremi Magdeburgensis castri
Cracoviensis, hg. v. Lysiak, L., Bd. 1ff. 1990ff.; Łysiak, L., Ius
supremum Maydeburgense castri Cracoviensis 1356-1794, 1990; Rogatschewski, A.,
Übersicht über das sowjetische Schrifttum der 1970er und 1980er Jahre zur
Geschichte des Magdeburger Stadtrechts, ZRG GA 109 (1992), 390; Beumann, H.,
Theutonum nova metropolis, 2000; Asmus, H./Wille, M., 1200 Jahre Magdeburg,
2000; Ebel, F., Des spreke wy vor eyn recht, (in) Ebel, F., Unseren fruntlichen
grus zuvor, 2004, 423; Leben in der Stadt, hg. v. Labouvie, E., 2004; Obladen,
M., Magdeburger Recht auf der Burg zu Krakau, 2005; Magdeburger
Namenlandschaft, hg. v. Burkhardt, A. u. a., 2005; Magdeburg, hg. v. Puhle, M.
u. a. 2005; Concordia magna. Der Magdeburger Stadtfrieden vom 21. Januar 1497,
hg. v. Wittek, G., 2006; Grundlagen für ein neues Europa, hg. v. Lück, H. u.
a., 2007; Bily, I. u. a., Sächsisch-magdeburgisches Recht in Polen, 2011
Magdeburger Fragen sind das durch Fragen
gekennzeichnete, zwischen 1386 und 1402 entstandene spätmittelalterliche
Rechtsbuch (, unsystematische Fassung in 2 Handschriften, systematische Fassung
in 9 Handschriften, alphabetisierte Fassung in einer Handschrift überliefert).
Die M. F. beruhen auf einem Krakauer Urteilsbuch mit Magdeburger Rechtsbelehrungen
(bis um 1380), das kurz vor 1400 ein wohl in Thorn wirkender Bearbeiter um
Stücke einer Thorner Sammlung und des alten Kulm ergänzt und dabei
verallgemeinert. Die erste unsystematische Reihung in zwei Büchern verändert
vermutlich derselbe Bearbeiter in eine systematisierte Fassung in drei Büchern
(Ämter-Schenkungen-Erbe, Schulden-Sachen, Verbrechen). Vor 1518 wird die
unsystematische Fassung vielleicht in Stettin alphabetisiert. Seit 1517 sind
die M. F. vielfach Anhang in Drucken des Sachsenspiegels. →Neun Bücher
des Magdeburger Rechtes
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die Magdeburger Fragen, hg.
v. Behrend, J., 1865; Martitz, F. v., Die Magdeburger Fragen, ZRG GA 11 (1873),
401; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 170;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 50
Magdeburger Recht →Magdeburg
Magdeburger Schöffenrecht ist ein um 1270 entstandenes, in
23 recht unterschiedlichen Handschriften überliefertes Rechtsbuch.
Lit.: Laband, P., Magdeburger Rechtsquellen, 1869
Mage (M. bzw. F.) Verwandte®
Lit.: Köbler, DRG 72; Köbler, WAS
magister (lat. M.)
Meister, Lehrer
Magister (M.) bonorum (lat.) ist im römischen Verfahrensrecht
ein von den Gläubigern gewählter Verwertungsleiter, der das Schuldnervermögen
durch eine →Versteigerung veräußert.
Lit.: Kaser § 85 II 2b
Magister (M.) civium (lat.) ist der im deutschen Reich
seit der Mitte des 12. Jh.s erscheinende Bürgermeister oder auch Bauermeister.
Seit 1214 (Straßburg) wird der m. c. Teil der Ratsverfassung. Vielfach ist er
Vorsitzer eines kollegialen Verwaltungsorgans und Repräsentant einer
Gemeinde.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur. Göttingen 1964;
Die Anfänge der Landgemeinde und ihr Wesen, hg. v. Mayer, T., 1964; Rabe, H.,
Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966, 220
magister (M.) curiae (lat.) →Hofmeister
magister (M.) militum (lat.) (spätantiker) Heerführer
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 55; Grosse, R.,
Römische Militärgeschichte, 1920, 180
magister (M.) navis (lat.) Schiffskapitän
Lit.: Kaser § 49 II 3
magister (M.) officiorum (lat.) Kanzleivorsteher
Lit.: Köbler, DRG 55; Schreiner, P., Byzanz, 1986
Magistrat ist das Amt oder der (eventuell
kollegiale) Amtsinhaber. Im römischen Recht sind Konsuln, Prätoren, Ädile,
Zensoren die höchsten Magistrate, die seit dem Prinzipat des Augustus ihre
Bedeutung einbüßen. Im 19. Jh. ist unter dem Einfluss einer in Frankreich gegen
Ende des 18. Jh.s ablaufenden Entwicklung der M. das von der Stadtverordnetenversammlung
als rein ausführendes Organ gewählte Kollegialorgan einer →Stadt.
Lit.: Söllner §§ 6, 14; Köbler, DRG 19, 197;
Broughton, T., The Magistrates of the Roman Republic, 1951ff.; Kunkel,
W./Wittmann, R., Die Magistratur, 1995; Handbuch der Altertumswissenschaften,
10, 3, 2, 2
Magistratsverfassung ist seit dem 19. Jh. eine
dualistische Form der Gemeindeverfassung, in der eine Stadtverordnetenversammlung
als gesetzgebendes und allgemein ausführendes Organ einen →Magistrat als
rein ausführendes Organ wählt (Preußen 19. 11. 1808/30. 5. 1853). 1933 in
Preußen und 1935 im Reich wird die M. beseitigt, 1954 wird sie aber in Schleswig-Holstein,
Bremerhaven und Hessen erneuert. →Selbstverwaltung
Lit.: Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im
19. Jahrhundert, 2. A. 1969; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale
Selbstverwaltung, 1970, 105
Magna Charta (F.) (libertatum) (lat. große
Urkunde der
Freiheiten)
ist die seit 1531 nachweisbare Bezeichnung einer älteren Vorläufern folgenden,
lateinischen, noch in vier Ausfertigungen (in Lincoln Cathedral, Salisbury
Cathedral und 2 in der British Library) überlieferten und auch noch geltenden
Urkunde des englischen, durch die Niederlage von Bouvines geschwächten Königs
Johann I. Ohneland (Lackland, 1199-1216) vom 15.–19. 6. 1215 für 25 Barone (und
den Erzbischof von Canterbury) (mit einer Präambel und 63 Titeln). Danach ist die
Erhebung von Steuern an die Bewilligung der Großen gebunden (Grundlage des
Parlamentarismus). Barone wollen nicht mehr vor dem auch mit Ministerialen
besetzten königlichen Gericht Recht nehmen (lat. iudicium N.
parium). Die wohl vor allem der Befriedung der Barone dienende M. C. setzt sich
in England in der Petition of Rights (1628), der →Habeas-corpus-Akte
(1679) und der →Bill of Rights (1689) fort und wirkt sich mittelbar auch
auf Deutschland in Forderungen nach Grundrechten für alle seit dem frühen 19.
Jh. aus.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 191; Gneist,
R. v., Englische Verfassungsgeschichte, 1882; Holt, J., Magna Charta, 1965;
Magna Carta, v. Howard, A., 1965; Kyriazis-Gouvelis, D., Magna Charta, 1984;
Holt, M., Magna Charta and Medieval Government, 1985; Fryde, N., Why Magna
Carta?, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MagnaChartalibertatum1215.htm;
Magna Carta and the England of King John, hg. v. Loengard, J., 2010; Vincent,
N., Magna Carta, 2012; Magna Charta and the England of King John, hg. v.
Loengard, J. 2014; Magna Charta, religion and the rule of law, hg. v.
Griffith-Jones, R. u. a., 2015; Blick, A., Beyond Magna Carta – A constitution
for the United kingdom, 2015
Magnus Eriksson (1306-1374) ist der schwedische
(1319-1364) bzw. norwegische König (1319-1355, 1371-1374), der um 1350 ein
schwedisches Reichsrecht (Landslag) und 1353 bis 1360 ein (in mehr als 100
Handschriften überliefertes) Stadtrecht für die schwedischen Städte (Stadslag,
älteste überlieferte Handschrift 1387) erlässt, das bis 1734 gilt.
Lit.: Magnus Erikssons Landslag, übers. v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., 1962; Holmbäck, Å./Wessén, E., Magnus Erikssons Stadslag, 1966
Magnus Hakonarson Lagaboetir (Tönsberg 1. 5. 1238–Bergen 9. 5.
1280) ist ein norwegischer König (1263-1280), der die Landschaftsrechte und das
Gefolgschaftsrecht (1273-1277, →Hirdskra) erneuert sowie 1274/1275 das
erste für ganz Norwegen gültige Reichsrecht (Landslög) und 1276 das erste für
Norwegen aufgezeichnete Stadtrecht erlässt.
Lit.: Böttcher, H., Das Glaubensbekenntnis im
Landrecht Magnus Lagaboeters, 1971; Holmsen, A., Norges historie, 1977;
Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir, ZRG GA
99 (1982), 252
Mahalareda (F.) ist im burgundischen
Volksrecht des frühen 6. Jh.s die Aussteuer der Tochter.
Lit.: Baesecke, G., Die deutschen Worte der
germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 57
Mahlgemeinschaft
Lit.: Dörrer, A., Alte Mahlgemeinschaften im Lichte ihrer Zeit
(313-1803), ZRG GA 70 (1953), 266
Mahlschatz (M.) Mitgift, Heiratsgut
Mahlzwang ist der mittelalterlich-frühneuzeitliche
Zwang, in einer bestimmten Mühle mahlen zu lassen.
Lit.: Koehne, K., Das Recht der Mühlen, 1904
Mahnung (Wort in allgemeinerer Bedeutung um 800) ist die einseitige, empfangsbedürftige
Erklärung des Gläubigers, mit der er den Schuldner dringlich zur sofortigen,
ausnahmsweise zur fristgebundenen Leistung auffordert. Bereits im römischen
Recht kann der Schuldner, der gemahnt ist, sich nicht mit Unkenntnis aus dem
Verzug entschuldigen. Im Frühmittelalter führt das Unterbleiben der Leistung
trotz Leistungsaufforderung zu einer Buße. Nach dem preußischen Allgemeinen
Landrecht (1794) begründet erst die M. Verzugszinsen, wenn nicht die Zeit der
Erfüllung ohnehin feststeht.
Lit.: Kaser § 37 II 1; Hübner § 76; Löning, R., Der
Vertragsbruch im deutschen Recht, 1876, 26, 165; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mahnverfahren ist eine besondere Prozessart, in
der für eine bestimmte Art von voraussichtlich unstreitigen Ansprüchen (auf
Zahlung einer bestimmten Geldsumme) ohne Verhandlung dem Gläubiger eines
Anspruchs ein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel verschafft werden kann. Ein
derartiges Verfahren gegen Abwesende kennt bereits der →Sachsenspiegel
(1221-1224) (Landrecht I 70 § 2). Seit dem 12. Jh. bezeugt außerdem die
Vertragswirklichkeit in Italien die durch Vertragsstrafe gesicherte
Verpflichtung des Schuldners zur Abgabe eines gerichtlichen Geständnisses in
der Vertragsurkunde. Später nimmt der Notar einen Zahlungsbefehl in eine
Urkunde auf, bei deren Vorlage das Gericht die Vollstreckung verfügt. Auch in
einem Gerichtsbuch oder einem Stadtbuch eingetragene Forderungen lassen sich
vereinfacht durchsetzen. Im Heiligen römischen Reich unterwirft sich der Schuldner seit der frühen
Neuzeit durch Vollstreckungsklauseln dem unbedingten reichskammergerichtlichen
→Mandatsprozess. 1877/1879 wird das M. durch Übernahme der Grundsätze
des bedingten Mandatsprozesses zu einer allgemein anwendbaren Verfahrensform
für Ansprüche auf Zahlung und auf Leistung vertretbarer Sachen oder
Wertpapiere. In Deutschland sind mit dem 1. 7. 1977 die Ausdrücke Zahlungsbefehl
und Vollstreckungsbefehl durch die Bezeichnungen Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid
ersetzt. →summarischer Prozess
Lit.: Köbler, DRG 116; Bayer, H. v., Theorie der
summarischen Processe, 7. A. 1859, 19, 89; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891
Mähren ist das zwischen der
böhmisch-mährischen Höhe, den Ostsudeten, Westbeskiden, kleinen Karpaten und
dem Jarvornikgebirge gelegene, seit dem 6. Jh. von Slawen besiedelte Gebiet,
das 1029 an →Böhmen und nach bedeutender deutscher Einwanderung 1526 mit
diesem an →Österreich fällt (Landesordnung 1545, 1628, mährischer
Ausgleich durch Trennung der Wahlkörper zwischen Tschechen und Deutschen 1905
versucht) und am 28. 10. 1918 Teil der →Tschechoslowakei. Am 15. 3. 1939
errichtet das Deutsche Reich ein mit dem Ende des zweiten Weltkriegs
beseitigtes Protektorat Böhmen und Mähren. Bei der Auflösung der
Tschechoslowakei (1992zum 1. 1. 1993) wird M. Teil Tschechiens.
Lit.: Tomaschek, J., Der Oberhof Iglau in Mähren,
1868; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1912ff.; Wegener,
W., Böhmen, Mähren und das Reich, 1959; Glassl, H., Der mährische Ausgleich,
1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,429; Seibert,
F., Deutschland und die Tschechen, 1970; Bernt, A., Die Germanen und Slawen in
Böhmen und Mähren, 1989; Hrabovec, E., Vertreibung und Abschub, 2. A. 1996;
Kadlecova, M., Verneuerte Landesordnungen, ZRG GA 120 (2003), 150; Práva a
zřízení Markrabství moravského z roku 1545 (Rechte und Landesordnung
für die Markgrafschaft Mähren aus dem Jahre 1545, hg. v. Janiš, D.,
2005; Der Mährische Landtag an der Schwelle der Neuzeit, Bd. 1, hg. v. Janiš,
D-. 2010.
Maiestas (lat. F.
Größe) ist (erst) seit Jean →Bodin (1576) der Grundbegriff der
Staatsgewalt (lat. summa potestas F.). Die m. wird
seit der zweiten Hälfte des 17. Jh.s von manchen (z. B. →Leibniz) dem
Landesherrn zugesprochen. Im Ergebnis erleichtert diese Vorstellung die
Auflösung der hergebrachten Reichsverfassung.
Lit.: Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1970;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 138
Maiestas (F.) Carolina (lat.) ist der auf älteren
Entwürfen Přemysl Ottokars II. (1272) und Wenzels II. (1292) sowie einer
Privatarbeit der Mitte des 14. Jh.s (lat. Ordo M.
iudicii terre Boemie, Landgerichtsordnung Böhmens) beruhende, lateinisch
verfasste und in 2 bzw. 3 Handschriften überlieferte Entwurf Karls IV. für ein
Landrecht →Böhmens von 1346 bis 1355 (1351-1354), der seit 1617 M. C.
genannt wird. Er gliedert sich in 127 Artikel (Häresie, Krongut, Beamte,
Gericht, Strafe, Privatrecht). Wegen des Widerstands der Stände gegen die damit
angestrebte Stärkung der Macht des Landesherrn wird die M. C. 1355 als
gegenstandslos geworden erklärt, tritt aber um 15. Jh. gewohnheitsrechtlich in
Kraft.
Lit.: Werunsky, E., Maiestas Karolini, ZRG GA 9
(1888), 64; Hobzek, Majestas Carolina a Rímské právo, 1931; Handbuch der
Geschichte der böhmischen Länder, hg. v. Bosl, K., Bd. 1ff. 1966ff.; Kejr, J.,
Die sog. Maiestas Carolina, (in) Studia Luxemburgensia, 1989, 79
Maigesetze sind die vier im Deutschen Reich im
Mai 1873 im →Kulturkampf erlassenen Gesetze bzw. die in Österreich 1868
und 1874 zur Eindämmung des Einflusses der katholischen Kirche erlassenen Gesetze
(Ehegesetz, Schule-Kirche-Gesetz, Interkonfessionellengesetz 1868,
Katholikengesetz, Religionsfondsgesetz, Anerkennungsgesetz 1874).
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mailand in Oberitalien wird im 5. Jh. v.
Chr. von den gallischen Insubrern gegründet und ist in der Spätantike
kaiserliche Residenz und erzbischöflicher Sitz. Seit dem Anfang des 11. Jh.s
überflügelt es die langobardische Hauptstadt Pavia, seit dem frühen 12. Jh.
gewinnt es eine kommunale Verfassung (1225 Liber Statutorum). Im 14. Jh. gerät es
unter die Herrschaft der Visconti und Sforza (1395/1397 Herzogtum), 1714
gelangt es an Österreich, 1859 an Sardinien und damit 1861 an Italien.
Lit.: Köbler, DRG 104, 129; Köbler, Historisches
Lexikon; Gli atti del Comune di Milano, 1919; Manaresi, C./Santoro, C., Gli
atti privati milanesi e comaschi, Bd. 1 ff. 1933ff.; Visconti, A., Ricerche sul
diritto pubblico milanese, Annali della r. università di Macerata 3 (1928);
Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,122; Ambrosioni, A., Le pergamene della
canonica di San Ambrogio, 1974; Milano, 1990; Keller, H., Mailand im 11.
Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J.,
1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001;
Grillo, P., Milano, 2001; Garlati, L., Schuldig eines Verbrechens, das es nicht
gab, 2013
Mailänder Toleranzedikt ist das 313 von Konstantin dem
Großen und Licinius den Christen Freiheit des Gottesdiensts und Rückgabe der
verstaatlichten Güter gewährende Edikt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972
Maimonides (Ben Maimon), Moses (Córdoba 30. 3.
1138? [1135]-Kairo 13. 12. 1204, 1230 als Rabbi Moyses erwähnt) fasst als
bedeutendster jüdischer Religionsphilosoph, der schon durch erzwungene
Ortswechsel den unterschidelichsten muslimischen Herrschaften unterworfen ist,
mit umfassenden Kenntnissen islamistischer Tradition im ausgehenden 12. Jh. das
gesamte, ihm bekannte jüdische Recht in klarer hebräischer Sprache in der
14bändigen →Mischne Tora (1180) zusammen (Führer der Unschlüssigen, um
1242/1244 lateinisch übersetzt).
Lit.: Ben-Chorin, S., Jüdischer Glaube, 2. A. 1979;
Elon, M., Ha-Mischpat ha-‘ibri, Bd. 2 3. A. 1988, 877; Del Valle Rodriguez, C.,
Cartas y testamento de Maimonides, 1989; Hyoun, M., Maimonides, 1999;
Hasselhoff, G., Dicit Rabbi Moyses, 2004; Stroumsa, S., Maimonides in His
World, 2012; Höre die Wahrheit, wer sie auch spricht, hg. v. Muehlerthaler, L.,
2014
Maine, Sir Henry James Sumner (1822-1888) wird nach dem
Studium 1847 Professor für Civil law in Cambridge und 1850 Anwalt. Er hält in
den Inns of Court Londons Vorlesungen zum römischen Recht und zur vergleichenden
Entwicklungsgeschichte des Rechtes. Hierauf gründet sich sein 1861
veröffentlichtes darwinistisch-evolutionstheoretisches Buch (engl.) Ancient
Law (Altes Recht). Nach längerer Tätigkeit in Indien wird er 1869 Professor in
Oxford und 1877 in Cambridge.
Lit.: Grant Duff, M., Sir Henry Maine, 1892; Cocks,
R., Sir Henry Maine, 1988; Maine, H. Das alte Recht, hg. v. Dahle, H., 1997
Mainz am Einfluss des Main in den Rhein
ist seit etwa 10 n. Chr. Sitz des römischen Oberbefehlshabers für das obere Germanien
und in der Nachfolge des Bonifatius (746/747-754) Sitz eines Erzbischofs, für
den bis 1223 550 Urkunden nachgewiesen sind. Von 1331/1424 bis 1462 ist die
Stadt tatsächlich weitgehend unabhängig von ihrem kurfürstlichen Stadtherrn.
Zwischen 1440 und 1454 entwickelt sich in M. der Buchdruck. 1476 erhält M. eine
Universität, die nach Schließung in napoleonischer Zeit (1792/1797/1814/1816)
1946 wieder errichtet wird. Vom 21. 12. 1792 bis zum 23. 7. 1793 wird in M.
unter Einfluss Frankreichs und Lösung vom Heiligen römischen Reich Demokratie
versucht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Roth, W., Zur
Geschichte der Juristenfakultät zu Mainz im 15./16. Jahrhundert, ZRG GA 22
(1902), 359; Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum im Kurfürstentum
Mainz, 1908; Stimming, M., Die Wahlkapitulationen der Erzbischöfe und
Kurfürsten von Mainz (1233-1788), 1909; Hensler, E., Verfassung und Verwaltung
von Kurmainz um das Jahr 1600, 1909; Stutz, U., Der Erzbischof von Mainz und
die deutsche Königswahl, 1910; Stimming, M., Die Entstehung des weltlichen
Territoriums des Erzbistums Mainz, 1915; Schmitt, K., Erzbischof Adalbert von
Mainz als Territorialfürst, 1920; Klibansky, E., Die topographische Entwicklung
der kurmainzischen Ämter in Hessen, 1925; Falk, H., Die Mainzer
Behördenorganisation in Hessen und auf dem Eichsfelde, 1930; Mainzer
Urkundenbuch,. v. Stimming, M. u. a., Bd. 1ff. 1932ff.; Schrohe, H., Das
Mainzer Geschlecht zum Jungen, 1933, Hasselwander, N., Aus der Gutachter- und
Urteilstätigkeit an der alten Mainzer Juristenfakultät, 1956; Wysocki, J.,
Kurmainz und die Reunion, Diss. phil. Mainz 1961; Otte, A., Die Mainzer
Hofgerichtsordnung von 1516/1521, 1964; Just, L./Mathy, H., Die Universität
Mainz, 1965; Duchhardt, H., Philipp Karl von Eltz, 1969; Die Geschichte des
Mainzer Erzkanzlerarchivs 1782-1815, hg. v. Mathy, H., 1969; Weber, E., Die
Mainzer Zentraluntersuchungskommission, 1970; Martin, W., Der Lehnhof der Mainzer
Erzbischöfe, 1971, Geschichte der Stadt Mainz, hg. v. Brück, P. u. a., Bd. 1ff.
1972ff.; Lautzas, P., Die Festung Mainz, 1973; Diener, H., Die Gründung der
Universität Main, 1467-1477, 1974; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977;
Demandt, D., Stadtherrschaft und Stadtfreiheit, 1977; Pick, E., Die Professoren
des Rechts an der Mainzer Universität, FS O. Mühl, 1981, 509; Aufklärung und
Erneuerung des juristischen Studiums, hg. v. Pick, E., 1983; Schlösser, S., Der
Mainzer Erzkanzler im Streit der Häuser Habsburg und Wittelsbach um das
Kaisertum, 1986; Dumont, F. u. a., Mainz, 1998; Kurmainz, das Reichserzkanzleramt
und das Reich, hg. v. Hartmann, P., 1998; Die Mainzer Kurfürsten des Hauses
Schönborn als Reichserzkanzler und Landesherren, hg. v. Hartmann, P., 2002;
Bausteine zur Mainzer Stadtgeschichte, hg. v. Matheus, M., 2002; May, G., Die
Organisation von Gerichtsbarkeit und Verwaltung in der Erzdiözese Mainz, 2004;
Härter, K., Policey und Strafjustiz in Kurmainz, 2005; Grathoff, S., Mainzer
Erzbischofsburgen, 2005; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und
Örtlichkeiten, 2008; Empell, H., Gutenberg vor Gericht, 2008; Mainzer
(Erz-)Bischöfe in ihrer Zeit, hg. v. Felten, F., 2008; Die ältesten Urkunden
der Erzbischöfe von Mainz (888-1109), hg. v. Fees, I. u. a., 2008; Kißener, M.,
Anfänge der modernen Demokratie in Mainz, 2011; Vita Arnoldi archiepiscopi
Moguntinensis, hg. v. Burkhardt, S., 2014; König, C., Mit einem Bücherhaufen
fing es an, 2019
Mainzer Landrecht ist das Landrecht des Erzstifts Mainz
vom 24. 7. 1755/1. 1. 1756, das auf dem Rheingauer Landbrauch beruht (1442
Recht und Ordnung eyns Waltpoden zu Menz, 17. Jh. Aufzeichnung des rheingauischen
Landbrauches durch Nikolaus Itzstein). Es gliedert sich in 32 Titel und enthält
hauptsächlich Familienrecht und Erbrecht. Seine Geltung endet linksrheinisch
1804, rechtsrheinisch 1900 (bzw. in Nachwirkungen im Laufe des 20. Jh.s).
Lit.: Churfürstliche Mayntzische Land-Recht, 1755;
Hallein, L., Mainzer Civilrecht im 14. und 15. Jahrhundert, 1891; Backhaus, F.,
Das eheliche Güterrecht des Mainzer Landrechts von 1755, Diss. jur. Heidelberg
1953
Mainzer Reichslandfriede ist der 29 Artikel umfassende,
deutsch gehaltene Landfriede Friedrichs II. vom 12. 8. 1235. Er drängt die
Selbsthilfe zurück und stärkt die Stellung des Gerichts. Er sieht u. a. einen
Hofrichter bzw. ein Hofgericht vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mitteis, H., Zum Mainzer
Reichslandfrieden von 1235; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955;
Buschmann, A., Mainzer Reichslandfriede und Konstitutionen von Melfi, FS R.
Gmür, 1983, 369
Mainzer Republik ist der durch Erklärung eines
rheinisch-deutschen Nationalkonvents am 17. 3. 1793 im Gebiet zwischen Bingen
und Landau entstehende unabhängige Staat mit dem Volk als einzigem Souverän.
Die M. R. endet am 23. 7. 1793 durch Übergabe an →Preußen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon
724; Die Mainzer Republik, hg. v. Landtag des Landes Rheinland-Pfalz, 1993; Die
Mainzer Republik 1792/93, 2013
maior (lat. M.)
Größere
maior
vigintiquinque annis
(lat.) älter als 25 Jahre, volljährig, s. Lex Laetoria (um 200 v. Chr.)
Maior dividat, minor eligat (lat.). Der Ältere soll teilen,
der Jüngere darf wählen. Nur ein ehrloser Betrüger E. teilt als Jüngerer (z. B.
auf Grund einer Amtsstellung) bewusst ungerecht und wählt dann auch noch
selbst den größeren Teil. →Erbauseinandersetzung
Lit.: Wacke, A., Der Jüngste stimmt zuerst, JA 1981,
176; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Plutarch für das 8. Jh.
v. Chr.)
maior (M.) domus (lat.) →Hausmeier
Lit.: Köbler, DRG 76
maiores (M.Pl.) et meliores (M.Pl.) terrae (lat.) Größere und Bessere des
Landes, →Landstände
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Maitland, Frederic William (London 28. 5.
1850-Las Palmas/Kanarische Inseln 20. 12. 1906), Juristensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Cambridge und Lincoln’s Inn 1876 Anwalt, 1884 Dozent für
englisches Recht in Cambridge und 1888 Professor. Er verfasst (mit Frederick
Pollock) die (engl.) History of English Law before the Time of Edward I (Bd.
1f. 1895, Geschichte des englischen Rechtes vor Eduard I.), die nach einer
Übersicht über die äußere Rechtsgeschichte die inhaltlichen Einrichtungen und
Lehren darstellt. Dabei verbindet er Politik und Wirtschaft mit dem Recht und
die Vergangenheit mit der Gegenwart. 1886/1887 gründet M. die Selden Society.
Lit.: Bracton’s Note Book, hg. v. Maitland, F., Bd.
1ff. 1887; Pollock, F./Maitland, F., The History of English Law, Bd. 1f. 2. A.
1895; Maitland, F., Domesday Book and Beyond, 2. A. 1907; Fisher, H., Frederic
William Maitland, 1910; Maitland, F. ZRG GA 33 (1912), 521; Maitland, F.,
Selected historical essays, hg. v. Cam, H., 1957; Cameron, J., Frederick (!)
William Maitland and the history of English law, 1961; Bell, H., Maitland,
1965; The letters of Frederic William Maitland, hg. v. Fifoot, C., 1965; Elton,
G., Frederic William Maitland, 1985
Maiverfassung ist die im Mai 1934 für Österreich erlassene
Verfassung für einen christlichen deutschen Bundesstaat (autoritären
Ständestaat des Austrofaschismus).
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfOeMai1934.htm
Majestätsbeleidigung ist der Angriff auf den (vom Staat
verschiedenen) Herrscher. Die M. findet sich 393 in einer Konstitution
Theodosius‘ I., in der die Beleidigung des Kaisers aus der allgemeinen
Strafverfolgung ausgesondert wird. 397 werden aber alle führenden Personen
geschützt. Die Beleidigung des Kaisers (oder Königs) tritt danach wieder in der
Bamberger Halsgerichtsordnung (→Constitutio Criminalis Bambergensis) von
1507 auf. In der Folge wird die M. dem →Hochverrat nachgeordnet. 1922
werden im Deutschen Reich Reichspräsident und Regierungsmitglieder besonders
geschützt, 1951 in der Bundesrepublik Deutschland die höchsten Staatsorgane.
Lit.: Bosse, H., Über Hochverrat, beleidigte Majestät
und verletzte Ehrerbietung, 1802; Schroeder, F., Der Schutz von Staat und
Verfassung im Strafrecht, 1970; Czech, P., Der Kaiser ist ein Lump und
Spitzbube, 2010; Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus, hg. v. Härter, K.,
2012
Majestätsbrief ist in der Neuzeit eine
Freiheitsurkunde für Untertanen (z. B. Rudolfs II. 9. 7. 1609 für Böhmen, nach
dem 8. 11. 1620 aufgehoben).
Lit.: Gindely, A., Geschichte der Erteilung des
Majestätsbriefes von 1609, 1858
Majestätsverbrechen →crimen laesae maiestatis
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schaffstein, F., Verräterei
und Majestätsverbrechen, FS W. Weber, 1974; Schminck, C., Crimen laesae
maiestatis, 1970; Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus, hg. v. Härter, K. u.
a., 2012
Majorat ist die Einzelnachfolge des Ältesten
beim →Familienfideikommiss.
Majorität (F.) →Mehrheit
Lit.: Elsener, F., Zur Geschichte des
Majoritätsprinzips, ZRG KA 73 (1956), 73
Makedonien ist ein südosteuropäisches Gebiet,
dessen (in der Antike stets nicht als richtige Griechen angesehenen) Bewohner
unter den Königen Philipp II. und Alexander dem Großen (336-323 v. Chr.)
→Griechenland erobern, das ab 148 v. Chr. aber römische Provinz wird.
Über Ostrom gelangt M. 1317 an die →Osmanen. 1913 fällt M. durch
Eroberung an Serbien (1918 →Jugoslawien) (und Griechenland). Nach gescheiterter
Zwangsintegration wird es 1992 selbständig.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
4,5,332; Adanir, F., Die makedonische Frage, 1979; Errington, M., Geschichte
Makedoniens, 1986; Makedonien, hg. v. Lukan, W. u. a., 1999; Mari, M., Al di là
dell’Olimpo, 2002; Rois, cités, nécropoles, hg. v. Guimier-Sorbets, A. u. a.,
2006; Boskovska, N., Das jugoslawische Makedonien 1918-1941, 2009; Brill’s
Companion to Ancient Macedon, hg. v. Fox, R., 2011; Fündling, J., Philipp II.
von Makedonien, 2014
Makkabäer
Lit.: Die Makkabäer, hg. v. Avemarie, F. u. a., 2017
Makler (Wort um 1300, Maklerlohn 1669) ist, wer gegen Entgelt eine
Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags nachweist oder einen Vertrag
vermittelt. Der M. ist bereits dem griechischen und römischen Altertum
bekannt. Im Mittelalter entwickelt sich der M. vielleicht zuerst in Italien
(Genua 1154), wo Maklerzwang besteht und der Makler als objektiver Dritter von
beiden Geschäftspartnern entlohnt wird. Im mittleren Europa ist die Stellung
des Maklers freier. In der Neuzeit finden sich zahlreiche gesetzliche Regelungen.
Der absolute Staat fördert monopolisierende Tendenzen, die im 19. Jh.
beseitigt werden.
Lit.: Goldschmidt, L., Ursprung des Mäklerrechts, ZHR
28 (1882), 115; Beukemann, U., Die Geschichte des Hamburger Mäklerrechts, 1912;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913, 28, 99, 152; Fröber, H., Die
Entstehung der Bestimmungen des BGB, 1997; Axmann, M., Maklerrecht und Maklerwesen
bis 1900, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
mala fides (F.) (lat.) böser Glaube (schadet
nachträglich nicht bei Ersitzung des römischen Rechtes, wenn der Erwerber im
Erwerbszeitpunkt gutgläubig ist)
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Malberg ist im fränkischen Frühmittelalter
der Ort der (Gericht haltenden) Versammlung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80, 85
Malbergische Glosse ist der nichtlateinische Einschub
in den ältesten Fassungen des salfränkischen Rechtes (lat. Pactus M.
legis Salicae, 507-511, Textklassen A, C, D, z. B. mallobergo reapten[a] hoc
est zu Titel 1, 1). Die malbergischen Glossen haben ihren Namen davon, dass sie
meist durch (lat.) (in) mallobergo (→Malberg) eingeleitet werden.
Vielleicht sind sie als ursprüngliche Randnotizen später in den Text geraten.
Trotz starker Verderbnis sind sie wertvolle Zeugnisse des ältesten bekannten
fränkischen Sprachstands.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 80; Kern, H.,
Notes on the Frankish Words in the Lex Salica, (in) Lex Salica, hg. v. Hessels,
J., 1880, 431; Helten, W. v., Zu den malbergischen Glossen, PBB 25 (1900), 225;
Baesecke, G., Die deutschen Worte der germanischen Gesetze, PBB 59 (1935), 1;
Schmidt-Wiegand, R., Zur Geschichte der malbergischen Glosse, ZRG GA 74 (1957),
220; Gutenbrunner, S., Studia mallobergica, ZRG GA 81 (1964), 298; Pactus legis
Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962, 276; Balon, J., Theo, Archivum latinitatis
medii aevi 33 (1963), 103; Schmidt-Wiegand, R., Das fränkische Wortgut der Lex
Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie, ZRG GA 84 (1967), 275;
Schmidt-Wiegand, R., Die malbergischen Glossen als Denkmal des Westfränkischen,
Rhein. Vjbll. 33 (1969), 396; Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica,
ZRG GA 89 (1972), 1
maleficium (lat. N.)
Übeltat, Hexerei
Lit.: Köbler, DRG 158; Köbler, LAW; Hampl, T., Die
Nürnberger Malefizbücher, 1927; Christel, C., Die Malefizprozessordnung des
Codex Maximilianeus von 1616, Diss. jur. Regensburg 1975
Malefizordnung ist die an der Wende des Mittelalters zur
Neuzeit auftretende Ordnung bzw. Landesordnung für Straftaten (z. B. Tirol
1499, teilweise so genannte Maximiliana). Sie wird 1532 durch die subsidiär
gelten wollende (lat.) Constitutio Criminalis Carolina (Peinliche
Gerichtsordnung Karls V.) ergänzt. Seit dem 18. Jh. wird sie durch Strafrechtskodifikationen
abgelöst (Bayern 1751, Österreich 1768, 1803, Bayern 1813, Preußen 1851,
Österreich 1852 u. s. w.).
Maleville, Jacques de (1741-1824), Advokat
in Bordeaux, Anhänger der französischen Revolution, Präsident der
zivilgerichtlichen Abteilung des Kassationsgerichtshofs, wird von Napoleon
zum Sekretär-Redakteur der Kommission zur Ausarbeitung eines →Code civil
berufen. In der Gesetzgebungsarbeit unterstützt er das römische Recht und
kommentiert 1805 das Ergebnis unparteiisch (Analyse raisonée). Später tritt er
auf die Seite der Reaktion über.
Lit.: Latour, J., Jacques de Maleville, 1929
Malik ibn Anas (708/16-796) →Muwatta
Mallersdorf
Lit.: Pölsterl, G., Mallersdorf, 1979
Malleus maleficarum →Hexenhammer
mallobergus (lat. M.)
Malberg, Verhandlungsberg
mallus (lat. M.),
mallum (lat. N.)
Versammlung, Gerichtsversammlung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Platon, G., Le
mallus, 1889; Estey, F., The Meaning of ,Placitum‘ and ,Mallum‘, Speculum 1947,
435; Tiefenbach, H., Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft, 1973, 71;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Malmann
Lit.: Lamberg, P., Die Malmannen im sächsischen Freienrecht des
Mittelalters, Osnabrücker Mitteilungen 75 (1968), 126
Malscult (as. F.)
Dingschuld, eine Abgabe
Lit.: Molitor, E., Die Stände der Freien, 1910, 10
Malta ist die zwischen Italien und
Tunesien gelegene, 316 Quadratkilometer große Insel im Mittelmeer. Sie weist
große Tempelbauten des 4. Jt.s v. Chr. auf und gelangt nacheinander an
Phönizier/Punier/Karthager (7. Jh. v. Chr.), Römer (218 v. Chr.), Ostrom (395
n. Chr.), Vandalen, Ostgoten, Muslime (870), Normannen (1091), den
Johanniterorden (1530), Frankreich (1798) und Großbritannien (1800/1802). 1964
wird Malta unabhängig, 1974 parlamentarische Republik und zum 1. 5. 2004
Mitgliedstaat der Europäischen Union.
Lit.: Betz, W., Malta, 1994; Staehle, E., Geschichte der Johanniter und
Malteser, Bd. 1ff. 2002
Malumbra, Ricardus ist ein vielleicht in Cremona 1264 geborener,
1289 als doctor legum bezeugter, seit 1295 in Padua lehrender Jurist.
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 593
mamluk (arab.) weißer Sklave
Lit.: Brandes, J., Die Mameluken, 1996; Wiederhold,
L., Das Rechtslexikon Qawa’id al-fiqh und sein Autor, 2015
Man ist eine Insel in der irischen See
mit etwa 85000 Einwohnern, die weder der Europäischen Union noch dem
Vereinigten Königreich von Großbritannien angehört, wohl aber den britischen
Inseln und eigene Gesetzgebung und Rechtsprechung hat.
Lit.: Zillmer, M., Die Rechtsordnung der Isle of Man,
2012
Manchester beruht auf dem römischen Kastell
Mancunium. 1229 erhält M. Marktrecht, 1838 Stadtrecht. 1851 wird es Sitz einer
Universität.
Mancipatio (lat. F.)
ist bereits im altrömischen Recht ein allgemeines Geschäft für die Überführung
aus der Gewalt eines Hausvaters in die eines anderen. Dabei ergreift jemand
eine handgreifbare Sache (lat. res F.
mancipi) eines anderen vor fünf mündigen Bürgern als Zeugen und einem
Waagehalter (lat. M. libripens),
spricht eine sein Eigentum an der handgreifbaren Sache behauptende Formel und
lässt den tatsächlichen Betrag des Wertes der Sache dem anderen in Erz (lat.
aes N.
Kupfer) in einer Waage (lat. F. libra) zuwägen
(Libralgeschäft), wobei dieser das Metall unter schweigender Duldung der
Handgreifung annimmt, so dass ein eigentliches positives einverständliches
Zusammenwirken nicht ausgedrückt wird. Der bisherige Gewalthaber ist danach
Vormann (lat. M.
→auctor) des neuen Gewalthabers. Später wird die m. dadurch fortgebildet,
dass das Erz nicht mehr tatsächlich, sondern nur noch sinnbildlich in der Form
einer einzigen kleinen Münze (lat. nummo uno) zugewogen wird. Diese m. nummo
uno dient dann der Erlangung der Gewalt über handgreifbare Sachen und Personen
auch außerhalb des Barkaufs in einer Vielzahl von Fällen (z. B. Kreditkauf,
Treuhand, Mitgift, Adoption, Eheschließung lat. coemptio,
Emanzipation u. s. w.). Die m. ist ein
abstraktes Verfügungsgeschäft. Im spätantiken römischen Recht ist die m.
verschwunden, in den Juristenschriften der Digesten m. durch (lat. F.)
→traditio (formlose Übergabe) ersetzt.
Lit.: Kaser § 7 I, 24 II, 27 I 2, 38 II 1a, 41 I 1;
Söllner §§ 8, 12, 18, 24; Köbler, DRG 22ff., 40, 61f.; Randazzo, S., Leges
mancipii, 1998
Mancipium (lat. N.)
ist im römischen Recht die Handgreifung, die dadurch erlangte, der
Herrenstellung über Sklaven ähnliche Gewalt über ein fremdes Hauskind und
übertragen der Sklave. Im Mittelalter ist m. der Unfreie, doch nimmt die
Verwendung des Wortes vom Beginn des 11. Jh.s an stark ab.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1d, 16 III 1, 60 I 3b; Söllner §§
8, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Köbler, LAW; Dubled, H., Mancipium au
Moyen Age, Revue du Moyen Age Latin 5 (1949), 51; Nehlsen, H., Sklavenrecht,
1972; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984.; Randazzo,
S., Leges mancipii, 1998
Mandat als Lehnwort zu lat. mandatum (N.)
erscheint im 14. Jh. Im Prozessrecht bezeichnet es das Verhaltensgebot des
Gerichts an eine Partei oder einen Dritten, aber auch den Auftrag einer Partei
für einen Vertreter. Daneben wird später auch vom M. eines Abgeordneten einer
Volksvertretung und vom M. als internationalem Auftrag des Völkerrechts
gesprochen.
Lit.: Triepel, H., Delegation und Mandat im
öffentlichen Recht, 1942; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 52
Mandatsprozess ist in der frühen Neuzeit eine Form
des →summarischen Prozesses, bei dem auf Antrag des Klägers dem Beklagten
durch gerichtliches Gebot (→Mandat) ein bestimmtes Verhalten auferlegt
wird. Vorkommen gerichtlicher Anordnungen finden sich bereits im frühen und
hohen Mittelalter, allgemeine Bedeutung erlangen sie aber erst mit dem Übergang
der höchsten Gerichtsgewalt vom König auf das Reichskammergericht am Ende des
Spätmittelalters (1495). Seit der Mitte des 16. Jh.s (1555) wird dabei
zwischen bedingtem Mandat, bei dem sich der Empfänger auf alle rechtlichen
Gegengründe stützen darf, und dem unbedingten Mandat, bei dem der Empfänger nur
die Unrichtigkeit der tatsächlichen Mandatsgrundlagen vortragen darf,
unterschieden. Vom →Reichskammergericht geht der hierdurch geprägte M.
in das partikulare Verfahrensrecht über. Hieraus entwickelt sich das 1833 bzw.
1846 in Preußen eingeführte →Mahnverfahren und die mandatsähnliche
→einstweilige Verfügung (Hannover 1850, Baden 1851).
Lit.: Bayer, H. v., Theorie der summarischen Processe,
7. A. 1859, 19; Skedl, A., Das Mahnverfahren, 1891; Poetsch, J., Die
Reichsjustizreform von 1495, 1912; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts,
(in) Commémoration du 500e anniversaire de la création du Parlament, 1977, 343;
Rohmeyer, H., Geschichte und Rechtsnatur der einstweiligen Anordnung, Diss.
jur. Hamburg 1967, 148; Uhlhorn, M., Der Mandatsprozess, 1991
Mandatsverfahren →Mandatsprozess
Mandatum (lat. N.)
ist im römischen Recht einerseits der unentgeltliche Auftrag
(Konsensualkontrakt), der eine Tätigkeit jeder Art betreffen kann, andererseits
seit etwa der Zeitenwende die Dienstanweisung des Staatsoberhaupts (lat. M.
princeps) beispielsweise an einen Provinzstatthalter, die bald als
gesetzesgleich gilt. Dieser Sprachgebrauch setzt sich im lateinischen
Frühmittelalter entsprechend fort.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 44 I; Söllner §§ 9, 17, 18;
Köbler, DRG 31, 47, 64; Watson, A., Contract of Mandate in Roman Law, 1961;
Klami, H., Mandatum and labour, ZRG RA 106 (1989), 575; Marotta, W., Mandata
principum, 1991; Schubert, D., Die Mandatarhaftung im römischen Recht, 2014
Manegold von Lautenbach (Lautenbach nach 1030-nach 1103)
wird nach Studien in Lautenbach und Paris Wanderlehrer in Frankreich. Nach 1080
wird er Mönch in Lautenbach und flüchtet von dort nach Rottenbuch. 1089
wechselt er als Propst nach Marbach. Seinen Streitschriften gegen Wenrich von
Trier und Wolfhelm von Brauweiler wird der Gedanke der →Volkssouveränität
entnommen.
Lit.: Koch, G., Manegold von Lautenbach und die Lehre
von der Volkssouveränität, 1902; Laakmann, R., Die Königsgewalt bei Manegold
von Lautenbach, Diss. jur. Hamburg 1969; Fuhrmann, H., Volkssouveränität und
Herrschaftsvertrag bei Manegold von Lautenbach, FS H. Krause, 1975, 21
Mangel (Wort 1075, Mangelrüge 1881) ist das Fehlen
einer vorausgesetzten Beschaffenheit einer Sache oder einer sonstigen
Gegebenheit.
Lit.: Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Mangelschaden ist der im Mangel einer gelieferten Sache
bestehende Schaden (z. B. ein gekauftes Buch ist wegen fehlender 100 Seiten 10
Euro weniger wert als ein vollständiges Buch.
Mangelfolgeschaden ist der infolge des Mangels einer Sache am
sonstigen Vermögen des Erwerbers zusätzlich entstehende Schaden (z. B. durch
vergiftetes Futter sterben an sich gesunde Tiere) des Erwerbers.
Manifest (N.) Programm, Ankündigung,
→Kommunistisches Manifest
Mann ist der männliche Mensch. Im Laufe der
gesellschaftlichen Entwicklung der Menschen setzt er auf Grund seiner durchschnittlichen
körperlichen Überlegenheit und den durch die Schwangerschaften verursachten
Nachteilen der Frau einen verhältnismäßigen Vorrang gegenüber der Frau durch.
Seit der Aufklärung wird der dadurch geschaffene Patriarchat zurückgedrängt.
Lit.: Rabe, C., Gleichwertigkeit von Mann und Frau, 2006; Martschukat,
J./Stieglitz, O., Geschichte der Männlichkeit, 2008
Mannesvorzug ist die Bevorzugung von Männern
insbesondere im Erbrecht. Der M. ist in älteren Zeiten weit verbreitet. Wegen
seines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz wird er im 20. Jh. beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Mannfall (M.) Tod des Lehnsmanns
Mannheim (766 Mannenheim) wird 1605/1607 Stadt.
Lit.: Kreutz, W./Wiegand, H., Mannheim, 2008; Jungbluth, F., Mannheim
2014, 2013
mannire, manire (lat.) mahnen (durch den Kläger im
fränkischen Frühmittelalter)
mannitio (lat. F.)
Ladung (durch den Kläger im fränkischen Frühmittelalter)
Lit.: Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Mannlehen ist ursprünglich jedes Lehen (im
Gegensatz zu anderen Leihen), in der frühen Neuzeit das allein männliche
Nachkommen als Nachfolger zulassende Lehen im Gegensatz zum Weiberlehen u. a.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Homeyer, G., System des
Lehnrechts der sächsischen Rechtsbücher, 1844, 279
Mannus (zu nhd. Mann) ist bei den Germanen
der Sohn des Gottes Tuisto und der Vater dreier Söhne, von denen sich die
germanischen Hauptstämme der Ingväonen (Friesen, Angeln, Sachsen), Istväonen
(Weser-Rhein-Germanen) und Herminonen (Elbgermanen) herleiten.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a.,
3. A. 1967, 52
manor (engl.) Herrenhof
mansio (lat. F.)
Bleiben, Herberge
Lit.: Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968
mansus (lat. M.)
Hof, Hufe, Ackermaß
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW
Mantel als ein den Körper einhüllendes
Kleidungsstück wird auch als Rechtssymbol verwendet (z. B. Mantelgriff bei Auflassung,
Umhüllung mit dem Mantel bei Eheschließung zwecks Ehelicherklärung eines
nichtehelichen Kindes, Niederlegung des Mantels zwecks Haftungsbefreiung).
Lit.: Hübner 681; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mantik (F.) Weissagung, Wahrsagerei
Lit.: Hille, J., Die Strafbarkeit der Mantik von der Antike bis zum
frühen Mittelalter, Diss. jur. Frankfurt am Main 1977
Manufaktur ist die bereits dem römischen
Altertum bekannte zentrale Produktionsstätte zur Herstellung von Waren
(Textilien, Metallwaren, Keramik). Sie wird im 17. und 18. Jh. zu der vom Staat
begünstigten modernen Betriebsform (→Merkantilismus). Besonders bekannt
ist die erste europäische staatliche Porzellanmanufaktur (Meißen 1710). Im 19.
Jh. unterliegt die M. der Fabrik.
Lit.: Köbler, DRG 28, 134, 175; Pfeiffer, H. v., Die
Manufakturen und Fabriken Deutschlands, Teil 1f. 1781; Forberger, R., Die
Manufaktur in Sachsen, 1958; Kermann, J., Die Manufaktur im Rheinland, 1972;
Jansen, R., Die Arbeitsverhältnisse an den deutschen Porzellanmanufakturen des
18. Jahrhunderts, 1990; Flügel, A., Kaufleute und Manufakturen in Bielefeld,
1990
Manumissio (lat. F.)
ist die Freilassung eines Sklaven oder Unfreien zum (freigelassenen) Freien.
Für sie entwickeln sich im römischen Recht verschiedene Formen (m. in der
Kirche, vor Freunden, durch Brief, durch Aufnahme an den Tisch, mit Stab), die
im Frühmittelalter teilweise fortgeführt und teilweise ergänzt werden.
Lit.: Kaser §§ 16 I 1, III 1, 60 I 3b; Köbler, DRG 57
manus (lat. F.)
Hand, Schar, Hausgewalt (über die Ehefrau)
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I 2b, 58 II; Söllner §§ 8,
20; Köbler, DRG 21f., 71
Manusehe ist im römischen Recht die Ehe, in der die Frau
unter die (lat.) manus (Hausgewalt) des Mannes oder dessen (lat.) pater (M.)
familias steht. Die manus wird durch von der Eheschließung zu trennende
Geschäfte (confarreatio, coemptio oder usus) begründet. In der M. ist die Frau
vermögensunfähig, so dass alles, was sie erwirbt, ihrem Gewalthaber gehört. Bis
zum Prinzipat (Augustus) wird die M. zur Ausnahme, so dass die Ehefrau
regelmäßig entweder ihrem bisherigen (lat.) pater (M.) familias untersteht oder
gewaltfrei und damit vermögensfähig ist.
Manus iniectio (lat. F.)
ist im römischen Recht die Handanlegung, mit deren Hilfe beispielsweise im
altrömischen Recht in einen Menschen vollstreckt wird (→legis actio per
manus iniectionem).
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 32 II 4, 39 I 1, 60 I 4, 81
III 1; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 20
Manzipation →mancipatio
Marburg an der Lahn gründet sich auf eine
Burg wohl schon des 10. Jh.s und erhält 1527 die erste protestantische, am
Beginn des 17. Jh.s calvinistische Universität.
Lit.: Quellen zur Rechtsgeschichte der Stadt Marburg,
hg. v. Küch, F., Bd. 1f. 1918ff.; Merk, W., Die Spruchtätigkeit der Marburger
Juristenfakultät, (in) Festzeitung der Universität Marburg 1527-1927, 1927;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät als Spruchkollegium, 1966;
Braasch-Schwersmann, U., Das Deutschordenshaus Marburg, 1989; Die
Philipps-Universität Marburg im Nationalsozialismus, hg. v. Nagel, A., 2000;
Lemberg, M., Die Universitätskirche zu Marburg, 2016
Marburger Programm ist das von Franz von →Liszt
(1851-1919) 1882 formulierte Programm (Der Zweckgedanke im Strafrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 204
Marbury v. Madison ist die Leitentscheidung des Supreme Court der
Vereinigten Staaten von Amerika vom 24. Februar 1803, nach der das Gericht für
die Überprüfung von Bundesgesetzen (z. B. Section 13 des Judiciary Act von
1789) auf ihre Übereinstimmung mit der Verfassung zuständig ist.
marca (lat.-ahd. F.)
Grenze, Grenzgebiet, Mark
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marcellus (2. Jh. n. Chr.) ist der dem Rat der
Kaiser Antonius Pius (138-161) und Marc Aurel (161-180) angehörige römische
Rechtskundige, von dem 31 zwischen 161 und 167 entstandene (lat.) libri (M.Pl.)
digestorum (Bücher der Digesten) zu unterschiedlichsten Rechtsfragen sowie
(lat.) notae (F.Pl. Anmerkungen) zu den Digesten →Julians bekannt sind,
deren Benützung durch →Scaevola und →Ulpian feststeht.
Lit.: Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur
des römischen Rechtes, 2. A. 1912, 213; Rastätter, J., Marcelli Notae ad
Iuliani Digesta, Diss. jur. Freiburg im Breisgau, 1981; Zülch, C., Der liber
singularis responsorum des Ulpius Marcellus, 2001
Märchen ist die nicht sicher bezeugte und
nicht sicher bezeugbare Erzählung oder Kunde. Das M. kann Rechtsfragen
behandeln. Die M., die als literarische Form um 1800 anerkannt werden und für
den deutschen Sprachraum am erfolgreichsten von den Brüdern Grimm gesammelt
sind (1812), lassen sich zeitlich nicht zuverlässig einordnen.
Lit.: Grimm, J./Grimm, W., Kinder- und Hausmärchen,
1812; Ludwig, O., Richter und Gericht im deutschen Märchen, 1935; Anger, S.,
Das Recht in den Sagen, Legenden und Märchen Schleswig-Holsteins, Diss. jur.
Kiel 1947; Röhrich, L., Die Grausamkeit im deutschen Märchen, Rheinisches
Jahrbuch für Volkskunde 6 (1955), 176; Röhrich, Lutz, Märchen und Wirklichkeit,
1956; Scherf, W., Das Märchenlexikon, Bd. 1f. 1995; Laeverenz, J., Märchen und
Recht, 2001; Enzyklopädie des Märchens, begr. v. Ranke, K., Bd. 12 2007; Bluhm,
L., Märchen, 2014
Marchfutter ist eine mittelalterliche Abgabe.
Marculf ist der Verfasser einer frühmittelalterlichen,
durch 5 Handschriften des 9. Jh.s überlieferten Sammlung von 40 Königsurkundenformularen
und 52 Privaturkundenformularen, die vermutlich am Ende des 7. Jh.s im
westlichen Frankenreich im Auftrag eines nicht sicher feststellbaren Bischofs
Landerich verfertigt ist. Die Sammlung ist nachweislich spätestens 743/747 in
einer Königsurkunde und 731/732 in einer Privaturkunde benutzt. Verschiedene
jüngere Urkundensammlungen berücksichtigen sie.
Lit.: Formulae, hg. v. Zeumer, K., 1886; Marculfi
Formularum libri duo, rec. Uddholm, A., 1962; Nonn, U., Merowingische
Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 110
Marescalcus (lat.-ahd. M.
Marschall) ist ein Hofamt der fränkisch-deutschen Könige.
Lit.: Köbler, DRG 83
marginal (am Rande befindlich) wie z. B. die
Marginalglosse, d. h. Randglosse
Maria Theresia (Wien 13. 5. 1717-29. 11. 1780)
ist die Erbtochter des Habsburgers Karl VI., der am Ende des spanischen Erbfolgekriegs
die Erbfolge in den habsburgischen Erblanden 1713 durch die →Pragmatische
Sanktion zu sichern versucht. 1736 heiratet sie Franz Stephan von Lothringen.
1740 tritt sie das Erbe an (Pfalzerzherzogin von →Österreich), von dem
sie im österreichischen Erbfolgekrieg Schlesien (an Preußen) und Parma-Piacenza
(an Karls III. von Spanien Bruder Philipp) verliert. Sie herrscht über ein
Bündel von Staaten in Form einer monarchischen Union. Nach der Wahl ihres
Mannes zum deutschen Kaiser (1745) nimmt sie den Titel Kaiserin
(Titularkaiserin) in Anspruch. Gegen den ständischen Widerstand setzt sie
energisch und intolerant von 1749 bis 1761 den absolutistischen Staat mit
landesfürstlicher Bürokratie und Zentralverwaltung durch (Dezennalrezesse,
Directorium in publicis et cameralibus, oberste Justizstelle, Heeresreform,
Schulreform). Auf Betreiben ihrer Ratgeber (Kaunitz, Joseph II.) erwirbt sie
1772 Galizien und Lodomerien, 1775 die Bukowina und 1779 das Innviertel.
Gesetzgeberisch stellt die von ihr veranlasste (lat.) →Constitutio (F.)
Criminalis Theresiana (1768, Theresianisches Kriminalgesetz) keinen
Fortschritt dar, während ein (lat.) Codex (M.) Theresianus (1766, Theresianisches
Gesetzbuch) überhaupt bloßer Entwurf bleibt, aber dennoch das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) vorbereitet.
Lit.: Köbler, DRG 131f., 142; Arneth, A. v.,
Geschichte Maria Theresias, Bd. 1ff. 1863ff.; Walter, F., Die theresianische
Staatsform von 1749, 1958; Jessen, F., Friedrich der Große und Maria Theresia,
1965; Ogris, W., Maria Theresia iudex, Anz. d. österreich. Akad. d. Wiss.,
phil.-hist. Kl. 110 1973, 232; Mraz, G./Mraz, G., Maria Theresia, 1979; Ogris,
W., Recht und Macht bei Maria Theresia, 1980; Dillmann, E., Maria Theresia,
2000; Telesko, W., Maria Theresia, 2012; Stollberg-Rielinger, B., Maria
Theresia, 2017, Badinter, E., Maria Theresia, 2017
Marinus de Caramanico ist ein in der Provinz Pescara Jahrzehnte vor
1269 geborener, als assessor und Richter tätiger neapolitanischer Jurist
(glossa ordinaria zu den constitutiones Siculae).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 498
Maritagium (lat. N.)
ist eine mittelalterliche Heiratsabgabe von Hörigen.
Mark ist ursprünglich das zur Kennzeichnung eines
Gegenstands verwendete Zeichen. Deswegen wird M. zur Grenze, zum Grenzland und
zur Münze. Dementsprechend finden sich unter Karl dem Großen (795), den Ottonen
(ab etwa 980 Zunahme der Dichte der marca-Nennungen in den Urkunden und in der
Literatur) und Heinrich III. (1039) Grenzmarken etwa in Spanien, an der Donau
(Awarenmark, Ostmark), an der Oder (965), in Karantanien (970, spätere
Steiermark), an der Eider, in Böhmen oder in Brandenburg, die meist Markgrafen
unterstellt sind, ohne dass sich aus der Raumbezeichnung (Grenze, Gebiet)
sichere Aussagen über die Herrschaftspolitik der Zentralgewalt ableiten
lassen. Seit dem Hochmittelalter erscheint das um die Siedlung gelegene
(Grenz-)Land als Dorfmark, das von einer →Markgenossenschaft
gemeinschaftlich genutzt wird. Der mit einer Marke versehene Metallbarren tritt
seit dem 9. Jh. als Münzgrundgewicht M. auf und verdrängt allmählich das ältere
→Pfund. 1524 wird die Kölnische M. (amtliche) Grundlage des Münzwesens im
Heiligen römischen Reich. Die von 1871/3 bis 1924 als Währungseinheit des
Deutschen Reiches bestehende M. wird 1924 durch die Reichsmark ersetzt, der am
20. 6. 1948 die Deutsche M. folgt (Währungsreform), die 2002 von der
europäischen Gemeinschaftswährung Euro (mit Cent) abgelöst wird.
Lit.: Hübner; Maurer, G. v., Geschichte der
Markenverfassung in Deutschland, 1856; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Lipp, M., Das fränkische Grenzsystem,
1892; Haff, K., Geschichte einer ostalamannischen Gemeinlandsverfassung, 1902;
Dopsch, A. v., Die freien Marken in Deutschland, 1933; Ganahl, K., Die Mark in
den älteren St. Galler Urkunden, ZRG GA 60 (1940), 97, 41 (161), 21; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.;
Mitterauer, M., Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Enzyklopädisches
Lexikon des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 3. A. 1967; Schmidt, E., Die Mark
Brandenburg unter den Askaniern, 1973; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte
1484-1914, 1975; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Fünfzig
Jahre Deutsche Mark, hg. v. d. Deutschen Bundesbank, 1998; Meyer, W., Abschied
von der Deutschen Mark, 1998; Stieldorf, A., Marken und Markgrafen, 2012
Mark ist die seit 1202 für eine Linie der Grafen von Berg
namengebende Burg in Westfalen. 1614 kommt die Grafschaft an Brandenburg, 1946
das Gebiet zu Nordrhein-Westfalen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Frisch, M., Die
Grafschaft Mark, 1937; Goebel, J., Die Gerichtsverfassung des märkischen
Süderlandes, Diss. jur. Bonn 1962; Die ältesten Lehnbücher der Grafen von der
Mark (1392 und 1393), hg. v. Westerburg-Frisch, M., 1967
Markdorf
Lit.: Prahl, H., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Markdorf im
Linzgau, 1965; Markdorf – von 1817 vis heute, hg. v. Stadt Markdorf, 2017
Marke ist das Zeichen und der damit
gekennzeichnete Gegenstand. In Rom schützt das Namensrecht gegen Nachahmungen.
Die M. findet sich bereits im Frühmittelalter an Vieh, Holz oder Haus. Mit der
Zunahme der Schriftlichkeit kann sie zum Handzeichen werden. In der hochmittelalterlichen
Stadt entwickelt sich die Handelsmarke des Kaufmanns zur Kennzeichnung seiner
Ware. Die Zunft setzt sich für die M. ein und verbürgt die ordnungsgemäße
Herstellung der markierten Ware. Diese M. wird vielfach registriert, ihr
Missbrauch wird bestraft. Im 19. Jh. endet mit der Zunft die durch sie
gewährleistete Sicherheit. Seit dem 18. Jh. (Frankreich 1787) wird die M.
privatrechtlich geschützt (Bayern 9. 3. 1840/21. 12. 1862, Deutsches Reich
Gesetz über Markenschutz vom 30. 11. 1874, 12. 5. 1894, 5. 5. 1936). Am Ende
des 20. Jh.s wird dieser Schutz innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht
(Bundesrepublik Deutschland Markenrechtsreformgesetz BGBl. 1994, 3085). Danach
erfolgt die gebührenpflichtige Eintragung einer schutzfähigen Marke durch das
Patentamt auf jeweils 10 Jahre.
Lit.: Hübner 13, 442; Meyer, C., Die historische
Entwickelung der Handelsmarke in der Schweiz, 1905; Rehme, P., Geschichte des
Handelrechts, 1913, 38ff., 161, 216; Gmür, M., Schweizerische Bauernmarken und
Holzurkunden, 1917; Meldau, R., Vor 1500 eingetragene Warenzeichen, GRUR 43
(1938), 302; Ruppel, K., Die Hausmarke, 1939; Ilgenfritz, H., Das
Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1954;
Leitherer, E., Die Entwicklung des Markenwesens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1954;
Wadle, E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Schmieder,
H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994, 1241; Zentek, S., Produkt Prozesse,
1999; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1847,
2002; Hentsch, C., Die Bergischen Stahlgesetze, 2011; Kickler, H., Die
Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben in Deutschland, 2012
Markebrief ist seit dem Hochmittelalter eine
Ermächtigung zu einem Arrest.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960
Markenrecht →Marke, Recht
Lit.: Köbler, DRG 272; Wadle, F., Fabrikzeichenschutz
und Markenrecht, 1983; Schmieder, H., Neues deutsches Markenrecht, NJW 1994,
1241; Zapfe, K., Die Ausgestaltung des Markenrechts in Deutschland seit 1874,
2002; Hacker, F., Die ältere Geschichte des Markenrechts, (in) NJW-Sonderheft
100 Jahre Markenverband, 2003; Sattler, A., Emanzipation und Expansion des
Markenrechts, 2014
Markenschutz →Marke
Märker →Mark, Markgenossenschaft
Märkerding ist die Versammlung der
Markgenossen oder Märker.
Markfrevel ist die rechtswidrige Nutzung einer
→Mark seit dem Hochmittelalter.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
Markgenossenschaft (Wort bis zum 19. Jh. nicht belegt) ist
die Genossenschaft der an einer →Mark (Gemeinland) Nutzungsberechtigten
seit dem Hochmittelalter (str.). Die M. entsteht auf Grund der mit dem
Landesausbau eintretenden Güterverknappung. Die Nutzungsberechtigung an der
Mark ist Zubehör zu einem Sondereigentum (z. B. Hof). Der einzelne Markgenosse
(Märker) kann frei oder unfrei sein. Wichtigstes Organ der M. ist die
Versammlung der Markgenossen (Märkerding). Ihr sitzt der Märkermeister (oft
ein Grundherr), Markmeister, Obermärker, Holzgraf oder Waldgraf vor. Urteile
fällen Markschöffen oder Markgeschworene. Im 19. Jh. werden die meisten
Markgenossenschaften durch den Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96, 121;
Thudichum, F. v., Die Gau- und Markenverfassung, 1860; Gierke, O. v., Das
deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff.; Varrentrapp, F., Rechtsgeschichte
und Recht der gemeinen Marken in Hessen, 1909; Wopfner, H., Beiträge zur
Geschichte der älteren Markgenossenschaft, MIÖG 33, 553, 34, 1; Grosch, G.,
Markgenossenschaft und Großgrundherrschaft im früheren Mittelalter, 1911;
Ehlert, H., Die Markgenossenschaft (Holtung) der 17 Dörfer um Amelinghausen,
1936; Wellmer, M., Zur Entstehungsgeschichte der Markgenossenschaften, 1938;
Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der Urschweiz, 1941; Grass, N., Comaun
Kastelrut, ZRG GA 71 (1954), 353; Wernli, F., Zur Frage der
Markgenossenschaften, 1961; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962; Olowson, A., Markgenossenschaftslehre und
Marxismus, Diss. jur. Zürich 1967; Schneider, W., Die Markgenossenschaften im
frühmittelalterlichen Alamannien, 1997
Markgraf (lat. M.
marchio) ist der Graf einer Grenzgrafschaft (Markgrafschaft). Über die Stellung
und die Befugnisse eines Markgrafen vor dem 12. Jh. ist wenig bekannt,
vermutlich waren sie von denen eines anderen Grafen nicht wesentlich
verschieden (marchio um 800). Die Lage und die Größe der zunächst regelmäßig in
ein Herzogtum eingebundenen Mark (z. B. Österreich, Steiermark) begründeten
aber wohl eine größere Selbständigkeit und Verteidigungsbereitschaft.
Deswegen wird der M. verschiedentlich Stammesherzog, der M. von Brandenburg
sogar Kurfürst. Seit dem späten 11. Jh. wird M. (zwischen Graf und Herzog) auch
ein Titel (z. B. Baden, Hachberg, Ansbach-Bayreuth).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84, 109;
Baltl/Kocher; Hofmeister, A., Markgrafen und Markgrafschaften im italischen
Königreiche, MIÖG Ergänzungsband 7, 2, 215; Gothein, E., Die badische
Markgrafenschaft im 16. Jahrhundert, 1910; Schieckel, H., Herrschaftsbereich
und Ministerialität der Markgrafen von Meißen, 1956; Mitterauer, M.,
Karolingische Markgrafen im Südosten, 1963; Schmidt, M., Die Mark Brandenburg
unter den Askaniern, 1973; Müller, U., Die ständische Vertretung in den
fränkischen Markgrafentümern, 1984; Stieldorf, A., Marken und Markgrafen, 2012
Markgrafentum ist die Stellung und das Gebiet
eines →Markgrafen.
Markgrafschaft ist (die Stellung und) das Gebiet eines
→Markgrafen.
Marklosung ist das Recht eines Markgenossen
oder einer Markgenossenschaft, ein in der →Mark gelegenes, an einen
Fremden veräußertes Grundstück gegen Zahlung des Kaufpreises zu erwerben (und
dadurch die bestehende Anwartschaft zum Vollrecht umzuwandeln).
Lit.: Gierke, O., Das deutsche Genossenschaftsrecht,
Bd. 1 1868, 65f.; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Markmeister →Markgenossenschaft
Markt ist die zu bestimmter Zeit und an
bestimmtem Ort abgehaltene Veranstaltung zum Zweck des Verkaufs und Kaufes von
Waren. Der M. ist bereits dem römischen Recht bekannt (lat. N.
forum, Marktplatz, nundinae F.Pl.). In
karolingischer Zeit gewinnt der M. auch bei den Franken Bedeutung. Der König
erringt in der zweiten Hälfte des 9. Jh.s für kurze Zeit ein Marktregal.
Zwischen 900 und 1050 gründet er mehr als 100 Märkte durch Privileg und erhält
dafür von den Begünstigten Abgaben. Später treten die Landesherren an seine
Stelle (z. B. Freiburg 1120, Innsbruck 1180/1204, Jüterbog 1174). Es entwickeln
sich Grundsätze für ein besonderes Recht des Marktes. Viele Marktorte werden
bald zur →Stadt. Die modernen freien Märkte haben nach Rössner ihre
Wurzeln im Merkantilismus bzw. Kameralismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 113;
Rietschel, S., Markt und Stadt, 1897, Neudruck 1965; Huvelin, P., Essai
historique sur le droit des marchés et des foires, 1897; Groß, L., Stadt und
Markt im späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Spieß, W., Das Marktprivileg,
1916; La foire, 1953; Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1961, 275; Endemann, T., Markturkunde
und Markt in Frankreich und Burgund, 1964; Vor- und Frühformen der europäischen
Stadt, 1973; Mitterauer, M., Markt und Stadt im Mittelalter, 1980; Ehmann, E.,
Markt und Sondermarkt, 1987; Fenske, M., Marktkultur in der frühen Neuzeit,
2005; Messen, Jahrmärkte und Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F.
u. a., 2007; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Röddner,
P., Freie Märkte?, HZ 303 (2016) 349
Marktbeherrschendes Unternehmen ist in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s ein Unternehmen, das den Handel mit einer bestimmten Warengattung
maßgeblich gestalten kann. Aus Wettbewerbsgründen bedarf es besonderer
Kontrolle.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Marktfriede ist der von einem Herrn (z. B.
König) während der Marktzeit für Verkäufer und Käufer zugesicherte
→Friede.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktkauf ist der auf dem jedermann zugänglichen
→Markt getätigte →Kauf. Wegen der besonderen Gegebenheiten des
Marktes darf sich seit dem Mittelalter der Erwerber einer gestohlenen oder
geraubten Sache gegenüber dem Unrechtsvorwurf des Eigentümers dadurch reinigen,
dass er schwört, die Sache auf dem Markt gekauft zu haben. Vielfach muss er die
Sache auch nur gegen die Erstattung des ganzen oder halben Kaufpreises an den
Berechtigten herausgeben. Dieses Lösungsrecht verliert mit der Aufnahme des
römischrechtlichen Herausgabeanspruches (lat. →rei vindicatio F.)
an Bedeutung.
Lit.: Hübner 440, 446; Kroeschell, DRG 2, 88; Köbler,
DRG 125; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1952; Reinhard, H., Der Marktkauf
in den schweizerischen Stadtrechten, Diss. jur. Zürich 1959; Jakab, E.,
Praedicere und cavere beim Marktkauf, 1997
Marktkreuz ist das seit dem Hochmittelalter
zum Zeichen des Marktes aufgestellte Kreuz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Marktprivileg →Markt
Marktrecht →Markt
Marktregal →Markt, Regal
Marktwirtschaft ist die Wirtschaftsform, in der die
wirtschaftlich relevanten Entscheidungen über Produktion, Investition,
Distribution und Konsum dezentralistisch sind und den einzelnen
Wirtschaftssubjekten überlassen werden. In der älteren Zeit geht der M. die
Hauswirtschaft voraus. In den größeren Orten des Altertums ist die M. bereits
bedeutsam. In der Neuzeit wird ihr Gewicht immer größer. Der Sozialismus des
20. Jh.s stellt der M. die Planwirtschaft entgegen. Seit 1990 dringt die M. in sozialer
Form wieder vor.
Lit.: Köbler, DRG 96, 127, 249; Bundesrepublik
Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel, H., 1977; Nörr,
K., Als die Würfel für die Marktwirtschaft fielen, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Löffler, B., Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis,
2002; Soziale Marktwirtschaft in der europäischen Union, hg. v. Schallenberg,
P. u. a., 2012; Glossner, C., Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, 2014;
Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und die soziale Marktwirtschaft, hg. v. Geppert,
D. u. a., hg. v. Löttel, H., 2019; Schallenberg, P., Ethik der sozialen
Marktwirtschaft, 2019
Markwald →Mark
Marokko
Lit.: Dakkak, A.,
Der Kaufvertrag im marokkanischen und im deutschen Recht, 2011
Marschall ist der Träger des im Frühmittelalter
für das Verkehrswesen zuständigen Hofamts (lat. comes M.
stabuli). Seit dem 15. Jh. wird der besondere Feldmarschall Oberbefehlshaber
der landesherrlichen Streitkraft. Sein Amtszeichen ist ein Stab.
→marescalcus
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112;
Köbler, WAS; Strobl, E., Das Obersthofmarschallamt, 1908; Holtzmann, R., Der
Kaiser als Marschall des Papstes, 1928; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989),
485
Marshall-Plan ist der am 5. 6. 1947 von George C. Marshall
als Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika verkündete Plan für den
Wiederaufbau Europas, nach dem 16 europäische Staaten am 16. 4. 1948 die
Organization for European Cooperation (OEEC) gründen, die 1960 in die
Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) umgewandelt wird.
Lit.: Bischof, G., Der Marshall-Plan, 1997
Marsilius von Padua (Padua um 1290?-München
1342/1343), Sohn des Universitätsnotars Bonmatteo dei Mainardini, wird nach
dem Studium der freien Künste 1313 kurzzeitig Rektor der Universität Paris und
danach höfischer Ratgeber. 1324 verfasst er den (lat.) →Defensor (M.)
pacis. Darin spricht er sich in der Nachfolge des Aristoteles für einen mit
weitreichender Gewalt ausgestatteten Staat aus, der mit Hilfe einer rationalen
Gesetzgebung das Wohl seiner Angehörigen erreichen soll. Der Kaiser wird auch
der Kirche übergeordnet, als deren höchstes Organ M. v. P. im Übrigen nicht den
Papst, sondern das →Konzil (Konziliarismus) ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 107, 109; Stieglitz, L., Die
Staatstheorie des Marsilius von Padua, 1914; Battaglia, F., Marsilio da Padova,
1928; Marsilio da Padova, hg. v. Checchini, A. u. a., 1942; Segall, H., Der
„Defensor Pacis“ des Marsilius von Padua, 1959; Gagnér, S., Studien zur
Ideengeschichte der Gesetzgebung, 1960, 121; Löffelberger, M., Marsilius von
Padua, 1992; The World of Marsilius of Padua, hg. v. Moreno-Riaño, 2006; Lee,
H., Political Representation in the Later Middle Ages, 2008
Mars Thingsus (M.) germanischer Kriegsgott und
vielleicht auch Dinggott
Lit.: See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964;
Höfler, O., „Sakraltheorie“ und „Profantheorie“, FS S. Gutenbrunner, 1972, 71
Martens, Georg Friedrich von (Hamburg 22.
2. 1756-Frankfurt am Main 21. 2. 1821) wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen
(Pütter) 1783 Professor für Staatsrecht, →Völkerrecht und →Handelsrecht.
1808 wird er Verwaltungsjurist im Königreich Westphalen, 1815 in Hannover.
1785 verfasst er (lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum
practici (Grundlinien eines praktischen europäischen Völkerrechts), deren
Gliederung sich von herkömmlichen Vorgaben zu befreien versucht. Seit 1797 sammelt
er die wichtigsten völkerrechtlichen Verträge. Gleichzeitig legt er einen
Grundriss des →Handelsrechts vor, das sich damit von Handlungswissenschaft
einerseits und deutschem Privatrecht andererseits löst.
Lit.: Figge, R., Georg Friedrich von Martens, Diss.
jur. Breslau 1914; Köbler, G., Die Wissenschaft des gemeinen deutschen
Handelsrechts, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd.
1 1974, 277; Scherner, K., Anfänge einer deutschen Handelsrechtswissenschaft
im 18. Jahrhundert, ZHR 136 (1972), 464
Martin von Tours (Sabaria 336?-Candes 8. 11. 397),
nach dem Mars benannter Sohn eines römischen Militärtribuns, gründet nach der
frühen Taufe 361 das erste gallische Kloster Ligugé und wird 371 Bischof von
Tours. Er ist der erste Heilige der römischen Kirche mit öffentlicher
Verehrung, vor allem im fränkischen Reich (Gedenktag am 11. 11.).
Lit.: Nigg, W./Loose, H., Martin von Tours, 1977;
Thull, M., Martin von Tours, 1985
Martini (zu Wasserburg), Karl Anton (1779)
Freiherr (Revo/Süditrol 15. 8. 1726-Wien 7. 8. 1800), Hofratssohn, wird nach
dem Rechtsstudium in Innsbruck (Riegger) und Wien 1753 Professor in Wien für
→Naturrecht (erster Lehrstuhl Österreichs für Naturrecht),
Institutionen und römische Rechtsgeschichte. 1767 verfasst er (lat.) De lege
naturali positiones (Lehrsätze über Naturrecht). Seit 1771 wird er mit Vorarbeiten
an einem Privatrechtsgesetzbuch betraut. 1782 gibt er die akademische Lehre
auf und wird Staatsrat, 1792 zweiter Präsident der obersten Justizstelle. Sein
1793-1795 erarbeiteter Entwurf des Privatgesetzbuchs in drei Teilen (Entwurf
M.) tritt 1797 nach dem Gewinn Galiziens aus der dritten polnischen Teilung als
→Westgalizisches Gesetzbuch in Kraft.
Lit.: Köbler, DRG 142; Juristen in Österreich, hg. v.
Brauneder, W., 1987, 77; Hebeis, M., Karl Anton von Martini, 1996; Karl Anton
von Martini, hg. v. Barta, H. u. a., 2007; Lässer, G., Martinis
Rechtsphilosophie, 2008
Martinus Gosia (Bologna um 1100-1158/1166) ist
einer der vier Doktoren, die 1158 auf dem Reichstag von →Roncaglia
auftreten. Er vertritt Gedanken der Billigkeit (lat. F.
aequitas). Anscheinend stammen von ihm Glossenapparate zu Digesten, Codex und
Institutionen und Schriften wie Materia institutionum, Interesse quandoque, De
computatione graduum, De iure dotium und De adquirenda et retinenda
possessione.
Lit.: Köbler, DRG 105; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G.,
Repertorium manuscriptorum veterum Codicis Iustiniani, 1985; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 170
Marx, Karl (Trier 5. 5. 1818-London 14. 3. 1883), Sohn
eines zwischen 1819 und 1821 vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen
Rechtsanwalts, 1824 vom wenig gelebten Judentum zum Protestantismus übergetreten,
wird nach dem Studium von Recht und Philosophie in Bonn (1835) und Berlin
(Savigny, Gans) Redakteur mit anfangs durchaus wechselnden, der Steigerung des
eigenen Ansehens dienenden Sichtweisen. Am 12. 6. 1843 geht er nach Paris, 1845
nach Brüssel und 1849 nach London. Im Auftrag des Londoner Bundes der
Kommunisten veröffentlicht er mit Friedrich Engels 1848 das
→Kommunistische Manifest. Dem folgen 1859 „Zur Kritik der politischen
Ökonomie“ und 1867 „Das Kapital“, mit denen er den →Marxismus begründet.
·
Lit.: Köbler, DRG 178f., 189, 253; Vysinskij,
A., Fragen des Rechts und des Staates bei Marx, 1938; Bloch, E., Karl Marx und
die Menschlichkeit, 1969; Euchner, W., Karl Marx, 1983; Schefold, C., Die
Rechtsphilosophie des jungen Marx von 1842, 1970; Landau, P., Karl Marx und die
Rechtsgeschichte, TRG 41 (1973), 361; Cerroni, U., Marx und das moderne Recht,
1974; Magnis, F. v., Normative Voraussetzungen im Denken des jungen Marx,
1975; Szabó, I., Karl Marx und das Recht, 1981; Herferth, W., Sachregister zu
den Werken Karl Marx, Friedrich Engels, hg. v. Sandmühler, J., 1983;
Marx-Engels-Begriffslexikon, hg. v. Lotter, K., 1984; Schöncke, M., Karl und
Heinrich Marx, 1993; Ternes, B., Karl Marx, 2008; Mäder, D., Fortschritt bei
Marx, 2010; Sperber, J., Karl Marx - Sein Leben und sein Werk, 2013
(bürgerlicher, eher in die Vergangenheit blickender Patriarch, von dem unklar
ist, warum er zur Leitgestalt einer globalen politischen Bewegung werden
konnte); Marx-Handbuch eben – Werk – Wirkung, hg. v. Quante, M./Schweikard, D.,
2016; Stedman Jones, G., Karl Marx, 2017; Schieder, W., Karl Marx, 2018
Marxismus ist die von Karl →Marx
(1818-1883) begründete Gesellschaftslehre. Der M. ist historischer
Materialismus, dem es darum geht, die Sachverhalte daraufhin zu beurteilen,
wie, zu welchen und zu wessen Zwecken sie herbeigeführt werden, und in der
Geschichte die Entwicklung von sozialen Verhältnissen zu erkennen. Grundlegend
für eine geschichtliche Entwicklungsstufe ist die Art und Weise wie (u. a. mit
welchen Produktionsmitteln) die Menschen ihren Lebensunterhalt bewirken. Die
Produktionsverhältnisse sind die tatsächliche (reale) Basis für einen
geistigen (ideologischen) Überbau. Arbeitsteilung und Eigentumsbildung
entfremden den Menschen von sich selbst. Die besitzende Klasse hält am
jeweiligen Zustand der Produktionsverhältnisse und der zu ihrer Sicherung
geschaffenen Rechtssätze fest, während die ausgebeutete Klasse nach seiner
Veränderung strebt. Durch Revolution wird die jeweilige Basis und damit auch
der Überbau verändert und eine jeweils höherwertige Stufe des sich nach exakten
Gesetzen vollziehenden Geschichtsablaufs erreicht. Das Recht als Teil des
Überbaus ist im Kapitalismus proletarierfeindlich, aber in der vom Sozialismus
unter Führung der Kommunistischen Partei angestrebten klassenlosen
Gesellschaft, in der es weder Not noch Unterdrückung gibt, ebenso überflüssig
wie der Staat. Die Versuche des 20. Jh.s, die Vorstellungen des M. zu
verwirklichen (1917 Sowjetunion, Deutsche Demokratische Republik 1949,
Albanien, Kuba, Nordkorea u. a.), erweisen sich bis zum Ende des 20. Jh.s
(1990) nicht als erfolgreich.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh; Köbler,
DRG 178f., 189, 253; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 937;
Paschukanis, E., Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 1924, Neudruck 1966;
Adler, M., Die Staatsauffassung des Marxismus, 1922, Neudruck 1973; Reich, N., Sozialismus
und Zivilrecht, 1972; Reich, N., Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W.,
Marxistische Rechtstheorie als Kritik des Rechts, 1974; Probleme der
marxistischen Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Nolte, E.,
Marxismus und industrielle Revolution, 1983; Fetscher, I., Karl Marx und der
Marxismus, 1985; Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus, hg. v. Haug,
W., 1994ff.; Schröder, R., Marxismus und Recht, FS K. Kroeschell, hg. v.
Köbler, G. u. a., 1997; Ploenus, M., so wichtig wie das tägliche Brot. Das
Jenaer Institut, 2007; Hunt, T., Friedrich Engels, 2012; Morina, C., Die
Errfindung des Marxismus, 2017
Märzverfassung ist in →Österreich die vom
Kaiser nach dem Sieg über die revolutionäre Bewegung des Jahres 1848 dem
Reichstag in Kremsier am 4. 3. 1849 aufoktroyierte Verfassung, die erstmals die
nichtdeutschen Gebiete Ungarn und Lombardo-Venetien einschließt. Sie stellt
in einem Scheinkonstitutionalismus dem Kaiser den aus Oberhaus und Unterhaus
bestehenden →Reichstag gegenüber. Hinzu kommt in einem eigenen Patent ein
Grundrechtskatalog. Die gesamte Verfassung tritt allerdings trotz Verkündung
nicht in Kraft und wird nach den sie bereits verletzenden Erlässen des Kaisers
vom 20. 8. 1851 (Augusterlässe) unter dem Druck von Adel und Verwaltung am 31.
12. 1851 (→Silvesterpatent) (mit dem Grundrechtspatent) als unangemessen
und unausführbar aufgehoben.
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher; Brauneder, W.,
Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 10. A. 2005
Maschine ist das seit etwa 700 v. Chr. in
der Form von Schöpfwerken nachweisbare, von Menschen zwecks
Arbeitserleichterung hergestellte Gerät mit durch ein Antriebssystem bewegten
Teilen.seit
Lit.: Eberl, U., Smarte Maschinen – Wie künstliche
Intelligenz under Leben verändert, 2016; Taddei, M. u. a., Leonardos Maschinen,
2017
Mascov, Johann Jacob (Danzig 26. 11.
1689-Leipzig 21. 5. 1761), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach dem Studium
der freien Künste und des Rechtes in Leipzig und Halle 1719 außerordentlicher
Professor in Leipzig. Daneben übt er zahlreiche praktische Aufgaben aus. 1729
veröffentlicht er die häufig aufgelegten, in sieben Bücher gegliederten (lat.)
Principia (N.Pl.) iuris publici imperii Romano-Germanici (Grundsätze des
öffentlichen Rechtes des römisch-deutschen Reiches).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972, 284;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988,
307
Maß ist die Messeinheit. Das M. findet sich bereits
vielfach im Altertum. Ausgangspunkt ist das natürliche, vom menschlichen
Körper abgeleitete M. (z. B. Fuß, Elle, Klafter, Schritt). In der Neuzeit wird
dieses mehr und mehr vom künstlich-wissenschaftlichen, international vereinbarten
M. (z. B. Liter, Meter, Gramm) verdrängt, das M. durch rechtliche Bestimmungen
klar festgelegt und gegen Missbrauch geschützt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 176; Grimm, J.,
Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994;
Mulsow, H., Maß und Gewicht der Stadt Basel, 1910; Alberti, H. v., Maß und
Gewicht, 1957; Pfeiffer, E., Die alten Längen- und Flächenmaße, 1986; Groß, F.,
Integration durch Standardisierung – Maßreformen in Deutschland im 19.
Jahrhundert, 2015
Maßnahme der Sicherung und Besserung ist die auf die strafrechtlichen
Reformvorschläge Franz von →Liszts (1882 Marburger Programm) zurückgehende
Maßnahme, statt zu strafen zu sichern und zu bessern. Sie wird (im Dritten
Reich) durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. 11. 1933 verwirklicht.
Danach kann der Richter die Unterbringung eines Täters in einer Heil- und
Pflegeanstalt, in einer Trinkerheilanstalt, in einem Arbeitshaus, in der
Sicherungsverwahrung oder die Entmannung, die Untersagung der Berufsausübung
oder die Reichsverweisung anordnen. Später wird die Besserung der Sicherung
vorangestellt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jelowik,
L., Zur Geschichte der Strafrechtsreform in der Weimarer Republik, 1983; Werle,
G., Zur Reform des Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865;
Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 20 05
Maßnahmegesetz ist das offen oder verdeckt nur für
einen oder wenige Einzelfälle bestimmte Gesetz. Es wird im 20. Jh.
problematisch.
Lit.: Huber, K., Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963
Materialismus ist die geistesgeschichtliche
Strömung, die das gesamte Weltgeschehen vom Stofflichen (Materiellen), nicht
vom Geistigen (Ideellen), her zu erklären versucht. Eine bedeutsame Form des M.
ist der historische M. (→Marxismus).
Lit.: Köbler, DRG 178; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 2 1982, 977; Kautsky, K., Die materialistische Geschichtsauffassung, Bd.
1f. 1927; Kägi, P., Genesis des historischen Materialismus, 1965; Bloch, E.,
Das Materialismusproblem, 1985; Schermaier, M., Materia, 1993; Bund, E.,
Stoischer Materialismus und Dynamismus, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Wittkau-Horgby, A., Materialismus, 1998
materiell (Adj.) gegenständlich, sachlich, inhaltlich,
tatsächlich (im Gegensatz zu formell)
Materielles Recht ist das den Gegenstand betreffende
Recht (z. B. Privatrecht, Strafrecht) im Gegensatz zum formellen Recht
(Verfahrensrecht).
Lit.: Simshäuser, W., Zur Entwicklung des
Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht seit Savigny, 1965;
Kollmann, A., Begriffs- und Problemgeschichte, 1996
Mater semper certa est, pater quem
nuptiae demonstrant
(lat.). Die Mutter ist immer gewiss, Vater ist, wen die Ehe ausweist.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 2, 4, 5)
Mathematik
Lit.: Maurer, B., Mathematik, 2014 (Euklid,
Pythagoras, Newton, Gauß, Leibniz); Tanner, A., Die Mathematisierung des
Lebens, 2017
Mathildische Güter sind die Güter der Markgräfin
Mathilde von Tuszien-Canossa (1046-24. 7. 1117, bezüglich der 139 echte
Urkunden, 15 gefälschte Urkunden und 115 verlorene Urkunden nachweisbar sind,)
in Reggio, Modena, Mantua, Bologna, Parma, Ferrara, Brescia, Verona u. s. w., die bedeutender sind als alle
anderen Güter einer hochadligen Familie in Reichsitalien im Hochmittelalter.
Wohl 1080 gibt die Markgräfin ihre Güter an den Papst (1102 bestätigt). Im
Frühjahr 1111 sichert sie Heinrich V. die Erbfolge in ihre Güter zu. Zwischen
König und Kirche in der Folge umstritten, gelangen die mathildischen Güter im
12./13. Jh. unter die Herrschaft vieler Stadtkommunen.
Lit.: Overmann, A., Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895;
Grimaldi, N., La contessa Matilde, 1928; Studi matildici, 1964; Haverkamp, A.,
Herrschaftsformen der Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Groß, T., Lothar
III. und die Mathildischen Güter, 1990; Golinelli, P., Mathilde und der Gang
nach Canossa, 1998; Die Urkunden und Briefe der Markgräfin Mathilde von
Tuszien, hg. v. Goez, E. u. a., 1998; Goez, E., Mathilde von Canossa, 2012
Matriarchat ist das vom Vorrecht der Frau bzw.
der Mutter geprägte Recht im Gegensatz zum Patriarchat. Eine Zeit des
Matriarchates ist geschichtlich nicht bezeugt. Sie wird aber von Johann Jakob
→Bachofen (1815-87) angenommen (Über das Weiberrecht, 1856).
→Mutterrecht
Lit.: Wesel, U., Der Mythos vom Matriarchat, 1980;
Göttner-Abendroth, H., Das Matriarchat, Bd. 1f. 1988ff., 4. A. 2010
Matrikel ist das bereits dem römischen
Altertum bekannte Verzeichnis von Umständen, das die Kirche fortführt
(→Kirchenbuch). Im Hochmittelalter wird an den Universitäten die
Eintragung in eine M. Voraussetzung für die Teilhabe an den Vorrechten der
Universitätsangehörigen (z. B. Exemtion vom Stadtgericht). Seit dem
Hochmittelalter finden sich auch Listen über die von Fürsten und Städten für
die Heereszüge des Königs zu erbringenden Leistungen, aus denen sich 1422 die
→Reichsmatrikel entwickelt.
Lit.: Sieber, J., Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens,
1910; Falckenheiner, W., Univerisätsmatrikel, 1928; Weißenborn, E., Quellen
und Hilfsmittel der Familiengeschichte, 3. A. 1930, 77; Börsting, H.,
Geschichte der Matrikel, 1959
Matrikularbeitrag ist in der frühen Neuzeit der in
der Reichsmatrikel des Heiligen römischen Reiches festgelegte Beitrag des einzelnen Reichsstands
zum Finanzwesen des Reiches. Auch im zweiten Deutschen Reich bilden die
Matrikularbeiträge der Länder eine wichtige Grundlage für die
Reichsfinanzverfassung. Dabei ist das Reich Kostgänger der Länder.
Lit.: Köbler, DRG 150, 196
Matrimonial Causes Act (1965) ist die das Eherecht betreffende
Zusammenfassung verstreuter gesetzlicher Vorschriften im englischen Recht.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Matrimonium (lat. N.)
ist bei den Römern die als soziale Tatsache mit rechtlichen Wirkungen
angesehene →Ehe (unter Römern).
Lit.: Kaser § 58; Köbler, LAW
matrimonium (lat. [N.] clandestinum (heimliche Eheschließung durch bloßen Konsens
der Beteiligten, seit dem Decretum tametsi 1563 das matrimonium an das
zwingende Formerfordernis der Anwesenheit eines Pfarrers und zweier Zeugen
geknüpft)
Matthaeus (II.), Antonius (Herborn
1601-Utrecht 1654), Rechtsprofessorssohn, wird nach dem Studium des Rechtes in
Marburg und Groningen Professor in Harderwijk (1629) und Utrecht (1634). In
(lat.) De criminibus (1644, Von Verbrechen) behandelt er die Straftatbestände
an Hand der Bücher 47, 48 der Digesten mit Hinweisen auf das zeitgenössische
Recht. In einer systematischen Einleitung legt er allgemeine Sätze über
übergreifende (allgemeine) Fragen (z. B. Schuld, Vorsatz u. s. w.) dar.
Lit.: Schlüter, F., Antonius Mattheus II. aus Herborn,
1929; Zestig Juristen, 1987, 166
Maunz, Theodor (Dachau 1. 9. 1901-Gräfelfing 10. 9. 1993)
wird nach dem Rechtsstudium in München 1937 ordentlicher Professor in Freiburg
im Breisgau und 1952 in München (1943-1945 Wehrdienst, 1948 Mitglied des
Herrenchiemseer Verfassungskonvents, 1957-1964 Kultusminister in Bayern).
Wechselnden politischen Bedingungen geschmeidig angepasst verfasst er nach
1949 ein erfolgreiches Lehrbuch des Staatsrechts und begründet einen wichtigen
Kommentar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Juristen im Portrait, 1988, 553; Stolleis, M.,
Theodor Maunz, Kritische Justiz 1993, 393
Maure (Mohr) ist in der Antike (lat.
Maurus) der Bewohner Nordwestafrikas (Mauretaniens), im Mittelalter der von
dort hauptsächlich nach Spanien ausgreifende Afrikaner (Araber).
Lit.: Hottinger, A., Die Mauren, 2. A. 2005
Maurer, Georg Ludwig Ritter von
(Erpolzheim 2. 11. 1790-München 9. 5. 1872) wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg Richter in der Rheinpfalz, von 1826 bis 1832 Professor in München,
von 1832 bis 1834 Mitglied des Regentschaftsrats Königs Otto von Griechenland
(aus dem Hause Wittelsbach) und 1847 Verweser des bayerischen
Justizministeriums und Außenministeriums. Er veröffentlicht umfangreiche Darstellungen
zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte.
Lit.: Maurer, G. v., Geschichte der Markenverfassung
in Deutschland, 1856; Dickopf, K., Georg Ludwig von Maurer 1790-1872, 1960
Maurer, Konrad von (Frankenthal 29. 4.
1823-München 16. 9. 1902), Sohn des Rechtshistorikers Georg Ludwig von Maurer,
wird nach dem Studium des Rechtes und der Geschichte in München, Leipzig und Berlin
(Homeyer, Richthofen) 1847 außerordentlicher Professor, 1855 ordentlicher
Professor in München. Er veröffentlicht zahlreiche Abhandlungen zur nordischen
Rechtsgeschichte.
Lit.: Mayer, E., Konrad Maurer, ZRG GA 24 (1903), V;
Maurer, K. v., Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1907ff., Neudruck 1965; Amira, K. v., Konrad von Maurer, SB. d. Akad. d. Wiss.
München, 1903
Maut ist im südostdeutschen Sprachgebiet der →Zoll.
Mautern
Lit.: Demelius, H., Aus dem Stadtbuch von Mautern an der Donau (1432
bis 1550), 1972 (SB Wien)
Maximilian I. (Wiener Neustadt 22. 3.
1459-Wels 12. 1. 1519) ist der letzte mittelalterliche König („letzter Ritter“)
des Heiligen römischen Reiches (1486 König, 1490 Graf von Tirol. 1493
Landesherr in allen österreichischen Erbländern, 1508 erwählter römischer Kaiser).
Er fasst, ohne Fürsorge für die Interessen des Reiches, seine habsburgischen
Erbländer zusammen, vermehrt sie durch Heirat um →Burgund (1477) und
bereitet (1515) den Erwerb →Ungarn-Böhmens (1526) und →Spaniens
vor. Auf wohl burgundischem Vorbild beruht seine Verwaltungsreform in Tirol und
Österreich. Im Reich entstehen unter seiner Herrschaft (1495)
→Reichskammergericht, →Reichskreise, →gemeiner Pfennig und
ewiger Landfriede.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 150f., 157; Schmidt, E.,
Die Maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Kaiser Maximilians I.
Weißkunig, hg. v. Musper, H. u. a., 1956; Buchner, R., Maximilian I., 2. A.
1970; Ausstellung Maximilian I., hg. v. Kulturreferat des Landes Tirol, 1969;
Wiesflecker, H., Kaiser Maximilian I., Bd. 1ff. 1971ff.; Wiesflecker, H.,
Maximilian I., 1991; Hollegger, M., Maximilian I., 2005; Rapp. F., Maximilien
d’Autriche, 2007; Maximilian I. 1459-1519, hg. v. Noflatscher, H. u. a., 2011;
Boßmeyer, C., Visuelle Geschichte in den Zeichnungen und Holzschnitten zum
Weißkunig Kaiser Mayimilians I., 2015
Maximiliana
(teilweise wird
die Malefizordnung Maximilians für Trirol von 1499, die leicht abgeändert 1526
in die Landesordnung von Tirol aufgenommen wurde, so genannt)
Maximilianische Verwaltungsreform ist die von König Maximilian I.
wohl nach burgundischem Vorbild durchgeführte Verwaltungsreform. In ihrem
Verlauf bestellt Maximilian in →Tirol 1490 ein Kollegium von 12
Statthaltern für Justiz und Verwaltung für die Zeit seiner Abwesenheit. 1491
schafft er für die Verwaltung der Einkünfte eine besondere →Raitkammer
(in Innsbruck). Beides findet wenig später auch in Niederösterreich Eingang.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Walther, A., Die
Ursprünge der deutschen Behördenorganisation, 1913; Mayer, T., Die Verwaltungsorganisationen
Maximilians I., 1920, Neudruck 1973; Hollegger, M., Maximilian I. und die
Entwicklung der Zentralverwaltung, 1983
Mayer, Otto (Fürth 29. 3. 1846-Hilpertsau 8. 8. 1924),
Abgeordnetensohn, wird nach dem Rechtsstudium u. a. in Berlin (1866/1867) 1872
Rechtsanwalt in Mülhausen, 1882 außerordentlicher Professor und 1887
ordentlicher Professor für französisches Zivilrecht, internationales
Privatrecht, allgemeine Staatslehre und Verwaltungsrecht in Straßburg und 1903
Professor in Leipzig. In seinem unter Übertragung der juristischen Methode
(→Gerber, →Laband) aus dem Staatsrecht gewonnenen Lehrbuch
Deutsches Verwaltungsrecht (1895/1896) bildet er ein nach rechtlichen
Gesichtspunkten systematisch gegliedertes →Verwaltungsrecht (vor allem
der Eingriffsverwaltung) aus (Vorrang des Gesetzes, Vorbehalt des Gesetzes). Im
Mittelpunkt des durch Rechtsvergleichung geschaffenen allgemeinen Teiles des
Verwaltungsrechts steht der (dem französischen Verwaltungsrecht nachgeformte)
→Verwaltungsakt.
Lit.: Köbler, DRG 199; Die Rechtswissenschaft in
Selbstdarstellungen, hg. v. Planitz, H., 1924, 153, 175; Dennewitz, B., Die
Systeme des Verwaltungsrechts, 1948, 122; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des
liberalen Rechtsstaates, 1967; Heyen, E., Otto Mayer, 1981; Hueber, A., Otto
Mayer, 1982; Schmid-De Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers,
1999; Dewitz, R., Der Vertrag in der Lehre Otto Mayers, 2004
Mazedonien →Makedonien
Mecheln, Mechelen erscheint im 9. Jh.
(Malinas 870) und gelangt über das Hochstift Lüttich, Flandern (1357), Burgund
(1369) an Habsburg (1477) und von dort über die Niederlande an Belgien (1830).
1490 wird die erste moderne Postverbindung von Innsbruck nach M. eingerichtet.
Lit.: Maes, L., Vijf eeuwen stedelijk strafrecht,
1947; De Geschiedenis van Mechelen, hg. v. Uytven, R. van, 1991
Mecklenburg ist ein nach der 995 erstmals
erwähnten Burg Michelenburg bei Wismar benanntes, dünn besiedeltes, 1701 in
Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz geteiltes, zum 1. 1. 1934 wieder
zusammengefasstes Land, das 1945 mit Vorpommern verbunden wird und
herkömmliche Zustände verhältnismäßig lang bewahrt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 176; Neue Sammlung mecklenburgischer Landesgesetze, Bd. 1ff. 1769;
Mecklenburger Urkundenbuch, Bd. 1ff. 1863ff.; Böhlau, H., Mecklenburgisches
Landrecht, Bd. 1ff. 1871ff.; Buchka, G. v., Landesprivatrecht der Großherzogtümer
Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 1905; Ihde, R., Amt Schwerin,
1912; Bredt, J., Die mecklenburgische Ständeverfassung und das Reichsrecht,
1914, Neudruck 2013; Krause, H., System der landständischen Verfassung
Mecklenburgs, 1927; Hoffmann, K., Die Stadtgründungen Mecklenburg-Schwerins,
1930; Mecklenburgische Bauernlisten des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. v. d.
Urkundenbuchkommission, Heft 1f. 1937f.; Hamann, M., Das staatliche Werden
Mecklenburgs, 1962; Molitor, E., Der Entwurf eines mecklenburgischen
Landrechts, ZRG GA 61 (1941), 208; Ballschmieter, H., Andreas Gottlieb von
Bernstorff und der mecklenburgische Ständekampf 1680-1720, 1962; Die
mecklenburgischen Kaiserbederegister, hg. v. Engel, F., 1968; Hamann, M.,
Mecklenburgische Geschichte, 1968; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,3,2908; Wieden, H. bei der, Grundriss zur deutschen
Verwaltungsgeschichte 1815-1945, B XII (Mecklenburg), 1976; Petersohn, J., Der
südliche Ostseeraum, 1979; Stammer, M., Die Anfänge des mecklenburgischen
Liberalismus, 1980; Moldenhauer, R., Grenzen und Grenzbeschreibungen in
Mecklenburg, ZRG GA 98 (1981), 236; Moldenhauer, R., Terra deserta, ZRG GA 104
(1987), 190; 1000 Jahre Mecklenburg, 1995; Brunner, D., Der Schein der
Souveränität, 2006; Die früh- und hochmittelalterliche Siedlungsentwicklung im
nördlichen Mecklenburg im Lichte der Ortsnamen, hg. v. Foster, E. u. a., 2007 Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen
Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007; Buddrus, M. u. a.,
Landesregierung und Minister in Mecklenburg 1871-1952, 2012; Busch, M.,
Machtstreben – Standesbewusstsein – Streitlust – Landesherrschaft und Stände,
2013; Strahl, A., Das Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin im ersten Weltkrieg,
2015); Mecklenburgisches Klosterbuch, hg.v. Huschner, W. u. a.,
2016 (43 Institutionen)
Mecklenburg-Vorpommern ist seit 3. 10. 1990 ein Bundesland der
Bundesrepublik Deutschland, das in der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik aus Mecklenburg und dem westlich der Oder gelegenen Teil Pommerns
gebildet wurde.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kurzer Abriss der mecklenburgischen und
vorpommerschen Verfassungsgeschichte, verantw. v. Kuhn, H., 2007;
Schwießelmann, C., Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands in
Mecklenburg und Vorpommern, 2010; Busch, M., Machtstreben, Standesbewusstsein
Streitlust, 2012; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in
den Ländern der SBZ/DDR 1945-1952, 2015
mediani (lat. M.Pl.)
mittlere ([als Stand] im alemannischen Volksrecht des Frühmittelalters)
Mediatisierung ist die Mittelbarmachung
reichsunmittelbarer Reichsglieder (z. B. Reichsstädte, Reichsritter)
insbesondere durch den →Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803
und Art. 24 der Rheinbundakte vom 12. 7. 1806 (nahezu 70 bisher souveräne
Landesherrschaften). Die dabei mittelbar gemachten (d. h. der Herrschaft eines
anderen Landesherrn wie etwa Badens, Bayerns oder Württembergs eingegliederten)
ehemaligen Reichsunmittelbaren behalten noch während des 19. Jh.s gewisse
Vorrechte (z. B. →Patrimonialgerichtsbarkeit, →Familienfideikommiss).
Lit.: Köbler, DRG 132, 149; Gollwitzer, H., Die
Standesherren, 1957, 2. A. 1964; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Facius, C., Zwischen Souveränität und Mediatisierung,
FS H. Tümmler, 1977, 163; Schier, R., Die Standesherren, 1978;
Achtzehnhundertunddrei, hg. v. Schmid, P. u. a., 2003; Gläser, S., Die
Mediatisierung der Grafschaft Wertheim, 2006
Mediävistik (F.) Mittelalterkunde
Lit.: Ius Romanum medii aevi, 1961ff.; Dilcher, H.,
Zur Einführung - Romanistische Mediävistik, JuS 6 (1966), 387; Lexikon des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1980ff.; Sachwörterbuch der Mediävistik, hg. v.
Dinzelbacher, P., 1992; Goetz, H., Moderne Mediävistik, 1999; Mediävistik im
21. Jahrhundert, hg. v. Goetz, H., 2003; Weichselbaumer, R., Mittelalter
virtuell – Medävistik im Internet, 2005; Die deutschsprachige Mediävistik im
20. Jahrhundert, hg. v. Moraw, P. u. a., 2005; Mittelalter im Labor, hg. v.
Borgolte, M. u. a., 2008
Medici ist die seit dem frühen 13. Jh.
bezeugte, innerhalb dreier Generationen aufgestiegene, im 16. Jh. zu Herzögen
von Florenz (1531) und Großherzögen von Toskana (1569) erhobene Geldwechslerfamilie
in Florenz, die 1737 erlischt.
Lit.: Rubinstein, N., The Government of Florence under
the Medici, 1966; Clarke, P., The Soderini and the Medici, 1991; Brown, A., The
Medici in Florence, 1992; Lorenzo de Medici, hg. v. Toscani, B., 1993; Reinhardt,
V., Die Medici, 1998; Walter, I., Der prächtige Lorenzo de Medici, 2003; I
Medici in rete, hg. v. Cotta, I. u. a., 2003; Martines, L., Die Verschwörung,
2004; Reinhardt, V., Geld und Freunde, 2009; Schwarz, J., Die Medici, 2010;
Tewes, G., Kampf um Florenz - Die Medici im Exil, 2011
Medingen
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v.
Homeyer, J., 2006
Medium (N.) Mittel, insbesondere das
Wissensverbreitungsmittel wie Buch, Zeitung, Rundfunk, Fernsehen
Lit.: Faulstich, W., Die Geschichte der Medien, Bd. 1
1997; Geschichte der Medien, hg. v. Fassler u. a., 1998; Von Almanach bis
Zeitung, hg. v. Fischer, E. u. a., 1999; Wilke, J., Grundzüge der
Mediengeschichte, 2000; The Mediation of Symbols in Late Medieval and Early
Modern Times, hg. v. Suntrup, R., 2005; Wenzel, H., Mediengeschichte vor und
nach Gutenberg, 2007; Zimmermann, C., Medien im Nationalsozialismus, 2007;
Ross, C., Media and the Making of Modern Germany, 2008; Würgler, A., Medien in
der frühen Neuzeit, 2009, 2. A. 2013; Medien im Nationalsozialismus, hg. v.
Heidenreich, B. u. a., 2010; Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts, hg.
v. Daniel, U. u. a., 2010; Kontrolle und Nutzung - Medien in geistlichen
Gebieten Europas 1680-1800, hg. v. Pelizaeus, L. u. a., 2011; Vesting, Thomas,
Die Medien des Rechts – Sprache, Schift, Buchdruck, Computernetzwerke, 2011ff.;
Faulstich, W., Die Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts, 2012; Hachmeister, L.
u. a., Wer beherrscht die Medien?, 2017 (Google, Apple, Facebook, Amazon)
Medizin (Heilkunst) →gerichtliche
Medizin
Lit.: Schmidt,
A., Medizinisches aus deutschen Rechtsquellen, FS Benno Schmidt, 1896;
Niederhellmann, A., Arzt und Heilkunde in den frühmittelalterlichen Leges,
1983; Die Geschichte des medizinischen Denkens, hg. v. Grmek, M.,
1996; Porter, R., Die Kunst des Heilens, 2000; Pfeifer, K., Medizin der
Goethezeit, 2000; Klee, E., Deutsche Medizin im Dritten Reich, 2001; Künzl, E.,
Medizin in der Antike, 2002; Jankrift, K., Krankheit und Heilkunde im
Mittelalter, 2003; Steger, F., Asklepiosmedizin, 2004; Bergdolt, K., Das
Gewissen der Medizin, 2004; Nutton, V., Ancient Medicine, 2004; Antike Medizin,
hg. v. Leven, K., 2005; Rzihacek-Bedö, A., Medizinische Wissenschaftspflege im
Benediktinerkloster Admont bis 1500, 2005; Medicina e società nel mondo antico,
hg. v. Marcone, A., 2006; Eckart, W. u. a., Medizingeschichte, 2007, 2. A.
2014; Huber, H., Geschichte der medizinischen Fakultät Innsbruck, 2010; Ernst,
W., Beschwörungen und Segen, 2011; Eckart, W., Medizin in der NS-Diktatur,
2012; Boudon-Millet, V., Galien de Pergame, 2012; Être médecin à la vour, hg.
v. Andretta, E. u. a., 2013; Eckart, W., Medizin und Krieg - Deutschland
1914-1924, 2014; Eckart, W., Medizin und Krieg – Deutschland 1914-1924, 2014;
Herzblut, 2014; Schwart, M. u. a., Robert Koch und Louis Pasteur, 2015; Alt,
P., Sigmund Freud, 2016 (nicht unproblematisch); Flashar, H., Hippokrates –
Meister der Heilkunst, 2016 (460-370 v. Chr.); Geisthövel, A./Hess, V.,
Medizinisches Gutachten – Geschichte einer neuzeitlichen Praxis, 2017
medum (Ackerland, Ackerabgabe in
der Erzdiözese Trier zwischen 900 und 1300)
Lit.: Kienast, R., medum-land, (in) Antiquitates
Germanicae, 1974, 57
Meer ist allgemein der von Salzwasser bedeckte, größere
Teil der Erdoberfläche. Das M. ist grundsätzlich frei (lat. mare N.
liberum). Im römischen Recht steht auch die Meeresküste als (lat.) res (F.)
communis (allgemeine Sache) dem Gebrauch aller Menschen offen. Im Mittelalter
bewirkt die Zusammenfassung einzelner Herrschaftsrechte (Regalien) in der
Hand der Landesherren die Beanspruchung der Meeresküste als Recht des
Landesherrn. In der Neuzeit wird von hier aus weiter auf das Meer ausgegriffen
(3 Seemeilen, 12 Seemeilen, 200 Seemeilen). Im Übrigen gilt für das M. das
→Völkerrecht.
Lit.: Grotius, H., Mare
liberum, 1609; Fahl, G., Der Grundsatz der Freiheit der Meere in der
Staatenpraxis von 1493-1648, 1969; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007; Kempe, M., Fluch der Weltmeere, 2010
Meersburg
Lit.: Widemann, B., Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Meersburg,
1958
Megelle (Buch der Weisheit) ist das von
1869 bis 1876 in 16 Bänden herausgegebene und 1877 in Kraft gesetzte
Zivilgesetzbuch des osmanischen Reichs auf der Grundlage des islamischen
Rechtes (Saria). Die M. gilt in der Türkei bis 1926, in Albanien bis 1928, im
Libanon bis 1932, in Syrien bis 1949, im Irak bis 1953 und auf Zypern bis in
die 60er Jahre des 20. Jh.s. Ihr wichtigster Redaktor ist der Richter und
Justizminister Ahmad Gawdat Pasa (1822-1895).
Lit.: Dilger, K., Tendenzen zur Rechtsentwicklung,
(in) Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989, 170
Megenberg, Konrad von (1309-Regensburg 14.?
4. 1374), Ministerialensohn (Mäbenberg?/Mittelfranken), wird nach der Schule
in Erfurt und dem Studium der freien Künste in Paris Domherr in Regensburg.
1354 veröffentlicht er die Karl IV. gewidmete Schrift (lat.) De translatione
imperii Romani (Von der Übertragung des römischen Reichs), in der er die
Auffassung vertritt, dass der Papst die Wahl des deutschen Königs billigen
müsse.
Lit.: Ibach, H., Leben und Schriften des Konrad von
Megenberg, 1938; Konrad von Megenberg und sein Werk, hg. v. Märtl, C., 2006;
Konrad von Megenberg. Regensburger Domherr, Dompfarrer und Gelehrter
(1309-1374). Ausstellung, 2009; Konrad von Megenberg, Lacrima ecclesie, hg. v.
Colberg, K., 2010
Mehrer des Reiches (Lüs. von lat. M.
Augustus) ist seit dem 14. Jh. ein Titel des Kaisers des Heiligen römischen
Reiches .
Lit.: Bucklisch, M., „Augustus“, Diss. phil. Münster
1957; Wolfram, H., Intitulatio II, 1973, 174
Mehrheit (Majorität) ist der größere von
zwei (oder mehr) Teilen einer Personengesamtheit. Der Grundsatz, dass eine M.
von Stimmen einer von mehreren unterschiedlichen Meinungen zum Sieg verhilft,
ist bereits in den Versammlungen in den Stadtstaaten Griechenlands und in Rom
anerkannt. Die christliche Kirche übernimmt die auch in den →Digesten
Justinians vertretene Vorstellung (D. 50. 1. 19, 50. 17. 160. 1) zunächst
nicht, sondern strebt die Einstimmigkeit an. Seit dem 4. Jh. zieht sie die M.
in der Form der größeren Qualität vor (lat. sanior pars F.).
Im 12. Jh. anerkennt sie den Grundsatz der M. Im deutschen, zunächst der
Einstimmigkeit zuneigenden Recht ist der Grundsatz der M. bei der Königswahl
seit der Mitte des 13. Jh.s bedeutsam und setzt sich 1338 durch. Im Reichstag
gilt dies nur von Fall zu Fall.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 109;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3 1982, 1021; Gierke, O. v., Das deutsche
Genossenschaftsrecht, Bd. 2 1873, Neudruck 1954; Starosolskyj, W., Das
Majoritätsprinzip, 1916; Elsener, F., Zur Geschichte des Majoritätsprinzips,
ZRG KA 73 (1956), 73, 560; Scheuner, U., Das Mehrheitsprinzip in der
Demokratie, 1973; Schlaich, K., Maioritas, ZRG KA 94 (1977), 264; Battenberg,
J., Das römisch-deutsche Königtum und die Legitimation mehrheitlicher Entscheidungen
im Spätmittelalter, ZRG GA 103 (1986), 1; Mehrheitsprinzip, Konsens und
Verfassung, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1986; Glomb, A., Sententia
plurimorum, 2008; Flaig, E., Die Mehrheitsentscheidung, 2012; Genesis und
Dynamiken der Mehrheitsentscheidung, hg. v. Flaig, E., 2013; Ernst, W.,
Rechtserkenntnis durch Richtermehrheiten, 2016; Orgad, L., The Cultural Defense
of Nations, 2015
Mehrheitswahlrecht ist das Wahlrecht, bei dem die
Mehrheit der Stimmen (eines Wahlkreises) entscheidet und die für andere
Bewerber abgegebenen Stimmen personell nicht berücksichtigt werden (z. B.
England plurality voting system).
Lit.: Köbler, DRG 257; Scheuner, U., Das
Mehrheitsprinzip, 1973
Mehrverkehr (M.) Geschlechtsverkehr einer Frau mit
mindestens zwei Männern (Beweis des Mehrverkehrs dinet der Widerlegung der
Vaterschaftsvermutung)
Meier (zu lat. maior M.
der Größere) ist in der frühmittelalterlichen →Grundherrschaft der
Verwalter des Grundherrn (lat. villicus M.).
Seit dem Hochmittelalter (12./13. Jh.) strebt er nach Selbständigkeit.
Daraufhin vergibt der Grundherr (vor allem in Nordwestdeutschland) die
Grundherrschaft(sverwaltung) nur noch auf Zeit gegen festen Zins
(Meierrecht).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2: Wittich, W., Die
Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, 1896; Dopsch, A., Herrschaft und Bauer,
2 A. 1964; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen
Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Rösener, W., Grundherrschaft im Wandel, 1991; Simon, T.,
Grundherrschaft und Vogtei, 1995
Meiergericht ist das Gericht einer
Grundherrschaft unter dem Vorsitz des →Meiers. Das M. begegnet seit dem
Hochmittelalter. In der Neuzeit wird es vom Landesherrn zurückgedrängt und
endet im 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Höngger Meiergerichtsurteile,
hg. v. Stutz, U., 1912; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 343; Heikaus, H., Hofgerichte und
Hofrecht, 1970
Meierhof →Meier, Hof
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Meierordnung ist das partikulare Gesetz des 18.
Jh.s über das →Meierrecht (z. B. Paderborn 1765, Calenberg 1772, Entwurf
Lüneburg 1799ff., Osnabrückische Eigentumsordnung 1722).
Meierrecht ist ein gewohnheitsrechtlich entstandenes
bäuerliches Besitzrecht in Nordwestdeutschland (Niedersachsen, Westfalen).
Es ist ein (tatsächlich erbliches,) dingliches Recht zur Bewirtschaftung eines
fremden Gutes gegen Abgaben (Meierzins) und zwar eine Form der Pacht.
→Abmeiern
Lit.: Gesenius, C., Das Meyerrecht, Bd. 1f. 1801ff.;
Pfeiffer, W., Das deutsche Meierrecht, 1848; Niemeyer, F., Das Meierrecht in
der Grafschaft Hoya, 1862; Turner, G., Das Calenberger Meierrecht, 1960;
Illemann, H., Bäuerliche Besitzrechte im Bistum Hildesheim, 1969
Meiji-Verfassung (1889) →Japan
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Meineid ist das vorsätzliche falsche
Schwören des Täters vor Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden
zuständigen Stelle. Im römischen Recht wird, von bestimmten Sonderfällen (z. B.
lat. →falsum N., stellionatus M.
oder →crimen N. laesae maiestatis)
abgesehen, der M. nicht rechtlich verfolgt. Ob die Germanen eine Strafe für M.
kennen, ist zweifelhaft. Im Frühmittelalter folgt dem falschen Schwören
überwiegend eine →Buße oder das →Wergeld. Die (lat.) Lex (F.)
Saxonum sieht für den M. in der Kirche den Tod vor. In Kapitularien wird
Handverlust angedroht. Dem folgt der Sachsenspiegel (1221-1224). Die
Constitutio Criminalis Carolina (1532) schreibt für den M. vor Gericht den
Verlust der beiden Schwurfinger vor. In der zweiten Hälfte des 18. Jh.s werden
christliche Aspekte zurückgedrängt und danach durch den Schutz der
Allgemeinheit ersetzt. Das 19. Jh. schränkt den M. auf den gerichtlichen
vorsätzlichen Falscheid ein.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Hirzel, R., Der Eid, 1902,
Neudruck 1966; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
9; Scheyhing, R., Eide, Amtsgewalt und Bannleihe, 1960; Vormbaum, T., Eid,
Meineid und Falschaussage, 1990; Ries, G., Zur Strafbarkeit des Meineids, FS D.
Medicus, 1999, 457
Meinhardiner ist der Angehörige der nach ihrem Leitnamen
Meinhard bezeichneten Familie der Grafen von Görz (1077-1500), die zeitweilig
auch in Tirol (bis 1363), Kärnten (1286-1335), Krain und Böhmen (1307-1310)
herrscht und bei ihrem Aussterben (1363/1374/1500) ihre Güter an die Familie
der Habsburger vererbt.
Meinung (Ansicht) →herrschende
Meinung
Meinungsfreiheit ist die Freiheit jedes Menschen,
seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten und sich
aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Sie wird von
der Aufklärung des 18. Jh.s (→Kant) gefordert und im 19. Jh. als
→Grundrecht durchgesetzt.
Lit.: Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und
Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts
(in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995,
121; Meinungsfreiheit, hg. v. Schwartländer, J. u. a., 1986
Meißen
Lit.: Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen
1196-1234, 1898ff.;Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der
Markgrafen von Meißen, 1956; Pannach, H., Das Amt Meißen, 1960; Ludwig, T., Die
Urkunden der Bischöfe von Meißen, 2005
Meißener Rechtsbuch ist das zwischen 1357 und 1387 von
einem unbekannten Verfasser (in Zwickau?) für Städte sächsischen und Magdeburger
Rechtes in der Markgrafschaft Meißen (mit Osterland, Pleißnerland und
Vogtland), Sachsen, Thüringen, Westfalen, Brandenburg, Polen und Böhmen geschaffene,
in 76 vollständigen und 21 teilweise erhaltenen Handschriften überlieferte
Rechtsbuch (eyn buch dez rechten in wichbilde in sechsisszer art), das in der
Literatur auch als Rechtsbuch nach Distinktionen, schlesisches Landrecht oder
vermehrter Sachsenspiegel benannt wird. Es gliedert sich in 5 bis 8 Bücher,
Kapitel und Distinktionen. Erfasst sind Privatrecht, Gerichtsverfassung, Strafrecht,
Stadtverfassung, Stadtrecht und Reichsrecht. Quellen sind
→Sachsenspiegel Landrecht, Magdeburger Weichbildrecht, Goslarer Stadtrecht
und Zwickauer Rechtsbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Ortloff, F.,
Das Rechtsbuch nach Distinktionen, 1836; Voltelini, H. v., Ein Bruchstück des
Rechtsbuchs nach Distinktionen im Landesarchiv in Klagenfurt, ZRG GA 44 (1924),
316; Weizsäcker, W., Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuchs in Böhmen und
Mähren, ZRG GA 58 (1938), 584; Ullrich, G., Zu den Quellen des Meißener
Rechtsbuchs, Deutschrechtl. Archiv 1 (1940), 87; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 55; Das Meißner Rechtsbuch, hg. v.
Spáčil, V. u. a., 2010
Meister (zu lat. M.
magister) ist allgemein der Könner und Lehrer, im besonderen der die
Meisterprüfung in einem →Handwerk bestehende Geselle.
Lit.: Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985
Mejora (F.) ist der im Frühmittelalter ausgebildete,
zugunsten der ehelichen Abkömmlinge frei verfügbare Vermögensteil des
spanischen Rechtes.
Lit.: Elfgen, A., Die Mejora, 1962
Melanchthon (Schwarzerd), Philipp (Bretten 16.
2. 1497-Wittenberg 19. 4. 1560) wird 1518 Professor für Griechisch in
Wittenberg und entwickelt sich zu einem führenden lutherischen Humanisten. Er
steht zwischen naturrechtlichen Vorstellungen des Mittelalters und dem
Vernunftrecht der frühen Neuzeit und betont die relativ gute Verwirklichung
natürlicher Rechtssätze im römischen Recht. Bei M. ist die →lotharische
Legende belegt.
Lit.: Mayer, H., Die Strafrechtstheorie bei Luther und
Melanchthon, FG J. Binder, 1930, 77; Bauer, C., Melanchthons Naturrechtslehre,
1951; Kisch, G., Melanchthons Rechts- und Soziallehre, 1967; Deflers, I., Lex
und ordo, 2005; Kuropka, N., Melanchthon, 2010
Melderecht ist die Gesamtheit der die Meldung
bzw. Anmeldung und Abmeldung eines Menschen an einem Ort bei der staatlichen
Verwaltung betreffenden Rechtssätze (z. B. Preußen 1842).
Melfi in Süditalien ist ein bevorzugter
Ort der Staufer, in dem 1231 Kaiser Friedrich II. die →Konstitutionen von
M. verkündet.
Lit.: Kamp, N., Kirche und Monarchie, 1975
melior (lat. M.)
der Bessere
Meliorat (N.) aus den (lat.) meliores
(M.Pl., Besseren) gebildete Bevölkerungsgruppe
Lit.: Planitz, H., Zur Geschichte des städtischen
Meliorats, ZRG GA 67 (1950), 141
Melo Freire dos Reis, Pasco al José de (1738-1798) wird
nach dem Rechtsstudium in Coimbra (1757) Lehrer des Rechtes (seit 1772 des
vaterländischen Rechtes portug. direito
pátrio). Er verfasst das erste System des portugiesischen Rechtes (lat.
Historia F.
iuris civilis lusitani, Geschichte des portugiesischen bürgerlichen Rechtes,
1788, Institutiones F.Pl. iuris civilis
lusitani tam publici quam privati, Einrichtungen des portugiesischen
öffentlichen und privaten Rechtes, 1789, Institutiones iuris criminalis
lusitani, Einrichtungen des portugiesischen Strafrechts, 1789). 1805 werden
seine wichtigsten Schriften Pflichtgegenstand der selbständigen portugiesischen
Rechtsausbildung.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,1,713, 3,2,2466
Memmingen
Lit.: Blickle, P., Memmingen, 1967
Memoria (lat. [F.]) Erinnerung, Gedächtnis
Lit.: Iwanami, A., Memoria et oblivio, 2004; Memoria, hg. v. Borgolte,
M. u. a., 2005; Schwedler, G., Vergessen, verndern, verschweigen und damnatio
memoriae im frühen Mittelalter, 2017
Menger (von Wolfensgrün), Anton (Maniow
12. 9. 1841-Rom 6. 2. 1906) wird nach dem Rechtsstudium in Krakau (1858) und in
Wien (1860) Advokat und 1875 außerordentlicher Professor, 1877 ordentlicher
Professor für Zivilprozesrecht in Wien. Bekannt wird er durch seine Kritik am
ersten Entwurf des deutschen →Bürgerlichen Gesetzbuchs (Das bürgerliche
Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1889/1890). Eine gewisse tatsächliche
Wirkung des bedeutenden Kathedersozialisten (Juristensozialisten) erfolgt über
Franz →Klein (24. 4. 1854-6. 4. 1926) auf das österreichische
Zivilprozessrecht.
Lit.: Köbler, DRG 183; Kästner, K., Anton Menger,
1974; Müller, E., Anton Mengers Rechts- und Gesellschaftssystem, 1975; Hörner,
H., Anton Menger, 1977; Männer um die österreichische Zivilprozessordnung
1895, 1990, 11
Menhir (M.) Dolmen, vorgeschichtliche
Steinsäule
Menocchio, Jacopo (1532-1607), Steuerpächterssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in Pavia (Alciat) Professor in Pavia (1556),
Mondovi (1561), Padua (1566) und Pavia (1589). Er verfasst zahlreiche
privatrechtliche Traktate.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1
1977, 326
Mensch ist das durch Verstand ausgezeichnete
Lebewesen. Während aus dem Tier-Mensch-Übergangsfeld bereits vor 7 Millionen
Jahren Australopithecine (Südaffen) in Afrika heraustreten (erste Steingeräte
vor 2,7 Millionen Jahren, Wandlung vom Vegetarier über den Aasfresser zum
späteren Jäger, Feuernutzung (mit Kommunikationsanreiz?) vor mehr als einer
Million Jahren, älteste bisher bekannte Keramik bei Wildbeutern noch der späten
Altsteinzeit), entsteht (der Neandertaler vielleicht vor 160000 Jahren und) der
moderne M. wohl in Ostafrika möglicherweise vor 100000 Jahren und wandert
vielleicht vor 40000 Jahren nach Südafrika und Asien sowie Europa, wo er
anscheinend vor 12000 Jahren im fruchtbaren Halbmond (Zweistromland, Anatolien,
Gebiet zwischen dem westlichen Zagrosgebirge und der Levante) erste Hochkulturen entwickelt. Durch
zahlreiche mittels seiner bisher freilich nicht wirklich lesbaren Hirnströme
mögliche Entdeckungen und Erfindungen schwingt er sich zum Herrscher über die
Erde auf und setzt für das zwischenmenschliche Verhalten das Recht durch.
Lit.: ; Borck, C., Hirnströme, 2005, Neudruck2015Silies, E., Liebe,
Lust und Last. Die Pille, 2011; Dehaene, S., Denken, 2014; Tomasello, M., Eine
Naturgeschichte des menschlichen Denkens, 2014; Parzinger, H., Die Kinder des
Prometheus. Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift. 2014;
Engelmeier, H., Der Mensch, der Affe, 2015; Homo – Epochale Urmenschen-Funde
aus fünf Weltregionen, hg. v. Hessisches Landesmueseum Darmstadt, 2015; Van
Schalk, C. u. a., Das Tagebuch der Menschheit, 2016; Hetterich, H., Mensch und
„Person“ – Probleme einer allgemeinen echtsfähigkeit, 2016
Menschenraub ist die Straftat, bei der sich der
Täter eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt. Bereits die
römische (lat.) lex (F.) Fabia de plagiariis (fabisches Gesetz über
Straßenräuber, nach 88 v. Chr.) stellt den M. (lat. N.
plagium) unter Strafe (Geldstrafe, später Todesstrafe). Die
frühmittelalterlichen →Volksrechte sehen (mehrfaches) Wergeld für M. an
einem Freien vor. Der →Sachsenspiegel (1221-1224) setzt den M. dem
Totschlag gleich. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (1871) droht (für
bestimmte Fälle) Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr an.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961, 780; Nehlsen, M., Sklavenrecht, 1972, 263; Menschenraub,
Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner Perspektive, hg. v.
Heinen, H., 2008
Menschenrecht ist das dem Menschen als solches
(gegenüber dem Staat) zustehende angeborene, unveräußerliche, unantastbare
Recht. Als Vorläufer allgemeiner, dem Zugriff des Staates entzogener
→Grundrechte sehen nach dem Altertum (Stoiker, Cicero) schon im
Mittelalter einzelne naturrechtliche Theoretiker (Thomas von Aquin 1225-1274)
Leben, Freiheit und Eigentum. 1776 werden fundamentale Rechte in die
amerikanische, von George Mason (1725-1792) entworfene →Virginia Bill of
Rights aufgenommen. Davon beeinflusst werden in Frankreich (26. 8. 1789)
allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit, Weltbürgertum) proklamiert.
Von den Vereinten Nationen wird (Resolution der Vollversammlung der Vereinten
Nationen in Paris in dem Palais de Chaillot 10. 12. 1948) eine (noch) nicht
verbindliche (Deklaration) allgemeine Erklärung der Menschenrechte (mit 30
Artikeln), von den Mitgliedstaaten des Europarates am 4. 11. 1950 eine nach
Ratifizierung durch 10 Staaten am 3. 9. 1953 in Kraft getretene Europäische
Konvention der Menschenrechte beschlossen. Menschenrechte als verfassungsrechtlich
gewährleistete Rechte jedes Menschen setzen den Bestand einer Verfassung in
formellem Sinn voraus.
Lit.: Köbler, DRG 191, 246, 255; Jellinek, G., Die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, 4. A. 1927; Hartung, F./Commichau,
G./Murphy, R., Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, 6. A. 1998;
Lauterpacht, H., International Law and Human Rights, 2950; Zur Geschichte der
Erklärung der Menschenrechte, hg. v. Schnur, R., 2. A. 1974; Die
Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 3. A. 1982; Thomann, M.,
Rechtsphilosophie und rechtsgeschichtliche Etappen der Idee der
Menschenrechte, FS H. Thieme, 1983; Oestreich, G., Geschichte der
Menschenrechte, 2. A. 1978; Begründung der Menschenrechte, hg. v.
Müller-Schmid, P., 1986; Frowein, J., Der europäische Menschenrechtsschutz, JuS
1986, 845; Menschen- und Bürgerrechte, hg. v. Klug, U. u. a., 1988; Hofmann,
H., Zur Herkunft der Menschenrechtserklärungen, JuS 1988, 841; Birtsch, G. u.
a., Grundfreiheiten, Menschenrechte 1500-1850, Bd. 1ff. 1991f.; International
Human Rights, hg. v. Ermacora, F. u. a., 1993; Böhme, H., Politische Rechte des
Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Brieskorn, N., Menschenrechte, 1996;
Schmale, W., Archäologie der Grund- und Menschenrechte, 1997; Die
Menschenrechte in Deutschland, hg. v. Hutter, F. u. a., 1997; Die
Menschenrechte, hg. v. Heidelmeyer, W., 4. A. 1997; Berka, W., Die Grundrechte,
1999; Müller, S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel Pufendorf? 2000; Human
rights and legal history, hg. v. O’Donovan, K. u. a. 2000; Lamprecht, O., Das
Streben nach Demokratie, Volkssouveränität und Menschenrechten in Deutschland
am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lim, M., Der Begriff der Autonomie und des
Menschenrechts bei Kant, 2002; Brade, L., Die Aberkennung der Menschenrechte In
Deutschland zwischen 1933–1945, 2001; Blickle, P., Von der Leibeigenschaft zu
den Menschenrechten, 2003; Edmundson, W., An Introduction to Rights, 2004, 2. A.
2012; Moorman van Kappen, O., Zur holländischen Erklärung der Menschen- und
Bürgerrechte von 1795, ZRG GA 122 (2005), 318; Ludescher, M., Menschenrechte
und indigene Völker, 2004; Girardet, K./Nortmann, U., Menschenrechte und
europäische Identität, 2005; Meyer-Ladewig, J., Europäische Menschenrechtskonvention,
2. A. 2006; Bloch, T., Die Stellungnahmen der römisch-katholischen Amtskirche
zur Frage der Menschenrechte seit 1215, 2008; Wolgast, E., Geschichte der
Menschen- und Bürgerrechte, 2009; Moralpolitik - Geschichte der Menschenrechte
im 20. Jahrhundert, hg. v. Hoffmann, S., 2010; Snyder, S., Human Rights
Activism nd the End of the Cold War, 2011; Davidson, A., The Immutable Laws of
Mankind, 2012; Martinez, J., The Slave Trade and the Origins of International
Human Rights Law, 2012; Peterson, C., Globalizing Human Rights, 2012Vom Recht
auf Menschenwürde, hg. v. Leutheusser-Schnarrenberger, S., 2013; Eckel, J., Die
Ambivalenz des Guten, 2014, 2. A. 2015; Kaleck, W., Mit Recht gegen die Macht,
2015; Menschenrechte und Geschichte, hg. v. Schraut, S. u. a., 2015; Recht auf
Wahrheit – Zur Genese eines neuen Menschenrechts, hg. v. Brunner, J. u. a.,
2016; Die Begründung der Menschenrechte, hg. v. Wasmaier-Sailer, M. u. a.,
2017; Duranti, M., The Conservative Human Rights Revolution – European Identiy,
Transnational Politics and the Origins of the European Convention, 2017
Menschenrechtler ist, wer sich für die
Menschenrechte anderer uneigennützig einsetzt, Menschenrechtstümler, wer die
Menschenrechte nur als Mittel oder Vorwand für die Verfolgung eigennütziger
Ziele (z. B. Bekämpfung der geschiedenen Ehefrau auf dem Weg über das Kind)
verwendet. Beides ist seit Anerkennung der Menschenrechte möglich.
Menschenwürde ist der innere und zugleich soziale
Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen um seinetwillen zukommt. Die M.
schließt unmenschliche Behandlung eines Menschen aus. Sie wird vielleicht im
Humanismus der italienischen Renaissance entdeckt und erfunden und seit dem 18.
Jh. als Wert gefordert. →Menschenrecht
Lit.: Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988;
Geddert-Steinacker, T., Menschenwürde, 1990; Dietz, G., Menschenwürde bei
Homer, 2000; Des Menschen Würde - entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen
Renaissance, hg. v. Gröschner, R. u. a., 2008; Rothhaar, M., Menschenwürde als
Prinzip des Rechts, 2015; Christentum und Menschenwürde, hg. v.
Nothelle-Wildfeuer, U., 2017; Stoecker, R., Theorie und Praxis der
Menschenwürde, 2019
Mentalität (F.) Geisteshaltung
Lit.: Mentalitäten im Mittelalter, hg. v. Graus, F.,
1988; Europäische Mentalitätsgeschichte, hg. v. Dinzelbacher, P., 1993;
Lepenies, W., Von der Geschichte zur Politik der Mentalität, HZ 261 (1995),
672; Wetz, F., Die Würde des Menschen, 1998
Mentalreservation (lat. reservatio F.
mentalis) ist der geheime Vorbehalt. Die M. ist dem Altertum unbekannt. Sie
wird im kirchlichen Eherecht des Mittelalters entwickelt (X 4, 1, 26) und geht
von dort in das weltliche Recht über.
Lit.: Kaser § 8, III; Holzhauer, H., Dogmatik und
Rechtsgeschichte der Mentalreservation, FS R. Gmür, 1983, 119
Meran
Lit.: Zeindl, G., Meran im Mittelalter, 2009
mercatum (lat. N.)
Markt
Lit.: Köbler, DRG 77; Köbler, LAW
merces (lat. F.)
Entgelt
Lit.: Kaser § 42 II 1; Köbler, DRG 46
mercennarius (lat. M.)
Lohnarbeiter
Lit.: Köbler, DRG 57
Merkantilismus (Mirabeau 1763) ist
das auf dem Zufluss von Edelmetallen aus dem neu entdeckten Amerika aufbauende
wirtschaftspolitische System des 17.-18. Jh.s, in dem der Staat zur Füllung
der Staatskasse erstmals aktive Wirtschaftspolitik treibt und dadurch die
gewerbliche Tätigkeit fördert (England 1621ff.). Um seinen Reichtum und
seine Macht zu stärken, strebt der Staat einen Handelsbilanzüberschuss an. Zu
diesem Zweck werden ausländische Fertigwaren mit hohen Einfuhrzöllen abgewehrt
und die eigene Ausfuhr von Waren, für deren Herstellung der Staat teilweise
Geld, Gebäude oder Baumaterial zur Verfügung stellt, möglichst durch Subventionen
unterstützt. Führend wird Frankreich unter dem Finanzminister (1661-1672)
Jean-Baptiste Colbert (1619-1683), im Heiligen römischen Reich Preußen. Der M.
wird am Ende des 18. Jh.s vom →Liberalismus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 133, 134;
Mannert, L., Die öffentliche Förderung der gewerblichen Produktionsmethoden,
1930; Bog, I., Der Reichsmerkantilismus, 1959; Treue, W., Wirtschaft,
Gesellschaft und Technik in Deutschland, 2. A. 1976; Städtewesen und
Merkantilismus, hg. v. Press, V., 1982; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten
und Physiokraten, 1994; Gömmel, R., Die Entwicklung der Wirtschaft im
Zeitalter des Merkantilismus, 1998; Wallerstein, I., Das moderne Weltsystem II,
1998; Merkantilismus und Globalisierung, hg. v. Reinermann, H. u. a., 2000;
Monti, A., Der Preis des „weißen Goldes“, 2011; Merkantilismus. Wiederaufnahme
einer Debatte, hg. v. Isenmann, M., 2014
Merkel, Paul Johannes (Nürnberg 01. 8.
1819-Halle 1861), Bürgermeisterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in München
und Erlangen 1851 außerordentlicher Professor in Königsberg und 1852
ordentlicher Professor in Halle. Er gibt einige Volksrechte heraus.
Lit.: Anschütz, A., Zur Erinnerung an Johannes Merkel,
ZRG 3 (1864), 193
Merowinger ist der Angehörige eines von einem
sagenhaften Vorfahren Mera bzw. von einem Stammvater Merowech hergeleiteten,
fränkischen Königsgeschlechts. Merowechs Enkel Chlodwig eint seit 482 die
→Franken. Die Nachfahren teilen vielfach auf. 751 wird der merowingische
König Childerich III. vom arnulfingischen →Hausmeier Pippin mit
Einverständnis des Papstes entmachtet (→Karolinger).
Lit.: Kroeschell, DRG; Köbler, DRG 76; Diplomata regum
Francorum e stirpe Merowingica, hg. v. Pertz, K., 1872, Neudruck 1981; Sprandel,
R., Der merovingische Adel, 1957; Kaufmann, E., Über das Scheren abgesetzter
Merowingerkönige, ZRG GA 72 (1955), 177; Bergengrün, A., Adel und Grundherrschaft
im Merowingerreich, 1958; Beyerle, F., Das legislative Werk Chilperichs I., ZRG
GA 78 (1961), 1; Krüger, H., Das Merowingerreich als Herrschaftsordnung, Diss.
jur. Köln 1964; Eckhardt, K., Merowingerblut, 1965; Fournier, G., Les Merovingiens,
1966; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Eckhardt, K.,
Studia Merovigica, 1975; Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts, hg.
v. Wolfram, H. u. a., 1982; Köbler, G., Wörterverzeichnis zu den Diplomata
regum Francorum e stirpe Merowingica, 1983; Hartung, W., Süddeutschland in der
Merowingerzeit, 1983; Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, 1988, 4.
A. 2001, 5. A. 2006; Kaiser, R., Das römische Erbe und das Merowingerreich,
1993, 2. A. 1997, 3. A. 2004; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren in der
Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Wood, I., Merovingian Kingdoms, 1994;
Karl Martell, hg. v. Jarnut, J. u. a., 1994; Esders, S., Römische
Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997; Brühl, C., Merowingische
Königsurkunden, 1998; Kölzer, T., Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.;
Scheibelreiter, G., Die barbarische Gesellschaft, 1999; Fouracre, P., The Age
of Charles Martel, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001;
Geary, P., Die Merowinger, 2003; Hartmann, M., Aufbruch ins Mittelalter, 2003;
Becher, M., Merowinger und Karolinger, 2008; Fehr, H., Germanen und Romanen im
Merowingerreich, 2010; Becher, M., Chlodwig I., 2011; Scholz, S., Die
Merowinger, 2015
Mesopotamien (Zwischenflussland, Zweistromland) ist das zum fruchtbaren Halbmond gezählte
Gebiet zwischen Euphrat und Tigris, in dem im 3. Jt. v. Chr. die Keilschrift
erfunden wird. Seine wichtigsten Herrschaften bestehen um Sumer (Sumerer),
Akkad (Akkader), Ur, Elam (Elamiter), Assur (Assyrer), Urartu und Babylon
(Babylonier). Über die Perser und Alexander den Großen gelangt das Gebiet an
die Römer, verödet danach aber und wird erst im 20. Jahrhundert wegen seines
Ölreichtums wieder bedeutsam.
Lit.: Hrouda, B., Die antiken Kulturen zwischen Euphrat und Tigirs,
1997; Edzard, D., Geschichte Mesopotamiens, 2004; Korn, W., Mesopotamien, 2004
Messe ist der katholische Gottesdienst
und davon ausgehend seit dem Mittelalter (Paris, Saint Denis 10. Jh.), vor
allem seit dem 11./12. Jh., der daran anschließende Markt. Im Spätmittelalter
entwickelt sich hieraus ein System von Messen (z. B. Champagne, Brügge, Genf,
Frankfurt am Main, Leipzig).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 98;
Huvelin, P., Essai historique sur le droit des marchés et des foires, 1897;
Bassermann, E., Die Champagnermessen, 1911; Die Leipziger Messen und ihre
Organisation, hg. v. Leipziger Messamt, 1929; Ammann, H., Neue Beiträge zur
Geschichte der Zurzacher Messen, 1930; Döring, R., Handbuch der Messen und
Ausstellungen, 1956; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5.
A. 1980; Europäische Messen, hg. v. Johanek, P. u. a., 1996; Rothmann, M., Die
Frankfurter Messen im Mittelalter, 1998; Messen, Jahrmärkte und
Stadtentwicklung in Europa, hg. v. Irsigler, F. u. a., 2007; Europäische
Messegechichte 9.-19. Jahrhundert, hg. v. Denzel, M., 2017
Messina in Nordostsizilien ist die auf eine
vorgriechische Siedlung zurückgehende, nach 490 von Zankle nach den neusiedelnden
Messiniern umbenannte Stadt. Über Römer, Ostgoten, Oströmer und Sarazenen
(843-1061) gelangt M. an die Normannen. 1548 erhält es eine Universität. 1908
wird es durch Erdbeben zu 90% zerstört.
Lit.: Capitoli e privilegi di Messina, hg. v.
Giardina, C., 1937; Pispisa, E., Messina, 1980
meta
Lit.: Stutz, U., Jacob Grimm über die meta des
langobardischen Edikts, ZRG GA 44 (1924), 262
Methode ist das planmäßige Verfahren zur
Erreichung eines bestimmten Zieles. Die M. der →Rechtswissenschaft
besteht im Auslegen von Texten (z. B. Bestimmungen) und Erklärungen (z. B.
Anträgen) und im Zuordnen (Gleichsetzen) von Sachverhalten (des Lebens) zu
Tatbeständen (von Rechtssätzen). Dabei entwickelt sich auf Grund zuordnender
Maßstäbe der mittelalterlichen Rechtswissenschaft zunächst eine Einteilung in
authentische Interpretation der Gesetzgebung, usuale Interpretation der
Rechtsprechung und doktrinale Interpretation der Rechtslehre, wobei der
Wertbezug des geltenden Rechtes noch nicht fraglich ist. In der Neuzeit wird
das Gesetz zur beherrschenden Rechtsquelle und bedient sich die Rechtsprechung
zunehmend wissenschaftlicher Vorgangsweisen, wobei im späteren 17. und im 18.
Jh. Naturrecht als auf die Funktion rechtspolitischer Postulate beschränktes
Recht und positives Recht als Ergebnis eines normsetzenden Willens von
einander geschieden werden. Die doktrinale Auslegung wird in deklaratorische,
extensive und restriktive Interpretation unterteilt. →Thomasius und
→Buchner unterscheiden zwischen grammatischer Interpretation und
logischer Interpretation, →Savigny und →Thibaut zwischen
philologischer, historischer, systematischer und teleologischer Auslegung, mit
deren Hilfe das Recht als autonome sittliche Ordnung begriffen werden soll. Die
→Rechtsgeschichte will als geschichtliche Wissenschaft vergangene
rechtliche Umstände ermitteln, verstehen und erklären.
Lit.: Köbler, DRG 2, 3; Meister, A., Grundzüge der
historischen Methode, 3. A. 1923; Mitteis, H., Vom Lebenswert der
Rechtsgeschichte, 1948; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Betti, E., Die Hermeneutik als allgemeine Methode der
Geisteswissenschaften, 1962; Janssen, A., Otto von Gierkes Methode, 1974;
Wesel, U., Zur Methode der Rechtsgeschichte, Kritische Justiz 1974, 337; Coing,
H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976; Fikentscher, W., Methoden des Rechts,
Bd. 1ff. 1975ff.; Rechtsgeschichte und quantitative Geschichte, 1977; Wieacker,
F., Zur Methodik der Rechtsgeschichte, FS F. Schwind, 1978, 356; Öhler, H.,
Quantitative Methoden für Historiker, 1980; Landau, P., Bemerkungen zur Methode
der Rechtsgeschichte, ZNR 1980, 117; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Otte, G.,
Leibniz und die juristische Methode, ZNR 1983, 1; Sternberg, T., Zur
Methodenfrage der Rechtswissenschaft, hg. v. Rehbinder, M., 1988; Rückert, J.,
Methoden und Forschungspraxis in der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 272;
Raisch, P., Juristische Methoden, 1995; Fälle und Fallen in der neueren
Methodik, hg. v. Rückert, J., 1997; Entwicklung der Methodenlehre, hg. v.
Schröder, R., 1998; Schott, C., Juristische Methodenlehre zwischen Humanismus
und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 3; Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001,
2. A. 2012; Kurt, R., Hermeneutik, 2004; Meder, S., Missverstehen und
Verstehen, 2004; Heine, S., Die Methodendiskussion nach Inkrafttreten des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, 2004; Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis
Teubner, hg. v. Rückert, J. u. a., 2. A. 2012, 3. A. 2016;Methode der
Rechtsgeschichte und ihrer Nachbarwissenschaften beim Umgang mit
rechtshistorischen Quellen, hg. v. Czeguhn, I., 2013; Haßlinger, N., Max von
Rümelin (1861-1931) und die juristische Methode, 2014; Schröder, J.,
Rechtswissenschasftg in Diktaturen, 2016
Methodenlehre →Methode
Metternich, Klemens Wenzel (Koblenz 15. 5.
1773-Wien 11. 6. 1859) wird nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Staatswissenschaft
und Geschichte Gesandter 1797 der westfälischen Grafenbank und 1801 des
Kaisers sowie 1806 Botschafter Österreichs in Frankreich und 1809 Außenminister
Österreichs. 1814 fördert er die Schonung Frankreichs im Interesse des
europäischen Gleichgewichts. 1823 wird er Staatskanzler Österreichs. Im
→Deutschen Bund unterdrückt er die freiheitlichen und nationalen
Strömungen durch strenge Polizeimaßnahmen (Karlsbader Beschlüsse 1819). Am
13. 3. 1848 muss er zurücktreten und flüchtet, kehrt aber 1851 als Privatmann
zurück. Sein Nachlass wird in dem Nationalarchiv in Prag aufbewahrt.
Lit.: Köbler, DRG 170; Srbik, H. v.,
Metternich, Bd. 1ff. 1925ff.; Palmer, A., Der Staatsmann Europas, 1980; Seward,
D., Metternich, 1993; Sternburg, W. v., Als Metternich die Zeit anhalten
wollte, 2003; Siemann, W., Metternich, 2010; Müchler, G., Napoleon, Metternich
und das weltgeschichtliche Duell von Dresden, 2012; Bleyer, A., Das System
Metternich, 2014; Siemann, W., Metternich, 2016 (Rechtfertigungsbiographie
Mettlach von bleibender Bedeutung)
Lit.: Raach, T., Kloster Mettlach/Saar und sein Grundbesitz, 1974
Metus (lat. M.)
ist im römischen Recht die Furcht bzw. Drohung. Ein unter Furcht zustande
gekommenes Geschäft ist nach römischem Bürgerrecht gültig, doch gewährt das
prätorische Recht eine (lat.) →in integrum restitutio (F.), mit der die
eingetretenen Wirkungen wieder beseitigt werden sollen, eine Strafklage (lat.
actio F.
quod metus causa) auf den vierfachen bzw. einfachen Schadensbetrag und eine
Einrede (lat. exceptio F. metus). Das
nachklassische Recht formt die (lat.) in integrum restitutio in eine Art
Anfechtung durch eine Klage auf Schadloshaltung. Justinian lässt die (lat.) in
integrum restitutio in der (lat.) actio quod metus causa aufgehen.
Lit.: Kaser § 8 IV; Köbler, DRG 42, 49
Metz an der Mosel ist der auf keltisch-römischer Grundlage
im 6. Jh. Hauptort eines fränkischen Reichsteils (Arnulf von Metz) werdende
Ort. 870 kommt M. über Lotharingien (Lothringen) zu Ostfranken, 1552/1648 zu
Frankreich. Im 13. Jh. entwickelt die zwischen 1180 und 1210 zur Reichsstadt
aufgestiegene Stadt mit Bannrollen eine Art →Grundbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches
Lexikon; Die Metzer Bannrollen, hg. v. Wichmann, K., 1908; Le droit coutumier
de la ville de Metz, hg. v. Schneider, J. u. a., 1951; Hocquard, G. u. a., Metz
1961; Histoire de Metz, 1986; Pundt, M., Metz und Trier, 1998; Reverchon, A.,
Metzer Denare, 2006; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006
Meum esse (lat.) ist im altrömischen Recht
die Gewalt eines Menschen über Sachen. Das m. e. gestattet die Verfügung über
die Sache. Es kann seinerseits vor allem auf Erbfolge, Aneignung, Manzipation
oder (lat.) →in iure cessio (F.) und →Ersitzung (oder auch
formloser Übergabe) beruhen. Im klassischen römischen Recht entsteht aus dem m.
e. das →Eigentum.
Lit.: Köbler, DRG 24, 25, 40; Kaser, M.,
Eigentum und Besitz im älteren römischen Recht, 2. A. 1956
Meurer, Noe (Memmingen
1525/1528-Heidelberg 1583), Stadtschreiberssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Tübingen und Siena Advokat, Rat und (1557-63) Reichskammergerichtsassessor.
1566 behandelt er in seinen „Practica von der kaiserlichen
Kammergerichtsordnung und Prozess“ als erster den Prozess vor dem
→Reichskammergericht systematisch.
Lit.: Hausrath, H., Zur Lebensgeschichte Dr.
Noe Meurers, ZGO N. F. 21 (1906), 690
Meuterei ist die Vereinigung mehrerer
Menschen (auf einem Schiff oder in einem Heer) zu Ungehorsam oder Empörung
gegenüber Vorgesetzten. Sie wird in Rom mit der Todesstrafe bestraft. Danach
tritt sie in der frühen Neuzeit wieder auf. Im 19 Jh. wird sie tatbestandlich
schärfer erfasst.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte,
5. A. 2007
Mevius, David (Greifswald 6. 12. 1609-14.
8. 1670), Professorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Greifswald 1634
Professor in Greifswald, 1637 Syndikus in Stralsund und 1653 Vizepräsident des
schwedischen Obertribunals in Wismar. Einen Plan einer Zusammenfassung aller
naturrechtlichen Regeln führt er nicht aus. Sein Entwurf eines
mecklenburgischen Landrechts wird nicht Gesetz. 1642 kommentiert er das
lübische Recht (lat. Commentarius M. in ius
Lubicense). 1664ff. veröffentlicht er die Urteile seines Gerichts seit 1653. In
beiden Fällen verbindet er rechtspraktische Erfahrung und wissenschaftliche
Systematik in ansprechender Weise.
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 215; Molitor, E., Der
Entwurf eines mecklenburgischen Landrechts von David Mevius, ZRG GA 61 (1941),
208; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 423; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 218; Holthöfer, E.,
David Mevius, (in) Biographisches Lexikon für Mecklenburg, 1999, 173;
Holthöfer, E., David Mevius, (in) Integration durch Recht, hg. v. Jörn, N. u.
a., 2004, 277; David Mevius (1609-1670), hg. v. Jörn, N., 2007; Thomsch, A.,
David Mevius und der (Prozess-)Vergleich, 2014; Wurch, N., David Mevius und das
lübische Recht, 2015
Mexiko
Lit.: Hillebrand, C., Die Real Audiencia in Mexiko,
2016
Miete (Wort in allgemeinerer Bedeutung bereits für
das Indogermanische zu erschließen, Mietverhältnis Sachsen 1863, Mietwohnung
1877, Mietzeit 1526/1721, Mietzins 1554, Mietzinsforderung 1881) ist der gegenseitige Vertrag, in
dem sich der eine Teil (Vermieter) verpflichtet, dem anderen Teil (Mieter) den
Gebrauch der vermieteten →Sache (Sachteil, Sachgesamtheit) während der
Mietzeit zu gewähren, und der Mieter sich verpflichtet, den vereinbarten
Mietzins zu bezahlen. Die M. ist im klassischen römischen Recht ein Konsensualkontrakt
(lat. locatio F.
conductio rei, Vermieter locator, Mieter conductor, Pfandrecht des Vermieters
[oder Verpächters], Beendigung durch Kündigung). Sie findet sich danach unter
Ablösung älterer Leiheverhältnisse wieder in der mittelalterlichen Stadt, in
der als Folge der Zuwanderung aus dem Umland bald bis zu 40% der Wohnungen zur
M. gegeben werden. Dem Mieter wird im Gefolge der älteren Leiheverhältnisse
eine →Gewere an der Mietsache zuerkannt. Der Verkauf der Mietsache
beendet die Miete nicht. Nach kirchlichem Recht kann auch ein höheres
Mietangebot den Mieter nicht aus der Wohnung verdrängen. Seit dem 16. Jh.
dringt das römische Recht vor. Nach dem Allgemeinen Landrecht Preußens (1794)
hat der Mieter ein dingliches Recht an der Mietsache (I 21), während nach dem
Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (1811) Veräußerung den Mieter
vertreibt (§§ 1090ff.). Im 19. Jh. führt die starke Bevölkerungszunahme zusammen
mit der Landflucht zu Mietskasernen und Notlagen der Mieter, die sich seit 1914
verstärken. Aus sozialen Gründen schützt der Staat den Mieter
(Mieteinigungsämter Dezember 1914, Kündigungsschutz, Mietpreisbindung, z. B.
Mieterschutzverordnung vom 26. 7. 1917, September 1918 staatliche
Wohnungszwangswirtschaft). Dieser Schutz wird während des gesamten 20. Jh.s
verdichtet (Reichsmietengesetz, Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter,
Wohnungsmangelgesetz 1922/1923, wenn auch Wohnraumbewirtschaftungsmaßnahmen
nach Kriegszeiten wieder aufgegeben werden (allgemeinere Lockerung ab 1930. In
Österreich gilt ein besonderes Mietrechtsgesetz vom 12. 11. 1981.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, IV 3, 42 I, II; Söllner § 9;
Hübner 582; Köbler, DRG 45, 127, 166, 227, 240, 270; Köbler, WAS; Brünneck, Zur
Geschichte der Miete und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Heyne, M., Das deutsche
Wohnungswesen, 1899; Schulin, P., Zur Geschichte der mittelalterlichen Miete,
ZRG GA 41 (1920), 127; Ebel, M./Lilienthal, A., Mieterschutz und
Mieteinigungsämter, 4. A. 1930; Biller, W., Das Mietrecht der Reichsstadt
Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1952; Jüttner, B., Zur Geschichte des
Grundsatzes „Kauf bricht nicht Miete“, Diss. jur. Münster 1960; Kaufmann, H.,
Die altrömische Miete, 1964; Genius, K., Der Bestandsschutz, 1972;
Trenk-Hinterberger, P., Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 35; Wolter,
U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984; Schubert, W., Die Diskussion über die
Schaffung eines sozialen Dauermietrechts am Ende der Weimarer Republik, ZRG GA
106 (1989), 143; Petersen, J., Die Vorgeschichte und die Entstehung des
Mieterschutzgesetzes von 1923, 1991;Freiheit und Zwang bei der Wohnraummiete,
1996; Teigelack, L., Die Garantiehaftung des Vermieters, Diss. jur. Gießen, 1996;
Hügemann, E., Die Geschichte des öffentlichen und privaten Mietpreisrechts,
1997; Calonge, A./Wacke, A., Die Kündigungsgründe für die Wohnungsmiete, ZEuP
1997, 1010; Hinkelmann, B., Die ortsübliche Miete, 1999; Schubert, W., Vom
preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB, Gedächtnisschrift für Jürgen
Sonnenschein, 2002; Schubert, W., Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht des
BGB, (in) Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, 2003, 11; Quaisser, F.,
Mietrecht im 19. Jahrhundert, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Hornung,
K., Die öffentlich-rechtliche Durchdringung des Wohnraummietrechts, 2011; Rödel,
L., Das Kündigungsrecht des Vermieters, 2011; Freyaldenhoven, Y., Eigenbedarf
in beiden deutschen Staaten, 2013
Mieter (Wort 1335 Sachsenspiegelglosse) ist der den
Gebrauch einer Sache gegen Entgelt erhaltende Mensch.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mieterschutz →Miete
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 240; Petersen,
J., Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923,
1991; Stampfer, M., Die Anfänge des Mieterschutzes in Österreich, 1995; Lutz,
H., Der Mieterschutz der Nachkriegszeit, 1998
Mietkauf ist der aus Bestimmungen des Mietrechts und
des Kaufrechts zusammengesetzte gemischte Vertrag, bei dem der Mieter nach
einiger Zeit die Mietsache zu einem geringeren Preis kaufen kann. S. Leasing.
Lit.: Fendel, R., Der Berliner Möbelleihvertrag. Geschichte und Entwicklung
des Mietkaufs vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, 1991
Mietrecht (Wort 1828) →Miete
Lit.: Ruth, R., Das Mietrecht der Wohn- und
Geschäftsräume, 1926; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984;
Schubert, W., Die Diskussion über die Schaffung eines sozialen Dauermietrechts
am Ende der Weimarer Republik, ZRG 106 (1989), 143; Quaisser, F., Mietrecht im
19. Jahrhundert, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Mietverhältnis ist die →Miete zwischen
Vermieter und Mieter.
Lit.: Genius, K., Der Bestandsschutz des
Mietverhältnisses, 1972
Mietvertrag (Wort 1784/1794, Mietkontrakt 1685) →Miete
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Migration (F.) Wanderung, Bewegung über Grenzen hinweg
Lit.: Über die trockene Grenze und über das offene Meer, hg. v. Beer,
M. u. a., 2004; Oltmer, J., Migration und Politik in der Weimarer Republik,
2005; Enzyklopädie Migration in Europa, hg. v. Bade, K. u. a., 2007;
Entwicklung und Migration, hg. v. Thränhardt, D., 2008; Oltmer, J., Migration
im 19. und 20. Jahrhundert, 2009, 2. A. 2013; Borgolte, M., Migrationen als
transkulturelle Verflechtungen, HZ 289 (2009), 261; Transit Deutschland, hg. v.
Göktürk, D. u. a., 2010; Enzyklopädie Migration in Europa, hg. v. Bade, K. u.
a., 2007, 2. A. 2008, 3. A., 2010; Rass, C., Institutionalisierungsprozesse auf
einem internationalen Arbeitsmarkt, 2010; Oltmer, J., Migration im 19. und 20.
Jahrhundert, 2010; Perspektiven in der Fremde? Arbeitsmarkt und Migration von
der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, hg. v. Dahlmann, D. u. a., 2011;
Livi-Bacci, M., A Short History of Migration, 2012; Oltmer, J., Globale
Migration, 2012; Migrationen im Mittelalter, hg. v. Borgolte, M., 2014; Knortz,
H., Gastarbeiter für Europa, 2015; Handbuch Staat und Migration in Deutschland
seit dem 17. Jh., hg. v. Oltmer, J., 2016; Oltmer, J., Migration – Geschichte
und Zukunft der Gegenwart, 2017; Schwarz, H., Die neue Völkerwanderung nach
Europa. 2017; Frank, M., Making Minorities History – Population Transfer in
Twentieth Century, 2017; Bhabha, J., Migration als Krise?, 2019
Milano →Mailand
miles (lat. M.)
Krieger, Ritter
Lit.: Köbler, LAW; Bumke, J., Studien zum
Ritterbegriff, 1964, 2. A. 1976
Militär (N.) Heerwesen, →Heer, Krieg
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978,
1; The Oxford Companion to Military History, hg. v. Holmes, R., 2001; Frevert,
U., Die kasernierte Nation, 2001; Broucek, P./Peball, K., Geschichte der
österreichischen Militärhistoriographie, 2000; Nowosadtko, J., Krieg, Gewalt
und Ordnung, 2002; Das Militär und der Aufbruch in die Moderne 1860-1890, hg.
v. Epkenhans, M. u. a., 2003; Fuchs, T., Bibliothek und Militär, 2008;
Grundkurs deutsche Militärgeschichte, 2009; Müller, R., Militärgeschichte,
2009; Kroener, B., Militär, Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert
(1890-1990), 2010; Fichte, R., Die Begründung des Militärdienstverhältnisses,
2010; Perspektiven der Militärgeschichte, hg. v. Echternkamp, J. u a. 2010;
Kroener, B., Militär, Staat und Gesellschaft im 20. Jahrhundert, 2011; Militär
und Recht, hg. v. Nowosadtko, J. u. a., 2015
Militärgrenze (confin) ist im österreichischen
Recht die mit Siedlungsunternehmen seit 1522 begründete (Sicherung der) Grenzzone
zwischen Österreich-Ungarn und den Türken von der Adria bis Siebenbürgen. In
dem umfänglich wechselnden Gebiet gilt teilweise besonderes Recht. 1881 wird
als letztes selbständiges Grenzgebiet die kroatisch-slawonische M.
aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Amstatt, J., Die k.k.
Militärgrenze 1522-1881, Diss. phil. Würzburg 1969; Die k. k. Militärgrenze,
1973 Militärkonvention ist
der zwischen 1867 und 1886 zwischen Preußen und anderen Staaten bzw. Ländern
des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches geschlossene Vertrag über
Militärangelegenheiten, durch den die Herrschaftsgewalt über Heereskontingente
auf Preußen bzw. den Kaiser und damit das Reich übergeht.
Lit.: Huber, E., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1
1963, 992
Militärregierung ist die →Regierung durch
Streitkräfte.
Militärseelsorge ist die seit dem Spätmittelalter
verstärkt organisierte kirchliche Betreuung der Angehörigen der Streitkräfte.
Lit.: Bleese, J., Die Militärseelsorge, Diss. jur.
Hamburg 1969; Rudolf, H., Das evangelische Militärkirchwesen in Preußen, 1973
Militärstrafrecht ist das im Spätmittelalter durch
Vertrag zwischen Kriegsherrn und Söldnerführern geschaffene, in der frühen
Neuzeit durch Kriegsartikel des Landesherrn festgelegte Strafrecht für
Angehörige der Streitkräfte. Im 19. Jh. wird es liberalisiert, humanisiert und
in besonderen Militärstrafgesetzen konkretisiert (Bayern 1813, Württemberg
1818, Sachsen 1838, Oldenburg 1841, Preußen 1845, Österreich 1855, Oldenburg
1861, Sachsen 1867, Bayern 1869, Deutsches Reich 1872). Dem entspricht in der
Bundesrepublik Deutschland das Wehrstrafgesetz (1957).
Lit.: His, R., Strafrecht des Mittelalters, Bd. 2
1935; Schmidt, E., Militärstrafrecht, 1936; Conrad, H., Geschichte der
deutschen Wehrverfassung, 1939; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe,
ZGR GA 102 (1985), 206; Schölz, J./Lingens, E., Wehrstrafgesetz, 3. A. 1988;
Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Stecke, J., Die DDR-Militärjustiz,
NJW 1998, 2570; Walmrath, L., Iustitia et disciplina, 1998; Prinz, O., Der
Einfluss von Heeresverfassungen und Soldatenbild auf die Entwicklung des
Militärstrafrechts, 2005
Militärstrafverfahren ist das in Militärstrafangelegenheiten
angewandte, seit dem 17. Jh. allgemeiner geregelte Strafverfahren (Württemberg
1692, Preußen 1712, Österreich 1697, 1723, Bayern 1748, Sachsen 1758, 1789). Im
19. Jh. wird teilweise das →Inquisitionsverfahren fortgeführt (Preußen
1845), teils das mündliche öffentliche Anklageverfahren (Bayern 1869). Die
Militärstrafgerichtsordnung des Reiches von 1898 verbindet beides. Im Dritten
Reich erlassen etwa 2000 Militärrichter der Wehrmacht mindestens 25000-30000
Todesurteile, von denen vielleicht 18000-20000 vollstreckt werden.
Lit.: Fleck, E., Das Strafverfahren der
preußischen Mitiltärgerichte, 1854, 1864, 1870; Mark, H. v., Der Militärprozess
in Deutschland, Bd. 1f. 1893; Schweling, O., Die deutsche Militärjustiz, hg. v.
Schwinge, E., 2. A. 1978; Messerschmidt, M./Wüllner, F., Die Wehrmachtsjustiz
im Dienste des Nationalsozialismus, 1987; Wüllner, F., Die NS-Militärjustiz,
1991, 2. A. 1997; Anker, J., Die Militärstrafgerichtsordnung, 1995; Schubert,
W., Zur Entstehung der Militärstrafgerichtsordnung von 1898, ZRG GA 113 (1996),
1; Messerschmidt, M., Die Wehrmachtjustiz 1939-1945, 2005
Militärverwaltung ist die von Streitkräften (als
Leitungsorganen) durchgeführte →Verwaltung.
millenarius (lat. M.)
Tausendschaftsführer bei Vandalen, Ostgoten und Westgoten, in der Herkunft und
Bedeutung streitig
Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft,
ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88
(1971), 181
Miltenberg
Lit.: Störmer, W., Miltenberg, 1979
Minden
Lit.: Das Mindener Stadtbuch von 1318, bearb. v.
Krieg, M., 1931; Mindener Stadtrecht, bearb. v. Schroeder, J. v., 1997; Sunderbink, B., Revolutionäre Neuordnung auf
Zeit, 2015; Meineke, B. Die Ortsnamen des Kreises Minden-Lübbecke, 2. A. 2016
Minderheit ist eine im Verhältnis zu einer
→Mehrheit geringere Zahl (von Menschen). Seit dem Mittelalter wird
ansatzweise vereinzelt die Frage des Schutzes der M. gesehen. Verrechtlicht
wird dies nur ganz allmählich. Seit dem 20. Jh. (vor allem nach dem
Zusammenbruch der Vielvölkerreiche der Habsburger, der Osmanen und der Russen)
werden die Bemühungen um völkerrechtlichen Schutz von Minderheiten verstärkt,
ohne dass befriedigende Lösungen gelingen. Das Recht der M. darf von der
Mehrheit nicht in seinem Wesenskern bedroht werden. 1998 treten die im Rahmen
des Europarats ausgearbeiteten Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten und der europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen
in Kraft.
Lit.: Jellinek, G., Das Recht der Minoritäten,
1898; Wintgens, H., Der völkerrechtliche Schutz der nationalen, sprachlichen
und religiösen Minderheiten, 1930; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994,
2. A. 2007; Nationale, ethnische Minderheiten und regionale Identitäten, 1994;
Handbuch der mitteleuropäischen Sprachminderheiten, hg. v. Hinderling,
R./Eichinger, L., 1996; Nationale Minderheiten, hg. v. Hahn, H. u. a., 1999;
Fink, C., Defending the Rights of Others, 2004; Minderheitenrechte in Europa,
hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2. A. 2006; Nachbarn, Gemeindegenossen und die
anderen, hg. v. Holenstein, A. u. a., 2004; Zur Entstehung des modernen
Minderheitenschutzes in Europa, hg. v. Pan, C./Pfeil, B., 2006; Toggenburg, G.
u. a., Abc dces Minderheitenschutzes in Europa, 2011; Pan, C. u. a., Die
Volksgruppen in Europa. 2. A. 2016
Minderjährigkeit (Wort Köln 1585, minderjährig Laienspiegel
1510) ist der
Zeitraum von der Geburt eines Menschen bis zur Vollendung des für die
→Volljährigkeit erforderlichen (18. [Österreich 2001], 19. [Österreich
1973], 21. [Österreich 1919], 24. [Österreich 12. 4. 1753] oder 25.)
Lebensjahrs. Dem Minderjährigen (lat. minor XXV annis [seit der lex Laetoria
von etwa 200 v. Chr.]) fehlt in der Gegenwart die unbeschränkte
→Geschäftsfähigkeit (, wobei der infans [unter sieben Jahren].
vollständig geschäftsunfähig ist). Soweit der Minderjährige bei Geschäften,
die ihm nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil bringen, nicht selbst wirksam
(allein) handeln darf, handelt für ihn der gesetzliche Vertreter. Die M.
ersetzt im Laufe der Aufnahme des römischen Rechtes die ältere →Mündigkeit
weitgehend, wenn auch nicht vollständig. Im römischen Recht ist der mündige
Minderjährige grundsätzlich geschäftsfähig, doch hat er bei gewollter
Übervorteilung eine Einrede (lat. exceptio aus der Lex Laetoria) und bei
objektiver Benachteiligung die Möglichkeit der Wiederherstellung des vor dem
Geschäft bestehenden Zustands (lat. restitutio in integrum). Außerdem kann zu
seiner Unterstützung ein (lat.) curator (Pfleger oder Beistand) bestellt
werden, dessen Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft aber die Berufung auf eine
Benachteiligung grundsätzlich ausschließt.
Lit.: Kaser § 14 II 3, 64 II; Hübner;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Minderung (950) ist die Herabsetzung eines an sich vereinbarten
Kaufpreises auf einen wirklich geschuldeten Kaufpreis einer mangelhaften Sache.
Sie stammt aus dem klassischen römischen Recht. Hier verheißen die kurulischen
Ädile als Marktaufseher beim Kauf von Sklaven und später auch Zugtieren dem
Käufer bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen neben der (lat.)
→actio (F.) redhibitoria (Wandelungsklaganspruch) die Rückgewährung des
Kaufpreises in Höhe der durch den Mangel begründeten Wertverringerung der
Sache bei deren Behalten im Übrigen (lat. →actio F.
quanti minoris, Minderungsklaganspruch). Dies wird in der frühen Neuzeit
aufgenommen. In Deutschland wird 2002 die besondere Wandlung durch den
allgemeinen Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI 2, 4; Söllner § 9; Hübner; Köbler,
DRG 46, 165, 215; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Korth, U., Minderung beim Kauf, 2011
Minima non curat praetor (lat.). Das Gericht kümmert sich
nicht um Kleinigkeiten.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero 106-43 v. Chr., vgl. Digesten 4, 1, 4)
Minister ist der Leiter einer obersten
Behörde einer Verwaltung. Er entwickelt sich in der frühen Neuzeit aus dem
älteren Diener eines Herrn. Zuerst in England und Frankreich sind im 17. Jh. M.
des Königs als Amtsträger des Herrschers an herausgehobener Stelle
verwaltend-ausführend tätig. Im Heiligen römischen Reich wird M. im 18. Jh. für den das oberste Regierungsgeschäft
erledigenden Staatsbeamten gebräuchlich. Sein Tätigkeitsbereich ist das
→Ministerium. Der M. ist weisungsgebunden. Im 19. Jh. erlangt er demgegenüber
Selbständigkeit und Verantwortlichkeit (Gegenzeichnung Preußen 1808, Belgien
1831, Preußen 1850). Österreich geht am 17. 3. 1848 wegen der angestrebten
Ministerverantwortlichkeit von den kollegial organisierten Hofstellen zu
den monokratisch organisierten Ministerien über (anders 1852-1859/1861,
1918-1920). 1930 begründet das Reichsministergesetz für den M. im Deutschen
Reich ein besonderes öffentlich-rechtliches Amtsverhältnis außerhalb der
Beamtenschaft, das nach Beseitigung im Jahre 1937 im Jahre 1953
wiederhergestellt wird.
Lit.: Köbler, DRG 151, 193, 197, 230, 232, 248, 257;
Neudecker, M., Geschichte des geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921;
Frank, M., Das Justizministerium der DDR, Diss. jur. Regensburg 1988; Schröder,
J., 40 Jahre Rechtspolitik, 1989; Das Bundesministerium des Inneren, hg. v.
Pracht, H., 1993; Truhart, P., Internationales Verzeichnis der Außenminister
(1589-1989), Bd. 1f. 1989ff. (Ergänzungsband 1945-1995); Hoffmann, H., Die
Bundesministerien 1949-1999, 2003; Krammerbauer, T., Die
Ministerverantwortlichkeit und die Vorformen sonstiger Verfassungsgerichtsbarkeit,
2011
Ministeranklage ist die gegen einen →Minister
gerichtete Anklage auf Amtsenthebung wegen fehlerhafter Tätigkeit. Sie
entwickelt sich anscheinend in England (seit dem 12. Jh.) aus einer
ursprünglich strafrechtlichen Klage wegen eines Verbrechens. 1791 wird die M.
in Polen und Frankreich übernommen, 1814 in Nassau. Das deutsche Grundgesetz
kennt die M. im Gegensatz zu Landesverfassungen nicht.
Lit.: Constant de Rebecque, B., De la responsabilité
des ministres, 1815; Kröger, K., Die Ministeranklage, 1972; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996; Steinbarth, S., Das
Institut der Präsidenten- und Ministeranklage, 2011
Ministerialbürokratie (F.) in Ministerien beschäftigte
Verwaltungsbedienstete
Lit.: Teppe, K., Die NSDAP und die
Ministerialbürokratie, Der Staat 15 (1976), 367
Ministeriale (lat. ministerialis M.)
ist im Mittelalter der Diener eines Herrn. Er gehört zu den Unfreien, steigt
aber im Herrendienst in den niederen Adel (Ritter) auf (Dienstmann). Ein
besonderer Stand bildet sich seit der Wende vom 10. zum 11. Jh., zuerst
erkennbar im Zusammenhang mit der Reichskirche. Seit dem 11. Jh. entwickelt
sich für den Ministerialen das besondere Dienstrecht (Limburg 1035, Bamberg
1057). Später treten Freie in die Ministerialität ein. Im Zusammenhang mit
seiner Italienpolitik stützt sich Kaiser Friedrich Barbarossa ab 1174/1178
verstärkt auf die Reichsministerialen (Reichsministeriale z. B. von Bolanden,
von Münzenberg, von Pappenheim und Kalden, von Lautern. von Schüpf, Siebeneich
und Rothenburg, von Annweiler). Seit dem 13. Jh. übernehmen die Ministerialen
die wichtigsten Ämter des Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 79, 113, 120;
Fressel, R., Das Ministerialenrecht der Grafen von Tecklenburg, 1907;
Fajkmajer, K., Die Ministerialen des Hochstiftes Brixen, Zs. des Ferdinandeums,
3. Folge 52 (1908); Molitor, E., Der Stand der Ministerialen vornehmlich auf
Grund sächsischer, thüringischer und niederrheinischer Quellen, 1913; Ganshof,
F., Étude sur les ministeriales en Flandre et en Lotharingie, 1926; Schowingen,
K. Frhr. v., Zum Ministerialenproblem, ZRG GA 61 (1941), 274; Bosl, K., Die
Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.; Pötter, W., Die
Ministerialität der Erzbischöfe von Köln, (um 1969); Herrschaft und Stand, hg.
v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Zotz, T., Die Formierung der Ministerialen,
(in) Die Salier und das Reich, Bd. 3 1991, 3; Witzel, W., Die fuldischen
Ministerialen, 1998; Derschka, H., Die Ministerialen des Hochstifts Konstanz,
1999; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität
und Rittertum im Mittelalter, 2004
Ministerialität ist der Stand und die Gesamtheit
der Ministerialen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Kluckhohn, P., Die
Ministerialität in Südostdeutschland, 1910, Neudruck 1970; Müller, E., Die
Ministerialität im Stift Sankt Gallen und in Landschaft und Stadt Zürich, 1911;
Winter, G., Die Ministerialität in Brandenburg, 1922; Weimann, K., Die Ministerialität
im späteren Mittelalter, 1924; Haendle, O., Die Dienstmannen Heinrichs des
Löwen, 1930; Schieckel, H., Herrschaftsbereich und Ministerialität der
Markgrafen von Meißen, 1956; Ministerialitäten im Mittelrheinraum, hg. v.
Gerlich, A., 1978; Jacobi, F., Ministerialität und „ius ministerialium“, FS
Schmidt-Wiegand, R., 1986, 263; Hasse, C., Die welfischen Hofämter und die
welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Trüper, H., Ritter und Knappen
zwischen Weser und Elbe, 2000; Keupp, J., Dienst und Verdienst, 2002
Ministerium ist die oberste Behörde der
Verwaltung. Im 18. Jh. ist das M. vielfach regional begrenzt. Im 19. Jh. ist
darunter die für ein bestimmtes Sachgebiet (z. B. auswärtige Angelegenheiten,
Justiz [z. B. Preußen 1738], Finanz, Verteidigung, innere Angelegenheiten)
zuständige, von einem Minister geleitete, bürokratisch organisierte Behörde
oder die Gesamtheit der Minister bzw. Ministerien (z. B. Preußen 1808) oder das
Amt des →Ministers zu verstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 197; Baltl/Kocher; Knischewsky,
P., Das preußische Gesamtministerium, 1902; Neudegger, M., Geschichte des
Geheimen Rats und Ministeriums in Bayern, 1921; 200 Jahre Dienst am Recht, hg.
v. Gürtner, F., 1938; Frauendienst, W., Das preußische Staatsministerium, Z.
f. d. ges. Staatswiss. 116 (1960), 114
Ministerpräsident ist der Vorsitzende des Ministerrats bzw. der
Regierung.
Ministerrat ist der aus Ministern gebildete Rat
als Regierungskollegium.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Protokolle
des österreichischen Ministerrates 1848-1867, 1970ff.; Protokolle des
Ministerrates der ersten Republik, hg. v. Neck, R. u. a., 1980ff.; Das geltende
Recht (der DDR), hg. v. Sekretariat des Ministerrates, 1989
Ministerverantwortlichkeit ist die Verantwortung eines
→Ministers für seinen Aufgabenbereich. Sie entwickelt sich (anscheinend
seit dem 12. Jh.) in England und wird 1791 in Polen und Frankreich übernommen
(→Ministeranklage), seit 1814 in den deutschen Staaten (Sachsen-Weimar
1816, Hessen 1831, Österreich 1849/1867). Danach gilt die M. als notwendiger
Ausgleich der Unverantwortlichkeit des Monarchen, wenn auch tatsächliche
Folgerungen selten bleiben. Seit der Mitte des 19. Jh.s setzt sich statt der
rechtlichen M. für Unrechtshandlungen die politische M. durch, die den
Rücktritt des betreffenden Ministers im Falle eines Misstrauensvotums im
Parlament vorsieht.
Lit.: Mohl, R. v., Die Verantwortlichkeit der
Minister, 1837; Rassow, R., Das Wesen der Ministerverantwortlichkeit, Z. f. d.
ges. Staatswiss. 59 (1903), 159; Hoffmann, P., Monarchisches Prinzip und
Ministerverantwortlichkeit, 1911; Schnabel, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit
in Baden, 1922; Weckerle, F., Geschichte der Ministerverantwortlichkeit in
Bayern, 1930; Greve, F., Die Ministerverantwortlichkeit, 1977; Popp, P.,
Ministerverantwortlichkeit und Ministeranklage, 1996
Minne und recht ist eine mittelalterliche, häufig
im Schiedsverfahren begegnende Paarformel unbekannter Herkunft für die gütliche
oder entscheidungsweise Erledigung einer Streitigkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Müller, M., Minne und Dienst
in der altfranzösischen Lyrik, 1907; Gaisser, E., Minne und Recht, Diss. jur.
Tübingen 1955 (masch.schr.); Hattenhauer, H., Minne und recht, ZRG GA 80
(1963), 325; Krause, H., Consilio et iudicio, FS J. Spörl, 1965, 416
Minoer ist der Angehörige des in Kreta
von etwa 3200 v. Chr. bis zum Ende des 2. Jt.s v. Chr. herrschenden Volkes.
Lit.: Lesley, F., Die Minoer, 2004
minor (lat. [Adj.]) kleinere, geringere
Minorat (N.) Jüngstenrecht
Minorit ist der Angehörige eines 1517 von
den Franziskanern (Franz von Assissi † 1226) abgetrennten Ordens. Die minoritischen
Franziskaner erteilen bereits im Hochmittelalter Rechtsunterricht an den
Ordensschulen, von dem →Deutschenspiegel und →Schwabenspiegel
beeinflusst sein dürften.
Lit.: Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962, 116
Minuccius de Prato veteri, Antonius ist ein in Prato Vecchio bei Florenz 1380
geborener, in Bologna ausgebildeter und zeitweise auch lehrender, 1486
verstorbener Jurist, der die libri feudorum in sechs Büchern neu ordnete
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 826
Miquel, Johannes (Neuenhaus 19. 2.
1828-Frankfurt am Main 8. 9. 1901), Familie aus Spanien über Cahors um 1734
nach Deutschland eingewandert, Urgroßvater Fechtmeister in Düsseldorf,
Großvater Major, Vater Arzt und Bürgermeister, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg und Göttingen und der Hinwendung zu demokratisch-sozialistischen
Strömungen 1854 Rechtsanwalt und 1857 Kommunalbeamter, 1865 Bürgermeister in
Osnabrück. Im Reichstag des Deutschen Reichs setzt er sich für die nationalliberale
Rechtsvereinheitlichung ein (Lex Miquel/Lasker 1873, Reichsjustizgesetze
1877/1879). 1880 wird er Oberbürgermeister in Frankfurt am Main, 1890
Finanzminister Preußens (u. a. Einführung der Einkommensteuererklärung).
Lit.: Köbler, DRG 183; Mommsen, W., Johannes Miquel,
1928; Herzfeld, H., Johannes von Miquel, Bd. 1f. 1938; Pausch, A., Johannes von
Miquel, 1964; Kassner, T., Der Steuerreformer Johannes von Miquel, 2001
Mischling ist das von verschiedenartigen Erzeugern
abstammende Lebewesen. Im Dritten Reich werden als M. die Abkömmlinge aus
jüdisch-arischen Verbindungen bezeichnet, wobei Mischlinge ersten Grades die
etwa 72000 Menschen mit einem jüdischen Elternteil, Mischlinge zweiten Grades
die etwa 40000 Menschen mit jüdischen Großeltern sind und etwa 8000 Menschen,
die sich zum Judentum bekennen, als Geltungsjuden eingestuft werden. Die
Mischlinge werden in Schulen benachteiligt, ab 1941 zunehmend aus der Wehrmacht
ausgeschlossen und zu Zwangsarbeit verpflichtet.
Lit.: Tent, J., Im Schatten des Holocaust, 2007
Mischna (hebr.), Lehre, Wiederholung, ist
die aus 63 Traktaten in 6 Ordnungen gebildete Sammlung (gewohnheitsrechtlich
erweiterte Wiederholung der alten Gesetze) des jüdischen Lehrstoffs der ersten
zwei nachchristlichen Jahrhunderte, die um 200 n. Chr. abgeschlossen wird. Sie
wird bis 500 n. Chr. durch Glossen erklärt (Gemara).
Lit.: Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006;
Milgram, J., From Mesopotamia tot he Mishnah, 2016
Mischne Tora ist eine klare hebräische
Zusammenfassung des jüdischen Rechtes durch →Moses →Maimonides in
Ägypten am Ende des 12. Jh.s.
Lit.: The Code of Maimonides, 1949ff.; Mischne Tora hu
ha-Yad ha-chazaqa, hg. v. Rabbinowitz, M. u. a., 6. A. 1985
miserabilis (lat.) beklagenswert (wie z. B.
Waise, Witwe, Kranker, Pilger, Armer)
misericordia (lat. F.)
Barmherzigkeit
Lit.: Rennefahrt, H., Grausamkeit und Mitleid im
Rechtsleben des Mittelalters, 1949; Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991
Missetat (F.) Delikt, Unrechtstat, Straftat
Lit.: Munske, E., Der germanische Rechtswortschatz,
1973
Missheirat ist die Ehe zwischen Angehörigen
verschiedener Stände, wie sie sich bis in das 19. Jh. (Preußen 1869) bzw. 20.
Jh. (1919, Preußen 1920) findet. Sie zieht teils rechtliche, teils nur gesellschaftliche
Folgen nach sich.
Lit.: Pütter, J., Über Missheiraten teutscher Fürsten,
1796; Abt, E., Missheiraten, 1911; Minnigerode, H. Frhr. v., Ebenburt und
Echtheit, 1912; Hoyer, E., Die Ehen minderen Rechts, 1926
Missio (F.) canonica (lat.) ist im kirchlichen Recht
die vom Papst oder Bischof übertragene Erlaubnis zur Verkündung des Wortes
Gottes bzw. im älteren Recht die Übertragung von Rechtsprechungsbefugnissen
an Geistliche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Missio (F.) in bona (lat.) ist die im klassischen
römischen Recht entwickelte Einweisung der siegreichen Partei eines
Rechtsstreits in die Güter des Gegners, nach der es meist zum öffentlichen
Aufgebot und zum Verkauf aller Güter zugunsten aller Gläubiger an einen
einzigen Erwerber (Generalexekution) kommt. Ihr entspricht vielleicht im
Frühmittelalter eine gleichartige →Fronung. Seit dem Spätmittelalter
wird die m. i. b. im Heiligen römischen Reich
aufgenommen.
Lit.: Kaser § 82 II 4e, 85 II 2b, 86 III, 87 I 10;
Söllner § 8; Köbler, DRG 33
Missive (N.) Sendschreiben
Misstrauensvotum ist seit der Ablösung Sir Robert
Walpoles 1742 bzw. spätestens seit dem Sturz Melbournes in England 1841 das
Aussprechen des Misstrauens durch die Parlamentsmehrheit gegenüber dem Regierungsführer
in Form einer Abstimmungsniederlage. Das Grundgesetz Deutschlands (1949) kennt
nur das konstruktive M., das nur bei gleichzeitiger Wahl eines neuen
Regierungsführers Erfolg haben kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh
missus (M.) dominicus (lat.) →Königsbote
Lit.: Krause, V., Geschichte der Institution der missi
dominici, MÖIG 11 (1890); Werner, K., Missus, marchio, comes, (in) Histoire
comparée de l’administration, 1980, 191; Hannig, J., Zur Funktion der karolingischen
missi dominici in Bayern, ZRG GA 101 (1984), 256,
Mitbestimmung ist im 20. Jh. die Teilhabe der
Arbeitnehmer an Willensbildungsvorgängen (der Arbeitgeber) in der Wirtschaft.
Im Bereich der Montanindustrie bringt das deutsche Gesetz über die Mitbestimmung
der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des
Bergbaues und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 eine
paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat (5 Arbeitgebervertreter, 5
Arbeitnehmervertreter, ein gemeinsam bestimmtes weiteres Mitglied). Das
Mitbestimmungsgesetz vom 4. 5. 1976 führt in der Bundesrepublik Deutschland für
Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person mit mehr als 2000
Arbeitnehmern die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates durch Anteilseigner
einerseits und Arbeiter, Angestellte und besondere leitende Angestellte
andererseits ein.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 273; Teuteberg,
H., Geschichte der industriellen Mitbestimmung, 1961; Mayer, B., Die
Vertrauensmännerausschüsse, 1996; Mitbestimmung und Betriebsverfassung, hg. v.
Pohl, H., 1996; Rob, W., Mitbestimmung im Staatsdienst, 1999; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Vollmer, W., Montanmitbestimmung, 2013
Miteigentum (Wort 1739) ist das Eigentum mehrerer Personen
an einer (selbst nicht geteilten) Sache. Es ist im altrömischen Recht zunächst
wohl bei der Erbengemeinschaft in der Form vorhanden, dass keine selbständigen
Anteile an der Sache bestehen (Gesamthandeigentum der altrömischen [lat.]
societas ercto non cito). Erst danach entsteht das M. nach Bruchteilen. Es
setzt sich durch. Im deutschen Recht ist M. anfangs vermutlich in einer
→Gesamthand gebunden. Seit dem Spätmittelalter wird die
römischrechtliche Gestaltung aufgenommen. Das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs (1811) sieht nur Quoteneigentum vor. Die Gesamthand
wird erst im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) und auch dort nur in
Sonderbereichen wieder belebt.
Lit.: Kaser § 23 IV; Hübner; Köbler, DRG 40, 61;
Oppikofer, H., Eigentumsgemeinschaften im mittelalterlichen Recht, Beiheft 2 zu
VSWG, 1924, 33; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Drosdowski, T., Das Verhältnis von actio pro socio und actio communi dividundo
im klassischen römischen Recht, 1998; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Miterbe (Wort 1265) ist das Mitglied einer Erbengemeinschaft.
Lit.: Kaser § 73 I 1, 75 I 8; Hübner; Köbler, DRG 122;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Mitgift (lat. dos F.)
ist ein Vermögen, das einem Ehegatten von einem Dritten in die Ehe mitgegeben
wird. Die M. wird meist einer vorweggenommenen Erbschaft gleichgestellt.
Vielfach erfolgt die Leistung als Beitrag zur Begründung und Erhaltung des
ehelichen Haushalts an einen Ehegatten (oder an eine aufnehmende Einrichtung
wie z. B. an ein Kloster). Im römischen Recht erhält der Ehemann eine Mitgift,
die in sein Vermögen übergeht, aber bei seinem Tod oder bei Ehescheidung herauszugeben
ist. Im Mittelalter erhält der Ehemann bewegliche Sachen zu Eigentum,
unbewegliche Sachen nur zur Nutzung, so dass er über sie grundsätzlich nur mit
Zustimmung der Frau oder des Gerichts verfügen kann- Im 20. Jh. wird die M.
meist durch eine Ausbildung ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 38 III 4, 59 II, 73 IV 1b; Söllner §§
5, 8, 9, 12, 15, 18, 24; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 22, 37, 58; Neubecker,
F., Die Mitgift, 1909; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in
Österreich, 1973
mithio (lat.-afrk.) Erwiderung, Antwort,
Verantwortung
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1931, 209
Mitsukuri, Rinsho (1846-1897) wird nach dem
Studium des Chinesischen, Holländischen und Englischen mit der Übersetzung der
französischen Gesetzbücher beauftragt. Hierbei bewältigt er die Aufgabe der
Bildung japanischer Rechtswörter für westliche Rechtseinrichtungen.
Lit.: Yamanaka, E., Mitsukuri Rinsho, (in) Nihon no
hôgakusha, hg. v. Ushiomi, T. u. a., 1975, 1
Mittäterschaft ist die gemeinsame Täterschaft
mehrerer Menschen. Eine gesetzliche Grundlage für die M. schafft 1870 der
Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund.
Lit.: Kaser § 50 II 2; Winter, B., Die Entwicklung der
Mittäterschaft, 1981; Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der
strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Mitteis, Heinrich (Prag 26. 11.
1889-München 23. 7. 1952), Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Leipzig, Berlin (Brunner, Gierke) und Leipzig (Binding, Otto Mayer, Sohm)
1920 Professor in Köln, 1924 in Heidelberg, 1934 in München, 1935 in Wien, 1938
in Rostock, 1946 in Berlin, 1948 in München und 1952 in Zürich. In der
mittelalterlichen Verfassungsgeschichte verbindet er Politisches eindrucksvoll
mit Juristischem. Seine beiden rechtsgeschichtlichen Grundrisse sind in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s länger führend.
Lit.: Bader, K., Heinrich Mitteis, ZRG GA 70 (1953),
IX; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11. A. 1987; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 19. A. 1992; Mitteis,
H./Lieberich, H., Deutsches Privatrecht, 9. A. 1981; Mitteis, H., Die
Rechtsidee in der Geschichte, 1957 (Gesammelte Abhandlungen, mit
Schriftenverzeichnis); Brun, G., Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich
Mitteis, 1991; Heinrich Mitteis nach hundert Jahren, hg. v. Landau, P. u. a.,
1991
Mittelalter ist der zwischen Altertum und
Neuzeit befindliche zeitliche Abschnitt der (europäischen) Geschichte (476-1492
bzw. 500-1500).
Lit.: Haskins, C., Studies in Mediaeval Culture, 1929;
Fuhrmann, H., Einladung ins Mittelalter, 1987, 5. A. 1997; Nord und Süd in der
deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. v. Paravicini, W., 1990; Schuler,
P., Grundbibliographie Mittelalterliche Geschichte, 1990; Das Mittelalter als Epoche,
hg. v. Lückerath, C. u. a., 1995; The New Cambridge Medieval History, hg. v.
McKitterick, R., Bd. 1ff. 1995ff.; Boockmann, H., Einführung in die Geschichte
des Mittelalters, 6. A. 1996; Fuhrmann, H., Überall ist Mittelalter, 1996, 2.
A. 1997, 3. A. 1998; Goetz, H., Leben im Mittelalter, 7. A. 2002; Mittelalter
und Moderne, hg. v. Segl, P., 1997; Heimann, H., Einführung in die Geschichte
des Mittelalters, 1997; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 1999; Das europäische
Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs, hg. v. Borgolte, M., 2001;
Endemann, T., Geschichte des Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte,
2001; Leben im Mittelalter, hg. v. Leier, M. u. a., 2001; Schubert, E., Alltag
im Mittelalter, 2002; Knefelkamp, U., Das Mittelalter, 2002; Dinzelbacher, P.,
Europa im Hochmittelalter, 2003; Jankrift, K., Das Mittelalter, 2004; Hartmann,
M., Mittelalterliche Geschichte studieren, 2004; Schlotheuber, E., Das
Mittelalter, 2004; Le Goff, J., Auf der Suche nach dem Mittelalter, 2004; Kaufhold,
M., Wendepunkte des Mittelalters, 2004; Schieffer, R., Das ganze Mittelalter
von A-Z, DA 60 (2004), 571; Nagel, A., Im Schatten des Dritten Reichs.
Mittelalterforschung, 2005; Tradition, Innovation, Invention, hg. v. Schmidt,
H., 2005; Neiske, F., Europa im frühen Mittelalter, 2006; Goetz, H., Proseminar
Geschichte Mittelalter, 3. A. 2006; Borgolte, M., Christen, Juden, Muselmanen,
2006; Heimann, H., Einführung in die Geschichte des Mittelalters, 2. A. 2006;
Schubert, E., Essen und Trinken im Mittelalter, 2006; Pauler, R., Leben im
Mittelalter, 2007; Enzyklopädie des Mittelalters, hg. v. Melville, G., Bd. 1f.
2008, 2. A: 2013; Atlas des Mittelalters, hg. v. Biffi, I., 2007; Fried, J., Zu
Gast im Mittelalter, 2007; Mittelalter im Labor, hg. v. Borgolte, M. u. a.,
2008; Müller, H., Mittelalter, 2008; Fried, J., Das Mittelalter, 2008, 3. A.
2009; Fossier, R., Das Leben im Mittelalter, 2008; Kintzinger, M.,
Internationale Beziehungen im Mittelalter 2009; Gebrauch und Missbrauch des
Mittelalters, hg. b. Bak, J. u. a., 2009; Mittelalter Oldenbourg Geschichte
Lehrbuch, hg. v. Meinhardt, M. u. a., 2009; A Companion to the Medieval World,
hg. v. Lansing, C. u. a., 2009; Binding, G., Bauen im Mittelalter, 2010;
Kreutz, P., Recht im Mittelalter, 2010; Schumacher, M., Einführung in die
deutsche Literatur des Mittelalters, 2010; The Oxford Dictionary of the Middle
Ages, hg. v. Bjork, R., Bd. 1ff. 2010; Dinzelbacher, P., Lebenswelten des
Mittelalters 1000-1500, 2010; Die Welt des Mittelalters - Erinnerungsorte eines
Jahrtausends, hg. v. Fried, J. u. a., 2011; Das Mittelalter zwischen
Vorstellung und Wirklichkeit, hg. v. Buck, T., 2011; Brunner, K., Kleine
Kulturgeschichte des Mittelalters, 2012; Vorstellungswelten der
mittelalterlichen Überlieferung, hg. v. Sarnowsky, J., 2013; Oexle, O., Die
Gegenwart des Mittelalters, 2013; Wieser, E., Deutsche Geschichte des
Mittelalters, 2015; Parfums et odeurs au Moyen Âge, hg. v. Bagliani, A., 2015;
Le Goff, J., Geschichte ohne Epochen?, 2016; Raedts, P., Die Entdeckung des
Mittelalters, 2016
mittelbarer Besitz →Besitz
Mittelenglisch ist die zwischen etwa 1066/1100 und 1500 als
der (zwischen Altenglisch oder Angelsächsisch und Neuenglisch stehenden)
mittleren englischen Sprachperiode gesprochene Sprache (Vereinfachung der
Flexionsformen, analytische Konstruktionen, Aufnahme mittelfranzösischer
und skandinavischer Wörter).
Lit.: Mossé, F., Mittelenglische Kurzgrammatik, 1988; Obst,
W./Schleburg, F., Die Sprache Chaucers, 1999, 2. A. 2010
Mittelhochdeutsch ist die zwischen 1050 und 1350 bzw.
1500 als der (zwischen Althochdeutsch und Neuhochdeutsch stehenden) mittleren
deutschen Sprachperiode im südlichen (hochgelegenen) Deutschland gesprochene
Sprache (z. B. →Schwabenspiegel).
Lit.: Köbler, DRG 10; Köbler, WAS; Lexer, M.,
Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. A. 1979; Jelinek, F.,
Mittelhochdeutsches Wörterbuch zu den deutschen Sprachdenkmälern Böhmens, 1911;
Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache, erarb. v. Ohly, S. u. a.,
Bd. 1ff. 1986ff. (4190 Urkunden, 1,43 Million Belege, 8986 Stichwörter, 439
Nachtragsstichwörter, davon 1608 oder 17 Prozent neue Ansätze bzw. 1425 Ansätze
über Lexer und Benecke/Müller/Zarncke
hinaus); Lexer, M., Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 3. A. 1885, 2. Neudruck,
1992; Hennig, B., Kleines mittelhochdeutsches Wörterbuch, 3. A. 1998; Weddige,
H., Mittelhochdeutsch, 5. A. 2003; Mittelhochdeutsche Wörterbücher im Verbund,
hg. v. Burch, T. u. a., 2001 (CD-ROM); Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. v.
Gärtner, K. u. a., Bd. 1ff. 2005ff.; Köbler, G., Mittelhochdeutsch, 2007
(Internet, umfangreichster mittelhochdeutscher Wortschatz);
Bertelsmeier-Kierst, C., Kommunikation und Herrschaft, 2008; Wegera, K. u. a.,
Mittelhochdeutsch als fremde Sprache, 2011, 2. A. 2013, 3. A. 2016; Weimann,
B., Moselfränkisch, 2012; Bartsch, N. u. a., Mittelhochdeutsch als fremde
Sprache. Didaktischer Leitfaden und Lösungsschlüssel, 2013
Mittellateinisch ist die im Mittelalter (zwischen
dem 6. und 15. Jh.) verwendete, auf dem Lateinischen der Römer des Altertums
aufbauende, es in Struktur und Wortschatz abändernde, dem Neulateinischen der
Neuzeit vorausgehende Form des Lateinischen.
Lit.: Köbler, LAW; Medieval Latin Word-List from
British and Irish Sources, hg. v. Baxter, J./Johnson, C., 1934 (etwa 20000
Ansätze, davon 8000 hapax legomena); Niermeyer, J., Mediae Latinitatis Lexicon
Minus, 1954ff., 2. A. 2002; Löfstedt, B., Studien über die Sprache der
langobardischen Gesetze, 1961; Langosch, K., Lateinisches Mittelalter - Einleitung
in Sprache und Literatur, 1963, 2. A. 1966?, 3. A. 1969, 4. A. 1983, 5. A.
1988; Revised Medieval Latein Word-List from British and Irish Sources,
prepared by Latham, R., 1965 (aus etwa 1000 Quellen [rund 500000 Belege für]
etwa 40000 Ansätze die in Form oder Bedeutung im klassischen Latein fehlen,
davon 13000 hapax legomena); Glossarium till medeltidslatinet i Sverige, Bd.
1ff. 1973ff.; Blaise, A., Lexicon Latinitatis medii aevi praesertim ad res
ecclesiasticas investigandas pertinens, 1975 (wertet vor allem DuCange aus);
Stotz, P., Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, Bd. 1ff.
1996ff.; Köbler, G., Liber exquisiti xenii, 1999; Meier(-Staubach), C., Königin
der Hilfswissenschaften? (in) Frühmittelalterliche Studien 35 (2001)1;
Compendium auctorum Latinorum medii aevi (500-1500) hg. v. Lapidge, M. u. a.,
Bd. 1 (bis Bartholomaeus de Forolivio) 2002ff.; Hausmann, F., Das Fach
Mittellateinische Philologie an deutschen Universitäten von 1930 bis 1950,
2010; http://www.koeblergerhard.de/Mittellatein-HP/VorwortMlat-HP.htm;
Hergemöller, B., Promptuarium ecclesiasticum medii aevi – Umfassendes
Nachschlagewerk der mittelalterlichen Kirchensprache und Theologie, 2011
(abactio - Zöllner)
Mittelmeer ist das Meer zwischen Europa, der
Meerenge von Gibraltar, Afrika und dem Schwarzen Meer. An seinem östlichen Rand
entsteht die Sesshaftigkeit der Menschheit. Unter den Römern wird es zu dem
(alt.) mare (N.) nostrum.
Lit.: Seeraub im Mittelmeerraum, hg. v. Jaspert, N. u.
a., 2013; Zwierlein, C., The French and the British in the Mediterranean
1650-1750, 2016
Mittelniederdeutsch ist die zwischen dem 12. und 16.
Jh. (1200-1600) als der mittleren deutschen Sprachperiode (zwischen
Altsächsisch und Altniederfränkisch einerseits und Neuniederdeutsch bzw.
Plattdeutsch andererseits) im nördlichen (niedergelegenen) Deutschland (einschließlich
der Niederlande [bzw. des Gebiets östlich der Ijssel] gesprochene Sprache (z.
B. →Sachsenspiegel 1221-1224, sächsische Weltchronik, Berliner Stadtbuch,
Chronica novella des Hermann Korner, Redentiner Osterspiel, niederdeutsche
Bibel von 1494, Reynke de vos 1498, Bugenhagenbibel 1533/1534, de düdesche
Schlömer 1584, Nikolaus Gryse 1543-1614, Tönnies Fonnes, Handbuch der
russischen Sprache 1607), die im Schriftdeutschen in der frühen Neuzeit (z. B.
in Goslar zwischen 1519 und 1619) allmählich von der hochdeutschen Sprache (z.
B. Juristensprache) verdrängt wird.
Lit.: Köbler, DRG 10; Schiller, K./Lübben, A.,
Mittelniederdeutsches Wörterbuch, Bd. 1ff. 1875ff.; Cordes, G., Schriftwesen
und Schriftsprache in Goslar, 1934; Köbler, Gerhard, Mittelniederdeutsches
Wörterbuch, 2011 (Internet http://www.koeblergerhard.de/Mittelniederdeutsch-HP/Einfuehrung-Mnd-eD-HP.htm);
Damme, R., Vocabularius Theutonicus, 2011; Wallmeier, N., Sprachliche Muster in
der mittelniederdeutschen Rechtssprache, 2013
Mittelniederländisch ist die in den Niederlanden
zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert gesprochene, dem Mittelniederdeutschen
eng verwandte Sprache, die an das Altniederfränkische anschließt und dem modernen
Niederländischen vorangeht.
Lit.: Dialog mit den Nachbarn. Mittelniederländische
Literatur zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert, hg. v. Bastert, B. u. a., 2011
Mittermaier, Carl Joseph Anton (München 5. 8.
1787-Heidelberg 28. 8. 1867) wird nach dem erfolgreichen Abschluss des Rechtsstudiums
in Landshut 1807 in München Sekretär →Feuerbachs und nach dem
vertiefenden Studium in Heidelberg (Thibaut, Heise) zwecks freilich
gescheiterter Berufung nach Innsbruck 1811 ordentlicher Professor in Landshut,
1819 in Bonn und 1821 in Heidelberg. Er setzt sich unter Verwendung der
Rechtsvergleichung erfolgreich für ein modernes liberales Strafverfahrensrecht
ein (Anklagegrundsatz, Staatsanwaltschaft, freie Beweiswürdigung). Er führt
das Strafrechtslehrbuch Feuerbachs fort, schult Binding und veröffentlicht
zwischen 1809 und 1867 fast 1000 größere und kleinere Werke (Lehrbuch des
deutschen Privatrechts 1821, bis 1988 zehn zusätzliche postume Veröffentlichungen)
Seine Bibliothek umfasst 8019 Bände und rund 6000 Dissertationen und Broschüren
(270 Laufmeter).
Lit.: Köbler, DRG 205;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MittermaierCarlJosephAntonLehrbuchdesdeutschenPrivatrechts1821.pdf¸Stegemeier,
L., Die Bedeutung Karl Joseph Anton Mittermaiers, Diss. jur. Göttingen 1945/8;
Jammers, A., Die Bibliothek des Heidelberger Juristen Karl Joseph Anton
Mittermaier, Bibliothek und Wissenschaft 3 (1966), 156; Neh, S., Die posthumen
Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg. v.
Küper, W., 1988; Hettinger, M., Carl Josph Anton Mittermaier (1787-1867), ZRG
GA 107 (1990), 433; Neh, S., Die posthumen Auflagen von Feuerbachs Lehrbuch, 1991;
Malsack, B., Die Stellung der Verteidigung, 1992; Briefwechsel Karl Josef Anton
Mittermaier – Rudolf von Gneist, hg. v. Hahn, E., 2000; Briefe von Mitgliedern
der badischen Gesetzgebungskommission an Karl Josef Anton Mittermaier, hg. v.
Mussgnug, D., 2002; Bibliographie der Werke Karl Josef Anton Mittermaiers,
bearb. v. Nuzzo, L., 2004; Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von
Mohl, hg. v. Mußgnug, D., 2004; Briefe deutscher Strafrechtler an Karl Kosef
Anton Mittermaier, hg. v. Jelowik, L., 2005; Riemer, L., Das Netzwerk der
„Gefängnisfreunde“, 2005; Briefe Hermann Theodor Goltdammers an Karl Josef
Anton Mittermaier, hg. v. Mußgnug, D., 2007; Carl Joseph Anton Mittermaier, hg.
v. Moritz, W. u. a., 2009 (Ausstellungskatalog)
Mitverschulden ist die Außerachtlassung der
Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten durch den Beschädigten, die ein
ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden
pflegt. Bei konkurrierendem Verschulden entfällt im gemeinen Recht seit dem
Spätmittelalter die Ersatzpflicht völlig (→Kulpakompensation), während es
nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) auf das Maß der jeweiligen
Verursachung ankommt.
Lit.: Köbler, DRG 214; Aumann, Das mitwirkende
Verschulden, 1964; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2
(1969), 187
Mobiliarsachenrecht (Recht der beweglichen Sachen)
Lit.: Schubert, W., Die Diskussion über eine Reform
des Rechts der Mobiliarsicherheiten in der späten Kaiserzeit und in der
Weimarer Zeit, ZRG GA 107 (1990), 132
Modena wird auf römischer Grundlage Grafensitz
und seit dem 12. Jh. Stadtkommune, 1452 unter der Herrschaft der Este
Herzogtum. Um 1180 lehrt in M. →Pilius (Pillius), im 13. Jh. sind dort
andere bekannte Juristen tätig. 1682 erhält M. eine Universität. 1859 fällt es
von Österreich-Este an Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fried, J., Die
Entstehung des Juristenstandes, 1974; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,178, 3,1,291, 3,2,2362, 3,3,3230; Mor, C./Di Pietro, P., Storia
dell’università di Modena, 1975; Santini, G., Lo stato estense tra riforme e
rivoluzione, 1983; Storia illustrata, hg. v. Golinelli, P. u. a., 1990; Rölker,
R., Adel und Kommune in Modena, 1994; Faber, H., Modena – Austria, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Moderne
Lit.: Kroll, F., Geburt der Moderne, 2013
Modestin (Modestinus), Herennius (1. H. 3.
Jh.), Schüler des Ulpianus, ist der letzte spätklassische römische
Rechtskundige. Ihm misst das Zitiergesetz von 426 besondere Bedeutung zu. Zu
seinen Werken zählen 10 Bücher (lat. F.Pl.)
Regulae, Regeln, 12 Bücher (lat. F.Pl.) Pandectae,
Pandekten, 9 Bücher (lat. F.Pl.) Differentiae,
Unterschiede, 19 Bücher Gutachten (lat. [N.Pl.] responsa) sowie verschiedene
kleinere Abhandlungen.
Lit.: Söllner §§ 16, 19; Köbler, DRG 30, 52; Schulz,
F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W., Herkunft und
soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 259
modius (lat. M.)
Scheffel
modus (lat. M.)
Maß, Weise (z. B. modus acquirendi, Erwerbsart wie lat.
→traditio).
Lit.: Kaser § 20; Köbler, DRG 163; Hofmann, F., Die
Lehre vom titulus und modus acquirendi, 1873
Moggio
Lit.: Härtel, R., Die älteren Urkunden des Klosters Moggio (bis 1250),
1985
Mohammed (Abul Kasim Muhammad Ibn Abd Allah,
Mekka um 569-Medina 8. 6. 632) ist der aus führender Familie (Haschimiden)
stammende Stifter des →Islam (20. 9. 622 Hedschra von Mekka nach Medina),
der seine Offenbarungserlebnisse im Koran niederschreibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Watt, W., Muhammad at Medina,
1956; Paret, R., Mohammed und der Koran, 1957, 9. A. 2005, 10. A. 2008; Lüling,
G., Die Wiederentdeckung des Propheten Mohammed, 1981; Mohammed in Europa, hg.
v. Gabrieli, F., 1997; Bobzin, H., Mohammed, 2000; Lings, M., Muhammad, 2000;
Hotz, S., Mohammed und seine Lehre in der Darstellung abendländischer Autoren
vom späten 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, 2002; Der frühe Islam, hg.
v. Ohlig, K., 2007; Jansen, H., Mohammed, 2008; Nagel, T., Mohammed, 2008;
Nagel, T., Mohammed, 2010
Mohl, Robert von (Stuttgart 17. 8. 1799-Berlin 5. 11.
1875), Konsistorialpräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Tübingen
und Heidelberg (Thibaut, Zachariae) 1824 außerordentlicher Professor für
Staatsrecht in Tübingen, 1827 ordentlicher Professor in der
staatswirtschaftlichen Fakultät, 1847 Professor in Heidelberg. Seine von
klarer Systematisierung, Einbeziehung der Rechtswirklichkeit und
rechtsstaatlichem Grundverständnis geprägten Hauptwerke sind das Staatsrecht
des Königreichs Württemberg (1829ff.) und die Polizeiwissenschaft nach den
Grundsätzen des Rechtsstaates (1832ff.), in denen Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht
trotz Trennung aufeinander bezogen werden. 1846 verlangt er die Regierungsbildung
durch die Mehrheit der Volksvertretung.
Lit.: Köbler, DRG 193; Angermann, E., Richard von Mohl
1799-1875, 1962; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 2 1992, 172; Schroeder, K., Robert von Mohl, NJW 1998, 1518;
Briefwechsel Karl Josef Anton Mittermaier Robert von Mohl, hg. v. Mußgnug, D.,
2004
Moldawien (Moldau) ist ein schon
mittelalterliches osteuropäisches Fürstentum längs des Flusses Pruth, das 1359
von Ungarn unabhängig wird, 1504 die Osmanen (Türkei) als Schutzherren
anerkennen muss (1817 Zivilgesetzbuch unter dem Einfluss Franz von Zeillers)
und 1862 zusammen mit der Walachei →Rumänien bildet bzw. 1918 von
Russland, das seit 1814 Deutsche ansiedelt (1940/1942 umgesiedelt, 1945
geflüchtet), an Rumänien kommt. Die aus der von der Sowjetunion im ukrainischen
Transnistrien gebildeten Autonomen Moldauischen Sowjetrepublik und dem größten
Teil Bessarabiens 1945 geformte Moldauische Sozialistische Sowjetrepublik
verselbständigt sich mit der Auflösung der Sowjetunion 1991.
Lit.: Mantzuphas (Mantzoufas), G., He hermeneia
Zeiller, 1955; Mantzuphas (Mantzoufas), G., Die Gründe für die absichtliche
Verschweigung der österreichischen Vorlagen des moldauischen Codex Civilis vom
Jahre 1817, ZRG GA 82 (1965), 326; Völkl, E., Das rumänische Fürstentum
Moldawien, 1975; Spinel, V., Moldavia, 1986; Galizien, Bukowina, Moldau, hg. v.
Glassl, H., 1994; Röskau-Rydel, I., Galizien, Bukowina, Moldau, 1999; King, C.,
The Moldovans, 2000
Molina, Luis de (1535-1600) wird nach
kurzem Studium des Rechtes in Salamanca und dem Studium der Logik, Philosophie
und Theologie Theologe und Naturrechtler in Evora, Coimbra, Lissabon, Madrid,
Cuenca und Madrid. Sein juristisches Hauptwerk (De iustitia et de iure,
1593ff., Von Gerechtigkeit und Recht) stellt das (ortsverschiedene und
zeitverschiedene) Naturrecht (göttliche Recht) und das (das lat.
ius gentium, Völkerrecht, einschließende) positive Recht (römisches,
kirchliches, katholisches Recht) dar.
Lit.: Weber, W., Wirtschaftsethik am Vorabend des
Liberalismus, 1959, 69; Krause, O., Naturrechtler des 16. Jahrhunderts, 1982,
48
Molinaeus →Du Moulin
Molsheim im Elsass ist von 1618 bis 1701 Sitz einer
Universität.
Mommsen, Theodor (Garding 30. 11.
1817-Charlottenburg 1. 11. 1903, Vater Pfarrer) wird nach dem Rechtsstudium in
Kiel (Falck, Kierulff) 1843 Lehrer, (Auslandsaufenthalt in Frankreich und
Italien,) 1848 Journalist, im gleichen Jahr außerordentlicher Professor des
römischen Rechtes in Leipzig (1850 wegen seiner Beteiligung an der Maierhebung
1849 entlassen), 1852 Professor in Zürich, 1854 in Breslau und 1861 Professor
für alte Geschichte in Berlin. Sein berühmtestes Werk ist seine römische
Geschichte (Bd. 1ff. 1854ff., 1902 Literaturnobelpreis). In der
Rechtswissenschaft hat er sich durch sein römisches Staatsrecht (Bd. 1ff. 1871,
Neudruck 1955, 1963), sein römisches Strafrecht (1899, Neudruck 1955, 1961) und
seine grundlegende Neuausgabe der Digesten und anderer Quellen (Codex Theodosianus u. s. w.) herausragende Verdienste erworben.
Lit.: Söllner §§ 3, 22, 25; Köbler, DRG 193; Mommsen,
T., Römische Geschichte, 9. A. 1902ff., Neudruck 2010; Hartmann, L., Theodor
Mommsen, 1908; Heuß, T., Theodor Mommsen und das 19. Jahrhundert, 1956,
Neudruck 1996; Wucher, A., Theodor Mommsen, 2. A. 1968; Theodor Mommsen,
Römische Kaisergeschichte, hg. v. Demandt, B. u. a., 1992; Behne, F., Heinrich
Siber und das römische Staatsrecht von Theodor Mommsen, Diss. jur. Göttingen
1998; Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2002; Mommsen, T., Römische Geschichte und
römisches Recht, hg. v. Damken, M., 2002 (CD-ROM); Theodor Mommsen – Gelehrter,
Politiker und Literat, hg. v. Wiesehöfer, J., 2005; Theodor Mommsens langer
Schatten, hg. v. Nippel, W. u. a., 2005; Wickert, L., Theodor Mommsen, 2006;
Rebenich, S., Theodor Mommsen, 2007; Theodor Mommsen und Friedrich Althoff.
Briefwechsel 1882-1903, hg. v. Rebenich, S. u. a., 2011; Theodor Mommsen und
die Bedeutung des römischen Rechts, hg. v. Fargnoli, I. u. a., 2013
mompar (mhd.) Vormund
Mömpelgard (Montbéliard) ist die westlich von
Basel gelegene reichsunmittelbare Grafschaft des Heiligen römischen Reiches ,
die im 18. Jh. von Frankreich annektiert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kläui, P.,
Hochmittelalterliche Adelsherrschaft im Zürichgau, 1960; Johann Mosers
mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983
Monarchie (griech. Einherrschaft) ist
die Staatsform, bei der grundsätzlich ein einzelner Mensch (oft von Gottes
Gnaden) (bis zu seinem Tode) als Träger der Staatsgewalt an der Spitze des
Staates steht. Sie ist bereits bei Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.) neben
Aristokratie und Demokratie als eine (gute) Staatsform bezeugt (Gegensatz
Tyrannei). Seit dem Hochmittelalter kann die M. ständisch beschränkt werden.
Seit 1688 entwickelt sich in England die konstitutionelle Monarchie. Ihr folgt
am Ende des 19. Jh.s die parlamentarische M. (England 1834/1835, Deutscher Bund
theoretisch ab 1840, Dänemark 1907, Deutsches Reich 28. 10. 1918). Am Ende des ersten
Weltkriegs werden verschiedene europäische Monarchien in Republiken
umgewandelt.
Lit.: Baltl/Kocher; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd.
4 1978, 133; Martitz, F. v., Die Monarchie als Staatsform, 1903; Löwenstein,
K., Die Monarchie im modernen Staat, 1952; Benedikt, H., Die Monarchie des
Hauses Österreich, 1968; Kammler, H., Die Feudalmonarchien, ZRG GA 93 (1976),
367; Aretin, K. Frhr. v., Bayerns Weg zum souveränen Staat, 1976; Giesey, R.,
Le roi ne meurt jamais, 1987; Dreitzel, H., Monarchiebegriffe in der
Fürstengesellschaft, 1991; European Monarchy, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 1992;
Wienfort, M., Monarchie in der bürgerlichen Gesellschaft, 1993; Kirsch, K.,
Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; Panitschek, P., Lugal - sarru -
basileus - Formen der Monarchie im alten Vorderasien, 2008; Sellin, V., Gewalt
und Legitimität - Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen,
2011; Fetting, M., Zum Selbstverständnis der letzten deutschen Monarchen, 2013;
The Splendors and Miseries of Ruling Alone, hg. v. Luraghi, N., 2013;
Monarchische Herrschaft im Altertum, hg. v. Rebenich, S., 2017
Monarchisches Prinzip ist das den Monarchen (trotz
Gewährung einer Verfassung) als alleinigen Träger der Staatsgewalt
betrachtende Prinzip, das von der Wiener Schlussakte des Deutschen Bundes 1820
zum Verfassungsgrundsatz erhoben wird. Es entsteht um 1800 (1804/1806) als
Schlagwort. In einer Rezension in den Göttinger gelehrten Anzeigen vom 21. 9.
1837 entzieht Wilhelm Albrecht, indem er den Monarchen als Organ der
juristischen Person Staat einordnet, dem monarchischen Prinzip erstmals die
Legitimationsgrundlage. Seit 1848 wird das monarchische Prinzip
zurückgedrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Kaufmann,
E., Studien zur Staatslehre des monarchischen Prinzips, 1906; Hoffmann, P.,
Monarchisches Prinzip und Ministerverantwortlichkeit, 1911; Meisner, H., Die
Lehre vom monarchischen Prinzip, 1913; Göcken, G., Friedrich von Gentz, Diss.
jur. Bonn 1962; Die Entstehung des modernen Staates, hg. v. Hofmann, H., 1967,
115; Frotscher, W., Monarchisches Prinzip kontra liberale
Verfassungspositionen, JuS 2000, 943
Monarchomache (M.) Königsbekämpfer (2. H. 16.
Jh.)
Lit.: Stricker, G., Das politische Denken der
Monarchomachen, Diss. phil. Heidelberg 1967
Mönch ist der Angehörige einer religiösen
Gemeinschaft. Das Mönchtum innerhalb des Christentums erscheint schon im
Altertum. Es verbreitet sich rasch in Ägypten, Palästina und Syrien und dringt
seit etwa 370 n. Chr. auch im Westen ein. Der erste bedeutsame Orden sind die
Benediktiner Benedikts von Nursia.
Lit.: Herwegen, I., Das pactum des hl. Fruktuosus von
Braga, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Laske,
W., Das Problem der Mönchung in der Völkerwanderungszeit, 1973; Frank, K., Geschichte
des christlichen Mönchtums, 1975, 5. A. 1993,, 6. A. 2010; Prinz, F., Frühes
Mönchtum im Frankenreich, 2. A. 1988; Semmler, J., Mönche und Kanoniker im
Frankenreich, 1980; Penco, G., Medioevo monastico, 1988; Monks, Nuns and
Friars, hg. v. King, E. u. a., 1990; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v.
Schwaiger, G., 3. A. 1998; Mönchtum, Kirche, Herrschaft 750-1000, 1998; Füser,
T., Mönche im Konflikt, 2000; Ohler, N., Mönche und Nonnen im Mittelalter, 2008
Mönchengladbach
Lit.: Brasse, E., Geschichte der Stadt und Abtei Gladbach, Bd. 1ff.
1914ff.
Mongole ist der Angehörige eines zunächst
am oberen Amur nomadisierenden, unter Dschingis Khan (1155-1227) weit nach
Westen (Russland 1223, Schlacht bei Liegnitz 1241) und Süden (China 1211ff.)
ausgreifenden Volkes, dessen Großreich 1260 (u. a. Niederlage in Palästina)
zerfällt.
Lit.: Hethum von Korykos, Geschichte der Mongolen
(1307), übers. v. Senoner, R., hg. v. Baum, W., 2006; Die Mongolen in Asien und
Europa, hg. v. Conermann, S./Kusber, J., 1997; Weiers, M., Geschichte der
Mongolen, 2004
Monopol ist die Marktform, bei der Angebot
(Angebotsmonopol) oder Nachfrage (Nachfragemonopol) in einer Person vereinigt
sind. Das M. wird in der frühen Neuzeit zum Rechtsproblem, mit dem sich die
Gesetzgebung des Heiligen römischen Reiches
befasst. Der Liberalismus wendet sich gegen das M.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 150; Höffner, J.,
Wirtschaftsethik und Monopole, 2. A. 1969; Mertens, B., Im Kampf gegen die
Monopole, 1996
Montanunion ist die zwecks Kontrolle der
Rüstungsindustrie Deutschlands 1951/1952 von Deutschland, Frankreich, Italien,
den Niederlanden, Belgien und Luxemburg begründete Europäische Gemeinschaft für
Kohle und Stahl (EKGS), in der eine besondere Form der →Mitbestimmung
gilt. Der am 18. 4. 1951 abgeschlossene, am 23. 7. 1952 in Kraft getretene
Vertrag ist nach fünfzigjähriger Laufzeit 2002 ausgeläufen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gillingham, J., Coal, Steel
and the Rebirth of Europe, 1991; Schweitzer, M./Hummer, W., Europarecht, 5. A.
1996; Anfänge und Auswirkungen der Montanunion auf Europa, hg. v. Rasch, M. u.
a., 2007
Montenegro (Name seit dem 16. Jh.
gebräuchlich) ist das unzugängliche Gebirgsland östlich der mittleren Adria,
das seit dem 13./14. Jh. als 1389 von Serbien getrennte Einheit erscheint, bis
es 1499 förmlich und 1528 tatsächlich an die Osmanen (Türkei) fällt. Hier wird
es unter einem Metropoliten verhältnismäßig selbständig. 1798 erhält es ein
Staatsgesetz. Im von Österreich verwalteten Küstengebiet (Dalmatien) tritt zum
1. 1. 1812 das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft (bis 1946). 1852 wird
M. weltliches Fürstentum. 1878 wird M. auf dem Berliner Kongress unabhängig
(Allgemeines Vermögensgesetzbuch von Montenegro 1888, 1905 Verfassung), 1910
Königreich. 1918 schließt es sich dem Königreich der Serben, Kroaten und
Slowenen (1929 Jugoslawien) an, bei dem es nach 1990 unter stärkererer
Autonomie zunächst verbleibt, bis es sich nach einer Volksabstimmung zum 3. 6.
2006 (mit 620000 Einwohnern auf 14000 Quadratkilometern) wieder
verselbständigt (19./22. 10. 2007 Verfassung). 2007 wird ein
Familiengesetzbuch, 2008 ein Gesetz über das Erbrecht und 2009 ein Gesetz über
die sachenrechtlichen Verhältnisse angenommen.
Lit.: Istorija Crne Gore, Bd. 1f. 1967ff.; Petit, C.,
The Code and the goats, ZNR 1998, 212; Hamza, G., Bemerkungen zur
Privatrechtsentwicklung in Montenegro (in) Spomenica Valtazara Bogisšića,
2011, 315
Montesquieu, Charles Louis de Secondat Baron
de la Brède et de (La Brède 18. 1. 1689-Paris 10. 2. 1755) wird nach dem
Rechtsstudium in Bordeaux 1714 Rat und 1726 Parlamentspräsident. Seit 1721
kritisiert er in den anonymen persischen Briefen (Lettres persanes) die
politischen und gesellschaftlichen Zustände Frankreichs. 1748 entwickelt er in
seinem anonym veröffentlichten Hauptwerk De l’esprit des lois (Vom Geist der
Gesetze) zum Schutz der persönlichen Freiheit des Einzelnen gegen ein
Gewaltmonopol auf Grund des englischen Vorbildes die Lehre von der Dreiteilung
der Staatsgewalt (→Gewaltenteilung) in Ausführung (Exekutive),
Gesetzgebung (Legislative) und Rechtsprechung (Judikative). Das an die
Zustimmung des Volkes gebundene und damit Willkür ausschließende Gesetz soll
der Gerechtigkeit entsprechen, vom gesamten jeweiligen Volk verstanden werden,
für alle einheitlich sein und den gesamten Stoff umfassen (Kodifikation). Weil
Religion, Sitten und Geschichte des jeweiligen Volkes sowie Lage und Klima des
besonderen Landes zu beachten seien, lehnt M. ein absolutes, überall in
gleicher Weise geltendes →Naturrecht ab. M. bejaht die Gesetzmäßigkeit
der geschichtlichen Entwicklung. Er bereitet die französische Revolution
geistig vor.
Lit.: Köbler, DRG 139, 146, 190, 199; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MontesquieuDeLEspritDesLoisTomePremiere1748.pdf;
Shackleton, R., Montesquieu, 1961; Montesquieu, C., Vom Geist der Gesetze, hg.
v. Forsthoff, E., 2. A. 1992; Desgraves, L., Montesquieu, 1986; Gewaltentrennung
im Rechtsstaat, hg. v. Merten, D., 1989; Schlosser, H., Montesquieu, 1990;
Herdmann, F., Montesquieurezeption in Deutschland, 1990; Goyard-Fabre, S.,
Montesquieu, 1993; Kondylis, P., Montesquieu und der Geist der Gesetze, 1996;
Desgraves, L., Montesquieu, 1996; Mass, E., Der Einfluss Montesquieus, (in)
Wandel von Recht und Rechtsbewusstsein, 1999, 107; Cattaneo, M., Montesquieus
Strafrechtsliberalismus, 2002; Montesquieu-Traditionen in Deutschland, hg. v. Mass,
E. u. a., 2005; Montesquieu zwischen den Disziplinen, hg. v. Mass, E., 2010
Montgelas, Maximilian Joseph Freiherr von
(München 12. 5. 1759-14. 6. 1838), Generalssohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Straßburg Hofrat in München, 1799 Außenminister in Bayern. Er gestaltet eine
moderne, einheitliche und zentralisierte Verwaltung nach dem Vorbild
Frankreichs in Bayern. In der Konstitution von 1808 beseitigt er die ständischen
Vorrechte.
Lit.: Weis, E., Montgelas, 1971ff.; Weis, E.,
Maximilian Graf von Montgelas, JuS 2009, 772; Junkelmann, M., Montgelas, 2015
Montpellier in Südfrankreich ist seit etwa 1170
Ort rechtlicher Lehrveranstaltungen (→Placentinus), seit dem 13. Jh. Sitz
einer Universität, später dreier Universitäten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Gouron, A., La science du droit dans le midi,
1984; Histoire de Montpellier, hg. v. Cholvy, G., 1984; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 123
Monumenta (N.Pl.) Germaniae Historica (lat.) (1819 von Freiherr Karl vom
Stein ins Leben gerufene Veröffentlichungsreihe der bedeutendsten älteren)
deutsche(n) Geschichtsquellen (Denkmäler deutscher Geschichte) http://www.mgh.de/dmgh
(retrospektive Digitalisierung)
Lit.: Köbler, DRG 6; Breßlau, H., Geschichte der
Monumenta Germaniae historica, 1921; Grundmann, H., Monumenta Germaniae
Historica, 1969
Monzambano, Severinus de (Pseudonym Samuel
→Pufendorfs 1667)
Moorleiche ist die im Moor aufgefundene
Leiche. Sie kommt als rechtsgeschichtliche Erkenntnisquelle in Betracht
(→Sittlichkeitsverbrechen). Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s werden
infolge des Übergangs von der händischen Torfgewinnung zum Einsatz von
Maschinen Moorleichen kaum mehr gefunden.
Lit.: Pappenheim, M., Moorleichen, ZRG GA 22 (1901),
354; Eckhardt, K., Ein neuer Moorleichenfund, ZRG GA 60 (1940), 252; Dieck, A.,
Die europäische Moorleichenfunde, 1965; Brock, T., Moorleichen, 2009
Moosburg
Lit.: Hiereth, S., Mossburg 1950; Hiereth, S., Moosburg, 1986
mora (lat. F.) Verzug
Lit.: Kaser §§ 37 III 1, 51 I 4; Köbler, DRG 44
Moral (F.) Gesamtheit der Sitten
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863;
Rohls, J., Geschichte der Ethik, 1991; Baurmann, M., Der Markt der Tugend,
1996; Legalität, Legitimität und Moral, hg. v. Bruha, T. u. a., 2008; Glinka,
H., Zur Genese autonomer Moral, 2012; Moralisierung des Rechts, hg. v.
Konitzer, W., 2014; Fischer, S., Diktatur und (Doppel-Moral)?, 2015; Schlink,
B., Erkundungen zu Geschichte, Moral, Recht und Glauben, 2015; Recht und Moral
– Zur gesellschaftlichen Selbstverständigung über „Verbrecher“ vom 17. bis 21.
Jahrhundert, hg. v. Friedrich, D. u. a., 2015
moralisch (Adj.) sittlich, den Sitten (lat. mores)
entsprechend (z. B. moralische Person Preußen 1784)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Morastein ist der südöstlich Uppsalas gelegene
Ort (Steinring) der Erhebung der mittelalterlichen Könige in Schweden.
Lit.: Holmgren, G., Gamla Uppsala och Mora äng, 1937;
Hoffmann, E., Königserhebung und Thronfolgeordnung, 1976
Moratorium (N.) Zahlungsaufschub
Lit.: Kaser § 53; Oberndorff, L. Graf v., Das vom
Landesherrn oder von Staatswegen erteilte Moratorium, Diss. jur. Greifswald
1905; Eberle, H., Die Begründung des Moratoriums, Diss. jur. Jena 1937
Mord ist die Tat des Mörders. Der M. ist ein Fall
qualifizierter Tötung eines anderen Menschen. Im Frühmittelalter und vermutlich
auch in germanischer Zeit ist M. die beispielsweise durch Zudecken
verheimlichte Tötung. Seit dem Spätmittelalter ist M. die vorbedachte, in
bestimmter Weise besonders qualifizierte Tötung (anders Österreich). 1941
werden aus einem Entwurf Karl Stooß’ (für die Schweiz) besondere
Tatbestandsmerkmale in das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches übernommen. In
Österreich ist Mord die Tötung eines (anderen) Menschen.
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 119, 158; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920,
76, Neudruck 1964, Bd. 2 1935, 90; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Der Mord der Juden, hg. v. Jäckel, E., 1985; Thomas, S., Geschichte des
Mordparagraphen, 1985; Gschwend, L., Der Studentenmord von Zürich, 2002;
Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Wittke, M., Mord und
Totschlag? 2002; Nolde, D., Gattenmord, 2003; Linka, K., Mord und Totschlag,
2008; David, A., Die Entwicklung des Mordtatbestands im 19. Jahrhundert, 2009;
Schroeder, F., Der Blitz als Mordinstrument, 2009; Politische Morde in der
Geschichte, hg. v. Schild, G. u. s., 2012; Kröber, H., Mord im Rückfall – 45
Fallgeschichten über das Töten, 2019
Mordbrand ist die heimlich verübte
→Brandstiftung, als deren Strafe im Sachsenspiegel (1221-1224) das Rädern
erscheint.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964
More geometrico (lat.) auf geometrische Art (z. B.
durch Pufendorf 1672
erfolgende Rechtswissenschaft) →mos geometricus
Lit.: Köbler, DRG 146
Mores (lat. M.Pl.,
Sg. mos) sind im römischen Recht die (hergebrachten) Sitten (der Väter lat.
maiorum).
Sie beeinflussen vor allem das altrömische Recht.
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 17, 51; Kaser, M.,
Mores maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG RA 59 (1939), 52; El Beheiri, N., Das
regimen morum der Zensoren - Die Konstruktion des römischen Gemeinwesens, 2012
Morganatisch ist eine von der →Morgengabe
abgeleitete Bezeichnung. Die morganatische Ehe (Ehe zur linken Hand) ist eine
zuerst im spätmittelalterlich-oberitalienischen Recht (Mailand) bezeugte, bis
1875/1918 (für den Adel) zulässige Form der →Ehe. Zwischen Mann und Frau
tritt (vor allem wegen Standesungleichheit gewollt) keine Rechtsgemeinschaft
ein. Die Kinder werden, obwohl der Vater die väterliche Gewalt über sie hat,
nur der Mutter zugerechnet.
Lit.: Geschichte morganatischer und legitimierter Fürsten-
und Grafenehen in Deutschland, 1874; Weyhe-Eimke, A. v., Die rechtmäßigen Ehen
des hohen Adels, 1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Morgengabe ist spätestens seit dem Frühmittelalter
eine Gabe (meist) des Mannes an die Frau nach der Hochzeitsnacht (z. B.
Schmuck, Vieh, Leute, Grundstücke, Geld). Sie wird vielfach vom Mann verwaltet.
Das an der M. entwickelte besondere Erbrecht schwindet zuerst in den Städten
des hohen Mittelalters (vgl. aber § 1232 ABGB).
Lit.: Hübner 665; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
88, 123; Schröder, R., Geschichte des ehelichen Güterrechtes in Deutschland,
Bd. 1ff. 1863ff.; Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts in
Österreich, 1973, 45, 124
Morgensprache (F.) Zunftversammlung
mors (F.) civilis (lat.) →bürgerlicher Tod
Lit.: Borgmann, B., Mors civilis 1969; Borgmann, B.,
Mors civilis, Ius commune 4 (1972), 81
Mortgage ist im mittelalterlichen
französischen Recht das zur Fruchtziehung am Pfandgrundstück berechtigende
Pfandrecht.
Lit.: Hübner 405; Viollet, P., Droit privé, 1905, 784
mortuarium (lat. N.)
Sterbefallabgabe
Mortuus redhibetur (lat.). Der Tote wird
zurückgewährt (gemeint ist der zufällig untergegangene Sachgegenstand eines Austauschgeschäfts).
Lit.: Caemmerer, E. v., Mortuus redhibetur, FS K.
Larenz, 1973, 621; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um
170-223, Digesten 21, 1, 31 § 11)
Morus (More), Thomas Sir (London 7. 2.
1478-6. 7. 1535), Juristensohn, wird nach dem Studium der alten Sprachen und
des Rechtes in London 1501 Rechtsanwalt, 1504 Parlamentarier im Unterhaus, 1510
undersheriff und 1529 als erster Laie Lordkanzler. Befreundet mit Erasmus von
Rotterdam verfasst er, beeinflusst von der Entdeckung Amerikas, 1516 eine
zeitkritische Beschreibung eines idealen Staates (Utopia, Nirgendland). Weil er
nach der Scheidung Heinrichs VIII. von Katharina von Aragon und der daraufhin
erfolgenden Trennung Englands von der katholischen Kirche einen Eid auf den
anglikanischen König Heinrich VIII. verweigert, wird er 1535 wegen Hochverrats
hingerichtet.
Lit.: Chambers, R., Thomas More, 1935; Guy, J., Sir
Thomas Morus, 1979; Trapp, J., Erasmus, Colet and More, 1991; Ackroyd, P., The
Life of Thomas More, 1999; Thomas More’s Trial by Jury, hg. v. Kelly, H. u. a.,
2011
mos (lat. M.) Sitte
→mores (M. Pl.) Sitten
Lit.: Gehrke, H., Römischer mos und griechische Ethik,
HZ 258 (1994), 593; Mos maiorum hg. v. Linke, B. u. a., 2000
mosaisches Recht →biblisches Recht, jüdisches
Recht
Lit.: Smend, R., Mose als geschichtliche Gestalt, HZ
260 (1995), 1
Mosbach (976 Reichsabtei, um 1241 Siedlung im
Reichssteuerverzeichnis)
Lit.: Mosbacher Urkundenbuch, bearb. v. Krimm, K., 1986
Moser (von Filseck und Weilerberg),
Johann Jakob (Stuttgart 18. 1. 1701-30. 9. 1785), Beamtensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tübingen außerordentlicher Professor in Tübingen (1720-1721),
dann freier Berater, 1726 Regierungsrat, 1727 Titularprofessor in Tübingen,
1734 Regierungsmitglied, 1736 Universitätsdirektor in Frankfurt an der Oder,
1739 Privatgelehrter, 1745 Berater, 1745 geheimer Rat, 1749 Akademiegründer,
1751 Landschaftskonsulent, 1759 verhaftet und nach 1764 wieder
Privatgelehrter. In 500 bis 600 Bänden sammelt er hauptsächlich
staatsrechtliches Material (Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neues
teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1766ff.), wobei er die Geschichte als
objektive Hilfswissenschaft für das Staatsrecht versteht. Das Völkerrecht
gewinnt er vor allem aus Vertrag und Herkommen.
Lit.: Moser, J., Grundriss der heutigen
Staatsverfassung des teutschen Reiches, 1735, 7. A. 1754, Neudruck 2001; Moser,
J., Lebensgeschichte Johann Jacob Mosers, 1768, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/MoserJohannJacobLebensgeschichte3A1777.pdf;
Schmid, A., Das Leben Johann Jacob Mosers, 1868; Wächter, O., Johann Jacob
Moser, 1885; Schulze, H., Johann Jacob Moser, 1869; Leschhorn, A., Johann Jakob
Moser und die Eidgenossenschaft, 1965; Rürup, R., Johann Jacob Moser, 1965;
Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jacob Mosers, 1968; Johann Mosers
mömpelgardisches Staatsrecht, hg. v. Stein, W., 1983; Stolleis, M., Geschichte
des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1 1988, 258
Möser, Justus (Osnabrück 14. 12. 1720-8. 1. 1794),
Kanzleidirektorssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena und Göttingen
Sekretär (1741), Rechtsanwalt (1744), Syndikus (1756), Justitiar (1762) und
1764 Konsulent im Osnabrückischen. Er wirkt in vielfältiger Weise als
aufgeklärter konservativer Schriftsteller. Sein Hauptwerk sind seine patriotischen
Phantasien (Bd. 1ff. 1774ff.).
Lit.: Hatzig, O., Justus Möser, 1909; Brünauer, U.,
Justus Möser, 1933; Klassen, P., Justus Möser, 1936; Maußer, E., Das
Rechtsdenken Justus Mösers, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1942; Möser, J.,
Sämtliche Werke, Bd. 1ff. 1943ff.; Fiebig, B., Justus Mösers Staatslehre, Diss.
jur. Köln 1953; Sheldon, W., The intellectual development of Justus Möser,
1970; Schmidt, P., Studien über Justus Möser als Historiker, 1975;
Schmelzeisen, G., Justus Mösers Aktientheorie, ZRG GA 97 (1980), 254; Schröder,
J., Justus Möser als Jurist, 1986; Rudersdorf, M., Das Glück der Bettler, 1995;
Welker, K., Rechtsgeschichte als Rechtspolitik, 1996; Möser-Bibliographie
1730-1990, hg. v. Woesler, W., 1997; Möser, J., Politische und juristische
Schriften, hg. v. Welker, K., 2001; Oestmann, P., Wahre deutsche Denkungsart,
ZRG GA 121 (2004), 283; Domack, O., Vorarbeit für eine historisch-kritische
Ausgabe der Patriotischen Phantasien von Justus Möser, 2004
Mos (M.) Gallicus (lat.) (Tanner 1556 Gallica ratio)
ist die zu Beginn des 16. Jh.s entstehende, den älteren mos Italicus (italienische
Art) ablehnende gallische (französische) Art der Rechtswissenschaft, welche
die römischen Quellen stärker humanistisch (sprachwissenschaftlich-geschichtlich)
betrachtet und die einzelnen Stellen textkritisch untersucht (bessere
Interpretation besserer Texte). Die bekanntesten Vertreter des m. G. sind
→Alciatus (1492-1550), →Budaeus (1467-1540), →Cuiacius
(1522-1590), →Donellus (1527-1591), Dionysius →Gothofredus
(1549-1622) und Jacobus Gothofredus (1587-1652) sowie nach Vertreibung der
führenden französischen, calvinistisch-hugenottischen Juristen (1562-1598)
spätere niederländische Juristen (elegante Jurisprudenz). Bedeutung gewinnt
dabei allmählich auch die Ermittlung allgemeiner Grundsätze und deren
Verbindung zu einem systematischen Ganzen.
Lit.: Köbler, DRG 143; Astuti, G., Mos italicus e mos
gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Mos (M.) geometricus (lat.) ist die geometrische oder
mathematische Art der Darstellung und Beweisführung in Wissenschaftsfächern
der frühen Neuzeit (Simon Grynaeus 1533). In der Rechtswissenschaft sprechen
zuerst Budaeus 1557 und Valentin Forster (1613) diese Frage ansatzweise an.
Eine umfassende Darstellung des Naturrechts →more geometrico erfolgt aber
erst durch →Pufendorf (1672). Dem folgen →Leibniz und vor allem
Christian →Wolff in leicht eingängiger Darstellungsform. Mit Wolff endet
der m. g. ziemlich unvermittelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Röd, W., Geometrischer Geist
und Naturrecht, 1970; Stupp, H., Mos geometricus, Diss. jur. Köln 1970; Otte,
G., Der sog. mos geometricus, Quaderni Fiorentini 9 (1979), 179
Mos (M.) Italicus (lat.) (Mopha 1541) ist die aus
dem Mittelalter überkommene italienische Art der Rechtswissenschaft. Darunter
ist die juristische Ausprägung des scholastischen Unterrichtssystems und des
damit verbundenen wissenschaftlichen Begründungssystems und Erkenntnissystems
zu verstehen. In ihrem Mittelpunkt stehen Worterklärungen, Herstellung
logischer und systematischer Zusammenhänge in kleineren Bereichen, Zusammenstellungen
von Parallelstellen aus allen Teilen des römischen (lat.) corpus (N.) iuris
civilis, Bildung von Parallelfällen, Auflösung von Widersprüchen und Sammlung
von Argumenten für die dem Text entnommene Lösung. Der m. I. wird seit Beginn
des 16. Jh.s vom →mos Gallicus abgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Astuti, G., Mos italicus e
mos gallicus, 1937; Kisch, G., Humanismus und Jurisprudenz, 1955; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Otte, G., Dialektik
und Jurisprudenz, 1971; Carpintero, F., Mos italicus, Ius commune 6 (1977), 108
Moskau an der Moskwa erscheint 1147 als
Landsitz und 1156 als eine mit einem Zaun befestigte Stadt. Nach ihrer Zerstörung
durch die Mongolen (1237) wird sie 1263 Sitz eines Teilfürstentums, 1326 Sitz
des Metropoliten von Russland und wenig später Vorort des Großfürstentums
Moskau. 1755 erhält sie eine Universität.
Lit.: Luppi, A./Biagi, E., Moskau, 1981; Crummey, R.,
The Formation of Muscovy, 1987;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Moskau, hg. v. Grob, T. u. a., 2015
mos maiorum (lat. [M.]) Sitte der Vorfahren (als
Herkunftsangabe eines Rechtssatzes)
Motivirrtum ist der unbeachtliche →Irrtum
über den Beweggrund für eine Willenserklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Mozaraber ist der unter der Herrschaft der
→Araber auf der iberischen Halbinsel lebende Christ.
Lit.: Hitchcock, R., Mozarabs in medieval and Early
Modern Spain, 2008
Mpalés, Geórgios (1879-1957) wird nach
dem Rechtsstudium in Athen und Berlin 1925 Professor für Zivilrecht in Athen.
Er beeinflusst das griechische Zivilgesetzbuch von 1940 maßgeblich und verfasst
die führende Kommentierung.
Lit.: Kallias, K., Geórgios Mpalés, 1960
Msida auf Malta erhält 1572 bzw. 1769
eine Universität.
Mucius Scaevola, Quintus (um 140-82 v. Chr.),
Rechtskundigensohn, Konsul 95 v. Chr., ist ein bedeutsamer Vertreter der
vorklassischen römischen Rechtswissenschaft. Sein Hauptwerk sind 18 Bücher
(lat.) De iure civili (Vom römischen Recht), in denen er das Recht der
römischen Bürger systematisch zusammenfasst. Auf ihn zurückgeführt werden die
(lat.) →cautio (F.) Muciana, die eine unter der Bedingung, etwas
Bestimmtes nicht zu tun, ausgesetzte Zuwendung absichern soll, und die (lat.)
→praesumptio (F.) Muciana, nach der bis zum Beweis des Gegenteils alles
Vermögen einer Ehefrau als vom Mann herrührend gilt. Auf M. S. greift vor allem
→Sabinus wieder zurück.
Lit.: Köbler, DRG 29; Behrends, O., Die
Wissenschaftslehre im System des Quintus Mucius Scaevola pontifex, 1976;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 597
Mühldorf
Lit.: Stahleder, H., Mühldorf, 1976
Mühle ist die Vorrichtung zum
mechanischen Zerkleinern von Gegenständen, vor allem von Pflanzenteilen
(Getreidekörnern). Die technisch der einfachen Handmühle überlegene
Wassermühle ist bereits dem römischen Altertum bekannt und gelangt von dort
nach Germanien. Seit dem 12. Jh. wird die ursprüngliche Freiheit der Errichtung
einer M. von einem landesherrlichen Mühlenregal überlagert. Dementsprechend
entstehen in der frühen Neuzeit besondere Mühlenordnungen (z. B. Hessen 1615).
Die M. genießt eigenen Friedensschutz. Das Gewerbe des Müllers gilt seit dem
Spätmittelalter vielfach als unehrlich.
Lit.: Koehne, C., Das Recht der Mühlen, 1904; Koehne,
C., Mühlenbann und Burgenbau, ZRG GA 28 (1907), 63; Schulte, E., Das
Gewerberecht, 1909; Kisch, G., Das Mühlenregal im Deutschordensgebiete, ZRG GA
48 (1928), 176; Wiemann, H., Beiträge zur Geschichte des Mühlenrechts, ZRG GA
66 (1948), 477; Moldenhauer, R., Mühlen und Mühlenrecht in Mecklenburg, ZRG GA
79 (1962), 195; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969;
Kropač, I., Mühlen und Mühlenrecht in der Steiermark, 1981; Holt, R., The
Mills of Medieval England, 1988; Stürmer, S., Mühlenrecht im Herzogtum
Zweibrücken, 1998; I mulini nell’Europa medievale, hg. v. Galetti, P. u. a.,
2003; Droste, P., Wasserbau und Wassermühlen an der mittleren Rur, 2003;
Langdon, J., Mills in the Medieval Economy, 2004; Wassermühlen und
Wassernutzung im mittelalterlichen Ostmitteleuropa, hg. v. Mařiková, M. u.
a., 2015
Mühlhausen (Reichsstadt in Thüringen, 967 Mulinhuson, 11.
Jh. Marktsiedlung, 1135 villa regia, Stadtrecht, um 1200 Stadtmauer, 1251
freie Reichsstadt, 1286 Mitglied der Hanse, Erwerb von etwa 60 umliegenden
Dörfern, 1524, 1542 und 1557 reformiert, 1802 Mediatisierung in Preußen, 1. 7.
1944 mit dem Regierungsbezirk Erfurt dem Reichsstatthalter in Thüringen
unterstellt, dadurch 1945 zur sowjetischen Besatzungszone und von 1949 bis 1990
zur Deutschen Demokratischen Republik und dabei von 1945 bis 1952 und ab 1990
zu Thüringen) s. Mühlhäuser Reichsrechtsbuch
Mühlhäuser Reichsrechtsbuch ist das um 1225 (1224-1230 oder
nach 1231?) in Mühlhausen in Thüringen von einem unbekannten Verfasser in
mittelmitteldeutscher Sprache hergestellte, in 3 Handschriften überlieferte
Stadtrechtsbuch mit zahlreichen fränkischen Rechtssätzen, das auch Landrecht
einbezieht und unterschiedliche Sachgebiete (Delikte, Verfahren, Gewere,
Gericht, Schaden) erfasst. Es wird in Nordhausen und teilweise in Eschwege
(nach 1344) aufgenommen. Daneben sind seit der zweiten Hälfte des 13. Jh.s
Statuten aufgezeichnet (1401 letzte mittelalterliche Statutenredaktion
[erhalten in Abschrift der 1. Hälfte des 16. Jh.s], 1566 neue Statuten durch
Apollo Wiegand) und ist 1351 ein Satzungsbuch angelegt.
Lit.:
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/FoerstemannErnstGuentherDasalteRechtsbuchderStadtMuehlhausenausdem13Jahrhundert1843.pdf;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 104; Herquet, K., Urkundenbuch der Richsstadt
Mühlhausen/Th., hg. v. Herquet, K., Neudruck 2009; Das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch, hg. v. Meyer, H., 1923, 2. A. 1934, 3. A. 1936, Neudruck
1969; Adenauer, G., Das Ehe- und Familienrecht im Mühlhauser Reichsrechtsbuch,
Diss. jur. Bonn 1963; Günther, G./Korf, W., Mühlhausen, 1986; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lau, T., Bürgerunruhen und
Bürgerprozesse, 1999; Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen,
bearb. v. Weber, W., 2003; Thiele, M., Vae victis. Mühlhausen unter
sowjetischer Besatzungsdiktatur 1945-1953, 2004 (unwiss.); Bühner, P.,
Mühlhausen, Zs. d. Ver. f. thür. Gesch. 61 (2007), 59ff.
Mülhausen im →Elsass ist ein 803
erstmals erwähnter Ort, der nach 1221 →Reichsstadt wird. Seit 1515 ist M.
zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz. 1798 schließt es
sich Frankreich an.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,454; Oberlé, R./Livet, G., Histoire de
Mulhouse, 1977
Mulefe
Lit.: Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291
Mulier taceat in ecclesia (lat.). Die Frau schweige in der
Kirche.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Apostel Paulus, † 64 n. Chr., 1. Korinther 14,34)
Müll ist der trockene Abfall, dessen Beseitigung seit dem
19. Jh. ein allgemeines Verwaltungsproblem wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Müller-Arnold-Prozess ist der Prozess des Wassermüllers
Christian Arnold (und seiner Frau) im Kreis Züllichau, der 1774 gegen seinen
Erbverpächter (Graf Schmettau) auf Erlass der Mühlenpacht wegen Schwächung
des Zuflusses durch einen Oberlieger (Landrat von Gersdorff) klagt und 1778 die
Mühle durch Versteigerung (an Graf Schmettau) verliert. Am 11. 12. 1779 bzw. 1.
1. 1780 greift König Friedrich der Große von Preußen auf Grund eines
Bittgesuchs selbst in die Angelegenheit ein, lässt Räte des 1779 tätigen Justizkollegiums
verhaften, verurteilt sechs zu Festung, weist den Müller und seine Frau wieder
in die Mühle ein, begnadigt aber die verurteilten Richter bald. Sein Nachfolger
entschädigt die Räte, belässt aber die Mühle dem Müller. Der königliche
Machtspruch wird nunmehr als Missbrauch der Herrschaftsgewalt verstanden,
obwohl sich nicht mehr sicher feststellen lässt, ob der Müller Recht oder
Unrecht hat, der Machtspruch also Recht oder Unrecht schafft. Im 19. Jh. setzt
sich die dadurch in jedem Fall beeinträchtigte Unabhängigkeit der Gerichte
durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Schmidt, E.,
Rechtssprüche und Machtsprüche, 1943; Dießelhorst, M., Die Prozesse des Müllers
Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, 1984
München an der Isar, dessen Name auf eine
Beziehung zu einem bisher nicht sicher bekannten Kloster (Schäftlarn?) deutet
und für das sich keine vorstädtische Besiedlung sicher nachweisen lässt, erhält
1157/1158 von Herzog Heinrich dem Löwen einen Markt, wird seit 1255 allmählich
Sitz des Herzogtums Oberbayern bzw. Bayern und erlangt 1840 von Landshut die
ursprünglich in Ingolstadt eingerichtete Universität. Sein Recht wird 1340 von
Ludwig dem Bayern bestätigt. Am 29./30. 9. 1938 wird in München zwischen dem
Deutschen Reich, Großbritannien, Italien und Frankreich das Münchener Abkommen
geschlossen, das die deutschsprachigen Sudetengebiete der Tschechoslowakei
(28643 qkm, 3,63 Mill. Menschen) dem Deutschen Reich zuteilt und dadurch die
Kriegsgefahr in Mitteleuropa für kurze Zeit bannt. Im Sommer 1947 gelangt eine
gesamtdeutsche Ministerpräsidentenkonferenz in M. zu keiner Einigung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, 20.
Jh.; Rehme, P., Geschichte des Münchener Grundbuchs, FS Hermann Fitting, 1903;
Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs von Bayern, 1911; Denkmäler des Münchner
Stadtrechts, hg. v. Dirr, P., Bd. 1f. 1934ff; Reinecke, G., Münchener
Privatrecht im Mittelalter, 1936; Bärmann, J., Die Verfassungsgeschichte
Münchens im Mittelalter, 1938; Müller-Faßbender, R., Die Rechtsstellung der
städtischen Amtsträger in München, Diss. jur. München 1960; Das Abkommen von
München, hg. v. Král, V., 1968; Dölker, W., Das Herbergsrecht in der Münchner
Au, 1969; Kohl, W., Recht und Geschichte der alten Münchner Mühlen, 1969;
Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München, 1972; Kempter, F., Die
Gutachten- und Urteilstätigkeit der Juristenfakultät Ingolstadt - Landshut -
München, Diss. jur. Mannheim 1976; Rauschhofer, H., Völkerbund und Münchener
Abkommen, 1976; München, hg. v. Prinz, F. u. a., 1988; Maier, L., Stadt und
Herrschaft, 1989; Zerback, R., Stadt und Bürgertum in München, 1997; Bauer, R.,
Geschichte Münchens, 2003; Die Universität München im Dritten Reich, hg. v.
Kraus, E., 2006; Hartmann, P., Münchens Weg in die Gegenwart, 2008; Lidman, S.,
Zum Spektakel und Abscheu, 2008; München, Bayern und das Reich im 12. und 13.
Jahrhundert, hg. v. Seibert, H. u. a., 2008; Ludyga, H., Das Oberlandesgericht
München, 2012; Heydenreuter, R., Kriminalität in München, 2014
Mund ist der zum Essen, Trinken und Sprechen nötige
menschliche Körperteil, der in der Paarformel Mund und Hand für zusprechende
Wörter steht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Mündel (Wort vielleicht um 750 belegt) ist
der unter Vormundschaft stehende Mensch.
Lit.: Hübner; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Mündelgut ist das Vermögen des
→Mündels. Es wird vom Vormund verwaltet und meist auch genutzt. Nach
einem mittelalterlichen Rechtssprichwort soll M. (während der Verwaltung) weder
wachsen noch schwinden. Über bewegliche Sachen (Fahrnis) darf der Vormund frei
verfügen, über unbewegliche Sachen (Liegenschaften) nur mit Zustimmung des
Mündels oder gar nicht. Bei Erreichung der Mündigkeit kann der Mündel ein von
ihm oder vom Vormund vorgenommenes Geschäft widerrufen. Seit dem
Spätmittelalter wird der Vormund zu einem der Vormundschaftsbehörde verantwortlichen
Vertreter des Mündels, der für und gegen den Mündel rechtsgeschäftlich handeln
kann. Zum Ausgleich dafür wird die behördliche Aufsicht verstärkt.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 62 III 3; Hübner, 729; Kraut,
T., Die Vormundschaft, Bd. 2 1847; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
mundiburdium →mundoburdium
Mündigkeit (Wort 1369, mündig 1250) ist der Zustand der
Eigenverantwortlichkeit. Im altrömischen Recht verschafft der Eintritt der
(lat.) pubertas (F.) (Geschlechtsreife) die volle Geschäftsfähigkeit und
Deliktsfähigkeit, bis um 200 v. Chr. eine (lat.) lex (F.) Laetoria die
mündigen, noch nicht 25jährigen gegen Übervorteilung zu schützen beginnt. Die
M. wird dabei zunächst bei Männern von Fall zu Fall beurteilt, von der Schule
der Prokulianer aber mit Vollendung des 14. Lebensjahrs anerkannt, bei Frauen
schon von Anfang an mit Vollendung des 12. Lebensjahrs angenommen. Dem
entspricht wohl im Kern auch das germanische Recht. Im Frühmittelalter werden
als fester Zeitpunkt der M. die Vollendung des 12. oder 10. oder auch 14.
Lebensjahrs genannt. Im Laufe des Mittelalters rückt die Zahl (auf 18, 20, 21,
24 oder) bei Aufnahme des späteren römischen Rechtes (der Minderjährigkeit) auf
25 Lebensjahre hinauf. Volle Eigenverantwortlichkeit erlangen dabei nur die
vaterlosen Waisen. Bei den übrigen tritt die M. mit Abschichtung (bzw. Eheschließung)
ein. Seit dem Spätmittelalter setzen sich die Altersstufen des römischen
Rechtes durch. Zwischen sieben und 25 wird der Mensch im Wesentlichen gleich
behandelt. Deswegen wird die M. vielfach mit der Volljährigkeit gleichgesetzt
und danach von dieser weitgehend verdrängt (anders Ehemündigkeit,
Eidesmündigkeit). Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811) unterteilt
in unmündige Minderjährige (7-14) und mündige Minderjährige (14-24), wobei die
mündigen Minderjährigen über durch Fleiß erworbenes Einkommen und nach
erreichter Mündigkeit zum Gebrauch erhaltene Sachen frei verfügen dürfen (§ 151
ABGB).
Lit.: Kaser § 14 II 2, 58 IV 1; Köbler, DRG 88, 120,
160; Distel, T., Zur Mündigkeit in Sachsen a. L. (1537, 1541), ZRG GA 16
(1895), 216; Ebersold, G., Mündigkeit, 1980; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
mundium (lat.-afrk.) →munt
Mündlichkeit ist die durch Sprechen und Hören im
Gegensatz zu Schreiben und Lesen geprägte Kennzeichnung. Deshalb unterliegt das
gesamte Recht anfangs der M. Mit der Erfindung und Verallgemeinerung der
Schrift wird die M. aber zurückgedrängt. Dabei können nach dem Schwinden der
Schriftkultur des Altertums im Frühmittelalter nur wenige Geistliche schreiben.
Im 13. Jh. steigt die Schriftlichkeit sprunghaft an. Erst im 19. Jh. wird
demgegenüber der Versuch unternommen, der M. im Verfahrensrecht bewusst wieder
einen festen Platz zu sichern (z. B. Code de procédure civile 1806,
österreichisches Verfahren in Ehesachen 1819, österreichisches Verfahren in
summarischen Sachen 1845, Hannover 1850, Baden 1864, Württemberg 1868,
österreichisches Verfahren in Rechtsstreitigkeiten mit geringem Streitwert
1873, Reichszivilprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).
Lit.: Kaser § 80 I 2, 87 I 6; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 155, 201f.; Scholz, M., Hören und Lesen, 1980; Eichler, F., Recht
ohne Schrift, 2010; Teuscher, S., Zur Mediengeschichte des „mündlichen Rechts“
im späten Mittelalter, ZRG GA 131 (2014), 69
mundoburdium (lat.-afrk. N.)
Schutzgewalt, Vormundschaft
municipium (lat. N.)
Stadt
Lit.: Kaser § 17 II 2; Köbler, DRG 32, 36; Simshäuser,
W., Iuridici und Munizipalgerichtsbarkeit in Italien, 1973; Galsterer, H.,
Herrschaft und Verwaltung im republikanischen Italien, 1976; Bispham, E., From
Asculum to Actium. The municipalization of Italy, 2007
Münnerstadt
Lit.: Dinklage, K., Fünfzehn Jahrhunderte Münnerstädter Geschichte,
1983
Münster an der Aa wird 793 Ausgangsstelle
der Friesenmission des Bischofs Liudger und entwickelt sich von hier aus seit
dem Hochmittelalter zum größten geistlichen Fürstentum in Deutschland, für das
am 3. 10. 1571 eine Landgerichtsordnung und eine Hofgerichtsordnung verkündet
werden. Das vor den Landgerichten um Münster angewendete Recht ist nur
vereinzelt aufgezeichnet. Es ist überwiegend deutsches, vom sächsischen Recht
nur wenig beeinflusstes Recht. 1648 wird in M. ein Friedensvertrag geschlossen,
mit dem Spanien und die sieben vereinigten Niederlande den achtzigjährigen
Krieg beenden und Holland, Seeland, Groningen, Utrecht, Friesland, Gelderland
und Overijssel aus dem Heiligen römischen Reich ausscheiden. 1780 wird in M.
eine Universität (bis zur weitgehenden Schließung zu Gunsten Bonns 1818)
eingerichtet. Von 1815 bis 1946 ist M. Hauptstadt der Provinz Westfalen
Preußens. 1902 wird wieder eine juristische Fakultät eröffnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Quellen und
Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bartmann, J., Das
Gerichtsverfahren vor und nach der Münsterischen Landgerichtsordnung, 1908;
Meisterernst, B., Die Grundbesitzverhältnisse in der Stadt Münster im
Mittelalter, 1910; Hövel, E., Das Bürgerbuch der Stadt Münster 1538-1660, 1936;
Friemann, H., Die Territorialpolitik des münsterischen Bischofs Ludwig von
Hessen, 1937; Hermann, J., Die Universität Münster, 2. A. 1950; Krogmann, W.,
Zur Überlieferung der Bischofssühne, ZRG GA 76 (1959), 338; Prinz, J.,
Mimigernaford – Münster, 1960; Münsterisches Urkundenbuch, Bd. 1, hg. v. Prinz,
J., 1960; Theuerkauf, G., Land und Lehnswesen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert,
1961; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum Münster, 1964; Schmitz, H., Die
hochstift-münsterische Regierung von 1574-1803, Westfäl. Zs. 116 (1966), 27;
Koehler, B., Münster, HRG, Bd. 3 1980, 746; Nabrings, A., Strafrecht und
Strafverfolgung, Westfäl. Z. 135 (1985), 9; Walter, A., Die Beamtenschaft in
Münster, 1987; Kirchhoff, K., Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift
Münster, 1988; Klötzer, R., Die Täuferherrschaft von Münster, 1992; Michaelis,
K., Die Universität Münster 1945-1955, 1998; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
Erbmännerstreit, 1998; Steveling, L., Juristen in Münster, 1999; Das Bistum
Münster, bearb. v. Kohl, W., 1999f.; Westfälische Jurisprudenz, hg. v.
Großfeld, B. u. a., 2000; Schumacher. S., Das Rechtssystem im Stift Münster in
der frühen Neuzeit, 2004; Lutterbach, H., Das Täuferreich von Münster, 2008;
Tatort Domplatz, hg. v. Siekmann, M., 2009; Termeer, M., Münster als Marke,
2010; Die Universität Münster im Nationalsozialismus, hg. v. Thamer, H. u. a.,
2012; Münsteraner Juraprofessoren, hg. v. Hoeren, T., 2. A. 2015
municipium (lat. [N.]) Stadt (ohne römisches Bürgerrecht
bzw. ohne Stellung als colonia)
Munt (ahd. F., zu lat. manus
F.,
Hand) ist im Mittelalter die Gewalt eines Menschen über einen anderen Menschen
(z. B. Vater über Kind, Vormund über Mündel, Mann über Frau, Herr über
Gesinde). Die m. über ein Kind entsteht mit der Aufnahme nach der Geburt und
endet mit der Verselbständigung (Abschichtung, Verheiratung). In der Neuzeit
wird die m. von der (väterlichen) Gewalt (lat. F.
potestas) verdrängt.
Lit.: Hübner 615; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 71,
88, 160; Köbler, WAS; Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1ff. 1835ff.; Köstler,
R., Muntwalt und Ehebewilligung, ZRG GA 29 (1908), 78; Eckhardt, K., Beilager
und Muntübergang zur Rechtsbücherzeit, ZRG GA 47 (1927), 174; Molitor, E., Zur
Entwicklung der Munt, ZRG GA 64 (1944), 112; Cortese, E., Per la storia del
mundio in Italia, Rivista Italiana per le scienze giuridiche 91 (1955/1956),
323; Klug, D., Die Munt im Münchner Stadtrecht, Diss. jur. München 1958;
Hlawitschka, E., Eine oberitalienische Muntverkaufsurkunde aus dem Jahre 975
in der Stiftsbibliothek Sankt Gallen, ZRG GA 76 (1959), 328; Kroeschell, K.,
Haus und Herrschaft, 1968
Muntat (F.) ist im Heiligen römischen
Reich vor allem das Immunitätsgebiet (im
engeren Sinn).
Lit.: Hofmann, K., Die engere Immunität, 1914; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Muntbrief (M.) Schutzurkunde
Muntehe ist im Mittelalter die →Ehe,
bei der die Frau in die →munt des Mannes fällt. Den Gegensatz bildet die
muntfreie Ehe.
Muntschatz (M.) Heiratsgut
Münze ist ein nach Zusammensetzung und
Gewicht genau bestimmtes, in Metall geprägtes Geldstück, wie es im 1. Jt. v.
Chr. (Vorläufer mit einem Punzenbild versehene Elektronklümpchen 15. Jh. v.
Chr. Knossos und Zypern, Münzen 7. Jh. v. Chr. Westkleinasien, 289 v. Chr. Rom
aes grave, As) erscheint. Der Name leitet sich davon her, dass die
Münzprägewerkstatt der Römer sich im Tempel einer Sondergöttin der etruskischen
(lat.) gens (F.) Moneta befindet. In Rom wird das zuerst gewichtsmäßig
gehandelte Rohkupfer im 4. Jh. v. Chr. in feste Größen mit zugehörigen Gewichtsangaben
gebracht. Um 300 v. Chr. werden dabei Münzen von 300 g (1 Pfund, lat. F.
libra) verwendet. Seit 187 v. Chr. erscheint der Silberdenar (lat. denarius M.
argenteus) mit 10 As von 4,55 Gramm Gewicht, seit Caesar die Goldmünze (lat. M.
aureus, Konstantin lat. M. solidus). Die
Germanen kennen zunächst nur römische Münzen als Kostbarkeiten. Um die Mitte
oder nach der Mitte des 5. Jh.s entstehen auf römische Prägungen des 4. Jh.s
zurückgehende Brakteaten der Völkerwanderungszeit. Das Frühmittelalter
verwendet zwar Pfennig (denarius), Schilling (solidus) und Pfund als
Rechnungseinheit, prägt aber trotz etwa 800 bekannter merowingischer Münzstätten
bald nur noch den königlichen Silberdenar auch wirklich aus (62 Fundstätten
frühkarolingischer Prägungen aus mehr als 50 Prägeorten mit jeweils weniger
als 100 Denaren, um 900 ist das rechtsrheinische Gebiet des ostfränkischen
Reiches noch ohne Münzprägung, fast alle ostfränkischen Münzen von 900 bis
1100 gelangen durch den Fernhandel nach Skandinavien, Polen und Russland). Das
Recht zur Münzprägung wird vom König als →Regal in Anspruch genommen, das
er durch Privileg verleihen kann. Zwischen 1138 und 1254 lassen sich dabei
königliche (staufische) Münzstätten in 52 deutschen Orten nachweisen (Aachen,
Altenburg, Andernach?, Annweiler, Bern, Biberach, Boppard, Breisach, Buchhorn,
Colmar, Donauwörth, Dortmund, Duisburg, Eger, Eschwege, Essen, Frankfurt am
Main, Friedberg, Gelnhausen, Goslar, Hagenau, Hammerstein, Kaiserslautern,
Kaiserswerth, Leutkirch, Lindau, Lübeck, Maastricht, Memmingen, Mühlhausen,
Murrhardt, Nimwegen, Nordhausen, Nürnberg, Offenburg, Oppenheim, Ravensburg,
Rottweil, Saalfeld, Schlettstadt, Schongau, Schwäbisch Hall, Schweinfurt,
Sinsheim, Überlingen, Ulm, Wangen, Würzburg, Weißenburg, Wetzlar bzw. Kalsmunt,
Wien und Worms). Im Hochmittelalter geht das Münzprägerecht tatsächlich auf die
Landesherren über. Im 19. Jh. wird das dadurch weitgehend partikularisierte
und auch durch Münzverträge nur ansatzweise vereinheitlichte Münzwesen auf
übereinstimmende Größen umgestellt (Preußen 1821 Taler, Süddeutschland 1837
Gulden, Deutsches Reich 1871/3 →Mark). Wegen der andauernden
Geldentwertung im 20. Jh. tritt die Münze als Währungseinheit gegenüber dem
Papiergeld zurück. Beide verlieren gegenüber der Forderung gegen Geldinstitute
(elektronisches Geld) an Bedeutung. Als europäische Währung erscheinen
zunächst der bzw. die ECU (European Currency Unit) und 1995 rechnerisch bzw.
seit 1. 1. 2002 tatsächlich der Euro und Cent (in 16 Mitgliedstaaten), die aber
wegen verheimlichter fehlender Haushaltsdisziplin (der meisten Teilnehmerstaaten)
um 2010 in eine Krise geraten..
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 3, 16, 97,
113, 176; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon der Münzen, Maße, Gewichte, 1896,
Neudruck 1972; Luschin von Ebengreuth, A., Allgemeine Münzkunde und
Geldgeschichte, 2. A. 1926; Friedensburg, F., Münzkunde und Geldgeschichte der
Einzelstaaten, 1926; Jesse, W., Der wendische Münzverein, 1928; Jesse, W., Die
deutschen Münzer-Hausgenossen, Wiener numismatische Zeitschrift 63 (1930), 47;
Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931; Wörterbuch der
Münzkunde, hg. v. Schroetter, F. v. 1932; Troe, H., Münze, Zoll und Markt,
1937; Löning, G., Das Münzrecht im Erzbistum Bremen, 1937; Kamp, N., Moneta
regis, 1957, Neudruck 2006; Wielandt, F., Badische Münz- und Geldgeschichte,
1955; Friedberg, R., Gold Coins oft he World, 1958, 8. A. 2016; Völckers, H.,
Karolingische Münzfunde der Frühzeit, 1965 (SB Göttingen); Der Schatzfund von
Corcelles-près-Payerne, vergraben um 1034, 1969 (rund 1000 Münzen); Suhle, A.,
Deutsche Münz- und Geldgeschichte, 1970; Kahl, H., Hauptlinien der deutschen
Münzgeschichte vom Ende des 18. Jahrhunderts bis 1878, 1972; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Grierson, P., Münzen des Mittelalters,
1976; Göbl, R., Antike Numismatik, 1978; Wadle, E., Münzwesen, HRG, Bd. 3 1981,
770; Rey, M. van, Einführung in die rheinische Münzgeschichte, 1983;
Christmann, T., Das Bemühen von Kaiser und Reich um die Vereinheitlichung des
Münzwesens, 1988; Kluge, B., Deutsche Münzgeschichte, 1991; Grierson, P.,
Coins of Medieval Europe, 1991; Morrison, C., La numismatique, 1992; Howgego,
C., Ancient History from Coins, 1995; Haertle, C., Karolingische Münzfunde,
1997; Wolters, R., Nummi signati, 1999; Leschhorn, W., Lexikon der Aufschriften
auf griechischen Münzen, 2002ff.; Derschka, H., Die münzrechtlichen
Bestimmungen des Schwabenspiegels, ZRG GA 120 (2003), 91; Felder, E., Die
Personennamen auf den merowingischen Münzen der Bibliothèque nationale de
France, 2003; Albert, R., Die Münzen der römischen Republik (bis 31 v. Chr.),
2003, 2. A. 2011; Axboe, M., Die Goldbrakteaten der Völkerwanderungszeit,
2004: Kampmann, U., Die Münzen der römischen Kaiserzeit, 2004, 2. A. 2011;
Coinage and Identity in the Roman Provinces, hg. v. Howgego, C. u. a. 2005;
Repertorio dei ritrovamenti di moneta altomedievale in Italia (489-1002), hg.
v. Arslan, E., 2005 (rund 1000 Funde); Berghaus, P./Mäkeler, H., Münzkabinett
der Universität Uppsala, hg. v. Nilsson, H., 2006; Rizzoli, H., Münzgeschichte
des alttirolischen Raumes im Mittelalter, Bd. 2 2006; Emmerig, H., Bayerns
Münzgeschichte im 15. Jahrhundert, 2007; Großer deutscher Münzkatalog von 1800
bis heute, 25. A. 2009, 26. A. 2010, 27. A. 2012, 29. A. 2013, 31. A. 2015;
Weltmünzkatalog 19. Jahrhundert 1801-1900, 17. A. 2015; Weltmünzkatalog 20.
& 21. Jahrhundert 1900-2013, 4. A. 2009, 39. A. 2010; 40. A. 2012, 42. A.
2013; Weltmünzkatalog 20. Jahrhundert, 44. A. 2015, 45. A. 2017;
Weltmünzkatalog 21. Jahrhundert, 2. A. 2016, 3. A. 2017; Die deutschen Münzen
seit 1871, 22. A. 2011, 24. A. 2016; Klüßendorf, N., Münzkunde, hg. v.
Boeselager, E. Frfr. v., 2009 Keilitz, C., Die sächsischen Münzen 1500-1547, 2.
A. 2010; Mäkeler, H., Reichsmünzwesen im späten Mittelalter, Teil 1 Das 14.
Jahrhundert, 2010; Spörer, S., Politische und wirtschaftliche Gestaltung der
deutschen Münzreform 1871-1875, 2010; Schön, G. u. a., Kleiner deutscher
Münzenkatalog von 1871 bis heute, 42. A. 2012, 44. A. 2014, 47. A. 2017; Schön,
G., Euro-Münzkatalog, 11. A. 2012; Die Euro-Münzen, 14. A. 2014; Klüßendorf,
N., Kleine Münz- und Geldgeschichte von Hessen, 2012; Knickrehm, W., Offizielle
und lokale Münzprägestätten des gallischen Sonderreichs in und um Trier, 2014;
Bongartz, O., Deutsche Geldgeschichte, 2014; Hermann, M., Vom
Regenbogenschüsselchen zum Euro, 2014; Fried, T., Geprägte Macht, 2015
Münzfälschung ist die unerlaubte Verwendung
fremder Münzbilder und die Prägung unterwertiger oder untergewichtiger Münzen.
Die M. wird im ausgehenden Altertum bestraft, bei Goldmünzen sogar mit der
Todesstrafe. Im Frühmittelalter begegnen als Folgen Handverlust, Prügel und
Brandmarkung, seit dem 13. Jh. Sieden oder Verbrennen. Bis in das 19. Jh. ist
dennoch die M. ein Fall der allgemeinen Fälschung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 274
Münzregal →Münze
Lit.: Volz, P., Königliche Münzhoheit und Münzprivilegien,
1967
Muratori, Lodovico Antonio (Vignola 21. 10.
1672-Modena 23. 1. 1759) wird nach dem Theologiestudium Bibliothekar in Mailand
und 1700 in Modena. Mit zahlreichen kritischen Ausgaben italienischer
Geschichtsquellen begründet er die neuere italienische Geschichtswissenschaft.
Lit.: Carli, F. de, Lodovico Antonio Muratori, 1955
Murner, Thomas (Oberehnheim 24. 12.
1475-Heidelberg um 1537) durchzieht als Wandergeistlicher Mitteleuropa. 1515
hält er in Trier deutsche Rechtsvorlesungen. 1518 veröffentlicht er
lateinisch-deutsche (lat.) Utriusque iuris tituli (M.Pl.) et regulae (F.Pl.)
(Beider Rechte Titel und Regeln). 1519 übersetzt er die Institutionen Justinians
ins Frühneuhochdeutsche und erwirbt in Basel das juristische Lizentiat.
Lit.: Erler, A., Thomas Murner als Jurist, 1956
Muromcev, Sergej Andreevic (1850-1910) wird
nach dem Rechtsstudium u. a. in Göttingen (Ihering) 1875 Professor für
römisches Recht in Moskau. Im Einsatz für die Verfassungsbewegung erarbeitet er
einen liberalen Entwurf. Er sieht Recht als Verwirklichung gesellschaftlicher
Interessen und erklärt die Rechtswissenschaft in Russland zu einer das
alltägliche Leben bestimmenden Wissenschaft.
Lit.: Leontovich, V., Geschichte des Liberalismus in
Russland, 1957; Zor’kin, V., Muromcev, 1980
Murray, Sir William (1705-1793),
Peerssohn aus Schottland, wird nach dem Studium in Oxford und der Ausbildung in
Lincoln’s Inn 1730 Anwalt, 1742 Kronanwalt, 1754 Justizminister, 1756
Oberrichter (Lord Chief Justice) (1776 Earl of Mansfield). In seiner
richterlichen Tätigkeit stärkt er die Stellung des Richters zu Lasten der Jury,
fördert die Einbeziehung des Handelsrechts in das →common law und unterstützt
die Rechtsfortbildung durch Urteile.
Lit.: Fifoot, C., Lord Mansfield, 1936; Heward, E.,
Lord Mansfield, 1979; Oldham, J., The Murray Manuscript, 1993
Murten
Lit.: Welti, E., Das Stadtrecht von Murten, 1925
Museum
Lit.: Waidacher, F., Museologie knapp gefasst, 2004; Vieregg, H.,
Geschichte des Museums, 2008; Hartung, O., Kleine deutsche Museumsgeschichte,
2010; Museen im Nationalsozialismus, hg. v. Baensch, T. u. a. 2016; Nuseum und
Tourismus, hg. v. Neiß, H. u. a. 2017
Musik
Lit.: Müller, S., Das Publikum macht die Musik, 2014; Über den Ursprung
von Musik, hg. v. Wegner, S., 2016
Muspilli ist ein althochdeutsches
Stabreimgedicht der 2. Hälfte des 9. Jh.s über das Weltende durch Feuer
(jüngstes Gericht).
Lit.: Mohr, W./Haug, W., Zweimal Muspilli, 1977;
Köbler, G., Sammlung kleinerer althochdeutscher Denkmäler, 1986
Musteil (Speisevorrat) ist im
mittelalterlichen Recht ein Vermögensteil, den die Witwe beim Tod des Mannes
teilweise behalten darf.
Lit.: Hübner § 95c
Muster
Lit.: Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., 3,3, 1986
Musterung ist die Untersuchung (auf
Kriegstauglichkeit) seit dem Spätmittelalter. Eine besondere Bedeutung erwirbt
die M. im Seerecht (Anmusterung, Abmusterung).
Lit.: Helfritz, H., Geschichte der preußischen
Heeresverwaltung, 1938
Mutschierung ist im Mittelalter (13. Jh.) die
Teilung eines Gesamteigentums durch Vertrag (auf Zeit) im Erbrecht und im
Lehnsrecht.
Lit.: Hübner; Heusler, A., Institutionen des deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 247; Müller, E., Die Mutschierung von 1513, Jb. f.
RegionalG. 14 (1987), 173
Mutter (Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen) ist der weibliche Elter eines Kindes.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Hinz, M., Mutter- und Vaterbilder
im Familienrecht des BGB, 2014
Mutterrecht ist die Bezeichnung für eine
Familienstruktur, in der das Gut sich in mütterlicher Linie vererbt. Das M.
wird als eine Kulturstufe von Johann Jakob →Bachofen behauptet, lässt
sich aber nirgends tatsächlich überzeugend nachweisen.
Lit.: Köbler, DRG 15; Bachofen, J., Das Mutterrecht,
1861; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe, 1883; Dargun, L., Studien zum
ältesten Familienrecht, 1892; Meyer, H., Friedelehe und Mutterrecht, ZRG GA 47
(1927), 198; Schmidt, W., Das Mutterrecht, 1955; Bachofen, J., Das Mutterrecht.
Eine Auswahl, hg. v. Heinrichs, H., 3. A. 1980
Mutterschutz ist der Schutz der arbeitstätigen
Mutter in der Zeit vor und nach der Geburt. Der M. entwickelt sich am Ende des
19. Jh.s (in der Schweiz in Anlehnung an eine Regelung im Fabrikgesetz von
Glarus von 1864 im Jahre 1877 Beschäftigungsverbot je acht Wochen vor und nach
der Geburt eines Kindes, 1920 sechswöchiges Krankengeld, im Deutschen Reich in
Gewerbeordnungsnovelle 1878 dreiwöchiges Beschäftigungsverbot nach Geburt,
1882/1885 für Fabrikarbeiterinnen dreiwöchige Wöchnerinnenunterstützung,
1927). In der Schweiz wird zum 1. 7. 2005 eine obligatorische Mutterschaftsversicherung
eingeführt.
Lit.: Frank, L., L’assurance maternelle, 1897;
Schmitz, E., Mutterschutz und Mutterpflichten, Diss. jur. Köln 1992; Hauser,
K., Die Anfänge der Mutterschaftsversicherung, 2004
Mutterstadt ist im Mittelalter eine Stadt,
deren Recht auf eine andere Stadt übertragen wird und die deshalb für Auskünfte
in Rechtsstreitigkeiten der Tochterstadt wieder befragt wird (z. B. Freiburg im
Breisgau, Nürnberg, Frankfurt am Main, Soest, Lübeck, Magdeburg).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Dusil, S., Die Soester
Stadtrechtsfamilie, 2007
Mutung ist allgemein das Begehren,
insbesondere im Mittelalter das Begehren auf Erneuerung des Lehens, das Gesuch
um Zulassung als Meister und im Bergrecht der Antrag auf Verleihung des
Bergwerkeigentums in einem bestimmten Fall (bis 1980).
Lit.: Heusler, A., Institutionen des Deutschen
Privatrechts, Bd. 1 1885, 243, Bd. 2 1886, 169; Wissell, R./Hahm, K., Des alten
Handwerks Recht und Gewohnheit, 2. A. 1981
Mutuum (lat. N.)
ist bereits im altrömischen Recht das formfreie Haftungsgeschäft des (auf
Tausch gegebenen) →Darlehens. Es ist Realvertrag und entsteht mit der
Hingabe einer vertretbaren Sache in das Eigentum mit der Verpflichtung zur
Rückgabe einer gleichen Menge. Zinsen müssen meist besonders vereinbart werden.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner §§ 9, 16, 18; Köbler,
DRG 27, 45, 63; Köbler, LAW
Muwatta ([M.] arab. geebneter Pfad) ist das
älteste erhaltene, von Malik ibn Anas (8. Jh.) auf der Grundlage des
→Korans und des Gewohnheitsrechtes in Medina geschaffene Rechtsbuch des
→Islam.
Lit.: Schacht, J., Malik b. Anas, (in) Enzyklopädie
des Islam, 2. A. Bd. 1f. 1960ff., 6, 262
Mynsinger von Frundeck, Joachim (Stuttgart 13. 8.
1514-Großalsleben 3. 5. 1588), Adliger, wird nach dem Rechtsstudium in
Tübingen, Padua und Freiburg (Zasius) 1536 bzw. 1543 Professor in Freiburg im
Breisgau, 1548 Assessor am Reichskammergericht und 1556 Kanzler in
Braunschweig-Wolfenbüttel (1576 Gründung der Universität Helmstedt). 1563
veröffentlicht er als erster unsystematisch bei Gericht angelegte kurze
Notizen zu Entscheidungen des Reichskammergerichts ([lat.] Singularium
observationum iudicii imperialis camerae centuriae F.Pl.
quattuor, Vierhundert einzelne Beobachtungen des Reichskammergerichts).
Lit.: Köbler, DRG 144; Schreiber, H., Joachim
Mynsinger, 1834; Schumann, S., Joachim Mynsinger, 1983; Zippelius, K., Ein
Juristenleben im 16. Jahrhundert, (in) Mélanges Sturm, F., 1999, 959
Mythologie
Lit.: Jamme, C. u. a., Handbuch der Mythologie, 2014
N
Nabatäer ist der Angehörige eines vom 4. Jh. v. Chr.
bis 106 n. Chr. das Gebiet zwischen Damaskus und Arabien beherrschenden Volkes.
Lit.: Hackl, U. u. a., Quellen zur Geschichte der Nabatäer, 2003; The
World of the Nabataeans, hg. v. Politis, K., 2007
Nabburg
Lit.: Müller-Luckner, E., Nabburg, 1981
Nachbar ist der unmittelbar neben einem
Menschen wohnende oder begüterte Mensch. Schon im römischen Recht entwickelt
sich aus der Nachbarschaft ein →Nachbarrecht. Im Mittelalter haben
Nachbarn verschiedentlich ein →Näherrecht (Nachbarlosung). Im Übrigen
kommen Nachbarn häufig als Zeugen in Betracht.
Lit.:Kroeschell,
DRG 1; Kramer, K., Die Nachbarschaft, 1954; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte
des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Bauer, hg. v. Wenskus, R. u.
a., 1975, 230; Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983;
Hildebrandt, F., Die Nachbarschaften in Angeln vom 17. bis 19. Jahrhundert,
1985; In Europas Mitte, hg. v. Duchhardt, H., 1988; Sutter, P., Von guten und
bösen Nachbarn, 2002
Nachbarrecht ist die Gesamtheit der für die
Eigentümer von benachbarten Grundstücken im Verhältnis zueinander geltenden,
aus Gewohnheitsrecht oder Gesetz stammenden Rechtssätze. Sie betreffen bereits
im römischen Recht den Überhang von Zweigen, den Überfall von Früchten, den
Notweg, das Eindringen von Rauch, Wasser
u. s. w., die Ausbuchtung einer Mauer, die Einsturzgefahr von Gebäuden,
die Untersagung von Bauführung und die Feststellung der Grenze. Im
nachklassischen römischen Recht wird des öfteren wegen der vertraglichen
Vereinbarkeit der meisten Verpflichtungen fälschlich von Legalservituten
gesprochen. Teils auf einheimischer, teils auf aus dem römischen Recht
übernommener Grundlage findet das N. teils Eingang in das Bürgerliche
Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900), bleibt aber zum anderen Teil
Landesrecht.
Lit.: Kaser § 23 III; Hübner 280; Köbler, DRG 40;
Hitz, J., Das Nachbarrecht des Kantons Graubünden, Diss. jur. Bern 1912; Ogorek,
R., Actio negatoria und industrielle Beeinträchtigung des Grundeigentums, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 40; Carlen,
L., Bäuerliches Nachbarrecht in Schweizer Städten, FS G. Schmelzeisen, 1980;
Dehner, W., Nachbarrecht im Bundesgebiet, 7. A. 1991; Schmidt, B., Pflugwende
und Anwenderecht im Westfälischen, 1989; Uwer, D., Zur Entwicklungsgeschichte,
Jb. d. Umwelt- und Technikrechts, 1997, 303
Nacherbe ist der in der Weise eingesetzte
Erbe, dass dieser erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt (Nacherbfall)
Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist. Im
römischen Recht schließt der Rechtssatz (lat.) semel heres semper heres (einmal
Erbe, immer Erbe) ein Hintereinander mehrerer Testamentserben und damit
Nacherben aus. Einen Ausweg eröffnet das Erbschaftsfideikommiss, bei dem Erbe
zwar der erste Nachfolger des Erblassers wird, diesem aber auferlegt werden
kann, die Erbschaft ganz oder teilweise als Fideikommiss einem weiteren
Nachfolger herauszugeben. Im Mittelalter ist seit dem ausgehenden 13. Jh. die
Einsetzung eines Nacherben zulässig. Die Gestaltung behauptet sich gegen das
aufgenommene römische Recht.
Lit.:Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Söllner § 11;
Köbler, DRG 9; Schartl, R., Das Privatrecht der Reichsstadt Friedberg, Diss.
jur. Gießen 1987; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 2 1989, 613, 629;
Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse, 1992; Straub, S., Zur
Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch, ZRG 120
(2003), 235
Nachklassik des römischen Rechtes (3.-4. Jh. n. Chr.)
Nachlass (Wort Westfalen 1350, Nachlassgegenstand
1847, Nachlassgericht 1866, Nachlassgläubiger 1879, Nachlasskonkurs 1888,
Nachlassverbindlichkeit 1888, Nachlassverfahren 1891) ist das Vermögen des Erblassers im
Zeitpunkt des Erbfalls. Im römischen Recht ist der N. (lat. [F.] hereditas,
einschließlich der Verbindlichkeiten, aber ohne ususfructus, fructus, patria
potestas, manus, Vormundschaft oder Patronat) eine Einheit (unkörperliche
res, universitas), im mittelalterlichen Recht eine Mehrheit von Sondervermögen
(z. B. Gerade, Heergewäte). Verschiedentlich wird der N. zwischen Erbfall und
davon getrenntem Erbschaftserwerb als juristische Person angesehen (lat.
hereditas [F.] iacens, ruhende Erbschaft).
Lit.: Kaser §§ 65 I 2, 66 VI, 72 I; Hübner; Wesener,
G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 21; Repertorium der
handschriftlichen Nachlässe in den Bibliotheken und Archiven der Schweiz, hg.
v. Schmutz-Pfister, A., 1967; Mannheims, H./Roth, K., Nachlassverzeichnisse,
internationale Bibliographie, 1984; Krenz, U., Modell der Nachlassteilung,
1994; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Nachlassverkauf ist im römischen Recht die Versteigerung des
erbenlosen (überschuldeten) Nachlasses zu Gunsten der Gläubiger, die
entsprechend der Höhe ihrer Forderung anteilmäßig am Erlös beteiligt werden
(lat. [F.] bonorum venditio).
Lit.: Kroppenberg, I., Die Insolvenz im klassischen römischen Recht,
2001
Nachrezeption ist die im 19. Jh. erfolgende
Aufnahme des römischen Rechtes durch vertiefte Befassung mit den römischen
Rechtsquellen (Pandektistik).
Lit.: Köbler, DRG 205
Nachrichter ist eine Bezeichnung für den
→Henker.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Nachtwächter
Lit.: Sommer, P., Hört ihr Herrn und lasst euch sagen, 1968
Nachzensur ist die in Bezug auf einen Veröffentlichungszeitpunkt
nachträgliche Zensur.
Nachzettel ist in der frühen Neuzeit die ein
Testament ergänzende formlose Schrift. Die Möglichkeit des Nachzettels wird im
Allgemeinen Landrecht Preußens (1794) und in der Rechtsprechung des 19. Jh.s
eingeschränkt.
Nacktheit
Lit.: Duerr, H., Nacktheit und Scham, 1988; Cordier, P., Nuditès
romaines, 2005
Näherrecht oder Retraktrecht ist das Anrecht
bestimmter nahestehender Personen auf ein Gut für den Fall der Vererbung oder
Veräußerung. Berechtigt können Verwandte, Nachbarn, Herren und andere sein. Das
N. kann an die Zahlung eines Geldausgleichs gebunden sein. Schon seit dem Hochmittelalter
wird das N. zugunsten der Freiheit des Eigentümers zurückgedrängt. Seit dem 18.
Jh. wird es verstärkt bekämpft und im 19. Jh. im Wesentlichen beseitigt.
Vereinbart werden kann aber ein Vorkaufsrecht.
Lit.: Hübner 422; Köbler, DRG 124, 163, 211; Gierke,
O., Deutsches Privatrecht, Bd. 2 1905, 766; Wesener, G., Vorkaufs- und
Einstandsrecht der „gesippten Freunde“, (in) Gedächtnisschrift R. Schmidt,
1966, 535; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in): Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52
Name (Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen, Namensrecht 1888) ist die Bezeichnung einer einzelnen
Person oder eines einzelnen Gegenstands (für Orte →Ortsname) zum Zweck
der Heraushebung aus einer Gattung bzw. der Unterscheidung von anderen Personen
und Gegenständen. Die Vergabe von Namen steht vermutlich am Beginn der
menschlichen Sprachentwicklung. Während anfangs meist ein einziges Wort als
Name genügt, wird bereits im römischen Altertum der Mensch häufig durch mehrere
Namensbestandteile individuell gekennzeichnet (lat. praenomen [N.], nomen
gentile, cognomen z. B. Gaius Iulius Caesar, in Spätantike aber wieder Tendenz
zur Einnamigkeit). Bei den römischen Senatoren des spätantiken Gallien tragen
von 411 Personen 5 bzw. 8 germanische Namen. Im deutschen Mittelalter wird
angesichts der (wohl auf kaum mehr als 1000) ziemlich begrenzten Zahl der Namen
zwecks mit dem Bevölkerungswachstum und der zunehmenden Urbanisierung erforderlich
werdender Unterscheidung nach ersten Anfängen in Venedig (9. Jh.), Norditalien
und Südfrankreich (10. Jh.) für den Adel im 10. Jh. bzw. seit dem 12. Jh. (z.
B. Zürich 1150/1170, Frankfurt am Main Anfang 13. Jh., Esslingen 13. Jh., - in
Wien seit 1288 kein Rufname mehr ohne Beiname -, Friesland 19. Jh.) in etwa vom
Süden und Westen nach Norden und Osten fortschreitend dem Namen (Vornamen)
allmählich allgemein ein Zuname (Familienname) beigefügt, was andernorts erst
viel später geschieht (Japan 1875, Bulgarien 1878, Türkei 1934). Frauen erlangen
mit der Heirat den Familiennamen des Mannes, Kinder mit der Geburt den Familiennamen
des Vaters bzw. bei unehelicher Geburt der Mutter. Durch Verordnungen seit dem
17. Jh. wird bis zum Ende der frühen Neuzeit die ursprüngliche Freiheit der
Namensänderung beseitigt (Österreich 1776). Seit 14. 6. 1976 kann in der
Bundesrepublik Deutschland auch der Name der Frau Familienname sein, seit 1995
ist kein gemeinsamer Familienname mehr nötig (1995 auch in Österreich). Im
Einzelnen ist ein detailliertes Namensrecht entwickelt. Danach bestimmen
grundsätzlich die Eltern den oder die Vornamen (und den Familiennamen) eines
Kindes. Häufigster der mehr als 150000 verschiedenen deutschen Familiennamen
der Gegenwart ist Müller (ca. 10%), häufigster Familienname der Welt der
chinesische Name Chang (Zhang) oder Wang.
Lit:
Köbler, DRG 120, 160, 267; Levi, S. Vorname und Familienname, Diss. jur. Gießen
1888; Schulze, W., Zur Geschichte lateinischer Eigennamen, 1904; Volckmann, E.,
Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920; Brechenmacher, J., Etymologisches
Wörterbuch der deutschen Familiennamen, 1957ff.; Schönfeld, W., Wörterbuch der
altgermanischen Personen- und Völkernamen, 1911, 2. A. 1965; Polenz, P. v.,
Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland, 1961;
Berger, F./Etter, O., Die Familiennamen der Reichsstadt Esslingen, 1961;
Klippel, D., Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Thoma, G., Namensänderungen
in Herrscherfamilien des mittelalterlichen Europa, 1985; Internationales
Handbuch der Vornamen, 1986; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen,
1987; Hanks, P./Hodges, F., A Dictionary of Surnames, 1988; Seibicke, W.,
Historisches deutsches Vornamenbuch, 1996ff.; Namenforschung, hg. v. Eichler,
E. u. a., 1996; Nomen et gens, hg. v. Geuenich, D. u. a., 1997; Dumoulin, K.,
Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Berger, E.,
Name und Recht, ZRG GA 117 (2000), 564; Kunze, K., dtv-Atlas Namenkunde, 4. A.
2003; Personennamen des Mittelalters, hg. v. Fabian, C., 2. A. 2000 (13000
Namensformen); Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2001;
Wagner-Kern, M., Staat und Namensänderung, 2002; Person und Name, hg. v.
Geuenich, D. u. a., 2002; Glasner, P., Die Lesbarkeit der Stadt, 2002;
Schrimpf, R., Vornamengebung in Braunschweig 1871-1945, 2002; Dictionnaire
historique de l’anthroponymie romane, hg. v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff.
2003ff.; Grahn-Hoek, H., Zu Mischehe, Namengebung und Personenidentität im
frühen Frankenreich, ZRG GA 121 (2004), 100; Deutsches Namenslexikon, 2004;
Lochner von Hüttenbach, F., Frühmittelalterliche Namen in der Steiermark, 2004;
Name und Gesellschaft im Frühmittelalter, hg. v. Geuenich, D. u. a., 2006;
Namen, hg. v. Krampl, u. u. a., 2009; Onimastica Slavogermanica 25, hg. v. Eichler,
E., 2008; Noth, M., Die israelitischen Personennamen, 2010; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Der Südwesten
im Spiegel der Namen, hg. v. Greule, A. u. a., 2010; Utech, U., Rufname und
soziale Herkunft, 2011; Methoden der Namenforschung, hg. v. Ziegler, A., 2011;
Debus, F., Namenkunde und Namengeschichte, 2012; Tiernamen – Zoonyme, hg. v.
Dammel, A., Bd. 1f. 2015; Benware, W., Zur Betonung geographischer Namen im
deutschsprachigen Europa, 2015 (24000 geographische Namen); Namen und Wörter,
hg. v. Bergmann, R. u.a., 2018
Namensehe ist die nur zwecks Erlangung eines Namens
geschlossene Ehe (Scheinehe).
Namur
Lit.: Roland, J., Le comté et la province de Namur, 1959
Nancy in Frankreich ist seit 947 bezeugt.
Es erhält 1265 Stadtrecht. 1766 gelangt es mit Lothringen zu Frankreich. 1768
wird es Sitz einer Universität, 1777 Sitz eines Bischofs.
Lit.: Fray, J., Nancy-le-Duc, 1986
Napoleon Bonaparte (Ajaccio 15. 8.
1769-Longwood/Sankt Helena 5. 5. 1821), niederadliger Juristensohn mit sehr
schneller Auffassungsfähigkeit, sehr rascher Entscheidungsfähigkeit, sehr hoher
Arbeitsfähigkeit und ungeheuerem Gedächtnis, wird nach Offiziersausbildung und
militärischen Erfolgen 1796 mit 27 Jahren Oberbefehlshaber der Armee
Frankreichs in Italien. 1798 zieht er mit 56000 Soldaten nach Ägypten, um den
mittleren Osten für Frankreich zu erobern. 1799 wird er unter Sturz der
Direktorialregierung erster Konsul, am 18. 5. 1804 erblicher Kaiser der
Franzosen. Binnen weniger Jahre (1804-1810) lässt er das Recht Frankreichs in
fünf modernen Codes (Gesetzbüchern) erfassen und gestaltet die europäische
Staatenwelt nach seinen Vorstellungen um, wobei er sich insgesamt 880 Tage im
deutschen Sprachraum und 753 Tage im italienischen Gebiet aufhält. 1813 bei
Leipzig und 1815 bei Waterloo wird er von Russland, Österreich und Preußen
bzw. England und Preußen geschlagen. Er stirbt nach Abdankung in der Verbannung
auf Sankt Helena.
Lit.: Köbler, DRG 132, 141, 169; Dunan, M., Napoléon
et l’Allemagne, 1942; Andreas, W., Das Zeitalter Napoleons, 1956; Andreas, W.,
Napoleon, 1962; Fehrenbach, E., Der Kampf um die Einführung des Code Napoleon
in den Rheinbundstaaten, 1973; Ludwig, E., Napoleon, 1977; Die Erhebung gegen
Napoleon 1806-1814/15, hg. v. Spies, H., 1981; Theewen, E., Napoléons Anteil am
Code civil, 1991; Dufraisse, R., Napoleon, 1994; Napoleonische Herrschaft in
Deutschland und Italien, hg. v. Dipper, C. u. a., 1995; Kern, B., Die
französische Gesetzgebung unter Napoleon, JuS 1997, 11; Kleßmann, E., Napoleon,
2000; Willms, J., Napoleon, 2000; Lefebvre, G., Napoleon, 2003; Pelzer, E.,
Napoleon Bonaparte, 2003; Bonaparte, la Suisse et l’Europe, hg. v. Dufour, A.,
2003; Ullrich, V., Napoleon, 2004; Willms, J., Napoleon, 2005; Hecker, M.,
Napoleonischer Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Beßlich, B., Der
deutsche Napoleon-Mythos, 2006; Napoleon. Trikolore und Kaiseradler über Rhein
und Weser, hg. v. Veltzke, V., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen,
hg. v. Hedwig, A. u. a. 2008; Cole, J., Die Schlacht bei den Pyramiden, 2010;
Napoleon und Europa, 2010; Hunecke, V., Napoleon, 2011; Furrer, D.,
Soldatenleben, 2012; Zamoyski, A., 1812. Napoleons Feldzug in Russland. 2012;
Krause, A., Der Kampf um Freiheit, 2013; Napoleonische Expansionspolitik, hg.
v. Braun, G. u. a., 2013; Müchler, G., Napoleons hundert Tage, 2014; Bremm, K.,
Die Schlacht – Waterloo 1815, 2015; Müchler, G., Waterloo, 2015; Napoléon oder
der entfesselte Prometheus, hg. v. Jung, W., 2015; Füssel, M. Waterloo 1815,
2015; Willms, J., Waterloo, 2015; Müchler, G., Napoleons Sohn, 2017 (Franz
Herzog von Reichstadt 1811-1832); Gueniffey, P., Bonaparte 1769-1802, 2017;
Müchler, G., Napoleon – Revolutionär auf dem Kaiserthron, 2018
Nasciturus (lat. [M.] Geborenwerdender) ist
die menschliche →Leibesfrucht im Mutterleib. Der n. ist in gewisser
Weise vom Recht geschützt, wenn er später tatsächlich lebend geboren wird. Er
hat ein Erbrecht und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche (z. B. gegen
Arzneihersteller).
Lit.: Coulin, A., Der nasciturus, ZRG GA 31 (1910),
131; Koch, E., Der nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v.
Burgmann, L. u. a., 1985, 87
Nasciturus pro iam nato habetur (lat.). Das erst noch geboren
werdende (gezeugte) Kind wird als schon geboren behandelt (Fiktion).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Paulus, um 160-um 230, Digesten 50, 16, 231)
Nassau ist eine im 12. Jh. an der unteren
Lahn erscheinende Familie, die von 1292 bis 1298 den deutschen König stellt und
1815 das Königtum in den Niederlanden erlangt. Ihr seit dem 12. Jh. an der Lahn
enstehendes Herrschaftsgebiet wird als 1814 mit einer Verfassung versehenes
Herzogtum (1806) 1866 von Preußen annektiert und geht 1945 in Hessen auf.
Lit.:
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 192; Meister, R.,
Nassau und die Reichsritterschaft vom Reichsdeputationshauptschluss bis zum
Wiener Kongress, 1923; Marner, W., Die Verfassung des Herzogtums Nassau von
1814, 1953; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff, 3,3,2878; Münzing,
H., Die Mediatisierung der ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und
Reichsritter im Herzogtum Nassau, Diss. jur. Mainz 1980; Herzogtum Nassau
1806-1866, Ausstellungskatalog (Neudruck) 1981; Renkhoff, O., Nassauische
Biographie 1985, 2. A. 1992 (4946 Menschen); Nassau und Oranien, hg. v. Tamse,
C., 1985; Gensicke, E., Landesgeschichte des Westerwaldes, 2. A. 1987;
Zimmermann, R., Die Bemühungen um eine Privatrechtskodifikation im Herzogtum
Nassau 1806-1866, 1988; Vater, A., Hexenverfolgungen in nassauischen
Grafschaften, Diss. jur. Marburg 1988; 175 Jahre nassauische Verfassung, red.
Friedrich, B., 1989; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau um die
Einführung von Mündlichkeit und Öffentlichkeit im Zivilprozessverfahren
1806-1866, 1990; Jäger, W., Staatsbildung und Reformpolitik, 1993; Schüler, W.,
Die nassauische Verfassung vom 1./2. September 1814, (in) Hessen, 1997, 59;
Nassauische Parlamentarier, hg. v. Rösner, C., 1997; Regierungsakten der
Herzogtums Nassau 1803-1814, bearb. v. Ziegler, 2001; Schüler, W., Das
Herzogtum Nassau 1806-1866, 2006; Menk, G., Das Haus Nassau-Oranien in der
Neuzeit, 2009; Herrmann, H., Die Grafen von Nassau links des Rheins (in)
Nassauische Annalen 123 (2012) 99
nasteid (ahd. [M.]) Eid der frühmittelalterlichen
Alemannen auf den Zopf
natio (lat. [F.]) Geburt, Geschlecht,
Landsmannschaft, Volk
Lit.: Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat,
1955; Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, 1978; Eichenberger, T.,
Patria, 1991
Nation ist die durch die Einheit von
Sprache und Kultur bzw. durch die Gleichheit der politischen Entwicklung
zusammengeschlossene Gesamtheit von Menschen. Bedeutsam wird die Nation vor
allem im 19. Jh.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141;
Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation, hg. v. Wagner,
W., 1968; Zeumer, K., Heiliges römisches Reich deutscher Nation, 1910;
Hugelmann, G., Stämme, Nation und Nationalstaat, 1955; Plessner, H., Die
verspätete Nation, 4. A. 1966; Schröcker, A., Die deutsche Nation, 1974;
Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter, hg. v. Beumann, H. u. a., 1978;
Landwehr, G., „Nation“ und „Deutsche Nation“, FS W. Reimers, 1979, 1;
Brinkmüller, E., Nation Österreich, 1984; Ansätze und Diskontinuität deutscher
Nationsbildung im Mittelalter, hg. v. Ehlers, J., 1989; Region, Nation, Europa,
hg. v. Lottes, G., 1992; Nation, Nationalismus, Postnation, hg. v. Klueting,
H., 1992; Dann, O., Nation und Nationalismus, 1993, 3. A. 1996; Die deutsche
Nation, hg. v. Dann, O., 1995; Nationenbildung, hg. v. Münkler, H., 1997;
Pollmann, K., Nation und Nationalstaat, 1998; Blitz, H., Aus Liebe zum Vaterland,
2000; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Behrndt,
K., Die Nationskonzeptionen, 2003; Müller, S., Die Nation als Waffe und
Vorstellung, 2003; Schulze, H., Staat und Nation in der europäischen
Geschichte, 2004; Wrede, M., Der Kaiser, das Reich, die deutsche Nation HZ 280
(2005), 83; Kinze, R., Nation und Nationalismus, 2005; Helmchen, A., Die
Entstehung der Nationen im Europa der frühen Neuzeit, 2005; Hroch, M., Das
Europa der Nationen, 2005; Die deutsche Nation im frühneuzeitlichen Europa, hg.
v. Schmidt, G., 2010; Heinemann, A., Stadt, Konfession und Nation, 2014
Nationalgesetzbuch ist das die Rechtsordnung einer
→Nation vereinheitlichende →Gesetzbuch. Am Beginn des 19. Jh.s
findet im deutschen Sprachraum ein Streit um ein N. statt
(→Kodifikationsstreit). Das N. löst sowohl das partikulare Recht wie auch
das subsidiäre gemeine Recht ab.
Lit.: Wieacker, F., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um
die Nationalgesetzbücher, (in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974, 55; Dölemeyer, B., Der Kampf des 19. Jahrhunderts um die Nationalgesetzbücher,
(in) Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, 79
Nationalismus ist das in der Mitte des 18. Jh.s
vom Gedankengut der studentischen Landsmannschaften und der Romantik ausgehende
Denken in →Nationen. Es führt in Europa im 19. Jh. zu nationalen, im
Kulturellen beginnenden und danach politisierten Gegensätzen. Diese entladen
sich im ersten Weltkrieg und im zweiten Weltkrieg.
Lit.: Il nazionalismo in Italia e in Germania fino
alla prima guerra mondiale, hg. v. Lill, R. u. a. 1983; Dann, O., Nation und
Nationalismus, 1993, 2. A. 1994, 3. A. 1996; Echternkamp, J., Der Aufstieg des
deutschen Nationalismus (1770-1840), 1998; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna.
Territoriale Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v.
Bellabarba, M. u. a., 2000; Nationalismus und Nationalbewegung in Europa
1914-1945, hg. v. Timmermann, H., 1999; Langewiesche, D., Nation,
Nationalismus, Nationalstaat, 2000; Gramley, H., Propheten des deutschen
Nationalismus, 2001; Hirschhausen, U. v./Leonhard, J., Nationalismen in Europa,
2001; Wehler, H., Nationalismus, 2001; Kohfink, M., Für Freiheit und Vaterland,
2002; Müller, S., Die Nation als Waffe und Vorstellung, 2003; Kunze, R., Nation
und Nationalismus, 2005; Breuer, S., Nationalismus und Faschismus, 2005;
Weichlein, S., Nationalbewegung und Nationalismus in Europa, 2006; Hewitson,
M., Nationalism in Germany, 2010; Hermand, J., Verlorene Illusionen. Eine
Geschichte des deutschen Nationalismus, 2012; Hirschi, C., Tee Origins of
Nationalism, 2012; The Oxford Handbook of the History of Nationalism, hg. v.
Breuilly, H., 2013; Friedrichs, A., Zwischen Nationalisierung und
Universalierung, HZ 304 (2017), 90
Nationalität ist die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem
Volk bzw. einer Nation.
Nationalitätenstaat, N., Vielvölkerstaat (z. B.
Österreich-Ungarn mit elf verschiedenen Nationalitäten und entsprechendem
Nationalitätenproblem ohne wirklich gelungene überzeugende ganzheitliche
Lösung, vgl. Ausgleich, kroatischer Ausgleich, mährischer Ausgleich,
Wahlrechtsreformen)
Lit.: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich,
hg. v. Hugelmann, K., 1934; Kann, R., Das Nationalitätenproblem der
Habsburgermonarchie, 2. A. 1964; Stourzh, G., Die Gleichberechtigung der
Nationalitäten in Verfassung und Verwaltung, 1985
Nationalkirche ist die das Nationale betonende
christliche Kirche. In der frühen Neuzeit versteht sich die Kirche in
Frankreich und in England in unterschiedlich starkem Ausmaß als Nationalkirche.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Staat und Kirche im Wandel der Jahrhunderte, hg. v. Fuchs, W., 1966
nationalliberal (national und liberal)
Nationalökonomie (F.) Volkswirtschaft
Lit.: Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen
Denkens, 1999; Hansel, R., Jurisprudenz und Nationalökonomie, 2006
Nationalrat ist eine Bezeichnung für eine
Volksvertretung (z. B. Österreich 1920, Vorläufer der mit Patent vom 5. 3. 1860
geschaffene, vom 31. 5. 1861-27. 9. 1861 zusammentretende verstärkte Reichsrat,
vgl. Art. 24 B-VG, Gesetzgebung zusammen mit dem Bundesrat, der ein
Einspruchsrecht hat).
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher
nationalsozial (national und sozial), 1896 als
Bezeichnung einer von Friedrich Naumann begründeten Arbeiterpartei auf
christlicher Grundlage und monarchischem, nationalem Boden verwendet, wobei
sich die Entstehung der nationalistischen deutschen Arbeiterbewegung aus der
Verwendung billiger tschechischer Arbeitskräfte im ursprünglich rein deutsch
besiedelten Industriegebiet Nordböhmens erklären lässt
Nationalsozialismus ist eine vielleicht schon in der
fortschrittlichen Ordnung der französischen Revolution von 1789 angelegte, im
frühen 20. Jh. (in Böhmen 1903 und) in Deutschland auf der Grundlage von
Nationalismus und Sozialismus entstandene, unter Adolf →Hitler von 1933
bis 1945 in →Deutschland die Macht ausübende politische Bewegung (1929
absolute Mehrheit in Coburg), wobei wohl Nationalismus und Antisemitismus, die
Kritik an der Massengesellschaft und der kulturellen Moderne in Dem Deutschen
Reich bereits vor 1914 in gleichem Maße verbreitet sind wie in anderen
vergleichbaren Staaten, aber die Niederlage in dem ersten Weltkrieg, die harten
Bedingungen des Vertrags von Versailles, die darin enthaltene
Kriegsschuldbehauptung den Nationalismus und das Revanchedenken stark anfachen
und die Stabilität des zur Republik gewandelten Deutschen reiches untergraben
und auf der Suche nach Verursachern den Antisemitismus fördern (1901 war das
Durchschnittseinkommen des Juden etwa fünfmal so hoch wie des christlichen
Deutschen). Der N. weist keine eigentliche rechtstheoretische Grundhaltung
auf. Er geht lediglich von der Vorstellung aus, dass er die richtige
Weltanschauung sei, die mit allen Mitteln, und deshalb auch mit dem Mittel des
Rechtes, verwirklicht werden müsse. Das an vorgegebenen konkreten Lebensordnungen
des völkischen Gemeinschaftswillens auszurichtende Recht ist ihm nur ein
bedeutsames und wirksames, durchaus an manchen Stellen auch ältere Reformvorstellungen
fortführendes und insofern modernisierendes Kampfinstrument zur Durchsetzung
der vom Führer ohne Kontrolle aus seinem Charisma heraus geschaffenen
Weltanschauung in der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Da der Positivismus
des ausgehenden 19. Jh.s alle außerjuristischen Gehalte ausgesondert hat, sind
die während seiner Vorherrschaft entstandenen Gesetze dem N. nicht abträglich.
Er braucht lediglich die bestimmten, ursprünglich als selbstverständlich
mitgedachten Voraussetzungen, dass der Staat sittlichen Prinzipien folgt und
die Macht nicht rechtswidrig anwendet, aufzugeben und die ausgeschiedenen
außerjuristischen Inhalte durch sein Gedankengut zu ersetzen. Das Gesetz kann
bei dieser Auslegung formal völlig unverändert bleiben. Im äußersten Fall gerät
es, weil es „dem gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlägt“, außer
Anwendung. Bemerkenswert ist dabei, dass insbesondere Fachvertreter des
öffentlichen Rechtes und der deutschen Rechtsgeschichte an den Universitäten
Schlüsselbegriffe der nationalsozialistischen Weltanschauung übernehmen und
geschichtlich zu belegen versuchen. Soweit auf Grund des N. strafgerichtliche
Verurteilungen aus politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder
weltanschaulichen Gründen unter Verstoß gegen Grundgedanken der Gerechtigkeit
(Unrechtsurteile) ergangen sind, sind diese durch das Gesetz zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. 8.
1998 aufgehoben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221, 226, 228,
248; Jung, R., Der nationale Sozialismus, 1919; Neurohr, R., Der Mythos vom
Dritten Reich, 1957; Nationalsozialismus und die deutsche Universität, 1966;
Brodersen, C., Gesetze des NS-Staates, 1968; Justiz und NS-Verbrechen, Bd. 1ff.
1968ff.; Rüthers, B., Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 6. A. 2005, 7. A. 2012;
Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung, 1970;
Bracher, K., Die deutsche Diktatur, 7. A. 1993; Schulz, Der Aufstieg des
Nationalsozialismus, 1975; Hambrecht, R., Die braune Bastion, 1976, 2. A. 2017
(Diss. phil. Würzburg 1975); Bayern in der NS-Zeit, hg. v. Institut für
Zeitgeschichte, Bd. 1ff. 1977ff.; NS-Verbrechen vor Gericht, hg. v. Moritz, K.,
1978; Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Mosse, G., Ein Volk, ein
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Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ist die am 5. 1. 1919 als
Deutsche Arbeiterpartei gegründete Partei, die nach dem Eintritt des
berufslosen Gefreiten Adolf →Hitler im September 1919 am 24. 2. 1920 in
25 Punkten ihr politisches Programm veröffentlicht. Im Juli 1921 wird Adolf
Hitler Vorsitzender. 1922 wird die Partei in einzelnen deutschen Ländern, am
23. 11. 1923 im ganzen deutschen Reich verboten, nach Neugründung am 27. 2.
1925 aber wieder zugelassen. Ihre Mitglieder vor 1933 sind vor allem männlich,
protestantisch und zwischen 21 und 40 Jahren alt. Die Partei bestimmt,
gegliedert in Ortsgruppen (mit ehrenamtlichen Leitern) und Gaue, nach
wesentlichen Wahlerfolgen (Juli 1932 37,3 Prozent der Stimmen, November 1932
33,1 Prozent, bei Landtagswahl in Lippe am 15. 1. 1933 39,5 Prozent) das
politische Geschehen im Deutschen Reich von 1933 bis 1945. Am 19. 4. 1933 wird
die Aufnahme neuer Parteimitglieder ausgeschlossen (Aufnahmestopp). Dies
wird am 20. 4. 1937 stark gelockert und am 10. 5. 1939 aufgehoben, aber 1942
wieder festgelegt. Am 10. 10. 1945 wird die Partei, die bis zu 10 Millionen
Mitglieder (Parteigenossen) aus allen Bevölkerungsschichten mit sehr
verschiedenen Motivationen zählt (höchste bekannte Mitgliedsnummer 10174581,
750000 Austritte, etwa 70000 Ausschlüsse, rund 500000 Todesfälle, bei
Kriegsende am 8. Mai 1945 wohl etwa 8,8 Millionen Mitglieder bzw. Parteigenossen
bzw. „Nazis“ aus den nicht ganz vollständig erhaltenen Karteien zu
erschließen), durch das Gesetz Nr. 2 des
→Alliierten Kontrollrats aufgelöst. →Nationalsozialismus
Lit.: Der Aufstieg der NSDAP, hg. v. Deuerlein, E.,
1980; Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block, N., Die
Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002; Rösch, Mathias, Die Münchener NSDAP,
2002; Reibel, C., Das Fundament der Diktatur. Die NSDAP-Ortsgruppen 1932-1945,
2002; Madden, P./Mühlberger, D., The Nazi Party, 2007; Beck, H., Konflikte zwischen
Deutschnationalen und Nationalsozialisten während der Machtergreifungszeit, HZ
292 (2011), 645; Humann, D., Arbeitsschlacht, 2011; Priamus, H., Meyer.
Zwischen Kaisertreue und NS-Täterschaft, 2011; Mobilisierung im
Nationalsozialismus, hg. v. Werner, O., 2013; Würz, M., Kampfzeit unter
französischen Bajonetten, 2012; Und sie werden nicht mehr frei sein ihr ganzes
Leben, hg. v. Becker, S. u. a., 2012; Herwig, M., Die Flakhelfer. Wie aus
Hitlers jüngsten Parteimitgliedern Deutschlands führende Demokraten wurden,
2013; Falter, J., 10 Millionen ganz normale Parteigenossen, 2016
Nationalsozialistisches Recht ist das vom
→Nationalsozialismus geprägte bzw. geschaffene bzw. angewandte Recht.
Neu geschaffen wird dabei in erster Linie das Verfassungsrecht, welches das
parlamentarische System in eine →Diktatur verwandelt. Durch Verordnungen
des Reichspräsidenten vom 4. 2. 1933 und 28. 2. 1933 werden die wichtigsten
Grundrechte außer Kraft gesetzt. Durch das →Ermächtigungsgesetz vom 24.
3. 1933 überträgt der Reichstag seine Gesetzgebungsgewalt auf die Reichsregierung.
Das vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länderparlamente mit dem Reich
(31. 3. 1933) überlässt den Landesregierungen Gesetzgebungszuständigkeit und
setzt die Länderparlamente entsprechend der Sitzverteilung des Reichstages
zusammen. Das unmittelbar anschließende Gesetz zur Gleichschaltung der Länder
mit dem Reich (7. 4. 1933) stellt an die Spitze der nichtpreußischen Länder
einen Reichsstatthalter, der die Landesregierung ernennt. Seit Mai 1933 werden
verschiedene Parteien verboten oder aufgelöst. Mit Gesetz vom 30. 1. 1934 werden
die Landesparlamente aufgehoben und die Landesregierungen der Reichsregierung
unterstellt. Am 14. 2. 1934 wird der →Reichsrat aufgelöst. Nach dem Tod
des Reichspräsidenten (12. 8. 1934) übernimmt Adolf →Hitler dessen Amt.
Daneben werden Minderheiten, vor allem die →Juden, entrechtet
(Nürnberger Gesetze). Rechtsstaatliche Verfahrensregeln werden
eingeschränkt. Rechtsquellen sind Reichstagsgesetze, Reichsregierungsgesetze,
Führerverordnungen, Ministerialverordnungen, Führererlässe, Verwaltungsverordnungen
und Gewohnheitsrecht. Bedeutendere Einzelgesetze sind im Übrigen selten und
führen teilweise auch ältere Ansätze weiter (Ehegesetz, Testamentsgesetz,
Reichserbhofgesetz, Deutsche Gemeindeordnung). Der Versuch einer völligen
Neugestaltung des bürgerlichen Rechtes in einem →Volksgesetzbuch misslingt.
Soweit die älteren Gesetze erhalten bleiben, wird ihre Anwendung durch
„unbegrenzte Auslegung“ verändert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 226ff.;
Schmitt, C., Nationalsozialistisches Rechtsdenken, Deutsches Recht 1934, 225;
Kogon, E., Der SS-Staat, 1946; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im Dritten Reich,
1959; Schorn, H., Die Gesetzgebung des Nationalsozialismus, 1963; Echthölter,
K., Das öffentliche Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Jäger, H.,
Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 1967; Justiz und NS-Verbrechen, red.
v. Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1986; Bucheit, G., Richter in roter Robe, 1968;
Stolleis, M., Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, 1974;
Anderbrügge, K., Völkisches Rechtsdenken, 1978; Meinck, J., Weimarer
Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus, 1978; Nationalsozialistisches Recht
in historischer Perspektive, hg. v. Hattenhauer, H., 1981; Das Sonderrecht für
die Juden im NS-Staat, hg. v. Walk, J., 1981; Stolleis, M.,
Nationalsozialistisches Recht, HRG, Bd. 3 1981, 873; Fieberg, G., Justiz im
nationalsozialistischen Deutschland 1984; Ramm, T., Das nationalsozialistische
Familien- und Jugendrecht, 1984; Biesemann, J., Das Ermächtigungsgesetz, 1985;
Popp, H., Die nationalsozialistische Sicht, 1986; Majer, D., Die Grundlagen des
nationalsozialistischen Rechtssystems, 1987; Brenzina, M., Ehre und
Ehrenschutz im nationalsozialistischen Recht, 1987; Werle, G., Zur Reform des
Strafrechts in der NS-Zeit, NJW 1988, 2865; Rüthers, B., Recht als Waffe des
Unrechts, NJW 1988, 2825; Stolleis, M., Recht im Unrecht, 1994; Reiter, R.,
Nationalsozialismus und Moral, 1996; Vogl, R., Stückwerk und Verdrängung, 1997;
Faupel, R./Eschen, K., Gesetzliches Unrecht, 1998; Dörner, B., „Heimtücke“,
1998; Friedrich, J., Freispruch für die Nazi-Justiz, 1998; Dokumentation des
NS-Strafrechts, hg. v. Ostendorf, H. 2000; Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem
Hakenkreuz, 2001; Enzyklopädie des Nationalsozialismus (1997) CD-ROM, hg. v.
Benz, W. u. a. 2000; Feldman, G., Die Allianz und die deutsche
Versicherungswirtschaft, 2001
Nationalstaat ist der die Einheit der
→Nation und die Abgrenzung gegenüber anderen Nationen besonders betonende
Staat seit dem 19. Jh. (z. B. Frankreich), verstärkt seit 1918.
Lit.: Köbler, DRG 205; Hugelmann, K., Stämme, Nation
und Nationalstaat im deutschen Mittelalter, 1955; Meinecke, F., Weltbürgertum
und Nationalstaat, 7. A. 1963; Huber, E., Nationalstaat und Verfassungsstaat,
1965; Schöllgen, G., Determinanten deutscher Identität, Hist. Jb. 105 (1985),
455; Angermeier, H., Deutschland zwischen Reichstradition und Nationalstaat,
ZRG GA 107 (1990), 19; Langewiesche, D., Nation, Nationalismus, Nationalstaat,
2000; Caruso, A., Nationalstaat als Telos? Der konservative Diskurs in Preußen
und Sardinien-Piemont 1840-1870, 2017
Nationalversammlung ist eine die →Nation
vertretende Versammlung von Abgeordneten. In Frankreich ist N. eine Kammer im
Parlament. Im Deutschen Bund bereitet die deutsche N. die Verfassung vor. Auf
Grund von Wahlen in den Einzelstaaten wird sie am 18. 5. 1848 in der
Frankfurter Paulskirche eröffnet und nach dem 28. 4. 1849 infolge Scheiterns
der politischen Bewegung aufgelöst. Daneben tagt auch eine preußische N. Am 6.
2. 1919 wird in Weimar eine verfassunggebende N. eröffnet, die den Entwurf
einer Reichsverfassung am 31. 7. 1919 verabschiedet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 171, 221, 256;
Aktenstücke und Aufzeichnungen zur Geschichte der Frankfurter
Nationalversammlung aus dem Nachlass von Johann Gustav Droysen, hg. v. Hübner,
R., 1924; Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen
constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, hg. v. Wigard, F.,
Bd. 1ff. 1948/9; Schrader, R., Die Fraktionen der preußischen
Nationalversammlung von 1848, Diss. phil. Leipzig 1923; Ziegler, W., Die
deutsche Nationalversammlung 1919/29, 1932; Mann, B., Das Ende der Nationalversammlung
im Jahre 1849, HZ 214 (1972), 265; Siemann, W., Die Frankfurter
Nationalversammlung, 1976; Laufs, A., Recht und Gericht im Werk der
Paulskirche, 1978; Fiedler, W., Die erste deutsche Nationalversammlung, 1980;
Diestelkamp, B., Nationalversammlung, HRG, Bd. 3 1980; Nörr, K., Die Weimar
Nationalversammlung und das Privatrecht, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984,
317; Meinerzhagen, U., Möglichkeiten und Grenzen sozialpolitischen Handelns
in der Frankfurter Nationalversammlung, Diss. jur. Heidelberg 1987; Die Frankfurter
Nationalversammlung 1948/49, hg. v. Koch, R., 1989
Natur ist das Wesen einer Gegebenheit, insbesondere
die Umwelt des Menschen auf der Erde.
Lit.: Hannig, N., Die Suche nach Prävention – Naturgefahren im 19. und
20. Jahrhundert (in) HZ 300 (2015) 33; Schmitt, A., Naturnutzung und
Nachhaltigkeit – Osnabrücker Markenwirtschaft im Wandel (1765-1820), 2015
Naturalersatz (Naturalrestitution) ist der Ersatz
eines Schadens in Natur.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217
Naturalisation (Einbürgerung) ist die seit dem 19.
Jh. gesetzlich genau festgelegte Verleihung der Staatsbürgerschaft.
Lit.: Rehm, H., Der Erwerb der Staats- und Gemeindeangehörigkeit,
Ann. d. Dt. Reichs-Gesetzgebung 25 (1892), 137; Zenthöfer, E., Zur Geschichte
des Begriffs der Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Grawert, R.,
Staat und Staatsangehörigkeit, 1973; Stiller, M., Eine Völkerrechtsgeschichte
der Staatenlosigkeit, 2011
Naturalis obligatio (lat. [F.], Naturalobligation
1847) ist im römischen Recht die natürliche, unvollkommene →Verbindlichkeit
(z. B. Geschäftsschuld eines Sklaven oder Hauskinds). Sie kann freiwillig
erfüllt werden, ihre Erfüllung kann aber nicht erzwungen werden. In der Neuzeit
gelten Spielschulden und Ehemäklerlohn als nicht erzwingbare Verbindlichkeiten.
Lit.: Kaser §§ 15 I 4c, 33 II, 49 II 1a, 60 II 3c;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Landolt, P., Naturalis
obligatio and bare social duty, 2000; Schulze,
G., Die Naturalobligation, 2008
Naturalleistung ist die Leistung in Natur. Im
spätantiken römischen Recht ist der Inhalt des Leistungsurteils wegen der
wirtschaftlichen Verschlechterung grundsätzlich auf N. gerichtet. Geldersatz
ist nur zu erbringen, wenn die an sich geschuldete Leistung unmöglich oder
ungenügend ist. Im Mittelalter sind Leistungen weitgehend als N. zu bewirken.
Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 63, 166, 217; Lamprecht, K.,
Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. I 2 1886, 944; Haussherr, H.,
Wirtschaftsgeschichte der Neuzeit, 4. A. 1970, 4, 378
Naturalobligation (1847) ist die nicht erzwingbare Obligation,
die als (lat. [F.]) →naturalis obligatio bereits dem römischen Recht
bekannt ist. Der dennoch leistende Schuldner hat keinen Rückforderungsklaganspruch
(lat. [F.] condictio).
Lit.: Schulze, G., Die Naturalobligation, 2008;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Naturalrestitution (Savigny 1841) →Naturalersatz, Naturalleistung,
Wiederherstellung in Natur
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Naturalwirtschaft ist die geldlose Wirtschaft. Sie
findet sich dort, wo Geld völlig fehlt oder keinen wirtschaftlichen Wert hat
(z. B. Germanen, Spätantike). Sie ist der Geldwirtschaft an Beweglichkeit
unterlegen.
Lit.: Köbler, DRG 57, 77; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930
Natur der Sache ist das Wesen eines Gegenstands.
Unter (lat.) natura (F.) rei verstehen die klassischen römischen Rechtskundigen
eine Schranke rechtlicher Gestaltungsmöglichkeit. Demgegenüber wird die N. d.
S. in der 2. Hälfte des 18. Jh.s bei →Pütter (1725-1807) und →Runde
(1741-1807) als Rechtsquelle (des gesamten →deutschen Privatrechts)
verwendet. Mit dem Naturrecht wird dies als nicht überzeugend wieder
aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Dreier, R., Zum Begriff der
Natur der Sache, 1965; Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus
der Natur der Sache, Diss. jur. Göttingen 1967; Dießelhorst, M., Die Natur der
Sache, 1968; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache, 1970; Sprenger,
G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Holzhauer, H., Natur als Argument in
der Rechtswissenschaft, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Natürliche Grenze ist die von der Natur durch
Wasser, Sümpfe, Wälder, Gebirge oder Wüsten gebildete →Grenze eines
Gebiets. Sie verliert im Laufe der menschlichen Geschichte an Bedeutung
gegenüber der künstlichen Grenze.
Lit.: Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A.
2007; Lindemann, U., Wüste, 1998
Naturrecht ist die Gesamtheit der der Natur
innewohnenden, zeitlos gültigen, vernunftnotwendigen und vom Menschen nicht
geschaffenen Rechtssätze. Das N. ist bereits der griechischen Philosophie
(griech. physei dikaion [N.]) als Gegensatz zum vom Menschen gesetzten Recht
(griech. thesei dikaion [N.]) bekannt. Danach ist von Natur aus rechtens, was
überall und schon unabhängig von menschlicher Zustimmung gilt. Dieses N. wird
von den Römern als von der (lat.) naturalis ratio (F.) beherrschtes ius (N.)
naturale übernommen (z. B. Verbindung von Mann und Frau und Aufzucht von
Kindern) und dem (lat.) ius (N.) gentium zur Seite gestellt. Nach christlicher
Ansicht stammt es (als [lat.] lex [F.] aeterna, vom Menschen erkennbar in der
[lat.] lex [F.] naturalis) von Gott. Demgegenüber sehen die Glossatoren das
römische Recht als gegeben an und stellen die Frage nach einem übergeordneten
Naturrecht nicht. In der frühen Neuzeit betonen spanische Spätscholastiker (z.
B. Francisco de Vitoria 1493-1546, Domingo de Soto 1494-1560, Fernando Vasquez
1512-1569, Luis de Molina 1535-1600) und deutsche Reformierte (z. B. Johann Oldendorp
1486-1567, Johannes Althusius 1557-1638) erneut die besondere Bedeutung des
Naturrechts. Der in Leiden und Orléans am gemeinen Recht geschulte Niederländer
Hugo →Grotius (1583-1645) überführt in (lat.) De iure praedae (1606-1608)
und in (lat.) De iure belli ac pacis tres (Drei Bücher Kriegs- und
Friedensrecht, 1624) die Naturrechtslehren aus der Moraltheologie in die
Rechtswissenschaft. Ihm folgt in Deutschland zunächst Samuel Pufendorf
(1632-1694, [lat.] De iure naturae et gentium libri octo, Acht Bücher Natur-
und Völkerrecht, 1672), der in Heidelberg im Jahre 1661 (außerhalb der
juristischen Fakultät) den ersten Lehrstuhl für N. erhält. Weil das N. jetzt
besonders auf die Vernunft abstellt, bezeichnet man es auch als
→Vernunftrecht. Klassischer Vertreter des deutschen Vernunftrechts ist
der im Wesentlichen mit der Reformuniversität →Halle verbundene Christian
→Thomasius (1655-1720, [lat.] Fundamenta [N.Pl.] iuris naturae et
gentium, 1705, Grundlagen des Natur- und Völkerrechts), der das Recht endgültig
von Theologie und Moral befreit. Sein Schüler Christian →Wolff
(1679-1754) schließlich stellt unter starkem Rückgriff auf das im usus modernus
pandectarum verwendete gemeine Recht seiner Zeit ([lat.] more geometrico) ein
geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf ([lat.] Ius [N.]
naturae methodo scientifica pertractatum, 1740-1749, Naturrecht wissenschaftlich
durchgeführt), mit dem er jedoch, weil er in konstruktiver Überspitzung etwa
für einen einzigen einzelnen Folgesatz bis zu 300 Obersätze voraussetzt,
zugleich die Ablösung des (in Frankreich und England sowie im
positivistisch-historisch bestimmten Kirchenrecht der frühen Neuzeit fremd
bleibenden) Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit nicht brauchbar
einleitet. Unmittelbare Übernahme von behaupteten Naturrechtssätzen in die
Rechtspraxis finden sich kaum. Bei Darjes und Nettelbladt geht das N. bereits
in der Dogmatik des geltenden Rechtes auf. Immanuel Kant steht dem N. kritisch
gegenüber. Auch Savigny und die von ihm begründete historische Rechtsschule lehnen
das N. als ungeschichtlich ab. Nach 1945 werden kurzfristig naturrechtliche
Gedanken wieder aufgegriffen. Problematisch ist das N. deswegen, weil es mit
bereits vorausgesetzten ethischen Kriterien an die Wirklichkeit herantritt und
aus ihr auswählt, was es für maßgeblich hält.
Lit.: Kroeschell, DRG 2,3; Köbler, DRG 31, 144, 145;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 245; Schubert, A., Augustins
Lex-aeterna-Lehre, 1924; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Arnold, F., Zur Frage des Naturrechts bei Martin Luther,
1937; Thieme, H., Die Zeit des späten Naturrechts, ZRG GA 56 (1936), 202;
Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische Privatrechtsgeschichte, 1947, 2.
A. 1954; Krause, O., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, Diss. jur.
Göttingen 1949 (gedruckt 1982); Stratenwerth, G., Die Naturrechtslehre des
Johannes Duns Scotus, 1951; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Flückiger, F., Geschichte des
Naturrechts, 1954; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 1947, 2. A. 1954; Welzel, H., Naturrecht und materiale
Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Wieacker, F., Vom heutigen Stand der
Naturrechtsdiskussion, 1965; Weigand, R., Die Naturrechtslehre der Legisten und
Dekretisten, 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian Thomasius,
1968; Wunner, S., Christian Wolff und die Epoche des Naturrechts, 1968;
Weinkauff, H., Der Naturrechtsgedanke in der Rechtsprechung, NJW 13 (1969),
1689; Othmer, S., Berlin und die Verbreitung des Naturrechts in Europa, 1970;
Röd, W., Geometrischer Geist und Naturrecht, 1970; Rüping, H., Gottlieb Gerhard
Titius und die Naturrechtslehre, ZRG GA 87 (1970), 314; Luig, K., Zur
Verbreitung des Naturrechts in Europa, TRG 40 (1972), 539; Naturrecht in der
Kritik, hg. v. Böckle, F. u. a., 1973; Teubner, W., Kodifikation und
Rechtsreform in England, 1974; Nörr, K., Naturrecht und Zivilprozess, 1976;
Sprenger, G., Naturrecht und Natur der Sache, 1976; Carpintero-Benitez, F., Del
derecho natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Wesener, G.,
Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Link, C., Herrschaftsordnung und
bürgerliche Freiheit, 1979; Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts auf das
positive Privatrecht im 18. Jahrhundert, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die
Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der allgemeinen Lehren, 1980;
Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders, W., 1983; Klippel, D., Naturrecht
als politische Theorie, (in) Aufklärung als Politisierung, hg. v. Bödeker, H.
u. a. 1987, 267; Christian Thomasius 1655-1728, hg. v. Schneiders, W., 1989;
Bühler, C., Die Naturrechtslehre und Christian Thomasius 1655-1728, 1989; Doe,
N., Fundamental Authority in Late Medieval English Law, 1990; Böhme, H.,
Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre, 1993; Naturrecht -
Spätaufklärung - Revolution, hg. v. Dann, O., 1995; Voppel, D., Der Einfluss
des Naturrechts auf den usus modernus, 1996; Naturrecht im 19. Jahrhundert, hg.
v. Klippel, D., 1997; Recht zwischen Natur und Geschichte, hg. v. Kerregan, F.
u. a., 1997; Bruch, R., Ethik und Naturrecht, 1997; Seelmann, K., Theologie und
Jurisprudenz, 1997; Wie erkennt man Naturrecht, hg. v. Seifert, J., 1998;
Landau, P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit zwischen
Humanismus und Naturrecht, ZNR 21 (1999), 7; Hammerstein, N., Die
Naturrechtslehre an den deutschen, insbesondere den preußischen Universitäten,
(in) Reformabsolutismus und ständische Gesellschaft, 1998, 3; Scattola, M., Das
Naturrecht vor dem Naturrecht, 1999; Drescher, A., Naturrecht als
utilitaristische Pflichtenethik?, 1999; Die hallesche Schule des Naturrechts,
hg. v. Rüping, H., 2002; Streidl, P., Naturrecht, 2003; Ulmschneider, C., Eigentum
und Naturrecht, 2003; Otte, G., Die Naturrechtsrechtsprechung der
Nachkriegszeit, 2004; Naturrecht und Staat, hg. v. Klippel, D., 2006; Das
Naturrecht und Europa, hg. v. Guz, T., 2007; Wittreck, F., Nationalsozialistische
Rechtslehre und Naturrecht, 2008; Natgural Law and Laws of Nature, hg. v.
Daston, L./Stolleis, M., 2008; Kullmann, W., Naturgesetz in der Vorstellung der
Antike, besonders der Stoa. Eine Begriffsuntersuchung, 2010; Klippel, D.,
Naturrecht und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert - Eine Bibliographie - Band
1 1780 bis 1850, 2012; The Threads of Natural Law, hg. v. Contreras, F., 2012;
Naturrecht und Staat in der Neuzeit, hg. v. Eisfeld, J. u. a., 2013; Foljanty,
L., Recht oder Gesetz, 2013; Naturrecht in Antike und früher Neuzeit, hg. v.
Armgardt, M. u. a., 2014; Tierney, B., Liberty and Law – The Idea of Permissive
Natural Law, 1100-1800, 2014; Helmholz, R., Natural Law in Courts, 2015;
Naturrecht und Moral in pluralistischer Gesellschaft, hg. v. Müller, C. u. a.,
2017; Hammerstein, G., Die Entwicklung des Naturrechtsgedankens in der
katholischen Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts, hg. v. Uertz, R., 2017
Naturrechtler ist der Vertreter des
→Naturrechts.
Lit.: Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten
Jahrhunderts, 1982
Naturrechtskodifikation ist die auf →Naturrecht
gegründete →Kodifikation an der Wende vom 18. zum 19. Jh. (preußisches
Allgemeines Landrecht 1794, französischer Code civil 1804, österreichisches
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811/1812)
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967
Naturschutz ist der Schutz der Natur
(natürlichen Landschaft) durch den Staat. Der N. entsteht im 20. Jh. und wird
in dessen zweiter Hälfte vom allgemeineren Umweltschutz eingeschlossen.
Lit.: Lorz, A., Naturschutzrecht, 1985; Wettengel, M.,
Staat und Naturschutz, HZ 1993, 2, 335; Naturnutzung und Naturschutz in der
europäischen Rechts- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Heyen, V., 1999;
Naturschutz und Nationalsozialismus, hg. v. Radkau, J. u. a., 2003; Schmoll,
F., Erinnerung an die Natur, 2004; Natur- und Umweltschutz nach 1945, hg. v.
Brüggemeier, G. u. a., 2005; Nellessen, K., Umweltschutz als kommunale Aufgabe,
2007; Lorenzen, J., Das Bundesnaturschutzgesetz vom 20. Dezember 1976, 2012;
Dirscherl, S., Tier- und Naturschutz im Nationalsozialismus, 2012;
Kontinuitäten im Naturschutz, hg. v. Franke, N. u. a., 2014
Naturwissenschaft ist die auf die Natur im Gegensatz
zum menschlichen Geist und die menschliche Gesellschaft oder insgesamt den
Menschen bezogene Wissenschaft. Sie beginnt bereits bei den Griechen und
gewinnt seit dem 19. Jh. überragende Bedeutung.
Lit.: Fried, J., Aufstieg aus dem Untergang, 2001;
Fischer, E., Die Verzauberung der Welt, 2014; Hofbauer, G., Die geologische
Revolution – Wie die Entdeckung der Erdgeschichte unser Denken veränderte,
2015; Akteure, Tiere, Dinge – Verfahrensweisen der Naturgeschichte in der
frühen Neuzeit, hg. v. Förschler, S. u. a., 2017
Navarra ist das Gebiet zwischen Pyrenäen
und Ebro, das hauptsächlich von Basken besiedelt wird. 905 wird es Königreich,
fällt aber 1026 kurzfristig an Kastilien und gerät seit 1234 unter den Einfluss
Frankreichs (1234-1274 Grafen der Champagne, 1284/1291-1328 Frankreich, 1329-1425
Grafen von Evreux). Der südliche Teil wird 1512 von Aragonien erobert und zu
Kastilien gezogen. Der nördliche Teil kommt 1589 zu Frankreich.
Lit.: Schramm, P., Der König von Navarra (1035-1512),
ZRG GA 68 (1951), 110; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,251; Segura Urra, F., Fazer justicia, 2005
Naziregime →Nationalsozialismus
Neandertaler ist der nach Funden von 1856 in dem durch
industriellen Kalkabbau zerstörten Neandertal bei Mettmann, aus der
europäischen Variante (homo Heidelbergensis) des Frühmenschen (homo erectus)
(vor 160000 Jahren?) hervorgegangene, (wohl Zungenbein und Sprachgen FOXP2
aufweisende,) Kleidung und Schmuck kennende, aber vielleicht vor etwa 30000
Jahren von dem in Afrika entstandenen modernen Menschen verdrängte Hominide.
Lit.: Schrenk, F./Müller, S., Die Neandertaler, 2005
Neapel beruht auf einer im 8./7. Jh. v.
Chr. von Cumae aus eingerichteten Kolonie, neben der im 5. Jh. eine Neustadt
(griech. Neapolis) gebaut wird. Über Römer und Oströmer gelangt es 1057 bzw.
1139 an die Normannen (→Sizilien). 1224 wird es durch Kaiser Friedrich
II. Sitz einer Universität. Über Anjou (1266/1268), Aragonien (1435), Piemont
(1713), Österreich (1720), die Bourbonen (1735) kommt N. 1860 an
Sardinien-Piemont und danach 1861 zu Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gunn, P., Neapel,
1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren, europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233,
3,2,2359, 3,3,3218; Rovito, P., Respublica dei togati, 1982; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Kiesewetter, A., Die Anfänge der
Regierung König Karls II. von Anjou (1278-1295), 1999; Sakellariou, E.,
Southern Italy in the Late Middle Ages, 2012
Nebenabrede ist die auf Grund der allgemeinen
Vertragsfreiheit neben dem notwendigen Inhalt eines Vertrags stehende
zusätzliche, den gewöhnlichen Inhalt ergänzende oder sonst abändernde Abrede
(lat. [N.] pactum adiectum, z. B. im römischen Recht [lat.] lex commissoria,
Wiederkaufsabrede, Bessergebotsabrede).
Ne bis in idem (lat.) Nicht zweimal in derselben
(Sache)
Lit.: Schwarplies, Die rechtsgeschichtliche
Entwicklung des Grundsatzes „ne bis in idem“, Diss. jur. Zürich 1970
Necessitas non habet legem (lat.). Not kennt kein Gebot.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Glosse Expedire zu Digesten 1, 10, 1, § 1)
Ne eat iudex ultra petita partium (lat.). Der Richter soll nicht
über die Anträge der Parteien hinausgehen.
Lit.: Liebs, D. Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Neglegentia (lat. [F.]) ist die Nachlässigkeit
im spätantiken römischen Schuldrecht (Außerachtlassung der pflichtgemäßen Sorgfalt,
Gegenteil der lat. [F.] diligentia).
Lit.: Köbler, DRG 63; Negligence, hg. v. Schrage, E.,
2001
Negotiorum gestio (lat. [F.]) oder negotium gestum
ist die bereits dem klassischen römischen Schuldrecht bekannte, vielleicht aus
der Verfahrensführung eines (lat. [M.]) procurator und der Geschäftsführung
eines (lat. [M.]) curator entstandene →Geschäftsführung ohne Auftrag,
die als kontraktähnliches Verhältnis für den Geschäftsherrn einen
Herausgabeanspruch und möglicherweise einen Schadensersatzanspruch gegen den
Geschäftsführer und umgekehrt möglicherweise einen Aufwendungserstattungsanspruch
des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn begründet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2e, 44 II; Söllner §§ 9, 18;
Köbler, DRG 47; Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum gestiorum gestio,
1968; Wollschläger, C., Die Geschäftsführung ohne Auftrag, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deppenkemper, G., Negotiorum gestio
– Geschäftsführung ohne Auftrag, 2014
negotium (N.) claudicans (lat.) hinkendes Geschäft (z. B. des beschränkt
geschäftsfähigen Minderjährigen)
negotium (N.) per aes et libram (lat.) Libralgeschäft mit Erz und Waage
Nehrman-Ehrenstrale, David (1695-1769), Malmöer
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Lund, Rostock, Halle (Thomasius,
Gundling) und Leiden 1720 Professor, 1721 ordentlicher Professor für
schwedisches und römisches Recht in Lund und hält als erster schwedische
Vorlesungen. 1729 veröffentlicht er die erste, vom römischen Recht gelöste
wissenschaftliche Darstellung des Privatrechts Schwedens (Inledning til then
swenska iurisprudentiam civilem, Einleitung in die schwedische Ziviljurisprudenz).
Seit 1734 folgt er dem neuen schwedischen Gesetzbuch.
Lit.: Modéer, K., Einleitung zu: David
Nehrman-Ehrenstrale, Inledning., 1979, 26
Neidingswerk ist im mittelalterlichen
nordgermanischen Recht die Missetat oder verächtliche Handlung. Voraussetzung
und Folgen sind unterschiedlich.
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922; See, K. v., Altnordische Rechtswörter, 1964; Hemmer, R., Die Missetat im
altschwedischen Recht, 1965
Nekrolog (M. bzw. N.) Totenbuch
Lit.: Das Necrolog des Klosters Michelsberg in
Bamberg, hg. v. Nospickel, J., 2004; Leng, R., Ein Würzburger Necrolog aus dem
9. Jahrhundert, DA 63 (2007), 1; Der älteste „Necrolog“ des Klosters St.
Maximin vor Trier, hg. v. Roberg, F., 2009; Das Nekrolog des Klosters
Ochsenhausen von 1494, red. v. Bigott, B., 2010; Schmenk, N., Totengedenken in
der Abtei Brauweiler, 2012 (Nekrolog von 1476); Libri vitae, hg. v. Geuenich,
D. u. a., 2015
Nemo iudex in causa sua (lat.). Niemand sei Richter in
eigener Sache.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Codex Justinianus 3,5 Rubrik, 534)
Nemo iudex sine actore (lat.). Kein Richter ohne Kläger.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(D. 50. 17. 54)
Nemo plus iuris ad alium transferre potest,
quam ipse habet
(lat.). Niemand kann mehr Rechte auf einen anderen übertragen, als er selbst
hat.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 17, 54)
Nemo simul actor et iudex (lat.). Niemand kann zugleich
Kläger und Richter sein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Burchard von Worms, 965-1025, Decretum 16, 15)
Neoabsolutismus ist der der Verfassungsbewegung
des frühen 19. Jh.s. und besonders des Jahres 1848 folgende, in Österreich
durch die gewaltsame Auflösung des Reichstags am 7. 3. 1849 und durch mehrere
Erlasse Kaiser Franz Josephs vom 20. 8. 1851 (Augusterlässe) eingeleitete
Abschnitt des →Absolutismus (Herrschaftsform, in Österreich besonders
1851 [Silvesterpatent] – 1860 [Oktoberdiplom] bzw. 1861 [Februarpatent] bzw.
1867 [Dezemberverfassung]). Im N. werden die Geschworenengerichte, der
liberale Strafprozess, das liberale Prozessrecht, Vereinsrecht und Gemeinderecht
wieder aufgegeben. Es werden aber in dieser wegen personeller,
institutioneller und konzeptueller Konkurrenzen auffällig
entscheidungsschwachen Zeit auch zukunftweisende Entwicklungen eingeleitet.
Lit.: Köbler, DRG 171, 193; Baltl/Kocher; Brandt, H.,
Der österreichische Neoabsolutismus, Bd. 1f. 1978; Rumpler, H., Eine Chance für
Mitteleuropa, 1997; Der österreichische Neoabsolutismus, hg. v. Brandt, H.,
2014; Seiderer, G., Österreichs Neugestaltung, 2015
Nepotismus ist die Begünstigung von
nahestehenden Menschen durch Machthaber, besonders in der katholischen Kirche
des 15. bis 17. Jh.s.
Lit.: Reinhard, W., Nepotismus, ZKG 86 (1975), 145;
Die Kreise der Nepoten, hg. v. Büchel, D./Reinhardt, V., 2001
Neratius (Saepinum 55/60-nach 133) wird nach
langjähriger Ämterlaufbahn von dem römischen Kaiser Trajan (98-117) in den
kaiserlichen Rat aufgenommen. Er ist ein führender Vertreter der
→Prokulianer. Sein Hauptwerk sind 7 Bücher (lat. [F.Pl.]) membranae, in
denen Streitfragen oder allgemeine Rechtssätze und Begriffserklärungen erörtert
werden.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 144, 410; Maifeld, J., Die
aequitas bei Lucius Neratius Priscus, 1991
Nerva filius (1. Jh. n. Chr.) ist der römische
Jurist, dessen Sohn Kaiser (96-98) wird. Er ist →Prokulianer. Von ihm ist
der Buchtitel (lat.) libri (M.Pl.) de usucapionibus (Bücher über Ersitzungen)
überliefert.
Lit.: Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der
römischen Juristen, 2. A. 1967, 130
Nerva pater (-33 n. Chr.) ist der römische
Jurist, dessen Enkel Kaiser (96-98) wird. Er ist Haupt der →Prokulianer.
Die Titel seiner durch die Digesten überlieferten Schriften sind nicht bekannt.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 120
Nettelbladt, Daniel (Rostock 14. 1. 1719-Halle
4. 9. 1791), Kaufmannssohn, wird nach dem Studium (der Theologie und) des
Rechtes in Rostock, Marburg (Wolff) und Halle 1746 Professor in Halle. 1749
veröffentlicht er eine Übersicht über das Naturrecht ([lat.] Systema [N.]
elementare universae iurisprudentiae naturalis, Grundsystem der gesamten
Naturrechtswissenschaft) und das geltende Recht ([lat.] Systema elementare
universae iurisprudentiae positivae, Grundsystem der gesamten positiven
Rechtswissenschaft), in denen er die Rechte und Pflichten betreffenden
Wahrheiten (objektive Rechtswissenschaft) unter Bildung allgemeiner Teile
vermitteln will. In seinen Werken geht das →Naturrecht in gewisser Weise
in der Dogmatik des positiven Rechtes auf. Als Einzelheit erwähnenswert ist die
Entwicklung des allgemeinen prozessrechtswissenschaftlichen Begriffs der
Prozesshandlung. Zu Nettelbladts Schülern gehören von Carmer, Svarez und Klein,
die das preußische Allgemeine Landrecht (1794) maßgeblich prägen.
Lit.: Köbler, DRG 156, 159; Schwarz, B., Zur
Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 321; Neusüß, W., Gesunde
Vernunft und Natur der Sache, 1970, 52
Netz
Lit.: Gießmann, S., Die Verbundenheit der Dinge, 2014;
Floridi, L., Die 4. Revolution – Wie die Infosphäre unser Leben verändert, 2015
Neubruch (lat. [N.] novale) ist das
neugerodete Land. Von ihm wird seit dem 8. Jh. ein →Zehnt gefordert.
Lit.: Pöschl, A., Der Neubruchzehnt, AKKR 98 (1918), 3
Neuenburg (Neuchâtel) erscheint auf der
Grundlage älterer Siedlungen 1101 als neue Burg, die 1032/1033 zum deutschen
Reich gelangt. Am 12. 9. 1814 schließt sich N. als 21. Kanton der
→Schweiz an. 1838 erhält es eine Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Elert, K., Die
Behördenorganisation von Neuchâtel, 1914; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff, 2,2,455, 3,2,1879; Bachmann, A., Die preußische Sukzession in
Neuchâtel, 1993; Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von
Neuenburg-Neuchâtel (1707-1848), 1998; Weber, N., Lokale Interessen und große
Strategie, 2015
Neuhegelianismus ist die Fortführung der Gedanken
→Hegels im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schirmer, J., Die Göttinger
Hegel-Schule – Julius Binder, Karl Larenz, Martin Busse, Gerhard Dulckeit und
der juristische Neuhegelianismus, 2016
Neukantianismus ist die Fortführung der Gedanken
Kants im späten 19. und frühen 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ziemann, S., Neukantianisches
Strafrechtsdenken, 2009
Neumarkt in der Oberpfalz
Lit.: Heinloth, B., Neumarkt, 1967
Neumarkter Rechtsbuch ist das für Neumarkt in Schlesien aus
der vierten deutschen Fassung des Sachsenspiegels und dem 1235 verfassten
Schöffenbrief Halles an Neumarkt wohl in der ersten Hälfte des 14. Jh.s
(1327/1335) hergestellte, in einer unvollständigen Handschrift (des ersten Drittels?)
des 14. Jh.s überlieferte Rechtsbuch. Das davon verschiedene Neumarkter Recht
ist in zahlreichen Orten Schlesiens und Polens nachzuweisen. 1352 schließt sich
Neumarkt dem Magdeburg-Breslauer Recht an.
Lit.: Meinardus, O., Das Neumarkter Rechtsbuch, 1906;
Kötzschke, R., Der hallische Schöffenbrief für Neumarkt in Schlesien und das
älteste Neumarkter Recht, ZRG GA 31 (1910), 137; Sandow, E., Das
Halle-Neumarkter Recht, 1932; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 60; Kannowski, B./Dusil, S, Der hallensische
Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA 120 (2003)
61
Neumünstersche Kirchspielbräuche sind gewohnheitsrechtliche, spät
aufgezeichnete Rechtssätze des Kirchspiels Neumünster in Holstein.
Lit.: Seestern-Pauly, F., Die neumünsterschen
Kirchspielgebräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche, 1824; Sievers, H.,
Die neumünsterschen Kirchspielbräuche und die bordesholmischen Amtsgebräuche,
Diss. jur. Kiel 1956
Neun Bücher des Magdeburger Rechtes sind das zwischen
1400 und 1402 von dem seit 1385 in Thorn als Stadtschreiber nachweisbaren
Walter Ekhardi aus der systematischen Fassung der →Magdeburger Fragen,
dem alten →Kulm, dem glossierten →Sachsenspiegel, dem Magdeburger
Weichbild, dem Lehnrecht in Distinktionen und dem →Meißner Rechtsbuch
zusammengestellte Rechtsbuch. Um 1408 werden die Neun Bücher des Magdeburger
Rechtes unter Verwendung des Richtsteig Landrechts und des Schwabenspiegels
auf die Hälfte gekürzt. Diese Fassung wird 1574 von dem Notar Albert
→Poelmann (Königsberg) in Magdeburg herausgegeben.
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht,
Bd. 1 4. A. 1960, 171; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd.
1 1990, 51
Neuostpreußen ist ein von Preußen bei den
Teilungen →Polens 1793/1795 erlangtes Gebiet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon (Preußen);
Bussenius, C., Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen 1793-1806,
1960
Neuß
Lit.: Entner, G., Neuß, 1926
Neustadt an der Waldnaab
Lit.: Sturm, H., Neustadt an der Waldnaab, 1978
Neustadt an der Weinstraße
Lit.: Spieß, P., Die Stadtordnung Philipps des Aufrichtigen für
Neustadt aus dem Jahre 1493, Mitt. d. hist. Ver. d. Pfalz 66 (1968), 197; Der
Oberhof zu Neustadt an der Weinstraße 1, hg. v. Erler, A., 1968; Spieß, P.,
Verfassungsentwicklung der Stadt Neustadt, 1970 (Diss.)
Neuständisch beschränkte Monarchie ist die mit dem Oktoberdiplom (1860) verwirklichte,
im Ergebnis aber dem Konstitutionalismus unterlegene Bindung des Kaisers
Österreichs an die Mitwirkung von Ständevertretungen (neuer Art).
Lit.: Wagner, S., Der politische Kodex, 2004
Neustrien (Westgebiet?) ist ein Teil des
fränkischen Reiches vom späten 6. Jh. (um 600?) bis zum 8. Jh.
Lit.: Kretschmer, P., Das Rätsel des Namens Neustria,
Forschungen und Fortschritte 14 (1938), 114; Lugge, M., Gallia und Francia im
Mittelalter, 1960; La Neustrie, hg. v. Atsma, H., 1989
Neutralität ist die Nichtbeteiligung eines
Staates an einer kriegerischen Auseinandersetzung. Sie findet sich seit dem
ausgehenden Mittelalter, als bewaffnete N. seit dem späten 18. Jh. 1856
begründet die Pariser Seerechtsdeklaration das moderne Neutralitätsrecht. Die
Schweiz behauptet seit 1815, Österreich seit 1955 N. (26. 10. 1955
Neutralitätsgesetz, 2001 Allianzfreiheit).
Lit.: Köbler, DRG 248; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1978, 315; Bergbohm, C., Die bewaffnete Neutralität 1780-1783, 1884;
Verosta, S., Die dauernde Neutralität, 1967; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Chevallez, G., Die Herausforderung
der Neutralität, 1997; Setzen, F., Neutralität im zweiten Weltkrieg, 1997;
Neff, S., The rights and duties of neutrals, 2000; Fischer, T., Die Grenzen der
Neutralität, 2004
Neuwied
Lit.: Stupp, H., Die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Stadt
Neuwied, Diss. jur. Bonn 1959
Neuzeit ist der dem Mittelalter folgende,
durch zahlreiche Neuerungen (z. B. Entdeckung Amerikas 1492, neues heliozentrisches
Weltbild, neues Verhältnis zu Gott, neue Beziehung zum Altertum u. s. w.) gekennzeichnete Abschnitt der
menschlichen Geschichte (Christoph Cellarius [Keller] [1634-1707], Historia
tripartita).
Lit.: Köbler, DRG 129; Quellenkunde zur deutschen
Geschichte der Neuzeit, Bd. 1ff. 1982ff.; Friedell, E., Kulturgeschichte der
Neuzeit, Neudruck 1996; Skalweit, S., Der Beginn der Neuzeit, 1982; Spezialforschung
und „Gesamtgeschichte“, hg. v. Klingenstein, G. u. a., 1982; Handbook of
European History 1400-1600, hg. v. Brady, T. u. a., Bd. 1f. 1994; Leimgruber,
N., Die frühe Neuzeit, 1997; Vogler, G., Europas Aufbruch in die Neuzeit, 2003;
Enzyklopädie der Neuzeit, hg. v. Jaeger, F., Bd. 1ff. 2004ff. (4000 Artikel für
die Zeit von 1450 bis 1850); Emich, B., Frühe Neuzeit, 2006; Frühe Neuzeit, hg.
v. Völker-Rasor, A., 2. A. 2006; Erbe, M., Frühe Neuzeit, 2007; Die innovative
Kraft der Tradition in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a.,
2007; Lundt, B., Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1800, 2009; Vocelka, K.,
Geschichte der Neuzeit, 2009; Die frühe Neuzeit als Epoche, hg. v. Neuhaus, H.,
2009; Frühe Neuzeit Oldenburg Geschichte Lehrbuch hg. v. Völker-Rasor A., 2009,
3. A. 2010; Frühe Neuzeit in Deutschland - Literaturwissenschaftliches
Verfasserlexikon, hg. v. Kühlmann, W. u. a., Bd. 1ff. 2011ff.; Schmale, W., Das
18. Jahrhundert, 2012; Kohler, A., Neue Welterfahrungen, 2014; Praktiken der
frühen Neuzeit, hg. v. Brendecke, A., 2015
Nevolin, Konstantin Alekseevic (1806-1855)
wird nach dem Rechtsstudium in Sankt Petersburg und Berlin (Savigny) Professor
in Kiew und seit 1843 in Sankt Petersburg. Er wirkt an der Abfassung des
→Svod Zakonov mit. In seiner Geschichte der juristischen Zivilgesetze
setzt er sich für die Übernahme der Gedanken der →historischen Rechtsschule
in →Russland ein.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961; Wortman, R., The Development of a Russian legal Consciousness,
1976
Nexti canthichio ist eine salfränkische Wendung des
(lat.-afrk.) →thunginus des frühen 6. Jh.s (ich verstricke den
Streitgegner [im Rahmen der Vollstreckung]?).
Lit.: Pactus legis Salicae, hg. v. Eckhardt, K., 1962,
285
Nexum (lat. [N.] Verknüpfung) ist ein
umstrittenes, vermutlich schon im 4. Jh. v. Chr. verbotenes Haftungsgeschäft
des altrömischen Rechtes, bei dem durch Erz und Waage, also wohl zunächst gegen
tatsächliches Entgelt (Darlehen), jemand einem anderen eine Zugriffsmacht mit
der Möglichkeit der Enthaftung durch Rückzahlung einräumt.
Lit.: Kaser §§ 6 II, 7 I 3, 32 II 3b, 4c, 39 I 1;
Söllner § 8; Köbler, DRG 27
Nicaea (bei Komstantinopel) ist
325 n. Chr. Ort eines von Kaiser Konstantin einberufenen Konzils mit rund 2000
Teilnehmern (davon 318 Bischöfe, Formulierung des nicänischen Glaubensbekenntnisses,
Bejahung der Wesensgleichheit Jesu mit Gott).
Nichtanzeige geplanter Straftaten (§§ 138, 139 StGB) ist in
Deutschland seit dem 20. Jh. hinsichtlich bestimmter schwerer Straftaten eine
eigenständige Straftat.
Lit.: Grunert, H., Die Strafbarkeit der Nichtanzeige
geplanter Straftaten, 1943; Kisker, S., Die Nichtanzeige geplanter Straftaten,
2002
Nichtberechtigter (1896) ist die Person, der ein Recht (bzw. die Verfügungsmacht)
zu dem von ihr geübten Verhalten fehlt. Nach dem römischen Recht kann von einem
Nichtberechtigten grundsätzlich nicht erworben werden (lat. →nemo plus
iuris transferre potest quam ipse habet). Dagegen eröffnet das mittelalterliche
Recht den →gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten.
Lit.: Söllner, A., Der Erwerb vom Nichtberechtigten in
romanistischer Sicht, FS H. Coing, 1982, 363; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtehe ist die absolut nichtige, einer Vernichtung
nicht bedürftge oder zugängliche Ehe (z. B. bei Nichtmitwirkung des Standesbeamten
oder [bislang] der Geschlechtsgleichheit der Eheschließenden).
Nichteheliche Lebensgemeinschaft ist die ohne Eheschließung
ausgeübte Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau. Ursprünglich vor
allem von der Kirche als →Konkubinat oder Verhältnis bekämpft, setzt sich
die n. L. seit etwa 1980 allmählich durch. Für sie gelten im Wesentlichen die
allgemeinen Regeln, nicht dagegen die besonderen Bestimmungen über die
eheliche Lebensgemeinschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schwab, D., Eheschließungsrecht
und nichteheliche Lebensgemeinschaft, FamRZ 1981, 1151; Die nichteheliche
Lebensgemeinschaft, hg. v. Landwehr, G., 1978; Die nichteheliche Lebensgemeinschaft,
hg. v. Eser, A., 1985; Schreiber, C., Die nichteheliche Lebensgemeinschaft,
1995
Nichteheliches Kind ist in der Bundesrepublik
Deutschland seit 19. 8. 1969 das uneheliche Kind. Dieses ist auch mit seinem
Erzeuger verwandt. Gegenüber dem früheren Recht ist sein Unterhaltsanspruch
erweitert und durch die Regelunterhaltsverordnung (27. 6. 1970) präzisiert.
Dennoch bestehen nach 1969 weiter Unterschiede zum ehelichen Kind (Feststellung
der Vaterschaft, Name, elterliche Sorge, Unterhalt, Erbrecht). Am 12. 6. 1991
entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass den Eltern eines nichtehelichen
Kindes gemeinsam das Sorgerecht zustehen kann. 1998 wird in Deutschland die
Unterscheidung zwischen nichtehelichen Kindern und ehelichen Kindern beseitigt
und damit auch die gesetzliche Amtspflegschaft für das nichteheliche Kind
aufgegeben (Spanien 1979/1981).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267;
Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes, 1978;
Schubert, W., Die Projekte der Weimarer Republik zur Reform des
Nichtehelichen-, des Adoptions- und Ehescheidungsrechts, 1986; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 214; Heinrich, T., Das preußische
Nichtehelichenrecht, 1993; Winkler, W., Nichteheliche Kinder und landwirtschaftliches
Erbrecht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bors, M.,
Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Arends Olsen, L., La femme et l’enfant,
1999; Schmitz, U., Der Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen
seinen Erzeuger, 2000; Die Reform des Nichtehelichenrechts (1961-1969), hg. v.
Schubert, W., 2003; Spaethe, J., Spaniens Abstammungsrecht, 2004; Klose, B.,
Das Verblassen eines Makels, 2013
Nichterfüllung ist das Ausbleiben der Leistung
eines Schuldners. Hier kennt bereits das römische Recht in vielen Fällen die
Verurteilung zum Sachwert bzw. später den Schadenersatz. Dieses römische Recht
wird seit dem Spätmittelalter weitgehend übernommen. Hieraus entwickelt sich
das Leistungsstörungsrecht für →Verzug, →Unmöglichkeit und
sonstige Pflichtverletzung (→positive Forderungsverletzung). Die
Einrede des nichterfüllten Vertrags entsteht dabei aus römischem Recht und
kirchlichem Recht im 15./16. Jh.
Lit.: Kaser § 37; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen
Nichterfüllung, 1965; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000; Roos, C., Die
Grundlagen und die dogmatische Entwicklung der Vorschriften zur Einrede des
nichterfüllten Vertrags, 2004; Seong, S., Der Begriff der nicht gehörigen
Erfüllung, 2004
Nichtigerklärung (nichtig 1450) ist
die ausdrückliche Erklärung der Nichtigkeit einer Handlung durch die
zuständige Stelle (z. B. der Ehe durch Gericht nach AGBG bei bestehendem
Eheband, Irrtum oder Zwang bei der Eheschließung bzw. nach den §§ 21ff. EheG).
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtigkeit (1294) ist
die völlige Unwirksamkeit einer an erheblichen, nicht billigenswerten Mängeln
leidenden Handlung. Sie ist schon dem römischen Recht bekannt, ohne dass dieses
eine durchgehende Begrifflichkeit ausbildet. Im Prozess betrifft sie das
Urteil. Auch im seit dem Spätmittelalter aufgenommenen römischen Recht fehlt
noch eine allgemein anerkannte Lehre der Unwirksamkeit von Verträgen, doch
wird die Unwirksamkeit bereits als (lat. [F.]) nullitas bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 9 I, 84 II 31; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 413; Kriechbaum, M., Teilnichtigkeit und
Gesamtnichtigkeit, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 39;
Düwel, L., Die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Ehe, 2006; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nichtigkeitsbeschwerde ist die Nichtigkeit behauptende
Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung. Sie wird auf umstrittener
Grundlage in Italien seit dem 12. Jh. für grobe Verfahrensfehler (bei einer
[lat.] sententia [F.] nulla) allmählich entwickelt (lat. querela [F.]
nullitatis). Seit dem 16. Jh. wird sie im Heiligen Römischen Reich in unklarer Abgrenzung zur →Appellation
aufgenommen. Seit 1877/1879 kann eine Nichtigkeit nur in den gesetzlich fest
umrissenen Fällen der →Wiederaufnahme des Verfahrens geltend gemacht
werden (Nichtigkeitsklage). Im Strafverfahren des Nationalsozialismus kann
ein rechtskräftiges Urteil vom Oberreichsanwalt mit der N. angegriffen
werden. In Österreich können rechtliche Fehler eines Schöffengerichts oder
Geschworenengerichts zur Wahrung des Gesetzes vor dem obersten Gerichtshof
angefochten werden. →Nichtigkeitsklage
Lit.: Köbler, DRG 156, 235; Kroeschell, 20. Jh.;
Skedl, A., Die Nichtigkeitsbeschwerde, 1886; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 395; Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation, 1976, 46
Nichtigkeitsklage ist die Klage, mit der die
Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens angestrebt
werden soll. Sie wird im römisch-kanonischen Verfahren seit dem 12./13. Jh. in
bestimmten Fällen zulässig (lat. actio [F.] nullitatis). Die Abgrenzung zu
Appellation und Nichtigkeitsbeschwerde ist unscharf. Seit 1877/1879 kann eine
N. nur in den gesetzlich fest umrissenen Fällen der →Wiederaufnahme des
Verfahrens erhoben werden. Eine besondere Ehenichtigkeitsklage ist in
Deutschland seit 1. 7. 1998 nicht mehr vorgesehen. →Nichtigkeitsbeschwerde
Lit.: Köbler, DRG 117; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 393; Endemann, W., Das deutsche Zivilprozessrecht,
1868, Neudruck 1969, 937
Nichtschuld ist das Fehlen einer Verbindlichkeit.
Bereits das klassische römische Recht gewährt bei Leistung auf eine N. einen
Ausgleichsanspruch (lat. condictio [F.] indebiti). Dieser wird seit dem
Spätmittelalter im Heiligen Römischen Reich
aufgenommen (Worms 1499). →Bereicherung
Lit.: Köbler, DRG 47, 166
Nicolai, Pierre-Thomas (Aubel
1763-1836), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Reims Advokat in
Limburg, danach Richter im französisch gewordenen Gebiet, 1800 in Lüttich und
seit 1820 Politiker. Er bewirkt, dass 1821 der bereits von →Napoleon
(1811) eingeführte französische →Code civil die Grundlage der Beratung
für das erst 1838 in Kraft getretene Burgerlijk Wetboek der →Niederlande
wird und damit die Niederlande im französischen Rechtskreis verbleiben und das
1830 verselbständigte →Belgien vom neuen niederländischen Privatrechtsgesetzbuch
erst gar nicht erfasst wird.
Lit.: Dievoet, E. van, Het burgerlijke recht, 1943, 23
Niebuhr, Barthold Georg
(Kopenhagen 27. 8. 1776-Bonn 2. 1. 1831), Geographensohn, wird nach dem
Studium in Kiel, London und Edinburgh Staatsbediensteter in Dänemark (1800)
und Preußen. Sein Hauptwerk ist die „Römische Geschichte“ (Bd. 1ff. 1811ff.).
1816 entdeckt er auf einen Hinweis Savignys in der Bibliothek des Domkapitels
von Verona eine Handschrift der Institutionen des →Gaius (Palimpsest des
8. Jh.s einer Handschrift des 5./6. Jh.s.).
Lit.: Söllner § 16; Gaius, Institutionum commentarii
quattuor, hg. v. Studemund, G., 1874; Rytkönen, S., Barthold Georg Niebuhr,
1968; Wilte, B., Der preußische Tacitus, 1979
Niederdeutsch ist das nicht von der
(althochdeutschen) Lautverschiebung erfasste, räumlich den niedrig liegenden
Norden betreffende Deutsche (altniederfränkisch, altsächsisch,
mittelniederdeutsch [z. B. →Sachsenspiegel]), das in der Neuzeit schriftsprachlich
dem Hochdeutschen unterliegt und nur noch umgangssprachlich fortbesteht (Plattdeutsch).
Lit.: Köbler, G., Altniederdeutsch-neuhochdeutsches
und neuhochdeutsch-altniederdeutsches Wörterbuch. 2. A. 1982; Niederdeutsche
Sprache und Literatur der Gegenwart, hg. v. Stellmacher, D., 2004; Bölsing, F.,
Niederdeutsche Sprachlehre - Plattdeutsch im Kirchspiel Lindhorst
Schaumburg-Lippe, 2011; Sprache, Literatur, Raum – Festgabe für Willy Diercks,
hg. v. Langhanke, R., 2015
Niederer Adel ist in neuzeitlich-abwertender
Bezeichnung der nur ritterbürtige, teils aus der Unfreiheit aufgestiegene
→Adel im Gegensatz vor allem zum Landesherrschaft habenden Adel.
Lit.: Stutz, U., Zum Ursprung und Wesen des niederen
Adels, 1937; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein, J., 2. A. 1979; Rödel,
V., Reichslehenswesen, Ministerialität, Burgmannschaft und Niederadel, 1979
Niedere Vogtei ist im deutschen Südwesten der
frühen Neuzeit ein aus dem Niedergericht hervorgegangenes Bündel
grundherrschaftlicher und gerichtsherrlicher Rechte (des Reichssteuern einsammelnden
Grundherrn?).
Lit.: Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975, 78, 198
Niedergericht ist das für Klagen um →Schuld
und bewegliche →Sachen sowie für leichtere Straffälle zuständige
→Gericht im Gegensatz zum →Hochgericht und Blutgericht. N. ist
etwa das Zentgericht, Gogericht, Schulzengericht, Vogteigericht, Erbgericht,
Dorfgericht, Hofmarkgericht oder teilweise auch das Landgericht. Den
Ausgangspunkt bildet wohl die Aussonderung einfacher Sachen aus dem
Grafengericht bereits im Frühmittelalter. Im 13. Jh. steht das N. allgemein dem
Landesherrn zu. Danach geht es weitgehend auf die Grundherren über (Patrimonialgericht).
Die genaue Zuständigkeitsabgrenzung erfolgt zeitlich-räumlich nicht
gleichmäßig. Vom N. kann zunehmend an ein Obergericht appelliert werden.
Lit.: Grosch, G., Das spätmittelalterliche
Niedergericht auf dem platten Lande am Mittelrhein, 1906; Weimann, K., Das
tägliche Gericht, 1913; Goetz, G., Niedere Gerichtsherrschaft und Grafengewalt
im badischen Linzgau, 1913; Hirsch, H., Die hohe Gerichtsbarkeit, 1922,
Neudruck 1958, 50; Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergerichte, 1929; Kern, E., Geschichte
des Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 6; Linderkamp, H., Niedergerichtliche
Strafformen und ihre Anwendung nach Quellen der Rechtspraxis, 1985; Sagstetter,
M., Hoch- und Niedergerichtsbarkeit im spätmittelalterlichen Herzogtum Bayern,
2000
Niederlagsrecht ist das Recht eines Ortes, von
durchreisenden Händlern die Niederlage ihrer Waren zum Verkauf am Ort zu
verlangen. Es ist beispielsweise im 13. Jh. für Breslau bezeugt. Es wird meist
durch stadtherrliches Privileg erlangt. Es endet im Liberalismus des 18./19.
Jh.s (Hannoversch-Münden 1823, Köln 1831).
Lit.: Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht,
1939; Henning, F., Handelsordnungen des Mittelalters, (in) Scripta
mercaturae, Bd. 2 1970, 41
Niederlande sind der am Einfluss des Rheins in
das Meer gelegene nordwestmitteleuropäische Staat. Das betreffende,
ursprünglich von Franken, Friesen und wohl auch Sachsen besiedelte Gebiet
(anfangs zwischen Somme und Ems) gelangt im Spätmittelalter allmählich an den
Herzog von Burgund und nach dem Aussterben der für die N. 1473 in Mecheln einen
obersten Gerichtshof errichtenden Herzöge von Burgund (1477) an die
→Habsburger, die es 1521 an ihre spanische Linie geben bzw. 1548 im
Augsburger Vertrag vom Reich verselbständigen und 1555, nun als N. (frz. Pays
d’en Bas) bezeichnet, in der spanischen Linie an Philipp II. geben. Seit 1565
wehren sich Adlige in dem seit etwa 1540 zunehmend zum Calvinismus bekehrten
Gebiet (von insgesamt 17 Landen) gegen die Verdichtung der
habsburgisch-spanischen Herrschaft, unter der 1570 Criminele Ordonnantië das
Strafrecht festlegen. Mit dem 1. 4. 1571 beginnt ein Aufstand, in dessen
Verlauf am 18. 7. 1572 zwölf Städte in Seeland und Holland Wilhelm von Oranien
zum königlichen Statthalter wählen (1650-1672, 1702-1747, ab 1795
statthalterlos). 1581 entsteht daraus ein loser Staatenbund der sog.
Generalstaaten (Republik der Vereinigten Niederlande). 1648 werden die seit
1635 mit Frankreich verbündeten Generalstaaten als eigener, vom Reich gelöster
Staat (Republik) (von Spanien) anerkannt. In ihm wählen die Stände den
Statthalter, dessen Amt im Hause Oranien eine gewisse Erblichkeit erlangt.
Zugleich erwerben die N. umfangreiche Kolonien. Seit 1798 beginnt unter der
Herrschaft Frankreichs (1795) in der daraufhin gebildeten Batavischen Republik
die Vereinheitlichung des bis dahin sehr zersplitterten (z. B. friesischen,
holländischen, seeländischen, geldrischen), subsidiär gemeinrechtlich
orientierten Rechtes (1. 5. 1798 Staatsregelung für das batavische Volk
[Verfassung], 1799 Entwurf einer Zivilprozessordnung und Kriminalprozessordnung,
1801/1804 Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs, ab 1806/1807 Arbeiten an
einem Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs). 1806 wandelt Napoleon die
Republik in ein Königreich um (König Louis Bonaparte 1806-1810). Zum 1. 2. 1809
wird nach dem Vorbild Frankreichs ein Kriminalgesetzbuch für das Königreich
Holland und am 1. 5. 1809 das Gesetzbuch Napoleons (Code Napoleon, Bürgerliches
Gesetzbuch) für das Königreich Holland in Kraft gesetzt. Am 9. 7. 1810 wird
Holland mit Frankreich vereinigt. 1811 wird das Recht Frankreichs im ehemaligen
Holland eingeführt. Mit Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig
lösen sich die N. 1813 als Fürstentum wieder von Frankreich. Im März 1814 wird eine
Verfassung (Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande) verkündet. Zur
gleichen Zeit werden südliche Gebiete, die 1713/1714 nach dem spanischen
Erbfolgekrieg von Spanien an Österreich gelangen, und das Hochstift Lüttich
dem aus dem Fürstentum sich bildenden Königreich der Vereinigten N. angefügt.
1830 lösen sich diese teilweise frankophonen Gebiete im selbständig werdenden
→Belgien von den Niederlanden. Am 1. 10. 1838 erhalten die N. nach dem
Vorbild des →Code civil ein Bürgerliches Gesetzbuch (1970ff. erneuert),
ein Handelsgesetzbuch, eine Zivilprozessordnung und eine Strafprozessordnung
(1926 erneuert), 1881/1886 ein Strafgesetzbuch. Ab 1951 wirken die N. an der
Bildung der europäischen Gemeinschaften (1993 Europäische Union) mit.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG;
Köbler, DRG 129, 130, 170, 256; Fockema-Andreae, S., Overzicht van
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zum deutschen Reich, 1903; Andreae, F., Über den Ursprung der niederländischen
Rechte, ZRG GA 30 (1909), 1; Mitteis, H., Rechtsfolgen des Leistungsverzuges,
1913; Gossen, J., De rechterlijke Organisatie van Zeeland, 1917; Müller, E.,
Eine niederländische Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 38 (1917), 305; Van
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van de fransche wetgeving, 1925; Blécourt, A., Kort begrip van het
oud-vaderlandsch burgerlijk Recht, 1922, 2. Druk 1924 (mit Bewijsstukken, 1924,
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1950; Aubin, H./Menzel, E., Die niederländischen Ansprüche auf die Emsmündung,
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niederländische Kodifikationsgeschichte (1797-1997), (in) Kodifikation und
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Arthur Seyss-Inquart und die deutsche Besatzungspolitik in den Niederlanden
(1940-1945), 2015; Van Peteghem, P., De Nederlanden en het Vrijgraafschap
Bourgondië tussen paus en keizer, 2015; Driessen, C., Geschichte der
Niederlande, 2016; Romijn, P., Der lange Krieg der Niederlande, 2017
Niederösterreich ist das unter (östlich) der Enns
gelegene Land →Österreichs (bis 1918 amtlich Österreich unter der Enns).
Es wird nach dem Rückzug der Römer in der Völkerwanderung von den entstehenden
Bayern besiedelt und gelangt mit diesen 788 unter die Herrschaft der Franken.
Deren Mark an der Donau nehmen zwischen 907 und 955 die Ungarn ein. 996 wird
der Ort Neuhofen an der Ybbs anlässlich einer Gabe des Kaisers an den Bischof
von Freising als in Ostarrihhi (Ostreich oder Ostgebiet) gelegen bezeichnet,
womit es den Ausgangspunkt für das spätere Österreich bildet. 1156 wird die
Mark als eigenes Herzogtum von Bayern verselbständigt (Privilegium minus).
Zeitweise besteht eine erweiterte Ländergruppe N. (mit Oberösterreich). 1542
und 1552 werden Polizeiordnungen der niederösterreichischen Ländergruppe
erlassen. Ausgearbeitete Landrechte bleiben Entwürfe (Institutum Ferdinandi
1526, Entwurf Wolfang Püdlers 1573, Entwurf Strein-Linsmayr 1595, Entwurf der
vier Doktoren 1654 [teilweise als Einzelgesetz in Kraft gesetzt
Vormundschaftsordnung 1669, Tractatus de iuribus incorporalibus 13. 3. 1679
und neue Satz- und Ordnung vom Erbrecht außer Testament 28. 5. 1720]). 1650
wird eine Landesordnung für Österreich unter der Enns geplant, 1656 nach dem
Vorbild der Constitutio Criminalis Carolina (1532) eine Strafzumessung und
Konkurrenzen ausführlicher behandelnde peinliche Landgerichtsordnung
erlassen (Ferdinandea, verwertet in der peinlichen Halsgerichtsordnung
Josephs I. von 1707 und der Constitutio Crimininalis Theresiana von 1768). Bis
1806 ist N. mit Oberösterreich ein einziges Reichslehen. Von 1804 bis 1918 ist
es ein Kronland, ab 1918 ein Land Deutschösterreichs bzw. Österreichs
(1939-1945 mit nördlichem Burgenland Reichsgau Niederdonau). Nach der Herausnahme
Wiens aus N. als eigenes Bundesland (1921/1. 1. 1922) gibt sich N. 1997 eine
eigene Hauptstadt in Sankt Pölten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Motloch, T.,
Bericht des Dr. Wolfgang Püdler über den Entwurf einer Landtafel, ZRG GA 21
(1900), 235; Von der Ennswaldsiedlung zur niederösterreichischen Stadt Haag,
bearb. v. Frieß, E. u. a., 1957; Gutkas, K., Geschichte des Landes
Niederösterreich, 1958, 6. A. 1983; Feigl, H., Die niederösterreichische
Grundherrschaft, 1964; Mitterauer, M., Zollfreiheit und Marktbereich, 1969;
Feigl, H., Der niederösterreichische Bauernaufstand 1596/97, 1972; Brauneder,
W., Zur Gesetzgebungsgeschichte der niederösterreichischen Länder, FS H.
Demelius, 1973, 1; Die Rechtsquellen der Stadt Weitra, hg. v. Knittler, H.,
1975; Wesener, G., Das Verfahren vor der niederösterreichischen und
innerösterreichischen Regierung, Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde
der Steiermark 27 (1979), 181; Die Auswirkungen der
theresianisch-josephinischen Reformen auf die Landwirtschaft, hg. v. Feigl,
H., 1982; Schmitz, C., Die Anfänge des Parlamentarismus in Niederösterreich,
1985; Feigl, H., Recht und Gerichtsbarkeit in Niederösterreich, 1989; Wesener,
G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Kohl, G., Die Anfänge der modernen Gerichtsorganisation in
Niederösterreich, 2000; Niederösterreichisches Urkundenbuch, Bd. 1f., hg. v.
Weltin, M. u. a., 2008ff.; Im Schnittpunkt frühmittelalterlicher Kulturen, hg.
v. Zehetmayer, R., 2008; Urkunde und Geschichte, 2008; Landrechtsentwurf für
Österreich unter der Enns 1526, hg. v. Brauneder, W., 2014; Landrechtsentwurf
für Österreich unter der Enns 1573, hg. v. Brauneder, W., 2015
Niederrhein (Rhein in seinem der Mündung in die See nahen
Verlauf samt dem umliegenden Gebiet, Gegensatz Oberrhein zwischen Baden und
Elsass)
Lit.: Becker, N., Das Land am unteren Niederrhein, 1992;
Opitz-vonBardeleben, P., Das Generalgouvernement Niederrhein, 2013
Niedersachsen ist das durch die Verordnung Nr.
55 der britischen Militärregierung am 1. 11. 1946 vor allem aus dem Land Hannover
Preußens, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe gebildete deutsche
Bundesland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Roshop, U., Die
Entwicklung des ländlichen Siedlungs- und Flurbildes in der Grafschaft
Diepholz, 1932; Niedersächsischer Städteatlas, Abt. 2 Einzelne Städte, hg. v.
Meiler, P, 1933ff.; Mauersberg, H., Beiträge zur Bevölkerungs- und
Sozialgeschichte Niedersachsens, 1938; Angres, D., Die Geschichte der Vogtei in
der Stadt Hameln, 1951; Niedersächsisches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., 1952; Schnath,
G., Das Sachsenross, 1958; Hagemann, A., Um die Fohlentheorie, ZRG GA 81
(1965), 365; Schnath, G. u. a., Geschichte des Landes Niedersachsen, 2. A.
1973, Neudruck 1988; Geschichte Niedersachsens, hg. v. Patze, H., Bd. 3, 1
1988; Hucker, B. u. a., Geschichte Niedersachsens, 1997; Übergang und
Neubeginn, hg. v. Merker, O., 1997; Niedersächsische Juristen, hg. v. Rückert,
J. u. a., 2003; Handbuch der niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte,
hg. v. Wieden, B. bei der, Bd. 1 2004; Kroeschell, K., recht unde unrecht der
Sassen, 2005; Appenzeller, G., Das Niedersächsische Wörterbuch, 2011; 100mal
Niedersachsen, hg. v. Otte, H. u. a., 2011; Ipsen, J., Niedersächsische
Verfassung, 2011; Niedersächsisches Klosterbuch, hg. v. Dolle, J., Bd. 1ff.
2012; Die Kabinettsprotokolle der hannoverschen und niedersächsischen Landesregierung
1946-1951, bearb. v. Nentwig, T., 2012; Bei der Wieden, B., Handbuch der
niedersächsischen Landtags- und Ständegeschichte, 2013; Nentwig, T., Hinrich
Wilhelm Kopf (1893-1961), 2013
Niederschlesien →Schlesien
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Niemand kann zwei Herren dienen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. von R. Schmidt-Wiegand, 1996, 177 (Matthäus 6,24)
Nießbrauch (1496, lat. [F.] ususfructus) ist
die Belastung einer fremden (unverbrauchbaren) Sache in der Weise, dass der,
zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzung (z. B.
Mietzinsen) der Sache zu ziehen (höchstpersönliche Personalservitut, beschränktes
dingliches Recht). Der N. entwickelt sich in Rom wohl seit dem 3. Jh. v. Chr.
zur Versorgung von Witwen und Töchtern. Dem entspricht auch das deutsche Recht
(→Leibgeding u. a.). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht
aufgenommen und ususfructus als N. übersetzt. Vgl. §§ 509ff. ABGB.
Lit.: Kaser § 29 I; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 41, 61; Hübner, R., Donationes post obitum, 1888; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Deichmann, P., Das Rechtsverhältnis
zwischen Eigentümer und Nießbraucher, Diss. jur. Bonn 1998; Heger, M., Der
Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Niftelgerade →Gerade
Nihil obstat (lat.). Es steht nichts entgegen.
Nikolaus de Tudeschis (Catania 1386-Palermo 1445
[deswegen Panormitanus]) wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna
1412 Professor in Bologna, danach in Parma und Siena, 1434 Erzbischof von
Palermo. Vielfach wird er im Rahmen des Konzils von Basel tätig (1432-1433,
1436-1439). Zwischen 1420 und 1430 verfasst er die (lat.) Commentaria (N.Pl.)
in quinque decretalium libros (Kommentare in die fünf Bücher Dekretalen). In
dieser bedeutendsten Leistung der Kirchenrechtswissenschaft des 15. Jh.s
übernimmt er bereits in Bezug auf allgemeine Rechtsbegriffe Vorstellungen aus
dem weltlichen Recht der Kommentatoren (→Bartolus).
Lit.: Nörr, K., Kirche und Konzil bei Nicolaus de
Tudeschis, 1964
Nikolaus von Kues (Kues 1401-Todi 11. 8. 1464), Sohn
des Schiffers Johann Cryftz (Henne Krebs), wird nach dem Studium der freien
Künste in Heidelberg und des Kirchenrechts in Padua Berater des Erzbischofs von
Trier, 1448 Kardinal und 1450 Bischof von Brixen. Er ist in Abkehr von der
→Scholastik einer der ersten Humanisten Deutschlands. Für die Verfassungsgeschichte
ist seine (lat.) Concordantia (F.) catholica (1433, Katholische Konkordanz)
von großer Bedeutung, in der er aus dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von
Gegensätzlichkeiten ein Reformprogramm für das Reich vorschlägt.
Lit.: Köbler, DRG 99, 110; Molitor, E., Nikolaus von
Cues und die deutsche Rechtsgeschichte, ZRG 40 (1919), 273; Nicolai de Cusa
opera, hg. Meiner, F., Bd. 1ff. 1932ff.; Cusanus-Gedächtnisschrift, hg. v.
Grass, N., 1970; Grass, N., Cusanus und das Volkstum der Berge, 1972; Meuthen,
E., Nikolaus von Kues, 6. A. 1985; Flasch, K., Nikolaus von Kues, 1988; Flasch,
K., Nicolaus Cusanus, 2001; Nikolaus von Kues, hg. v. Winkler, N., 2001;
Hensel-Grobe, M., Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Nicolai de Cusa
opera omnia - Symposium zum Abschluss der Heidelberger Akademie-Ausgabe, hg.
v. Beierwaltes, W., 2006; Handbuch Nikolaus von Kues, hg. v. Brösch, M. u. a.,
2014; Senger, H., Nikolaus von Kues – Leben – Lehre – Wirkungsgeschichte, 2016
Nimwegen (Nijmegen) am südlichen Waalufer
erscheint auf der Grundlage älterer Siedlungen 69/70 n. Chr. als römisches
Batavodurum, das um 104 n. Chr. in Ulpia Noviomagus (Neumarkt) umbenannt wird.
1230 wird N. Reichsstadt. 1577 gelangt es an die Niederlande. 1923 erhält es
(nach einem frühneuzeitlichen Vorläufer) eine (katholische) Universität (2004
Radboud-Universität).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Leupen,
R./Thissen, B., Bronnenboek van Nijmegen, 1981; Clevis, H., Nijmegen, 1990
nobilis (lat.) adelig →Adel
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Nobiles und
Gemeinfreie, ZRG GA 19 (1898), 76;
Hölkeskamp, K., Die Entstehung der Nobilität, 1987, 2. A. 2011;
Stadtadel und Bürgertum, hg. v. Elze, R. u. a., 1991; Nobilitas, hg. v. Oexle,
G. u. a., 1997
Noblesse de robe ist eine Bezeichnung für die in
der frühen Neuzeit einsetzende Gleichstellung der Inhaber hoher Ämter in Recht
und Verwaltung mit dem Adel (z. B. Edikt Ludwigs XIV. von 1644). Den (lat.)
doctor (M.) iuris stellt bereits →Bartolus im 14. Jh. dem Adligen gleich.
Lit.: Bluche, F./ Durye, P., L’anoblissement par
charges avant 1789, Bd. 1f. 1962
nocivi (M.Pl.) terrae (lat.) →landschädliche Leute
Lit.: Köbler, DRG 117
nominatio (lat. [F.]) Benennung (eines
Bewerbers für ein Amt)
nomos (griech. [M.]) Gesetz
Lit.: Nomos und Gesetz, hg. v. Behrends, O. u. a.,
1995
Nona (lat. [F.] Neunte) ist eine im Frühmittelalter
kurzzeitig bestehende Abgabe des Zehntels der Erträge neben dem →Zehent.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kotte, R., Studien zum
Einfluss des Alten Testaments, 2. A. 1970, 57
Nonne (F.) Ordensangehörige
Lit.: Weinhandl, M., Deutsches Nonnenleben, 1921;
Parisse, M., Les nonnes, 1983; Medieval religious Women, 1984ff.; Nonnen,
Kanonissen und Mystikerinnen, hg. v. Schlotheuber, E. u. a., 2008
Noodt, Gerard (Nijmegen 1647-Leiden 1725) wird nach dem
Rechtsstudium im Nijmegen, Leiden und Franeker Advokat und 1671 Professor in
Nijmegen, 1679 in Franeker, 1684 in Utrecht und 1686 in Leiden. Seine meist
kleineren Schriften weisen ihn als antiquarischen Humanisten aus, der durch
seine kritisch-vernünftige Grundhaltung die Aufklärung vorzubereiten hilft.
Lit.: Bergh, G. van den, The Life and Work of Gerard
Noodt, 1988
Nordatlantische Verteidigungsorganisation
(North Atlantic Treaty Organization, NATO, 4.
4. 1949 Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Frankreich, Großbritannien,
Niederlande, Belgien, Luxemburg, Dänemark, Island, Italien, Norwegen,
Portugal, bis 2009 28 Mitglieder)
Lit.: Masala, C., Den Blick nach Süden?, 2003; Hauser, G., Die NATO,
2008; Varwick, J., Die Nato, 2008; Gersdorff, G. v., Die Gründung der
Nordatlantischen Allianz, 2009; Lemke, B., Die Allied Mobile Force 1961 bis
2002, 2015; Schmidt-Eenboom, E., u. a., Die Partisanen der NATO, 2015
Norddeutscher Bund ist der auf Vorschlag
→Preußens am 18. 8. 1866 an Stelle des aufgelösten →Deutschen
Bundes tretender Bundesstaat (22) norddeutscher Staaten (Preußen mit
Lauenburg, die nördlich des Mains gelegenen Teile des Großherzogtums Hessen,
17 Monarchien, 3 Stadtrepubliken). Seine Verfassung vom 16. 4. 1867 tritt am 1.
7. 1867 in Kraft (Präsidium [König von Preußen] mit gegenzeichnungsberechtigtem
Bundeskanzler, Reichstag, Bundestag, 1869 Bundesoberhandelsgericht in
Leipzig). Nach dem mit süddeutscher Waffenhilfe errungenen Sieg über Frankreich
treten Baden, Hessen-Darmstadt (15. 11. 1870), Bayern (23. 11. 1870) und Württemberg
(25. 11. 1870) durch Verträge dem zum 1. 1. 1871 zum →Deutschen Reich umgeformten
Norddeutschen Bund bei. Der Norddeutsche Bund erlässt u. a. ein Gesetz über die
Freizügigkeit (1. 11. 1867), über die Gleichberechtigung der Konfessionen (3.
6. 1869), eine Gewerbeordnung (21. 6. 1869), ein Strafgesetzbuch (31. 5. 1870)
und ein Bundes- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1. 7. 1870).
Lit.: Köbler, DRG 172, 194; Kroeschell, DRG 3;
Kroeschell, 20. Jh.; Hiersemenzel, E., Die Verfassung des Norddeutschen Bundes,
1867; Binding, K., Die Gründung des Norddeutschen Bundes, 1889, Neudruck 2013;
Wilhelm R., Das Verhältnis der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund,
1978; Schubert, W., Der Ausbau der Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund,
FS R. Gmür, 1983, 149; Pollmann, Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985
Norddeutscher Reichsbund ist ein im August 1806 von Preußen
geplanter, spätestens am 9. 7. 1807 verhinderter Bund norddeutscher Staaten
unter einem Direktorium des Kaisertums Preußen und der Königtümer Sachsen und
Hessen.
Lit.: Conrad, H., Rheinbund und Norddeutscher
Reichsbund, (in) Gedächtnisschrift H. Peters, 1967, 50
Nordeuropa →Skandinavien
Lit.: Dethlefsen, O., Die nordische Einheitsbewegung, 1941; Nicholas,
D., The Northern Lands. Germanic Europe c- 1270-c. 1500, 2009; Scheel, R.,
Lateineuropa und der Norden, 2012
Nordhausen
Lit.: Meißner, G., Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen, 1939
Nordhorn
Lit.: Specht, H., Stadt- und Wirtschaftsgeschichte von Nordhorn, 1941
Nordisches Recht ist die Gesamtheit des älteren skandinavischen
(altnorwegisch-isländischen, altschwedischen und altdänischen) Rechtes. Es ist
seit dem 12. Jh. in zahlreichen volkssprachigen Rechtsbüchern Norwegens
([ostnorwegisch] Borgarthingsbok, Eidsivathingsbok, [westnorwegisch] Frostathingsbok,
Gulathingsbok, Hirdskra), Islands (Ulfljots log, Haflidaskra 1117/1118,
Gragas 1258/1271), Schwedens (Westgötalagh 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötalagh um
1300, Gutalagh 1285, Södermannalagh Ende 13. Jh.s?, Westmannalagh um 1330,
Helsingelagh 1329/1350, Uplandslagh 1296) und Dänemarks (Skanske Lov 1200/1210,
Liber legis Scaniae, Sialanzfarae logh vor 1241, Jyske Lov bzw. Jydske Lov
1241) überliefert, die öfter einen eigenen Abschnitt Christenrecht enthalten.
Dazu kommen als Gesetzbücher das Landrecht (Landslög) König →Magnus
Hakonarsons von 1274, das Stadtrecht von Bergen (1276), die Jarnsida
(1271/1273), die Jonsbok (1281) und das schwedische Landrecht König Magnus
Erikssons (1347). Die älteren Verhältnisse um die Jahrtausendwende bezeugen die
Isländersagas. Die Gegebenheiten am Königshof lässt der altnordische
Königsspiegel (1260/1265) erkennen. →Dänemark, →Finnland,
→Island, →Norwegen, →Schweden
Lit.: Grenander, B., Ur förhandlingsprincipens
historia, 1879; Amira, K. v., Nordgermanisches Obligationenrecht, Bd. 1f.
1882ff.; Brandt, F., Forelæsninger over den norske Retshistorie, 1883; Lehmann,
K., Verzeichnis der Literatur der nordgermanischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 7
(1886), 205; Lehmann, K., Zur Abwehr, ZRG GA 8 (1887), 165; Lehmann, K.,
Zweiter Nachtrag, ZRG GA 8 (1887), 170; Lehmann, K., Verzeichnis der von 1887
bis 1888 erschienenen Literatur, ZRG GA 10 (1889), 246; Vleuten, M. van, Die
Grunddienstbarkeiten nach altwestnordischem Rechte, 1902; Maurer, K.,
Vorlesungen über altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1907ff.; Motzfeldt, U.,
Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Heusler, A., Das Strafrecht der
Isländersagas, 1911, Neudruck 2013; Lehmann, K., Zum altnordischen Kriegs- und
Beuterecht, 1913; Østberg, K., Norsk Bonderet 1f., 1914ff.; Pappenheim, M.,
Rasengang und Fußspurzauber, ZRG GA 40 (1919), 70; Bull, E., Leding, (um 1922);
Taranger, A., Norsk familierett, 2. A. 1926; Schultze, A., Die Rechtslage des
alternden Bauers nach den altnordischen Rechten, ZRG GA 51 (1931), 258; Vogt,
W., Fluch, Eid, Götter – altnordisches Recht, ZRG GA 57 (1937), 1; Schwerin, C.
Frhr. v., Dänische Rechte, 1938; Schultze, A., Zum altnordischen Eherecht, 1939
(SB Leipzig); Eckhardt, K., Nordische Chronologie, 1940; Eckhardt, K., Der
Wanenkrieg, 1940; Eckhardt, K., Bragi, der Alte, ZRG GA 62 (1942), 1; Erler,
A., Das Ritual der nordischen Geschlechtsleite, ZRG GA 64 (1944), 86; Rehfeldt,
B., Saga und Lagsaga, ZRG GA 72 (1955), 34; Amira, K. v./Eckhardt, K.,
Germanisches Recht, Bd. 1f. 4. A. 1960; See, K. v., Altnordische Rechtswörter,
1964; Nordisk rättshistorisk litteratur 1956-1965, zusammengestellt v.
Carlsson, S., 1972; Forssell, H., Tredjemansskydetts gränser, 1976; Ehrhardt,
H., Der Stabreim in altnordischen Rechtstexten, 1977; Modéer, K., Nordische
rechtshistorische Literatur, ZNR 1 (1979); Nordisk rättshistorisk litteratur
1966-1975, zusammengestellt v. Carlsson, S., 1980; Björne, L., Nordische
Rechtssysteme, 1987; Dübeck, I., De nordiske lovböger, (in) Rättshistoriska
studier II 4, 1988; Rechtsgeschichte und theoretische Dimension, red. v.
Peterson, C., 1990; Björne, L., Nordisk Rättskällelära, 1991; Grönberg, L.,
Nordisk rättshistorisk litteratur 1976-1980, 1991; Ebel, E., Der Konkubinat
nach altwestnordischen Quellen, 1993; Björne, L., Patrioter och institutionalister,
Den nordiska rättsvetenskapens historia del I 1995 (bis 1815); Björne, L.,
Brytningstiden, Den nordiska rättsvetenskapens historia del II 1998
(1815-1870); Björne, L., Den konstruktiva riktningen. Den nordiska
rättsvetenskapens historia del III (1871-1910), 2002; Tamm, D.,
Justizforschung, germanisches Recht und nordische Rechtsgeschichte, ZRG 120
(2003), 347; Ruthström, B., Land och fæ, 2003; Sandström, M., Rättsvetenskapens
Princip, 2004; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval Nordic Legislation,
2010; Björne, L., Die nordische Rechtswissenschaft, ZRG GA 127 (2010), 262;
Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht bis 1500, 2011; Lassen, A.,
Odin, 2011; Letto-Vanamo, P., Nordische Rechtsgeschichte - eine europäische
Variante? (in) ZNR 2013 112; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht,
2. A. 2016
Nördlingen
Lit.: Nördlinger Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Müller, K., 1933;
Kudorfer, D., Nördlingen, 1974
Nordrhein-Westfalen ist das zwecks
Abtrennung des Ruhrgebiets vor allem aus Teilen Preußens am 23. 8. 1946
gebildete deutsche Land im Nordwesten des Deutschen Reiches bzw. später der
Bundesrepublik Deutschland..
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hundert Jahre
Kreisordnung in Nordrhein-Westfalen, 1988; Romeyk, H., Kleine Verwaltungsgeschichte
Nordrhein-Westfalens, 1988; Freis, G., Die Reform der Gemeindeverfassung, 1998;
Haunfelder, B., Nordrhein-Westfalen, 2006; Düding, D., Parlamentarismus in
Nordrhein-Westfalen 1946-1980, 2008; Hitze, G., Verlorene Jahre? Die
nordrhein-westfälische CDU, 2010; 60 Jahre Justizministerium
Nordrhein-Westfalen, 2010; Weißer, A., Die innere Landesgründung von
Nordrhein-Westfalen, 2012; Mecking, S., Bürgerwille und Gebietsreform, 2012;
Steininger, R., Ein neues Land an Rhein und Ruhr, 2016
Nordsee
Lit.: Aubin, H., Rechtsgeschichtliche Betrachtungen zum Nordseeraum,
ZRG GA 72 (1955), 1
Noricum ist die nach ihren zwischen 12 und
9 v. Chr. von den Römern unterworfenen, vorrömischen Bewohnern (Norer, Noriker)
und deren Reich (um 200 v. Chr.) benannte römische Provinz (50 n. Chr.-5. Jh.)
in den Alpen. In der Folge wird bis in das 15. Jh. auch Bayern als N.
bezeichnet.
Lit.: Köbler, DRG, 28, 50; Baltl/Kocher; Zibermayr,
I., Noricum, Baiern und Österreich, 1944, 2. A. 1956; Alföldy, G., Noricum,
1974
Norm ist eine seit dem 13. Jh. aus dem Lateinischen
aufgenommene Bezeichnung für Regel, Vorschrift oder Rechtssatz.
Lit.: Beyerle, F., Über Normtypen und Erweiterungen
der Lex Salica, ZRG 89 GA (1972), 1; Schneider, P., Ausnahmezustand und Norm,
1957; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in) Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Heidemann, C., Die Norm als Tatsache, 1997;
Norm und Tradition, 1998; Brinkmann, B., Varietas und veritas. Normen und
Normativität in der Zeit der Renaissance, 2001; Dilcher, G., Normen zwischen
Oralität und Schriftkultur, 2008; Von der Ordnung zur Norm, hg. v. Drossbach,
G., 2010; Busch, L., Standards, 2011
Normaljahr ist ein für eine rechtliche Folge
als normal zugrunde gelegtes Jahr (z. B. 1624 für den Bekenntnisstand im
Westfälischen Frieden von 1648).
Lit.: Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, Diss. jur. Frankfurt am Main, 1973
Normandie ist die östlich an den Kanal
zwischen dem europäischen Festland und England angrenzende, im 9. Jh. von den
→Normannen eroberte Landschaft. Von hier aus wird 1066 der Herzog der N.
durch Eroberung König von →England. Über Heinrichs I. von England Tochter
Mathilde kommt die N. an die Anjou bzw. Plantagenets (1144/1150), die auch
Anjou (1151), Aquitanien (1152) und England (1154) beherrschen. 1204 erobert
der König von Frankreich die N. zurück. Nach ihrer Wiedergewinnung durch
England (1417-1420) gelangt sie 1450 endgültig an Frankreich zurück. 1199/1200
bzw. 1220 entsteht der Très ancien →coutumier de Normandie, zwischen 1254
und 1258 der Grand coutumier de Normandie ([lat.] Summa [F.] de legibus
Normannie).
Lit.: Le très ancien coutumier de Normandie, hg. v.
Tardif, E., 1881; La Summa de legibus Normannie in curia laicali, hg. v.
Tardif, E., 1896; Arresta communia Scacarii, hg. v. Perrot, E., 1910; Pissard,
H., La clameur de haro dans le droit normand, 1911; Instrucions et
ensaignemens, hg. v. Besnier, G. u. a., 1912; Atiremens et jugiés d’échiquiers,
hg. v. Génestal, R. u. a., 1921; Plaids de la sergenterie de Mortemer
1320-1321, hg. v. Génestal, R., 1924; Yver, J., Les contrats dans le très
ancien droit normand, 1926; Yver, J., L’interdiction de la guerre privée, (in)
Travaux de la semainde d’histoire du droit Normand 1927, 1928; Besnier, R., La
représentation successorale, 1929; Index des termes juridiques et économiques
contenus dans le recueil des jugements de l’echiquier de Normandie au 13e
siècle v. Delisle, L./Génestal, R., 1929; Génestal, R., Études de droit privé
normand, 1 La tutelle, 1930; Le Foyer, J., L’office héréditaire du Focarius
regis Angliae, 1931; Besnier, R., La Coutume de Normandie, 1935; Besnier, R.,
Les donations entre époux, RHDFE 1936, 701; Histoire de la Normandie, 1970; Le
Patourel, J., The Norman Empire, 1976; England and Normandy, hg. v. Bates, D.
u. a., 1994; Musset, J., Le régime des biens entreépoux, 1997; Neveux, F., La
Normandie, 1998; 1204. La Normanide entre Plantagenêts et Capétiens, hg. v.
Flambard Héricher, A. u. a., 2007; Neveux, F., Le contexte historique de la
rédaction des coutumiers normands, Annales de Normandie 61 (2011) 11 (in drei
Stufen um1200, um 1218-1223 und 1235-1258, an dem Ende des 13. Jh.s als Grand
coutumier de Normanide in das Französische übersetzt)
Normanne (Nordmann) ist der in Nordfrankreich
(Normandie) im 9./10. Jh. sesshaft werdende →Wikinger. Von dem 911 an der
unteren Seine auf überlassenen Land gegründeten Fürstentum (nach 987 Herzogtum)
aus greifen die bald christianisierten und romanisierten Normannen 1066 nach
England aus. Die seit 1016 in Unteritalien als Söldner verwendeten Normannen
erhalten von Kaiser Konrad II. 1038 die Grafschaft Aversa und erobern zwischen
1057 und 1085 die Güter Byzanz‘ und langobardischer Fürsten sowie 1061-1091 von
den Arabern (Sarazenen) →Sizilien. 1130 wird Roger II. König von Sizilien
und verbindet normannisch-romanische Gegebenheiten mit griechischen und
arabischen. Bis zum 13. Jh. gehen die Normannen in der unterworfenen Bevölkerung
auf.
Lit.: Köbler, DRG 94; Haskins, C., The Normans, 1915;
Kehr, P., Die Belehnungen der süditalienischen Normannenfürsten durch die
Päpste (1059-1192), 1934 (SB Berlin); Guillaume de Poitiers, Histoire de
Guillaume le Conquérant, hg. v. Foreville, R., 1952; Norwich, J., Die Normannen
in Sizilien, 2. A. 1973; Jäschke, K., Wilhelm der Eroberer, 1977; Jäschke, K.,
Die Anglo-Normannen, 1981; Jahn, W., Untersuchungen zur normannischen
Herrschaft in Sizilien, 1989; Takayama, H., The Administration of the Norman
Kingdom of Sicily, 1993; Heller, K., Die Normannen in Osteuropa, 1993;
Chibnall, M., The Debate on the Norman Conquest, 1999; Eickels, K. van, Vom
inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt, 2002; Plassmann, A., Die
Normannen, 2008; Becker, J., Graf Roger I. von Sizilien, 2008; Houben, H.,
Roger II., 2. A. 2010; Bates, N., The Normans and Empire, 2013; Norman
Tradition and Transcultural Heritage, hg. v. Burkhardt, S., 2013; Bates, D.,
William the Conqueror, 2016
Normativbestimmung ist die durch eine →Norm
aufgestellte oder wie eine Norm wirkende Bestimmung. Im 19. Jh. wird für
juristische Personen das Oktroisystem durch das System der Normativbestimmungen
ersetzt, nach dem eine juristische Person entstehen darf, sobald die
gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Lit.: Köbler, DRG 207
Normenkontrolle ist die Überprüfung einer
→Norm durch ein Gericht auf ihre Rechtmäßigkeit. Ihre ersten Ansätze
finden sich vielleicht noch im Heiligen römischen Reich (bzw. 1803 in den
Vereinigten Staaten von Amerika in der Entscheidung Marbury vs. Madison),
jedenfalls im 19. Jh., während die N. in Frankreich weitgehend fehlt. Im
Deutschen Reich erfolgt sie zuerst durch das Obergericht Danzig ab 1923. Für
die N. des bundesdeutschen Rechtes ist hauptsächlich das
→Bundesverfassungsgericht zuständig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Die amerikanische Verfassung
und deutsch-amerikanisches Verfassungsdenken, hg. v. Wellenreuther, H. u. a.,
1987; Herrmann, N., Entstehung, Legitimation und Zukunft der konkreten
Normenkontrolle im modernen Verfassungsstaat, 2001; Hoffmann-Riem, W., Das
Ringen um die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle, JZ 2003, 269; Wittreck,
F., Die Anfänge der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle in Deutschland,
ZRG GA 121 (2004), 415
Normtrias ist eine Lehre von der Dreistufigkeit des
Rechtes (z. B. [lat. F.] lex aeterna [Weltgesetz], lex naturalis [Naturgesetz]
und lex humana [Menschengesetz]).
Northeim
Lit.: Lange, K., Der Herrschaftsbereich der Grafen von Northeim
950-1144, 1969; Borchert, S., Herzog Otto von Northeim (um 1025-1083), 2005
Norwegen ist der im Westen der
skandinavischen Halbinsel gelegene Staat. Um 900 (872) überwindet hier König
Harald I. das Kleinkönigtum. Um 1000 erfolgt die Christianisierung. 1274
schafft König Magnus Lagabœtir ein Landrecht (landslög) in neun Teilen sowie
ein allgemeines Stadtrecht (bjarkeyjar réttr). Von 1319 (Aussterben des
Königshauses im Mannesstamm) bis 1355 (Magnus VII. Eriksson, 1343 Hakon VI.)
und von 1380 (Olaf IV. Hakonsson, 1397 Kalmarer Union von Norwegen, Dänemark
und Schweden) bis 1435 bzw. 1521 ist N. (auch) mit Schweden verbunden. Von 1387
bis 1814 ist der König von Dänemark König von N. Seit 1536 ist N. überhaupt
Teil Dänemarks. Von 1814 bis 1905 ist der König von Schweden nach der Loslösung
Norwegens von Dänemark König von Norwegen. 1905 wird ein dänischer Prinz zum
König des durch Volksabstimmung von Schweden verselbständigten N. gewählt.
Lit.: Norges gamle Love, 1. Abteilung (bis 1387)
1846ff., 2. Abteilung (1388-1604) 1904ff.; Diplomatarium Norvegicum, Bd. 1ff.
1847ff.; Boden, F., Das Urteil im altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1;
Aubert, L., Grund bøgernes Historie i Norge Danmark og tildels Tyskland, 1892;
Bugge, A., Studier over de norske byers selvstyre, 1899; Boden, Das
altnorwegische Stammgüterrecht, ZRG GA 22 (1901), 109; Haff, K., Volksgericht
und Repräsentationsgericht in Norwegen, ZRG GA 42 (1921), 464; Rynning, L.,
Allemandsret, 1928; Taranger, A., Trondheimens Forfatningshistorie, 1929; Vogt,
W., Zum altnorwegischen Königsfrieden, ZRG GA 52 (1932), 1; Norwegisches
Recht. Das Rechtsbuch des Gulathings, übersetzt v. Meißner, R., 1935; Vogt, W.,
Altnorwegens Urfehdebann und der Geleitschwur, 1936; Meißner, R., Das norwegische
Gefolgschaftsrecht, 1938; Hirðskrá, hg. v. Meißner, R., 1938; Frost, J., Das
norwegische Bauernerbrecht, 1938; Johnsen, O., Norwegische
Wirtschaftsgeschichte, 1939; Frost, J., Über das Alter des norwegischen
Aasätesrechts, ZRG GA 61 (1941), 250; Bruchstücke der Rechtsbücher des
Borgarthings und des Eidsivathings, hg. v. Meißner, B., 1942; Authén-Blom, G.,
Kongemakt og privilegier i Norge inntil 1387, 1967; Gurevič, A., (Die
freie Bauernschaft des feudalen Norwegens), 1967 (russisch mit englischer
Zusammenfassung); Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,991, 2,2,517,
4,4,375; Ekbom, C., Viennetionden i Norge, 1976; Holmsen, A., Norges historie,
1977; Merzbacher, F., Das Landrecht des Königs Magnus Hakonarson lagaboetir,
ZRG GA 99 (1982), 252; Danske og Norske Lov i 300 år, hg. v. Tamm, D., 1987;
Lindemann, R., Norwegen 1986; Austrup, G./Quack, U., Norwegen, 1989; Berge, F.,
Norsk historie 1905-1990, 1992; Aschehougs Norgeshistorie, Bd. 1ff. 1994ff.;
Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd. 1ff. 1995ff.; Bohn,
R., Reichskommissariat Norwegen, 2000; Dänemark, Norwegen und Schweden im
Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a.,
2003; Historia Norwegie, hg. v. Ekrem, I. u. a., 2003; Barton, H., Sweden and
Visions of Norway, 2003; Iversen, T., Knechtschaft im mittelalterlichen
Norwegen, 2004; Orning, H., Unpredictibility and Presende - Norwegian Kingship
in the High Middle Ages, 2008; Strauch, D., Mittelalterliches nordisches Recht
bis 1500, 2011; Bagge, S., From Viking Stronghold to Christian Kingdom, 2010;
Sørlie, S., Sonnenrad und Hakenkreuz, 2019
Not (Zwangslage) →echte Not
Lit.: Koller, M., Not kennt kein Gebot, 2009
Notar ist das (vom Staat) zur Wahrnehmung
bestimmter Rechtspflegeaufgaben (z. B. Verfertigen vollbeweiskräftiger und
vollstreckbarer Urkunden) bestellte unabhängige Organ der Rechtspflege. Der N.
entwickelt sich aus dem spätantiken Schreiber (Schnellschreiber) bzw.
Tabellionar. Er erscheint am Beginn des Hochmittelalters (10./11. Jh.) in
Oberitalien (in Bologna ab etwa 1030 tabellio statt notarius, in der zweiten
Hälfte des 12. Jh.s Rückbindung an die Autorität des Kaisers oder der Kommune,
1283 umfasst die Bologneser Notarsmatrikel 1059 Namen, im 13. Jh. werden in
Lucca [bei einem Notar auf rund 100 Bewohner] vielleicht 1000000 Urkunden
ausgefertigt, von denen noch 10000 erhalten sind), im frühen 13. Jh. in
Frankreich und ab 1275 auch im deutschen Reich. N. ist zunächst kein
ausschließlicher Beruf. Der N. wird vor allem von dem Papst, Kaiser (1186,
1191) oder Hofpfalzgrafen ernannt. Bis zu dem 15. Jh. wird in dem Heiligen
römischen Reich das Notariat hauptsächlich von apostolischen Notaren
wahrgenommen. 1512 erlässt das Reich eine Reichsnotariatsordnung, die sich in
dem Rahmen des damals Machbaren hält und noch keine in sich geschlossene
Ordnung des Notariatswesens bezüglich Ausbildung, Prüfung, Ernennung und
Amtsausführung enthält. Für Osnabrück wird 1656 eine Ausführungsverordnung
erlassen. In Österreich kann sich das kaiserliche Notariat nicht behaupten.
Seit 1701 versucht Preußen, kaiserliche Notare aus seinem Hoheitsgebiet fern
zu halten und verlangt eine besondere Immatrikulation an einem Justizkollegium
in Preußen. 1771 verzichtet es auf ein kaiserliches Notariatsdiplom als
Voraussetzung für die Immatrikulation als Notar in Preußen. 1780 erhalten
Advokaten, für die keine Assistenzratstelle vorhanden ist, ein Notariat. Später
entwickeln sich Gebiete des Nurnotariats (z. B. Bayern, Österreich) neben
Gebieten des Anwaltsnotariates (z. B. Hessen) oder des beamteten Bezirksnotariats
(Württemberg). 1849 benennt Preußen den Aufgaben der Notare und Advokaten
wahrnehmenden Justizkommissar in Anwalt um und schafft damit nominell das
Anwaltsnotariat. In Österreich wird nach 1848 das in Frankreich modernisierte
Notariat Grundlage der Notariatsordnungen von 1850 und 1871. 1934 erhalten die
Notare in Preußen die Möglichkeit der Aufnahme der Auflassung. Mit der
Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 versucht das Deutsche Reich auf der
Grundlage eines bereits vor 1933 erstellten Entwurfs des jüdischen
Rechtsanwalts und Notars Obenau eine nicht vollständig gelungene
Vereinheitlichung. Ihr Inhalt wird im Wesentlichen in die Bundesnotariatsordnung
vom 24. Februar 1961 übernommen. Seit 28. 8. 1969 ist in der Bundesrepublik
Deutschland die Beurkundung allgemein den Notaren vorbehalten. In
Baden-Württemberg soll nach einem Beschluss der Regierungsfraktionen von 2007
das beamtete Notariat bis 2018 in ein freiberufliches Nurnotariat übergeführt
werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 117, 270;
Weißler, A., Zur Geschichte des preußischen Notariats, 1914; Petrucci, A.,
Notarii, 1958; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Gerig, H., Los
signos notariales mas antiguos de Colonia, Centenario de la ley del notariado
4, 2, 2 (1963), 145; Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato
italiano, 1975; Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977;
Krause, H., Zur apostolisch-kaiserlichen Doppelautorisation öffentlicher Notare
in der Oberpfalz, ZRG GA 95 (1978), 244; Marti, H., Die ersten Notare im
Berngebiet, Der bernische Notar 46 (1985); Schuler, P., Die Notare
Südwestdeutschlands, 1987 (mehr als 1500 Personen); Bautier, R., Chartes,
sceaux et chancelleries, 1990; Cheney, C. u. a., Notai in Inghilterra, 1991;
Frischen, H., Die 44. Novelle, Dt. Notarzs. 1992, 403; Nève, P., Schets van een
geschiedenis van het notarisambt, 1995; Neschwara, C., Geschichte des
österreichischen Notariats, 1996; Notar- und Rechtsgestaltung, hg. v. d.
rheinischen Notarkammer, 1998; Schüler, H., Die Entstehungsgeschichte der
Bundesnotarordnung vom 24. Februar 1961; Hoffman, P. u. a., Priceless Markets
– The Political Economy of Credit in Paris 1660-1870, 2000; Wiedemann, A.,
Preußische Justizreformen, 2003; Hoffmann, H., Notare, Kanzler und Bischöfe am
ottonischen Hof, DA 61 (2005), 435; Meyer, A., Ser Ciabattus, 2005¸ Bartoli Langelli, A., Notai, 2006; Notare und
Notarssignete vom Mittelalter bis zum Jahre 1600 aus den Beständen der
staatlichen Archive Bayerns, hg. v. Kern, E. u. a., Bd. 1 2008; Nussdorfer, L.,
Brokers of Public Trost, 2009:
Zehetmayr, R., Urkunde und Adel, 2010; Gsänger, J., Das Berufsrecht der
Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937, 2010; Scharnhop, C., Das Lüneburger
Notariat im 19. Jahrhundert, 2011; Tremp, U., Fiat littera ad
dictamen sapientum, 2012; Komusiewicz, M., Die Diskussion um das Verhältnis von
Rechtsanwaltschaft und Notariat, 2012; Vossius, O., Auf den Spuren des Bösen,
2013; Woschnak, K., Treffpunkt Europa Mitte - Die Notariatsreform der Jahre
1989 bis 1994 in Mitteleuropa, 2013; 150 Jahre bayerisches Notariat, 2013;
Wirbelauer, W., Der Antrag der Landtagsabgeordneten Best und Genossen von 1928
auf Beschränkung des hessischen Notariats, 2013
Notariat ist das Amt und der Amtsraum eines
→Notars sowie eine Gesamtheit von Notaren.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Oesterley, F., Das deutsche
Notariat, Teil 1f. 1842ff., Neudruck 1975; Weißler, A., Zur Geschichte des
preußischen Notariats, 1914; Koechling, L., Untersuchungen über die Anfänge des
Notariats in Deutschland, 1925; Luschek, F., Notariatsurkunde und Notariat in
Schlesien, 1940; Petrucci, A., Notarii, 1958; Conrad, H., Die geschichtlichen
Grundlagen des modernen Notariats in Deutschland, Deutsche Notarzs. 55 (1960),
3; Schultze-von Lasaulx, H., Geschichte des hamburgischen Notariats, 1961, 2.
A. 1980; Schiltkamp, J., De geschiedenis van het notariaat in het octrooigebied
van de west-indische compagnie, 1964; Knemeyer, F., Das Notariat im Fürstbistum
Münster, Diss. jur. Münster 1964 = Westfäl. Zs. 114 (1964), 1; Meyer, A., Die
Notariatsordnungen von 1512 und 1871, 1971; Laske, W., Das österreichische
Notariat im Zeitalter des Absolutismus bis 1806, ZRG GA 92 (1975), 132;
Amelotti, M./Costamagna, G., Alle origini del notariato italiano, 1975;
Schuler, P., Geschichte des südwestdeutschen Notariats, 1976; Carlen, L.,
Notariatsrecht in der Schweiz, 1976; Trusen, W., Zur Geschichte des mittelalterlichen
Notariats, ZRG RA 98 (1981), 369; Sibler, G., Entwicklung des Zürcher
Notariats, 1983; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und Notariat der Stadt
Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Lönnecker, H., Das Notariat in Hessen, Diss.
phil. Marburg 1989; Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v. Grziwotz, H.,
1995; Neschwara, C., Geschichte des österreichischen Notariats, 1996; Notar
und Rechtsgestaltung, 1998; Meyer, A., Felix et inclitus notarius, 2001;
Neschwara, C., Österreichs Notariatsrecht in Mittel- und Osteuropa, 2000; Het
notariaat in de Lage Landen (± 1250-1842), hg. v. Gehlen, A. u. a., 2005;
Osterburg, D., Das Notariat in der DDR, 2004; Bartoli
Langelli, A., Notai, 2006; Bibliographie zur Geschichte des
deutschen Notariats, hg. v. d. Bundesnotarkammer, 2007; www.notariatsgeschichte.de;
Barbagli, A., Il notariato ad Arezzo tra medioevo ed età moderna, 2011;
Lombardo, M., Il notaio romano tra sovranià pontificia e autonomia comunale
(secoli XIV-XVI) 2012; Handbuch zur Geschichte des deutschen Notariats seit der
Reichsnotariatsordnung von 1512, hg. v. Schmoeckel, M/Schubert, W., 2012; Das
Bild des Notariats seit der frühen Neuzeit, hg. v. Schmoeckel, M., 2012;
Festschrift 150 Jahre Bayerisches Notariat, 2013 (mit Kurzbiographien der 325
in den Jahren 1862/1863 ernannten ersten Notare und Besetzung der Notarstellen
zwischen 1862 und 1937); Rupp, C., Von der Wiege bis zur Bahre, 2014; Roeder,
T., Das Notariat, sein Recht und seine Geschichte im Land Hannover, 2014;
Gerono, A., Das bayerische Notariat, 2016; Ludes, S., Die
Reichsnotariatsordnung, 2016
Notariatsimbreviatur →Notariat, Imbreviatur
Notariatsinstrument ist im Mittelalter die vom
→Notar ausgestellte →Urkunde. In Bologna erscheint die erste als
→instrumentum bezeichnete Urkunde 1041. Um die Mitte des 11. Jh.s
verschwinden nach Ausweis rund 1300 bis 1150 überlieferter Zeugnisse die Unterschriften
von Ausstellern und Zeugen, als es dem Notar gelingt, die Beglaubigungskraft
auf sich zu beziehen. Ab etwa 1114/1115 erscheint römische Rechtsterminologie
in den Texten (u. a. Renuntiationen). In Oberitalien setzt sich das
instrumentum in der ersten Hälfte des 12. Jh.s durch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Meyer, A., Felix et inclitus
notarius, 2001; Schulte, P., Scripturae publicae creditur, 2003
Notariatsordnung (z. B. 1512, 1871, Hannover 1850)
→Notar, Notariat, Ordnung
Lit.: Kaiserliche Notariatsordnung von 1512, hg. v.
Grziwotz, H., 1995
notarius (M.) sacri palatii (lat.) (8.-11. Jh.) Pfalznotar
Notarsignet ist das persönliche, anfangs frei
gewählte, später verliehene Zeichen eines Notars, das der öffentliche
(kaiserliche bzw. päpstliche) Notar neben seine Unterschrift setzt. Das erste
bisher bekannte deutsche N. stammt vom 13. 1. 1274 (Roger von Lüttich). Nicht
sicher geklärt ist, weswegen der Notar nicht ein Siegel, sondern das N.
verwendet. Seit 1806 verschwindet das N. (in Bayern seit 1861).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Leist, F., Die
Notariats-Signete, 1897; Schmidt-Thomé, W., Vom Notarsignet zum Notarsiegel,
Dt. Notarzs. 15 (1964), 455; Gerig, H., Frühe Notariats-Signete in Köln, 1971;
Schuler, P., Südwestdeutsche Notarszeichen, 1976; Wolf, K., Privatrecht,
Prozessrecht und Notariat der Stadt Limburg, Diss. jur. Gießen 1988; Karg, H.,
Notariatszeichen in reußischen Archiven (1518-1757), 2004
Notbede →Not, Bede
Notenbank ist die Papiergeldstücke (Banknoten,
engl. banknote 17. Jh.) ausstellende Bank.
Lit.: Fengler, H., Geschichte der deutschen
Notenbanken, 1992
Noterbe (Noterbenrecht 1831) ist der Erbe, der wegen Enterbung
nur den Pflichtteilsanspruch erhält. Der N. entwickelt sich im römischen
Recht, in dem die formelle Nichterwähnung der (lat.) sui heredes (M.Pl.) das
Testament ungültig werden (formelles Noterbrecht) oder den Übergangenen am
Erbe teilhaben lässt, bzw. etwa seit der Zeitenwende die materielle Nichtberücksichtigung
die (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti (Beschwerde des pflichtwidrigen
Testaments) gewährt (materielles Noterbrecht). Die nachklassische Praxis
lässt bei teilweiser Zuwendung (nur) die Klage auf Pflichtteilsergänzung zu.
Justinian verbindet formelles Noterbrecht und materielles Noterbrecht 542
miteinander. Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht im Heiligen
Römischen Reich aufgenommen. Der Kreis
der Pflichtteilsberechtigten (Noterben) und der Umfang des Pflichtteils
(Noterbrechts) schwankt.
Lit.: Kaser § 69 I; Hübner 776, 795; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 170; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Notgeld ist das bei Mangel an Zahlungsmitteln
in Krisenzeiten behelfsmäßig ausgegebene →Geld. Es findet sich bereits im
15. Jh. Bedeutung erlangt es vor allem nach dem ersten Weltkrieg.
Lit.: Deutsches Notgeld 12, 2011
Nötigung ist das Zwingen eines anderen mit
Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer nicht gewollten
Handlung, Duldung oder Unterlassung. Gegenüber verschiedenen Einzelfällen wird
die N. als allgemeiner Straftatbestand erst spät erfasst.
Lit.: His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts
bis zur Karolina 1928, Neudruck 1967, 138; Balthasar, S., Die Tatbestände der
Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Offenloch, W., Erinnerung an das
Recht – Der Streit um die Nachrüstung, 2005
Notitia (lat. [F.] Nachricht) ist im
Frühmittelalter die objektiv gefasste, nach Heinrich Brunner angeblich im
Gegensatz zur dispositiven, subjektiv gefassten (lat.) carta (F.) nur
beweisbedeutsame Urkunde.
Lit.: Köbler, LAW; Brunner, H., Abhandlungen zur
Rechtsgeschichte, hg. v. Rauch, K., Bd. 1 1931, 458; Johanek, P., Zur
rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 131
Notker (der Deutsche) von St. Gallen (um
950-Sankt Gallen 29. 6. 1022) ist der bedeutendste Schriftsteller des
Althochdeutschen. In deutschlateinischer Mischprosa übersetzt er verschiedene
geistliche und weltliche Schriften aus dem Lateinischen. Dabei erfasst er auch
rhetorische Grundfiguren (z. B. in der Gerichtsrede) und zeigt damit eine
Vorstufe der Rechtswissenschaft in Deutschland auf.
Lit.: Köbler, DRG 79, 82; Die Schriften Notkers und
seiner Schule, hg. v. Piper, P., Bd. 1ff. 1982ff.; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Ochsenbein, P./Schmuki, K., Die
Notkere im Kloster St. Gallen, 1992; Scherabon Firchow, E., Notker der
Deutsche, 2000; Die spätalthochdeutschen Wessobrunner Predigten im Überlieferungsverbund
mit dem Wiener Notker. Eine neue Ausgabe, hg. v. Hellgardt, Ernst, 2014; Der
Münchener Psalter aus dem 14. Jahrhundert. Eine Bearbeitung von Notkers
Psalter, hg. v. Tax, P., 2016
Notorietät (F.) Offenkundigkeit
Notstand ist der Zustand gegenwärtiger
Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, dessen Abwendung nur auf Kosten
fremder Interessen möglich ist. Schon im römischen Recht befreit der N. in
Einzelfällen von Strafe. Ähnliches gilt im Mittelalter. Danach befasst sich
Art. 166 der Constitutio Criminalis Carolina (1532) mit dem Stehlen in
Hungersnot. Erst im 20. Jh. wird der N. strafrechtlich schärfer erfasst.
Privatrechtlich schließt schon das römische Recht einzelne Handlungen von einer
Ersatzpflicht aus. Erst im 19. Jh. wird dies wissenschaftlich verallgemeinert
und danach in den §§ 228, 904 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
aufgenommen. Der übergesetzliche N. wird 1927 vom Reichsgericht Deutschlands
für den medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch anerkannt. Staatsrechtlich
wird in Deutschland der N. in der Verfassung 1968 gesetzlich geregelt. Seit
1975 enthält das Strafgesetzbuch Deutschlands (aus utilitaristischen
Erwägungen) eine Vorschrift über den rechtfertigenden Notstand.
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Titze, H.,
Die Notstandsrechte, 1897; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961, 653, 830; Curschmann, F., Hungersnöte im Mittelalter, 1900, Neudruck
1970; Würzburger, J., Das Recht des strafrechtlichen Notstandes, 1903; Janka, K.,
Der strafrechtliche Notstand, 1878; Rabe, K., Die Entwicklung des Notstands,
Diss. jur. Göttingen 1930; Henkel, H., Der Notstand, 1932; Walter, H., Das
Staatsnotrecht, Diss. jur. Göttingen 1937; Benda, E., Die Notstandsverfassung,
10. A. 1968; Ungern-Sternberg von Pürkel, J., Untersuchungen zum
spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970; Wacke, A., Notwehr und Notstand,
ZRG RA 106 (1989), 469; Blomeyer, P., Der Notstand in den letzten Jahren von
Weimar, 1999; Esklony, D., Das Recht des inneren Notstands, 2000; Pawlik, M.,
Der rechtfertigende Notstand, 2002
Notstandsgesetze ist die Sammelbezeichnung für die
Gesamtheit der 1968 in Zusammenhang mit einer Verfassung für den Fall eines
Staatsnotstandes geschaffenen einfachen Bundesgesetze der Bundesrepublik
Deutschland (z. B. Ernährungssicherstellungsgesetz, Schutzbaugesetz,
Abhörgesetz).
Lit.: Bender, E., Die Notstandsverfassung, 10. A. 1968
Nottestament ist ein in besonderer Gefahrensituation
(z. B. Krieg, Krankheit) in vereinfachter Form zu errichtendes
→Testament, das seit 1888 als N. bezeichnet wird. In Österreich wird 2004
das N. vereinheitlicht.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Nottingham am Trent erscheint im 6. Jh.
(Snotingaham). 1155 wird sein Stadtrecht bestätigt. 1881/1948 erhält es eine
Universität.
Lit.: Barley, M./Straw, I., Nottingham, 1969
Notverordnung ist die (für Notfälle gedachte, die
Gewaltenteilung durchbrechende) →Verordnung mit Gesetzeskraft. Sie
findet sich bereits im ausgehenden 18. Jh. (England 1766, Baden 1818,
Württemberg 1819, Österreich Kremsierer Entwurf 1849, Märzverfassung 1849,
Februarverfassung 1861, Dezemberverfassung 1867 Notverordnungsrecht des Kaisers,
1914/1917 auch der Regierung, 1929 des Bundespräsidenten), danach sehr häufig
beispielsweise auf Grund des deutschen Ermächtigungsgesetzes vom 4. 8. 1914 in
der Zeit des ersten Weltkriegs und auf Grund des Art. 48 II der Weimarer
Reichsverfassung in der Weimarer Republik (1931 41, 1932 60 Notverordnungen).
Lit.: Köbler, DRG 174, 231, 243; Kroeschell, 20. Jh.;
Spiegel, L., Die kaiserlichen Verordnungen, 1893; Friedmann, A., Geschichte und
Struktur der Notstandsverordnungen, 1903; Gather, H., Das Notstandsrecht,
Diss. jur. Köln 1963; Hasiba, G., Das Notverordnungsrecht in Österreich, 1985;
Maltschew, R., Der Rückerwerb eigener Aktien, 2004
Notweg ist die Verpflichtung eines Eigentümers
eines Grundstücks, die Benutzung seines Grundstücks zum Durchgehen, Durchfahren
oder Durchreiten durch den Eigentümer eines anderen Grundstücks, dem ohne
Verschulden seines Eigentümers die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige
Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, gegen Entschädigung zu dulden.
Der N. ist als nachbarrechtliche Eigentumsbeschränkung bereits dem römischen
Recht bekannt. Er findet sich auch im Mittelalter und in der Neuzeit.
Lit.: Kaser § 23 III 3; Hübner § 37; Buch, G., Der
Notweg, 1919; Caroni-Rudolf, K., Der Notweg, Diss. jur. Bern 1969; Bader, K.,
Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 3 1973, 192;
Eggensperger, A., Notwegrecht, Diss. jur. Würzburg 2000
Notwehr (Wort um 1150) ist
die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen
Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren. Bereits im römischen Recht ist
es erlaubt, Gewalt mit Gewalt zurückzuweisen. Im Frühmittelalter erscheint die
N. ansatzweise, im Hochmittelalter und Spätmittelalter häufiger
(→Schwabenspiegel um 1275). Seit dem Ende des 18. Jh.s wird die N. von
der Verteidigung von Leib und Leben auf jedes Rechtsgut ausgedehnt (Preußen
1794).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
87, 119, 158, 208; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His,
R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967,
34; Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Wacke, A., Notwehr und
Notstand, ZRG RA 106 (1989), 469; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Notzivilehe ist die bei Verweigerung der
Eheschließung wegen eines kirchenrechtlichen Ehehindernisses mögliche weltliche
Eheschließung (z. B. in Österreich 25. 5. 1868 Eherechtsgesetz, 1870 relative
N. für keiner anerkannten Kirche angehörende Menschen).
Lit.: Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
5. A., 2005, 7. A. 2014; Hoke, R., Österreichische und deutsche
Rechtsgeschichte, 2. A. 1996
Notzucht ist eine ältere, in Deutschland
1973, in Österreich 1989 und in der Schweiz 1992 aufgegebene Bezeichnung für
die Vergewaltigung einer Frau (lat. oppressio [F.], violentia [F.]), die
ihrerseits seit dem 16. Jh. das noch ältere (ahd.) notnumft verdrängt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961, 664; Wahl, G., Zur Geschichte des Wortes Notzucht, Z. f. d. P. 9
(1907), 7; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935, 150;
Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Künzel, C., Unzucht –
Notzucht – Vergewaltigung, 2003
novale (lat. [N.]) Neubruch
Novatio (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die →Novation, Schuldneuschaffung oder Schulderneuerung.
Lit.: Kaser § 54 I; Tolkmitt, W., Die Theorie der
Novation im gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1968
Novation (lat. [F.] →novatio) ist
bereits im klassischen römischen Recht die Schulderneuerung, bei der infolge
einer →Stipulation die alte Schuld (Obligation) mit allen Nebenrechten
erlischt und durch eine neue Schuld (Obligation) ersetzt wird (z. B.
Auswechslung des Gläubigers oder Schuldners, eine Sonderform ist die [lat.]
stipulatio [F.] Aquiliana). Die N. wird seit dem Hochmittelalter wieder belebt.
Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird sie nicht mehr erwähnt.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 43,
215; Apathy, P., Animus novandi, 1975; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1 1985, 432, 449, 530
Novel disseisin ist im englischen Recht die von
König Heinrich II. (1133-1189) eingeführte Klage des widerrechtlich aus seinem
Besitz Vertriebenen (disseised).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Sutherland, D., The Assize
of Novel Disseisin, 1973
Novelle (lat. [F.] novella [lex]) ist das
ein Gesetz in Einzelfragen ergänzende oder abändernde neue Gesetz. Insbesondere
werden die nach dem →Codex des Jahres 534 von →Justinian erlassenen
(neuen), durch drei verschiedene Sammlungen überlieferten Gesetze als Novellen (zitiert
z. B. als Nov. 99,2) bezeichnet.
Lit.: Söllner §§ 22, 23;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43; Köbler, DRG 54; Noailles, P., Les collections
de novelles, Bd. 1f. 1912ff.; Wal, N. v. d., Manuale novellarum, 1964; Dilcher,
H., Die sizilianische Gesetzgebung, 1975; Dölemeyer, B., Die Revision des ABGB
durch die drei Teilnovellen, Ius commune 6 (1977), 274; Novella Constitutio,
hg. v. Loken, J. u. a., 1990; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
Novemberrevolution ist die Revolution im Deutschen
Reich und in Österreich-Ungarn im November 1918, durch welche die Monarchien
in Republiken umgewandelt werden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Elben, W., Das Problem der
Kontinuität in der deutschen Revolution, 1965; Kittel, E., Novembersturz 1918,
Bll. f. dt. LG. 104 (1968), 42; Görlitz, W., November 1918, 1968; Halmen, R.,
Staatstreue und Interessenvertretung, 1988; Das waren Wintermonate voller
Arbeit, Hoffen und Glück, hg. v. Beutin, H. u. a., 2010
Nowgorod
Lit.: Novgorod – Markt und Kontor der Hanse, hg. v.
Angermann, N./Friedland, K., 2002
Noxae datio (lat. [F.], auch noxae deditio)
ist bereits im altrömischen Recht die Hingabe des Schädigers (z. B. Hauskind,
Sklave, Tier), durch die sich der Hausvater (außer durch Leistung) von seiner grundsätzlich
bestehenden Haftung für einen auf deren Verhalten beruhenden Erfolg befreien
kann (Noxalhaftung). Sie wird in der Spätantike bei Hauskindern und Sklaven
eingeschränkt, im Hochmittelalter nicht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 15 I 4d, 36 V, 50 II 4a;
Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 49, 65; Nehlsen, H.,
Sklavenrecht, 1972
NS (Nationalsozialismus)
NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche
Arbeiterpartei)
Lit.: Pätzold, K., Geschichte der NSDAP, 1998; Block,
N., Die Parteigerichtsbarkeit der NSDAP, 2002
nuda proprietas (lat. [F.]) bloßes Eigentum
Lit.: Köbler, DRG 124
nudum pactum (lat. [N.]) bloßer Vertrag (ohne
besondere Formen)
Nulla poena sine culpa (lat.). Keine Strafe ohne Schuld.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Nulla poena (F.) sine lege, nullum crimen sine lege (lat.)
ist der strafrechtliche Grundsatz, dass niemand bestraft werden darf, wenn
nicht zuvor ein Gesetz Verhalten der entsprechenden Art mit einer Strafe
bedroht hat. Das Verbot der Rückwirkung von neuen oder veränderten
Strafgesetzen zum Nachteil des Täters ist dabei bereits ansatzweise dem
klassischen römischen Recht bekannt und wird in der Spätantike durch
kaiserliche Gesetze mit gewissen Einschränkungen sogar ausgesprochen. Dem
folgen an sich auch das Mittelalter und die →Constitutio Criminalis
Carolina (1532), während das gemeine Recht den Grundsatz bis zum ausgehenden
18. Jh. nur wenig beachtet. Erst mit der Aufklärung entsteht der Grundsatz in
voller Gestalt des Rückwirkungsverbots, des Analogieverbots und des
Bestimmtheitsgebots (Vereinigte Staaten von Amerika bis 1787, Frankreich,
Josephinisches Gesetzbuch 1787, preußisches Allgemeines Landrecht 1794,
Feuerbach, Weimarer Reichsverfassung 1919, →Grundgesetz 1949), wobei die
Vorstellung besonderes Gewicht erhält, dass ein Eingriff des Staates in die
Freiheit des Bürgers die Gestattung durch Gesetze voraussetzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 204; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007, (Ulpian, um 170-223, Digesten 50, 16,
131, § 1 S. 1 Halbsatz 2); Bopp, G., Die Entwicklung des Gesetzesbegriffs,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Schöckel, G., Die Entwicklung des
strafrechtlichen Rückwirkungsverbotes, 1968; Schreiber, H., Gesetz und
Richter, 1976; Schünemann, B., Nulla poena sine lege?, 1978; Bohnert, J., P. J.
A. Feuerbach, 1982; Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nulli res sua servit (lat.). Niemand dient die eigene
Sache.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten, 8, 2, 26
nullum crimen sine lege →nulla poena sine lege
Lit.: Krey, V., Keine Strafe ohne Gesetz, 1983
Nullum crimen sine poena (lat.). Kein Verbrechen ohne
Strafe.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Numerius Negidius (N. N.) ist der abstrakte
Beklagte des römischen Verfahrensrechts.
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 33
numerus (M.) clausus (lat.) geschlossene Zahl (z. B.
der Ausbildungsplätze oder der zulässigen Sachenrechte [im römischen Recht
Eigentum, Servituten, Pfandrecht, Erbpacht und Erbbaurecht], im römischen
Schuldrecht sind nur contractus mit Klagbarkeit versehen, Typengebundenheit,
aber Möglichkeit der Stipulation])
Lit.: Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen
Rechte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Numismatik (Münzkunde) →Münze
Lit.: Göbl, R., Numismatik, 1987; Morrisson, C., La
numismatique, 1992; Wissenschaftsgeschichte der Numismatik, hg. v. Albert, R.
u. a., 1995; Bompaire, M./Dumas, F., Numismatique médiévale, 2000;
Geldgeschichte vs. Numismatik, hg. v. Kaenel, H. u. a., 2004; Kluge, B.,
Numismatik des Mittelalters, 2007; Kampmann, U., Numismatisches Wörterbuch,
2012; Wolters, R., Antike Numismatik, 2014
nummo uno (lat.) mit einer →Münze
Lit.: Köbler, DRG 25
nuncupatio (lat. [F.]) Verkündung
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 67 I 2b; Söllner § 8; Köbler,
DRG 38
Nuntius (zu lat. [M.] nuntius, Bote) ist
seit dem ausgehenden Spätmittelalter der ständige Gesandte des Heiligen Stuhles
bei einem anderen Staat.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 58 III 2; Pieper, A., Zur
Entstehungsgeschichte der ständigen Nuntiaturen, 1894; Biauchet, H., Les
nonciatures apostoliques, 1910; Walf, K., Die Entwicklung des päpstlichen
Gesandtschaftswesens, 1966; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972, 553; Köck, H., Die völkerrechtliche Stellung des Heiligen Stuhles,
1975
Nürnberg ist die um eine 1050 erstmals
erwähnte, anscheinend vorsalische Grundlagen aufweisende Reichsburg auf
ursprünglich bayerischem Siedlungsboden an der Pegnitz erwachsende Reichsstadt.
In der →Goldenen Bulle von 1356 belohnt Kaiser Karl IV. die Treue der
Stadt mit der Verpflichtung jedes neugewählten Königs, seinen ersten Reichstag
in N. abzuhalten. Von 1424 (Privileg vom 19. 9. 1423) bis 1796 und von August
1938 bis 1945 (Anfang 1946) ist N. Aufbewahrungsort der Reichskleinodien
(Reichserzschatzkästlein). 1479/1484 erneuert N. durch die römisches Recht
gemäßigt aufnehmende (Neue) →Reformation sein Stadtrecht. Im Dritten
Reich hält Adolf Hitler in N. die Reichsparteitage ab. 1935 werden in N. auf
dem Reichsparteitag vom nach Nürnberg einberufenen Reichstag die gegen die
Juden gerichteten sog. Nürnberger Gesetze verabschiedet (Reichsbürgergesetz vom
15. 9. 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom
15. 9. 1935) (und am folgenden Tag im Reichsgesetzblatt verkündet). Vom 18.
10./14. 11. 1945-1. 10. 1946 finden in N. die Prozesse gegen (24 bzw.) 22
nationalsozialistische Hauptkriegsverbrecher wegen Verbrechen gegen den
Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und
Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation statt ([12] Todesurteile
durch Hängen für Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst
Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius Streicher,
Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Arthur Seyß-Inquart, Martin Bormann]), denen bis
11. 4. 1949 12 weitere Verfahren in N. gegen 182 Angeklagte folgen (24
Todesurteile).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2,
3; Köbler, DRG 139; Bremer, F., Dr. Claudius Cantiunculas Gutachten über das
Nürnberger Stadtrecht, ZRG GA 15 (1894), 123; Knapp, H., Das alte Nürnberger
Kriminalrecht, 1896; Werminghoff, A., Conrad Celtis und sein Buch über
Nürnberg, 1921; Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der
Reichsstadt Nürnberg, 1928; Franz, E., Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930;
Nordmann, C., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck, 1933; Der
Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, Bd. 1ff. 1947ff., Neudruck 1984;
Ellinger, W., Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg, (in) Genealogica,
Heraldica, Juridica, 1954; Veit, L., Nürnberg und die Feme, 1955, Pitz, E., Die
Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Schultheiß, W., Geschichte des
Nürnberger Ortsrechtes, 1957; Gedeon, A., Zur Rezeption des römischen
Privatrechts in Nürnberg, 1957; Nürnberger Urkundenbuch, Bd 1ff. 1959ff.;
Schultheiß, W., Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher von 1285-1400, 1960; Das
Urteil von Nürnberg 1946, 1961; Gilbert, G., Nürnberger Tagebuch, 1962, 14. A.
2012; Satzungsbücher und Satzungen, hg. v. Schultheiß, W., 1963; Kunstmann, H.,
Zauberwahn und Hexenprozess in der Reichsstadt Nürnberg, 1970; Geschichte
Nürnbergs in Bilddokumenten, hg. v. Pfeiffer, G., 1970; Schall, K., Die
Genannten in Nürnberg, 1971; Nürnberg – historische Entwicklung einer deutschen
Stadt in Bildern, 4. Aufl. 1971; Nürnberg, hg. v. Pfeiffer, G., 1971;
Hirschmann, G., Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern, 1971; Wachauf,
Helmut, Nürnbergs Bürger als Juristen, 1972 (141 urkundlich nachgewiesene
Juristen); Schmid, Hans-Dieter, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, 1972; Die
Nürnberger Bürgerbücher 1 (1302-1448), hg. v. Stadtarchiv Nürnberg, 1974; Pütz,
K., Heischurteile, 1977; Leiser, W., (Die Stadtrechtsreformation der Stadt
Nürnberg), Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 67
(1980); Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v. Köbler, G., 1984; Nürnberg -
Kaiser und reich (Ausstellung), 1986; Schüßler, M., Statistische Untersuchung
des Verbrechens in Nürnberg im Zeitraum von 1285 bis 1400, ZRG GA 108 (1991),
117; Jung, S., Die Rechtsprobleme der Nürnberger Prozesse, 1992; Endres, R.,
Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, ZRG GA 111 (1994), 405;
Rethmeier, A., „Nürnberger Rassegesetze“, 1995; Wirtschaft, Gesellschaft und
Staat im Umbruch, hg. v. Schachtschneider, K., 1995; Taylor, T., Die Nürnberger
Prozesse, 3. A. 1997; Schieber, M., Nürnberg, 2000; Kastner, K., Von den
Siegern zur Rechenschaft gezogen, 2001; Essner, C., Die Nürnberger Gesetze,
2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere Delinquenten, 2002; Schubert, A.,
Der Stadt Nutz oder Notdurft?, 2003; Nürnberg und das Griechentum, hg. v.
Konstantinou, E., 2003; Hamm, B., Lazarus Spengler (1479-1534), 2004; Finger,
T., Die Nürnberger Gesetze, JURA 27 (2005), 161; Hansmann, U., Die Nürnberger
Rassegesetze vom 15. September 1935, NJW 2005, 2648; Kastner, K., Die Völker
klagen an, 2005; Meyer, C., Die Stadt als Thema, 2009; Heller, K., The
Nurenberg Military Tribunals and the Origins of International Criminal Law,
2012; Reassessing the Nuremberg Military Tribunal, hg. v. Priemel, K. u. a.,
2012; Die Nürnberger Militärtribunale, hg. v. Priemel, K. u. a., 2013; Kastner,
K., Die Völker klagen an – Der Nürnberger Prozess 1945-1946, 2015; Justizpalast
Nürnberg, hg. v. d. Oberlandesgericht Nürnberg, 2016; Nürnberg. Zur
Diversifikation städtischen Lebens in Texten und Bildern des 15. und 16. Jahrhunderts,
hg. v. Sahm, H. u. a., 2016; Selleck, B., Strafverteidigung in den Nürnberger
Prozessen, 2016; Priemel, K., The Betrayal – The Nuremberg Trials and German
Divergence, 2016 (auf Nürnberg zu Lasten internationaler Strafjustiz
konzentriert)
Nutzpfand oder Nutzungspfand (sog. ältere
Satzung) ist im Hochmittelalter das Pfand, bei dem der Gläubiger unmittelbaren
Besitz an der verpfändeten Sache (Grundstück) hat und die Nutzungen aus ihr
ziehen darf.
Lit.: Kaser § 31 III 5a; Hübner 402; Viollet, P., Histoire
du droit civil français, 1905, Neudruck 1966, 784; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1936
Nutzung (1261) ist die Frucht einer Sache oder eines Rechtes sowie
der Vorteil, den der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.
Lit.: Hübner; Baltl/Kocher; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Nutzungspfand →Nutzpfand
Nutzungsrecht ist das Recht, eine Sache zu
nutzen. Es findet sich bereits im altrömischen Recht und begegnet bis zur
Gegenwart in unterschiedlichen Gestalten. Insbesondere bestehen in der
Grundherrschaft unzählige Nutzungsrechte an Grundstücken. →Nießbrauch
Lit.: Hübner 549, 786; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 26, 125, 163; Hübner, R., Die donationes post obitum, 1888; Ogris, W., Der
mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961
O
Oberappellationsgericht ist in der frühen Neuzeit der
drittinstanzliche Gerichtshof eines Landes. Das O. ersetzt das auf Grund von
Nichtappellationsprivilegien nicht mehr zuständige Reichsgericht (→Reichskammergericht).
Es entscheidet als dritte Instanz in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
nichtprivilegierter Parteien und als zweite Instanz bei schweren Strafsachen.
1877/1879 wird das O. allgemein (durch das →Oberlandesgericht)
beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Döhring, E.,
Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 26; Greb, H., Die Verfassung des
Oberappellationsgerichts der vier freien Städte Deutschlands zu Lübeck, Diss.
jur. Göttingen 1967; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976, 291;
Eisenhardt, U., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Jessen,
P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986;
Gesamtinventar der Akten des Oberappellationsgerichtes der vier Freien Städte
Deutschlands, hg. v. Lorenzen-Schmidt, K. u. a., Bd. 1ff. 1996ff.; Polgar, K.,
Das Oberappellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands (1820-1879),
2006
Oberbayerisches Landrecht ist das in mehr als 100
Handschriften (rund 160 vollständig oder fragmentarisch erhaltene, bisher
festgestellte Handschriften) des 14. und 15. Jh.s überlieferte Landrecht für
Oberbayern von 1346. Ihm geht eine verschollene, durch Urkunden (nach des
rechtsbuechs sag) ab Spätherbst 1336 mittelbar bezeugte Fassung von etwa 1335
(vor Ende 1536) voraus. Veranlasst ist es vermutlich von Kaiser Ludwig dem
Bayern. Es ist ein in 28 Titel mit 350 Artikeln gegliedertes sehr frühes förmliches
amtliches Gesetzeswerk. Im Mittelpunkt stehen Privatrecht, Strafrecht und
Verfahrensrecht. Unmittelbare Vorlagen sind nicht erkennbar, doch bestehen
Bezüge zum Schwabenspiegel, Freisinger Rechtsbuch, dem Stadtrechtsprivileg
für München von 1294 und dem oberbayerischen und niederbayerischen Landfrieden
von 1300. Römischrechtliche oder kirchenrechtliche Einflüsse sind in zahlreichen
Artikeln erkennbar, doch wird im Wesentlichen das einheimische Gewohnheitsrecht
wiedergegeben. 1518 wird das Landrecht reformiert. 1616 wird für Oberbayern
und Niederbayern ein gemeinsames Landrecht geschaffen.
Lit.: Riedner, O., Die Rechtsbücher Ludwigs des
Bayern, 1911; Lieberich, H., Kaiser Ludwig der Baier als Gesetzgeber, ZRG GA 76
(1959), 173; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971;
Schlosser, H./Schwab, I., Oberbayerisches Landrecht Kaiser Ludwigs des Bayern
von 1346, 2000; Das Landrecht von 1346 für Oberbayern, hg. v. Schwab, I., 2002;
Schwab, I., Die Georgenberger Handschrift, ZRG GA 119 (2002), 326; Volkert, W.,
Das Rechtsbuch Kaiser Ludwigs von 1346, 2010
Obereigentum (lat. dominium [N.] directum) ist
im gelehrten Recht vom Hochmittelalter bis zum 19. Jh. die Rechtsstellung des
Obereigentümers (z. B. Lehnsherrn) eines im geteilten →Eigentum stehenden
Gegenstands (z. B. Lehen). Es wird in verkennender Ausdehnung einer römischen
Quellenstelle über einen Herausgabeanspruch des Erbpächters entwickelt. Es
entspricht Bedürfnissen der Rechtswirklichkeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Haff, K., Zur Theorie eines
allgemeinen Obereigentums des fränkischen Königs, ZRG GA 32 (1911), 325; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 f. 1985ff.
Oberhaus →House of Lords
Oberhof ist seit dem Spätmittelalter (ein
Gericht als) eine Auskunftsstelle für Gerichte und Einzelmenschen. Oberhöfe
finden sich sowohl in Städten wie auch auf dem Land. Ihre Ausbildung beruht
anfangs auf Freiwilligkeit. Mit der längerdauernden Übung der Erteilung von
Auskünften entwickelt sich ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis. Allmählich
dringt Schriftlichkeit in das Verfahren ein. Bekannte Oberhöfe sind etwa
Magdeburg, Lübeck, Krakau, Iglau, Kulm, Aachen, Dortmund, Frankfurt am Main,
Ingelheim, Neustadt an der Weinstraße, Speyer, Freiburg im Breisgau oder
Nürnberg. Mit dem Vordringen des römischen Rechtes und der Ausbildung des
Instanzenzugs in der erstarkenden landesherrlichen Verwaltung verschwindet der
O. vom 16. bis in das 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116; Der
Oberhof Iglau in Mähren, hg. v. Tomaschek, J., 1868; Brünneck, W. v., Zur
Geschichte des Kulmer Oberhofes, ZRG GA 34 (1913), 1; Stutz, U., Der Oberhof zu
Eltville, ZRG GA 43 (1922), 303; Schwabe, W., Der Aachener Oberhof, 1924;
Bastian, J., Der Freiburger Oberhof, 1934; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in
Schlesien, 1938; Die älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A.,
Bd. 1ff. 1952ff.; Mertz, W., Der Frankfurter Oberhof, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1954; Gudian, G., Der Oberhof Ingelheim, ZRG GA 81 (1964), 267; Müller,
H., Oberhof und neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Über
Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981; Schott, C., Die Wolfacher Fragen und die
Freiburger Oberhofurteile, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 390; Zwerenz, R., Der Rechtswortschatz der Urteile des
Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur. Gießen 1988; Eckhardt, W., Das Stadtgericht
als Oberhof, Zs. d. V. f. hess. Geschichte 110 (2005), 21; Oestmann, P.,
Wege zur Rechtsgeschichte – Gerichtsverfassung und Prozessrecht, 2015; Krey,
A., Die Praxis der spätmittelalterlichen Laiengerichtsbarkeit, 2015
Oberlandesgericht ist seit 1808 das bisherige
preußische Landesjustizkollegium und danach das 1877/1879 geschaffene,
zwischen Reichsgericht bzw. Bundesgerichtshof und Landgericht (bzw. oberstem
Gerichtshof und Landesgericht in Österreich seit 1852) stehende Gericht (1893
im Deutschen Reich 28 Oberlandesgerichte mit 548 Richtern). →Oberappellationsgericht
Lit.: Köbler, DRG 200, 261; Baltl/Kocher; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; 250 Jahre Oberlandesgericht
Celle, 1961; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Zweibrücken, 1969; Festschrift zum 150-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Hamm, 1970; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichtes von Oldenburg,
1974; Zimmer, E., Die Geschichte des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main,
1976; Festschrift zum 275-jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Celle,
1986; 175 Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; 50 Jahre Oberlandesgericht
und Generalstaatsanwaltschaft Koblenz 1996; Schiller, C., Das
Oberlandesgericht Karlsruhe im Dritten Reich, 1997; Haehling von Lanzenauer,
R., Das badische Oberlandesgericht in Freiburg, ZRG GA 119 (2002), 343; Passek,
I., Die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in Staatsschutzstrafsachen,
2003
Obermärker ist der Leiter der
→Markgenossenschaft.
Oberösterreich ist in allmählicher Entwicklung
seit der Erstnennung von ahd. ostarrihhi (996) das ob (westlich) der Enns
gelegene, aus dem früher steirischen Traungau mit der Riedmark unter Trennung
von Niederösterreich gebildete, bis 1918 amtlich als Österreich ob der Enns
(und von 1939 bis 1945 im Deutschen Reich als Reichsgau Oberdonau) bezeichnete
Land (Bundesland) →Österreich(s). Zwischen 1616 und 1629 erstellt
Abraham Schwarz einen Entwurf eines Landrechts. Als oberösterreichische Länder
werden auch Tirol, Vorarlberg und Vorderösterreich (eigene Linien 1457-1493,
1564-1665) bezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Baltl/Kocher;
Schmidt, F., Die freien bäuerlichen Eigengüter in Oberösterreich, 1941;
Hoffmann, A., Das Wappen des Landes Oberösterreich, 1947; Hoffmann, A.,
Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich, 1952; Pfeffer, F., Das Land ob
der Enns, 1958; Grüll, G., Das Linzer Bürgermeisterbuch, 2. A. 1959; Probleme
der Entstehung des Landes ob der Enns, Mitteilungen des oberösterreichischen
Landesarchivs 7 (1960), 125; Grüll, G., Der Bauer im Lande ob der Enns, 1969;
Sturmberger, H., Der Weg zum Verfassungsstaat, 1972; Feigl, H.,
Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Sturmberger, H.,
Adam Graf Herberstorff, 1976; Feigl, H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen
Oberösterreichs im Spiegel der Weistümer, 1974; Putschögl, G., Die
landständische Behördenorganisation in Österreich ob der Enns, 1977; Slapnicka,
H., Oberösterreich unter Kaiser Franz Joseph, 1982; Strätz, H., Die
oberösterreichische Landtafel von 1616/1629, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Haider, S., Geschichte
Oberösterreichs, 1987; Lohner, J. Das landeshauptmannschaftliche Gericht in
Oberösterreich, 1988; Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, Bd. 1
hg. v. Strätz, W., 1990; Oberösterreichische und kaiserliche Zentralbehörden
bis 1752, bearb. v. Steuer, P. u. a., 2014; Angerer, C. u. a.,
Nationalsozialismus in Oberösterreich, 2014
Oberpfalz ist der um Neumarkt gelegene
(obere) Teil der Pfalz(grafschaft bei Rhein), die durch Erbteilung im Hause
Wittelsbach zeitweise vom übrigen →Bayern abgeteilt wird. Für die O. wird
1657/1659 ein →Landrecht geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Bosl, K., Das
kurpfälzische Territorium „Obere Pfalz“, Z. f. bay. LG. 26 (1963), 3; Handbuch
der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Dittrich, H., Die
Entstehung des oberpfälzischen Landrechts, Diss. jur. Regensburg 1991;
Schroeder, F., Das Oberpfälzer Landrecht von 1657/1659, ZRG GA 110 (1993), 482
Oberpräsident ist der leitende Beamte der zivilen
Provinzialverwaltung (zwischen 4 und 12 Provinzen) in Preußen von 1806 bis
(1933 bzw.) 1945 mit drei unterschiedlichen Funktionen.
Lit.: Kube, H., Die geschichtliche Entwicklung der
Stellung des preußischen Oberpräsidenten, Diss. jur. Berlin 1939; Die
preußischen Oberpräsidenten 1815-1945, hg. v. Schwabe, K., 1985
Oberrechnungskammer (1802) ist die sich seit 1713
entwickelnde Zentralbehörde des Rechnungswesens in Preußen. Die O. ist
selbständig und unabhängig. Sie wird 1869 zum →Rechnungshof des
Norddeutschen Bundes.
Lit.: 250 Jahre Rechnungsprüfung, hg. v.
Bundesrechnungshof, 1964; Bachmann, M., Der Bundesrechnungshof, 1967, 90
Oberschlesien →Schlesien
Oberste Justizstelle ist das auf erste Ansätze des
Jahres 1501 zurückgehende, am 1. 5. 1749 von Maria Theresia eingerichtete
Höchstgericht (mit Präsidenten, Vizepräsidenten, Senaten und Räten)
Österreichs (oberste Revisionsinstanz in Justizsachen und oberste
Justizverwaltungsbehörde), das 1848 zum Justizministerium einerseits und zum
Obersten Gerichtshof andererseits wird. Die o. J. wendet subsidiär gemeines
Recht an. Mit ihr wird die Rechtsprechung aus der Verwaltung in der obersten
Instanz ausgesondert
Lit.: Kocher, G., Die Zivilgesetzgebung und die
Oberste Justizstelle bis zum ABGB, FS H. Baltl, 1978, 309; Kocher, G.,
Höchstgerichtsbarkeit und Privatrechtskodifikation, 1979; Maasburg, F. v.,
Geschichte der obersten Justizstelle in Wien, 2. A. 1981; Ratsprotokolle
Oberste Justizstelle Tyrol-Vorarlberg. Senat 1814-1844, Bd. 1 hg. v.
Faistenberger, C., red. v. Niedermayer, M., 2003
Oberster Gerichtshof für die britische Zone ist der von
1948 bis 1950 für die britische Besatzungszone des Deutschen Reiches
eingerichtete oberste Gerichtshof.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Zimmermann, R., Der oberste
Gerichtshof für die britische Zone, ZNR 3 (1981), 158; Oberster Gerichtshof für
die Britische Zone (1948-1950) Nachschlagewerk, hg. v. Schubert, W., 2010;
Grieß, M., Im Namen des Rechts, 2015
Oberster Gerichtshof ist seit 21. 8. 1848 das der obersten
Justizstelle folgende oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit
Österreichs (1850 oberster Gerichts- und Kassationshof, 1918 oberster
Gerichtshof, 1938 aufgelöst, 1945 wiedererrichtet).
Lit.: Festschrift zur Hundertjahrfeier des österreichischen Obersten
Gerichtshofs 1850-1950, 1950
Oberstes bayerisches Landesgericht in München ist das 1877/1879 aus
dem 1808 in Bayern eingerichteten Oberappellationsgericht abgeleitete Gericht,
dem die Verhandlung und Entscheidung der sonst im Deutschen Reich dem
Reichsgericht zustehenden Revisionen und Beschwerden in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten und die weitere Beschwerde der freiwilligen
Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Seine Aufgaben werden bei seiner Auflösung zum
31. 12. 2004 den drei Oberlandesgerichten Bayerns (München, Nürnberg, Bamberg)
übertragen.
Lit.: 350 Jahre Bayerisches Oberstes Landesgericht,
hg. v. Bayerischen Staatsministerium der Justiz, 1975, 15
Oberstes Gericht ist das Höchstgericht der
→Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Das Oberste Gericht der
DDR, 1989
Obertribunal (1772) ist das 1703 als
Oberappellationsgericht preußischer Landesteile geschaffene, im 19. Jh. zum
höchsten Gericht Preußens aufsteigende Gericht, das 1877/1879 weitgehend im
Reichsgericht aufgeht.
Lit.: Sonnenschmidt, F., Geschichte des königlichen
Obertribunals zu Berlin, 1879; Schubert, W., Die Aufhebung des Berliner
Obertribunals im Juni 1879, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 419
Oberverwaltungsgericht (OVG) ist das Obergericht der
Verwaltungsgerichtsbarkeit seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s, das später
teilweise auch Verwaltungsgerichtshof genannt wird.
Lit.: Pauly, S., Organisation, Geschichte und Praxis
der Gesetzesauslegung des königlich preußischen Oberverwaltungsgerichts
1875-1933, 1987; Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des sächsischen Oberverwaltungsgerichts,
hg. v. Reich, S., 2002; Ackermann, C., Die Bedeutung der Rechtsprechung des
preußischen Oberverwaltungsgerichts, 2012
Obervormundschaft ist die aufsichtliche Stellung der
Obrigkeit bzw. Kirche über den →Vormund, wie sie sich seit der
karolingischen Zeit entwickelt und im Vormundschaftsgericht endet.
Lit.: Kraut, T., Die Vormundschaft, Bd. 1 1835; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
oblatio (lat. [F.]) Gabe, Opfer, Spende (z.
B. auch von Kindern in ein Kloster)
Lit.: Kaser § 37 II 1; Seidl, J., Die Götterverlobung
von Kindern, 1872; Laske, W., Das Problem der Mönchung, 1973
Obligatio (lat. [F.]) ist seit dem
altrömischen Recht die schuldrechtliche Verpflichtung zwischen zwei Beteiligten
(bzw. das Schuldverhältnis) mit den Inhalten (lat.) dare (geben), facere (tun
einschließlich unterlassen) oder praestare (einstehen). Die o. geht vermutlich
auf den Ausgleich von Unrechtserfolgen (später sog. [lat.] delicta [N.Pl.])
zurück. Das bei ihnen zunächst regelmäßig bestehende Racherecht des Verletzten
oder seiner Verwandtschaft wird im Interesse der Allgemeinheit allmählich
eingeschränkt und durch die Hingabe von Vermögensgegenständen (Sühneleistung)
einverständlich abgelöst. Sobald eine Leistung durch den Verursacher, seine Verwandten
oder Gentilen üblich und im Rahmen eines vielleicht nach griechischem Vorbild
erstellten festen Katalogs von Vergleichssätzen (fester Metallwert oder
vielfacher Sachwert) verbindlich wird, dient der Zugriff auf die Person des
Verursachers nicht mehr der unmittelbaren Vergeltung, sondern wohl der
mittelbaren Erzwingung der Leistung. Seine Zulässigkeit entfällt mit der
Leistung, zu welcher der Verursacher aber anfangs nicht verpflichtet ist.
Später tritt die Befreiung von der Haftung durch Leistung immer stärker in den
Vordergrund, so dass allmählich eine Verpflichtung zur Leistung entsteht,
welche die ursprüngliche Haftung mehr und mehr in den Hintergrund drängt.
Vermutlich früh ist außerdem ein Geschäft möglich, durch das jemand sich zur
Haftung verpflichtet, wobei die Leistung bald wichtiger wird als die Haftung.
Im weiteren Verlauf werden zahlreiche verschiedene Obligationen entwickelt
(Kontrakt, Quasikontrakt, Delikt, Quasidelikt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 2, 32 I, 33 I, 38 IV, 56 I, 61, 84;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 26, 42, 62; Kuntze, J., Die Obligation, 1856;
Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956; Watson, A., The Law of Obligations,
1965; Hochstein, R., Obligationes quasi ex delicto, 1971; Zimmermann, R., The
Law of Obligations, 1992; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte, 2. A. 1999
obligatio alternativa (lat. [F.]) Wahlschuld
Obligatio (F.) civilis (lat.) ist im römischen Recht die
auf (lat.) ius (N.) civile gegründete, mit (lat.) actio (F.) civilis
(Zivilklaganspruch) ausgestattete →obligatio.
Lit.: Kaser § 33 II; Zimmermann, R., The Law of
Obligations, 1992
obligatio (F.) ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus Vertrag
Lit.: Kaser § 38 I
obligatio (F.) ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus Delikt
Lit.: Kaser §§ 38 I, 50 I
obligatio (F.) ex variis causarum figuris (lat.) Verbindlichkeit aus
verschiedenen Gründen
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler, DRG 62
Obligatio (F.) honoraria (lat.) ist im römischen Recht die
erst vom Prätor oder Ädil klagbar gemachte Verbindlichkeit.
Lit.: Kaser § 33 I
Obligation (1300) ist die aus der in Rom als unkörperliche (lat.) res
(Gegenstand, Sache) verstandenen, römischen (lat.) →obligatio (F.)
entwickelte Verbindlichkeit (Schuld, Schuldverhältnis). Sie wird im
Spätmittelalter mit dem römischen Recht aufgenommen und mit den einheimischen
Schuldverhältnissen verbunden. Seit dem 19. Jh. wird das Lehnwort O.
verdrängt.
Lit.: Kaser §§ 33, 38, 56; Kuntze, J., Die Obligation,
1856; Roussier, J., Le fondement de l’obligation, Thèse Paris 1933; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 393; Hartung, G., Die Naturrechtsdebatte,
1998, 2. A. 1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Obligationenrecht (Wort 1807) ist das im 19. Jh. innerhalb der
(lat.) res ([F. Pl.) Gegenstände bzw. Sachen) zunehmend als besonderes
Rechtsgebiet erkannte Schuldrecht (z. B. Savigny 1851ff.). 1866 scheitert
innerhalb des Deutschen Bundes der Versuch seiner einheitlichen gesetzlichen
Gestaltung (Dresdener Entwurf) am Zerbrechen des Bundes auf Grund politischer
Gegensätze zwischen Österreich und Preußen. In der →Schweiz ist (nach
dem Scheidern des Dresdener Entwurfs) das O. mit Einschluss der Gesellschaften
und der Wertpapiere in einem besonderen Gesetz vom 14. 6. 1881 (Inkrafttreten
am 1. 1. 1883) bzw. nach Neufassung vom 30. 3. 1911 (Inkrafttreten am 1. 1.
1912), das den fünften Teil des Zivilgesetzbuchs bildet, geregelt. In Sachsen
(1863) und im Deutschen Reich (1896/1900) ist das Schuldrecht eines der fünf
Bücher des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Lit.: Kaser §§ 32ff.; Köbler, DRG 182, 184,
229, 255; Savigny, F., Das Obligationenrecht, Bd. 1f. 1851ff.; Hundert Jahre
Schweizerisches Obligationenrecht, hg. v. Peter, H. u. a., 1982; Das
Obligationenrecht 1883-1983, hg. v. Caroni, P., 1984; Anhäuser, V., Das
internationale Obligationenrecht in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
des 19. Jahrhunderts, 1986; Handels- und obligationenrechtliche Materialien,
hg. v. Fasel, U., 2000; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 2. A.
2004, 3. A. 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; The Law of Obligations in Europe, hg. v.
Schulze, R. u. a., 2013
obligatio (F.) quasi ex contractu (lat.) Verbindlichkeit aus
vertragsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG, 62
obligatio (F.) quasi ex delicto (lat.) Verbindlichkeit aus
deliktsähnlichem Tatbestand
Lit.: Kaser § 38 I 2; Köbler DRG 62
Obligatio (F.) re, verbis, litteris, consensu
contracta (lat.)
ist die römische Bezeichnung für eine Verbindlichkeit aus Realvertrag,
Verbalvertrag, Litteralvertrag oder Konsensualvertrag, wobei das beurkundete
Darlehen im nachklassischen römischen Recht als (lat.) obligatio (F.) re et
verbis aufgefasst wird.
Lit.: Kaser §§ 38 I, 39 I 2
obligatorisch (Adj.) verpflichtend
Obrigkeit ist die vom 15. bis zum 17. Jh.
bestimmende Bezeichnung für den Träger von Herrschaftsrechten. Ihr entspricht
die Untertänigkeit. Der O. steht das Recht zu, durch Gebote die gute
→Polizei bzw. →Ordnung zu sichern.
Lit.: Naujoks, E., Ordnungsgedanke,
Zunftverfassung und Reformation, 1958; Willoweit, D., Gebot und Verbot im
Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94; Willoweit, D., Gesetzgebung
und Recht, (in) Zum römischen und neuzeitlichen Gesetzesbegriff, hg. v.
Behrends, O. u. a., 1987, 123; Friedeburg, R. v., Ländliche Gesellschaft und
Obrigkeit, 1997
obsequium (lat. [N.]) Nachgiebigkeit,
Gehorsam
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Observanz ist das örtlich oder persönlich (z.
B. Orden) begrenzte Gewohnheitsrecht.
Lit.: Petersen, R., Die Observanz, Diss. jur.
Leipzig 1848; Köbler, G., Zur Frührezeption der consuetudo, Hist. Jb. 89
(1969), 337
obstagium (lat. [N.]) →Einlager
Occupatio (lat. [F.]) ist die schon dem
altrömischen Recht bekannte →Aneignung einer von Anfang an oder durch
Eigentumsaufgabe herrenlosen Sache (z. B. eines Tieres durch den Jäger).
Lit.: Kaser § 26 I; Köbler, DRG 24, 40
Ochlokratie (F.) Herrschaft des Pöbels als Entartung der
Demokratie
Ochsenfurt
Lit.: Wenisch, S., Ochsenfurt, 1972
Ockham, Wilhelm (von) (Occam/Surrey
1280/1285-München 9./10. April 1347 [Sterbedatum ungewiss]) wird nach dem
Studium der Theologie in Oxford der Ketzerei verdächtig und flieht zu Ludwig
dem Bayern. Neben vielen Gutachten verfasst er hier wohl um 1340 seinen (lat.)
Dialogus (M.) de potestate imperiali et papali (Zwiegespräch über kaiserliche
und päpstliche Gewalt) zugunsten des Kaisers.
Lit.: Köbler, DRG 107; Heinen, E., Reich und
Kirche bei Wilhelm von Ockham, Diss. jur. Bonn 1955; Kölmel, W., Wilhelm
Ockham, 1962; Miethke, J., Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, 1969; Wilhelm von
Ockham, Texte zur politischen Theorie, hg. v. Miethke, J., 1995; Leppin, V.,
Wilhelm von Ockham, 2003
odal (an.) Erbgut, Gut, Heimat
Lit.: Behaghel, O., Odal, SB. d. Akad. d. Wiss.
München phil.-hist. Abt. 1935, 3; Störmer, W., Früher Adel, 1973, 116, 155;
Danielsen, R. u. a., Grunntrekki i norsk historie, 1991, 49
Ödenburg (ungar. Sopron)
Lit.: Gerichtsbuch 1423-1531, hg. v. Házi, J. u. a., 2005; Gedenkbuch
1492-1543, hg. v. Mollay, K. u. a., 2005
Odofredus de Denariis (Bologna um 1200-3. 12. 1265 oder
1264) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Azo, Jacobus Balduini) wohl 1231
Rechtslehrer in Bologna. Er verfasst Glossen, Summen (z. B. summa feudorum),
Quaestiones, Consilia bzw. Gutachten und Monographien.
Lit.: Köbler, DRG 107; Tamassia, N., Odofredo, (in)
Atti e memorie, 1894; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973; La Pace di
Costanza 1183, 1984; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 322
Odowakar (um 433-493) ist der germanische
(skirische) Söldnerführer, der 476 n. Chr. mit der Absetzung des Romulus
Augustulus das weströmische Reich beendet.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 50, 67; Chastagnol,
A., Le senat romain sous le règne d’Odoacre, 1966; Wes, M., Das Ende des
Kaisertums, 1967, 149
Oesfeld →Hermann von Oesfeld
Oettingen (Grafschaft) s. Öttingen
Ofen (Buda) an der Donau ist heute Teil von Budapest. Sein
in deutscher Sprache verfasstes, in 3 Handschriften überliefertes Stadtrechtsbuch
wird vermutlich zwischen 1403 und 1439 (1405-21) von dem Stadtrichter Johannes
Siebenlinder verfasst. Es gliedert sich in fünf Teile mit 445 Artikeln
(Stadtverfassung, Kaufleuterecht). Es zeigt Beziehungen zum Sachsenspiegel,
zum Magdeburger, Iglauer und Wiener Recht. Das Recht von O. wird an zahlreiche
Städte in Ungarn verliehen.
Lit.: Das Ofener Stadtrecht, hg. v. Mollay, K., 1959;
Kubinyi, A., Die Anfänge Ofens, 1972; Rady, M., Medieval Buda, 1985; Gönczi, K.,
Ungarisches Stadtrecht, 1996; Buda város jogkönyve (Das Rechtsbuch der Stadt
Ofen), hg. v. Blazovich, L. u. a., 2001
Offene Gesellschaft s. offene Handelsgesellschaft
Offene Handelsgesellschaft ist die Handelsgesellschaft mit
unbeschränkter Haftung aller Gesellschafter gegenüber den
Gesellschaftsgläubigern. Sie erscheint in der hochmittelalterlichen Stadt und
bildet sich in der frühen Neuzeit stärker durch (1861 ADHGB). In Österreich
wird die 1990 zusätzlich für nichtvollkaufmännische Zwecke gebildete offene
Erwerbsgesellschaft mit der offenen Handelsgesellschaft 2007 zur offenen
Gesellschaft (OG) verschmolzen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 167, 217;
Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913; Lutz, E., Die rechtliche
Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Hagemann, H., Basler
Handelsgesellschaften, FS F. Vischer, 1983, 557; Servos, R., Die
Personalhandelsgesellschaften und die stille Gesellschaft, Diss. jur. Köln
1984; Zur Geschichte des Gesellschaftsrechts in Europa, hg. v. Kalss, S. u. a.,
2003
Offenes Haus ist das einem anderen zur
(kriegerischen) Benutzung offenstehende Haus. →Öffnungsrecht
Lit.: Pfeiffer, G., Die Offenhäuser der
Reichsstadt Nürnberg, Jb. f. fränk. LG. 14 (1954), 153
öffentlich (Adj.) offen, offen zugänglich, allgemein,
staatlich
Öffentlicher Dienst ist seit dem 19. Jh. der
Staatsdienst.
Lit.: Hattenhauer, H., Geschichte des
Beamtentums, 1980; Schneider, O., Rechtsgedanken und Rechtstechniken
totalitärer Herrschaft, 1988
Öffentlicher Glaube (1884) ist das Vertrauen der
Allgemeinheit in ein öffentliches Register (z. B. Grundbuch, Handelsregister).
Anfangs gewähren diese Register nur einen Beweisvorteil im Streit um
Grundstücksrechte. Seit dem 18. Jh. (Preußen 1783) ermöglichen sie allmählich
den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten (um 1870).
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts,
Bd. II 2, 1935; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über
Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hofmeister, H., Die Grundsätze des Liegenschaftserwerbes,
1977; Buchholz, S., Abstraktionsprinzip und Immobilienrecht, 1978; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Öffentliches Recht sind alle Rechtssätze, bei denen
Berechtigter oder Verpflichteter ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt
(z. B. Staat, Gemeinde) in seiner Eigenschaft als solcher ist. Zum öffentlichen
Recht zählen etwa Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht und
Strafrecht. Seinen Ausgang nimmt die Aufteilung des Rechtes in privates Recht
und öffentliches Recht im römischen Altertum, in dem nach einer →Ulpian
zugeschriebenen Wendung ö. R. ist, was die Verhältnisse des römischen
Gemeinwesens betrifft (lat. ad statum rei Romanae spectat). Diese Einteilung ist
zwar dem Mittelalter bekannt, hat dort aber keine grundsätzliche Bedeutung.
Erst um das Jahr 1600 findet sich das öffentliche Recht (lat. ius [N.]
publicum) unter starker Beteiligung protestantischer Juristen wie Georg
Obrecht, Hermann Vultejus, Matthias Stephani, Joachim Stephani, Tobias
Paurmeister von Kochstedt, Arnold Engelbrecht, Dominicus Arumäus und Jacob
Lampadius als besonderes Sachfach an der Universität (Staatsrecht). Die ersten
bekannten Vertreter des selbständigen Staatsrechts (Reichsstaatsrechts) sind
(→Bodin [1530-1596],) →Limnaeus (1592-1663) und →Pufendorf
(1632-1694). In Frankreich wird von Ludwig XIV. ein Lehrstuhl für ö. R. am
Collège de France eingerichtet, in Besançon im 18. Jh., in Italien 1726 in Pisa
und 1742 in Padua. Seit Beginn des 19. Jh.s wird dann eine grundsätzliche
dogmatische Trennung von öffentlichem Recht (Machtbereich des souveränen
Fürstentums) und privatem Recht (Freiheitsraum des Einzelnen) deutlich.
Innerhalb des öffentlichen Rechtes (Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht,
Verfahrensrecht, Strafrecht) entwickelt sich im 19. Jh. das
→Verwaltungsrecht (Otto →Mayer).
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 54, 143, 147, 189; Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852;
Schöne, L., Privatrecht und öffentliches Recht, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958;
Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro Romao impero, Bd. 1f. 1957ff., 2. A.
1970; Müllejans, H., Publicus und privatus im römischen Recht, 1961; Bullinger,
M., Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968; Echterhölter, R., Das öffentliche
Recht im nationalsozialistischen Staat, 1970; Hoke, R., Die Reichsstaatslehre
des Johannes Limnaeus, 1968; Grimm, D., Zur politischen Funktion der Trennung,
(in) Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 1972, 224; Wyduckel, D., Jus
publicum, 1984; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in
Deutschland, Bd. 1ff. 1988ff., Bd. 1. 2. A. 2012; Pauly, W., Der Methodenwandel
im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Stolleis, M., Konstitution und
Intervention, 2001; Wahl, R., Herausforderungen und Antworten. Das öffentliche
Recht der letzten fünf Jahrzehnte, 2006; Leisner, W., Privatisierung des
öffentlichen Rechts, 2007; Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gli inizi del
diritto pubblico. Gesetzgebung im Zeitalter Friedrich Barbarossas, hg. v.
Dilcher, G. u. a., Bd. 1ff. 2008ff.; Science politique et droit public dans les
facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Zeilner, F.,
Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich
bis 1848, 2008; Strohm, C., Calvinismus und Recht, 2008; Kley, A., Geschichte
des öffentlichen Rechts der Schweiz, 2011; Der Einfluss der Kanonistik auf die
europäische Rechtskultur Band 2 Öffentliches Recht, hg. v. Roumy, F. u. a.,
2011; La Summa Trium Librorum di Rolando da Lucca (1195-1234), hg. v. Conte, E.
u. a., 2012; Stolleis, M., Öffentlichen Recht in Deutschland, 2014
Öffentlichkeit ist die Zugänglichkeit eines Vorgangs
für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis. Die Ö. ist
insbesondere im Verfahrensrecht bedeutsam. Hier drängen das Inquisitionsverfahren
seit dem Hochmittelalter und der gelehrte Prozess seit dem Spätmittelalter die
Ö. zurück. Der Liberalismus erreicht im 19. Jh. die Rückkehr zur grundsätzlichen
Ö. des Prozesses (Frankreich 1806/1808, deutsche Bundesstaaten ab 1848).
Umgekehrt versucht der Staat eine Überwachung der Ö. im Sinne der
Allgemeinheit.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 201, 202;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 413; Alber, P., Die Geschichte der
Öffentlichkeit im deutschen Strafverfahren, 1971; Fögen, M., Der Kampf um
Gerichtsöffentlichkeit, 1974; Becher, U., Politische Gesellschaft, 1978; Haber,
G., Strafgerichtliche Öffentlichkeit und öffentlicher Ankläger in der
französischen Aufklärung, 1979; Siemann, W., Der „Polizeiverein“ deutscher
Staaten, 1983; Körber, E., Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit, 1998; Weitzel,
J., Gerichtsöffentlichkeit, (in) Information u. a., hg. v. Haverkamp, A., 1998,
71; Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G. u. a.,
1998; Zwischen Gotteshaus und Taverne, hg. v. Rau, S. u. a., 2004; Moos, P. v.,
Öffentlich und privat im Mittelalter, 2004; Liesegang, T., Öffentlichkeit und
öffentliche Meinung, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in
Preußen, 2007; Science politique et droit public dans les facultés de droit
européennes, hg. v. Krynen, J. u. a., 2008; Kernbauer, E., Der Platz des
Publikums, 2010; Oldenburg, S., Die Öffentlichkeit von Rechtsnormen, 2009
Öffentlichkeitsgrundsatz →Öffentlichkeit
Öffentlichrechtlicher Vertrag ist der Vertrag mindestens eines
Hoheitsträgers mit einem Vertragspartner über einen Gegenstand des öffentlichen
Rechtes. Er wird im 20. Jh. anerkannt.
Lit.: Köbler, DRG 259; Dewitz, R., Der Vertrag
in der Lehre Otto Mayers, 2004
officier (M.) civil (franz.) (1787/92)
→Standesbeamter
officium (lat. [N.]) Amt, Pflicht
officium (N.) pietatis (lat.) sittliche Pflicht
Lit.: Köbler, DRG 38
Offizial ist im katholischen Kirchenrecht
der vereinzelt seit dem späten 12. Jh. (Reims, Mainz), allgemein seit 1246
erscheinende, gelehrte Vorsitzende der bischöflichen Gerichtsbehörde, der als
ständiger ordentlicher berufsmäßiger Einzelrichter selbst entscheidet (Meißen
1316, Merseburg 1330, Naumburg-Zeitz 1340). In Frankreich wird seit 1236 ein
mindestens dreijähriges Studium des Rechtes als Voraussetzung gefordert, in
Trier 1427 der Grad eines Lizentiaten. Später ist O. ein einfacher Beamtentitel.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 115; Steins, A.,
Der ordentliche Zivilprozess vor dem bischöflichen Offizial, Diss. jur. Bonn
1972; Theisen, K., Die Offiziale im alten Erzbistum Trier an der Kurie in Trier
und in Koblenz (1195-1802). ZRG KA 127 (2010), 257
Offizialat ist im katholischen Kirchenrecht
die bischöfliche Gerichtsbarkeit. →Offizial
Lit.: Eisenhardt, U., Die weltliche Gerichtsbarkeit
der Offizialate in Köln, Bonn und Werl, 1966; Trusen, W., Die gelehrte
Gerichtsbarkeit der Kirche, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 476;
Paarhammer, H., Rechtsprechung und Verwaltung des Salzburger Offizialates,
1977; Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches Gericht, Diss. phil.
Würzburg 1981; Buchholz-Johanek, I., Geistlicher Richter und geistliches
Gericht, 1988; Schwab, C., Das Augsburger Offizialatsregister 1348-1352, 2001
Offizialmaxime ist im Prozessrecht das
Amtsprinzip, nach dem die Allgemeinheit bzw. der Staat durch Organe von sich
aus tätig wird. Die O. erscheint in den hochmittelalterlichen Städten, in denen
der Richter zur Unrechtsverfolgung verpflichtet wird. Sie gilt im
→Inquisitionsprozess.
Lit.: Köbler, DRG 117, 156
Offizier ist der Führer einer Anzahl von
Soldaten. Er ist im klassischen und spätantiken Rom bekannt. Danach erscheint
er wieder seit dem Ende des 16. Jh.s. Im 19. Jh. wird er vom Diener des Fürsten
zum Diener des Staates. Danach wird der Adel ganz allmählich durch Bürger
zurückgedrängt. Voraussetzungen werden ein höherer Bildungsstand (Abitur),
eine gewisse Dienstzeit und die Ablegung einer Prüfung.
Lit.: Sossidi, E., Die staatsrechtliche Stellung der
Offiziere, 1939; Beyer, P., Das Leitbild des deutschen Offiziers, 1964; Demeter,
K., Das deutsche Offizierskorps, 4. A. 1965; Untersuchungen des
Offizierskorps, 1962
Öffnung ist eine frühneuzeitliche Bezeichnung
für ein →Weistum.
Öffnungsrecht ist seit dem Hochmittelalter das
Recht, von einem Inhaber eines befestigten Ortes die Öffnung und die Einräumung
der Nutzung zu verlangen. Träger des Öffnungsrechts ist vor allem der
Lehnsherr, später der Landesherr. →offenes Haus
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Hillebrand, F., Das Öffnungsrecht, Diss. phil.
Tübingen 1967
Ofner, Julius (Horschenz 1845-Wien 1924) wird nach dem
Rechtsstudium in Prag und Wien Anwalt, Richter und Politiker. Er setzt sich für
eine soziale Fortentwicklung des Rechtes ein.
Lit.: Brauneder, W., Leseverein und Rechtskultur, 1992
OGH →Oberster Gerichtshof
Okkupation (F.) Besetzung
Lit.:
Latour, C./Vogelsang, T., Okkupation und Wiederaufbau, 1973
Ökologie (F.) Umweltkunde
Lit.: Radkau, J., Die Ära der Ökologie, 2011; Vordenker und Vorreiter
der Ökobewegung, hg. v. Simonis, U. 2014
Ökonomie (F.) Wirtschaft
Lit.:
Kroeschell, DRG 3; Marx, K., Zur Kritik der politischen Ökonomie, 1859;
Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen Denkens, 1999; Sandi, M., Ökonomie
des Raumes, 1999; Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte,
2004; Auf der Suche nach der Ökonomie, hg. v. Dejung, C. u. a., 2014
Ökonomische Analyse des Rechtes ist die von den
Vereinigten Staaten von Amerika im späten 20. Jh. (1975ff.) übernommene Betrachtungsweise
des Rechtes, die über die Einbeziehung der Wirklichkeit nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten die Grundlage der Rechtsordnung zu verändern versucht.
Lit.: Horn, N., Zur ökonomischen Rationalität des
Privatrechts, AcP 176 (1976), 307; Posner, R., Economic Analysis of Law, 1977;
Assmann, H. u. a., Ökonomische Analyse des Rechts, 1993; Schäfer, H./Ott, C.,
Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2. A. 1995; Eidenmüller, H.,
Effizienz als Rechtsprinzip, 2. A. 1998, 4. A. 2015
Oktoberdiplom ist das nach der Niederlage
Österreichs gegen die italienische Einigungsbewegung und Frankreich (in der
Schlacht bei Solferino) am 20. 10. 1860 gewährte (oktroyierte, auferlegte) neue
Staatsgrundgesetz in →Österreich, demzufolge die Gesetzgebung unter
Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrats ausgeübt werden soll. Es will die
Vollgewalt des Kaisers wahren, die Bildung eines allgemeinen Parlaments umgehen
und die Stellung des Adels stärken. Es findet aber weder in Ungarn noch in
Böhmen Billigung. Seinem Scheitern folgt am 26. 2. 1861 das →Februarpatent.
Lit.: Köbler, DRG 194; Baltl/Kocher
Oktroi (franz. [M.] octroi Bewilligung, Zugeständnis) ist
die Verleihung, Bewilligung oder Bevorrechtung. Im 19. Jh. wird O. eine
Möglichkeit der Verfassungsgewährung (Verfassungsoktroi z. B. Bayern
1808/1818, Nassau 1814, Waldeck 1814, Württemberg 1815-1818, Kurhessen
1815/1816, Baden 1818, Lippe-Detmold 1819, Hessen-Darmstadt 1820,
Sachsen-Meiningen 1829, Preußen 1848, Österreich 4. 3. 1849).
Lit.: Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
5. A. 2005
Oktroisystem ist das im frühneuzeitlichen Recht
herrschende System der Verleihung von Rechten durch staatliche Urkunde. Es
wirkt sich insbesondere auch auf die Entstehung juristischer Personen aus. Hier
wird es im 19. Jh. durch das System der Konzession und danach der Normativbestimmungen
(1870) ersetzt.
Lit.: Köbler, DRG 161, 167, 217
oktroyierte Verfassung →Oktroi, Verfassung
Olaus (Olavus) Petri (Örebro 6. 1. 1493?-Stockholm 19.
4. 1552) wird nach dem Theologiestudium in Wittenberg (Melanchthon, Luther)
Diakon in Strängnäs, 1524 Sekretär in Stockholm und Pfarrer der Stadtkirche
sowie 1531 (bis 1533) Kanzler. Er verfasst (43) bedeutende Richterregeln
(domarereglerna) (mit 21 Rechtssprichwörtern).
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus
Petri, 1966
Oligarchie (F.) Herrschaft einiger
Oldenburg ist seit der Mitte des 12. Jh.s
eine nach der Burg O. an der Hunte benannte Grafschaft, die 1774 Herzogtum und
1918 Freistaat wird und 1946 in →Niedersachsen aufgeht. 1814 wird ein
Oberappellationsgericht gebildet, das 1877/1879 zu einem Oberlandesgericht
umgeformt wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kohl, D., Das
Oldenburger Stadtrecht, Oldenburger Jahrbuch 34 (1930), 415; Krahnstöver, H.,
Die Entwicklung der oldenburgischen Justizorganisation von 1699 bis 1879, 1955
(masch.schr.); Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Hartong, K., Beiträge zur
Geschichte des oldenburgischen Staatsrechts, 1958; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3698; Hülle, W., Geschichte des höchsten Landesgerichts
von Oldenburg (1573 bis 1935), 1975; Hülle, W., Geschichte der oldenburgischen
Anwaltschaft, 1977; Parteien und Wahlen in Oldenburg, hg. v. Günther, W., 1984;
Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung, 1985; Geschichte
des Landes Oldenburg, hg. v. Eckhardt, A. u. a., 3. A. 1988; 175 Jahre
Oberlandesgericht Oldenburg, 1989; Friedl, H. u. a., Biographisches Handbuch
zur Geschichte des Landes Oldenburg, 1992; Harms, H., Oldenburgische
Kartographie, 2004; Die Gerichtsbarkeit wird ausgeübt durch Amtsgerichte - 150
Jahre Amtsgerichte im Oldenburger Land, red. v. Welp, J., 2008; Steinwascher,
G., Das Haus Oldenburg, 2010; Steinwascher, G., Die Oldenburger, 2. A. 2012;
Zweihundert Jahre Oberlandesgericht Oldenburg, 2014; Oldenburgischer Landtag
1848-1933/1946, hg. v. Eckhasrdt, A., 2015; Beckermann, B.,
Verfassungsrechtliche Kontinuitäten im Land Oldenburg, 2016
Oldenburger Bilderhandschrift →Bilderhandschrift
Oldendorp, Johannes (Hamburg um 1488-Marburg
3. 6. 1567), Kleinkaufmannssohn, wird nach dem von seinem Onkel Albert Krantz geförderten
Rechtsstudium in Rostock und Bologna 1516 Rechtslehrer in Greifswald, 1520 in
Frankfurt an der Oder, 1521 Professor in Greifswald, 1526 in Rostock, 1536 in
Köln und 1543 in Marburg. Bekannt wird er durch verschiedene Schriften zur
Ausbildung, in denen er früh naturrechtliche Gedankengänge aufgreift. Bedeutsam
ist auch sein Einsatz zugunsten der freien Beweiswürdigung des Richters.
Lit.: Dietze, H., Johannes Oldendorp, 1933; Wolf, E.,
Große Rechtsdenker, 1939, 4. A. 1963, 138; Mack, P., Das Rechts- und
Staatsdenken des Johannes Oldendorp, Diss. jur. Köln 1966
Oldradus de Ponte ist ein in Lodi geborener, in Bologna
ausgebildeter, 1297 in der Nähe zweier Kardinäle bezeugter, seit 1310 am
päpstlichen Hof in Avignon tätiger, vielleicht nach 1335 verstorbener Jurist
(consilia, kleine exegetische Schriften, Glossen).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 602
Oléron ist die vor der französischen
Westküste gelegene Insel, nach der das in den privat aufgezeichneten, durch 30
Handschriften des 14. und 15. Jh.s bezeugten Rôles d’Oléron niedergelegte
Seerecht benannt ist. Dieses weistumsartige Seerecht stammt sowohl aus
mittelmeerischen wie auch aus nordwesteuropäischen Gewohnheiten. Nach Oléron
hat es wohl den Namen, weil dort das vielleicht kurz vor 1286 geschaffene
Original der Aufzeichnung aufbewahrt wurde. Das Seerecht gliedert sich in 24
Artikel und behandelt Reeder, Schiffer, Schiffsmannschaft, Lotsen und
Befrachter. Seit dem 14. Jh. wirken sich die Rôles d’Oléron an vielen Orten aus
( →Siete Partidas, Vonnisse von Damme, hansische Ordinancie, Liber Horn
in London, Amsterdamer Ordonnantie, Seerecht von Visby, Gotlands Waterrecht,
Frankreich 1681).
Lit.: Das Seerecht von Oléron nach der
Handschrift Troyes (1386), hg. v. Zeller, H., 1906; Perels, L., Das Seerecht
von Oléron, ZRG GA 32 (1911), 246; Krieger, K., Ursprung und Wurzeln der Rôles
d’Oléron, 1970; Shephard, J., Les Rôles d’Oléron, 1985
Oligarchie (F.) Herrschaft weniger
Lit.: Ostwald, M., Oligarchia, 2000
Olmütz an der March westlich des sog.
niederen Gesenkes in Mähren erhält 1351 auf Befehl Kaiser Karls IV. von den
Schöffen von Breslau das Recht Magdeburgs mitgeteilt und wird 1352 als
→Oberhof für alle mährischen Orte sächsisch-magdeburgischen Rechtes
bestätigt (ab 1343 Stadtbuch des Schreibers Johann, ab 1430 Stadtbuch des
Schreibers Wenzel von Iglau). Für mehr als 30 Städte und 80 kleinere Orte wirkt
sich dies in allmählicher Abnahme bis 1705 aus. In der Mitte des 16. Jh.s wird
nach dem Vorbild Breslaus von dem Stadtschreiber Heinrich Polanus (aus Polansdorf)
die Olmützer Gerichtsordnung schriftlich niedergelegt, die Vogt und Schöffen
kennt und vom gelehrten Prozess nur geringfügig beeinflusst ist. 1569/1576
erhält O. eine Universität (bis 1782). Am 29. 11. 1859 verzichtet
→Preußen im Streit um Kurhessen angesichts der Überlegenheit Russlands in
der mit Österreich geschlossenen sog. Olmützer Punktation auf die
Verwirklichung der deutschen Einheit unter seiner Führung.
Lit.: Bischoff, F., Deutsches Recht in Olmütz, 1855;
Fischel, A., Die Olmützer Gerichtsordnung, 1903; Weizsäcker, W., Breslau als
Oberhof mährischer Städte, Z. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens 72 (1938), 25;
Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111 (1994),
148; Spáčilová, L./Spáčil, V., Památná kniha olomoucká (kodex Václava
z Jihlavy) z let 1430-1492, 1528, 2004
Olympia
Lit.: Günther, R., Olympia. Kult und Spiele in der Antike, 2004; Sinn,
U., Das antike Olympia, 2004; Swaddling, J., Die olympischen Spiele in Athen,
2004; Neue Inschriften von Olympia, hg. v. Siewert, P. u. a., 2013 (vielfach
kurze Aufschriften auf Ziegeln);Hilpert, H., Die Olympischen Spiele der Antike
und der Moderne im Rechtsvergleich, 2014
Ombudsmann ist der Mensch, der als
Verfassungsorgan den Einzelnen gegen staatlich-behördliche Rechtsverletzung
schützen soll. Der O. erscheint zuerst im Stadtrecht des Königs →Magnus
Hakonarson (1263-1280) für Bergen als Bevollmächtigter des Königs. Am 6. 6.
1809 wird er in Schweden in die Verfassung aufgenommen. Seit dem 20. Jh. wird
er im Interesse des Einzelnen tätig. Seitdem breitet sich die Einrichtung des
Ombudsmanns unter verschiedenen Bezeichnungen (z. B. Volksanwalt, Wehrbeauftragter)
weiter aus (Finnland 1919, Israel 1950, Deutschland 1957, Dänemark 1962,
Großbritannien 1967, Österreich 1977, Rumänien 1978).
Lit.: Hansen, J., Die Institution des Ombudsmannes,
1972; Wild, E., Der Ombudsmann in Deutschland, Diss. jur. Würzburg 1972; Rowat,
D., The Ombudsmann plan, 1973
Opera (N.Pl.) publica (lat.) sind seit der frühen
Neuzeit als Strafen verhängte öffentliche Arbeiten (z. B. Festungsbau,
Karrenziehen, Schiffsziehen, Galeerenrudern, Straßenkehren).
Lit.: Bohne, G., Die Freiheitsstrafe, Bd. 2 1925, 275;
Franke, H., Die Gefängnisarbeit, Diss. jur. Würzburg 1926; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Operis novi nuntiatio (lat. [F.]) ist im römischen,
teilweise später aufgenommenen Recht die Untersagung fremder Bauführung durch
einen Beeinträchtigten.
Lit.: Kaser § 23 III 8; Kroeschell, DRG 2
Opfer ist zunächst die Darbietung einer
Sache, dann die Erduldung eines Übels und schließlich der dadurch
Beeinträchtigte. Während sich das herkömmliche Strafrecht hauptsächlich mit dem
Täter und seiner Bestrafung beschäftigt, gewinnt in der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s auch das O. an Bedeutung (Viktimologie). Seit 1976 verpflichtet ein Gesetz
in Deutschland den Staat zur Entschädigung der O. eines Gewaltverbrechens.
Zunehmend wird auch ein Täter-Opfer-Ausgleich im Strafverfahren angestrebt.
Lit.: Köbler, DRG 263; Schulte, R., Die Messe als
Opfer der Kirche, 1959; Kunz, E./Zeller, G., Opferentschädigungsgesetz, 3. A.
1995; Stiegler, B., Belichtete Augen – Optogramme oder das Versprechen der
Retina, 2011; Patera, I., Offrir en Grèce ancienne, 2012; Naiden, DF., Smoke
Signals for the Gods, 2013
Oppidum (lat. [N.]) Siedlung, Stadt, im
Mittelalter auch Dorf. Geschichtlich bemerkenswert sind die (etwa 170
bekannten) oppida (N.Pl.) der Kelten (der Zeitenwende) (z. B. Manching bei
Ingolstadt).
Lit.: Köbler, DRG 32; Köbler, LAW; Dehn, W., Die
gallischen oppida bei Cäsar, Saalburg-Jahrbuch 10 (1951), 36; Krämer,
W./Schubert, F., Die Ausgrabungen in Manching, 1970
Opportunitätsprinzip ist der Zweckmäßigkeitsgrundsatz
des staatlichen Handelns. Dem O. steht das Legalitätsprinzip gegenüber. Die
Staatsanwaltschaft darf nach Beseitigung der unterschiedlichen Regelungen des
früheren 19. Jh.s (Preußen 3. 1. 1849, Baden 6. 3. 1854, Frankfurt am Main 13.
5. 1856 u. a.) seit 1877/1879 (§ 152 StPO) nur in bestimmten Grenzen das O.
anwenden (anders z. B. Vereinfachungsverordnung vom 13. 12. 1944).
Lit.: Hertz, J., Die Geschichte des
Legalitätsprinzips, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1935; Schurer, K., Die
Entwicklung des Legalitätsprinzips, Diss. jur. Hamburg 1965; Schroeder, F.,
Legalitätsprinzip und Opportunitätsprinzip heute, FS K. Peters 1974, 411;
Dettmar, J., Legalität und Opportunität, 2008; Helbig, J., Der Opportunist,
2015
Opposition ist die Gesamtheit der einer
Regierung gegenüberstehenden politischen Kräfte. Die in der ersten Hälfte des
18. Jh.s in England entwickelte O. ist wesentlicher Bestandteil der
freiheitlichen Demokratie seit der Mitte des 19. Jh.s.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 469;
Rothfels, H., Die Opposition gegen Hitler, 3. A. 1969; Hoffmann, P.,
Widerstand-Staatsstreich-Attentat, 1969; Barth, R., Argumentation und
Selbstverständnis, 1976; Brunner, K., Oppositionelle Gruppen im
Karolingerreich, 1979
oral (Adj.) mündlich
Lit.: Oral History, hg. v. Obertreis, J., 2011
Oratio (F.) Severi (lat.) ist der übliche Name für
ein an Vormünder gerichtetes Verbot des römischen Kaisers Septimius Severus des
Jahres 195 n. Chr., ländliche oder stadtnahe Grundstücke eines →Mündels
zu veräußern oder zu verpfänden.
Lit.: Kaser § 62 III 3; Söllner § 15
Ordal ist die dem vom Altfränkischen
beeinflussten Altenglischen entnommene wissenschaftliche Bezeichnung für das
frühmittelalterliche →Gottesurteil seit dem 19. Jh.
Lit.: Liebermann, F., Ordalien heißen und kalten
Wassers vermengt, ZRG GA 41 (1920), 382; La preuve, Bd. 2 1965; Žontar, J., Ein
Kerzenordal aus Kamnik (Stein) in Oberkrain vom Jahre 1398, ZRG GA 92 (1975),
194
Orden ist die dem römischen
Gesellschaftswesen nachgebildete christliche Menschengemeinschaft und seit dem
17. Jh. das auszeichnende Ehrenzeichen. Von Mönchsorden lässt sich dabei
entweder seit dem frühen 9. Jh. (Synode von Aachen 816) oder seit dem 12. Jh.
(→Zisterzienser) sprechen. Im 12. Jh. entstehen geistliche Ritterorden
(1190 →Deutscher Orden) und weltliche Ritterorden (Kastilien 1158). Nach
Gnadenpfennigen des 16. Jh.s erscheinen militärische Verdienstorden in der
zweiten Hälfte des 17. Jh.s. Das Recht, O. zu verleihen und zu stiften ist Hoheitsrecht,
das seit dem 19. Jh. zunehmende gesetzliche Regelung erfährt. Der Orden pour le
mérite für Wissenschaften und Künste stammt von 1842.
Lit.: Gritzner, M., Handbuch der Ritter- und Verdienstorden,
1893, Neudruck 1962; Heimbucher, M., Die Orden und Kongregationen der
katholischen Kirche, Bd. 1f. 1933f., Neudruck 1965; Gordon, L., British orders
and awards, 1959; Heydenreich, B., Ritterorden und Rittergesellschaften, Diss.
phil. Würzburg 1961; Höhne, H., Der Orden unter dem Totenkopf, Bd 1f. 1969;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 80; Werlech, R.,
Orders and decorations, 2. A. 1974; Boockmann, H., Der Deutsche Orden, 1981;
Orden pour le mérite, 1984; Mönchtum, Orden, Klöster, hg. v. Schwaiger, G., 2.
A. 1994; Kulturgeschichte der christlichen Orden, hg. v. Dinzelbacher, P.,
1997; Kirchner, H., Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 1997; Nimmergut, J.,
Deutsche Orden und Ehrenzeichen, 5. A. 2000, 8. A. 2011, 9. A. 2014, 20. A.
1914, 21. A. 2017; Die Bettelorden im Aufbau, hg. v. Melville, G. u. a., 1999;
Ballweg, J., Konziliare oder päpstliche Ordensreform, 2001; Lehmann, F., Der
rote Adlerorden (1705-1918), 2002; Schwaiger, G./Heim, M., Orden und Klöster,
2002; Orden und Klöster, hg. v. Jürgensmeier, F. u. a., 2005; Gleba, G., Klöster
und Orden im Mittelalter, 2. A. 2006, 3. A. 2010; Scharfenberg, G./Thiede, G.,
Lexikon der Ordenskunde, 2010; Deutsch, A., Ein Geheimbund zum Töten, 2010;
Henning, E. u. a., Orden und Ehrenzeichen, 2010; Sarnowsky, J., Die geistlichen
Ritterorden, 2018
Ordenações Afonsinas ist die nach König Alfons V. von
Portugal benannte, 1446 bzw. 1448 bzw. 1454 fertiggestellte Sammlung von
Rechtsquellen (königliche Regierung und Verwaltung 62 Titel, Kleriker, Lehen,
Mauren und Juden 123 Titel, Zivilverfahren 128 Titel, Privatrecht 112 Titel,
Strafe 121 Titel).
Lit.: Albuquerque, M. de/Albuquerque, R. de, Historia
do Direito Portugues, 1983; Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996, 195;
Domingues, J., As ordenações afonsinas, 2008
Ordenações Filipinas ist die Sammlung des
portugiesischen Rechtes von 1603.
Ordenaçoes Manuelinas ist die Überarbeitung der
→Ordenações Afonsinas unter König Manuel I. von 1521.
Lit.: Wolf, A., Gesetzgebung in Europa, 2. A. 1996,
196
Ordensregel ist die die Verhältnisse in einem
→Orden bestimmende, meist vom Ordensstifter stammende Regel. Sie beruht
auf der Gesamtheit der Erfahrungen des seit dem 4./5. Jh. entstehenden Mönchtums,
die Augustinus und Benedikt von Nursia bereits in Regeln fassen. Von ihnen
weichen die Ordensregeln des 12. Jh.s ab, weswegen das Laterankonzil des Jahres
1212 die Zahl der zulässigen Ordensregeln auf die Regeln der heiligen Basilius,
Augustinus, Benedikt und Franziskus begrenzt.
Lit.: Holste, L., Codex regularum monasticarum et
canonicarum, Bd. 1ff. 1661; Balthasar, H. v., Die großen Ordensregeln, 2. A.
1961; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Handbuch des
katholischen Kirchenrechts, hg. v. Listl, J., 1983, 476
Ordensschule ist vor allem seit dem
Hochmittelalter die für einen bzw. von einem →Orden geführte
→Schule (z. B. der Franziskaner, Dominikaner u. s. w.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Orderpapier ist das Wertpapier, das zwar eine
bestimmte, namentlich bezeichnete Person als berechtigt benennt, aber den
Aussteller auch verpflichtet, an eine vom Benannten durch →Indossament
bestimmte Person zu leisten. Orderpapiere finden sich schon seit dem Altertum,
werden als besondere Art der Wertpapiere aber erst im 19. Jh. zusammengefasst.
Dazu zählen Wechsel, Scheck, die Papiere der §§ 300ff. ADHGB (1861) bzw. 363
HGB (1897/1900), Namensaktie und Reichsbankanteilsschein. Die namengebende
Orderklausel erscheint im 12. Jh. und gelangt über Italien und Frankreich im
17. Jh. in das Heilige römische Reich.
Lit.: Hübner 597; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe,
ZRG GA 7 (1886), 116; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A.
1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, 385ff.,
Neudruck 1957; Behrend, F., Die unvollkommenen Orderpapiere, Diss. jur. Berlin
1892; Schultze-v. Lasaulx, H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts,
1931; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion mittelalterlicher
Urkunden, FS H. Eichler, 1977, 645
Ordinancie (unde insettinge) ist die
Aufzeichnung der von den niederländischen Hafenstädten im Seehandel
angewandten Rechtssätze aus dem Ende des 14. Jh.s. Ihr liegt die
→Vonnisse von Damme und damit mittelbar die →Rôles d’Oléron
zugrunde.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
Ordinarius (lat. [M.]) ist der ordentliche
Universitätsprofessor. Ursprünglich ist der o. anscheinend der Vorsitzende des
Spruchkollegiums einer Fakultät. Auch nach Abschaffung dieser Einrichtung
(1877/1879) bleibt der Name für den berufenen und zum ordentlichen Professor
ernannten Gelehrten erhalten, tritt aber in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s im
Kampf vieler gegen die Ordinarienuniversität (1968, „Hinter den Talaren steckt
der Muff von 1000 Jahren“) zurück und wird im Zuge der Demokratisierung der
Universität als amtliche Bezeichnung einschließlich der damit verbundenen
Emeritierung (Entpflichtung ohne Entrechtung) mehr und mehr aufgegeben
(derzeit noch Bestandsschutz in Österreich).
Lit.: Trier, J., De officio ordinarii, 1743; Savigny,
F. v., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 3 2. A. 1834,
Neudruck 1961, 262; Kaufmann, G., Geschichte der deutschen Universität, Bd. 2
1896, Neudruck 1958, 210
Ordinatio (F.) de inquisitione consuetudinem
facienda ist das
französische Gesetz von 1270, das königliches Verfahrensrecht auch im örtlichen
Gericht anwendbar macht und das mündliche Verfahren teilweise in ein
schriftliches Verfahren umwandelt.
Ordnung ist der geregelte Zustand oder
Ablauf. Von Vorstellungen des Altertums und der Christenheit über regelmäßige
Abläufe ausgehend besteht bereits im Frühmittelalter eine O. etwa des
Gottesdiensts oder auch der Krönung. Anscheinend seit dem 9. Jh. erörtert,
greift im 12. Jh. der Gedanke der O. auf das Verfahren über. Seit dem Spätmittelalter
wird die Herstellung der O. ganz allgemein zur Aufgabe des Herrschaftsträgers,
der durch ordnende Vorschriften für den guten Zustand (→Polizei) des
Gemeinwesens sorgen soll (Polizeiordnung, Landesordnung). Von daher wird die
Polizei zur Wahrung von Sicherheit und O. bestimmt. Die im Text streng gefasste
Ordnungsvorschrift wird in der Wirklichkeit unterschiedlich angewendet. Dabei
besteht ein Bewusstsein, dass das Erlassen von Vorschriften allein noch keine
Veränderung bewirkt, sondern auch die Durchsetzung erforderlich ist. In der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die Verwaltung entpolizeilicht, so dass
besondere Ordnungsbehörden entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 151, 198, 259; Schmidt, E., Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Schmelzeisen, G., Polizeiordnung
und Privatrecht, 1955; Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche
Ordnung, Diss. jur. Bonn 1956; Landes- und Polizeiordnungen, hg. v.
Schmelzeisen, G., 1968; Götz, V., Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971,
13. A. 2001; Bauer, V., Kleiderordnungen in Bayern, 1975; Siemann, W.,
Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Die Ordnungen des
Reichshofrates 1550-1766, hg. v. Sellert, W., Bd. 1 1981; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Ordnung und Aufruhr im Mittelalter, hg.
v. Fögen, T., 1995; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in) Funktion und Form,
hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93; Schröder, J., Wissenschaftliche
Ordnungsvorstellungen, Ius commune 24 (1997), 25; Köbler, G., Wie der Streit
die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in) Gedächtnisschrift W.
Litewski, 2003; Meyer, C., Ordnung durch Ordnen, (in) Ordnungskonfigurationen
im hohen Mittelalter, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2006, 304; Von der
Ordnung zur Norm, hg. v. Drossbach, G., 2010; Jansen, N., Methoden,
Institutionen, Texte, ZRG GA 128 (2011), 1; Keller, A., Von verbotenen
Feierfreuden, 2012; Bedrohte Ordnungen 1 Aufruhr – Katastrophe – Konkurrenz –
Zerfall, hg. v. Frie, E. u. a., 2014; Bedrohte Ordnungen 2 Goldenes Zeitalter
der Stagnation, hg. v. Belge, B. u. a., 2014; Rehberg, K., Symbolische
Ordnungen, 2014
Ordnungsrecht ist in Deutschland seit der
Entpolizeilichung der Verwaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s die
Gesamtheit der die öffentliche →Ordnung betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Götz, V., Allgemeines Polizei- und
Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001
ordo (lat. [M.]) Reihe, Stand, Reihenfolge,
Aufeinanderfolge, Ordnung
Lit.: Manz, L., Der Ordogedanke, 1937; Die ordines für
die Weihe, hg. v. Elze, R., 1960; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung, (in)
Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u.a, 1996, 93; Schneider, H., ein
unbekannter Ordo ad principem consecrandum aus dem süditalienischen
Normannenreich, DA 60 (2004), 54
Ordo (M.) decurionum ist in der Spätantike der
Gemeinderat.
Lit.: Köbler, DRG 32, 55, 58
ordo (M.) equester (lat.) Ritterstand (der Römer)
Lit.: Köbler, DRG 32
ordo (M.) iudiciarius (lat.) →ordo (M.) iudicii
(lat.)
Ordo (M.) iudicii (lat.) ist die seit dem 9. Jh. erörterte
und nach ersten Vorläufern des 11. Jh.s (Notum fieri volumus [Pavia?, 1. H. des
11. Jh.s], Imperator Iustinianus omnibus [Pavia?, um 1050], Libellus
conventionis [Norditalien?, drittes Viertel des 11. Jh.s], De actionum
varietate) seit dem 12. Jh. unter verschiedenen Bezeichnungen erscheinende
Gerichtsordnung bzw. Prozessordnung (vgl. noch →Zivilprozessordnung,
→Strafprozessordnung).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Haubrichs, W., Ordo als Form,
1969; Fowler-Magerl, L., Ordo iudiciorum vel ordo iudiciarius, 1984; Litewski.
W., Mündliche Klage und Klageschrift in den ältesten ordines iudiciarii, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Litewski, W., Der römisch-kanonische
Zivilprozess nach den älteren ordines iudiciarii, 1999; Köbler, G., Wie der
Streit die Ordnung fand und so die Prozessordnung entstand, (in)
Gedächtnisschrift W. Litewski, 2003
Ordo (M.) iudicii terre Boemie ist die Privatarbeit der Mitte des
14. Jh.s, die in der →Maiestas Carolina (vor 1355) Böhmens Verwendung
findet.
Lit.: Werunsky, E., Der Ordo iudicii terre
Boemie, ZRG GA 10 (1889), 98
Ordonnance (lat. [F.] ordinatio) ist das in
Frankreich im 12. Jh. erscheinende königliche oder fürstliche Gesetz. Als
älteste o. wird das von König Ludwig VII. von Frankreich allein aus königlicher
Gewalt erlassene (lat. [N.]) edictum angesehen, in dem 1144 die Verbannung
getaufter, aber ins Judentum zurückgefallener Juden angeordnet wird. Im 13. Jh.
nimmt die Zahl der ordonnances, die der König allein erlassen kann, mit der
starken Vermehrung des Königsguts (Krondomäne) zu. In der Folge ergehen
zahlreiche wichtige ordonnances. Nach 1629 sind dabei die Stände im
Absolutismus von der Mitwirkung an allen ordonnances ausgeschlossen. Fürstliche
ordonnances haben besondere Bedeutung etwa für Normandie, Anjou, Bretagne,
Burgund, Brabant, Savoyen oder Flandern. In der Gegenwart ist o. die
gesetzesvertretende Verordnung oder der Beschluss
Lit.: Recueil général des anciennes lois françaises,
hg. v. Isambert, F., 1822ff.; Petiet, R., Du pouvoir législatif en France,
1891; Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f. 1929ff.; Olivier-Martin,
F., Histoire du droit français, 1948, Neudruck 1988, 348; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., 1ff. 1973ff., Bd. 1 639ff., II 3, 187; Köbler, G., Recht, Gesetz, Ordnung,
(in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1996, 93
Ordonnance civile touchant la réformation de
la justice ist das
französische Gesetz von 1667 über die Gerichtsverfassung.
Ordonnance criminelle ist das französische Gesetz von
1670, das die ordonnance de Villers-Cotterets zu Lasten des Angeklagten
abändert.
Ordonnance de la marine ist das französische Gesetz des
Jahres 1681, das in fünf Büchern das Seehandelsrecht gesetzlich festlegt.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f.
1929ff.; Morisset, J., Der Frachtvertrag in der Ordonnance de la marine, 1996
Ordonnance de Montils-les-Tours ist das französische Gesetz von
1454, das die Sammlung, Aufzeichnung und Überprüfung der →coutumes
anordnet.
Ordonnance de Orléans ist das französische Gesetz von
1439, das dem König ein stehendes Heer zugesteht und den kleinen Baronen das
Recht der Fehde entzieht.
Ordonnance de Villers-Cotterets sur le fait de
la justice ist das
französische Gesetz von 1539, welches das Verfahren beschleunigt, weltliche
Gerichtsbarkeit und kirchliche Gerichtsbarkeit trennt, Zivilstandsregister
vorsieht, den Staatsanwalt zur Partei des Strafverfahrens macht und
Schriftlichkeit und Vertraulichkeit regelt.
Ordonnance du commerce ist das französische Gesetz von
1673 über Kaufleute, Handelsgeschäfte und Handelsgerichte.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f.
1929ff.
Ordonnance sur les donations ist das französische Gesetz von
1731 über Schenkungen.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f.
1929ff.
Ordonnance sur les testaments ist das französische Gesetz von
1735 über das Testamentsrecht.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles, Bd. 1f.
1929ff.
Ordonnance sur les substitutions ist das französische Gesetz von
1747/1748 über die Einsetzung eines Ersatzerben.
Lit.: Regnault, H., Les ordonnances civiles,
Bd. 1f. 1929ff.
Ordonnance von Paris (Réformation de moeurs dans le
Languedoc et le Languedoil) ist das französische Gesetz von 1254, das die
baillis an die örtlichen Rechte bindet und dem König die Möglichkeit der
Änderung vorbehält.
Ordre public (frz.) ist die Gesamtheit der die
öffentliche Ordnung eines Gemeinwesens bestimmenden Grundsätze. Der o. p. wird
im 19. Jh. aus dem französischen Recht als Bezeichnung der älteren guten
Ordnung übernommen. Im internationalen Privatrecht ist ein den o. p.
verletzender ausländischer Rechtssatz nicht anwendbar.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und
Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Simitis, K., Gute Sitten und ordre public, 1960
Organ ist (in menschliche Gegebenheit auf
juristische Kunstfiguren übertragender Betrachtungsweise) der für eine als
solche nicht handlungsfähige juristische Person (wie ein menschliches Körperorgan)
handelnde Mensch (z. B. handelt der Verein nicht durch einen Vertreter, sondern
durch ein Organ).
Lit.: Köbler, DRG 257; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1978, 519
Organisation ist die Schaffung von
Einrichtungen mit Organen zwecks Behandlung von Angelegenheiten und die dadurch
geschaffene Einrichtung.
Lit.: McMahon, P., Das NGO-Spiel, 2019
Organisation für europäische wirtschaftliche
Zusammenarbeit (OEEC)
Organization for European Economic Cooperation
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) Organization
for Economic Cooperation and Development
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE)
Lit.: Leue, N., Die Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa, 1999
Organklage ist die →Klage eines
→Organs zur Durchsetzung der von ihm beanspruchten Rechte gegenüber der
umfassenderen Gesamteinheit. Sie entsteht erst in der jüngeren Vergangenheit.
Organschaft ist die Stellung und Tätigkeit als
→Organ.
Lit.: Kaser §§ 11 II, 17 I
Oriflamme (F.) ist die Kirchenfahne der Abtei
Saint Denis bzw. Heeresfahne Frankreichs vom 11. bis 15. Jh.
Lit.: Lombard-Jourdan, A., Fleur de lis et oriflamme,
1991
originär (ursprünglich)
Orléans an der Loire geht auf das Cenabum
der keltischen Karnuten zurück. Als Aurelianorum civitas wird es im 4. Jh. Sitz
eines Bischofs. 1107 wird es Stadt. Um 1230 erscheint die Möglichkeit eines
Rechtsunterrichts in O. (Jacques de Révigny, Pierre de Belleperche). 1306/1312
erhält es eine bis 1792 bestehende Universität.
Lit.: Premier Livre des Procurateurs de la Nation
Germanique 2, 1 bearb. v. Ridder-Symoens, H. u. a., 1978; Histoire d’Orléans,
hg. v. Debal, J., Bd. 1 1983; Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des facultés de droit 13 (1992), 15; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 130; Duynstee, M., L’enseignement du droit civil à
l’université d’Orléans, 2013
Orléans →Kapetinger
Ornat (M.) Festkleidung eines Amtsträgers
z. B. Pallium, Soutane, Talar
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, 1954ff.;
Hargreaves-Mawdsley, W., A History of Academical Dress, 1963
orphanus (lat. [M.]) Waise
Örsted, Anders Sandoe (Langeland
1778-Kopenhagen 1860), Apothekerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Kopenhagen Richter, Beamter und Politiker, der in Kenntnis deutscher
Entwicklungen (Feuerbach, Savigny, Gönner) die Rechtswissenschaft in Dänemark
in vielen Bereichen beeinflusst (Haandbog over den danske og norske
Lovkyndighed, 1818ff.).
Lit.: Dahl, F., L’œuvre juridique d’ A. S. Örsted,
1934; Dahl, F., Geschichte der dänischen Rechtswissenschaft, 1940, 34; Anders
Sandoe Örsted 1778-1978, hg. v. Tamm, D., 1978
Ort (M.) Spitze, Platz, Ortschaft
Lit.: Kläui, P., Ortsgeschichte, 1942, 2. A. 1957;
Bonnett, A., Die seltsamsten Orte der Welt, 2015; Bonnett, A., Die
allerseltsamsten Orte der Welt, 2019
orthodox, Adj., rechtgläubig (z. B. orthodoxe
christliche Kirche in Osteuropa
Ortsname ist der →Name einer Siedlung
oder geographischen Gegebenheit. Die Ortsnamen reichen vielfach in die älteste
Überlieferung oder erkennbare Grundlage zurück (, rund 4600 Namen für 295
Straßen in Köln sind seit dem 10. Jh. belegt). Sie können auch Rechtsverhältnisse
widerspiegeln. Für Deutschland verzeichnet Meyers Orts- und Verkehrslexikon
des Deutschen Reiches (6. A. 1935) schätzungsweise 56250 Ortsnamen, Müllers
Großes Deutsches Ortsbuch (vollständiges Gemeindelexikon für die Bundesrepublik
Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, 11. A. 1956) mehr als
120000 Orte. →http://www.koeblergerhard.de/GOLD-HP/Einfuehrung.doc
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch, Bd. 2 3.
A. 1913, Neudruck 1983; Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Reiches,
6. A. 1935 (etwa 56250 Orte)Müllers Großes Deutsches Ortsbuch – Vollständiges
Gemeindelexikon BRD und DDR 11. A. 1956 (mehr als 120000 Orte); Frölich, K.,
Die Goslarer Straßennamen, 1949; Rasch, G., Die bei den antiken Autoren
überlieferten geographischen Namen, Diss. phil. Heidelberg 1950; Historisches
Ortsnamenbuch von Bayern, Bd. 1ff.; Christmann, E., Von Gaudingstatt und Hundo
(Hunno), ZRG GA 70 (1953), 312; Christmann, E., Flurnamen zwischen Rhein und
Saar, 1965; Reitzenstein, W. Frhr. v., Lexikon bayerischer Ortsnamen, 1986, 2.
A. 1991; Bibliographie der Ortsnamenbücher, hg. v. Schützeichel, R., 1988;
Berger, D., Geographische Namen in Deutschland, 1993, 2. A. 1999; Historisches
Ortsnamenbuch von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Glasner, P., Die
Lesbarkeit der Stadt, 2002; Casemir, K., Die Ortsnamen des Landkreises
Wolfenbüttel und der Stadt Salzgitter, 2003; Casemir, K./Ohainski, U./Udolph,
J., Die Ortsnamen des Landkreises Göttingen, 2003; Siedlungsnamen im
oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bamberg, 2001; Siedlungsnamen im
oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2005; Brandenburgisches
Namenbuch, Bd. 1-12, 1967ff. (Zauche, Belzig, Teltow, Havelland, Barnim u. a.);
Index zur Reihe Hydronymia Germaniae, bearb. v. Eggers, E., 2005 (mit CD-ROM);
Casemir, K./Menzel, F./Ohainski, U., Die Ortsnamen des Landkreises Northeim,
2005; Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth, 2006;
Große Flüsse auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, bearb. v. Borchers,
U., 2006; Reitzenstein, W. Frhr. v., Lexikon bayerischer Ortsnamen der
Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz, 2006; Casemir,
K./Ohainski, U., Die Ortsnamen des Landkreises Holzminden, 2007; Foster, E. u.
a., Ortsnamen und Siedlungsentwicklung - Das nördliche Mecklenburg, 2007 (rund
1300 Ortsnamen, davon zwei Drittel altpolabisch); Husmeier, G., Geschichtliches
Ortsverzeichnis für Schaumburg, 2008; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und
Örtlichkeiten, 2008; Westfälisches Ortsnamenbuch, Bd. 1ff. 2009ff.;
Reitzenstein, W. Frhr. v., Lexikon fränkischer Ortsnamen, 2009; Vogelfänger,
T., Nordrheinische Flurnamen und digitale Sprachgeographie, 2010; Meineke, B.,
Die Ortsnamen des Kreises Lippe, 2010; Casemir, K. u. a., Die Ortsnamen des
Landkreises Helmstedt und der Stadt Wolfsburg, 2011; Korsmeier, C., Die
Ortsnamen der Stadt Münster und des Kreises Warendorf, 2011; Meineke, B., Die
Ortsnamen des Kreises Herford, 2011; Scheuermann, U., Flurnamensammlung und
Flurnamenforschung in Niedersachsen, 2011;
Altdeutsches Namenbuch , hg. v. Hausner, I. u. a. www.austriaca.at/altdeutsches_namenbuch;
Deutsches Ortsnamenbuch, hg. v. Niemeyer, M., 2012; Reitzenstein, W. Frhr. v.,
Lexikon schwäbischer Ortsnamen, 2013 (1500 Artikel), dabei Tinga eher Etting
als Unterthingau); Meineke, B., Die Ortsnamen der Stadt Bielefeld, 2013;
Flöer, M., Die Ortsnamen des Hochsauerlandkreises, 2013; Haefs, H.,
Ostfriesland, 2013 (Ortsnamen); Hackl, S., Ortsnamenbuch des Enzkreises und des
Stadtkreises Pforzheim, 2013 (76); Die regio Basiliensis von der Antike zum
Mittelalter - Land am Rheinknie im Spiegel seiner Namen, 2013; Flöer, M., Die
Ortsnamen des Kreises Olpe, 2014; Meineke, B., Die Ortsnamen des Kreises
Minden-Lübbecke, 2015, 2. A. 2016; Casemir, K. u. a. Die Ortsnamen des Kreises
Höxter, 2016; Korsmeier, C., Die Ortsnamen des Kreies Coesfeld, 2016; Casemir,
K. u. a., Die Ortsnamen des Landkreises Peine, 2017
Osenbrüggen, Eduard (Uetersen 24. 12.
1809-Zürich 9. 6. 1879) wird nach dem Studium der Philologie in Leipzig und
Kiel Mitarbeiter an der Ausgabe der justinianischen Novellen durch Albert
Kriegel und 1843 Professor für Strafrecht, Rechtsgeschichte und juristische
Literatur in Dorpat, 1851 in Zürich. 1860 veröffentlicht er im Anschluss an
Wilda das alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, 1863 das Strafrecht
der Langobarden.
Lit.: Pözl, J., Zur Erinnerung an Eduard Osenbrüggen,
KRV 22 (1880), 321
Oslo am Oslofjord wird auf älterer Grundlage 1048 vom König
von Norwegen angelegt. 1066/1093 wird O. Sitz eines Bischofs. 1624 wird O. von
König Christian IV. von Dänemark und Norwegen als Christiania (bis 1924) neu
aufgebaut. 1811 erhält es eine Universität. 1905 wird O. Hauptstadt des zu
dieser Zeit wieder verselbständigten Norwegen.
Lit.: Nedkvitne, A./Norseng, P., Oslos bys historie,
Bd. 1 1991
Osmane ist der Angehörige der von Osman I.
Ghasi (1258-1326) begründeten ogusischen Dynastie, deren Sultane vom Beginn des
14. Jh.s bis 1922 ein von der Türkei (Bithynien) ausgehendes Reich beherrschen
(1453 Eroberung Konstantinopels, 17. Jh. Vormacht von Ägypten bis Persien),
das seit 1683 an Bedeutung verliert.
Lit.: Matuz, J., Das osmanische Reich, 1985, 3.
A. 1994, 4. A. 2004; Palmer, A., Verfall und Untergang des osmanischen Reiches,
1994; Buchmann, B., Österreich und das osmanische Reich, 1999; Faroqhi, S.,
Geschichte des osmanischen Reichs, 2000; Kreiser, K., Der osmanische Staat,
2000; Auf den Spuren der Osmanen in der österreichischen Geschichte, hg. v.
Feigl, I. u. a., 2002; Heinzelmann, T., Heiliger Kampf oder
Landesverteidigung?, 2004; Müller, R., Franken im Osten, 2005; Reinkowski, M.,
Die Dinge der Ordnung, 2005; Das osmanische Reich und die Habsburgermonarchie,
hg. v. Kurz, M. u. a., 2005; Berchtold, J., Recht und Gerechtigkeit in der Konsulargerichtsbarkeit,
2009; Fawaz, L., A land of aching hearts, 2014; Richter, H., Das osmanische
Reich im ersten Weltkrieg bis zum Friedensschluss 1923, 2018; Howard, D., Das
osmanische Reich 1300-1924, 2018
Osnabrück an der Hase entwickelt sich aus
einer vor 787 gegründeten Kirche zum Mittelpunkt eines eigenen Bistums. 1630
(bis 1633 und 1974) erhält es eine Universität. 1648 wird in O. der
Friedensvertrag zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges zwischen Kaiser,
Heiligem römischem Reich und Schweden geschlossen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell,
DRG 3; Prinz, J., Das Territorium des Bistums Osnabrück, 1934; Haase, K., Recht
und Verfassung der Stadt Osnabrück, Osnabrücker Mitteilungen 65 (1952), 96;
Renger, R., Landesherr und Landstände, 1968; Hirschfelder, H.,
Herrschaftsordnung und Bauerntum, 1971; Stebel, Die Osnabrücker Hexenprozesse,
Diss. jur. Bonn 1968; Heuvel, C. van den, Beamtenschaft und Territorialstaat,
1984; Haack, G., Das Landgericht Osnabrück, 1989; Mercatum et monetam, hg. v.
Schlüter, W., 2002; Beinke, L., Die Familie Twente, 2010; Heuvel, G. van den,
Adelige Herrschaft, bäuerlicher Widerstand und territorialstaatliche
Souveränität, 2011; Beuke, A., Wi moaket mobil!, 2015
Osse, Melchior von (Ossa 1506/1507-Frauenfels 1557), aus
niederem Adel, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (seit 1518) 1534
Professor und Rat, 1542 bis 1543 ernestinischer Kanzler, 1547 in Leipzig
Hofrichter und von 1549 bis 1554 Statthalter von Meiningen. Er zählt zu den
frühen Kameralisten. In seinem „politischen Testament“ beschreibt er
eindrucksvoll den Zustand der Verwaltung zu seiner Zeit und setzt sich für die
Bewahrung der überkommenen Verhältnisse (u. a. [lat.] →mos [M.]
Italicus) ein.
Lit.: Langenn, F. v., Dr. Melchior von Ossa,
1858; Schriften Dr. Melchiors von Osse, hg. v. Hecker, O., 1922, Weber, P., Die
Bedeutung der alten deutschen Kameralisten, Diss. jur. Bonn 1942; Behr, H.,
Politisches Ständetum und landschaftliche Selbstverwaltung, 1970; Maier, H.,
Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980, 113
Ostarstoufa (ahd. [F.]) ist eine
frühmittelalterliche (830-850), zu Ostern fällige Abgabe.
Lit.: Köbler, WAS; Gallmeister, E., Königszins
und westfälisches Freigericht, Diss. phil. Tübingen 1946; Köbler, G.,
Taschenwörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1994
Ostblock ist die Gesamtheit der seit 1939
bzw. 1945 (bis 1990) politisch an die Sowjetunion angeschlossenen osteuropäisch-eurasiatischen
Staaten (Warschauer Vertragsorganisation 14. Mai 1955-1. Juli 1991 als
Gegenbündnis zur Nordatlantischen Verteidigungsorganisation, Albanien bis 13.
9. 1968, Bulgarien, Deutsche Demokratische Republik bis 3. 10. 1990, Polen,
Rumänien, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ungarn).
Lit.: Hacker, J., Der Ostblock, 1983; Umbach,
F., Das rote Bündnis. Entwicklung und Zerfall des Warschauer Paktes 1955 bis
1991, 2005
Ostern
Lit.: Udolph, J., Ostern - Geschichte eines Wortes, 1999, 2. A. 2011
(nicht zu einer Göttin Ostara, nicht zu Osten, sondern zu ausa, an., Sb.,
Wasser, auf die Taufe bezogen)
Osterode
Lit.: Die Ortsnamen des Landkreises Osterode, 2000; Urkundenbuch des Klosters Osterode,
bearb. v. Boetticher, M. v. u. a., 2012
Österreich ist der aus dem südöstlichen Teil
des Herzogtums der →Bayern erwachsene, seit 1806 verselbständigte, von
1815 bis 1866 mit den anderen deutschen Staaten im →Deutschen Bund
vereinte, 1919 von nichtdeutschen Staaten Europas gegen seinen Willen vom
→Anschluss an das Deutsche Reich ferngehaltene, von 1938 bis 1945 dennoch
an das Deutsche Reich (Adolf Hitlers) angeschlossene Staat. Das Gebiet
zwischen mittlerer Donau und Alpen wird im letzten vorchristlichen Jahrtausend
von Kelten und anderen Völkern, seit 29/15 v. Chr. von Römern (Noricum,
Raetia), seit etwa dem Ende des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) von
Germanen, mit deren Abzug im Osten teilweise von Slawen, dann von den im 6. Jh.
sichtbaren Bayern und spätestens seit 788 (Absetzung Herzog Tassilos durch Karl
den Großen) von den Franken beherrscht. Im fränkischen Reich entsteht an der
Donau eine eigene Mark. 976 wird diese Mark an die Familie der
→Babenberger (aus Bamberg?) zu Lehen gegeben. In einer Urkunde Kaiser
Ottos III. vom 1. 11. 996 für das Hochstift Freising wird die seit dem 9. Jh.
belegte Bezeichnung ostarrihhi (Ostgebiet) (auch) für das Gebiet um Neuhofen an
der Ybbs verwendet (Ersterwähnung des hinsichtlich seines Umfangs und seiner
Lage nicht näher bekannten Ö.). 1139 gibt der neue König Konrad III. aus dem
Geschlecht der Staufer zwecks Schwächung der mächtigen, von Vorgängern mit
Bayern (1070) und Sachsen (1137) belehnten Familie der Welfen das Herzogtum
Bayern mit Ö. an die verwandten Babenberger, doch entzieht 1156 der um
Ausgleich bemühte staufische Nachfolger Friedrich I. Barbarossa den
Babenbergern Bayern wieder, gibt es dem Welfen Heinrich dem Löwen zu Sachsen
zurück, löst dabei aber im →so genannten (lat.) privilegium (N.) minus
(kleineren Privileg) Ö. aus Bayern heraus und erhebt es zum eigenen
territorialen Herzogtum der Babenberger, denen 1192 als Folge der
Georgenberger Handfeste von 1186 auch die →Steiermark anfällt. Im 13. Jh.
finden sich in Ö. zwei Landrechte. (1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?).
1246 sterben die Babenberger in männlicher Linie aus. Das etwa zu dieser Zeit
sich in Österreich ob (westlich) der Enns (Oberösterreich) und Österreich (nid
bzw.) unter (östlich) der Enns (Niederösterreich) gliedernde Ö. gelangt über
die Erbtochter der Babenberger an König Ottokar von Böhmen. Nach dem Sieg über
Ottokar von Böhmen (1278) belehnt König Rudolf von →Habsburg 1282 seine
Söhne mit dem an das Reich heimgefallenen Lehen Ö. sowie mit Steiermark und
Krain (Haus Österreich). 1335 fällt Kärnten an. Im 1358/1359 von dem Habsburger
Herzog Rudolf IV. von Österreich veranlassten, gefälschten so genannten
→privilegium maius (größeren Privileg) ist Ö. zum Pfalzerzherzogtum
erhoben. 1363 fällt Tirol, 1368 der Breisgau (Teil des später so genanntes
Vorderösterreich) an die Habsburger. Ab 1512 werden die österreichischen,
von Habsburgern beherrschten Länder bis 1806 im österreichischen Reichskreis
zusammengefasst (niederösterreichische Länder, oberösterreichische Länder,
innerösterreichische Länder). 1516 erbt der Habsburger Karl V. das
Königreich Spanien und wird 1519 zum König des Heiligen römischen Reiches
gewählt. 1521 wird in eine österreichische Linie (Ferdinand) und eine spanische
Linie geteilt. 1526 kommen nach dem Tod König Ludwigs von Böhmen und Ungarn auf
Grund der Heirat Ferdinands mit einer Erbtochter Böhmen und Ungarn zur
Herrschaft der Habsburger hinzu. 1620 wird aus der Reichshofkanzlei eine
besondere österreichische, für Justizangelegenheiten, Verwaltungsangelegenheiten
und auswärtige Angelegenheiten zuständige Hofkanzlei abgetrennt. 1713 erlangen
die Habsburger im nach dem Aussterben ihrer spanischen Linie (1700) ausgetragenen
spanischen Erbfolgekrieg italienische Gebiete (Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig
Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza, Toskana). Zur Sicherung der
künftigen Erbfolge in der Familie der Habsburger wird am 19. 4. 1713 die Pragmatische
Sanktion (Sanctio Pragmatica) geschaffen (1720/1732 von den Ständen und dem
Reichstag gebilligt). 1740 wirkt sich beim Tode Karls VI. das privilegium
minus bzw. das darauf gegründete privilegium maius bzw. die Pragmatische
Sanktion zu Gunsten der Erbtochter Maria Theresia (1717-1780) aus. Im
gleichwohl entstehenden österreichischen Erbfolgekrieg verliert Habsburg 1745
den größten Teil Schlesiens an Preußen und 1748 Fürstentümer in Oberitalien.
Maria Theresia (Landesherrin von 1740 bis 1780) wandelt die österreichische
Hofkanzlei 1749 in das [lat.] Directorium in publicis et cameralibus um. 1753
setzt sie für ein einheitliches österreichisches Gesetzbuch (Zivilrecht,
Zivilprozessrecht, ohne Strafrecht) eine Kompilationskommission ein, aus
deren Arbeit bis 1766 ein Codex Theresianus mit mehr als 8000 Bestimmungen
entsteht, der wegen seiner Dickleibigkeit aber abgelehnt wird. Am 31. 12. 1768
wird zum 1. 7. 1770 eine Constitutio Criminalis Theresiana (Strafgesetzbuch)
erlassen. Danach gewinnt Habsburg aus drei Teilungen Polens von 1772, 1793 und
1797 vor allem polnische und ehemals osmanische Güter (Ostgalizien 1772, Bukowina
1775, Westgalizien 1795) sowie 1779 das Innviertel. 1786 erlässt Joseph II. auf
Grund der Weiterbearbeitung des Codex Theresianus über den Entwurf Horten
(1776) ein Josephinisches Gesetzbuch (Personenrecht, in Kraft ab 1. 1. 1787),
1787 ein (Josephinisches) Strafgesetzbuch. 1797 kommt Venedig zu den
habsburgischen Ländern hinzu. Für Westgalizien wird 1797 in Weiterbearbeitung
des Codex Theresianus ein umfassendes Westgalizisches Gesetzbuch erlassen. 1803
wird ein Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizei-Übertretungen
geschaffen. 1804 erhebt (Erzherzog bzw. Kaiser) Franz II. Ö. als Folge des
Verlusts einer katholischen Mehrheit im Kurfürstenkolleg nach dem
Reichsdeputationshauptschluss (1803) (wie Napoleon in Frankreich) innerhalb des
Heiligen römischen Reiches zum Kaiserreich (Kaisertum Ö., Franz I. 1804-1835,
Ferdinand I. 1835-1848, Franz Joseph I. 1848-1916, Karl I. 1916-1918). Im
Frieden von Pressburg von 1805 verliert Ö. Venedig an Frankreich, Tirol und
Vorarlberg (an Bayern) sowie Vorderösterreich, erlangt aber durch Säkularisation
das Erzstift Salzburg. In einem geheimen Zusatzartikel zum Frieden von
Pressburg verzichtet Habsburg auf den Titel römisch-deutscher Kaiser. Am 6. 8.
1806 legt Franz II. nach dem Austritt von 16 Rheinbundstaaten aus dem Heiligen
römischen Reich auf Druck Napoleons die Kone des Heiligen römischen Reiches
nieder. Damit wird Ö. wie alle anderen Länder des Reiches selbständig, was auch
eine allmähliche Austrifizierung der Rechtswissenschaft zur Folge hat. Im
Frieden von Schönbrunn verliert Ö. am 14. 10. 1809 an Bayern Salzburg,
Berchtesgaden und Gebiete am Inn, an den Herzog von Warschau Krakau, an
Russland Tarnopol und an Frankreich das Küstenland, Krain, Teile Kroatiens und
Kärnten (Illyrien). Am 1. 6. 1811 gibt es sich zum 1. 1. 1812 das dem Codex
Theresianus, einem Entwurf Hortens, dem Josephinischen Gesetzbuch, dem
Westgalizischen Gesetzbuch und einem Entwurf Martinis folgende
→Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. Ein daneben seit 1780 geplanter
politischer Kodex für das öffentliche Recht (nach Joseph von Sonnenfels’
Grundsätzen der Polizey, Handlung und Finanz) scheitert dagegen (endgültig
1818). 1815 wird Österreich weitgehend nach dem Gebietsstand von 1797 restituiert
(ohne Vorderösterreich, aber mit Venedig). Im Deutschen Bund (1815-1866) ist
Ö. Präsidialmacht. 1823 wird Metternich Staatskanzler, 1835 Ferdinand I.
Kaiser. Am 13. 3. 1848 werden bei dem Versuch einiger Studenten, den
versammelten Ständen im niederösterreichischen Landtag in der Herrengasse in
Wien eine Petition zur schlechten Lage der Bauern und Arbeitenden zu
überreichen, durch Soldaten fünf Menschen getötet. Daraufhin entlässt der
epilepsiekranke Kaiser Ferdinand I. Kanzler Graf Metternich und gibt am 15. 3.
1848 eine Verfassungszusage. Es erfolgt ein Übergang zum Ministersystem. Vom
10. bis 17. 4. 1848 beraten Vertreter vorwiegend deutschsprachiger Länder Österreichs
in Wien in einem ständischen Zentralausschuss über eine Verfassung, ein
allgemeines Landesverfassungsstatut, eine Gemeindeordnung und die
Grundentlastung. Am 25. 4. 1848 erteilt Kaiser Ferdinand I. eine vom Innenminister
Franz Xaver von → Pillersdorf (Pillersdorff) geformte Verfassung
(oktroyierte Aprilverfassung, Pillersdorsche Verfassung (Pillersdorffsche
Verfassung), erste formelle Verfassung Österreichs) mit Gewaltenteilung,
Reichstag und Grundrechten, die aber nach Kritik nach dem 15. 5. 1848
zurückgezogen wird. Danach wird von Erzherzog Johann als Regenten am 22. 7.
1848 ein Reichstag eröffnet, der jedoch im Oktober 1848 nach Unruhen nach
Kremsier (Mähren) verlegt werden muss, wo er einen Entwurf einer Verfassung
erarbeitet (Kremsierer Entwurf). Durch Artilleriebeschuss werden die Unruhen
am 31. 10. 1848 gewaltsam beendet (rund 4000 Tote, danach 25 Todesurteile). Am
2. 12. 1848 dankt Kaiser Ferdinand zu Gunsten Kaiser Franz Josephs (1848-1916[,
1867 König Ungarns]) ab. Der Nachfolger oktroyiert eine Verfassung vom 4. 3.
1849 (Märzverfassung) und gewährt ein Grundrechtspatent, doch wird diese
Verfassung ebenfalls abgelehnt. 1850 wird eine Strafprozessordnung erlassen.
Am 31. 12. 1851 hebt der Kaiser durch zwei Urkunden (Silvesterpatent) die von
ihm am 4. 3. 1849 gewährte →Verfassung als unangemessen und unausführbar
auf und beseitigt das Grundrechtspatent des Jahres 1849. Damit beginnt in Ö.
der →Neoabsolutismus (u. a. durch ein Kabinettsschreiben auch Geschworenengerichte
abgeschafft, Trennung von Verwaltung und Justiz aufgegeben). Zu dieser Zeit
(1851) beträgt die Zahl der Deutschen innerhalb der Habsburgermonarchie
7870719 Menschen (21,6 Prozent [davon 3,41 % israelitischer Konfession] der
Gesamtbevölkerung, 1880 25,6 %, 1910 23,4 %). 1852 wird ein Strafgesetzbuch
erlassen, 1853 eine Strafprozessordnung. 1855 wird unter Leo Graf
Thun-Hohenstein das geschichtsfeindliche Studiensystem der Zeit vor 1848 nach
dem Vorbild der historischen Rechtsschule in anderen deutschen Staaten auf eine
geschichtliche Grundlage gestellt (Thunsche Studienreform mit Studien- und
Staatsprüfungsordnung für Juristen). Durch die Neutralität im Krimkrieg
zwischen Russland und dem Osmanischen Reich, England, Frankreich sowie
Piemont-Sardinien isoliert sich Ö. außenpolitisch. 1859 gehen nach der Niederlage
von Solferino gegen Piemont/Sardinien und Frankreich Gebiete in Italien
(Lombardei) verloren. Unter dem politischen Druck dieser Niederlage gewährt der
Kaiser am 20. 10. 1860 ein (oktroyiertes, auferlegtes) Staatsgrundgesetz,
demzufolge die Gesetzgebung unter Mitwirkung der Landtage oder des Reichsrats
ausgeübt werden soll. Dieses Oktoberdiplom will die Vollgewalt des Kaisers
wahren, die Bildung eines allgemeinen Parlaments umgehen und die Stellung des
Adels stärken. Es findet aber weder in Ungarn noch in Böhmen Billigung. Ihm
folgt am 26. 2. 1861 das →Februarpatent, das als Verfassung (Februarverfassung)
des österreichischen Reiches einen Inbegriff von Grundgesetzen (Pragmatische
Sanktion, Oktoberdiplom, die anerkannten Teile der ungarischen Verfassung,
Grundgesetz über die Reichsvertretung, neue Landesordnungen für die
cisleithanischen Länder) versteht und für den Reichsrat zwei Kammern
(Herrenhaus, Abgeordnetenhaus) vorsieht (, wobei die Abgeordneten von den
Landtagen zu entsenden sind). Durch Patent vom 20. 9. 1865 (Sistierungspatent)
wird die Wirksamkeit des mit der Februarverfassung kundgemachten
Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung sistiert, um es zusammen mit dem
Oktoberdiplom den Landtagen der Länder der ungarischen Krone zur Annahme
vorzulegen und damit die als unwiderruflich erklärte oktroyierte Verfassung von
1860/1861 zum Entwurf zurückgestuft, um einen Verfassungsvertrag zu
erreichen. 1866 löst sich der Deutsche Bund nach seiner Niederlage in der
Bundesexekution gegen Preußen auf. Venedig geht Ö. zu Gunsten Italiens
verloren. 1867 erreicht Ungarn im sog. Ausgleich eine gewisse Eigenständigkeit
(Transleithanien, [jenseits bzw. östlich der Leitha gelegene] Länder der
Stephanskrone im Gegensatz zu Cisleithanien als den [diesseits oder westlich
der Leitha gelegenen] im Reichsrat vertretenen Königreichen und Ländern). Am
21. 12. 1867 schließt die Dezemberverfassung den 20 Jahre währenden
Verfassungsgebungsvorgang in Ö. vorläufig ab. Sie ist eine Gesamtheit von
sechs am 21. 12. 1867 erlassenen Gesetzen (Gesetz über die
Ministerverantwortlichkeit, Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung [Novellierung
des Grundgesetzes der Februarverfassung von 1861 mit Herrenhaus, Abgeordnetenhaus,
kaiserlichem Vetorecht und Notverordnungsrecht], Staatsgrundgesetz über die
allgemeinen Rechte der Staatsbürger [übernimmt Gesetz zum Schutze der
persönlichen Freiheit und Gesetz zum Schutz des Hausrechts aus dem Jahr 1862],
Staatsgrundsetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts [verfassungsgerichtliche
und verwaltungsgerichtliche Zuständigkeiten des Reichsgerichts]),
Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt [Trennung von Rechtspflege und
Verwaltung, Unabhängigkeit des Richters, Mündlichkeit, Öffentlichkeit, Anklageverfahren,
Geschworenengerichte, Ankündigung eines Verwaltungsgerichtshofs],
Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt [z.
B. Bindung an die Gesetze], Delegationsgesetz über das Verhältnis zwischen
der österreichischen und der ungarischen Reichshälfte und deren Beziehung zum
gemeinsamen Monarchen), die einen Reichsrat mit Herrenhaus und Abgeordnetenhaus,
Grundrechte in 19 Artikeln, ein Reichsgericht als Verfassungsgerichtshof,
Trennung von Verwaltung und Justiz u. a. vorsehen. Mit Handschreiben vom 14.
11. 1868 wird der Staatsname in Österreichisch-ungarische Monarchie geändert.
Dem 1871 unter Führung Preußens aus dem Norddeutschen Bund (1867) geschaffenen
(zweiten) Deutschen Reich (Bismarcks) gehört Ö. nicht an (kleindeutsche
Lösung). 1873 wird die Beschickung des Abgeordnetenhauses durch die Landtage
durch die Direktwahl nach Kurienzensuswahlrecht abgelöst. Im gleichen Jahr
wird eine neue Strafprozessordnung erlassen. 1878 okkupiert Ö. Bosnien und die
Herzegowina. 1882 wird unter Ministerpräsident und Innenminister Eduard Graf
Taaffe durch Senkung des Steuerzensus das Wahlrecht um eine Drittel bzw.
Viertel ausgedehnt. 1889 werden die Abkürzungen k. u. k. (kaiserlich und
königlich) für gemeinsame Ämter der cisleithanischen und der
transleithanischen Gebiete, k. k. für cisleithanische Ämter und k. für transleithanische
Ämter eingeführt. 1895 verabschiedet Ö. eine 1898 in Kraft tretende (, auch in
Böhmen, Dalmatien, Galizien, Lodomerien, Bukowina, Krain, Schlesien, Mähren
Görz und Gradisca, Triest und Istrien geltende) Zivilprozessordnung mit
Jurisdiktionsnorm. 1896 erfolgt unter Innenminister Kasimir Graf Badeni eine
Reform des Wahlrechts (allgemeines Wahlrecht aller mindestens 24jährigen
Männer in einer fünften allgemeinen Wählerklasse innerhalb des bestehenden
Zensuswahlrechts), 1907 unter Ministerpräsident und Innenminister Max Wladimir
Freiherr von Beck die Beseitigung des Kurienwahlrechts und des Zensuswahlrechts
(ohne Frauen und unter Bevorzugung der deutschsprachigen Gebiete durch kleinere
Wahlkreise pro Abgeordneten). 1908 annektiert Ö. Bosnien und die Herzegowina.
1910 zählt Österreich 51,4 Millionen Einwohner, davon 45 Prozent Ungarn (33
Millionen Katholiken, 3,2 Millionen Juden), .Nach der der Ermordung des
österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau (durch den
20jährigen, einem serbisch-kroatischen Geheimbund unter Leitung Ivo Andrics
angehörenden, mit 6 Mitverschwörern unter die Zuschauer gemischten Bauernsohn Gavrilo
Princip mittels einer vom serbischen militärischen Geheimdienst gestellten
Waffe) in Sarajewo am 28. 6. 1914 (unter Verwicklung Serbiens) folgenden
Kriegserklärung an Serbien (28. 7. 1914, Beginn der Führung eines
Kriegstagebuchs durch den k. u. k. Generalstab am 23. 07. 1914)) verliert das
auf diesen lokalen Krieg unter Inkaufnahme eines Kontinentalkriegs unter einem
greisen Kaiser bewusst hinarbeitende, trotz einer unübersehbar desolaten Lage
im Inneren den ersten Weltkrieg entfesselnde, dabei chaotisch aufmarschierende,
die allmähliche Einschränkung des Namens Ö. auf Cisleithanien 1915
anerkennende Ö. (seit 1916 unter Kaiser Karl I.) am Ende des ersten Weltkriegs
die Gebiete der →Tschechoslowakei, →Ungarns, →Jugoslawiens
und →Südtirols) und wird dadurch von einer Großmacht zu einem Kleinstaat.
Dabei treten am 17. 10. 1918 die 208 Abgeordneten der deutschen Parteien des
Reichsrats zu einer provisorischen Nationalversammlung zusammen und fassen am
30. 10. 1918 einen Staatsbegründungsbeschluss (Staatsgründungsbeschluss,
revolutionär). Am 12. 11. 1918 beschließen sie das Gesetz über die Staats- und
Regierungsform (zunächst drei Präsidenten, Gesetzesinitiative bei Abgeordneten
und Staatsrat, absolute Stimmenmehrheit der mindestens 50 Anwesenden, [nach
Wahlordnung vom 18. 12. 1918 mit Wahlrecht für Frauen, Verhältniswahlrecht und
Senkung des Wahlalters auf 20 bzw. 29 Jahre) Wahl der konstituierenden Nationalversammlung
am 16. 2. 1919, Zusammentritt 4. 3. 1919, Ende am 17. 10. 1920). Dementsprechend
wandelt sich Ö. am 30. Oktober 1918 oder nach eingebürgerter Ansicht am 12.
November 1918 von der Monarchie zur Republik („Deutschösterreich“). Ihr verwehren
die alliierten Siegermächte den angestrebten Anschluss an das Deutsche Reich. Auf
Grund des Friedensvertrags von Saint Germain wird der Name Deutschösterreich
1919 in Republik Österreich umgewandelt. Die Familie Habsburg wird am 4. 3.
1919 durch das Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des
Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen des Landes verwiesen und enteignet.
Durch Bundesverfassungsgesetz (B-VG) vom 1. 10. 1920 (Entwurf beeinflusst
durch Hans Kelsen) wird die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet
(Staatsgesetzblatt 450, BGBl. 1920, 1, wiederverlautbart als Bundes-Verfassungsgesetz
in der Fassung von 1929 im Bundesgesetzblatt 1930, Wahlordnungen von 1920 und
1923). Durch das Bundesverfassungsgesetz vom 30. 7. 1925 wird die
Doppelgleisigkeit der Verwaltung in den Bundesländern durch Schaffung eines einheitlichen
Amtes der Landesregierung beseitigt (mittelbare Bundesverwaltung), werden
Verfassungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit und Befugnisse
des Rechnungshofs erweitert und werden in einem weiteren Gesetz die Zuständigkeiten
zu Gunsten des Bundes vermehrt. Am 15. 7. 1927 wird aus Empörung über ein
Urteil der Justizpalast in Wien in Brand gesteckt. Durch das Bundesverfassungsgesetz
vom 7. 12. 1929 wird das parlamentarische System durch ein abgeschwächtes
präsidiales System ersetzt (direkte Volkswahl des Bundespräsidenten auf sechs
Jahre, Notverordnungsrecht, Oberbefehl, Einberufung und Auflösung des Nationalrats
und der Landtage, Ernennung und Entlassung der Bundesregierung). Am 19. 3.
1931 vereinbaren Ö. und Deutschland ein Handelsabkommen über die Schaffung
einer Zollunion, die aber wegen des Widerstands Frankreichs und andererer
europäischer Staten nicht verwirklicht werden kann. Am 4. 3. 1933 wird unter
dem Liberalismus, Parlamentarismus, Parteiensystem, Marxismus, Bolschewismus
und Materialismus ablehnenden Bundeskanzler und Außenminister Engelbert
Dollfuß (Texing/Niederösterreich 4. 10. 1892-Wien 25. 7. 1934, Christlichsoziale
Partei, 21. 5. 1933 vaterländische Front [mit Kruckenkreuz] als Sammelbecken
gegen Parlamentarismus, Marxismus und Nationalsozialismus, 1933 Verbot des
sozialdemokratischen Republikanischen Schutzbunds, Juni 1933 Verbot der
Nationalsozialististischen deutschen Arbeiterpartei mit rund 68000 Mitgliedern,
11. 9. 1933 Wien Trabrennplatzrede gegen Parlamentarismus, Kapitalismus,
Liberalismus, Marxismus und Nationalsozialismus) während einer Abstimmung
wegen eines Eisenbahnerstreiks (durch Rücklegung der Präsidentenämter der
drei Nationalratspräsidenten Karl Renner, Rudolf Ramek und Sepp Straffner
zwecks Möglichkeit der Abgabe ihrer Stimme als Abgeordnete) der Nationalrat ausgeschaltet
(nach Ansicht der Bundesregierung Selbstausschaltung des Nationalrats mit
daraus folgendem Verbot der Neueinberufung), werden die Kommunistische Partei
und die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verboten (Vaterländische
Front als Trägerin des österreichischen Staatsgedankens mit zuletzt 3
Millionen Mitgliedern). Vom 12. bis 15. 2. 1934 finden von Linz ausgehend
Kämpfe (Februarkämpfe) zwischen (bürgerlicher) Heimwehr (Heimatschutz,
Heimatwehr, 1936 aufgelöst, vaterländische Union) und (sozialdemokratischen)
Schutzbündlern statt, nach denen alle sozialdemokratischen Organisationen
verboten und zerschlagen werden. Das praktizierte autoritäre Prinzip (Austrofaschismus,
autoritärer Ständestaat) mit Machtkonzentration in der Hand der Regierung
wird in der sowohl mit einer Verordnung der Regierung wie auch auf Grund eines
Ermächtigungsbeschlusses des Parlaments erlassenen, scheinparlamentarischen,
nur schrittweise und teilweise in Kraft tretenden, die Kanzlerdiktatur verhüllenden
Maiverfassung vom 1. Mai 1934 abgesichert. Dem am 25. Juli 1934 bei einem
missglückten nationalsozialistischen Putsch (mit vielen Toten und Verletzten
sowie 13 Hinrichtungen und rund 4000 Einweisungen in Anhaltelager) erschossenen
Dollfuß folgt Kurt Schuschnigg als Bundeskanzler. Am 11. 7. 1936 verspricht
in einem Abkommen der aus Ö. (Braunau) kommende deutsche Reichskanzler Adolf
Hitler, die Souveränität Österreichs zu achten, während Österreich sich an der
Tatsache ausrichten will, dass es sich als deutscher Staat bekennt (geheime
Amnestierung von Nationalsozialisten, Heranziehung von Vertretern der
nationalen Opposition zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung). Am
11. 3. 1938 schließt sich Ö. auf Druck Adolf →Hitlers dessenungeachtet
dem Deutschen Reich an (Anschluss) und wird durch Gesetz vom 14. 4. 1939 in
sieben Reichsgaue mit Reichsstatthaltern eingeteilt (z. B. Oberdonau,
Niederdonau). Während des zweiten Weltkriegs beschließen auf Anregung
Großbritanniens die Außenminister Großbritanniens, der Sowjetunion und
der Vereinigten Staaten von Amerika in Moskau am 30. 10. 1943, dass Österreich
von der deutschen Herrschaft befreit werden soll und dass der Anschluss an das
Deutsche Reich null und nichtig sein soll. Am 27. 4. 1945 erklären die
Vorstände der Sozialistischen Partei Österreichs, der Volkspartei Österreichs
und der Kommunistischen Partei Österreichs die Wiederherstellung der
demokratischen Republik Österreich. Weiter sehen sie den Anschluss des Jahres
1938 an das Deutsche Reich für nichtig an und betrauen eine provisorische
Staatsregierung (unter Karl Renner) mit der Gesetzgebungsgewalt und der
Vollzugsgewalt. Am 1. 5. 1945 kehrt Ö., besetzt von den Alliierten (Vereinigte
Staaten von Amerika, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich), zur Selbständigkeit
zurück (str. ob Okkupation mit bloßem Verlust der Handlungsfähigkeit und
Wiederaufleben oder Annexion mit Notwendigkeit der Neugründung). Am 15. 5.
1945 erlässt die provisorische Staatsregierung ein auf den 1. 5. 1945
rückdatiertes Verfassungsüberleitungsgesetz (Wiederinkraftsetzung des
Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der Fassung von 1929, Aufhebung der
Maiverfassung vom 1. 5. 1934 und des nationalsozialistischen Verfassungsrechts,
vorläufige Verfassung 1945, Verfassungsgesetz über die vorläufige
Einrichtung der Republik Österreich) und ein Rechtsüberleitungsgesetz. Das
Behördenüberleitungsgesetz vom 20. 7. 1945 stellt im Wesentlichen die
Behördenorganisation vom 13. 3. 1938 wieder her. Nach Durchführung von
Wahlen für den Nationalrat und Landtage tritt nach dem zweiten
Verfassungsüberleitungsgesetz vom 13. 12. 1945 mit Zusammentritt des
Nationalrats am 19. 12. 1945 das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung
des Jahres 1929 wieder in volle Wirksamkeit. Die Besatzung endet mit dem
Abschluss eines zur →Neutralität verpflichtenden Staatsvertrags (15. 5.
1955). Zur gleichen Zeit tritt Ö. den Vereinten Nationen bei. 1974 reformiert
Ö. das Strafgesetzbuch (mit einheitlicher Freiheitsstrafe), 1975 die
Strafprozessordnung. Zum 1. 1. 1994 wird Ö. Mitglied des Europäischen
Wirtschaftsraums, zum 1. 1. 1995 Mitglied der →Europäischen Union. 1999
erregt es durch die Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen Partei Jörg
Haiders das Missfallen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Zum
1. 1. 2004 erhalten die Universitäten eigene Rechtspersönlichkeit (sui
generis) und alle neue eintretenden Mitarbeiter werden nicht mehr Beamte,
sondern Angestellte auf Grund eines Kollektivvertrags (auch Rektor, Professor
u. s. w.). Zum 1. 1. 2007 ersetzt ein Unternehmensgesetzbuch das bisherige
Handelsgesetzbuch. Zum 1. 1. 2010 tritt das Familienrechts-Änderungsgesetz
2009 in Kraft, das fast alle Gebiete des Familienrechts in Einzelfragen
umgestaltet (Patchwork-Familie, Gleichstellung von Lebensgefährten, Anerkennung
ausländischer Adoptionen, Verfahren bei Kindesentführungen, Unterhaltsvorschuss,
Ehegüterrecht).
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1920, 1984; Der 4. März 1933, hg. v. Fröschl, E. u. a., 1984; Österreich im
Europa der Aufklärung, red. v. Plaschka, R. u. a. 1985; Megner, K., Beamte,
1985; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985; Buzás, J., Zur
Geschichte des österreichisch-ungarischen öffentlich-rechtlichen Verhältnisses,
ZRG GA 102 (1985), 269; Baltl, H., Dr. August Chabert und die österreichische
Rechtsgeschichte, ZRG GA 103 (1986), 276; Juristen in Österreich, hg. v. Brauneder,
W., 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen
Zivilverfahrensrechts, 1987; Owerdieck, R., Parteien und Verfassungsfrage in
Österreich, 1987; Wolfram, H., Die Geburt Mitteleuropas, 1987; Lehner, O.,
Familie—Recht - Politik. Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts
im 19. und 20. Jahrhundert, 1987; Die bevormundete Nation. Österreich und die
Alliierten 1945-1949, hg. v. Bischof, G. u. a., 1988; Lewisch, P., Der Wandel
von Arbeitsethos und Arbeitsrecht in Österreich in der Zeit von Maria Theresia
bis zum ABGB, 1988; Zöllner, E., Der Österreichbegriff, 1988; Habsburg und
Österreich 1273-1493, 1988; Wesener, G., Einflüsse und Geltung des
römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen Ländern, 1989; Bielefeldt,
S., Die deutsch-österreichische Rechtsvereinheitlichung, Diss. jur. Kiel 1989;
Landtafel des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, bearb. v. Strätz, H., Bd. 1
1990; Österreichs Integration in Europa, hg. v. Hummer, W., 1990; Langer, A.,
Männer um die österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1990;
Nationalsozialismus und Recht - Rechtssetzung und Rechtswissenschaft in Österreich
unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, hg. v. Davy, U. u. a., 1990;
Heindl, W., Gehorsame Rebellen, 1991; Die österreichische Rechtsgeschichte,
1991; Rauchensteiner, M., Der erste Weltkrieg und der Zusammenbruch des alten
Österreich, 1991; Schröcksnadl, T., Die Entstehung des österreichischen
Kartellgesetzes von 1972, Diss. jur. Münster 1992; Winkelbauer, T., Und sollen
sich die Parteien gütlich miteinander vertragen, ZRG GA 109 (1992), 129;
Polaschek, M., Die Rechtsentwicklung in der ersten Republik - Die Gesetzgebung
im Verfassungs- und Strafrecht von 1918-1933, 1992; Hoke, R., Österreichische
und deutsche Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1996; Lehner, O., Österreichische
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1992; Quellensammlung zur österreichischen
und deutschen Rechtsgeschichte, hg. v. Hoke, R. u. a., 1993; Hispania –
Austria, hg. v. Kohler, A. u. a., 1993; Wohnout, H., Regierungsdiktatur oder
Ständeparlament?, 1993; Hanisch, E., Österreichische Geschichte 1890-1990,
1994; Roessler, P., Entwicklungstendenzen der österreichischen Rechtssprache
seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, 1994; Friedlmeier, H., Österreich
1945-1955, 1994; Was heißt Österreich?, hg. v. Plaschka, R. u. a., 2. A. 1995;
Österreichische Geschichte, hg. v. Wolfram, H., Bd. 1ff. 1994ff.; Wagner, W.,
Der große Bildatlas zur Geschichte Österreichs, 1995; Schausberger, F., Ins
Parlament, um es zu zerstören, 1995, 2. A. 2012; 75 Jahre Bundesverfassung,
red. v. Schefbeck, G., 1995; Gottsmann, A., Der Reichstag von Kremsier, 1995;
Schausberger, F., Ins Parlament, um es zu zerstören, 1995, 2. A. 2012;
Rauscher, H., 1945 – Die Wiedergeburt Österreichs, 1995; Heinz, D., Geschichte
des Habsburgerreiches 1273-1918, 1995; Hellbling, E., Grundlegende
Strafrechtsquellen der österreichischen Erbländer, hg. v. Reiter, I., 1996;
Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen I, hg. v. Brauneder, W., 1996;
Bielefeldt, S., Österreichisch-deutsche Rechtsbeziehungen, 1996; Die
österreich-ungarischen Strafrechtskodifikationen, hg. v. Máthé, G. u. a.,
1996; Steininger, R./Gehler, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 1997;
Geschichte der österreichischen Bundesländer, hg. v. Kriechbaumer, R. u. a.,
Bd. 1f. 1997; Stimmer, G., Eliten in Österreich, Bd. 1f. 1997; Handbuch des
politischen Systems Österreichs, hg. v. Dachs, H., 3. A. 1997; Österreichisches
Recht in seinen Nachbarstaaten, hg. v. Nowotny, E., 1997; Texte zur
österreichischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Reiter, I., 1997; Haider, B.,
Die Protokolle des Verfassungsausschusses des Reichsrates vom Jahre 1867, 1997;
Kocher, G., Grundzüge der Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Melik, V.,
Wahlen im alten Österreich, 1997; Rumpler, H., Eine Chance für Mitteleuropa,
1997; Stourzh, G., Um Einheit und Freiheit, 4. A. 1998; Berchtold, K.,
Verfassungsgeschichte der Republik Österreich, 1998; Neschwara, C., Die
Entwicklung der Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441;
Wiesflecker, H., Österreich im Zeitalter Maximilians I., 1999; Engel,
R./Radzyner, J., Sklavenarbeit unterm Hakenkreuz, 1999; Österreichische
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Eigner, P. u. a., 1999; Höbelt, L.,
Von der vierten Partei zur dritten Kraft – Die Geschichte des VdU, 1999;
Scheuch, M., Österreich im 20. Jahrhundert, 2000; Brauneder, W., England als
Vorbild in der österreichischen Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts, FS
Quaritsch, H., 2000, 511; Brauneder, W., Deutsch-Österreich 1918, 2000; Grenze und
Staat. Passwesen, Staatsbürgerschaft, Heimatrecht und Fremdengesetzgebung in
der österreichischen Monarchie 1750-1867, hg. v. Heindl, W. u. a. 2000;
Tomenendal, K., Das türkische Gesixht Wiens, 2000; Kolm, E., Die Ambitionen
Österreich-Ungarns im Zeitalter des Hochimperialismus, 2001; Österreich und der
Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Paarhammer, H. u. a., 2001;
Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten der österreichischen
Monarchie, 2001; Pfusterschmidt-Hardtenstein, H., Kleinstaat – Keinstaat?,
2001; Felder, N., Die historische Identität der österreichischen Bundesländer,
2002; Lackner, C., Hof und Herrschaft, 2002; Gehler, M., Der lange Weg nach
Europa, Bd. 1f. 2002; Österreichische Rechtswissenschaft in Selbstdarstellungen,
hg. v. Jabloner, C. u. a., 2003; Rill, G., Fürst und Hof in Österreich, 2003;
Kronenbitter, G., Krieg im Frieden, 2003; Strejcek, G., Bundesverfassung und
Wahlrecht, 2003; Winkelbauer, T., Österreichische Geschichte 1522-1699, 2003;
Krämer, K., Die Bestrebungen für einen Zusammenschluss zwischen Österreich und
Deutschland, Diss. phil. Hannover 2003; Meissel, F./Olechowski, T./Gnant, C.,
Untersuchungen zur Praxis der Verfahren vor den Rückstellungskommissionen,
2004; Selles-Ferrando, X., Spanisches Österreich, 2004; Fritsche, M.,
Entziehungen, 2004; NS-Justiz in Österreich, hg. v. Form, W. u. a., 2004;
Wagner, S., Der politische Kodex, 2004; Wagner, W., Bildatlas der
österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Anzenberger, W./Polaschek, M., Widerstand
für eine Demokratie, 2004; Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.-18.
Jahrhundert), hg. v. Pauser, J. u. a., 2004; Vocelka, K., Geschichte Österreichs,
2005; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122 (2005), 367;
Kulenkampff, A., Österreich und das alte Reich, 2005; Mueller, W., Die
sowjetische Besatzung in Österreich, 2005; Scheich, M., Tabubruch. Österreichs
Entscheidung für die Europäische Union, 2005; Stourzh, G., Um Einheit und
Freiheit, 5. A. 2005; Strohmeyer, A., Konfessionskonflikt und Herschaftsordnung,
2006; Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch
und Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006),
310; Wesener, G., Zum juridisch-politischen Studium an österreichischen Lyzeen
und Universitäten, FS Herbert Hausmaninger 2006, 305; Johnston, W.,
Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte, 4. A. 2006; Telesko, W.,
Geschichtsraum Österreich, 2006; Strafe, Disziplin und Besserung, hg. v.
Ammerer, G., 2006; Fischer, R., Österreich im nahen Osten, 2006; Hartmann, G.,
Für Gott und Vaterland, 2006; NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich
1938-1945, hg. v. Form, W. u. a., 2006; Krawarik, H., Siedlungsgeschichte
Österreichs, 2006; Niederstätter, A., Geschichte Österreichs, 2007; Beller, S.,
Geschichte Österreichs, 2007; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 976;
Reingrabner, G., Um Glaube und Freiheit. Eine kleine Rechtsgeschichte der
Evangelischen in Österreich und ihrer Kirche, 2007; http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DOKU/LANGER_GESAMT_ÜBERARBEITET.PDF
(elektronisch gespeicherte Gesetzgebungsmaterialien); http://ris1.bka.gv.at/bkaris/hilfe/bgblpdf/Fundstellennachweis.pdf;
Juristenausbildung
in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Die Geburt
Österreichs, hg. v. Schmid, P. u. a., 2007; Stoy, M., Das österreichische
Institut für Geschichtsforschung 1929-1945, 2007; Holzinger, G. u. a,
Verfassung kompakt, 2007, 2. A. 2013; Lebenszeugnisse österreichischer
Vizekanzler, hg. v. Mantl, W., 2008; Habsburg und die Slavia, hg. v. Kohler,
G., 2008; Österreich im Europarat 1956-2006, hg. v. Hummer, W., 2008;
Österreichische Historiker 1900-1945, hg. v. Hruza, K., Bd. 1f. 2008ff.;
Landesordnung und gute Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Zeilner, F.,
Verfassung, Verfassungsrecht und Lehre des öffentlichen Rechts in Österreich
bis 1848, 2008; Paar, M., Die Gesetzgebung der österreichischen Monarchie,
2009; Höbelt, L., Franz Joseph I., 2009; Stalins letzte Opfer, hg. v. Karner,
S. u. a., 2009; Strejcek, G., Das Wahlrecht der Ersten Republik, 2009; Hundert
Jahre allgemeines und gleiches Wahlrecht in Österreich, hg. v. Simon, T., 2010;
Chvojka, M., Josef Graf Sedlnitzky als Präsident der Polizei- und
Zensurhofstelle in Wien (1817-1848), 2010; Grundlagen der österreichischen
Rechtskultur Festschrift für Werner Ogris, hg. v. Olechowski, T., 2010;
Schafranek, H., Söldner für den Anschluss, 2010: Chvojka, M., Josef Graf
Sedlnitzky als Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle in Wien (1817-1848),
2010; Butschek, F., Österreichische Wirtschaftsgeschichte, 2011; Kuch, K.,
Land der Diebe, 2011; Von der Doppelmonarchie zur Europäischen Union, hg. v.
Béhar, P. u. a., 2011; Wirth, M., Christian Broda, 2011;Rechts- und
Verfassungsgeschicht, hg. v. Wiener Arbeitsgemeinschaft Rechtsgeschichte,
2011, 2. A. hg. v. Arbeitsgemeinschaft Österreichische Rechtsgeschichte, 2012;
Geschichte der politischen Bildung in Österreich, 2011; Die Entwicklung des
Zivilprozessrechts in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W.,
2011; Schennach, M., Der „Österreicher“ als Rechtskonstrukt? (in) ZNR 2011,
152; Das Dollfuß/Schuschnigg-Regime 1933-1938, hg. v. Wenninger, F. u. a.,
2012; Rebhan, H., Österreich wird Verfassungsstaat, 2012; Österreichischer
Juristentag (18.) 200 Jahre ABGB. 2012; Stelzl-Marx, B., Stalins Soldaten in
Österreich, 2012; Österreich 1933-1938, hg. v. Reiter-Zatloukal, I. u. a.,
2012; Welan, M., Österreich auf dem Weg zur Demokratie, hg. v. Noll, A. u. a.,
2012; Zeyringer, K. u. a., Eine Literaturgeschichte Österreich seit 1650, 2012;
Pirker, P., Subversion deutscher Herrschaft, 2012; Kotulla, M., Österreichische
Verfassungsgeschichte, 2013; Brauneder, W., Quellenbuch zur österreichischen
Verfassungsgeschichte, 2012; Zeyringer, K. u. a., Eine Literaturgeschichte -
Österreich seit 1650, 2012; Wolfinger, L., Die Herrschaftsinszenierung Rudolfs
IV. von Österreich, 2012; Leiße, O., Der Untergang des österreichischen
Imperiums – Otto Bauer und die Nationalitätenfrage, 2012; Die Akademie der
Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945, 2013; Constitutional Developments of the
Habsburg Empire in the Last Decades before its Fall, hg. v. Baran, K., 2013;
Dornik, W., Des Kaisers Falke, 2013; Holzinger, G., Verfassung kompakt, 2013;
Die Stimme der ewigen Verlierer?, hg. v. Rausher, P., 2013; Röthlisberger, L.,
Die Jakobiner in Österreich, 2013; Tálos, E., Das austrofaschistische
Herrschaftssystem, 2013; Gehorsame Rebellen – Bürokratie und Beamte in Österreich,
Bd. 1 hg. v. Heindl, W., 2013; Josephinische Mandarine – Bürokratie und Beamte
in Österreich, Bd. 2 hg. v. Heindl, W., 2013; Erlerntes Recht – Zur Ausbildung
von Juristinnen und Juristen an der Universität Wien, hg. v. Strejcek, G.,
2014; Staats- und Verfassungskrise 1933, bearb. v. Blümel, B. u. a., 2014;
Adlgasser, F., Die Mitglieder der österreichischen Zentralparlamente 1848-1918,
2014 (rund 3500); Staats- und Verfassungskrise 1933. Protokolle aus Nationalrat
und Bundesrat, hg. v. Parlamentsdirektion, 2014; Dreidemy, L., Der
Dollfuß-Mythos, 2014; Welan, M., Student in Rot-Weiß-Rot, 2014; Parteien und
Gesellschaft im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Österreich-Ungarn, hg. v.
Mesmer, M. u. a., 2014; Hagen, T., Österreichs Mitteleuropa 1850-1866, 2015; Johnston,
W., Zur Kulturgeschichte Österreichs und Ungarns 1890-1938, 2015; Grischany,
T., Der Ostmark treue Alpensöhne, 2014; Aichelburg, W., Erzherzog Franz
Ferdinand von Österreich-Este 1863-1914, 2014; Leidinger, H. u. a., Habsburgs
schmutziger Krieg, 2014; Rechtshistorische Aspekte des österreichischen
Föderalismus, hg. v. Schennach, M., 2015; Cede, F. u. a., Anspruch und
Wirklichkeit – Österreichs Außenpolitik seit 1945., 2015; Sašo, J., „Im Schutz
und Schirm des Reiches“, 2015; Höbelt, L., Stehen oder Fallen?, 2015;
Kulturmanöver. Das k.u.k. Kriegspressequartier, hg. v. Colpan, S. u.a., 2015;
Muhr, R. u. a., Wörterbuch rechtsterminologischer Unterschiede
Österreich-Deutschland, 2015; Vocelka, M. u. a., Franz Joseph I., 205; Jelinek,
G., Sternstunden Österreichs, 2015; Aufstieg und Fall des VdU, hg. v. Höblet,
L., 2015; Schennach, M., Vom k. k. Ärar zum Bundesschatz?, 2015; Buchen, T. u.
a., Eliten im Vielvölkerreich, 2015; Seiderer, G., Österreichs Neugestaltung –
Verfassungspolitik und Verwaltungsreform im österreichischen Neoabsolutismus
unter Alexander Bach 1849-1859, 2015; 20 Jahre EU-Mitgliedschaft Österreichs,
hg. v. Griller, S. u. a., 2016; Ehrlich, A. u. a., Erzherzogin Sophie, 2016;
Schmetterer, C., Kaiser Franz Joseph I., 2016; Seiderer, G., Österreichs
Neugestaltung, 2015 (849-1859); Säuberungen an österreichischen Hochschulen
1934-1945, hg. v. Koll, J., 2017; Österreich im Kalten Krieg, hg. v. Graf, M.
u. a., 2017; Die Neuorganisation der Bildungsverwaltung in Österreich, 2018;
Bauer, K., Der Februaraufstand 1934, 2019; Umbruch und Aufbruch –
Parlamentarische Demokratie in Österreich, hg. v. Parlamentsdirektion, 2019;
Strejcek, G., Der unvollendete Staat, 2019
Österreichisches Landrecht ist das in einigen Handschriften
des 15. Jh.s überlieferte, in zwei Fassungen mit 70 bzw. 92 Artikel
gegliederte Landrecht des Herzogtums →Österreich aus dem 13. Jh.
(1237/1298?, um 1230/um 1298?, 1278/1298?). Erfasst werden Landrecht und
Lehnrecht bzw. Ständerecht, Eherecht, Vormundschaftsrecht, Gewererecht, Erbrecht,
Strafrecht und Verfahrensrecht.
Lit.: Hasenöhrl, V., Österreichisches Landrecht im 13.
und 14. Jahrhundert, 1867; Steinacker, H., Zur Frage des österreichischen
Landrechts, MIÖG 39 (1922); Werunsky, E., Kritische Bemerkungen zur österreichischen
Landrechtsfrage, Archiv für österreichische Geschichte 110 (1924); Ganahl, K.,
Versuch einer Geschichte des österreichischen Landrechts, 1935; Weltin, M., Das
österreichische Landrecht, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v.
Classen, P., 1977, 381
Österreich-Ungarn (1868-1918 Bezeichnung des seit
1867 in die beiden abgesehen von dem gemeinsamen Monarchen, den pragmatischen
Angelegenheiten und den dualistischen Angelegenheiten selbständigen Reichsteile
der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder [Cisleithanien diesseits
bzw. westlich der Leitha] und die Länder der Stephanskrone [Transleithanien
östlich der Leitha] gegliederten, nach längerem Streit als Realunion eingeordneten
Gesamtreichs der Habsburger) →Österreich, Ungarn
Osteuropa ist die Gesamtheit der im Osten
gelegenen Staaten Europas (z. B. Polen, Russland, Weißrussland, Ukraine, Bulgarien,
Rumänien).
Lit.: Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der
deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942; Simek, E., Velka Germanie Klaudia
Ptolemaia, 1953 (deutsche Zusammenfassung); Ludat, H., Vorstufen und Entstehung
des Städtwesens in Osteuropa, 1955; Klocke, F. v., Westfalen und Nordosteuropa,
1964; Dralle, L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Boockmann,
H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992; Conze, W., Ostmitteleuropa, 2.
A. 1993; Geyer, D., Osteuropäische Geschichte und das Ende der
kommunistischen Zeit, 1996; Der Riese erwacht, hg. v. Olt, R., 1996; Neue
Regierungssysteme in Osteuropa und der GUS, hg. v. Luchterhandt, O., 1996;
Normdurchsetzung in osteuropäischen Nachkriegsgesellschaften, hg. v. Mohnhaupt,
H. u. a., 1997; Der Osten Europas im Prozess der Differenzierung, hg. v.
Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, 1997;
Suppan, A., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1998; Entwicklung des
Zivilrechts in Osteuropa, hg. v. d. juristischen Fakultät der Universität
Dresden, 1998; Studienhandbuch östliches Europa, hg. v. Roth, H., 1999; Grenzen
in Ostmitteleuropa, hg. v. Lemberg, H., 2000; Minderheiten, Regionalbewusstsein
und Zentralismus in Ostmitteleuropa, hg. v. Löwe, H., 2000; Transformation und
historisches Erbe in den Staaten des europäischen Ostens, hg. v. Goehrke, C. u.
a., 2000; Giaro, T., Westen im Osten. Modernisierung osteuropäischer Rechte bis
zum zweiten Weltkrieg, Rechtsgeschichte 2 (2003); Lübke, C., Das östliche
Europa, 2004; Schorkowitz, D., Clio und Natio im östlichen Europa, HZ 279
(2004), 1; Der EU-Beitritt der Länder Ostmitteleuropas, hg. v. Hess, A. u. a.,
2004; Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005; Mühle,
E., Für Volk und deutschen Osten – Der Historiker Hermann Aubin, 2005;
Gewohnheitsrecht – Rechtsprinzipien – Rechtsbewusstsein, hg. v. Krawietz, W.
u. a., 2005; Modernisierung durch Transfer im 19. und frühen 20. Jahrhundert,
hg. v. Giaro, T., 2006; Osteuropa in den Revolutionen von 1848, hg. v.
Lambrecht, L., 2006; Städte im östlichen Europa, hg. v. Goehrke, C. u. a.,
2006; Modernisierung durch Transfer zwischen den Weltkriegen, hg. v. Giaro, T.,
2007; Wippermann, W., Die Deutschen und der Osten, 2007; Juristenausbildung in
Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Zwangsumsiedlung
und neue Gesellschaft in Ostmitteleuropa nach 1945, hg. v. Arburg, A. v. u. a.,
2008; Font, M., Im Spannungsfeld der christlichen Großmächte, 2008; Rechtswissenschaft
in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Aufbruch und Krise, hg. v. Störtkuhl,
N. u. a., 2010; Puttkammer, J. v., Ostmitteleuropa im 19. und 20. Jahrhundert,
2010; Aufbruch und Krise, hg. v. Störtkuhl, B. u. a., 2010; Die Entwicklung des
Zivilprozessrechts in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg. v. Rechberger, W.,
2011; Bewusstes Erinnern und bewusstes Vergessen, hg. v. Nußberger, A. u. a.,
2011; 50 Jahre Institut für osteuropäisches Recht der
Christian-Albrechts-Universität zu KIel, 2011; Rechtskulturen des modernen
Osteuropa. Traditionen und Transfers/Rechtsprechung un Osteuropa. Studien zum
19. und frühen 20. Jahrhundert, 2012; Rechtsprechung in Osteuropa, hg. v.
Pokrovac, Z., 2012; Applebaum, A., Der Eiserne Vorhang – Die Unterdrückung
Osteuropas 1944-1956, 2013; Deutsche Berichte aus dem Osten 1942-1943, hg. v.
Mallmann, K. u. a., 2014; Handbuch einer transnationalen Geschichte Ostmitteleuropas,
hg. v. Hadler, F. u. a., Bd. 1 2015; Nerlich, V., A Baltico ad Euxinum, 2015;
Wirtswchaft und Politik in Ostmitteleuropa 10 Jahre nach der EU-Erweiterung,
hg. v. Altmann, F. u. a., 2015; Keller, O., Transfer des mittelalterlichen
deutschen Rechts auf die östlich von Deutland liegenden Gebiet.
Habilitationssschrift BGU Minsk 2015 (russisch mit einer deutschen
Zusammenfassung)
Ostfalen ist im Mittelalter (im Gegensatz zu
Westfalen und Engern) der östliche Teil des Siedlungsgebiets der Sachsen (im
11. Jh. die Gegend um Hildesheim bis Magdeburg). Ihm entstammt der
→Sachsenspiegel.
Lit.: Rosenstock, E., Ostfalens Rechtsliteratur, 1912;
Meister, E., Ostfälische Gerichtsverfassung im Mittelalter, 1912; Ostfalen, hg.
v. Stellmacher, D., 2005; Der Raum Ostfalen, hg. v. Föllner, U. u. a., 2015
Ostfriesland
Lit.: His, R., Untersuchungen zu den älteren Rechtsquellen
Ostfrieslands, ZRG GA 57 (1937), 58; Agena, G., Grundbesitz, Beispruch und
Anerbenrecht in Ostfriesland, 1938; Engelberg, G., Ständerechte im
Verfassungsstaat, 1979; Wiemann, H., Materialien zur Geschichte der
ostfriesischen Landschaft, 1982; Kappelhoff, A., Die Münzen Ostfrieslands,
1982; Kappelhoff, B., Absolutistisches Regiment oder Ständeherrschaft ?, 1982;
Haefs, H., Ostfriesland, 2013 (Ortsnamen)
Ostgalizien →Galizien
Ostgötalagh ist das Rechtsbuch des
spätmittelalterlichen Rechtes der schwedischen Landschaft Östergötaland und
angrenzender Gebiete (u. a. Öland). Es ist in zwei vollständigen Handschriften
(1350, um 1600), einem Druck und verschiedenen Bruchstücken überliefert.
Vielleicht wird es zwischen 1286 und 1303 aufgezeichnet. Es beginnt mit dem
Christenrecht, dem Landfriedensrecht, Eherecht, Erbrecht, Verkehrsrecht,
Verfahrensrecht und Dorfrecht folgen. Die Gesetzgebungstätigkeit des Königs
ist jeweils unter Namensnennung verzeichnet. In der Mitte des 14. Jh.s wird das
O. in →Magnus Erikssons Landrecht (1347) verwertet.
Lit.: Westman, K., De svenska rättskällornas
historia, 1912; Strauch, D., Das Ostgötenrecht, 1971
Ostgote ist der Angehörige eines Teiles des
an der Völkerwanderung beteiligten germanischen Volkes der →Goten.
Vermutlich überliefert das (lat.) vielleicht nach König Theoderich dem Großen
(493-526) benannte →Edictum (N.) Theoderici (um 500) Recht der Ostgoten
und Römer. Im Kampf um Rom (551) werden die O. bis 555 vom oströmischen Kaiser
Justinian (527-565) weitgehend aufgerieben.
Lit.: Köbler, DRG 80, 87; Pflugk-Harttung, J., Die
Thronfolge im Reiche der Ostgoten, ZRG GA 10 (1889), 203; Amira, K./Eckhardt,
K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Vismara, G., Edictum Theoderici,
1967, (in) Ius Romanum medici aevi I 2 b aa; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972;
Köbler, G., Gotisches Wörterbuch, 1989; Stüven, A., Rechtliche Ausprägungen der
civilitas im Ostgotenreich, 1995; Vitiello, M., Momenti di Roma ostrogota,
2005
Ostgötenrecht →Ostgötalagh
Ostkolonisation →Ostsiedlung
Ostmark ist zu verschiedenen Zeiten eine
Bezeichnung für ein Grenzgebiet der Deutschen im Osten.
Lit.: Baltl/Kocher; Pfeifer, H., Die Ostmark,
1941
Ostpreußen ist das nach den baltischen Pruzzen
(um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung und Memelmündung
und Ostsee. Über den die Ostsiedlung betreibenden →Deutschen Orden
gelangt es 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1701 wird es als einziges voll
souveränes Land der Kurfürsten von →Brandenburg zur Keimzelle des
Königreichs →Preußen, indem der Kurfürst sich selbst zum König in Preußen
krönt. Seit dem späten 18. Jh. wird das Gebiet zur Abgrenzung vom von Polen erlangten
Westpreußen als O. benannt. 1945 bzw. 1990 kommt O. im Norden an die
Sowjetunion, im Süden an Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Merinlit,
W., Die fridericianische Verwaltung in Ostpreußen, 1956; Henning, F.,
Herrschaft und Bauernuntertänigkeit, 1964; Ost- und Westpreußen, bearb. v.
Stüttgen, D., 1975; Ambrassat, A., Die Provinz Ostpreußen, 1988; Groeben, K. v.
d., Das Land Ostpreußen, 1993; Kibelka, R., Ostpreußens Schicksalsjahre
1944-1948, 2000; Kossert, A., Ostpreußen, 2005; Lakowski, R., Ostpreußen 1944/45,
2016
Ostrakismus (M.) oder Scherbengericht ist die
(vor allem) in Athen seit dem 5. vorchristlichen Jh. (ca. 486 v. Chr.)
nachweisbare Abstimmung der Bürger auf Tonscherben über die zehnjährige Verbannung
eines die politische Ordnung gefährdenden Bürgers (durch einfache Mehrheit bei
mindestens 6000 Beteiligten).
Lit.: Ostrakismos-Testimonien I, hg. v. Siewert, P. u.
a., 2002
Ostrom ist die Bezeichung für die östliche
Hälfte des römischen Reiches (293/395) mit der Hauptstadt Konstantinopel (330)
bzw. →Byzanz. 1453 wird das stetig verkleinerte oströmische Reich von den
Türken (→Osmanen) erobert und als im osmanischen Reich aufgegangen
betrachtet, wobei der Sultan erst 1606 zur Anerkennung des westlichen
Kaisertums und nur unter dem Vorbehalt des Vorrangs Byzanzs bereit ist.
Lit.: Köbler, DRG 50, 76, 95; Regesten der
Kaiserurkunden des oströmischen Reiches von 565-1453, bearb. v. Dölger, F.,
Teil 1f. 1924 f.; Thorau, P., Von Karl dem Großen zum Frieden von Zsitva Torok,
HZ 279 (2004), 289; Identität und Zugehörigkeit im Osten der
griechisch-römischen Welt, hg. v. Coşkun, A. u. a., 2009; Ceccarelli
Morolli, D., Il diritto dell’impero romano d’oriente (in) kanonika 21 (2016) 1
Ostrowski, Teodor (1750-1802) wird nach dem
Studium der Theologie in Warschau Geschichts- und Naturrechtsdozent am dortigen
Adelskolleg. Er veröffentlicht 1784 ein eigenes Zivilrecht oder Sonderrecht der
polnischen Nation, legt 1786 eine Übersetzung der strafrechtlichen Teile von
→Blackstones Commentaries on the Law of England vor und beteiligt sich an
den Vorbereitungen zu einem Gesetzbuch →Polens.
Lit.: Zdrójkowski, Z., Teodor Ostrowski, 1956
Ostsee ist das zwischen Deutschland,
Polen, Russland, den baltischen Staaten und den skandinavischen Staaten
liegende, im Mittelalter vor allem von der Hanse beherrschte Meer.
Lit.: Mare Balticum, hg. v. Paravicini, W., 1992;
Geschichte und Perspektiven des Rechts im Ostseeraum, hg. v. Eckert, J. u. a.,
2002; Witt, J., Die Ostsee, 2009
Ostsiedlung oder Ostkolonisation ist die
hochmittelalterliche Siedlungsbewegung der Deutschen zwischen Elbe und
Weichsel. Sie beginnt im 12. Jh. und führt etwa 400000 Menschen in die nach der
Völkerwanderung von Slawen besetzten Gebiete. Mit nach Osten genommen wird das
deutsche (sächsische, lübische, magdeburgische) Recht. Eine wirtschaftliche
Folge der O. ist die Entstehung der →Gutsherrschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93;
Kaindl, R., Zur Geschichte des deutschen Rechtes im Osten, ZRG GA 40 (1919),
275; Kötzschke, R./Ebert, W., Geschichte der ostdeutschen Kolonisation, 1937;
Aubin, H., Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung, 1939; Ost, H., Die zweite
deutsche Ostsiedlung im Drage- und Klüddowgebiet, 1939; Krannhals, D., Die
Weichsel, 1942; Conrad, H., Die mittelalterliche Besiedlung des deutschen
Ostens und das deutsche Recht, (1955); Urkunden und Quellen zur deutschen
Ostsiedlung im Mittelalter, hg. v. Helbig, H. u. a., Bd. 1f. 1968ff.; Die
Ostsiedlung des Mittelalters als Problem der europäischen Geschichte, hg. v.
Schlesinger, W., 1975; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung, 1986; Dralle,
L., Die Deutschen in Ostmittel- und Osteuropa, 1991; Schulze, H., Siedlung,
Wirtschaft und Verfassung im Mittelalter, 2003; Ludwig, C., Die
nationalpolitische Bedeutung der Ostsiedlung in der Weimarer Republik, 2004; Die
bäuerliche Ostsiedlung des Mittelalters in Nordostdeutschland, hg. v.
Biermann, F. u. a., 2005; Ostsiedlung und Landesausbau in Sachsen, hg. v. Bünz,
E., 2008
Ostverträge sind die seit 1970 von der
sozialliberalen Regierung der Bundesrepublik Deutschland mit osteuropäischen
Staaten abgeschlossenen, dem Ausgleich dienenden Verträge (12. 8. 1970/23. 5.
1972 Moskauer Vertrag mit der →Sowjetunion, 7. 12. 1970 Warschauer
Vertrag mit →Polen, 21. 12. 1972/6. 6. 1973 Grundlagenvertrag mit der
→Deutschen Demokratischen Republik, 1974 Vertrag mit der
→Tschechoslowakei, 9. 10. 1975/12. 3. 1976 Rentenvereinbarung mit
→Polen).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246
Öttingen (Oettingen) (Grafschaft)
Lit.: Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, Einleitung v.
Grünenwald, E., 1975; Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Öttingen, hg. v.
Grünenwald, E., 1976 (76 Vasallenfamilien); Die ländlichen Rechtsquellen der
Grafschaft Oettingen, hg. v. Kiessling, R. u. a., 2005
Otto I. →Ottone
Otto Papiensis ist ein in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s in
Bologna als Schüler des Placentinus und Lehrer des Karolus de Tocco wirkender
Glossator (Glossen, Distinktionen, vielleicht Brocardica, Olim quidam
edebatur).
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 238
Otto IV.
Lit.: Otto IV. Traum vom welfischen Kaisertum, hg. v. Hucker, B. u. a.,
2009
Ottobeuren
Lit.: Die Urkunden des Reichsstiftes Ottobeuren 764-1460, bearb. v.
Hoffmann, H., 1991
Ottokar II. von Böhmen s. Böhmen
Ottone (Liudolfinger) ist
der Angehörige des frühmittelalterlichen, aus Sachsen kommenden deutschen
Herrschergeschlechts (919-1024, Heinrich I. 919-936, Otto I. 936-973, Otto II.
961-983, Otto III. 983-1002, Heinrich II. 1002-1024). Sein bedeutendster
Vertreter ist Otto I. (der Große, 23. 11. 912-7. 5. 973, König 936). Mit ihm
verbindet sich das wohl bereits ältere, karolingische Vorstellungen fortführende,
ottonische (ottonisch-Salische) →Reichskirchensystem, nach dem der
König die ihm wegen des Fehlens der Erblichkeit kirchlicher Ämter für die
Ausübung von Herrschaft vorteilhaft erscheinende Reichskirche zur Ausführung
weltlicher Herrschaftsaufgaben verwendet (Belehnung von Bischöfen mit Grafschaften)
und mit der dafür nötigen Personenauswahl in die inneren Angelegenheiten der
Kirche eingreift.
Lit.: Köbler, DRG 76, 85; Wenskus, R., Studien
zur historisch-politischen Gedankenwelt Bruns von Querfurt, 1956; Wolf, G.,
Über die Hintergründe der Erhebung Liudolfs von Schwaben, ZRG GA 80 (1963),
315; Santifaller, L., Zur Geschichte des ottonisch-salischen
Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Schmid, K., Die Thronfolge Ottos des Großen,
ZRG GA 81 (1964), 80; Bornscheuer, L., Miseriae regum, 1968; Otto der Große,
hg. v. Zimmermann, H., 1976; Beumann, H., Die Ottonen, 5. A. 2000; Fried, J.,
Otto III. und Boleslav Chrobry, 1989; Hlawitschka, E., Der Thronwechsel des
Jahres 1002 und die Konradiner, ZRG GA 110 (1993), 149; Görich, K., Otto III.
Romanus Saxonicus et Italicus, 1993; Althoff, G., Otto III., 1996;
Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u. a.,
1998; Eickhoff, E., Kaiser Otto III., 1999; Althoff, G., Die Ottonen, 2000, 2.
A. 2005; Bührer-Thierry, G., Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie,
1997; Ottonische Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2000; Keller, H.,
Die Ottonen, 2001; Laudage, J., Otto der Große, 2001, 2. A. 2009; Ottonische
Neuanfänge, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2001; Keller, H., Ottonische
Königsherrschaft, 2002; Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002, 2. A. 2008, 3.
A. 2010, 4. A. 2014; Giese, W., Heinrich I., 2008; Keller, H./Althoff, G., Die
Zeit der späten Karolinger und der Ottonen 888-1024, 2008; Becher, M., Otto der
Große, 2012; Otto der Große und das römische Rech, hg. v. Puhle, M. u. a.,
2012; Maclean, S., Ottonian Queenship, 2017
OVG →Oberverwaltungsgericht
Oxford an der Themse, vielleicht im 8. Jh.
begründet, 912 erstmals erwähnt, ist seit dem 12. Jh. Sitz der ältesten
englischen Universität (nach 1139). Von seinen in der Gegenwart etwa 45
Colleges ist das Merton College (1264) am ältesten, das Christ Church College
am größten.
Lit.: Köbler, DRG 100; Leef, G., Paris und
Oxford, 1963; Cobban, A., The Medieval English Universities, 1988; The History
of the University of Oxford, Bd. 1ff. 1984ff.; Sager, P., Oxford and Cambridge,
2003; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007,
156; Ark of Civilization – Refugee Scholars and Oxford University 1930-1945,
hg. v. Crwford, S. u. a., 2017
P
Paarformel ist die zweigliedrige, zu einer
Einheit verknüpfte Sprachformel, die durch Stabreim, Endreim, Rhythmus und
andere sprachliche Mittel verstärkt sein kann (z. B. Haus und Hof, Gut und
Blut, Mund und Halm). Nach Jakob →Grimm gehört die P. zu den ältesten
Schichten der von Anfang an poetisch gehaltenen Rechtssprache. Dies lässt sich
bei genauerer Untersuchung nicht als zutreffend erweisen. Vielmehr sind viele
Paarformeln erst spät und nicht häufig belegt und nicht besonders bedeutsam.
Der Gesamtbestand beruht vermutlich auf sehr unterschiedlicher Herkunft. In
der wissenschaftlichen Rechtssprache ist die P. selten.
Lit.: Grimm, J., Von der Poesie im Recht, Zeitschrift
für geschichtliche Rechtswissenschaft 2 (1816), 25; Dilcher, G., Paarformeln,
1961; Matzinger-Pfister, P., Paarformel, Synonymik und zweisprachiges Wortpaar,
1972; Baum, B., Der Stabreim im Recht, 1986
Pacht (Wort 867 belegt, Pachtvertrag 1784/1794, zu
lat. pactum [N.] Vereinbarung) ist der gegenseitige Vertrag, in
dem sich der eine Teil (Verpächter) verpflichtet, dem anderen Teil (Pächter)
den Gebrauch des gepachteten Gegenstands und den Genuss der Früchte, soweit sie
nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft als Ertrag anzusehen sind,
während der Pachtzeit zu gestatten, und der andere Teil sich verpflichtet, den
vereinbarten Pachtzins zu zahlen. Die P. ist den Römern als Fall der (lat.)
locatio (F.) conductio rei bekannt. Ihr entsprechen im Frühmittelalter im
Ergebnis die verschiedenen Formen der (bäuerlichen) →Leihe von
Grundstücken. Seit dem 13./14. Jh. finden sich immer mehr freie
Landpachtverhältnisse unter unterschiedlichen Bezeichnungen. Mit der Aufnahme
des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird auch die P. aufgenommen.
Seit dem 16. Jh. setzt sich dabei die Bezeichnung P. durch. Zeitweise wird dann
die P. als dingliches Recht angesehen. Sonderfälle sind Landpacht und
Jagdpacht.
Lit.: Kaser § 42 I II; Söllner § 9; Hübner 582;
Kroeschell, DRG 2, 139; Köbler, DRG 127; Brünneck v., Zur Geschichte der Miete
und Pacht, ZRG GA 1 (1880), 138; Scherner, K., Zur Pacht im Frankenspiegel, FS
J. Bärmann, Bd. 2 1967, 208; Schubert, W., Zur Entwicklung und Reform des
Landpachtrechts, ZRG GA 108 (1991), 237; Hackenberg, M., Die Verpachtung von
Zöllen und Steuern, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Pacta (N.Pl.) sunt servanda (lat.) ist der im
mittelalterlichen Kirchenrecht formulierte Rechtssatz, nach dem Verträge
grundsätzlich zu halten sind. Demgegenüber geht das römische Recht anfangs
davon aus, dass aus einem einfachen Vertrag grundsätzlich nicht geklagt werden
kann (lat. ex nudo pacto actio non oritur, aus einer bloßen Vereinbarung
entsteht kein Klaganspruch). Allerdings mehren sich bereits im Altertum die
hiergegen zugelassenen Ausnahmen. Die Kirche zieht dagegen schon früh den
Standpunkt vor, dass ein gegebenes Wort nur unter besonderen Voraussetzungen
nicht eingehalten zu werden brauche, so dass man auch aus einem einfachen
Versprechen klagen können müsse. Seit der frühen Neuzeit setzt sich der
kirchliche Standpunkt gegenüber dem römischen Grundsatz durch. Dem pflichten
auch die Vertreter naturrechtlicher Überlegungen bei.
Lit.: Söllner § 9; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 126; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223,
Digesten 2, 14, 7 § 7, vgl. Gregor IX., um 1170-1241, Dekretalen, 1, 35, 1
Summarium); Dilcher, H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG
RA 77 (1960), 270; Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975, 100;
Feenstra, R./Ahsmann, M., Contract, 1980
pactio (lat. [F.]) Abrede, Vereinbarung
Lit.: Söllner §§ 9, 18; Leisching, P., Die Ehe als
pactio und societas, FS W. Plöchl, 1977, 117
Pactum (lat. [N.]) ist seit dem römischen
Recht eine Bezeichnung für die formlose, keinem anerkannten Typ entsprechende
und deswegen als solche nicht einklagbare, aber gegebenenfalls einredeweise
geltend machbare Vereinbarung (pactum nudum, bloße Vereinbarung), für die
allgemeine Regeln erst später entwickelt werden. Pactum adiectum ist die
(formlose) Nebenvereinbarung. →pacta sunt servanda
Lit.: Kaser §§ 5 II, 38 III, 52 II 1, 53 I 3a; Söllner
§§ 8, 9, 18; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 62, 126, 163; Köbler, G.,
Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Hohlweck, M., Nebenabreden: pacta, 1996;
Pacte, convention, contrat, hg. v. Dufour, A., 1998
pactum (N.) adiectum (lat.) Nebenabrede
Lit.: Kaser §§ 33 IV 3, 38
pactum (N.) de non petendo (lat.)
(formloser) Erlass
Lit.: Kaser §§ 53 II 3b, 56; Söllner §§ 9, 18
pactum (N.) fiduciae (lat.) Treuabrede,
welche die Wirkungen eines an sich weiterreichenden Geschäfts einschränkt
Lit.: Kaser § 24 II 2, 31
Pactum (N.) legitimum ist die jüngere
Bezeichnung für das von Justinian (527-565) klagbar gemachte unentgeltliche
Leistungsversprechen (Mitgift, Schenkung).
Lit.: Kaser §§ 38 II 1, 47, 59
Pactum
(lat. [N.]) mutuae successionis
ist der nach dem Tode des kinderlosen letzten Habsburgers der spanischen Linie
(1700) 1703 zwischen Kaiser Leopold I. und seinen Söhnen Joseph (I. ) und Karl
(VI.) geschlossene, zunächst geheim gehaltene Hausvertrag, in dem Leopold und
Joseph zu Gunsten Karls auf das Erbe der spanischen Liinie Habsburgs
verzichten. Nachdem Joseph 1711 unter Hinterlassung zweier Töchter verstirbt,
ist Karl der letzte männliche Habsburger. Deswegen wird am 19. April 1713 vor
einigen geheimen Räten der Inhalt des pactum verlesen. Nach ihm sollten die
Länder untrennbar und unteilbar sein. Außerdem sollte bei dem Tode des letzten
männlichen Habsburgers (Karl) die weibliche Erbfolge seiner Töchter (u. a.
Maria Theresia) eintreten. Zwischen 1720 und 1725 erreicht Karl VI. die
Anerkennung des Hausgesetzes durch die Länder und Herrschaften, zwischen 1725
und 1735 der europäischen Mächte einschließlich des Reichstags.
Lit.: Die Pragmatische Sanktion, hg. v. Turba, G.,
1913, 30
pactus (lat. [M.] Nebenform zu pactum)
Vereinbarung
Pactus (M.) Alamannorum (lat.) ist die
bruchstückhaft überlieferte Fassung des alemannischen Volksrechts (Vereinbarung
der Alemannen) von etwa 600 n. Chr., dem zu Beginn des 8. Jh.s die (lat.) Lex
(F.) Alamannorum nachfolgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler DRG 81; Amira,
K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Schott, C., Wie
alemannisch sind Pactus und Lex Alamannorum (in) Antike im Mittelalter, hg. v.
Brather, S. u. a., 2014, 167
Pactus (M.) legis Salicae (Vereinbarung des salfränkischen
Rechtes) ist die älteste, 65 Titel enthaltende Fassung der Lex Salica
(507/511?).
Lit.: Köbler, DRG 80, 84; Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Köbler, G.,
Wörterverzeichnis zu den Leges Francorum, 1979
Pactus (M.) pro tenore pacis
(Vereinbarung über den Lauf des Friedens) ist das der (lat.) Lex (F.) Salica
angefügte merowingische Kapitular vermutlich der merowingischen Könige
Childebert I. und Chlothar I. betreffend die Verfolgung von Unrechtserfolgen.
Lit.: Capitularia regum Francorum, hg. v.
Boretius, A., 1883, 3; Rietschel, S., Der Pactus pro tenore pacis, ZRG GA 27
(1906), 253; Brunner, H., Über das Alter der Lex Salica und des Pactus pro
tenore pacis, ZRG GA 29 (1908), 136; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches
Recht, Bd. 1 4. A. 1960
Paderborn an den Quellen der Pader ist
wahrscheinlich seit 800 Sitz eines Bischofs. Von 1614 bis 1819 ist es Sitz
einer Universität.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Aubin, H., Die
Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn, 1911; Honselmann, K., Von
der carta zur Siegelurkunde, 1939; Henning, F., Herrschaft und Bauernuntertänigkeit,
1964; Die Urkunden des Bistums Paderborn 1301-1325 (Westfälisches Urkundenbuch
9); Bannasch, H., Das Bistum Paderborn unter den Bischöfen Rethar und Meinwerk
(983-1036), 1972; Balzer, M., Untersuchungen zur Geschichte des Grundbesitzes
in der Paderborner Feldmark, 1977; Brandt, H. u. a., Das Erzbistum Paderborn,
1989; Das Hochstift Paderborn, hg. v. Drewes, J., 1997; Paderborn, hg. v.
Göttmann, F. u. a., Bd. 1ff. 1999; Brandt, H. u. a., Das Bistum Paderborn im
Mittelalter, 2001; Archäologie als Quelle der Stadtgeschichte, hg. v. Kroker,
M. u. a., 2009; Ströhmer, M., Jurisdiktionsökonomie im Fürstbistum Paderborn –
Institutionen – Ressourcen – Transaktionen (1650-1800), 2013; Die Academia
Theodoriana, hg. v. Schlochtern, Josef Meyer zu, 2014; Süss, T., Partikularer
Zivilprozess und territoriale Gerichtsverfassung, 2017
Padua westlich Venedigs, seit 1164
Stadtkommune, ist seit 1222 Sitz einer von Bologna abgespalteten Universität.
1405 fällt es an Venedig, 1797 mit diesem an →Österreich und 1866 an
→Italien.
Lit.: Belloni, A., Professori giuristi a Padova nel
secolo XV, 1986; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33; Tjarks, S.,
Das venezianische Stadtrecht Paduas von 1420, 2012
Paenitentia (F.) Reue
Lit.: Riechelmann, A., Paenitentia, 2005
Paenitentiale (N.) Cummeani ist die in Irland vielleicht in der ersten
Hälfte des 7. Jh.s von Cummean verfasste Sammlung von Bußsätzen.
Lit.: Kottje, R., Das älteste Zeugnis für das Paenitentiale Cummeani,
DA 61 (2005), 585
Paenitentiale (N.) Theodori (lat.) ist die in
verschiedenen Fassungen verbreitete Sammlung von Bußsätzen, die dem in Kilikien
geborenen Erzbischof Theodor von Canterbury (669-690) zugeschrieben wird.
Lit.: Finsterwalder, P., Die Canones Theodori
Cantuariensis, 1929; Kottje, R., Überlieferung und Rezeption der irischen
Bußbücher, (in) Die Iren in Europa, hg. v. Löwe, H., 1982, 519; Payer, P., Sex
and the Penitentials, 1984
pagus (lat. [M.]) Gau
Pairsgericht (lat. iudicum [N.] parium) ist seit
dem Mittelalter (Frankreich 12. Jh.) das →Ebenbürtigkeit voraussetzende
Gericht der Standesgenossen. →Magna Charta libertatum
Lit.: Köbler, DRG 110, 120; Buchner, M., Die
Entstehung der Erzämter, 1911; Mayer, E., Pairs, ZRG GA 41 (1920), 376
Paläographie (F.) Wissenschaft der älteren
Handschriften
Lit.: Bischoff, B., Paläographie des römischen
Altertums und des abendländischen Mittelalters, 1979, 4. A. 2009; Prou, M.,
Manuel de paléographie latine et française, 1890; Mazal, O., Lehrbuch der
Handschriftenkunde, 2. A. 1986; Hoffmann, H., Bernhard Bischoff und die
Paläographie des 9. Jahrhunderts, DA 55 (1999), 549; Schneider, K.,
Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten, 1999; Foerster, H.,
Abriss der lateinischen Paläographie, 3. A. 2004; Eckhardt, H. u. a.,
Paläographie - Aktenkunde - Archivalische Textsorten, 2005Palatinus ist
der Hügel in Rom, auf dem der römische Prinzeps Augustus (44 v.-14 n. Chr.) und
viele seiner Nachfolger ihren Sitz nehmen. →Pfalz
Lit.: Haugwitz, E. Graf v., Der Palatin, 1901; Brühl,
C., Palatium, Bd. 1ff. 1975ff.
palatium (lat. [N.]) Palast, Pfalz
Lit.: Brühl, C., Palatium und civitas, 1975; Palast und Stadt im severischen
Rom, hg. v. Sojc, N., 2013
Palermo in Nordsizilien wird als Panormus
von den Puniern gegründet. 254 v. Chr. fällt es an die Römer, 831 n. Chr. an
die Sarazenen, 1072 an die Normannen. Unter den Bourbonen erhält es 1781 eine
Universität. 1861 kommt P. zu Italien. →Panormitanus
Palimpsest (N.) Wiederabgeschabtes (und erneut
beschriebenes Pergament)
Lit.: Hoeflich, M., Law beyond Byzantium, ZRG GA 104 (1987), 261; Early
Medieval Palimpsests, hg. v. Declercq, G., 2007
Pandekten ([F.Pl.] Allesumfassendes) ist der
griechische Name der →Digesten.
Lit.: Kaser; Söllner § 22; Köbler, DRG 50, 53, 80;
Glück, C., Ausführliche Erläuterung der Pandekten, Bd. 1ff. 1797ff.; Bluhme,
F., Die Ordnung der Fragmente in den Pandektentiteln, Zeitschrift für
geschichtliche Rechtswissenschaft 4 (1818), 257; Bekker, E., System des
heutigen Pandektenrechts, Bd. 1f. 1886ff., Neudruck 1978; Windscheid, B.,
Lehrbuch des Pandektenrechts, Bd. 1ff. 1862ff., 7. A. 1891; Bauer, A., Libri
Pandectarum, Bd. 1 2005; Troje, H., Crisis digestorum. Studien zur historia
pandectarum, 2011
Pandektensystem ist die systematische Gliederung
des Privatrechts (der römischen, [aber] naturrechtlich geordneten Pandekten)
in grundsätzlich fünf Teile. Das P. geht vom Institutionensystem (Personen, Sachen,
Klagansprüche) aus, fasst bestimmte allgemeine Begriffe mit dem Personenrecht
zu einem allgemeinen Teil zusammen und verselbständigt die schlecht
einzugliedernden Materien des Familienrechts und des Erbrechts. Es wird auf
Grund des naturrechtlichen Systemdenkens (→Pufendorf, Dabelow,
Nettelbladt) von Gustav →Hugo (Institutionen des heutigen römischen
Rechtes, 1789) angeregt, von Georg Arnold Heise in seinem Grundriss des
Systems des gemeinen Zivilrechts zum Behuf von Pandektenvorlesungen (1807) ausgeführt,
durch →Savigny, der ihm in seiner Pandektenvorlesung folgt, allgemein
verbreitet und als erstem Gesetz im privatrechtlichen Gesetzbuch für den Kanton
Zürich von 1853ff. und danach im Bürgerlichen Gesetzbuch Sachsens (1863)
aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 206; Schwarz, A., Zur Entstehung des modernen Pandektensystems, ZRG RA 42
(1921), 578
Pandektenwissenschaft →Pandektistik
Pandektistik (Pandektenwissenschaft) ist die
Wissenschaft vom den Pandekten entnommenen römischen Privatrecht im 19. Jh.
Ihre Grundgedanken finden sich bei →Savigny (Privatautonomie [Kant],
Grundsätze, widerspruchsfreies System, Vorrang der Wissenschaft). Das
Hauptwerk stammt von Georg Friedrich →Puchta (1798-1846), der darin eine
zusammenfassende Darstellung der gesamten Regeln des Privatrechts auf der
Grundlage auch der nichtrömischen Quellenbereiche als dem Gegenstand nicht
angemessen ablehnt. Ungeklärt ist die Frage, ob die P. eher der Beibehaltung
des Überkommenen gedient hat oder der freiheitlichen Veränderung. Die P. wirkt
sich auch auf die Schweiz, Österreich und England aus. Mit dem Inkrafttreten
des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen Reichs (1900) verliert sie an
Bedeutung gegenüber Gesetzespositivismus und Zweckjurisprudenz.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 3, 25; Kroeschell,
DRG 3; Köbler, DRG 186, 188, 205; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wilhelm, W., Zur juristischen Methodenlehre im 19.
Jahrhundert, 1958; Wieacker, F., Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung,
1974; Wissenschaft und Kodifikation im 19. Jh., hg. v. Coing, H. u. a., Bd.
1ff. 1974ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen
Jurisprudenz“, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981; Polay, E., Ursprung,
Entwicklung und Untergang der Pandektistik, 1981; Brauneder, W.,
Privatrechtsfortbildung durch Juristenrecht, ZNR 1983, 22; Wagner, H., Die
politische Pandektistik, 1985; Wie pandektistisch war die Pandektistik?, hg. v.
Haferkamp, H. u. a. 2017
Paneuropa (Ganzeuropa) ist der Name einer in Wien 1923
von Richard Coudenhove-Kalergi begründeten Bewegung zur friedlichen
Vereinigung aller europäischen Demokratien. Sie nimmt gedanklich die
europäischen Gemeinschaften in gewisser Weise voraus.
Lit.: Coudenhove-Kalergi, Paneuropa, 1923; Ziegerhofer-Pretterthaler,
A., Botschafter Europas, 2004
Panisbrief ist das seit dem 14. Jh. (21. 1.
1360) nachweisbare Schreiben, in dem der Kaiser des Heiligen römischen
Reiches einem Laien das Recht verleiht,
lebenslänglich von einer kirchlichen Anstalt mit Unterhaltsleistungen versorgt
zu werden.
Lit.: Hirschmann, H., Vom kaiserlichen Recht der
Panisbriefe, Diss. jur. Marburg 1973
Pankarte (lat. [F.] pancarta) ist nach
spätantiken Ansätzen seit der Mitte des 9. Jh.s die frühmittelalterliche
Urkunde, mit der nach Verlust von Urkunden allgemein der bisherige Besitzstand
bestätigt wird.
Lit.: Zeumer, K., Über den Ersatz verlorener Urkunden
im fränkischen Reiche, ZRG GA 1 (1880), 89
Pannonien ist das zwischen Alpen, Donau und
Save gelegene, 14-9 v. Chr. von den Römern unterworfene Gebiet, das in der
Völkerwanderung zunächst von germanischen Stämmen, danach von Awaren bzw.
→Ungarn erobert wird.
Lit.:
Kovács, P., A History of Pannonia in the Late Roman Period I (284-363 AD), 2016
Panormitanus (lat. [Adj.]) von Palermo,
→Nikolaus de Tudeschis
Papianus ist die ältere, auf einem
Missverständnis der Zusammengehörigkeit von Stücken von Handschriften beruhende
Bezeichnung der →Lex Romana Burgundionum.
Papinianus, Aemilius (Afrika ? um 150-Rom
212), vielleicht Schüler und Nachfolger (als lat. advocatus [M.] fisci) des
Cervidius Scaevola, wird unter dem mit ihm eng befreundeten Kaiser Septimius
Severus (193-211) (lat.) assessor (M.) der Gardepräfekten, Leiter einer kaiserlichen
Kanzlei (lat. magister [M.] libellorum) und (203-212) Gardepräfekt (mit Paulus
und Ulpian als Assessoren). Seine bedeutendsten Werke sind 37 Bücher (lat.)
quaestionum (Fragen, vor 208) und 19 Bücher (lat.) responsorum (Antworten,
204-212), die durch Kürze, Scharfsinnigkeit und Eigenständigkeit ausgezeichnet
sind. 212 wird P. von Kaiser Caracalla wegen des Hinweises, ein Brudermord
lasse sich leichter begehen als rechtfertigen, hingerichtet. Nach dem Zitiergesetz
von 426 soll bei Stimmengleichheit der sog. Zitierjuristen P. den Ausschlag
geben. In den Digesten stehen (mehr als 600) Auszüge aus Schriften des P. so,
dass sie den Studierenden des dritten Jahrgangs treffen.
Lit.: Söllner §§ 5, 16, 19; Köbler, DRG 30, 52;
Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967,
224; Argumenta Papiniani, hg. v. Harke, J., 2013
Papirius ist der römische Oberpriester (lat.
[M.] pontifex), der am Ende des 6. Jh.s zweifelhafte Königsgesetze als (lat.)
ius (N.) Papirianum (Recht des Papirius) veröffentlicht haben soll, von dem
aber sonst nichts bekannt ist.
Lit.: Söllner § 5; Köbler, DRG 17; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Papirius, Iustus, ist der römische Jurist
der zweiten Hälfte des 2. Jh.s n. Chr., der Entscheidungen, Antworten,
Dienstanweisungen und Festsetzungen (Konstitutionen) der Kaiser in 20 Büchern
gesammelt haben soll, von denen 18 Bruchstücke in den Digesten aufgenommen
werden.
Lit.: Köbler, DRG 31; Der Kleine Pauly, hg. v.
Ziegler, K. u. a., Bd. 4 1975, 493
Papst ist im katholischen Kirchenrecht
der Träger der obersten Gewalt der Kirche mit Sitz im Vatikan in Rom (Heiliger
Stuhl). Der Titel P. (lat. papa) ist seit der zweiten Hälfte des 4. Jh.s für
den Bischof von Rom als den Nachfolger des Apostels Petrus bezeugt. Seit dem 5.
Jh. wird er ihm allmählich vorbehalten. 1075 bestimmt P. Gregor VII. im (lat.)
→Dictatus (M.) papae, dass der Titel P. nur dem Bischof von Rom zustehe.
Als oberster Hirte der Kirche ist der P. Bischof von Rom. Seit dem Ende des 5.
Jh.s sieht der P. sich als eine der beiden nebeneinander stehenden Gewalten.
751 verbindet sich der karolingische König mit ihm. Die Kanzlei des Papstes ist
der bedeutendste Urkundenaussteller des europäischen Mittelalters (aus der
Zeit zwischen 753 und 1197 etwa 25000 Papsturkunden [etwa 50 pro Jahr]
überliefert, aus der Zeit zwischen 1197 und 1250 etwa 28000 [etwa 500 pro
Jahr]). Zwischen 1046 und 1058 werden vier deutsche Reichsbischöfe und der aus
dem deutschen Reichsteil stammende Abt Friedrich von Montecassino nacheinander
Papst. 1054 trennt sich der Patriarch von Konstantinopel mit der
griechisch-orthodoxen Ostkirche von der Herrschaft des Papstes in Rom. Infolge
der ottonisch-salischen Reichskirchenpolitik und kirchlicher Reformüberlegungen
kommt es seit 1073/1075 zum →Investiturstreit und weiteren Auseinandersetzungen
zwischen Kaiser und P. Der in deren Gefolge vom P. zu Hilfe gerufene König von
Frankreich verbringt den P. von 1309 bis 1376 nach Avignon. 1517 löst Martin
Luther die Spaltung der Kirche in Katholiken und Protestanten aus, auf die der
P. u. a. mit der →Gegenreformation reagiert. Der Abwendung von der
Kirche infolge von Aufklärung und Liberalismus stellt der P. 1869/1870 das
Unfehlbarkeitsdogma entgegen. Die Aufhebung des Kirchenstaats (am 20. 9. 1870)
durch das Königreich →Italien beschneidet seine weltlichen Möglichkeiten.
Die Leitungsgewalt des Papstes ist eine Höchstgewalt und eine unmittelbare
universale Vollgewalt. Gewählt wird der P. im sog. Konklave von den dazu
berechtigten Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben
dürfen. Wählbar ist jeder katholische Christ. Erforderlich ist grundsätzlich
eine Zweidrittelmehrheit (bis zum 28. Wahlgang). Seit 1389 werden nur Kardinäle
gewählt. Der 269. P. (Johannes Paul II.) und der 270. Papst (Benedikt XVI.)
sind seit langem die ersten Nichtitaliener.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93, 109, 129;
Weyl, R., Die Beziehungen des Papsttums zum fränkischen Staats- und
Kirchenrecht unter den Karolingern, 1892; Domeier, V., Die Päpste als Richter
über die deutschen Könige, 1897, Neudruck 1969; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Becker, A., Papst Urban II. (1088-1099),
Bd. 1ff. 1964ff.; Päpste und Papsttum, hg. v. Denzler, G., Bd. 1ff. 1971ff.;
Fritze, W., Papst und Frankenkönig, 1973; Köck, H., Die völkerrechtliche
Stellung des Heiligen Stuhles, 1975; Drabek, A., Die Verträge der fränkischen
und deutschen Herrscher mit dem Papsttum, 1976; Fuhrmann, H., Von Petrus zu
Johannes Paul II., 2. A. 1984; Zimmermann, H., Das Papsttum im Mittelalter,
1981; Fichtinger, C., Lexikon der Heiligen und Päpste, 1983; Schatz, K., Der
päpstliche Primat, 2000; Frenz, T., Papsturkunden, 2. A. 2000; Schimmelpfennig,
B., Das Papsttum, 4. A. 1996; Fischer-Wollpert, R., Lexikon der Päpste, 2. A. 1988; Wucher,
A., Von Petrus zu Paul, 1997; Zapperi, R., Die vier Frauen des Papstes, 1997;
Fuhrmann, H., Die Päpste, 1998; Papstregesten, 1, 2, 5, hg. v. Zimmermann, K.,
1998; Duffy, E., Die Päpste, 1999; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen,
hg. v. Herde, P. u. a., 1999; Weber, C., Genealogien zur Papstgeschichte, 1999;
Miethke, J., De potestate papae, 2000; Hirschmann, S., Die päpstliche Kanzlei
und ihre Urkundenproduktion (1141-1159), 2001; Jasper, D./Fuhrmann, H., Papal
letters in the Early Middle Ages, 2001; Das Papsttum in der Welt des 12.
Jahrhunderts, hg. v. Hehl, E. u. a., 2002; Hundert Jahre
Papsturkundenforschung, hg. v. Hiestand, R., 2003; Fuhrmann, H., Die Päpste,
2004; Johrendt, J., Papsttum und Landeskirchen im Spiegel der päpstlichen
Urkunden (896-1046), 2004; Schwaiger, G./Heim, M., Kleines Lexikon der Päpste,
2005; Reinhardt, V., Der unheimliche Papst. Alexander VI. Borgia (1431-1503),
2005; Krafft, O., Papsturkunde und Heiligsprechung, 2005; Böhmer, J., Regesta
imperii. Papstregesten, 2006ff.; Frühe Papsturkunden (891-1054), hg. v. Fees,
I. u. a., 2006; Scholz, S., Politik – Selbstverständnis – Selbstdarstellung.
Die Päpste in karolingischer und ottonischer Zeit, 2006; Papsturkunden der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts, hg. v. Fees, I., 2007; Erdmann, J., Quod
non est in actis, 2007; Hack, A., Codex Carolinus, 2006f.; Gresser, G., Clemens
II., 2007; Eigenbild im Konflikt, hg. v. Matheus, M. u. a., 2008; Hägermann,
D., Das Papsttum am Vorabend des Investiturstreits, 2008; Schrör, M.,
Metropolitangewalt und papstgeschichtliche Wende, 2009; Papsturkunden des
frühen und hohen Mittelalters. Äußere Merkmale - Konservierung - Restaurierung,
hg. v. Fees, I. u. a., 2009; Goez, E., Papsttum und Kaisertum im Mittelalter,
2009; Mierau, H., Kaiser und Papst, 2010; Frenz, T., Das Papsttum im
Mittelalter, 2010; Esch, A., Wahre Geschichten aus dem Mittelalter, 2010;
Kerner, M./Herbers, K., Die Päpstin Johanna, 2010; Papsturkunden des 12. Jahrhunderts
- Feierliche Privilegien, hg. v. Fees, I. u. a., 2010; Papsturkunden des 12.
Jahrhunderts - Einfache Privlegien und Litterae, hg. v. Fees, I. u. a., 2010;
Reinke, S., Kurie - Kammer - Kollektoren, 2011; Papsturkunden des frühen und
hohen Mittelalters, hg. v. Fees, I., 2011; Schima, S., Papsttum und
Nachfolgerbestellung, 2011; Gegenpäpste, hg. v. Müller, H. u. a., 2012; Ganzer,
K., Der päpstliche Primat und das römische Kaiserrecht, 2012; Laudage, C.,
Kampf um den Stuhl Petri, 2012; Sessa, K., The Formation of Papal Authority in
Late Antiwuity Italy, 2012; Das begrenzte Papsttum, hg. v. Herbers, K. u. a.,
2013 (Tagungsband); Heather, P., Die Wiedergeburt Roms. Päpste, Herrscher und
die Welt des Mittelalters, 2014; Gießmann, U., Der letzte Gegenpapst – Felix
V., 2014; Gantner, C., Freunde Roms und Völker der Finsternis, 2014; Eich, P.,
Gregor der Große, 2015; Johannew Paul II. – Gesetzgeber der Kirche, 2017;
Reinhardt, V-. Pontifey, 2017
Papstwahldekret ist
das Dekret Papst Nikolaus’ II. von 1059, nach dem Päpste nur durch
Kardinalbischöfe zu wählen sind.
Lit.: Schima, S., Papsttum und Nachfolgebeeinflussung,
2011
Papyrus ist der aus dem Mark eines
Riedgrases (Papyrusstaude) in Ägypten hergestellte beschreibbare Stoff. Die
älteste erhaltene Papyrusrolle stammt von etwa 3000 v. Chr. Vom 4. Jh. (332) v.
Chr. bis zum 7. Jh. (641) n. Chr. werden in Ägypten zahlreiche, seit dem späten
18. Jh. allmählich in Europa bekannt werdende Papyrusurkunden hergestellt.
Seit dem Frühmittelalter wird P. als Beschreibstoff von dem auch bei höherer
Luftfeuchtigkeit dauerhaften Pergament und seit dem 11. Jh. n. Chr. von dem
billigeren und leichteren Papier verdrängt. Aus dem Mittelalter sind nur wenig
mehr als 100 Papyrusurkunden erhalten.
Lit.: Tjäder, O., Die nichtliterarischen lateinischen
Papyri Italiens, Bd. 1ff. 1955ff.; Seidl, E., Ptolomäische Rechtsgeschichte, 2.
A. 1962; Seider, R., Paläographie der griechischen Papyri, Bd. 1ff. 1967ff.;
Seider, R., Paläographie der lateinischen Papyri, Bd. 1ff. 1972ff.; Rupprecht,
A., Kleine Einführung in die Papyruskunde, 1994; Wesel, U., Geschichte des
Rechts, 3. A. 2006; Wolff, H., Vorlesungen über juristische Papyrusurkunde, hg.
v. Wolf, J., 1998
Paradies ist nach biblischer Ansicht der Lebensraum des
Menschen zwischen Schöpfung und Sündenfall, in dem das Recht noch keine
tatsächliche Bedeutung hat, weil der Mensch es (zunächst) nicht bricht.
Lit.: Krauss, H., Das Paradies, 2004; Scafi, A., Die Vermessung des
Paradieses, 2015
Paragraph (§) ist (das Zeichen für) ein(en)
Abschnitt hauptsächlich eines Gesetzes. Die Herkunft des Zeichens ist streitig
(aus c bzw. cc für [lat.] capitulum [N.] bzw. capitulum capituli?).
Lit.: Köbler, DRG 107, 140; Weidmüller, W.,
Paragraphzeichen, Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel, Frankfurter Ausgabe 22 (1966),
2041; Harder, M., Der Paragraph, (in) Tradition und Fortentwicklung im Recht,
hg. v. Slapnicar, K., 1991
Parangaria (lat. [F.]) ist eine mittelalterliche
Abgabe.
Parapherna (lat.) sind im spätrömischen Recht
Ausstattungsgegenstände.
Lit.: Kaser § 59 IV; Köbler, DRG 58
Paraveredus (lat. [M.]) (Postnebenpferd) ist
eine frühmittelalterliche Leistungsverpflichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Dannenbauer, H., Paraveredus
- Pferd, ZRG GA 71 (1954), 55
Parentel (1496) ist die von einem Stammelternpaar und deren
Abkömmlingen gebildete Familienschaft. Dabei stammt die erste P. (Linie) vom
Erblasser, die zweite von seinen Eltern, die dritte von seinen Großeltern u. s. w. Jede vorgehende P. schließt die
nachfolgende aus. Innerhalb einer P. entscheidet die Nähe des Verwandtschaftsgrads,
doch ist das Eintrittsrecht anerkannt. Nach einer Ansicht ist das Denken in
Parentelen germanistischer Herkunft. Dem steht allerdings die
Uneinheitlichkeit der Gesamtheit der späteren Quellen gegenüber. Systematisch
entwickelt sind die Parentelen 1740 von →Darjes (1717-1791). In Ablehnung
anderer erbrechtlicher Vorstellungen (Vierklassensystem Justinians,
Dreiliniensystem u. a.) nimmt Joseph II. das Parentelensystem
(Linealgradualordnung) mit 6 Parentelen bezüglich des freivererblichen
Vermögens in sein Erbfolgepatent von 1786 auf und bewirken Martini und Horten
die Aufnahme der P. in das österreichische →Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch von 1811/1812 (1914 Grenze bei Urgroßeltern). Auch das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (18961900) und das Schweizer Zivilgesetzbuch
(1907/1911) entscheiden sich für die P. Dem entspricht im Ergebnis auch der
amerikanische Uniform Probate Code von 1969/1975.
Lit.: Köbler, DRG 123, 162, 210; Darjes, J.,
Institutiones jurisprudentiae universales, 1740; Majer, J., Germaniens
Urverfassung, 1798; Wesener, G., Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge, 1970, 41; Mertens, H., Überlegungen zur Herkunft des Parentelensystems,
ZRG GA 90 (1973), 149; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Parentelensystem →Parentel
Paris an der Seine, 54 v. Chr. als
Lutetia erstmals erwähnt, ist der Hauptort der keltischen Parisier, den die
merowingischen Herrscher der →Franken übernehmen (u. a. 614 Edikt von P.
Chlothars II.). Mit der Durchsetzung der Grafen von P. 987 als Könige des westfränkischen
Reiches wird der Grund für P. als Hauptstadt Frankreichs gelegt. 1219 wird das
wohl kurz zuvor im frühen 12. Jahrhundert (Ludwig VI. 1108-1137) aufgenommene
Studium des Rechtes in P. vom Papst erfolglos untersagt. 1250 wird das
Parlament de Paris als Obergericht des Königs sichtbar. Die coutumes von P.
erlangen besondere Bedeutung. Mit dem Sturm auf die Bastille in P. beginnt 1789
die französische Revolution. 1814 und 1815 werden nach den Niederlagen
Napoleons Friedensverträge von P. geschlossen. 1871 versucht die Pariser
Kommune (18. März-28. Mai) erfolglos die Beseitigung des zentralistischen
bürgerlichen Staates. Nach dem ersten Weltkrieg werden in den Vororten von P.
1919 und 1920 Friedensverträge abgeschlossen (Versailles 28. 6. 1919 mit Deutschland,
Saint Germain 10. 9. 1919 mit Österreich u. a.).
Lit.: Köbler, DRG 100; Bourjon, F., Le droit commun de
la France et la coutume de Paris, 1747; Glasson, E., Le parlement de Paris,
1901; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte in Paris, 1911; Martin, O., Histoire
de la coutume de la Prévôté et Vicomté de Paris, Bd. 1f. 1922ff.; Martin, O.,
La coutume de Paris, 1925; Lemercier, P., Les justices seigneuriales de la
région Parisienne, 1933; Leff, G., Paris and Oxford, 1968; Hartig, I., Die
Pariser Kommune, 1871; Nève, P., Recent work on the superior courts, The Irish
Jurist, 23 (1988), 129; Paris, Génèse d’un paysage, 1989; Geschichte der
Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993; Lange, H., Römisches
Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Sälter, G., Polizei und soziale Ordnung in
Paris, 2004; Carbonnières, L. de, La procédure devant la chambre criminelle du
Parlement de Paris au XIVe siècle, 2004; Kouamé, T., Le collège de
Dormans-Beauvais, 2005; Sohn, A., Von der Residenz zur Hauptstadt, 2012; Merriman,
J., Massacre – The Life and Death of the Paris Commune of 1871, 2014;
Münchhausen, T. v., 72 Tage. Die Pariser Kommune 1871 – die erste Diktatur des
Proletariats, 2015; Wegner, B., Das deutsche paris. Der blick der Besatzer
1940-1944, 2019
Pariser Edikt ist das unter dem fränkischen
König Chlothar II. in Paris am 18. 10. 614 entstandene Kapitular mit 24
Kapiteln verschiedensten Inhaltes.
Lit.: Kocher, G., Das Pariser Edikt von 614, 1976
Pariser Übereinkunft ist die völkerrechtliche
Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883.
Parität (F.) Gleichheit (der Konfessionen)
Lit.: Weber, L., Die Parität der Konfessionen in der
Reichsverfassung, Diss. jur. Bonn 1961; Heckel, M., Parität, ZRG KA 80 (1963),
261; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1973
Parlament ist das dem Besprechen von
Angelegenheiten dienende Beratungsgremium, insbesondere die zur Gesetzgebung
berufene Volksvertretung. Das P. findet sich in England in Anfängen seit (924
bzw.) 1100, in entwickelter Form seit 1295 (bzw. 1327, parlamentarisch
legitimierte Absetzung Eduards II.), in Italien und Spanien seit der Mitte des
12. Jh.s und in Frankreich seit dem 14. Jh. Ihm gehören gewisse →Stände
an. Es befasst sich mit Beilegung von Streitigkeiten, Erbringung von Leistungen
und Erörterung sonstiger bedeutsamer Fragen. Aus dem ständischen P. wird durch
Aufklärung und Revolution oder Evolution seit dem späten 18. Jh. die durch
Indemnität, Immunität und Redefreiheit geschützte Vertretung des gesamten
Volkes (→Volkssouveränität) zum Zweck der →Gesetzgebung bzw.
umfassenden politischen Gestaltung. Besonders bedeutsam ist dabei die
Wahlrechtsreform in England von 1832. Die Veranwortlichkeit der Staatsführung
gegenüber dem P. wird im frühen 20. Jh. durchgesetzt. Seit dieser Zeit wird
auch die Frau über das Wahlrecht in das P. einbezogen. Durch
→Ermächtigungsgesetz kann das P. ausgeschaltet werden.
Lit.: Köbler, DRG 191, 230; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 649; Registre des Parlements de Beaune et de
Saint-Laurent-lès-Chalon (1357-1380), hg. v. Petot, P., 1927; Marongiu, A.,
Medieval Parliaments, 1968; Achterberg, N., Grundzüge des Parlamentsrechts,
1971; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Die
geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd.
1 1980, Bd. 2 1974; Jekewitz, J., Der Grundsatz der Diskontinuität der
Parlamentsarbeit, 1977; Der Reichstag, 1981; Von der Ständeversammlung zum
Parlament, 1982; Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Wirsching, A.,
Parlament und Volkes Stimme, 1990; Hilgendorf, E., Die Entwicklungsgeschichte
der parlamentarischen Redefreiheit, 1991; Loach, J., Parliament under the
Tudors, 1991; Schönberger, C., Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Kirsch,
M., Monarch und Parlament im 19. Jahrhundert, 1999; L’istituzione parlamentare
nel XIX secolo, hg. v. Manca, A., 2000; Boetticher, C., Parlamentsverwaltung
und parlamentarische Kontrolle, 2002; Mergel, T., Parlamentarische Kultur in der
Weimarer Republik, 2002; Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali
europei ottocenteschi – Parlament und Verfassung in den konstitutionellen
Verfassungssystemen Europas, hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Manca, A.,
Öffentlichkeit und Organisation der Parlamentsarbeit im konstitutionellen
Deutschland, ZNR 2007, 215; Parlamentarische Kulturen in Europa, hg. v. Schulz,
A. u. a,, 2012; Das ideale Parlament, 2014; Heer, S., Parlamentsmanagement,
2015 (eher dürftig); Parlamentarier der deutschen Minderheiten im Europa der
Zwischenkriegszeit, hg. v. Conrad, B. u. a., 2015; .Essmann-Bode, C., Das Ein-
und Zweikammersystem im deutschen Konstitutionalismus, 2015
parlamentarisch, Adj., das Parlament betreffend, z. B.
parlamentarische Demokratie (Demokratie mit dem Parlament als politischem
Mittelpunkt z. B. Schweiz), parlamentarische Monarchie (Monarchie mit dem
Parlament als politischem Mittelpunkt z. B. Großbritannien)
Parlamentarischer Rat in Bonn ist ein von den Landtagen
der westlichen Besatzungszonen des →Deutschen Reiches gewähltes
Beratungsgremium von 65 Abgeordneten (Konrad Adenauer, Hannsheinz Bauer,
Ludwig Bergsträßer, Paul Binder, Adolf Blomeyer, Heinrich von Brentano,
Johannes Brockmann, Paul de Chapeaurouge, Thomas Dehler, Georg Diederichs,
Fritz Eberhard, Adolf Ehlers, Hermann Fecht, Albert Finck, Andreas Gayk, Otto
Heinrich Greve, Rudolf Heiland, Wilhelm Heile, Hubert Hermans, Theodor Heuss,
Anton Hilbert, Fritz Hoch, Hermann Höpker Aschoff, Werner Hofmeister, Rudolf
Katz, Theophil Kaufmann, Gerhard Kroll, Adolf Kühn, Karl Kuhn, Wilhelm Laforet,
Robert Lehr, Lambert Lensing, Fritz Löwenthal, Friedrich Maier, Hermann von
Mangoldt, Karl Sigmund Mayr, Walter Menzel, Willibald Mücke, Friederike Nadig,
Erich Ollenhauer, Hugo Paul, Anton Pfeiffer, Max Reimann, Heinz Renner,
Heinrich Rönneburg, Albert Roßhaupter, Hermann Runge, Hermann Schäfer, Kaspar
Gottfried Schlör, Carlo Schmid, Adolph Schönfelder, Josef Schrage, Carl
Schröter, Josef Schwalber, Hans-Christoph Seebohm, Kaspar Seibold, Josef Seifried,
Elisabeth Selbert, Jean Stock, Walter Strauß, Adolf Süsterhenn, Friedrich
Wilhelm Wagner, Felix Walter, Helene Weber, Helene Wessel, Ernst Wirmer,
Friedrich Wolff, Hans Wunderlich, Gustav Zimmermann, Georg August Zinn,
beratend Jakob Kaiser, Paul Löbe, Hans Reif, Ernst Reuter, Otto Suhr,
biographische Daten z. B. bei Feldkamp 2008), das den vom Herrenchiemseer
Konvent erarbeiteten Entwurf einer Verfassung der Bundesrepublik Deutschland
(→Grundgesetz) seit 1. 9. 1948 unter dem Präsidium von Konrad Adenauer
überarbeitet und am 8. 5. 1949 mit 53 zu 12 Stimmen annimmt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 256; Der
Parlamentarische Rat 1948-1949, Bd. 1ff. 1975ff.; Buchner, P., Der
Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Bd. 2 1981; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Lange, E., Die Würde
des Menschen ist unantastbar, 1993 (mit Überblick über die Mitglieder des
parlamentarischen Rates); Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat, 1998; Lange,
E., Gestalter des Grundgesetzes, 1999; Der Parlamentarische Rat 1948-1949.
Akten und Protokolle hg. v. deutschen Bundestag, Bd. 1ff.; Feldkamp, M., Der
Parlamentarische Rat, 2008; Bauer, J., Der Beitrag der FDP-Fraktion im
Parlamentarischen Rat, 2013; Feldkamp, M., Der Parlamentarische Rat 1948-1949,
2019
Parlamentarisches System ist die politische Gestaltung, bei
der die Regierung vom Vertrauen des →Parlaments abhängt. Das
parlamentarische System zeigt sich in England 1834/1835, in Deutschland
theoretisch seit 1840 und praktisch am 28. 10. 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bagehot, W., The English
Constitution, 1867, Neudruck 1963; Beyme, K. v., Die parlamentarischen
Regierungssysteme in Europa, 1970; Parlamentarismus, hg. v. Kluxen, K., 3. A.
1971; Boldt, W., Konstitutionelle Monarchie oder parlamentarische Demokratie,
HZ 216 (1973), 553; Gesellschaft, Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G.,
Bd. 1 1974; Thaysen, J., Parlamentarisches Regierungssystem, 2. A. 1976;
Botzenhardt, M., Deutscher Parlamentarismus 1848-1850, 1977; Der moderne
Parlamentarismus, hg. v. Bosl, K. u. a., 1977; Parlamentarismus im
Norddeutschen Bund, 1985; Parlamentarismus in Tirol, hg. v. Kathrein, I. u. a.,
1988; Schumacher, M., Kommission für Geschichte des Parlamentarismus, 1988;
Goldt, C., Parlamentarismus im Königreich Sachsen, 1996; Pahlmann, M., Anfänge
des städtischen Parlamentarismus, 1997; Zeh, W., Parlamentarismus, 6. A. 1997
Parlamentarismus →parlamentarisches System
Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und
englischer Parlamentarismus, 1939; Der moderne Parlamentarismus und seine
Grundlagen in der ständischen Repräsentation, hg. v. Bosl, K., 1977; Obenaus,
H., Anfänge des Parlamentarismus in Preußen bis 1848, 1984; Pollmann, K.,
Parlamentarismus im Norddeutschen Bund, 1985; Möller, H., Parlamentarismus in
Preußen 1919-1932, 1985; Brandt, H., Parlamentarismus in Württemberg
1819-1870, 1987; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v. Gall, L., 2001;
Parlamentarismus in Europa, hg. v. Recker, M. u. a., 2004; Braun, M., Der
badische Parlamentarismus, 2009
Parlament de Paris →Parlament, Paris
Lit.: Rogister, J., Louis XV and the Parlament of
Paris, 1995
Parma am Nordfuß des Apennins kommt über
Etrusker, Römer und Langobarden an die Franken. Im 12. Jh. erlangt es gewisse
Selbständigkeit, fällt aber 1322 an den päpstlichen Kirchenstaat. 1545 wird es
Teil des von Papst Paul III. geschaffenen Herzogtums Parma und Piacenza, das
1860 Sardinien-Piemont und 1861 damit →Italien eingegliedert wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pighini, G., Storia
di Parma, 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff. 1973ff., 2, 2, 183, 3, 1, 254, 3, 2, 2361
Parömie (F.) Sprichwort, Regel
parricidium (lat. [N.]) arge Tötung
Lit.: Kaser § 36 II 2; Söllner § 8; Köbler, DRG 28,
34, 35
pars (F.) sanior (lat.) klügerer Teil (bei einer
Abstimmung), →Mehrheit
Parsberg
Lit.: Jehle, M., Parsberg, 1981
Partei ist im Verfassungsrecht die
Vereinigung von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des
Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und
an der Vertretung des Volkes im Parlament teilnehmen wollen, wenn sie nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit
dieser Zielsetzung bietet. Im Verfahrensrecht ist P., von wem und gegen wen
Rechtsschutz begehrt wird. Im Privatrecht ist P. des Schuldverhältnisses der
Gläubiger und der Schuldner. Der Begriff der P. ist ansatzweise bereits im
Altertum vorhanden (lat. [F.] factio), im Verfahrensrecht und im Schuldrecht
stehen sich Parteien von Anfang an gegenüber. Als Fremdwort erscheint P. als
Übernahme aus dem Altfranzösischen im Mittelhochdeutschen. In England sind um
1680 Tories und Whigs ne. parties, in Deutschland 1784. Die politische P., der
seit dem 17. Jh. parteiähnliche Vorläufer (Vereine, z. B.
Sprachgesellschaften, verstärkt seit der Mitte des 18. Jh.s z. B. patriotische
Gesellschaften, Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die Illuminaten,
Freimaurer, Goldkreuzer, Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise wie die
Berliner Mittwochsgesellschaft von 1783 oder studentische Reformbewegungen)
vorausgehen, bestimmt seit dem 19. Jh. maßgeblich das öffentliche Leben
(England Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union 1865, im
Deutschen Bund örtliche Vereinigungen zur Unterstützung von Kandidaten bereits
vor 1848, fraktionsähnlliche Clubs erst in der Frankfurter
Paulskirchenversammlung von 1848, Österreich Ende 19. Jh.s [nach dem
Vereinsgesetz vom 15. 11. 1867]). Ab etwa 1860 werden die von 1832 bis 1848
verbotenen, 1848/1849 eine Zahl von 2000 mit vielleicht 800000 Mitgliedern
erreichenden, danach aber für einige Zeit wieder zurücktretenden politischen
Vereine als P. bezeichnet. Im Deutschen Reich sehen die Parteien bis 1890
Politik als Suche eines persönlichen Zugangs zu Otto von Bismarck, während sie
später politische Vorhaben mittels Bündnissen und Kompromissen zu erreichen
versuchen. Die wichtigsten politischen Parteien vertreten liberale,
konservative, sozialdemokratische, kommunistische oder am Ende des 20. Jh.s
ökologische Zielsetzungen.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§ 18 IV, 27 IV;
Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 735; Bachem, K.,
Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff.
1927ff., Neudruck 1968; Mommsen, W., Deutsche Parteiprogramme, 1952; Deutsche
Parteiprogramme 1861-1956, hg. v. Treue, W., 1954, 4. A. 1968; Bergsträßer,
L./Mommsen, W., Geschichte der politischen Parteien in Deutschland, 11. A.
1965; Diehl-Thiele, P., Partei und Staat im Dritten Reich, 1960, 2. A. 1971;
Boldt, W., Die Anfänge des deutschen Parteiwesens, 1971; Brandt, D., Die
politischen Parteien und die Vorlage des Bürgerlichen Gesetzbuches im
Reichstag, 1974; Ritter, G., Die deutschen Parteien 1830-1914, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, (in) Recht, Gericht,
Genossenschaft und Policey, 1986, 97; Lang, J. v., Die Partei, 1989; Lösche,
P., Kleine Geschichte der deutschen Parteien, 2. A. 1994; Dittmer, L.,
Beamtenkonservatismus und Modernisierung, 1992; Fenske, H., Deutsche
Parteiengeschichte, 1994; Soug, S., Politische Parteien und Verbände, 1996;
Stein, K., Parteiverbote, 1999; Parteien im Wandel vom Kaiserreich zur Weimarer
Republik, hg. v. Dowe, D. u. a., 1999; Olzog, G., Die politischen Parteien, 25.
A. 1999; Grießmer, A., Massenverbände und Massenparteien im wilhelminischen
Reich, 2000; Stalmann, V., Die Partei Bismarcks, 2000; Alexander, M., Die
freikonservative Partei 1890-1918; Otto von Bismarck und die Parteien, hg. v.
Gall, L., 2001; Richter, L., Die Deutsche Volkspartei 1918-1933, 2002;
Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2005; Deutsch, A., Lizenz zum Töten, 2010; Mende, S.,
Nicht rechts, nicht links, sondern vorn. Eine Geschichte der Gründungsgrünen,
2010; Heidemeyer, H., (Grüne) Bewegung im Parlament, HZ 291(2010), 71; Mende,
S., Nicht rechts, nicht links, 2011; Populismus in der modernen Demokratie, hg.
v. Wielenga, F. u. a., 2011; Reibel, C., Bündnis und Kompromiss, HZ 293 (2011),
69; Politische Parteien in Frankreich und Deutschland, hg. v. Alemann, U. v. u.
a., 2015; Erbentraut, P., Theorie und Soziologie der politischen Parteien im
deutschen Vormärz 1815-1448, 2016 (offen parteienbefürwortende Stellungnahmen
überwiegen)
Parteibetrieb ist das Betreiben eines Verfahrens
durch eine →Partei. Der Verfahrensgrundsatz des Parteibetriebs beherrscht
das Verfahren von Anfang an. Vor allem im Strafverfahren ist der P. aber vom
Amtsbetrieb weitgehend verdrängt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 201; Damrau,
J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Parteieid ist der von der →Partei zu
leistende Eid. Er ist ein problematisches Aussagebekräftigungsmittel. Dennoch
findet er sich sowohl im römischen Recht wie auch im deutschen Recht.
→Reinigungseid
Lit.: Kaser; Kroeschell, DRG 2; Cappelletti, M., La
testimonianza della parte, 1962; Münks, A., Vom Parteieid zur Parteivernehmung,
1991
Parteivernehmung ist das seit 27. 10. 1933
zulässige Beweismittel der Vernehmung einer Partei im deutschen Zivilprozess.
Partenreederei ist die →Reederei, bei der
das einzelne Schiff im anteiligen Eigentum mehrerer Reeder steht. Die P. wird
im römischen Recht als (lat. [F.]) societas angesehen. Sie ist im Mittelalter
allgemein verbreitet. Das →Consolat (N.) del Mar (Barcelona 1348) regelt
sie sehr ausführlich. Besonders zum Ende des 19. Jh.s wird die P. überwiegend
als Innengesellschaft betrieben, bei der nach außen nur einer der Reeder
auftritt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist die P. eine Gesellschaft, deren
Gesellschaftsvermögen ein Schiff voraussetzt und deren Anteile (Parten) nach
festen Quoten bemessen und grundsätzlich veräußerlich und vererblich sind.
Diese Gesellschaft ist regelmäßig Außengesellschaft.
Lit.: Ruhwedel, E., Die Partenreederei, 1973
Parther ist der Angehörige eines
vielleicht zu den Skyteh gehörigen Volkes, das vom 3. vorchristlichen
Jahrhundert an für rund 500 Jahre ein Reich im Gebiet des heutigen Iran und Irak
(zwischen Syrien und Indien)aufbaut.
Lit.: Ellerbrock, U. u. a., Die Parterher, 2015
partikular, Adj., einen Teil (lat. [F.] pars) betreffend
Partikularismus ist der Zustand, in dem innerhalb eines Ganzen
stets der kleineren Einheit der Vorzug gegeben wird.
Lit.: Rörig, F., Ursachen und Auswirkungen des deutschen
Partikularismus, 1937
Partikularrecht (Wort 18. Jh.) ist
das in einem beschränkten Bereich geltende Recht im Gegensatz zu einem
allgemeinen Recht. Schon im Frühmittelalter stehen im fränkischen Reich die
verschiedenen Volksrechte (Franken, Sachsen, Alemannen, Bayern, Thüringer,
Friesen, Langobarden u. s. w.) nebeneinander. Seit dem Hochmittelalter werden
sie allgemein durch zahlreiche Landrechte, Stadtrechte und auch Dorfrechte
abgelöst. 1495 stellt die Reichskammergerichtsordnung den (einheitlichen)
gemeinen Rechten des Reiches die (grundsätzlich vorrangigen, aber
beweisbedürftigen, unterschiedlichen) redlichen, ehrbaren und leidlichen
Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürstentümer, Herrschaften
und Gerichte gegenüber. Seit dem 17. Jh. versucht die Wissenschaft, das
einheimische P. zu einem gemeinen deutschen (Privat-)Recht zusammenzufassen,
das sich aber weder gegenüber dem P. noch gegenüber dem gemeinen (römischen)
Recht durchzusetzen vermag. Am Ende des 19. Jh.s gilt für etwa 20 Millionen
Deutsche das Allgemeine Landrecht Preußens, für etwa 17 Millionen das gemeine
Recht, für etwa 8 Millionen das französische Recht (Code civil), für etwa 3,5
Millionen das Bürgerliche Gesetzbuch Sachsens und für weniger als 0,5 Millionen
sonstiges Recht. Seit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das P.
im Bereich des bürgerlichen Rechtes bis auf geringe Reste zugunsten einer neuen
Rechtseinheit beseitigt (ähnlich im Strafrecht, Strafprozessrecht und
Zivilprozessrecht), doch besteht das Grundproblem auf europäischer Ebene fort.
Lit.: Köbler, DRG 137; Nahmer, W. v. d.,
Handbuch des rheinischen Partikularrechts, Bd. 1ff. 1831ff.; Bluhme, F.,
Übersicht der in Deutschland geltenden Rechtsquellen, 1847, 2. A. 1854, 3. A.
1863, 162; Deutsche Rechts- und Gerichtskarte 1896, Neudruck 1996; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 189;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 586; Kroeschell, K.,
Universales und partikulares Recht, (in) Vom nationalen zum transnationalen
Recht, hg. v. Kroeschell, K. u. a., 1995, 265; Oestmann, P., Rechtsvielfalt vor
Gericht, 2002
Partnerschaft ist eine seit 1994 zulässige
registerfähige Gesellschaft für die gemeinsame Berufsausübung mehrerer freiberuflich
tätiger Menschen (z. B. Rechtsanwälte).
Lit.: Seibert, U., Die Partnerschaft, 1994
Partnership Act (1980) ist das das
Gesellschaftsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechtes.
Partsch, Joseph (Breslau 2. 9. 1882-Berlin
30. 3. 1925), Sohn eines Geographen, wird nach dem Rechtsstudium in Breslau,
Genf, Breslau und Leipzig (Mitteis, Strohal) 1906 außerordentlicher Professor
in Genf, 1910 Professor in Göttingen, 1911 in Freiburg im Breisgau, 1920 in
Bonn und 1921 ordentlicher Professor in Berlin. Wissenschaftlich widmet er sich
unterschiedlichen Gegenständen der Rechtsgeschichte des Altertums.
Lit.: Lenel, O., Josef Partsch, ZRG RA 45 (1925), V
pascuarium (lat. [N.]) Weideabgabe
Pass ist die zum Ausweis eines Menschen bei Einreise,
Ausreise und Aufenthalt im Ausland grundsätzlich erforderliche öffentliche
Urkunde. Der P. ist dem Altertum und dem Mittelalter im Ansatz bekannt (746
König Ratchis der Langobarden mit persönlichem Brief für fremde Reisende). Seit
dem Hochmittelalter gewinnt er mit der Territorialisierung des Rechtes an
Bedeutung. Besonders gefördert wird der P. in Frankreich (1464 passeport für
Briefboten, später auch Soldaten), wo er seit 1791 ausgebaut und mit Passzwang
versehen wird. Seit 1815 ist auch im Deutschen Bund im Gegensatz etwa zu
England der P. rechtstatsächlich nahezu unabdingbar. Seit dem ersten Weltkrieg
herrscht allgemein Passzwang, doch wirkt die europäische Einigungsbewegung
erneut auf Beseitigung der damit verursachten Einschränkungen hin (u. a.
Abkommen von Schengen). Der Inhaber eines Passes steht im Ausland unter
diplomatischem und konsularischem Schutz. Daneben ist Pass auch der Übergang
über ein Gebirge.
Lit.: Hübner § 11; Laur-Belart, R., Studien zur
Eröffnungsgeschichte des Gotthardpasses, 1924; Krause, J., Das deutsche
Passrecht, 1925; Medert, K./Süßmuth, W., Pass- und Personalausweisrecht, 2. A.
1992; Fahrmeir, A., Citizens and Aliens, 2000; Fahrmeir, A., Passwesen und
Staatsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts, HZ 271 (2000), 57; Groebner,
V., Der Schein der Person, 2004; Reisen, A., Der Passexpedient, 2012
Passau
Lit.: Maidhof, A., Das Passauer Stadtrecht, 1927; Maidhof, A., Das
Passauer Gültenwesen, Die ostbairischen Grenzmarken 16 (1927), 313, 358; Veit,
L., Passau. Das Hochstift, 1978; Breinbauer, J., Otto von Lonsdorf, 1992;
Passau in der Zeit des Nationalsozialismus, hg. v. Becker, W., 1999; Passau –
Quellen zur Stadtgeschichte, hg. v. Boshof, W. u. a., 2004; Knorring, M. v.,
Die Hochstiftspolitik des Passauer Bischofs Wolfgang von Salm, 2006; Erkens,
F., Die Fälschungen Pilgrims von Passau, 2011; Die Regesten der Bischöfe von
Passau, Bd. 4 1283-1319, bearb. v. Boshof, E. u. a., 2013; Schweikl, M., Die
Stadt Passau in der Weimarer Republik (1919-1933), 2016
Pasukanis, Evgenij Bronislavovic (1881-1937)
ist einer der Begründer der sowjetischen Rechtstheorie (Allgemeine
Rechtstheorie und Marxismus, 1924). Er vertieft die Ansicht, dass das
bürgerliche Recht mit der bürgerlichen Gesellschaft absterbe. Bereits 1931 muss
er sich wegen der tatsächlichen Notwendigkeit von Gesetzen auch im Sowjetstaat
hiervon lossagen. 1937 wird er als Volksschädling beseitigt.
Lit.: Law and Marxism, hg. v. Arthur, C., 1978; Reich,
N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972, 194
Pataria ist eine in Mailand, Cremona,
Piacenza und Brescia im dritten Viertel des 11. Jh.s bedeutsame
religiös-soziale, die Entwicklung zur Stadtgemeinde beschleunigende Reformbewegung.
Lit.: Violante, C., La pataria milanese, 1955;
Investiturstreit und Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973, 321;
Keller, H., Mailand im 11. Jahrhundert, (in) Die Frühgeschichte der
europäischen Stadt, hg. v. Jarnut, J., 1998, 81; Zumhagen, O., Religiöse
Konflikte und kommunale Entwicklung, 2001
Pate ist der den kindlichen Täufling der christlichen
Kirche vertretende, neben den Eltern stehende erwachsene Christ. Nach älteren
Anfängen wird er seit dem 3. Jh. bedeutsam.
Lit.: Dick, E., Das Patentinstitut, Z. f. kath.
Theologie 63 (1939), 1; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Jussen, B.,
Patenschaft und Adoption, 1991
Patent (1563, Patentrecht 1855) ist allgemein der offene Brief und
seit dem 19. Jh. das einem Erfinder bzw. dem für ihn wirtschaftlich tätigen
Verwerter (z. B. Verleger) (durch eine solche Urkunde) vom Staat ausschließlich
erteilte, zeitlich (auf 20 Jahre) begrenzte Recht, eine Erfindung gewerbsmäßig
zu nutzen. Die ersten Ansätze hierzu erscheinen im Spätmittelalter (König
Edward III. von England [1327-1377] zugunsten des flämischen Webers Johann
Kempe, Venedig 1469). Seitdem erteilen Landesherren Schutzprivilegien für Erfindungen.
In Venedig begegnet bereits 1474 in Verfestigung des gewohnheitsrechtlichen
Zustands das erste Patentgesetz, das Neuheit, Ausführbarkeit und Nützlichkeit
der Erfindung voraussetzt und zeitlich befristeten Schutz gegen unerlaubte
Nachahmung gewährt. 1623/1624 lässt das englische Statute of Monopolies
zeitlich befristete Ausnahmen vom Monopolverbot für Privilegien bzw. Patente
zu. In Frankreich wird nach Aufhebung des Privilegienwesens (1789) 1791 ein vom
→geistigen Eigentum des Erfinders ausgehendes Patentgesetz erlassen, in
den deutschen Staaten seit 1820 (Österreich, Bayern 1825, Württemberg 1828). Im
Deutschen Reich wird 1877 ein erstes Patentgesetz und 1891 ein verbessertes
Patentgesetz geschaffen. Damit wird das Privilegienwesen endgültig abgelöst.
1903 tritt das Deutsche Reich der Pariser Verbandsübereinkunft bei. 1973 wird
eine europäische Übereinkunft über die Erteilung europäischer Patente erreicht,
auf deren Grundlage in München 1977 ein europäisches Patentamt errichtet wird.
Lit.: Wehr, J., Die Anfänge des Patentwesens in
Deutschland, Diss. jur. Erlangen 1936; Zycha, A., Beiträge zur Frühgeschichte
des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 62 (1942), 295; Berkenfeld, E., Das
älteste Patentgesetz der Welt, GRUR 1949, 139; Silberstein, M., Erfindungsschutz
und merkantilistische Gewerbeprivilegien, 1961; Heß, G., Die Vorarbeiten zum
deutschen Patentgesetz, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Beier, F.,
Gewerbefreiheit und Patentschutz, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 4 1979, 183; Öhlschlegel, H., Das Bergrecht als Ursprung
des Patentrechts, 1978; Hundert Jahre Patentamt, 1977; Wadle, E., Gewerbliche
Schutzrechte und Unternehmensorganisation, (in) Recht und Entwicklung der
Großunternehmen, hg. v. Horn, N. u. a., 1979, 343; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,4067; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Kinkeldey, M., Der Ausschluss der Juden aus der Patentanwaltschaft,
1998; Feldmann, K., Die Geschichte des französischen Patentrechts und sein
Einfluss auf Deutschland, 1998; Patentschutz und Innovation, hg. v. Boch, R.,
1999; Gehm, M., Das Patentwesen in der bayerischen Pfalz, ZRG GA 120 (2003),
216; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den Büchernachdruck, 2004;
Seckelmann, M., Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im
deutschen Reich 1871-1914, 2006; Heppe, R. v., Patentverletzungen, 2007;
Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E.
Wadle, 2008; Mächtel, F., Das Patentrecht im Krieg, 2009; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Arapostathis,
S. u. a., Patently Contestable, 2013; Übler, R., Die Schutzwürdigkeit von
Erfindungen. Fortschritt und Erfindungshöhe in der Geschichte des Patent- und
Gebrauchsmusterrechts, 2014; Struck, J., Der patentrechtliche Ausführungs- und
Lizenzzwang in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2014; Geschichte des
deutschen Patentrechts, hg. v. Otto, M. u. a., 2015
pater (lat. [M.]) Vater (im römischen Recht grundsätzlich der, den die Ehe mit
der Mutter als solchen ausweist)
Pater (M.) familias ist im römischen Recht der
Hausvater, der über das eheliche Kind, das eheliche Kind des Sohnes u. s. w., die Frau und den aufgenommenen
gewaltfreien Hausfremden die im privaten Bereich bedeutsame Hausgewalt (lat.
potestas [F.]) hat.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 12 I, 60; Söllner §§ 4, 5, 8,
12; Köbler, DRG 21
Paternalismus (M.) auf
das Wohl eines anderen auch gegen dessen Willen gerichtetes Verhalten
Lit.: Gutmann, T., Paternalismus – eine Tradition deutschen
Rechtsdenkens?, ZRG GA 122 (2005), 150; Grenzen des Paternalismus, hg. v.
Fateh-Moghadeam, B., 2008
Pater semper incertus (lat.). Der Vater ist immer
ungewiss. →mater semper certa est
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Patria potestas (lat. [F.]) ist die im
altrömischen Recht nahezu unbeschränkte Hausgewalt des (lat.) →pater (M.)
familias über Kinder und Frau ([lat.] in manu), die einer Frau nicht zugänglich
ist Die der p. p. unterstehenden Menschen sind vermögensunfähig und erwerben
Besitz und Eigentum für den pater familias, der seinerseits für rechtsgeschäftliche
und deliktische Verpflichtungen haftet (z. B. Noxalhaftung). Die p. p. ist
rechtlich weitgehend uneingeschränkt, unterliegt aber der Aufsicht der Zensoren.
Die p. p. schwächt sich allmählich ab. Seit dem Spätmittelalter wird sie in
dieser veränderten Form im Heiligen Römischen Reich aufgenommen und mit dem
heimischen Recht verschmolzen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) teilt in
unterschiedlicher Ausgestaltung beiden Eltern die elterliche Gewalt zu.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1, 58 IV 2, 60; Hübner; Thomas, A.,
Die Anschauungen der Naturrechtslehrer über die Rechtsverhältnisse zwischen
Eltern und Kindern, Diss. jur. Rostock 1915; Wacke, A., „Elterliche Sorge“,
FamRZ 27 (1980), 205
Patriarchat ist die von den Anfängen bis in das
20. Jh. erkennbare Vorrangstellung von Vätern bzw. Männern im Familienrecht im
Gegensatz zum →Matriarchat und der partnerschaftlichen
Gleichberechtigung. Im Kirchenrecht ist P. ein kirchenrechtliches
Zuständigkeitsgebiet (z. B. des Patriarchen von Antiochia, Alexandria,
Jerusalem, Konstantinopel, Rom).
Lit.: Mitterauer, M./Sieder, R., Vom Patriarchat zur
Partnerschaft, 2. A. 1980; Lerner, G., Die Entstehung des Patriarchats, 1991;
Schweizer, C., Hierarchie und Organisation, 1991
Patricius (lat. [M.] Väterlicher) ist seit
dem frühen 4. Jh. (Kaiser Konstantin) ein römischer Ehrentitel, der bis zum 12.
Jh. begegnet.
Lit.: Weyl, R., Bemerkungen über das fränkische
Patrizieramt, ZRG GA 17 (1896), 85; Heil, W., Der konstantinische
Patriziat, 1966; Winkelmann, F., Byzantinische Rang- und Ämterstruktur, 1985
Patrimonialgerichtsbarkeit (Bezeichnung 18. Jh.) ist
die sich schon im Mittelalter allmählich entwickelnde, dem Gerichtsherrn
unverzügliche Vollstreckung eigener Forderungen gegenüber Eingesessenen ermöglichende
Gerichtsbarkeit des →Grundherrn (in bürgerlichen Angelegenheiten,
einfacheren Straffällen, Polizeiangelegenheiten und Steuerangelegenheiten,
die durch Verleihung von Gerichtsrechten seitens der Landesherrn zustande
kommt. Gegen sie (1837 in Preußen 6597 Patrimonialgerichte mit 3,28 Millionen
Gerichtszugehörigen = 23,9 Prozent der Bevölkerung, 970 an preußischen Patrimonialgerichten
tätige Juristen, 1849 Patrimonialrichter) richtet sich trotz ihrer
(geringfügigen) Kostengünstigkeit der politische Liberalismus des 19. Jh.s.
Nach zahlreichen kleineren Veränderungen (Einführung obergerichtlicher
Approbation für Justiziare, Durchsetzung ihrer Unkündbarkeit, Besoldung mit
festem Gehalt, Abschaffung der Kammerjustiz, Eingliederung in den Instanzenzug,
Zunahme der Visitationen) verschwindet sie seit 1848 ganz (Österreich 1848,
Preußen 2. 1. 1849 bzw. 1851, zuletzt 1879 in Mecklenburg, Lippe und in der
Grafschaft Schönburg in Sachsen).
Lit.: Wachsmuth, C., Versuch einer
systematischen Darstellung der Patrimonialgerichtsverfassung, 1808; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und
souveräner Staat, 1962; Tütken, H., Geschichte des Dorfes und
Patrimonialgerichtes Geismar, 1967; Werthmann, S., Vom Ende der Patrimonialgerichtsbarkeit,
1995; Thauer, J., Gerichtspraxis in der ländlichen Gesellschaft, 2001;
Wienfort, M., Patrimonialgerichte in Preußen, 2001
patrimonium (lat. [N.]) Erbgut, Gut
Lit.: Kaser §§ 18 I 1, 30 I 2; Köbler, DRG 36;
Köbler, LAW
Patriziat ist die Gesamtheit der Angehörigen
der römischen und der mittelalterlich-städtischen Oberschicht.
Lit.: Roth v. Schreckenstein, K. Frhr. v., Das
Patriziat in den deutschen Städten, 1856, Neudruck 1970; Keller, S., Patriziat
und Geschlechterherrschaft in der Reichsstadt Lindau, 1908; Pfeiffer, G., Das
Breslauer Patriziat, 1929; Klocke, F. v., Das Patriziatsproblem und die Werler
Erbsälzer, 1965; Deutsches Patriziat 1433-1740, hg. v. Rössler, H., 1968;
Heers, J., La ville au Moyen Age, 1990; Lehner, S., Das Patriziat im Wandel,
2009; Hecht, M., Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess, 2010
Patrizier ist im altrömischen Recht der
Angehörige einer durch Vermögen und Ansehen gekennzeichneten Familie im
Gegensatz zum Plebejer. Seit dem 16. Jh. versteht man unter P. auch den
Angehörigen der eine Oberschicht der (mittelalterlichen) Stadt bildenden
regierenden Familien. Diese Oberschicht entsteht aus Ministerialen des
Stadtherrn, aus Kaufleuten und teilweise auch aus aufsteigenden Handwerkern. Mit
dem Ausgang des Mittelalters ist das →Patriziat weitgehend abgeschlossen.
In verschiedenen Städten wie z. B. Frankfurt am Main sondert es sich vom Handel
ab und nähert sich dem Adel auf dem Land an. Es vermag sich seine Vorrechte bis
in das 19. Jh. zu erhalten.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 7; Kroeschell, DRG 2;
Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, 1956; Dreher, A., Das
Patriziat der Reichsstadt Ravensburg, 1966; Rabe, H., Der Rat der
niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Deutsches Patriziat, hg. v. Rössler, H.,
1968; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980;
Bechtold, D., Zunftbürgerschaft und Patriziat, 1981; Körner, H., Frankfurter
Patrizier, 2003
patrocinium (lat. [N.]) Schutzpflicht z. B. des
früheren Herrn gegenüber einem früheren Sklaven oder eines Heiligen gegenüber
einer Kirche
Lit.: Beck, M., Die Patrozinien der ältesten
Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau, 1933
Patron (lat. [M.] patronus) ist im
römischen Recht der Schutzherr eines Freigelassenen, dem gewisse Rechte auch
nach der Freilassung zustehen, im Kirchenrecht der die Kirche schützende
Heilige.
Lit.: Kaser § 4 1b; Söllner §§ 4, 5, 12; Brown,
P., Die Heiligenverehrung, 1991
Patronat ist die Gesamtheit der Rechte und
Pflichten des Schutzherrn einer meist auf dessen Grund und Boden gebauten
mittelalterlich-frühneuzeitlichen Kirche in Bezug auf diese. Das P. entsteht im
12./13. Jh. aus der Ablehnung des Laieneigentums an Kirchen in der kirchlichen
Reformbewegung des 11. Jh.s. Seitdem ist die Fürsorge für die Kirche
entscheidend. Der Patron hat ein Vorschlagsrecht für das vom Bischof verliehene
geistliche Amt. Das P. wirkt sich in Form der Kirchenbaulast bis in die
Gegenwart aus. Seit dem (lat.) Codex (M.) iuris canonici (1917) können neue
Patronate nicht mehr entstehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Wahrmund, L., Das
Kirchenpatronatsrecht, Bd. 1f. 1894ff.; Stutz, U., Geschichte des kirchlichen
Benefizialwesens, 1895, 3. A. 1972; Gilgen, H. zur, Das Patronatsrecht im
Kanton Luzern, 1923; Landau, P., Jus patronatus, 1975; Church and Society in
England, hg. v. O’Day, R. u. a., 1977; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Landau, P., Patronat, Theologische Realenzyklopädie, Bd. 26 1996, 106; Danzer,
C., Historische Analyse zur Entwicklung der Patronatserklärung, 2012
Patrozinium ist im Kirchenrecht seit dem 4. Jh.
das Schutzverhältnis eines Heiligen (z. B. →Martin) zu einer einzelnen,
später meist nach ihm benannten Kirche. Das P. lässt für quellenarme Zeiten
Rückschlüsse auf die Zeit oder auf andere Umstände der Entstehung einer Kirche
zu.
Lit.: Deinhardt, W., Patrozinienkunde, Hist.
Jb. 56 (1936), 174; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Prinz, F., Askese und Kultur, 1980, 75; Bölling, J., Zwischen regnum und
sacerdotium – Historiographie, Hagiographie und Liturgie der Petrus-Patrozinien
im Sachsen der Salierzeit (1024-1125)), 2017
Paulskirche in Frankfurt am Main ist der Ort
der deutschen, aus Wahlen hervorgegangenen Nationalversammlung von 1848/9 (18.
5. 1848-28. 4. bzw. 31. 5. 1849). Hier wird eine formelle →Verfassung beschlossen,
die aber nicht in die Rechtswirklichkeit umgesetzt zu werden vermag.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171;
Wesenberg, G., Die Paulskirche und die Kodifikationsfrage, ZRG RA 72 (1955),
359; Die Grundrechtsdiskussion in der Paulskirche, hg. v. Scholler, H., 1973;
Wollstein, G., Das „Großdeutschland“ der Paulskirche, 1977; Laufs, A., Recht
und Gericht im Werk der Paulskirche, 1978; Kühne, J., Die Reichsverfassung der
Paulskirche, 2. A. 1998; Bert, H./Weege, W., Biographisches Handbuch der
Abgeordneten, 1996; Jansen, C., Einheit, Macht und Freiheit, 1999; Hildebrandt,
G., Friedrich Gottlieb Becker, 2013
Paulskirchenverfassung ist die von der in der Frankfurter
Paulskirche tagenden verfassunggebenden Nationalversammlung beschlossene
Verfassung. Sie enthält einen am 27. 12. 1848 verabschiedeten Katalog der
Grundrechte (Reichsbürgerrecht, Unverletzlichkeit, Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit,
Gewissensfreiheit, Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit, Lehrfreiheit, Wissenschaftsfreiheit,
Vereinsfreiheit, Petitionsrecht, Eigentumsschutz, Wohnungsschutz,
Schwurgericht). Der organisatorische Teil vom 27. 3. 1849 sieht einen
Bundesstaat mit einem erblichen Kaiser (am 3. 4. 1849 Annahme vom König von
Preußen abgelehnt) und einen Reichstag mit Staatenhaus und Volkshaus vor.Nach
Kotulla wirken trotz einzelner verfassungsstaatlicher Impulse wissenschaftliche
Versuche von Traditionslinien zwischen Paulskirchenverfassung und den
Verfassungen des Norddeutschen Bundes, des deutschen Kaiserreichs, der Weimarer
Republik und der Bundesrepublik Deutschland konstrueiert.
Lit.: Köbler, DRG 194; Kühne, J., Die
Reichsverfassung der Paulskirche, 2. A. 1998; Die finanz- und
steuerverfassungsrechtlichen Vorschriften der Paulskirchenverfassung, hg. v.
Kempny, S., 2010; Kempny, S., Auf dem Weg zum deutschen Bundesstaat, ZRG GA 129
(2012), 391; Kotulla, M., Der Einfluss der Paulskirchenverfassung auf die
späteren deutschen Verfassungen, 2015
Paulus, Iulius (3. Jh. [† 222-235]), ein
Schüler des Cervidius Scaevola, erscheint zuerst als Advokat, dann (neben
→Ulpian) als Assessor des Gardepräfekten →Papinianus und als Leiter
einer kaiserlichen Kanzlei und Mitglied des kaiserlichen Rates. Seiner
sammelnden, sichtenden und einheitlich darstellenden, oft eigene Ansichten
äußernden Tätigkeit werden 86 Titel mit 305 bzw. 320 Büchern zugeschrieben, von
denen Kommentare zum prätorischen Edikt (80 Bücher), zu den drei Büchern
Zivilrecht des Sabinus (16 Bücher), Responsen (23 Bücher) und Quaestionen (26
Bücher) die wichtigsten sind. Nicht von ihm stammen die sog.
→Paulussentenzen. P. ist einer der fünf Zitierjuristen des Zitiergesetzes
(426). Die →Digesten bestehen zu einem Sechstel aus (mehr als 2000)
Auszügen aus seinen Werken.
Lit.: Söllner §§ 15, 16, 19; Köbler, DRG 30,
52, 53; Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Liebs,
D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987; Schmidt-Ott, J., Pauli
Quaestiones, 1993; Spengler, H., Dogmatik, Systematik, Polemik, 2000
Paulus de Castro (Castro westlich des Lago de
Bolsena 1360/1362-20. 7. 1441) wird nach dem Rechtsstudium in Perugia (Baldus)
und Pavia Professor in Avignon, Siena, Florenz, Bologna und Padua. Von ihm
stammen Kommentare zu Digesten und Codex Justinians sowie viele Gutachten.
Lit.: Lange, H., Die Rechtsquellenlehre in den
Consilien Paul de Castros, Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 421; Romano, A.,
La giurisprudenza consulente e Paolo di Castro, (in) Rivista di storia del
diritto italiano 61 (1988), 141; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 813
Paulussentenzen (lat. Pauli sententiae [F.Pl.])
sind eine im späten 3. Jh. oder im 4. Jh. entstandene, dem Juristen
→Paulus fälschlich zugeschriebene, aber aus seinen Werken hervorgehende
einflussreiche frühnachklassische Juristenschrift in fünf Büchern, von der
Bruchstücke vor allem in den →Digesten Justinians und in der (lat.)
→Lex (F.) Romana Visigothorum erhalten sind.
Lit.: Kaser § 2 II 5a; Söllner §§ 14, 19;
Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2 a; Kaser, M./Schwarz, F., Die
Interpretatio zu den Paulussentenzen, 1956
pauperies (lat. [F.]) Armut, der von einem vierfüßigen
Tier verursachte Schaden
Pauperismus ist die Bezeichnung für die im
späteren 18. Jh. aus dem Bevölkerungswachstum bei stagnierender Wirtschaft
infolge kräftiger Preissteigerungen bei geringer Reallohnzunahme entstehende
Verarmung breiter Bevölkerungsschichten.
Lit.: Köbler, DRG 135; Matz, K., Pauperismus
und Bevölkerung, 1980; Labande, E., Pauper et peregrinus, 2004
Pavia am Tessin wird nach Umbenennung aus
Ticinum 572 von den Langobarden erobert und allmählich zur Hauptstadt des
langobardischen Reiches gemacht. Vielleicht aus einer Schule der freien Künste
(825) entwickelt sich eine spärlich bezeugte Rechtsschule, in der (lat.)
→Liber (M.) Papiensis (11. Jh.), (lat. [F.]) →Lombarda (Ende 11.
Jh.) und (lat.) Expositio (F.) ad librum papiensem (Erläuterung zum Pavianer
Buch) um 1100) entstehen, die aber die rechtswissenschaftliche Tätigkeit in
→Bologna kaum beeinflusst. 1356 gelangt P. an Mailand. 1361 wird eine
Universität errichtet. 1393 werden 1470 überarbeitete (lat.) Statuta (N.Pl.)
regiminis potestatis Papiensis (Statuten der Herrschaft in Pavia) aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102;
Storia della Università di Pavia, 1925; Vaccari, P., Pavia, 1956; Vaccari, P.,
Storia della università di Pavia, 2. A. 1957; Zorzoli, M., Le tesi legali all’
università di Pavia, 1980; Storia di Pavia, 1987ff.; Lange, H., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 34
pax (lat. [F.]) Friede, →Gottesfriede, Landfriede
pax (F.) Dei (lat.) Friede Gottes
pecia (lat. [F.]) Handschriftenteil als
Schreibvorlage im 12.-14. Jh.
Lit.: Destrez, J., La pecia, 1935; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1 1973, 67,153
Peculium (lat. [N.], Kleintierherde) ist
schon im altrömischen Recht das vom Herrn eines Sklaven diesem zur
tatsächlichen Bewirtschaftung überlassene oder vom Gewaltunterworfenen selbst
gewonnene Sondergut. Der Gewalthaber kann Besitz ohne eigenen Besitzwillen
begründen und haftet für Geschäftsschulden bis zum Wert des p.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1a, 12 III, 15 I 3, 49 II,
60; Söllner § 12; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21; Wesener, G., Peculia –
bona adventicia – freies und unfreies Kindesgut, (in) Iuris vincula Studi in
onore di M. Talamanca, 2002, 393
pecunia (lat. [F.]) Geld
Lit.: Kaser § 32 II 2b; Stolleis, M., Pecunia
nervus rerum, 1983
peer (engl., zu lat. par, gleich) Adliger, Lord (14. Jh.)
peinlich (zu lat. [F.] poena, Strafe) die
Strafe vor allem an Leben und Leib betreffend, z. B. peinliche Frage im
Inquisitionsverfahren
Lit.: Köbler, DRG 115, 119; Feuerbach, P.,
Lehrbuch des gemeinen, in Deutschland geltenden peinlichen Rechts, 1800;
Kleinheyer, G., Zur Rechtsgestalt von Akkusationsprozess und peinlicher Frage,
1971; Gudian, G., Geldstrafrecht und peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273
Peinliche Gerichtsordnung Karls V. →Constitutio Criminalis
Carolina
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138, 156,
158; Meier, A., Die Geltung der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V.,
1929; Weber, H. v., Die peinliche Halsgerichtsordnung Karls V., ZRG GA 77
(1960), 288
Peira, Pira (griech. [F.], Erprobung, Unternehmen,
Kenntnis) ist ein zu Beginn des 11. Jh.s entstandenes, aus 75 unsystematischen
Titeln gebildetes praktisches Lehrbuch des byzantinischen Rechtes. Die P.
beruht teilweise auf Gutachten, Urteilen und Abhandlungen des Richters am
byzantinischen Hofgericht Eustathios Rhomaios, die sein Sekretär verarbeitet
(lat. Practica [F.] ex actis Eustathii Romani, Praktisches aus den Akten des
Eustathius Rhomaius). Sie ist noch im 14. Jh. (→Harmenopulos) bekannt.
Lit.: Oikonomides, N., The Peira of Eustathios
Rhomaios, (in) Fontes minores, hg. v. Simon, D., 7 1986, 169; Wesel, U.,
Geschichte des Rechts, 3. A. 2006
Peloponnes ist die griechische Halbinsel
südlich der Landenge von Korinth. In griechischer Zeit sind Argos, Korinth und
Sparta die wichtigsten Orte. 395 n. Chr. wird der P. Teil Ostroms, in der
ersten Hälfte des 15. Jh.s fällt er weitgehend an die Osmanen, gegen die 1821
ein Unabhängigkeitskrieg beginnt. →Griechenland
Pene →lat. (F.) poena
Pension (F.) Ruhegehalt des Beamten,
Unterkunft
L.: Birnbaum, C., Die Pensionslüge, 2012
Pepo (2. Hälfte des 11. Jh.s) ist ein nicht näher bekannter
Vorläufer des Irnerius in Bologna.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997, 151
per aes et libram (lat.) mit Kupfer und Waage,
→Manzipation, mancipatio
Lit.: Kaser § 7 I 3; Söllner § 8
Perduellio (lat. [M.]), arger Krieg, ist im
altrömischen Recht der mit einer öffentlichen Strafe belegte Landesverrat bzw.
Volksverrat.
Lit.: Köbler, DRG 20, 31; Söllner § 8
peregrinus (lat. [M.]) Fremder, Peregrine, Nichtrömer,
nicht römischer Bürger, bedeutungslos ab 212 n. Chr.
Perestroika (russ.) Umbau (1985-1990 in der
Sowjetunion)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Modrow, H., Die
Perestroika, 1998
Pergament ist die abgeschabte Tierhaut als
Beschreibstoff vor allem im frühen und hohen Mittelalter (ältestes erhaltenes
Exemplar 3./2. Jh. v. Chr.). Das P. verdrängt seit dem Frühmittelalter den
Papyrus und unterliegt seinerseits seit dem 11. Jh. dem Papier.
Lit.: Pergament, hg. v. Rück, P., 1991
Periculum (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die Gefahr der Tragung eines Verlustes. Insbesondere trägt der Käufer die
Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache nach Vertragsabschluss (bzw.
Perfektion), so dass er zahlen muss, auch wenn er nichts erhält.
Lit.: Kaser §§ 34 III 2, 41 IV, 42 II 2, 62 IV
4; Köbler, DRG 46; Bauer, M., Periculum emptoris, 1998
Periculum est emptoris (lat.). Die Preisgefahr trägt der
Käufer.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7.
A. 2007 (Paulus, um 170-um 230, Digesten 18, 6, 8, pr.)
Perneder, Andreas (Ried um 1499-München
1543) wird nach dem Rechtsstudium in Ingolstadt Richter und Rat in München.
Sein Versuch eines großen praktischen Handbuchs des geltenden Rechtes ist nicht
ganz vollendet. Dazu gehören deutsche (F.Pl.) Institutiones (unter
Berücksichtigung des deutschen allgemeinen Rechtes, des bayerischen Landrechts
und der Stadtrechtsreformationen von Nürnberg, Worms und Freiburg im
Breisgau), Gerichtlicher Prozess, Lehenrecht, Von straff und Peen und
schließlich (lat.) Summa (F.) Rolandina (Bearbeitung der Summa artis notariae
des Rolandus Passagerii). Sie werden anscheinend 16mal aufgelegt. Dennoch
unterliegen sie letztlich der lateinisch bleibenden Rechtsliteratur.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 172; Söllner, A., Die Literatur zum gemeinen und
partikularen Recht, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977, 556;
Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977, 167
Perpetuatio (F.) obligationis ist im römischen Recht die noch
von den Juristen des ersten Jh.s entwickelte Fiktion der Fortdauer einer
Verbindlichkeit trotz Untergangs der geschuldeten bestimmten Sache für den
Zeitpunkt der (lat.) litis contestatio (F.).
Lit.: Kaser § 37 I, II
Perser ist der Angehörige des persisch
sprechenden, aus den Indogermanen hervorgegangenen, westlich Indiens ansässigen
Volkes.
Lit.: Winter, E./Dignas, B., Rom und das Perserreich.
2001; Klinkott, H., Der Satrap, 2005; Baykal, H., Vom Perserreich zum Iran,
2007
Person (Wort 1170 belegt) ist, wer Träger von Rechten und
Pflichten sein kann. Seit neben dem Menschen auch weitere Träger von Rechten
und Pflichten anerkannt werden, entwickelt sich P. zu einem Oberbegriff sowohl
des Menschen als der natürlichen P. wie auch der juristischen P. In diesem Sinn
spricht Papst Innozenz IV. 1245 erstmals von einer (lat. [F.]) persona ficta
(erdachten P.) der (lat. [F.]) →universitas, die aber noch keine
vollständige P. ist. Im 16. Jh. entsteht aus lateinisch persona der allgemeine
Begriff der P.
Lit.: Kaser § 13 I; Hübner; Köbler, DRG 121;
Coing, H., Zur Geschichte des Privatrechtssystems, 1962; Watson, A., The Law of
Persons, 1967; Henkel, W., Zur Theorie der juristischen Person im 19.
Jahrhundert, 1973; Der beurkundete Mensch, hg. v. Füchtner, H., 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Person und Gemeinschaft im
Mittelalter, hg. v. Althoff, G. u. a., 1988; Köbler, G., Mercatores personati,
FS L. Carlen, 1989, 157; Ueberschär, E., Die Entwicklung der bürgerlichen
Rechtsperson, Diss. jur. Jena 1993; Kobusch, T., Die Entdeckung der Person,
1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Palm, U., Person im Ertragsteuerrecht, 2013; Person und Milieu, hg. v.
Westermann, A. u. a., 2013; Person und Rechtsperson, hg. v. Gröschner, R. u.
a., 2015; Die Idee der Person als römisches Erbe?, hg. v. Spengler, H. u. a.,
2016; Hetterich, H., Mensch und „Person“ – Probleme
einer allgemeinen Rechtsfähigkeit, 2016
persona (lat. [F.]) Person
Personalarrest ist die vorläufige Festnahme eines
Menschen zur vorläufigen Sicherung einer gefährdeten Vollstreckung in das
Vermögen. Der P. als ein Fall des →Arrestes entwickelt sich aus dem
Handhaftverfahren. Er wird seit dem Hochmittelalter sichtbar. In der Gegenwart
ist der P. statthaft, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass die Zwangsvollstreckung
in vorhandenes Vermögen gefährdet wird.
Lit.: Planitz, H., Grundlagen des deutschen
Arrestprozesses, 1922, 25
Personalfolium ist das über mehrere Grundstücke
desselben Eigentümers, deren Grundbücher von demselben Grundbuchamt geführt
werden, geführte gemeinschaftliche Grundbuchblatt. Es ist gegenüber anderen
Grundsätzen der Grundbuchführung (→[ Realfolium) die Ausnahme.
Lit.: Hübner 235
Personalitätsprinzip ist der auf personale Merkmale im
Gegensatz beispielsweise zu territorialen Gegebenheiten abstellende Grundsatz.
Das P. gilt im römischen Recht, doch unterstehen die Rechtsbeziehungen zwischen
Römern und Fremden, zwischen Fremden verschiedener Völker und zwischen den
Abkömmlingen unterworfener Völker (lat. [M.Pl.] dediticii) dem römischen (lat.)
ius (N.) gentium (Fremdenrecht). Vielleicht bei den Germanen, jedenfalls im
Frühmittelalter gilt ebenfalls meist das P. (der →Volksrechte). Seit dem
12. Jh. wird dieses aber zunehmend vom Grundsatz der Territorialität (der
→Landrechte) abgelöst. Es wirkt jedoch im Personalstatut des
internationalen Privatrechts fort.
Lit.: Kaser § 3 III 2a; Söllner §§ 18, 25;
Kroeschell, DRG 1; Stouff, L., Étude sur le principe de la personnalité des
lois, 1894; Schönbauer, E., Studien zum Personalitätsprinzip im antiken Recht,
ZRG RA 49 (1929), 345; Gualazzini, U., La fine della personalità della legge
nel cremonese, Bollettino storico cremonese 2, 1, (1931), 94; Gutermann, S.,
The Principle of the Personality of Law, University of Miami Law Review 21 (1966),
259; Köbler, G., Land und Landrecht im Frühmittelalter, ZRG GA 86 (1969), 2,
30; Guterman, S., The Principle of the Personality of Law, 1990
Personalkredit ist das personal gesicherte
Darlehen. Die Sicherung durch einen →Bürgen oder durch →Einlager
reicht dabei weit zurück. Eine starke Belebung erfährt der P. seit dem 19. Jh.
Lit.: Les sûretés personelles, Recueils de la
société Jean Bodin 29ff. 1971ff.
personal property (N.) Fahrnis, bewegliche Sache
Personalservitut ist die nur einer bestimmten Person
zustehende persönliche, mit dem Tod des Berechtigten endende
→Dienstbarkeit (beschränktes dingliches Recht z. B. Gebrauch [usus], Wohnung
[habitatio] oder Gebrauch und Fruchtziehung [ususfructus] im Gegensatz zum
Realservitut (Grunddienstbarkeit). Im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch
Österreichs (1811) wird auch die unregelmäßige persönliche Dienstbarkeit anerkannt
(§ 479 ABGB), im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) die
beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§§ 1090ff. BGB).
Lit.: Kaser §§ 28 I 1, 29 I
Personalunion ist die (rechtlich zufällige, seit
dem 18. Jh. als solche erkannte) politische Verbindung zweier oder mehrerer
monarchischer, rechtlich von einander unabhängiger selbständiger
→Staaten unter einem Herrscher (z. B. Spanien/Heiliges römisches Reich
1519-1556, Sachsen/Polen 1697-1763, Großbritannien/Hannover 1714-1837,
Niederlande/Luxemburg 1815-1890, Preußen/Neuenburg 1707-1857).
→Staatslehre
Lit.: Jellinek, G., Allgemeine Staatslehre, 1900,
2. A. 1905, 3. A. 1914, Neudruck 1959, 759; Lewy, H., Personalunion und
Realunion, Diss. jur. Greifswald 1918; Favre, H., Neuenburgs Union mit Preußen,
1932
Personalvollstreckung ist die Vollstreckung in die
Person des Schuldners. Sie ist im altrömischen Recht mit Hilfe der (lat.)
→legisactio (F.) per manus iniectionem möglich (Verkauf über den Tiber).
Tatsächlich findet auch Schuldknechtschaft zwecks Abarbeitung einer Schuld
statt. Gegen die Zeitenwende wird die P. durch die Vermögensvollstreckung
zurückgedrängt. Die P. findet sich auch im Mittelalter. Erst 1868 wird die
Schuldknechtschaft gesetzlich im Norddeutschen Bund und in Österreich
beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 81 III 1, 85 II 2, 87 I 10;
Köbler, DRG 20, 86; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Personenname ist der →Name einer
→Person im Gegensatz z. B. zum Ortsnamen. Personennamen erscheinen
(einnamig - mehrgliedrig) in den frühesten Quellen. Sie werden meistens durch
die Eltern gegeben. Seit dem 3. Jh. v. Chr. werden in Rom drei Namen üblich
(Vorname, Name, Geschlechtsname). Im deutschen Bereich tritt zwecks
Unterscheidung der mit den verhältnismäßig wenigen Namen („Vornamen“)
gekennzeichneten Menschen seit dem Hochmittelalter zum Namen („Vornamen“) ein
Beiname oder Zuname (oder Familienname) hinzu. In Österreich wird 1776 die
freie Namensänderung ausgeschlossen. Am Ende des 19. Jh.s wird in Deutschland
das Namensrecht als Persönlichkeitsrecht erkannt. Der P. kann rechtlich
bedeutsame Aufschlüsse bieten.
Lit.: Förstemann, E., Altdeutsches Namenbuch,
Bd. 1 2. A. 1901, Neudruck 1966; Socin, A., Mittelhochdeutsches Namenbuch,
1903, Neudruck 1966; Schönfeld, W., Wörterbuch der altgermanischen Personen-
und Völkernamen 1911, 2. A. 1965; Lutz, O., Recht in Familiennamen, 1925; Leiß,
L., Bayerische Familiennamen und Rechtsgeschichte, 1934; Bach, A., Deutsche
Namenkunde, Teil 1 Bd 1f. 2. A. 1952f.; Scheffer-Erhardt, C., Alt-Nürnberger
Namenbuch, 1959; Kaufmann, H., Untersuchungen zu altdeutschen Rufnamen, 1965;
Geuenich, D., Die Personennamen der Klostergemeinschaft von Fulda, 1976;
Meyerholz, H., Bodenständige Familien in den Grafschaften Hoya und Diepholz,
1976; Reichert, H., Lexikon der altgermanischen Namen, 1987; Sonderegger, S.,
Prinzipien germanischer Personennamengebung, (in) Nomen et gens, hg. v.
Geuenich, D. u. a., 1997, 1; Personennamen des Mittelalters, hg. v. d.
Bayerischen Staatsbibliothek, 2. A. 2000 (Namensformen für 13000 Personen, 3500
Personennamen); Berger, E., Erwerb und Änderung des Familiennamens, 2002;
Dictionnaire historique de l’anthroponymie romane (Patronymica Romanica) hg.
v. Cano González, A. u. a., Bd. 1ff. 2003ff.
Personenrecht (1691) ist das die →Person betreffende Recht im
Gegensatz etwa zum →Sachenrecht (oder zum →Schuldrecht). Auf der
Grundlage der griechischen Philosophie unterscheidet für das römische Recht
nach Quintus Mucius Scaevola vor allem →Gaius (um 160 n. Chr.) zwischen
(lat.) personae (F.Pl., Personen) und res (F.Pl., Sachen) sowie actiones
(F.Pl., Klagansprüchen). Dem folgt man seit der Aufnahme des römischen Rechtes
im Spätmittelalter zunehmend. In Preußen trennt das letztlich wohl am
missglückten Postversand gescheiterte Project des Corpus juris Fridericiani
Friedrichs des Großen, durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch
Gesetz zu vereinheitlichen, in Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, und
Obligationenrecht 1753. Der Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756
behandelt die Personen neben Anderem im ersten seiner vier Teile (Teil 2 Hab
und Gut, Teil 3 Erbe, Teil 4 Verträge). Das Josephinische Gesetzbuch (1787)
erreicht nur die Vollendung des Personenrechts. Das Westgalizische Gesetzbuch
(1797) überschreibt das zweite seiner 19 Hauptstücke mit den Worten von den
Rechten der Personen. Erst im →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs
von 1811 wird das P. (Von dem Personenrechte) aber ausdrücklich einer der drei
Teile der Kodifikation.
Lit.: Mühlpfort, W., Disputatio de iure
personarum, 1611; Wieacker, F., Griechische Wurzeln des Institutionensystems, ZRG
RA 70 (1953), 93; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung
der allgemeinen Lehren, 1980; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht,
1999; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Personenstand (Wort 1818) ist der rechtliche Stand der
(natürlichen) Person.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Personenstandsgesetz von 6. 2. 1875 ist das im
Kulturkampf die weltliche Zuständigkeit für das Personenstandswesen
durchsetzende Gesetz des Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 209; Schubert,
W., Zur Vorgeschichte und Entstehung der Personenstandsgesetze, ZRG GA 97
(1908=, 43
Personenverband ist die zu einer Einheit
tendierende Mehrheit von Menschen. Der P. findet sich seit dem Altertum und dem
Frühmittelalter. Er bildet eine Vorform der →juristischen Person.
Lit.: Hübner 57, 121; Köbler DRG 36, 57, 238, 266
Persönlichkeit
(Wort 1300)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Dillmann, N., Der Schutz der
Privatsphäre gegenüber Medien, 2012
Persönlichkeitsmissachtung wird im klassischen römischen Recht
als (lat. [F.]) →iniuria erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 27
Persönlichkeitsrecht (1895) ist das Recht des Einzelnen gegenüber jedermann auf
Achtung seiner Menschenwürde und auf Entfaltung seiner einzelmenschlichen
Besonderheit. Als besondere Persönlichkeitsrechte werden das Recht am Namen
seit längerer Zeit und das Recht am eigenen Bild seit kürzerer Zeit (vgl. RGZ
45,170 zu zwei Fotografien Bismarcks auf dem Totenbett 1898) geschützt. 1954 anerkennt
der Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines P. (BGHZ
13, 334). Als seine geschichtlichen Vorläufer können dabei Hugo Donellus
(1590), die Naturrechtler und eine Mindermeinung des 19. Jh.s (Puchta, Gierke,
Windscheid) angesehen werden. Seit 1999 anerkennt der Bundesgerichtshof
Deutschlands die Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des
Persönlichkeitsrechts (postmortales Persönlichkeitsrecht z. B. nach Marlene
Dietrich).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 206, 266, 271;
Scheyhing, R., Zur Geschichte des Persönlichkeitsrechts, AcP 158 (1959/60),
503; Leuze, D., Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts, 1962; Hamprecht,
K., Persönlichkeitsrecht im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1965;
Herrmann, M., Der Schutz der Persönlichkeit, 1968; Klingenberg, E., Vom
persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA 96 (1979), 183; Simon, J.,
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1981; Klippel, D., Historische Wurzeln und
Funktionen, ZNR 1982, 132; Coing, H., Die Entwicklung der
Persönlichkeitsrechte, (in) Rechtsstaat und Menschenwürde, 1988, 75; Seifert,
F., Postmortaler Schutz des Persönlichkeitsrechts, NJW 1999, 1899; Klippel,
D./Lies-Benachib, G., Der Schutz von Persönlichkeitsrechten um 1900, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 343; Austermühle, G., Zur
Entstehung und Entwicklung eines persönlichen Geheimsphärenschutzes, 2002;
Kastl, K., Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, 2004; Fischer, A., Die
Entwicklung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes, 2004; Martin, K., Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner historischen Entwicklung, 2007;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Engel, C., Der Schutz von Privatpersonen vor Presseveröffentlichungen
durch das Reichspressegesetz im Kaiserreich und in der Weimarer Republik,
Diss. jur. Bonn 2011
pertinentiae (lat. [F.Pl.]) Zubehörstücke
Perugia am oberen Tiber beruht auf dem
etruskischen Perusia. 1549 kommt es an den Kirchenstaat, mit diesem 1870 an
Italien (1861). Es ist Sitz einer Universität.
Lit.: Ermini, G., Storia della università di Perugia,
2. A. 1971; Valleranci, M., Il sistema giudiziario, 1991; Stader, I.,
Herrschaft durch Verflechtung, 1997; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht
im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33; Le più antiche carte della cattedrale di San
Lorenzo di Perugia (1010-1300), hg. v. Maiarelli, A., 2006
Peter von Andlau (Andlau? um 1420-Basel 5. 3. 1480)
wird nach dem Studium der (lat. [F.Pl.]) artes in Heidelberg (1439) und des
Rechtes in Pavia (1443) nach der Promotion 1444 Kaplan in Basel und Leiter
juristischer Disputationen (1450) sowie 1460 Professor (1471 Rektor). Mit dem
1460 erschienenen (lat.) Libellus (M.) de Caesarea monarchia (De imperio
Romano, Büchlein über die kaiserliche Monarchie bzw. Über das römische Reich)
verfasst er unter kurialistischer Sicht die erste zusammenhängende Darstellung
des deutschen Staatsrechts (Entstehung und Funktion von Herrschaft und
Regierung, Reiche des Altertums, Übergang der Herrschaft, Kurfürsten, Adel,
Reichstag, Kriegswesen, Pflichten des Kaisers, Pflichten gegenüber dem Kaiser,
Ende des römischen Reiches). Auf der Grundlage der Bibel, des gelehrten
Rechtes, der Schriften Jordanus von Osnabrücks, Thomas von Aquins, Felix
Hemmerlins und Enea Silvio Piccolominis sowie der Goldenen Bulle schlägt er
Aufnahme des römischen Rechtes durch engen Anschluss der Fürsten an den Kaiser
und durch gelehrte Richter vor.
Lit.: Hürbin, J., Eine Ergänzung des „Libellus de
Caesarea monarchia“ Peters von Andlau, ZRG GA 16 (1895), 41; Hürbin, J., Peter
von Andlau, 1897; Hürbin, H., Die Quellen des „Libellus de Cesarea monarchia“,
ZRG GA 18 (1897), 1; Scheffels, G., Peter von Andlau, Diss. phil. Berlin 1955;
Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1966; Peter von Andlau, Kaiser und
Reich, hg. v. Müller, R., 1998
Peterspfennig ist die aus England seit dem 8. Jh.
dem Papst als dem Nachfolger des Petrus geleistete Abgabe (Pfennig), die im
Hochmittelalter und im Spätmittelalter auch in Norwegen, Schweden, Finnland,
Island, Polen und Ungarn entrichtet wird. Seit 1871 ist der P. eine freiwillige
Spende der Bistümer.
Lit.: Jensen, O., Der englische Peterspfennig, 1903;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A., 1972, 307; Maschke, E.,
Der Peterspfennig in Polen, 2. A. 1980
Petition ist seit dem frühen 19. Jh. die
Bittschrift an eine amtliche Stelle. Ein Recht zu einer P. ist zunächst ein
Recht des Parlaments gegenüber dem Fürsten (Bayern 1818). Daneben erscheinen
in England seit 1272 private Petitionen an das Parlament (rund 170000
erhalten, zunächst anglonormannisch, ab 1440 mittelenglisch) und kommt seit
1689 in England dem Einzelnen ein Recht zu, sich mit einer P. an den König, die
Regierung, die Volksvertretung oder eine Behörde zu wenden, ohne dadurch
Nachteile befürchten zu müssen. Hieraus wird im frühen 19. Jh. ein Mittel zur
öffentlichen Erbringung politischer Forderungen, das die Reaktion seit 1819 zu
unterdrücken versucht. 1848 wird das allgemeine Petititionsrecht
verfassungsmäßig durchgesetzt.
Lit.: Becker, K., Die Entwicklung des Petitions- und
Beschwerderechts, Diss. phil. Greifswald, 1913; Gisiger, W., Das Petitionsrecht
in der Schweiz, Diss. jur. Zürich 1935; Hoffmann, D., Das Petitionsrecht, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1959; Pistottnik, K., Das Petitionsrecht, Diss. jur.
Wien 1969; Kumpf, J., Petitionsrecht und öffentliche Meinung, 1983; Mohme, D.,
Das Petitionsrecht, 1992; Dodd, G., Justice and Grace, 2007; Medieval
Petitions, hg. v. Ormrod, W. u. a., 2009
petitorisch (begehrend [aus dem Eigentum])
Lit.: Fiedler, A., Der petitorische Rechtsschutz, 1995
Petrus Crassus (2. Hälfte 11. Jh.) verteidigt in
Ravenna Heinrich IV. 1084 in der (lat.) Defensio (F.) Heinrici IV. regis mit
Hilfe des römischen Rechtes gegen die Behauptung, dass der König sein Amt durch
Wahl erlangen müsse.
Lit.: Fauser, A., Die Publizisten des
Investiturstreites, Diss. phil. München 1934, 905
Petrus de Bellapertica (Pierre de
Belleperche) (um 1250 geboren-Lucenay-les-Aix Jan. 1308) wird nach dem
Rechtsstudium in Orléans um 1280 Professor, 1296 Bediensteter (lat. clericus)
des Königs und 1306 Bischof von Auxerre sowie Kanzler Frankreichs. Überliefert
sind von ihm vor allem Vorlesungen (lecturae), Repetitionen und Distinktionen.
Lit.: Feenstra, R., L’École de droit d’Orléans, Revue
d’histoire des Facultés de droit 13 (1992), 36; Lange, H./Kriechbaum, M.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 546
Petrus de Vinea (Capua vor 1190-San Miniato April
1249), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna 1221 Notar (?) und
1224 Richter Friedrichs II. Von ihm stammen die Novellenregeln der
Konstitutionen von Melfi. Wahrscheinlich wegen Amtsmissbrauchs wird er im März
1249 geblendet.
Lit.: Huillard-Bréholles, J., Vie et correspondance de
Pierre de la Vigne, 1865, Neudruck 1966; Baethgen, F., Dante und Petrus de
Vinea, 1955; Schaller, H., Handschriftenverzeichnis zur Briefsammlung des
Petrus de Vinea, 2002
Petschaft (N.) Siegel
Pfaffenkind ist das von einem zur Ehelosigkeit
verpflichteten Geistlichen erzeugte uneheliche Kind.
Pfahl ist der festere, längere Holzstock.
Pfählen ist im Spätmittelalter und in früher Neuzeit eine seltene, durch
Durchbohren mit einem P. vollzogene Todesstrafe (z. B. CCC Art. 131 für
Kindestötung).
Lit.: Baltl/Kocher; Brunner, H., Über die Strafe des
Pfählens, ZRG GA 26 (1905), 258; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 499, Neudruck 1964; Meyer, H., Menschengestaltige
Ahnenpfähle aus germanischer und indogermanischer Frühzeit, ZRG GA 58 (1938),
42
Pfahlbürger ist der außerhalb der Stadtmauer
lebende, durch die Pfähle einer Vorstadtbefestigung geschützte (str.) Bürger
der mittelalterlichen Stadt (1231/2). Da der P. die Rechte eines Bürgers
beansprucht, entsteht vielfach Streit mit Landesherren. Mit Abschluss der
Landesherrschaft verschwinden die P. wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schmidt, M., Die Pfahlbürger,
Z. f. Kulturgeschichte 9 (1902), 241; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger,
Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Schröder, E.,
Pfahlbürger, FS E. Heymann, Bd. 1 1940, 52; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980
Pfählen ist eine mittels Durchbohrens des menschlichen
Körpers mit einem hölzernen Pfahl vollzogene, an der Wende vom Mittelalter zur
Neuzeit (z. B. in Art. 131 der Constitutio Criminalis Carolina von 1532)
sichtbare Art der Todesstrafe.
Lit.: Brunner, H., Über die Strafe des Pfählens im älteren deutschen
Recht, ZRG GA 26 (1905), 258
Pfalz ist der Palast der Herrschers im
Mittelalter. Die P. nimmt ihren Ausgang von dem Hügel Palatinus, auf dem in Rom
das Haus des Prinzeps Augustus (44 v. Chr.-14 n. Chr.) steht. Seit dem
Frühmittelalter beherrscht der fränkische bzw. deutsche König sein Reich durch
Ziehen von P. zu P. (z. B. in Bayerisch Schwaben Augsburg, Donauwörth,
Günzburg, Hohenaltheim, Holzkirchen, Memmingen, Mering, Zusmarshausen).
Lit.: Köbler, DRG 83; Buchner, M., Zur Interpretation
des palatinus regalis aulae, ZRG GA 35 (1914), 441; Schalles-Fischer, M., Pfalz
und Fiskus Frankfurt, 1969; Brühl, C., Palatium, Bd. 1f. 1975ff.; Die deutschen
Königspfalzen, hg. v. Max-Planck-Institut für Geschichte, Bd. 1ff. 1983ff.;
Binding, G., Deutsche Königspfalzen, 1996; Orte der Herrschaft, hg. v. Ehlers,
C., 2002; Splendor palatii, hg. v. Fenske, L. u. a., 2002
Pfalz ist das aus dem Herrschaftsgebiet
des fränkischen Pfalzgrafen Lothringens nach der Belehnung Konrads von Staufen
durch Kaiser Friedrich I. (1155/1156) entstehende Land am mittleren Rhein. Nach
dem Übergang an die Wittelsbacher (1214) kommt 1329 die obere P. (Oberpfalz)
zwischen Regensburg und Fichtelgebirge zur P. hinzu. 1945 wird die
linksrheinische P. von Bayern getrennt und mit anderen Gebieten zu
→Rheinland-Pfalz vereinigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Häusser, L.,
Geschichte der rheinischen Pfalz, 1845; Lossen, R., Staat und Kirche in der
Pfalz, 1907; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau der Landeshoheit in
der Kurpfalz, 1937; Pfalzatlas, hg v. Alter, W., Bd. 1 1964, 393; Karst, T.,
Das kurpfälzische Oberamt Neustadt an der Haardt, 1960; Cohn, H., The
government of the Rhine Palatinate, 1965; Bender, K., Die Hofgerichtsordnung
Kurfürst Philipps für die Pfalzgrafschaft bei Rhein, 1967; Press, V.,
Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Press, V., Die Grundlagen der
kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz, Verh. d. hist. Ver. Oberpfalz 117
(1977), 31; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der
Pfalzgrafen, 1978; Kern, B., Das Pfälzer Landrecht und die Landesordnung von
1582, ZRG GA 100 (1983), 274; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum
Pfalz-Zweibrücken, 1985; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und Urkundenwesen der
Pfalzgrafen, 1986; Schaab, M., Geschichte der Kurpfalz, 1988; Lenz, R.,
Kellerei und Unteramt Dilsberg, 1989; Rose, M., Das Gerichtswesen des
Herzogtums Pfalz-Zweibrücken im 18. Jahrhundert 1994; Kurpfalz, hg. v.
Schweickert, A., 1997; Kohnle, A., Kleine Geschichte der Kurpfalz, 2005;
Martin, M., Pfalz und Frankreich, 2008; Reinhardt, C., Fürstliche Autorität
versus städtische Autonomie, 2013; Böth, M., Erzählweisen des Selbst, 2015
(6000 Briefe Liselottes von der Pfalz); Haufs-Brusberg, G., Die Lützelsteiner
Lands Ordnung, 2013 (etwa 1580); Pfälzisches Klosterlexikon, hg. v. Keddigkeit
u. a., Bd. 1ff. 2014ff. (ca. 150 zu erwarten?); Friedrich der Siegreiche
(1425-1476), hg. v. Fuchs, F./Spieß, P., 2016; Ruppert, K., Die Pfalz im
Königreich Bayern, 2017
Pfalzgraf ist ein Titel im
fränkisch-deutschen Reich im Mittelalter und in der Frühneuzeit. Zuerst wird
ein (lat.) comes (M.) palatii bei Gregor von Tours genannt (577, 587, Diplom
Chlodwigs II. vom 22. 6. 654), der vermutlich den Hof des Königs leitet, aber
bald vom Hausmeier verdrängt wird. Als der Hausmeier 751 zum König aufsteigt,
wird der P. wieder oberster Amtsträger in weltlichen Sachen und vertritt vor
allem den König im Gericht. Seit dem frühen 9. Jh. erscheint ein (vom König
eingesetzter) P. der einzelnen Völker oder Stämme (z. B. Sachsen, Bayern u. s.
w.), aus dem sich der P. bei Rhein (als P. des Herzogtums Lothringen) zum
Landesherrn (der →Pfalz) und Kurfürsten (Reichsvikar, Vorsitz im
Fürstengericht) entwickelt, während die Stellung und die Rechte der anderen
Pfalzgrafen bereits im 10. Jh. weitgehend verlorengehen. Im Reich bleibt lange
der →Hofpfalzgraf.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 109; Meyer, H.
E., Die Pfalzgrafen der Merowinger und Karolinger, ZRG GA 42 (1921), 380;
Litzel, M., Der Ursprung der deutschen Pfalzgrafschaften, ZRG GA 49 (1929),
233; Gerstner, R., Die Geschichte der lothringischen und rheinischen
Pfalzgrafschaft, 1942; Arndt, J., Hofpfalzgrafenregister, Bd. 1ff. 1964ff.;
Press, V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Spieß, K., Lehnrecht,
Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen, 1978; Sprinkart, P., Kanzlei,
Rat und Urkundenwesen der Pfalzgrafen, 1986; Eberl, I., Die Entwicklung des
Pfalzgrafen, 1995; Paulus, C., Das Pfalzgrafenamt in Bayern im frühen und hohen
Mittelalter, 2007; Reinhardt, C., Fürstliche Autorität versus städtische
Autonomie, 2012 (Amberg, Mosbach, Nabburg, Neustadt an der Haardt); Peltzer,
J., Der Rang der Pfalzgrafen bei Rhein, 2013; Wolgast, E., Ludwig Camerarius
und die Politik der Kurpfalz vor und nach 1618 (in) HZ 299 2014 334
Pfalzgrafen bei Rhein →Pfalzgraf, Pfalz
Pfand (Wort bereits für das Germanische
zu erschließen, lat. [N.] pignus) ist schon im römischen Recht die zur
Sicherung eines Anspruchs dienende Sache bzw. das an ihr bestehende Recht. Im
engeren Sinn wird aus dem P. das Grundpfand (an unbeweglichen Sachen)
ausgeschieden. Am P. besteht das →Pfandrecht. Möglich ist in Rom neben
der durch das Erlöschen eines bestehenden Pfandrechts bedingten Verpfändung
seit der Hochklassik auch die Verpfändung derselben Sache für Forderungen
mehrerer Gläubiger, wobei das Prioritätsprinzip bedeutsam ist. das aber durch
verschiedene Rangprivilegien durchbrochen ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 41, 45,
62, 74, 91, 125, 163, 213; Hromadka, W., Die Entwicklung des
Faustpfandprinzips, 1971; Reifenberg, W., Die kurpfälzische Reichspfandschaft
Oppenheim, Gauodernheim, Ingelheim 1375-1648, 1968; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Krämer, G., Das besitzlose Pfandrecht, 2005;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Pfandbrief ist eine festverzinsliche,
unkündbare Schuldverschreibung eines Kreditinstituts (Pfandbriefanstalt), durch
deren Ausgabe dieses sich Mittel verschafft, die es unter hypothekarischer
Sicherung als Darlehen ausgibt. Der P. beruht auf einer Kabinettsorder König
Friedrichs II. von Preußen (1769). Erst seit der Mitte des 19. Jh.s haftet
dabei der Grundstückseigentümer dem Inhaber des Pfandbriefes nicht mehr. Aus
Ausgleich hierfür wird in der Folge nach französischem Vorbild dem Inhaber ein
Vorzugsrecht im Konkurs (Insolvenz) des Kreditinstituts gewährt.
Lit.: Rabe, H., Darstellung des Wesens der Pfandbriefe,
1819; Pavlicek, A., Das Pfandbriefrecht, 1895; Wegener, E., Zur Vorgeschichte
des Pfandbriefes, (in) Schmollers Jb. 44 (1920), 172; Geiecke, E., Die
Entstehung und Entwicklung der ritterschaftlichen Kreditinstitute, Diss. jur.
Bonn 1978; Marzi, L., Das Recht der Pfandbriefe und Hypothekenbanken, 2002
Pfandlehen ist das seit dem 12. Jh. sichtbare,
in der Zulässigkeit umstrittene Lehen eines Pfandes, bei dem der Pfandgläubiger
eine Sache nicht nur als Pfand, sondern zugleich als Lehen erhält.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967, 252; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft
Katzenelnbogen, 1969, 243; Spieß, K., Lehnrecht, Lehnspolitik und
Lehnsverwaltung, 1978, 230
Pfandleihunternehmer ist der Darlehensgeber, der gewerbsmäßig
Darlehen gegen Verpfändung beweglicher Gebrauchsgegenstände gibt. Im
Mittelalter betreiben die Juden das Pfandleihgeschäft. In der Neuzeit bestehen
Pfandleihbanken (Berlin 1717, Hanau 1738), deren Stellung ab dem späten 18. Jh.
gesetzlich geregelt wird (Preußen 1787, Bundesrepublik Deutschland 1961). Der
Pfandleihunternehmer ist seit 1939 nicht mehr Kreditinstitut (Bank).
Lit.: Loeffler, F., Die gewerbliche und private
Pfandleihe, 1929; Burchard, J., Der Begriff des Pfandleihgewerbes, Diss. jur.
Göttingen 1929; Lenzen, G., Das deutsche Pfandleihrecht, 1929
Pfandrecht (Wort 1185) ist objektiv die Gesamtheit der für
das →Pfand geltenden Rechtssätze und subjektiv das zur Sicherung einer
Forderung (z. B. Rückzahlung eines Darlehens) bestimmte dingliche Recht an
einem Gegenstand, kraft dessen der Gläubiger berechtigt ist, sich aus dem
belasteten Grundstand (vorzugsweise) zu befriedigen. Im altrömischen Recht ist
(bei handgreifbaren Sachen) die (lat. [F.]) →mancipatio oder →in
iure cessio (F.) unter der Bestimmung der Rückübertragung gegen spätere
Leistung, bei nicht handgreifbaren Sachen vermutlich eine formlose Bestellung
des Pfandes (lat. [N.] pignus) durch später entbehrliche Sachhingabe nötig
bzw. möglich. Im klassischen römischen Recht verbleibt der Besitz beim
Schuldner, wird das P. vom Bestand der Forderung abhängig und entstehen
Pfandrechte kraft Rechtssatzes und öffentlicher Einzelanordnung. Voraussetzungen
eines Pfandrechts sind Eigentum des Pfandbestellers, formlose Vereinbarung der
Pfandbestellung und Bestehen einer zu sichernden Forderung. Pfandgegenstand
kann auch eine Forderung sein. Vermutlich gibt es auch bei den Germanen ein P.
zur Sicherung einer Leistung. Der Pfandgläubiger erhält die Sache bis zur
Leistung. Erfolgt diese nicht, behält der Besitzer die Sache (Sachhaftung). Im
Frühmittelalter können allmählich auch Liegenschaften als Pfand gegeben werden.
Im Hochmittelalter kann das Pfand an Liegenschaften bloßes Substanzpfand sein,
wobei seit dem 14. Jh. der anfängliche Verfall bei Nichtauslösung durch den
Verkauf ersetzt wird und an die Stelle der tatsächlichen Übertragung die
Eintragung in ein Buch tritt. Ist das Liegenschaftspfand Nutzpfand, so werden
die nach der tatsächlichen Übertragung gezogenen Nutzungen nicht auf die
Lösungssumme angerechnet. Das Fahrnispfand ist meist Faustpfand, wobei die
Übergabe in der spätmittelalterlichen Stadt durch Eintragung in das Stadtbuch
(evtl. Pfandbuch) ersetzt werden kann und bei Pfandreife regelmäßig
Pfandverkauf erfolgt. Die Aufnahme des römischen Rechtes (Hypothek) seit dem
Spätmittelalter entwertet das P., so dass zur Sicherung für das Grundpfand
besondere →Hypothekenbücher entwickelt werden (Berlin 1693, Preußen
1722) und das Fahrnispfand wieder allgemein Faustpfand wird. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist das Grundpfand an Einigung und Eintragung
bzw. Eintragungsersatz gebundene Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld,
das Fahrnispfand grundsätzlich Faustpfand, wenngleich besitzlose Pfandrechte
immer mehr die Oberhand gewinnen. Rechtstatsächlich tritt im 20. Jh. das
Pfandrecht hinter der den Besitz beim Schuldner belassenden Sicherungsübereignung
zurück.
Lit.: Kaser §§ 22 II, 1, 31; Söllner § 18; Hübner 402,
469; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 26, 41, 45, 62, 74, 91, 125, 163, 213;
Meibom, V. v., Das deutsche Pfandrecht, 1867; Kohler, J., Pfandrechtliche
Forschungen, 1882; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902;
Kapras, J., Das Pfandrecht im böhmisch-mährischen Stadt- und Bergrechte, 1906;
Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Lieberwirth, R., Die
gesetzlichen Pfandrechte, Diss. jur. Halle 1952 (ungedruckt); Hromadka, W., Die
Entwicklung des Faustpfandprinzipes 1971; Wesener, G., Zur Entwicklung des
Pfandrechts, FS H. Demelius, 1973, 257; Klink, R., Die Behandlung des
Pfandrechts, Diss. jur. Tübingen 1975; Wiegand, W., Zur Entwicklung der
Pfandrechtstheorie im 19. Jahrhundert, ZNR 1981, 1; Berger, W.,
Eigentumsvorbehalt und Anwartschaftsrecht, besitzloses Pfandrecht und Eigentum,
1984; Mincke, W., Die Akzessorietät des Pfandrechts, 1987; Schanbacher, D., Die
Konvaleszenz von Pfandrechten, 1987; Repgen, T., Das Vermieterpfandrecht im
Kaiserreich, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 231; Krämer,
G., Das besitzlose Pfandrecht -_ Entwicklungen in der römischen Republik,
2007; Krieger, W., Die Akzessorietät des römischen Pfandrechts, Diss. jur.
Köln 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Pfandsatzung →verpfänden, Pfandrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Pfandschaft ist im Hochmittelalter,
Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Verpfändung von
Herrschaftsrechten. Sie wird seitens des Königs 1171, seitens der Landesherren
1197 sichtbar und hält seitens des Königs bis 1628 und seitens der Landesherren
bis 1803 an. Bis 1500 verpfänden die Könige in mehr als 1000 Fällen Reichsgut
(Herzogtümer, Grafschaften, Herrschaften, Vogteien, Gerichte, Städte, Dörfer,
Höfe u. s. w.). Die P. gewährt dem
Pfandnehmer Pfandherrschaft. Sie endet mit der Auslösung durch den Schuldner
oder durch die Ablösung durch einen Dritten. Der König ist vielfach zur
Auslösung nicht in der Lage.
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1987; Krause, H., Pfandherrschaften als
verfassungsgeschichtliches Problem, Der Staat 9 (1970), 387, 515; Tewes, L.,
Die Amts- und Pfandpolitik der Erzbischöfe von Köln, 1987
Pfändung ist die in der Gegenwart grundsätzlich
dem Staat vorbehaltene Beschlagnahme eines Gegenstands zwecks Sicherung oder
Befriedigung eines Gläubigers wegen einer Geldforderung. Im altrömischen Recht
ist die außergerichtlich, aber förmlich vollzogene private Pfändung (lat. legis
actio [F.] per pignoris capionem) als Ausnahme neben der allgemeinen
Personalvollstreckung möglich. Im Kognitionsverfahren werden bei Geldschulden
Gegenstände gepfändet und versteigert. Im Frühmittelalter ist die
außergerichtliche P. beweglicher Sachen in den Volksrechten erkennbar. Die P.
zwecks Verwirklichung (Vollstreckung) des Urteils wird aber bald von der
Genehmigung des Richters abhängig oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Die
Nichtauslösung des Pfandes hat den Verfall zur Folge. Im Hochmittelalter und
Spätmittelalter erfolgt vor allem in der Stadt die Vollstreckung durch Büttel
oder Fronboten durch öffentliche Pfändung von beweglichen Sachen und
Grundstücken, während die außergerichtliche Pfändung durch einen
Verfahrensbeteiligten zurücktritt. Allerdings ist die Gestaltung sehr
unterschiedlich. In der Neuzeit entwickelt sich das unter dem Einfluss des
gelehrten Rechtes stehende moderne Vollstreckungsverfahren, das 1877/1879 im
Deutschen Reich vereinheitlicht wird.
Lit.: Kaser §§ 81 III 2, 87 I 10; Hübner 170;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86, 116; Meibom, V. v., Das deutsche
Pfandrecht, 1867; Nägeli, A., Das germanische Selbstpfändungsrecht, Diss. jur.
Zürich 1876; Bayer, W., Das Recht aus erlaubter eigenmächtiger Pfändung, Diss.
jur. Berlin 1899; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Steiger, M.,
Das Pfändungsrecht der bayerischen Städte und Märkte auf dem Land, 1987;
Schildt, B., Die Pfändung um Schaden und Schuld, (in) Recht und Rechtswissenschaft
im mitteldeutschen Raum, hg. v. Lück, H., 1998, 41; Fecht, W. v. d., Die
Forderungspfändung im römischen Recht, 1999; Ludwig, M., Der Pfändungsschutz
für Lohneinkommen, 2001; Schubert, W., Das Zwangsvollstreckungsrecht im
Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931, ZRG GA 121 (2004), 351
Pfändungsklausel ist die in Urkunden seit dem
Hochmittelalter enthaltene Vereinbarung der Berechtigung des Gläubigers, bei
Nichtleistung den Schuldner ohne vorheriges Verfahren zu pfänden. Die P. geht
in der Neuzeit in der Unterwerfung unter die sofortige →Zwangsvollstreckung
auf.
Lit.: Kisch, G., Die Pfändungsklausel, ZRG GA 35
(1914), 41
Pfandverfall ist die Umwandlung des Pfandrechts
des Pfandgläubigers in das Vollrecht (Eigentum) bei Nichtauslösung im Zeitpunkt
der Fälligkeit. Der P. tritt allmählich hinter dem Pfandverkauf zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Meibom, V. v., Das
deutsche Pfandrecht, 1867, 248
Pfandvertrag ist der Vertrag über die Bestellung eines
Pfandes oder Pfandrechts durch den Schuldner für den Gläubiger oder
Pfandgläubiger. Er ist im römischen Recht (lat. [N.] pignus, Pfand) Realvertrag.
Er entsteht mit der Gabe der Pfandsache an den Pfandgläubiger.
Pfarrei →Pfarrer, Pfarrgemeinde
Lit.: Pfarreien im Mittelalter, hg. v. Kruppa, N.,
2008; Die Pfarre in der Stadt, hg. v. Freitag, W., 2011; Die Pfarrei im späten
Mittelalter, hg. v. Bünz, E. u. a. 2013; Bünz, E., Die mittelalterliche Pfarrei
– ausgewählte Studien, 2017
Pfarrer ist der Leiter einer christlichen
Gemeinde mit eigener Kirche. Seit dem Konzil von Reims (630) soll eine Pfarre
einen Pfarrer haben. Der P. spendet anstelle des Bischofs das Taufsakrament,
bringt die Eucharistie dar und erteilt das Bußsakrament. Im 8. Jh. wird er zum
Herrn des von den Gemeindeangehörigen zu leistenden Zehnten. In der Folge wird
die Stellung des Pfarrers rechtlich genauer festgelegt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Hagen, A., Pfarrei und Pfarrer nach dem Codex iuris canonici, 1935;
Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Arend, S., Zwischen Bischof und Gemeinde, 2003; Die evangelischen
Pfarrerinnen und Pfarrer im Rheinland von der Reformation bis zur Gegenwart,
bearb. v. Gruch, J., Bd. 1ff. 2011ff. (ca. 35000?)
Pfarrgemeinde ist die von einem →Pfarrer zu
betreuende christliche Gemeinde. Nach frühen Gemeindebildungsansätzen entsteht
im 5./6. Jh. die Verpflichtung der P., an den höheren Festtagen den
Gottesdienst des Pfarrers zu besuchen. Die Zugehörigkeit zur P. wird durch den
Wohnsitz bestimmt und in der frühen Neuzeit genau festgelegt.
Lit.: Haff, K., Die Urpfarreien in Ostschwaben und
Tirol als Markgenossenschaften und Siedlungsverbände, ZRG GA 65 (1947), 234;
Grass, F., Pfarrei und Gemeinde im Spiegel der Weistümer Tirols, 1950; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5.
A. 1983, 180; La parrocchia, hg. v. Paravicini Bagliani, A., 1995
Pfarrkirche ist die planmäßig mit einem
→Pfarrer zu besetzende Kirche einer Pfarrgemeinde. Sie entsteht im 5. Jh.
Für ihre Baulast sind Kirchengut, Patron und Pfarrgemeinde zuständig.
Lit.: Noser, H., Pfarrei und Kirchengemeinde, 1957;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983; Vogt, H., Bilder der frühen Kirche, 1993; Reitemeier,
A., Pfarrkirchen in der Stadt des späten Mittelalters, 2005
Pfarrsprengel ist das örtliche Zuständigkeitsgebiet
eines Pfarrers. Der P. entsteht noch im Altertum (z. B. Rom Mitte 4. Jh.s). Im
Frühmittelalter bilden sich zunächst große Urpfarreien. Seit dem 8. Jh.
verfeinert und verfestigt sich die Einteilung.
Lit.: Stutz, U., Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens,
1895; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pfeffinger, Johann Friedrich (Straßburg 5. 5.
1667-Lüneburg 27. 8. 1730), Lehrer der Ritterakademie Lüneburg, gibt in der
Bearbeitung von Vitrarius, P., Institutiones iuris publici (1686, Einrichtungen
des öffentlichen Rechtes) ein nach dem Institutionenschema (Personen, Sachen,
Rechte) gegliedertes Handbuch des öffentlichen Rechtes des Heiligen
Römischen Reiches .
Lit.: Bleeck, K., Adelserziehung auf deutschen
Ritterakademien, 1977
Pfeifergericht heißt das Verfahren der Erneuerung
eines Rechtes auf Zollfreiheit (in Frankfurt am Main) seitens des Heiligen
Römischen Reiches .
Lit.: Wyss, A., Ein Mainzer Seitenstück zum
Frankfurter Pfeifergericht, ZRG GA 22 (1901), 356; Reuter, F., Zollfreiheit und
Pfeifergericht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 33 (1975)
Pfennig (lat. [M.] denarius) ist seit dem
Frühmittelalter eine kleine Münze (264 Pfennige pro Pfund von 327 Gramm, E. 8.
Jh. 240 Pfennige pro Pfund von 367 Gramm, 11. Jh. 320 Pfennige pro Mark, 15.
Jh. 1200-1400 Pfennige pro Mark, E. 19. Jh. 100 Pfennige pro Mark), die 2002
dem (europäischen) Cent weicht.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 1896, Neudruck
1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914, 1975; Rittmann, H.,
Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986
Pferd ist das wohl seit dem 3. Jt. v.
Chr. zum Reiten und später auch zum Ziehen benutzte Haustier des Menschen. Die
ersten Streittwagen finden sich in Gräbern der Aintashtakultur im südlichen
Ural um 2100 v. Chr.
Lit.: Weigand, M., Die Pferde der Wikingerzeit, 2008;
Raulff, U., Das letzte Jahrhundert der Pferde, 2015
Pflanzenschutz ist der Schutz der Pflanzen vor
Gefahren. Er ist in einem besonderen Pflanzenschutzgesetz (1937) geregelt.
Lit.: Sucker, U., Die biologische Reichsanstalt für
Land- und Forstwirtschaft und die Entstehung eines reichseinheitlichen
Pflanzenschutzgesetzes (1914-1937), 1999; Birkhan, H., Pflanzen im Mittelalter,
2012
Pflege (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen)
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflegekind ist das auf Grund einer Erlaubnis
(des Jugendamts) von einer Pflegeperson in Familienpflege aufgenommene Kind.
Die Rechtsverhältnisse der bereits dem römischen Recht bekannten Pflegekinder
sind erst in der jüngeren Vergangenheit stärker verrechtlicht.
Lit.: Tirey, A., Das Pflegekind in der
Rechtsgeschichte, 1996
Pfleger (lat. [M.] curator) ist der
Verwalter einer Angelegenheit. Im Mittelalter werden beispielsweise der Vormund
oder auch ein Amtsträger P. genannt. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes
seit dem Spätmittelalter wird (lat.) →curator (M.) durch P. wiedergegeben.
Im Zusammenhang damit ist die Pflegschaft im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ein durch das Vormundschaftsgericht zu begründendes
Fürsorgeverhältnis eines Menschen (Pflegers) für einen anderen
(Pflegebefohlenen) zur Besorgung einer besonderen Angelegenheit.
Lit.: Kaser § 64; Hübner; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975
Pflegeversicherung ist die in Deutschland durch Gesetz
vom 22. 4. 1994 zum 1. 1. 1995 eingeführte Sozialversicherung für den
Pflegefall.
Pfleghafter ist der Angehörige eines im
Sachsenspiegel (1221/4) besonders genannten, sonst nur selten (1214, 1219,
1250, Anfang 15. Jh.s) bezeugten Standes von abgabepflichtigen Freien.
Lit.: Amira, K. v., Pfleghafte, ZRG GA 28 (1907), 435;
Molitor, E., Pfleghafte, ZRG GA 32 (1911), 330; Beyerle, K., Die Pfleghaften,
ZRG GA 35 (1914), 212; Heck, P., Pfleghafte und Grafschaftsbauern, 1916;
Molitor, E., Die Pfleghaften des Sachsenspiegels, 1941; Hagemann, A., Die
Stände der Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111
Pflegschaft (Wort 1370, lat. [F.] cura) ist die
fürsorgliche Besorgung einer Angelegenheit eines dieser Fürsorge Bedürftigen
(Pfleglings) durch einen Pfleger (lat. curator). Im römischen Recht kennen
bereits die Zwölftafelgesetze von 451/450 v. Chr. die Pflegschaft eines
Geisteskranken (lat. cura furiosi) und die Pflegschaft eines Verschwenders
(lat. cura prodigi). Sie steht dem nächsten Agnaten, hilfsweise den Gentilen,
notfalls einem vom Magistrat bestellten curator (Pfleger) zu. Später kann auch
der durch die (lat.) lex Laetoria von etwa 200 v. Chr. geschützte Minderjährige
(lat. minor XXV annis)
für ein einzelnes Geschäft, ab Marc Aurel (2. Jh. n. Chr.) auch für die gesamte
Geschäftsführung einen curator erbitten, dessen vorherige Einwilligung oder
nachträgliche Genehmigung das Fehlen einer Übervorteilung bei dem Geschäft
durch den Gegner sichert. Möglich ist auch eine (lat.) cura für einen Stummen,
einen Tauben, einen Gebrechlichen oder eine Leibesfrucht (lat. nasciturus).
Seit dem Spätmittelalter wird die P. im Heiligen römischen Reich aufgenommen,
aber vielfach nicht eindeutig von der Vormundschaft abgegrenzt. →Pfleger
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 36, 210; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflicht (Wort um 1000 belegt, Pflichtverletzung 1774) ist die Anforderung eines
bestimmten Verhaltens. Die P. ist das Gegenstück zu einem (subjektiven)
→Recht und vielfach die Auswirkung von (objektivem) Recht.
Lit.: Köbler, WAS; Grundrechte und Grundpflichten in
der Reichsverfassung, hg. v. Nipperdey, H., Bd. 1ff. 1929ff.; Erler, A.,
Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963; Schreiber, H., Der Begriff der
Rechtspflicht, 1966; Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973;
Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht, Diss. jur. Tübingen 1986;
Luchterhandt, O., Grundpflichten als Verfassungsproblem, 1988; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Pflichtteil (Wort um 1350 belegt, Pflichtteilsanspruch
1888, Pflichtteilsberechtigter 1814) ist der unentziehbare Mindestanteil naher Angehöriger
am Nachlass eines Erblassers. Bereits im klassischen römischen Recht engt im
1. Jh. v. Chr. die Einführung der (lat.) querela (F.) inofficiosi testamenti
(Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments) die Freiheit des Erblassers ein.
Kinder, Eltern und Geschwister eines frei geborenen Erblassers können nämlich
ein Testament anfechten, wenn es gegen die sittliche Pflicht verstößt, dem
Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm nach natürlicher Erbfolge
zustehenden Anteils zu hinterlassen. Im spätantiken römischen Recht muss nahen
Angehörigen (seit Konstantin [306-337] Abkömmlinge, Vorfahren und durch den
Vater verwandte Brüder des Erblassers) ein Viertel des gesetzlichen Erbteils
zugewendet werden. Ist der Angehörige ganz übergangen, kann er das Testament
angreifen. In anderen Fällen kann er Ergänzung auf das ihm zustehende Viertel
verlangen. Justinian erhöht den P. bei mehr als vier Kindern auf die Hälfte des
gesetzlichen Erbteils (536) und ordnet wenig später das Pflichtteilsrecht
umfassend. Mit dem Testament wird im Spätmittelalter auch vielerorts der P. des
römischen Rechtes aufgenommen (anders z. B. Tirol bis 1811), wobei im
Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches (1896/1900), im Zivilgesetzbuch
der Schweiz (1907/1911) und seit 15. 6. 1978 auch im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Österreichs (neben nahen Abkömmlingen [Hälfte] und nahen Vorfahren
[ein Drittel]) der überlebende Ehegatte in den Kreis der Pflichtteilsberechtigten
einbezogen wird und die deutschen und österreichischen Gesetzbücher dem
Pflichtteilsberechtigten nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den
Erben gewähren. Das französische und spanische Recht lassen nur eine
beschränkte Vergabe durch Testament zu. Das englische Recht gewährt bedürftigen
Angehörigen einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Nachlass.
Lit.: Kaser §§ 65 II 2, 69 I 2, 70; Köbler, DRG 38;
Heuberger, W., Geschichtliche Entwicklung des Pflichtteilsrechts, Diss. jur.
Leipzig 1912; Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957;
Mertens, H., Die Entstehung der Vorschriften des BGB über die gesetzliche
Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, 1970; Wacke, A., Die Rechtswirkungen der
lex Falcidia, FS M. Kaser, 1973, 209; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und
Unterhaltsanspruch, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz, 1979, 95; Coing,
H., Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechtes, Gedächtnisschrift W. Kunkel, 1984,
25; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Jaeschke, F., Pflichtteilsentzug,
2002; Bauer, A., Die innere Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts, 2008:
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Pflugschar ist der zum Aufreißen der Erde
bestimmte Teil des Pfluges. Das Schreiten über (9) glühende Pflugscharen ist im
Mittelalter eine Form des →Gottesurteils.
Lit.: Nottarp, H., Gottesurteilsstudien, 1956
Pfründe ist die einem kirchlichen
Amtsträger zustehende Unterhaltsleistung aus den Erträgnissen eines Vermögens.
Die Verdinglichung des Unterhaltsanspruchs erfolgt dabei nach Ansätzen im
Altertum seit dem Frühmittelalter. Im Laufe des Mittelalters wird die P. zu
einer eigenen (Vorform der) →juristischen Person (ausgestattetes Kirchenamt).
Lit.: Groß, C., Das Recht an der Pfründe, 1887; Stutz,
U., Lehen und Pfründe, ZRG GA 20 (1899), 213; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 203; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983;
Willich, T., Wege zur Pfünde, 2002; Philipsen, C., Pfründen und geistliche Steuern,
2010; Berger, D., Stift und Pfründe, 2011; Heinzer, A., Pfründen, Herrschaft,
Gottesdienst, 2014
Pfund (lat. [F.] libra) ist im
Mittelalter eine Gewichtseinheit, die seit dem 7. Jh. auch als Rechnungsmünze
(264 bzw. 240 Pfennige) Verwendung findet und in der Lira Italiens (bis 2002)
und dem Pfund Großbritanniens fortlebt.
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Spufford, P., Money, 1988
Phaleristik, F., Ordenskunde
Lit.: Nimmergut, J., Bibliographie der deutschen
Phaleristik, 2010
Philipp von Leyden (Leiden 1326/7?-9. 6. 1382) wird
nach dem Studium der freien Künste, Theologie und (1339/4) des Rechtes in
Orléans 1351/1352 Kanzleimitarbeiter der Grafen von Holland und nach anderen
Tätigkeiten 1371 Vikar des Bischofs von Utrecht. In seinem Hauptwerk ([85
„casus“ in] De cura reipublicae, Von der Pflege des Staates) verwendet er das
römische Staatsrecht zugunsten der Grafen von Holland.
Lit.: Berges, W., Die Fürstenspiegel, 1938, Neudruck
1952, 249; Wilfert, H., Philipp von Leyden, 1925; Feenstra, R., Philipp of
Leyden, 1970; Leupen, P., Philipp of Leyden, 1981; Feenstra, R., Philip of
Leyden en zijn bibliotheek, 1994
Philipp
von Schwaben
Lit.: Philipp von Schwaben, hg. v. Rzihacek, A. u. a.,
2010; Die Urkunden Philipps von Schwaben, hg. v. Rzihacek, A. u. a., 2014
Phillipe de Beaumanoir →Beaumanoir
Phillips, George (Königsberg 6. 1.
1804-Aigen bei Salzburg 6. 9. 1872), englisch-schottischer Herkunft, wird nach
dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und Göttingen (Eichhorn) 1827 außerordentlicher
Professor in Berlin, 1834 Professor in München, 1849 in Innsbruck und 1851 in
Wien. Er veröffentlicht eine englische Rechtsgeschichte (1825, 1827/8), ein
gemeines deutsches Privatrecht (1830), eine deutsche Rechtsgeschichte (1845)
und ein siebenbändiges Kirchenrecht (1845ff.).
Lit.: Lentze, H., Phillips, FS F. Loidl, Bd. 1 1970,
160
Philologie (Sprachwissenschaft
Lit.: Philologie als Literatur und Rechtswissenschaft.
Germanistik und Romanistik 1730-1870, hg. v. Lieb, C. u. a., 2013
Philosophie ist die gedankliche Beschäftigung
des Menschen mit dem Sein. Als rationale Bemühung um Orientierung durch Theorie
wird sie zuerst im griechischen Altertum (Thales, Anaximander, Anaximenes,
Pythagoras, Heraklit, Parmenides, Melissos, Zenon, Empedokles, Anaxagoras,
Sokrates, Plato, Aristoteles) sichtbar. Seit der Neuzeit verselbständigen sich
aus der P. besondere Fachwissenschaften. Im 19. Jahrhundert steigt die Zahl der
Vorlesungen in Vergangenes in seiner noch nicht aufgebrauchten Bedeutung neu
verstehender und damit hermeneutisierender Philosophiegeschichte sehr stark
an und sinkt dementsprechend in Ethik und Naturrecht. Eine Unterart der P. ist
die →Rechtsphilosophie.
Lit.: Zeller, E., Die Philosophie der Griechen, Bd.
1ff. 1844ff.; Philosophisches Wörterbuch, hg. v. Schmidt, H., 7. A. 1922, hg.
v. Gessmann, M.,23. A. 2010; Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. v.
Gründer, K. u. a., Bd. 1ff. 1971ff.; Coreth, E., Philosophie des 17. und 18.
Jahrhunderts, 1983 (fortgeführt v. Schöndorf, H.); Maurach, G., Geschichte der
römischen Philosophie, 2. A. 1997; Repertorium edierter Texte des Mittelalters
aus dem Bereich der Philosophie und angrenzender Gebiete, hg. v. Schönberger,
R. u. a., 1994, 2. A. 2011 (rund 3300 Autoren mit etwa 40000 Ausgaben); Störig,
H., Kleine Weltgeschichte der Philosophie, 18. A. 2016;Philosophische
Jurisprudenz, hg. v. Pieper, A., 1998; The Cambridge History of
Seventeenth-Century Philosophy, hg. v. Garber, D. u. a., 1998; Schneider, U.,
Philosophie und Universität, 1999; Solomon, R./Higgins, K., Eine kurze
Geschichte der Philosophie, 2000; Höffe, O., Kleine Geschichte der Philosophie,
2001; Fleischer, M., Anfänge europäischen Philosophierens. Heraklit –
Parmenides – Platons Timaios, 2001; Handbuch Frühe griechische Philosophie, hg.
v. Long, A., 2001; Wechselseitige Beeinflussungen und Rezeptionen von Recht
und Philosophie in Deutschland und Frankreich, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2001;
Helferich, C., Geschichte der Philosophie, 3. A. 2001; Hirschberger, J.,
Geschichte der Philosophie, 2003; Libera, A. de, Denken im Mittelalter, 2003;
Schupp, F., Geschichte der Philosophie im Überblick, Bd. 1ff. 2003;
Philosophen, hg. v. Lutz, B., 2004; Ries, W., Philosophie der Antike, 2005;
Decorte, J., Eine kurze Geschichte der mittelalterlichen Philosophie, 2005;
Philosophie, hg. v. Papineau, D., 2006; Albert, K., Platons Erbe, 2008;
Demandt, A., Philosophie der Geschichte, 2011; Repertorium edierter Texte des
Mittelalters aus dem Bereich der Philosophie, hg. v. Schönberger, R. u. a., 1994,
2. A. 2011 (rund 3300 Autoren); Herausforderung durch Religion?, hg. v.
Krieger, G., 2011; Kenny, A., Geschichte der abdenländischen Philosophie, 2912,
2. A. 2014, 3. A. 2016; Schöndorf, H., Philosophie des 17. und 18.
Jahrhunderts, 5. A. 2014; Seubert, H., Weltphilosophie, 2016; Metzler
Philosophen-Lexikon, hg. v. Lutz, B., 2015; Berger, S., The Art of Philosophy,
2017Kutschera, F. v., Der Weg der westlichen Philosophie, 2019
Phönizier ist der Angehörige eines zwischen
1500 v. Chr. und 300 v. Chr. am östlichen Mittelmeerufer sichtbaren Volkes der
Semiter. Vermutlich entwickeln die P. die Buchstabenschrift. Handeltreibend
erreichen sie wohl England und umschiffen vielleicht Afrika. Als Punier
erscheinen sie im westlichen Mittelmeer, wo sie von den Römern in den punischen
Kriegen (Hannibal, Zerstörung Karthagos 146 v. Chr.) besiegt und eingegliedert
werden.
Lit.: Markoe, G., Die Phönizier, 2003; Jongeling, K.,
Handbook of Neo-Punic Inscriptions, 2008; Kerr, R., Latino-Punic Epigraphy,
2010; A Companion to the Punic Wars, hg. v. Hoyos, D., 2011; Morstadt, B., Die
Phönizier, 2015
Physik
Lit.: Petrarca, R., Die Geburt der modernen Physik,
2016 (Einstein, Maxwell, Hertz, Faraday, Newton, Kepler)
Physiokrat →Physiokratismus
Physiokratismus ist die wirtschaftspolitische
Strömung des 18. Jh.s (François Quesnay 1694-1774), die den Boden als
eigentliche Quelle des Reichtums ansieht, den Ackerbau zum wichtigsten
Berufszweig erklärt, zur Verbesserung des Ertrages das Eigentum der Bauern am
bewirtschafteten Land befürwortet und sich später gegen die zunehmenden
Eingriffe des Staates, die eine Verbesserung der Einnahmen, die Sicherung der
allgemeinen Versorgung und dann auch die Einordnung des Bauern in die Gesamtgesellschaft
anstreben, wendet. Obwohl der P. das Interesse einiger Landesherren findet,
bewirkt er kaum praktische Veränderungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Köbler, DRG
133, 134, 174, 192; Guyot, Y., Quesnay et la physiokratie, 1896; Beer, M., An
inquiry into physiocracy, 1939; Woog, H., Le tableau économique of François
Quesnay, 1950; Klippel, D., Der Einfluss der Physiokraten, Der Staat 23 (1984),
205; Gömmel, R./Klump, R., Merkantilisten und Physiokraten, 1994
Piacenza →Parma
Lit.: Zumhagen, O., Religiöse Konflikte und kommunale
Entwicklung, 2001
Piast ist der Angehörige einer sich auf
einen Bauern Piast aus Kruschwitz zurückführenden, geschichtlich am Ende des
10. Jh.s nachweisbaren Familie, die unter Boleslaw I. Chrobry ihre Herrschaft
von Kiew bis zur Mark Meißen ausdehnt. Ihre polnische, seit 1320 königliche
Linie wird 1370 von den Jagiellonen beerbt. Die herzögliche Linie in Massowien
erlischt 1526, die schlesische 1625/1675.
Lit.: Balzer, O., Genealogia Piastow, 1895; Jasinski,
K., Rodowod pierwszych Piastow, 1992
Picard, Edmond-Désiré (Brüssel
1836-1924), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Brüssel Advokat, 1884
Professor und Politiker. 1878 gründet er die 136 Bände umfassende
Rechtsenzyklopädie Pandectes Belges. Beeinflusst ist er von Rudolf von
→Ihering.
Lit.: Pasquier, A., Edmond-Désiré Picard, 1945 ;
Ringelheim, F., Un jurisconsulte de Race, 1999, 2. A. 2012
Piccolomini, Enea Silvio
Lit. : Meusel, A., Enea Silvio als Publizist,
1905; Battaglia, F., Enea Silvio Piccolomini e Francesco Patrizi, 1936; Kallen,
G., Aeneas Silvius Piccolomini als Publizist, 1939; Kisch, G., Enea Silvio
Piccolomini und die Jurisprudenz, 1967 ; König und Kanzlist, Kaiser und
Papst, hg. v. Fuchs, F. u. a., 2013
Piemont („Bergfuß“) ist das Gebiet der westlichen
Poebene und der Westalpen. Über Römer, Ostgoten, Oströmer, Langobarden und
Franken fällt es um 1046 an die Grafen von Savoyen. Seit dem frühen 18. Jh.
benennt sich P. nach dem 1717/1720 erlangten Sardinien. Aus ihm entwickelt sich
1859/1861 das Königreich Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Viora, M., Le
costituzioni piemontesi, 1928; Beltrutti, G., Storia del Piemonte, 1976;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264; Nada Patrone, A., Il
medioevo in Piemonte, 1986; Tabacco, G., Piemonte medievale, 1985
pietas (lat. [F.]) richtiges Verhalten,
Frömmigkeit
Lit.: Ulrich, T., Pietas (pius) als politischer
Begriff, Diss. phil. Breslau 1929; Dürig, W., Pietas liturgica, 1958;
Frömmigkeit im Mittelalter, hg. v. Schreiner, K. u. a., 2002; Geschichte des
Pietismus, hg. v. Brecht, M. u. a., 2004
Pignus (lat. [N.]) ist schon im
altrömischen Recht das →Pfand. Die Hingabe einer Sache zur Sicherung
einer Schuld geschieht bei handgreifbaren Sachen durch (lat. [F.])
→mancipatio oder (lat. [F.]) →in iure cessio unter der Bestimmung,
dass die hingegebene Sache gegen eine spätere Leistung zurückzuübertragen ist.
Bei nicht handgreifbaren Sachen ist vermutlich eine formlose Bestellung eines
Pfandes (p.) durch später entbehrlich werdende Sachhingabe möglich. Unterbleibt
die Auslösung, so behält der Pfandnehmer die Sache (Verfall). Im klassischen
römischen Recht ist p. ein Realkontrakt, bei dem die Sache hingegeben wird
unter der Abrede, dass der Pfandgläubiger sie als Pfand besitzen und je nach
dem Verhalten der Gegenseite verwerten oder zurückgeben soll. Pignus tacitum
ist das stillschweigende, möglichen neuen Gläubigern unbekannte P.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, III IV; Söllner § 9, 18;
Köbler, DRG 26, 45; Köbler, LAW; Schanbacher, D., Beobachtungen zum sog. pignus
Gordianum, ZRG RA 114 (1997), 233; Braukmann, M., Pignus, 2008
Pilius (da Medicina), Pillius (da
Medicina) (Medicina bei Bologna um 1150-nach 1207) ist um 1180 Rechtslehrer in
(Modena und) Bologna? und 1192 Hofrichter Kaiser Heinrichs VI. Er verfasst
zahlreiche verschiedene Werke (Summe, Glossen zum [lat.] Liber [M.] bzw. Liber
feudorum, [lat.] Libellus [M.] disputatorius, Disputationen, Quaestionen,
Distinktionen, Einzeluntersuchungen).
Lit.: Fried, J., Die Entstehung des Juristenstandes,
1974; Santini, G., Università e società nel XII secolo, 1979; Conte, E., Tres
libri Codicis, 1990, 71; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997,
226
Pillersdorf (Pillersdorff), Franz Xaver von
(1786-1862) ist 1848 Innenminister →Österreichs. Nach ihm wird vielfach
die erste, in seiner Amtszeit erarbeitete (gescheiterte) österreichische
Verfassung benannt.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 193
Pillersdorfsche Verfassung (Pillersdorffsche Verfassung,
Aprilverfassung) ist die nach dem damaligen Innenminister benannte, nach
Unruhen am 15. 3. 1848 angekündigte, am 25. 4. 1848 von Kaiser Ferdinand I. von
→Österreich für die nichtungarischen Länder ausgenommen auch Lombardo-Venetien)
gewährte (oktroyierte) Verfassung. Sie kennt Gewaltenteilung, Gegenzeichnung
der Vollzugshandlungen des Kaisers durch den verantwortlichen Minister,
Reichstag (Parlament) bestehend aus Senat und Abgeordnetenkammer bei absolutem
Vetrorecht des Kaisers sowie einen Grundrechtskatalog. Auf Forderungen von
Demonstranten hin wird sie abgeändert (Einkammersystem ohne Steuerzensus) bzw.
nach der Erhebung vom 15. 9. 1848 zurückgezogen. Inhaltlich entspricht ihr der
ihr zeitlich folgende, vom österreichischen Reichstag in Kremsier erarbeitete,
aber auf dem Grundsatz der Volkssouveränität aufbauende →Kremsierer
Entwurf. Mit der Märzverfassung wird sie am 4. 3. 1849 aufgehoben.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 171, 193
Pillius →Pilius
pincerna (lat. [M.]) Schenk
Lit.: Köbler, DRG 83
pipe roll (engl.) Schatzkammerrolle des
Königs (seit 1130)
Pippin ist der Leitname der austrasischen
Hausmeier des merowingischen Königs bzw. der karolingischen Könige. Nach Pippin
dem Jüngeren (714/715-24. 9. 768) ist die pippinische Schenkung benannt.
Lit.: Köbler, DRG 82; Schieffer, R., Die Karolinger
1992, 50; Stoclet, A., Fils du Martel, 2013
Pippinische Schenkung ist die an die päpstliche Salbung
(751?, 754) anschließende „Gabe“ (Rückgabe) des fränkischen Königs Pippin des
Jüngeren an Papst Stephan II. im Jahre 754 (756). Sie umfasst das (von den
Langobarden entzogene) Gebiet von Luni, Parma, Reggio und Mantua bis Monselice,
den Exarchat Ravenna, Venetien, Istrien, Benevent und Spoleto. Die
Überlieferung der Gabe ist teils lückenhaft, teils unklar. Die p. S. legt, auch
wenn sie nicht vollständig verwirklicht wird, den Grundstein für die Entstehung
des →Kirchenstaats (Vatikan).
Lit.: Köbler, DRG 82; Sybel, H. v., Die Schenkungen
der Karolinger an die Päpste, HZ 44 (1880), 47; Gundlach, W., Die Entstehung
des Kirchenstaates, 1899; Quellen zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. v.
Fuhrmann, H., 1968; Partner, P., The Lands of St. Peter, 1972; Jarnut, J.,
Quierzy und Rom, HZ 220 (1975), 265; Noble, T., The Republic of St. Peter,
1984; Scholz, S., Die „pippinische Schenkung, HZ 307 (2018) 635
Pirat, M., Seeräuber
Lit.: Bono, S., Piraten und Korsaren im Mittelmeer,
2009; Piraterie von der Antike bis zur Gegenwart, hg. v. Grieb, V./Todt, S.,
2012; Seeraub im Mittelmeerraum, hg. v. Jaspert, N. u. a., 2013; Derks, H.,
Gefahr auf See – Piraten in der Antike, 2016; Rohmann, G., Jenseits von
Piraterie und Kaperfahrt, HZ 304 (2017)
Pirckheimer, Willibald (Eichstätt 5. 12.
1470-Nürnberg 22. 12. 1530) wird nach dem Rechtsstudium in Padua und Pavia
Ratsherr in Nürnberg. 1528/1529 befürwortet er für die Ausgabe der
→Digesten durch Haloander einen Zuschuss Nürnbergs.
Lit.: Thieme, H., Willibald Pirckheimers Corpus iuris,
Festgabe A. Bruckner, Basler Z. f. Altertumskunde 74 (1974), 259; Holzberg, N.,
Willibald Pirckheimer, 1981
Pisa am unteren Arno kommt im 3./2. Jh. von den Etruskern
an die Römer. Im 4. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Im 12. Jh. wird es freie
Kommune, fällt aber 1406 an Florenz und 1860/1861 an Italien. Seine Universität
wird um 1395 gegründet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Tolaini, E., Pisa,
1992; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 33
Pisanelli, Giuseppe (1812-1879) wird nach
dem Rechtsstudium in Neapel 1839 Rechtslehrer in Neapel und später einer der
führenden Rechtspolitiker Italiens. Er beeinflusst die 1865 veröffentlichten
italienischen Gesetzbücher für Privatrecht und Zivilprozessrecht maßgeblich.
Lit.: Lettere inedite di Giuseppe Pisanelli, hg. v.
Confessore, O., 1979
Pithou (Pithoeus), Pierre (1539-1596) wird
nach dem Rechtsstudium in Bourges und Valence (Cujas) Anwalt in Paris, Berater
und Privatgelehrter, 1573 Amtmann und 1582 Generalprokurator. Er bearbeitet und
veröffentlicht unterschiedliche Quellen (Edictum Theoderici, Leges
Visigothorum, 1579, Codex canonum vetus Ecclesiae Romanae, 1609).
Lit.: Grosley, J., Vie de Pierre Pithou, Bd. 1f. 1756
Placentinus (Piacenza 1130?-Montpellier 12. 11.
1192) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Lehrer des weltlichen Recht in
Mantua, Montpellier (1163-1184/1185, 1190/1191-1192), Bologna und Piacenza. Er
verfasst Summen (z. B. Cum essem Mantua/Libellus de actionum varietatibus,
Summa codicis, Summa institutionum, Summa trium librorum unvollendet), Distinktionen,
Disputationen, Glossen, Monographien und Kommentierungen.
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes,
2. A. 1834ff., Neudruck 1956, 4, 244ff., 537ff.; Tourtoulon, P. de,
Placentinus, 1896, Neudruck 1972; Conte, E., Tres libri Codicis, 1990; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 207
Placitum (lat. [N.]) ist im Frühmittelalter
der Beschluss und die ihn fassende Versammlung (Ding), wobei herrscherliche
placita bereits am Beginn des 9. Jh.s mit dem Ausscheiden des Königs aus dem
Kreis eines hochadeligen Urteilergremiums verschwinden..
Lit.: Köbler, LAW; Manaresi, C., I placiti del Regnum
Italiae, Bd. 1ff. 1955ff. (484 Nummern bis 1100); Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Stieldorf, A., Zum „Verschwinden“ der
herrscherlichen Placita am Beginn des 9. Jahrhunderts, A. f. D. 53 (2007), 1
Plädoyer (N.) Schlussvortrag im Strafprozess
plagium (lat. [N.]) Anmaßung des
Herrenrechts
Lit.: Köbler, DRG 35; Rieble, V., Das
Wissenschaftsplagiat, 2010; Zitat, Paraphrase, Plagiat, hg. v. Lahusen,
C./Markschies, C., 2015
Planck, Gottlieb (Göttingen 24. 6.
1824-20. 5. 1910), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Göttingen und
Berlin (Puchta) Richter (1859-1863 infolge der Auflösung des Obergerichts Dannenberg
ohne Amt, 1879 Ruhestand) und Rechtspolitiker. Trotz Erblindung bearbeitet er
von 1874 an den ersten Teilentwurf des Familienrechts des deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900). Seit 1889 lehrt er als ordentlicher Honorarprofessor
in Göttingen.
Lit.: Köbler, DRG 183; Frensdorff, F., Gottlieb
Planck, 1914; Schubert, W., Beratung des BGB. Materialien zur
Entstehungsgeschichte des BGB, 1978, 80; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg.
v. Loos, F., 1987, 299; Schroeder, K., Gottlieb Planck, JuS 2000, 1046; Meder,
S., Gottlieb Planck und die Kunst der Gesetzgebung, 2010
Planiol, Marcel (1853-1931) wird nach dem
Rechtsstudium Professor in Grenoble (1880), Rennes (1881) und Paris (1887).
Seit 1894 veröffentlicht er den (franz.) Traité élémentaire de droit civil
(Grundriss des bürgerlichen Rechtes), durch den er den →Code civil
erfolgreich in die gesamtfranzösische Entwicklung einbindet.
Lit.: Marcel Planiol, hg. v. Berhélemy, H. u. a., 1931
Planitz, Hans (Kaditz bei Dresden 4. 5.
1882-Wien 16. 1. 1954), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Recht und
Geschichte in Tübingen und Leipzig (Lamprecht) 1909 außerordentlicher Professor
in Leipzig, 1913 ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main,
1919 in Köln und 1941 in Wien. Seine Arbeiten betreffen vor allem das
Vollstreckungsrecht, das Sachenrecht und die Stadtgeschichte.
Lit.: Planitz, H., Die Pfändung, 1912; Planitz, H.,
Das deutsche Grundpfandrecht, 1936; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Österreichische Geschichtswissenschaft der
Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., Bd. 2 1951, 126
Plantagenet ist die in der Mitte des 12. Jh.s
nach dem Ginster (lat. planta [F.] genista) als Helmzier (oder zum Sichtschutz
bei der Jagd) benannte Familie (Grafen von →Anjou, Maine und Tourraine),
die nach der Verbindung mit der Erbtochter des Königs von England (1128) 1144
das Herzogtum der →Normandie und 1154 in Verfolgung eines durch Mathilde
von England vermittelten Erbanspruchs das Königtum in →England erreicht
und einschließlich der Nebenlinien Lancaster und York bis 1485 herrscht
(offizieller Beiname Plantaginet seit 1460 durch Herzog Richard von York).
Lit.: Fowler, K., The Age of Plantagenet and Valois,
1967; Lauffray, C./Lauffray, P., Die Plantagenets, 1984; La cour Plantagenêt,
hg. v. Aurell, M., 2000; Berg, D., Die Anjou-Plantagenets, 2003; Favier, J.,
Les Plantagenêts, 2004; Plantagenêts et Capétiens, hg. v. Aurell, M. u. a.,
2006.
Plantagenwirtschaft ist eine landwirtschaftliche
Bewirtschaftungsform (z. B. im römischen Weltreich, in den neuzeitlichen
Kolonien).
Lit.: Köbler, DRG 28
Planwirtschaft ist die vom (zentralstaatlichen)
Plan bestimmte Wirtschaft (z. B. seit 1918 in der Sowjetunion, ab 1945 in der
sowjetischen Besatzungszone bzw. der Deutschen Demokratischen Republik). Die
Entscheidungsfreiheit von Unternehmern entfällt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 249;
Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v. Hamel,
H., 1977; Lindner, N., Der Übergang des Rechts der Wirtschaft von der Plan- zur
Marktwirtschaft in Ostdeutschland, 1996; Hoffmann, D., Aufbau und Krise der
Planwirtschaft, 2002; Planwirtschaft – Privatisierung – Marktwirtschaft, hg. v.
Heydemann, G. u. a., 2017
Plea rolls (engl. [N.Pl.]) sind die seit dem Jahre
1194 fast lückenlos erhaltenen Prozessrollen des →englischen Rechtes.
Lit.: Select pleas in manorial and other
seignorial courts, hg. v. Maitland, F., 1889; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Plebejer ist im altrömischen Recht der
Angehörige des einfachen, nichtpatrizischen Volkes. Die anfänglichen
Unterschiede werden in der Republik eingeebnet und verschwinden durch jüngere
gesellschaftliche Gegensätze. Danach bezeichnet P. untechnisch den Angehörigen
des einfachen Volkes.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 8
Plebiscitum (lat. [N.]) ist seit dem
altrömischen Recht die Entscheidung der Versammlung (lat. concilium) der (lat.
[F.]) plebs, die als Rechtsquelle anerkannt bzw. den Beschlüssen der
allgemeinen Volksversammlung (Gesetzen) gleichgestellt wird (287 v. Chr. lex
Hortensia). Danach werden die meisten Gesetze auf dem einfacheren Weg des p.
beschlossen (z. B. lex Aquilia de damnis). →Plebiszit
Lit.: Kaser §§ 2 II 2a, 3 II 1; Söllner §§ 6, 15;
Köbler, DRG 13, 31; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Plebiszit ist in der Neuzeit der
Volksentscheid bzw. die Volksabstimmung. →plebiscitum
Lit.: Mittenberger-Huber, A., Das Plebiszit in Bayern,
2000
plebs (lat. [F.]) Volk
Plenipotenz (F.) Gewaltenfülle (z. B. des
Papstes)
Lit.: Wyduckel, D., Princeps legibus solutus 1979, 88
plenitudo (F.) potestatis (lat.) Gewaltenfülle
→Plenipotenz
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Pluralismus ist die Lehre vom Nebeneinander
mehrerer Verschiedenheiten. Mit der Lösung von einer einzigen Einheit ist der
P. möglich. Weltanschaulich gründet sich der P. des ausgehenden 20. Jh.s auf
die Aufgabe der Unbedingtheit der christlichen Tradition in der abendländischen
Kultur.
Lit.: Köbler, DRG 253; Le pluralisme juridique, hg. v.
Gilissen, J., 1972; Bast, J., Totalitärer Pluralismus, 1999; The Adventure of
Religious Pluralism in Early Modern France, hg. v. Cameron, K. u. a., 2000
Pluris petitio (lat. [F.]) ist die (nach Gaius in
vier Weisen mögliche) Zuvielforderung des Klägers im römischen Recht, die
zeitweise eine Straffolge wegen unbedachter Verfahrensführung, im Übrigen
die Abweisung der Klage und den Verlust des Klaganspruchs nach sich zieht.
Lit.: Kaser §§ 34 II, 53 III, 83 I, 87 I, II; Köbler,
DRG 62
Podestà (M.) (meist auswärtiger, adliger
oder gelehrter, aus Misstrauen auf Zeit bestimmter, danach im Syndikatsprozess
überprüfter) Machtinhaber der hochmittelalterlichen Stadt Italiens
Poena (lat. [F.]) ist im altrömischen
Recht die Vermögensleistung, durch die bei einem Unrechtserfolg das Racherecht
des Verletzten oder seiner Verwandtschaft abgelöst werden kann. Dabei soll, wer
einem anderen (nur?) ein Bein bricht, (nur) die feste und daher bei
Währungsverfall gefährdete Summe (Buße) von 300 Pfund Kupfer (p.) entrichten,
bei einem Sklaven 150 Pfund Kupfer, bei sonstigem Unrecht 25 Pfund Kupfer. In
der Spätantike ist die dem Ersatz des Schadens dienende Leistung (lat.) p.,
damnum, satisfactio oder compositio. Dagegen bezeichnet Tacitus (98 n. Chr.)
den Ausgleich eines Unrechtserfolgs durch Pferde und Rinder bei den Germanen
auch als p. Seit dem Hochmittelalter ist p. die peinliche Strafe an Leben oder
Leib.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 35 II, 50 I; Köbler, DRG 26, 27,
65, 74, 119; Köbler, LAW
Poena (F.) arbitraria (lat.) ist auf Grund
hochmittelalterlicher Ansätze (Vincentius Hispanus, Papst Innozenz IV.) in der
frühen Neuzeit die der (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Carolina von
1532 bekannte Ermessensstrafe oder auch außerordentliche Strafe (lat. poena
extraordinaria). Über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus findet sie
Anwendung bei ungeregelten strafwürdigen Geschehnissen (z. B. Abschneiden vom
Galgen) und bei Sonderfällen geregelter Tatbestände. Mit der Aufklärung wird
die p. a. zurückgedrängt (z. B. Josephinisches Gesetzbuch 1787).
Lit.: Schaffstein, F., Die europäische Strafrechtswissenschaft,
1954, 29; Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000
Poena (F.) dupli (lat.) ist im römischen Recht die in
bestimmten Fällen eintretende Verdoppelung einer Schuld (z. B. Leugnen bei
Klage aus unerlaubter Handlung). Verschiedentlich greift späteres Recht
hierauf zurück.
Lit.: Köbler, DRG 27
poena (F.) extraordinaria (lat.) außerordentliche Strafe
→poena arbitraria
Lit.: Söllner §§ 8; Kroeschell, DRG 3
poena (F.) ordinaria (lat.) ordentliche (gesetzlich
festgelegte) Strafe
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Pönalklage ist die auf Ausgleich eines Unrechts durch
Verurteilung des Täters zu einer Buße gerichtete Klage des römischen Rechtes.
Sie ist auf der Seite des Beklagten bis zur (lat.) litis contestatio (F.,
Streitbefestigung) unvererblich, auf der Seite des Klägers bei vor allem
gegen die Person gerichtetem Unrecht (z. B. lat. iniuria). Sie ist im (lat.)
ius civile (Zivilrecht) unbefristet, im (lat.) ius honorarium (Amtsrecht) auf
ein Jahr befristet, wird aber mit Streitbefestigung stets vererblich und
unbefristet.
Poenitentiale →Paenitentiale
Pogrom (russ., N.) Zerstörung, Verfolgung (z. B. in
Russland im 19. und 20. Jh. gegenüber Juden, danach auch in anderen Ländern z.
B. Deutsches Reich 1938)
Lit.: Wiese, S.,
Pogrime im Zarenreich, 2017
Polen ist der mitteleuropäische, von
Slawen gebildete Staat zwischen Karpaten und Ostsee, dessen Anfänge um 960
sichtbar werden. Im 12. und 13. Jh. zerfällt P., das vor 1200 nur wenige
Urkunden überliefert (1189 erstes schriftliches Urteil) in mehrere Herzogtümer
verschiedener Linien der Piasten. 1320 finden Großpolen (Posen, Kalisch,
Gnesen) und Kleinpolen (Krakau, Sandomir) wieder zusammen, während Schlesien
sich an Böhmen anschließt und Masowien (Warschau) bis 1526 selbständig bleibt.
Im 14. Jh. erhält das Königreich P. ein Landrecht. 1386 folgt im Königtum der
Familie der →Piasten bis 1572 die der Jagiellonen (→Litauen). 1772,
1793 und 1795 wird das 1768 unter die Vorherrschaft Russlands geratene, am 3.
5. 1791 eine Verfassung schaffende P. (Polen-Litauen) zwischen →Russland
(1772 bei Verzicht auf Moldau und Walachei das Gebiet Polnisch-Livland und die
weißrussischen Gebiete bis zur Düna, 1793 Weißrussland, weite Gebiete Litauens
und der Ukraine, 1795 sämtliche Gebiete östlich des Bug und der Memel, Kurland
und Litauen, insgesamt etwa 63 Prozent des Gebiets mit 47 Prozent der
Bevölkerung), →Preußen (1772 Landbrücke nach Ostpreußen durch das Gebiet
des Preußen königlichen Anteils [ohne Danzig und Thorn] und Netzedistrikt, 1793
Danzig und Thorn, Großpolen und Teile Masowiens = Südpreußen, 1795 Gebiete
westlich des Bug und der Memell mit Warschau = Teil Neuostpreußens,
Neuschlesien nördlich Krakaus, insgesamt knapp 19 Prozent des Gebiets) und
→Österreich (1772 Galizien mit Teilen Kleinpolens, Ruthenien mit Lemberg,
1793 nichts, 1795 Lublin, Radom, Sandomierz, Krakau, insgesamt etwa 18 Prozent
des Gebiets mit 31 Prozent der Bevölkerung) aufgeteilt, im 19. Jh. (1807
Errichtung eines Herzogtums Warschau aus preußischen Gebieten durch Napoleon,
das auf dem Wiener Kongress 1815 in veränderter Gestalt als Kongresspolen mit
Russland in Personalunion vereinigt wird, Großherzogtum Posen Preußens, Republik
Krakau als Stadtstaat bis 1846 unter dem Protektorat Russlands, Preußens und
Österreichs, 1846 durch Österreich annektiert als Großherzogtum Krakau) aber
teilweise wiederhergestellt. Am 11. 11. 1918 wird das seine Unabhängigkeit
ausrufende P. in eine Republik umgewandelt. Bis 1921 gewinnt es Westpreußen,
Posen, Westgalizien und russische Gebiete im Osten, bis 1923 das Wilnagebiet
und Ostgalizien. 1930/1933 erhält P. eine vereinheitlichende Zivilprozessordnung.
1939 wird P. zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion geteilt, nach
2078 Tagen Besetzung durch das Deutsche Reich 1945 aber unter Verschiebung nach
Westen (1990 Oder/Neiße) und Entdeutschung erneuert. Seit 1. 5. 2004 ist Polen
Mitgliedstaat der Europäischen Union.→polnisches Recht
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfassungPolen1791.htm;
Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 191, 223, 246;
Beer, A., Die erste Teilung Polens, 1873; Bernhard, L., Die Polenfrage, 1907,
Neudruck 2013, 2. A. 1910, 3. A. 1920; Lord, H., The Second Partition of
Poland, 1916; Handelsman, M., Die mittelalterliche polnische Sozialgeschichte,
1920; Grünenthal, O., Das Statut von Wiślica in polnischer Fassung, 1925;
Ptašnik, J., Städte und Bürgerschaft im alten Polen, 1934 (polnisch); Schaeder,
H., Geschichte der Pläne zur Teilung des alten polnischen Staates seit 1386,
1937; Wojciechowski, Z., L’état polonais au moyen-âge, 1949; Tischer, K., Das
älteste polnische Gewohnheitsrechtsbuch, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969;
Luciński, J., (Die Entwicklung des Königsguts in Polen), 1970; Meyer, E.,
Grundzüge der Geschichte Polens, 3. A. 1990; Kossmann, O., Polen im
Mittelalter, Bd. 1f. 1971ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,551, 3,2,2099,2111,2119,2805, 3,3,3506,3509,3745; Rhode, G., Geschichte
Polens, 3. A. 1980; Jedruch, J., Constitutions, elections and legislatures of
Poland 1493-1977, 1982; Ludwig, M., Besteuerung und Verpfändung königlicher
Städte im spätmittelalterlichen Polen, 1984; Schnur, R., Einflüsse des
deutschen und des österreichischen Rechts in Polen, 1985; Urban, T., Deutsche
in Polen, 4. A. 2000; Lityński, A., Der polnische Reformgedanke in den
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Zernack, K., Polen und Russland, 1994; Schmidt-Roesler, A., Polen, 1996;
Rzeplinski, A., Die Justiz in der Volksrepublik Polen, 1996; Schreiner, P.,
Königin Richeza, Polen und das Rheinland, 1996; Lerski, G., Historical
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Grenze, 1997; Urban, T., Polen, 2. A. 2003; Bingen, D., Die Polenpolitik der
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1999; Donnert, E., Die Adelsrepublik Polen, (in) Republikbegriff und
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Wandels, 2001; Wyczanski, A., Polen als Adelsrepublik, 2001; Fried, J., Otto
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Geschichte und Gegenwart, hg. v. Lawaty, A. u. a., Bd. 1f. 2000; Gehrke, R.,
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Prawodawstwo króla i sejmu dla Małopolskich miast królewskich. Studium z
dziejów rządów prawa w Polsce (Die Rechtsprechung des Königs und des Sejm
für die kleinpolnischen Königsstädte. Untersuchung zur Geschichte der
Rechtsordnung in Polen),2014; Conrad, B., Umkämpfte Grenzen, umkämpfte
Bevölkerung, 2014; Zaremba, M., Die große Angst – Polen 1944-1947, 2015; Röger,
M., Kriegsbeziehungen, 2015; Urban, T., Katyn 1940, 2015; Weber, C., Krieg der
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Bingen, D. u. a., 2016; Zaremba, M., Die große Angst – Polen 1944-1947, 2016;
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Generalgouvernement, 2017; Die deutsche Minderheit in Polen und die kommunistischen
Behörden 1945-1989, hg. v. Dziurok, A. u. a., 2017
Policey s. Polizei
polis ([F.] griech.) Stadt, Staat
→Polizei
Lit.: Die griechische Polis, hg. v. Hoepfner, W. u.
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Verfassung der Polis, 1999; Polis & Politics, hg. v. Flensted-Jensen, P. u.
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unter sich – Phylen in den Städten des kaiserzeitlichen Ostens, 2012; The Greek
Polis and the Invention of Democracy, hg. v. Arnason, J. u. a., 2013;
Itgenshorst, T., Denker und Gemeinschaft – Poli und politisches Denken, 2014
Politbüro (politisches Büro) ist das oberste
Führungsorgan kommunistischer Parteien im 20. Jh. (z. B. Sowjetunion seit
1917).
Politik ist das auf die Gestaltung des
(öffentlichen) Lebens gerichtete Verhalten. Zunächst vor allem
Gesellschaftslehre (Platon, Aristoteles, Thomas von Aquin) wird P. seit der
frühen Neuzeit (Machiavelli) zur Machttechnik.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 789;
Groß, L., Die Reichspolitik der Habsburger, N. Jb. f. dt. Wiss. 13 (1937);
Schmidt, E., Die Justizpolitik Friedrichs des Großen, 1962; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Fricke, K., Politik und Justiz in der
DDR, 1979; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1981; Rückert, J., Idealismus,
Jurisprudenz und Politik bei Friedrich Carl von Savigny, 1984; Classen, C.,
Recht – Rhetorik - Politik, 1985; Karniel, J., Die Toleranzpolitik Kaiser
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Politik, hg. v. Nöhlen, D. u. a., Bd. 1ff. 1992ff.; Angermeier, H., Politik,
Religion und Reich bei Kardinal Melchior Khlesl, ZRG GA 110 (1993), 249; Das
Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert, hg. v. Miethke, J., 1992;
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Nohlen, D. u. a., 2001, 6. A: 2015; Berg-Schlosser, D./Stammen, T., Einführung
in die Politikwissenschaften, 7. A. 2003; Pfetsch, F., Theoretiker der Politik,
2003, 2012, 3. A. 2019; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der europäischen
Publizistik, 2004; Geschichte des politischen Denkens, 2004; Ottmann, H.,
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Porträtgalerie der politischen Denker, hg. v. Mayer-Tasch, P. u. a., 2004;
Biographisches Handbuch der deutschen Politik, hg. v. Jahn, B., 2004; Botsch,
G., Politische Wissenschaft im zweiten Weltkrieg, 2005; Thöndl, M., Einführung
in die Politikwissenschaft, 2005, 2. A. 2015; Schorn-Schütte, L., Historische
Politikforschung, 2006; Miethke, J., Mittelalterliche Politiktheorie, 2007;
Politik und Sprache im frühneuzeitlichen Europa, hg. v. Nicklas, T. u. a.,
2007; Miethke, J., Politiktheorie im Mittelalter, 2008; Science politique et
droit public dans les facultés de droit européennes, hg. v. Krynen, J. u. a.,
2008; Das Politische, hg. v. Gangl, M., 2008; Hölkeskamp, K., Mythos und
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Gotthard, A. u. a., 2009; Politik und Kommunikation, hg. v. Bulst, N., 2009;
Ladwig-Winters, S., Ernst Fraenkel, 2010; Dietz, A., Das Primat der Politik,
2011; Pfennig, W., Definitionen. Moderne Politikwissenschaft, 2011; Henkel,
M., Hermann Hellers Theorie der Politik und des Staates, 2011; Hefty, G., Das
deutsche Politikroulette, 2013; Politics, Law, Society, History and Religion in
the Politica (1590s-1650s, hg. v. Friedeburg, R. v., 2013; Deutsche
Politikwissenschaftler, hg. v. Jesse, E. u. a. 2014 (Abendroth, Bergstraesser,
Beyme, Bleek, Bracher, Bredow, Czempiel, Ellwein, Eschenburg, Falter, Fetscher,
Flechtheim. Fraenkel, Friedrich, Haftendorn, Hättich, Hartwich, Hennis,
Hermens, Hesse, Jäger, Kaase, Kaiser, Kielmannsegg, Klingemann, Kohler-Koch,
Landshut, Lehmbruch, Link, Löwenthal, Mauer, Münkler, Nohlen, Oberndörfer,
Oberreuter, Offe, Pappi, Rittberger, Scharpf, Schmidt, Schwan, Schwarz,
Senghaas, Sontheimer, Steffani, Sternberger, Thaysen, Voegelin, Wildenmann,
Zellentin); Weeden, J./Kurzban, R., The Hidden Agenda of the Political Mein,
2014; Wengst, U., Theodor Eschenburg, 2015; Süssmuth, R., Das Gift des
Politischen, 2015; Schwierige Erinnerung – Politikwissenschaft und
Nationalsozialismus, hg. v. Ehrlich, S. u. a., 2015; Thöndl, M., Einführung in
die Politikwissenschaft, 2005, 2. A. 2015; Detjen, J., Politische Erziehung als
Wissenschaftsaufgabe, 2016
politisch, Adj. die Allgemeinheit und die in ihr
vertretenen Zielsetzungen betreffend
Politische Justiz ist allgemein die nach politischen
Gesichtspunkten handelnde, parteipolitsch abhängige →Justiz, im engeren
Sinn die den Prozess zu politischen Zwecken missbrauchende Justiz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz 1918-1933, 1966; Politische
Strafjustiz 1951-1968, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen,
1998; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000
Politische Klausel ist seit dem 19. Jh. die Klausel
in Konkordat oder Kirchenvertrag, die es dem Staat ermöglicht, staatspolitische
Einwendungen gegen einen von der Kirche für ein Führungsamt in Aussicht Genommenen
zu erheben.
Lit.: Weber, W., Die politische Klausel in den
Konkordaten, 1940; Kaiser, J., Die politische Klausel der Konkordate, 1949;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 737; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983, 105
Politische Partei ist die auf Teilhabe an der
→Politik ausgerichtete →Partei. Sie tritt in England seit 1832
deutlicher hervor (Carlton Club 1832, Reform Club 1836, Complete Suffrage Union
1865). Im →Deutschen Bund erscheinen örtliche Vereinigungen zur Unterstützung
von Kandidaten bereits vor 1848, doch zeigen sich fraktionsähnliche Clubs erst
in der Frankfurter Paulskirchenversammlung von 1848 (Demokratische Linke,
liberale Mitte, Konservative).
Lit.: Bergsträsser, L./Mommsen, W., Geschichte der
politischen Parteien in Deutschland, 11. A. 1965; Seifert, K., Die politischen
Parteien, 1975
Politischer Prozess ist der zu politischen Zwecken
missbrauchte Prozess. Er findet sich schon sehr früh an vielen Orten. Üblich
wird die Benennung im 19. Jh.
Lit.: Hannover, H./Hannover, E., Politische Justiz
1918-1933, 1966; Jacta, M. [Schwinge, E.], Berühmte Strafprozesse, 1967ff.;
Tolksdorf, M., Politische „Prozesse“ der Merowinger, 1980
Polizei, Policey, ist im klassischen Sinn
die Gesamtheit der auf Abwehr von Gefahren und Beseitigung von Störungen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerichteten Staatstätigkeit, im institutionellen
Sinn die Gesamtheit der durch die im Vollzugsdienst beschäftigten Dienstkräfte
ausgeführten Staatstätigkeiten. Um 1500 (1464) wird P. (Policey) als zu
(griech. [F.]) politeia gebildetes Lehnwort (aus Frankreich [14. Jh.,
Übersetzung Aristoteles’ durch Nicolas Oresme 1371], unmittelbare Übernahme in
ordonnances des Königs, rezipiert) über die burgundische Kanzlei (?) in die
deutsche Sprache eingeführt. Unter der guten Ordnung und P. ist dabei alle auf
die Wahrung und Förderung des geordneten Zustands des Gemeinwesens gerichtete,
sich im Absolutismus erheblich verdichtende, durchaus auch von unten her
angeregte Staatstätigkeit zu verstehen. Darunter können die verschiedensten
Angelegenheiten vereinigt werden (Fluchen und Schwören, Sittlichkeit und Ehe,
Luxus, Spiel, Wirtshaus, Gesundheit, Markt, Preis, Straßenbau). Allerdings engt
sich bereits im 18. Jh. dieser Polizeibegriff wohl unter dem Einfluss der
Gewaltenteilungslehre, des Physiokratismus und anschließend des Liberalismus
sachlich auf einen Teilbereich der Verwaltung (Gefahrenabwehr) und
institutionell auf eine Behörde und deren Mitglieder ein. Johann Stephan
→Pütter (1725-1807) beschränkt die Zuständigkeit der P. auf die Abwehr
von Gefahren. Dem folgt das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 (II, 17 §
10). Dieser aufgeklärte Polizeibegriff wird in Preußen aber schon 1808 wieder
aufgegeben. Dagegen erlassen Bayern (1861), Baden (1863) und Württemberg (1871)
rechtsstaatlich geprägte Polizeistrafgesetzbücher. In Österreich wird die
Polizei unter Maria Theresia (1740-1780) gegründet, unter ihrem Sohn Joseph II.
ausgebaut und 1848 um die Gendarmerie (bis 2006) ergänzt, die an Stelle der Grundherrschaften
für die öffentliche Sicherheit zuständig ist und zur Unterstützung der Justiz
Recherchen unmittelbar übernehmen soll. In Preußen spricht das
Oberverwaltungsgericht 1882 im sog. →Kreuzbergurteil der P. die
Zuständigkeit für Maßnahmen der Wohlfahrtspflege, sofern nicht eine spezielle
rechtliche Grundlage vorliegt, ab. Nach dem Polizeibeamtengesetz (1927), dem
Polizeikostengesetz (1929) und dem Gesetz über die Aufhebung veralteter
Polizei- und Strafgesetze von 1931 schafft Preußen am 31. 1. 1932 mit seinem
Polizeiverwaltungsgesetz einen wichtigen einheitlichen modernen Baustein für
ein deutsches Verwaltungsrecht. Im Dritten Reich dient die P. der Durchsetzung
totalitärer Herrschaft. Nach 1945 wird unter dem Einfluss der alliierten
Besatzungsmächte die innere Verwaltung entpolizeilicht und weitgehend neuen Ordnungsbehörden
übertragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 134, 151, 198,
203, 233, 234; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 875; Delamare, N.,
Traité de la police, 1705ff.; Westphal, E., Das deutsche Staatsrecht, 1784,
358; Berg, H. v., Handbuch des deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.;
Mayer, H., Polizeigewalt in Hessen, 1951 (Diss.); Schmucker, H., Das Polizeiwesen
im Herzogtum Württemberg, Diss. jur. Tübingen 1957; Knemeyer, F.,
Polizeibegriffe, Archiv f. öff. Recht 92 (1967), 153; Lieberich, H., Die
Anfänge der Polizeigesetzgebung, FS M. Spindler, 1969, 307; Götz, V.,
Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1971, 13. A. 2001; Schulze, R., Die
Polizeigesetzgebung, 1978; Siemann, W., Deutschlands Ruhe, Sicherheit und
Ordnung, 1980; Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2.
A. 1980, 98, 4. A. 2009; Schulze, R., Policey und Gesetzgebungslehre im 18.
Jahrhundert, 1982; Kroeschell, K., Justizsachen und Polizeisachen, FS H.
Thieme, 1983; Preu, P., Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983; Der
„Polizeiverein“ deutscher Staaten, hg. v. Siemann, W., 1983; Siemann, W.,
Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die Anfänge der politischen Polizei
1806-1866, 1985; Gessner, K., Geheime Feldpolizei, 1986; Harnischmacher,
R./Semerak, A., Deutsche Polizeigeschichte, 1986; Naucke, W., Vom Vordringen
des Polizeigedankens im Recht, FS A. Erler, 1986, 177; Schulze, R.,
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Schutzpolizei, 1989; Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus,
Diss. jur. Würzburg 1990; Härter, K., Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung,
Ius commune 20 (1993), 61; Gebhardt, H., Die Grazer Polizei 1786-1850, 1992;
Philipp, M., Das Regentenbuch des Mansfelder Kanzlers Georg Lauterbeck, 1996
(erste umfassende Lehre der guten policey); Policey in Europa, hg. v. Stolleis,
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Durand, B., La notion de police en France, 1996; Wilhelm F., Die Polizei im
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Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft, hg. v. Härter, K., 2000; Landwehr,
A., Policey im Alltag, 2000; Wüst, W., Die „gute“ Policey im Reichskreis, Bd.
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in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19.
Jahrhundert, hg. v. Holenstein, A. u.
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preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes von 1931, 2003; Lindenberger, T.,
Volkspolizei, 2003; Holenstein, A., Gute Policey und lokale Gesellschaft, 2003;
Iseli, A., Bonne police, 2003; Gut, F., Mit der Pranke und dem Zürcher Schild,
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Schutzpolizei in der Bundesrepublik, 2003; Simon, T., Gute Policey, 2004;
Eibich, S., Polizei, „Gemeinwohl“ und Reaktion, 2004; Sälter, G., Polizei und
soziale Ordnung in Paris, 2004; Schmelz, C., Die Entwicklung des Rechtswegestaates,
2004; Curilla, W., Die deutsche Ordnungspolizei und der Holocaust im Baltikum
und in Weißrussland 1941-1944, 2005; Härter, K., Policey und Strafjustiz in
Kurmainz, 2005; Schwegel, A., Der Polizeibegriff im NS-Staat, 2005; Möller,
C., Medizinalpolizei, 2005; Polizei, Recht und Geschichte, hg. v. Gebhardt, H,
2006; Die lokale Policey, hg. v. Wüst, W., 2008; Landesordnung und gute
Policey, hg. v. Gehringer, H. u. a., 2008; Iseli, A., Gute Policey, 2009;
Brunner, H., Polizeigesetzgebung im Herzogtum Bayern 1508-1598, 2009;
Selowski, H., Die Berliner Kriminalpolizei zwischen 1811 und 1885, 2011; Blum,
B., Polizistinnen im geteilten Deutschland, 2012; Die „gute“ Policey im
Reichskreis, Bd. 6, hg. v. Wüst, W., 2013; Glorius, D., Im Kampf mit dem Verbrechertum,
2016; Heuss, R., Basler Polizei 1816-2016, 2016
Polizeigesetzgebung →Polizei, Polizeiordnung
Polizeiordnung ist die in der frühen Neuzeit zur
Wahrung und Schaffung der guten →Polizei erlassene →Ordnung. Sie
findet sich in Ansätzen bereits in der spätmittelalterlichen Stadt (Nürnberg
1281). Durch sie sorgt die Obrigkeit für gute →Ordnung und
→Polizei, sei es bewahrend, sei es gestaltend. Einer ihrer wichtigsten
Gegenstände sind die Luxusverbote. Im Laufe der frühen Neuzeit verlagert sich
das Schwergewicht vom religiös-moralischen zum wirtschaftlich-rationalen
Bereich. In Bayern werden vom Herzog zwischen 1478 und 1598 nahezu 1000
Landgebote erlassen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 113, 138, 139;
Segall, J., Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur.
Gießen 1914; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955; Quellen
zur neueren deutschen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2 Landes- und
Polizeiordnungen, hg. v. Schmelzeisen, G., 1968ff.; Dorf-Policey-Ordnung und
Instruction für die Dorf-Scholzen für das Herzogthum Schlesien, hg. v. Wacke,
G., 1971; Brauneder, W., Das Strafrecht in den österreichischen Polizeiordnungen,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 1; Buchholz,
W., Anfänge der Sozialdisziplinierung, ZHF 18 (1991); Härter, K., Entwicklung
und Funktion der Policeygesetzgebung, Ius commune 20 (1993), 61; Repertorium
der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, hg. v. Härter, K. u. a., Bd. 1ff.
1996ff.; Rigaudière, A., Les ordonnances de police, 1996; Weber, M., Die
schlesischen Polizei- und Landesordnungen, 1996; Weber, M., Bereitwillig
gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998), 420; Linck, S., Der Ordnung
verpflichtet, 2000; Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und
1577, 2002; Brück, A., Die Polizeiordnung Herzog Christians von Braunschweig-Lüneburg
vom 6. Oktober 1618, 2003; Brunner, H., Polizeigesetzgebung im Herzogtum Bayern
1508-1598, 2010; Berkvens, A., Plakkaten, Ordonnanties en Circulaires voor
Pruisisch Gelre 1713-1798, 2012; Policeyordnungen in den fränkischen
Hochstiften Bamberg, Eichstätt und Würzburg, hg. v. Wüst, W., 2013; Repertorium
der Policeyordnungen der pommerschen Städte bis zur Reichsgründung 1871, bearb.
v. Zapnik, J., 2016
Polizeirecht ist das die →Polizei
betreffende →Recht.
Lit.: Köbler, DRG 259; Berg, H. v., Handbuch des
deutschen Polizeirechts, Bd. 1ff. 1799ff.; Schulze, R., Polizeirecht im 18.
Jahrhundert, FS A. Erler, 1986, 199; Geschichte der deutschen Volkspolizei, 2.
A. 1987; Hartleif, W., Das Polizeirecht in Düsseldorf, Diss. jur. Köln 1990;
Just, S., Polizeibegriff und Polizeirecht im Nationalsozialismus, Diss. jur.
Würzburg 1990; Popp, R., Disziplinierung durch Polizeirecht, Diss. jur.
Regensburg 1995; Handbuch des Polizeirechts, hg. v. Lisken, H. u. a., 2. A.
1996; Weber, M., Bereitwillig gelebte Sozialdisziplinierung, ZRG GA 115 (1998),
420; Pauly, J., Die Entstehung des Polizeirechts als wissenschaftliche
Disziplin, 2000; Bastian, D., Westdeutsches Polizeirecht unter alliierter
Besatzung (1945-1955), 2010
Polizeistaat ist in jeweils verschiedenem Sinn
der von der →Polizei geprägte Staat des aufgeklärten Absolutismus (Wohlfahrtsstaat)
wie der totalitären Diktatur (Unrechtsstaat).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Vollmer, B., Volksopposition
und Polizeistaat, 1957; Strafjustiz und Polizei im Dritten Reich, hg. v.
Reifner, U. u. a., 1984; Gutmann, T., Paternalismus, ZRG GA 122 (2005), 150
Polizeiwissenschaft ist die in der späteren Aufklärung
erwachsende Wissenschaft von der →Polizei (bzw. Verwaltung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Justi, J. v., Ausführliche
Vorstellung der gesamten Polizeiwissenschaft, Bd. 1f. 1760f., Neudruck 1965;
Pfeiffer, J. v., Polizeiwissenschaft, 1779, Neudruck 1970; Maier, H., Die
ältere deutsche Verwaltungslehre (Polizeiwissenschaft), Politica 13 (1966)
Pollock, Sir Frederick (1845-1937), wird
nach dem Studium in Cambridge und der Rechtsausbildung in Lincoln’s Inn 1871
Anwalt. 1876 veröffentlicht er (engl.) Principles of Contract (Vertragsgrundsätze).
Von 1883 bis 1903 ist er Professor in Oxford und lehrt zeitweise auch an den
Inns of Court und in Indien. 1895 verfasst er ein Kapitel von →Maitlands
History of English Law.
Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the
Common Law, 1984, 421
Polnisches Recht ist das in →Polen geltende
Recht. Es ist lange Zeit ein niemals vollständig aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht
(Landrecht), zu dem nur wenige privatrechtliche Gesetze (z. B. [lat.] Formula
[F.] processus 1523, Hypothekengesetz 1588, Wechselgesetz 1775), aber mehrere
partikulare Rechtsfestlegungen (z. B. Statuten Masowiens 1532, 1540, preußische
Korrektur 1598, litauische Statuten 1529, 1566, 1588) kommen. Streitig ist
dabei die Frage des Einflusses des →deutschen Rechtes. Jedenfalls in den
Städten ist er nachweisbar (Magdeburger Recht, Neumarkter Recht, Kulmer Recht,
Lübecker Recht). Im 16. Jh. stellt der Krakauer Jurist Bartholomäus Groicki aus
dem heimischen, römischen und sächsischen Recht ein (lat.) ius (N.) municipale
Polonicum (polnisches Stadtrecht) zusammen und bearbeitet 1559 die (lat.)
→Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) für Polen. 1772 wird Polen
geteilt. Am 3. 5. 1791 gibt sich Polen erstmals ein grundlegendes Verfassungsgesetz,
wird aber 1793 und 1795 zwischen Russland, Preußen und Österreich weiter
aufgeteilt. Von 1807 bis 1815 gilt im Herzogtum Warschau französisches Recht.
Das 1818 geschaffene Strafgesetzbuch des Königreichs Polen folgt
österreichischem Vorbild, das gleichzeitige Hypothekengesetz preußischem. 1847
wird das Strafgesetzbuch erneuert. Im Übrigen gelten die bisherigen Regeln
fort. 1928 wird nach der Erneuerung Polens (1918) durch ein Strafprozessgesetzbuch,
1930 durch ein Zivilprozessgesetzbuch, 1932 durch ein Strafgesetzbuch und 1933
durch ein Obligationengesetzbuch und ein Handelsgesetzbuch das Recht
vereinheitlicht und neu gestaltet. 1945/1946 wird das Privatrecht vereinheitlicht
und 1964 in einem Zivilgesetzbuch sowie einem Familien- und Vormundschaftsgesetzbuch
neu gefasst.
Lit.: Kutrzeba, S., Geschichte der Quellen des alten
polnischen Rechts, 1926 (polnisch); Koranyi, K., Podstawy średniowiecznego
prawa spadkowego (= Die Grundlagen des mittelalterlichen Erbrechts), 1930;
Wojciechowski, Z., Das Ritterrecht in Polen, 1930; Matuszewski, J., Das älteste
polnische Gewohnheitsrechtsbuch, 1959 (mitteldeutsch um 1300?); (Urteile der
Obergerichte großpolnischer Städte aus dem 15. und 16. Jahrhundert), hg. v.
Maisel, W., 1959; Bardach, J., Historia panstwa i prawa Polski, 2. A. 1964;
Polish Law throughout the Ages, hg. v. Wagner, W., 1970; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 2, 2 1976, 3,2,1982; Bardach, J. u. a., Historia panstwa i prawa
polskiego, 1976; Sporn T., Die Stadt zu polnischem Recht, 1978; Studien zur
Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg.
v. Willoweit, D./Schick, W., 1980; Maisel, W., Archelogia prawna Polski
(Polnische Rechtsarchäologie), 1982; Sliwowski, J., Der Einfluss der
Franziskana auf das erste polnische Strafgesetzbuch von 1818, ZRG GA 100
(1983), 284; Kren, J., Polnisches Recht und preußisches Recht, ZNR 1983, 147;
Schnur, R., Einflüsse des deutschen und österreichischen Rechts in Polen, 1985;
Ebel, F., Poloniae historia iuris – Neuere Literatur zur polnischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 105 (1988), 331; Matuszewski, J., Chan (der
Adelserschleichung Überführter), 1991; Lityński, A., Die
Kodifikationskommission und ihre Arbeiten am Strafgesetzbuch der zweiten
polnischen Republik, ZRG GA 112 (1995), 382; Najstarszy zwod prawa polskiego,
hg. v. Matuszewski, J. u. a., 1995; Die polnische Verfassung vom 3. Mai 1791,
hg. v. Reinalter, H., 1997; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 3, hg. v. Mohnhaupt, H., 1997
Polygamie (griech.) ist
die Mehrehe oder Vielehe. Sie ist bei den Germanen zulässig. Das Christentum
schließt sie aus. Das Naturrecht hält sie für möglich, doch setzt sich dies in
den naturrechtlichen Kodifikationen nicht durch.
Lit.: Freisen, J., Geschichte des kanonischen
Eherechts, 2. A. 1893, Neudruck 1963, 364; Joyce, G., Die christliche Ehe,
1934; Müller-Lindenlauf, H., Germanische und spätrömisch-christliche
Eheauffassung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1969; Mildenberger, G., Sozial-
und Kulturgeschichte der Germanen, 1972, 63; Brundage, J., Law, Sex and
Christian Society, 1987
Polyptychon (N.) vielfältiges (Verzeichnis z.
B. St. Germain-des-Prés 825/828)
Lit.: Das Polyptychon von Saint-Germain-des-Prés, hg.
v. Hägermann, D., 1993; Elmshäuser, K./Hedwig, A, Studien zum Polyptychon von
Saint-Germain-des-Prés, 1993
Pommerellen
Lit.: Kasiske, K., Das deutsche Siedelwerk des Mittelalters in
Pommerellen, 1938
Pommern ist das beiderseits der Mündung der
Oder in die Ostsee liegende, zu 1046 als P. benannte Gebiet, das nach Abzug der
Germanen im 6./7. Jh. von →Slawen besiedelt wird und in dem die
Herrschaft der →Greifen 1181 als Herzogtum des deutschen Reiches
anerkannt wird. 1648 bzw. 1815 gelangt es an Brandenburg, 1945/1990 im östlichen
Teil an Polen. Besonders bedeutsam sind dementsprechend nacheinander lübisches,
gemeines und preußisches Recht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Brünneck, W. v.,
Die Leibeigenschaft in Pommern, ZRG GA 9 (1888), 104; Linke, L., Die
pommerschen Landesteilungen im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Greifswald 1935,
Dokumentation der Vertreibung der Deutschen, hg. v. Schieder, T., 1953f.;
Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W.,
1975f.; Benl, R., Die Gestaltung der Bodenrechtsverhältnisse in Pommern, 1986;
Buchholz, W., Öffentliche Finanzen und Finanzverwaltung, 1992; Pommern, hg. v.
Lucht, D., 1995; Pommersches Wörterbuch, hg. v. Hermann-Winter, R. u. a., Bd.
1f. 1997ff.; Pommern, hg. v. Buchholz,
W., 1999; Justitia in Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., 2004; Schmidt, R.,
Das historische Pommern, 2006;
Kurzer Abriss der mecklenburgischen und vorpommerschen Verfassungsgeschichte,
verantw. v. Kuhn, H., 2007; Die Herzöge von Pommern. Zeugnisse der Herrschaft
des Greifenhauses, hg. v. Buske, N., 2012; Biographisches Lexikon für Pommern,
hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1ff. 2012 (60 Menschen); Die historische
Kommission für Pommern 1911-2011, hg. v. Jörn, N., 2012; Biographisches Lexikon
für Pommern, hg. v. Alvermann, D. u. a., Bd. 1ff. 2013ff.
Pomponius, Sextus (Mitte des 2. Jh.s n.
Chr.) ist ein römischer, über seine 300 Bücher hinaus kaum bekannter Jurist.
Drei Kommentare betreffen die Darstellung des römischen Rechtes durch Mucius
Scaevola (39 Bücher), durch →Sabinus (35 bzw. 36 Bücher) und das
→Edikt. In dem auszugsweise in den →Digesten überlieferten
Einführungslehrbuch Enchiridion stellt P. kurz und klar die Geschichte der
römischen Rechtsquellen bis zur eigenen Gegenwart, die römischen Ämter und die
römischen Juristen bis Julian dar.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 39; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 170; Schulz,
F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961, 203; Harke, J.,
Argumenta Pomponiana, 2014
Pönalklage ist die auf Sühne gerichtete Klage.
Pönformel ist eine in Urkunden des
Mittelalters enthaltene Klausel, die nach antikem Vorbild einen Rechtsnachteil
(Pön [lat. poena], meist Geldsumme) für den Fall des Zuwiderhandelns (eines
Dritten) festlegt.
Lit.: Voltelini, H., Die Fluch- und Strafklauseln,
MIÖG Ergänzungsband 11 (1929), 64; Studtmann, J., Die Pönformeln der
mittelalterlichen Urkunden, AUF 12 (1932), 252
Pontes de Miranda, Francisco C. (1893-1979) wird
nach dem Rechtsstudium in Recife in Brasilien Richter in Rio de Janeiro. In den
60 Bänden seines Tratado de Direito Privado (1954ff.) stellt er fast das
gesamte, in erheblichem Umfang europäisch geprägte Recht Brasiliens dar.
Lit.: Menezes, D., A Teoria cientifica do direito de
Pontes de Miranda, 1934; En homenagem a Pontes de Miranda, 1988
pontifex (lat. [M.]) Brückenbauer, Priester
(z. B. pontifex maximus, Leiter der bedeutsamsten römischen, anfangs auch für
die Pflege des Rechtes zuständigen Priesterschaft, im Prinzipat der Prinzeps,
seit dem 5. Jh. n. Chr. der Papst)
Lit.: Söllner §§ 5, 6, 7, 9, 11, 14; Schieffer, R.,
Der Papst als pontifex maximus, ZRG KA 57 (1971), 300
Pontifikalien sind die Insignien des Bischofs
(Mitra, Stab, Ring, Brustkreuz, Dalmatik, Tunika, Handschuhe, Sandalen). Sie
stehen seit dem 14. Jh. im Wesentlichen fest. Ihr Gebrauch ist sorgfältig
geregelt.
Lit.: Wickham, L., Church Ornaments, 1917; Klauser,
T., Der Ursprung der bischöflichen Insignien, 1960; Nabuco, J., Ius
pontificalium, 1956
Pontifikaljurisprudenz ist im altrömischen Recht die Rechtskunde der
(lat. [M. Pl.]) pontifices des 5.-3. Jh.s v. Chr. (z. B. für Klageformeln und
Geschäftsgestaltung), aus der sich allmählich eine weltliche Jurisprudenz
entwickelt.
Pontius de Ilerda ist ein aus Lerida in Katalonien stammender,
zwischen 1170 und 1180 geborener, in Bologna ausgebildeter Jurist, von dem eine
Summa arboris actionum und die Schrift Quoniam nonnulli stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 303
Populäre Rechtsliteratur ist der Name für die das römische
Recht seit dem Spätmittelalter vereinfachend einführende Literatur (z. B.
Übersetzungen der Institutionen Justinians [→Murner 1519, Fuchsberger
1536, →Perneder 1544, Gobler →1551], Formelbücher oder
Prozessschriften [→Klagspiegel 1436?, →Laienspiegel 1495/1509]).
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur des römisch-kanonischen Rechtes in Deutschland, 1867, Neudruck 1959;
Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in Deutschland, 1962; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, § 9
Populismus ist die auf die Gunst der Massen
ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl gerichtete Politik des Polarisierens,
Moralisierens und Inimizifizierens (wir Guten gegen die anderen Bösen), die in
der modernen, durch die Massenmedien geprägten Demokratie mehr oder weniger
verhüllt nahezu von allen Politikern neben der Bedienung der eigenen Klientel
betrieben wird.
Lit.: Müller, J., Was ist Populismus?, 2016;
Populismus, hg. v. Beigel, T. u. a., 2017; Populismus und Demokratie, hg. v. Jesse,
E. u. a., 2019
populus (lat. [M.]) Volk
Lit.: Köbler, DRG 18, 36; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Millar, F., The Crowd in Rome, 1998
Pornographie ist die aufreizende Darstellung
geschlechtlicher Erscheinungen.
Lit.: Scholz, S., Die Entwicklung der
österreichischen Pornographiegesetzgebung, 1999
Portalis, Jean-Etienne-Marie (1745-1807)
wird nach dem Rechtsstudium Advokat in Aix-en-Provence. Seit 1794 kommt er im
Zuge der französischen Revolution (1789) in hohe Ämter und wird 1804 in das
Redaktionsgremium des →Code civil berufen. Er setzt sich an vielen
Stellen erfolgreich für die Lösungen des römischen Rechtes ein.
Lit.: Portalis, J., De l’usage et de l’abus de
l’esprit philosophique, 1820; Lavollée, R., Portalis, 1869; Schimséwitsch, L.,
Portalis, 1936; Plesser, M., Jean Etienne Marie Portalis und der Code civil,
1997
Portugal (benannt
nach dem porto [Hafen] von Cale) ist der südwesteuropäische Staat, dessen
Gebiet nacheinander von Lusitaniern, Römern (139 v. Chr., 27 v. Chr. von [lat.]
Hispania [F.] ulterior abgesonderte Provinz [lat.] Lusitania), Sweben/Westgoten
(5. Jh.) und Arabern (712) beherrscht wird. Nach der Rückeroberung des Nordens
erreicht die Grafschaft um Porto am Ende des 11. Jh.s (1095) weitgehende
Unabhängigkeit von Leon und →Kastilien. 1139 nimmt Alfons I. nach einem
Sieg über die Araber (Mauren) den Königstitel an. Bis zur Mitte des 12. Jh.s
wird die christliche Rückeroberung (1147 Lissabon) weitgehend, bis 1249
gänzlich abgeschlossen. Um die Wende vom 14. zum 15. Jh. wird im königlichen
Auftrag mit der Zusammenstellung des Rechtes begonnen (Livro das Leis e
Posturas, Ordenações de D. Duarte, Ordenações Afonsinas [um 1454 bzw.
1446/1447], Ordenações Manuelinas 1512/1513 bzw. 1521). Seit dem 15. Jh. wird
P. mit Unterstützung Englands Weltmacht, die 1494/1529 die Interessensphären
mit →Spanien aufteilen kann und für die 1497 Vasco da Gama den lange
gesuchten Seeweg nach Indien um das Kap der guten Hoffnung an dem Südende
Afrikas und damit den einfachen Zugang zu dem Gewürzhandel sowie 1500 Pedro
Álvares Cabral Brasilien entdeckt. Für kurze Zeit fällt P. dann an Spanien
(1580/1581-1640). In dieser Zeit (1603 Ordenações Filipinas) werden Gesetze
erneut gesammelt und 1769 in der Lei da Boa Razão aktualisiert. Im 19. Jh. wird
unter dem Einfluss Frankreichs das Recht kodifiziert (Código comercial/Handelsgesetzbuch
1833 bzw. 1888, Código civil/Bürgerliches Gesetzbuch 1867, Código do processo
civil/Zivilprozessordnung 1876, Código do processo comercial 1896, Código de
fallências 1897). 1910 wird Portugal Republik, steht aber lange Jahre unter
diktatorischer Herrschaft. 1939 wird der (port.) Código do processo civil
(Zivilprozessgesetzbuch) erneuert. Nach 1945 gehen die Kolonien verloren. 1965
wird ein neuer Código civil mit einem allgemeinen Teil nach deutschem Vorbild
geschaffen. Seit 1. 1. 1986 ist P. Mitglied der Europäischen Gemeinschaft(en)
bzw. der Europäischen Union (1993).
Lit.: Cabral de Moncada, L., A reserva hereditária,
1916f.; Cabral de Moncada, L., A „traditio“ e a transferência da propriedade
imobiliária, 1921; Merêa, M., O mais antigo morado de Portugal? 1921; Merêa,
P., Die Erforschung der nationalen Rechtsgeschichte in Portugal, Zeitschrift
für vergleichende Rechtswissenschaft 40 (1923), 339; Mayer, E., Historia de
las instituciones sociales y politicas de España y Portugal, Bd. 1f. 1925f.;
Cabral de Moncada, L., O tempo o trastempo e a prescriçåo, 1929; Merêa, P.,
Novos estudos de história do direito, 1937; Merêa, P., Sôbre a palavra
angueira, Biblos 16, 2 (1940); Merêa, P., Sôbre as origens da terça, (um 1943);
Merêa, P./Girão, A., Territorios portugueses no século 11, ( um 1950); Almeida
Costa, M., Raízes do censo consignativo, 1961; Scholz, J.,
Literaturgeschichtliche und vergleichende Anmerkungen zur portugiesischen
Rechtsprechung im ancien régime, Revista Portuguesa de historia 14 (1973), 95;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,55,242,896, 2,2,282,893,1319, 3,1,687,
3,2,2443, 3,3,3494,3743,3847,3921,4000,4131; Braga da Cruz, G., O direito
subsidiário na história do direito português, Revista Portuguesa de História 14
(1974); Almeida Costa, M., Die Verträge über Rechte an Grund und Boden und das
Wirtschaftsleben Portugals im Mittelalter, ZRG GA 95 (1978), 34; Thomashausen,
A., Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, 1981f.; Julio de
Almeida Costa, M., Historia do Direito Portugues, 1982; Albuquerque, M.
de/Albuquerque, R. de, Historia do Direito Portugues, 1983; Espinosa Comes de
Silva, N., Historia do Direito Portugues, 1985; Decker, G./Decker, A.,
Portugal, 2. A. 1992; Vones, L., Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993;
Sänger, R., Portugals langer Weg nach Europa, 1994; Fallstudien zur spanischen
und portugiesischen Justiz, 15. bis 20. Jahrhundert, hg. v. Scholz, J., 1994;
Auf dem Weg zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u. a.,
1997; Bernecker, W./Pietschmann, H., Geschichte Portugals, 2001; Oliveira
Marques, A. de, Geschichte Portugals, 2001; Rechtsentwicklungen in Portugal,
Brasilien und Mácau, hg. v. Jayme, E. u. a., 2002; Cerqueira, A/Seelaender, L.,
Polizei, Ökonomie und Gesetzgebungslehre – Ein Beitrag zur Analyse der
portugiesischen Rechtswissenschaft am Ende des 18. Jahrhunderts, 2003;
Diccionario crítico de juristas españoles, hg. v. Peáez, M. Bd. 1f. 2005ff.; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 952; Franquismus und Salazarismus, hg. v.
Fernández-Crehuet Lopez, D. u. a., 2008; Bernecker, W. u. a., Geschichte
Portugals, 2010; Bernecker, W./Herbers, K., Geschichte Portugals, 2013;
Medeiros Nóbrega, J. de, Die Entwicklung des portugiesischen Sachenrechts,
2014; Crowley, R., Die Eroberer, 2016; De Castro, A., Enlightened Absolutism
and legal culture in Portugal, ZRG GA 133 (2016), 296
Posen an der mittleren Warthe erhält 1253
Magdeburger Stadtrecht. Zwischen 1389 und 1419 verfasst der Stadtschreiber Heinrich
von Peisern auf deutsch das in einer einzigen Handschrift überlieferte, in vier
Bücher (Verfassung und Verfahren, Strafe, Erbe, Schulden und Familie) mit 163½
Kapiteln bzw. fünf Bücher geteilte Rechtsbuch Posens nach Magdeburger Recht.
1793 kommt P. an Preußen. Seit dem Übergang an Polen (1919) ist es Sitz einer
Universität.
Lit.: Friese, V., Zur Gründungsurkunde von Posen, ZRG
GA 26 (1905), 91; Schmidt, E., Geschichte des Deutschtums im Lande Posen unter
polnischer Herrschaft, 1904; Ereciński, T., Das Gewerberecht der Stadt
Posen im Mittelalter, 1934 (polnisch); Goerlitz, T., Das Rechtsbuch der Stadt
Posen, ZRG GA 60 (1940), 143; Die Magdeburger Schöffensprüche für die
Hansestadt Posen, 1944; Maisel, W., Sądownictwo miasta Poznania do
końca XVI wieku (Das Gerichtswesen der Stadt Posen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts),
1961. 413 (deutsche Zusammenfassung S. 351-358); Maisel, W., Poznańskie
prawo karne do końca XVI wieku (Das Posener Strafrecht bis zum Ende des
16. Jahrhunderts), 1963 (deutsche Zusammenfassung S. 315-318); Poznańska
księga prawa Magdeburskiego i Miśnieńskiego (Das Posener Buch
des Magdeburger und Meißner Rechts), hg. v. Maisel, W., 1964; Grundriss der
deutschen Verwaltungsgeschichte 1815-1945, hg. v. Hubatsch, W., 1975f.;
Wilkierze Poznańskie, hg. v. Maisel, W., Bd. 1ff. 1966ff.; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 53; Serrier, T., Provinz Posen,
2005.
positio (lat. [F.]) Tatsachenbehauptung,
Artikel (im gelehrten Prozess)
Lit.: Köbler, DRG 117, 155
Positive Forderungsverletzung ist die seit dem deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) anscheinend nicht unter Unmöglichkeit und Verzug
fallende sonstige Pflichtverletzung des Schuldners. Seit 1902 (Staub) wird sie
als besondere Leistungsstörung anerkannt.
Lit.: Kaser §§ 33 III IV 3, 37 I, 3;
Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 214; Harting, F., Die positiven
Vertragsverletzungen, Diss. jur. Hamburg 1967; Würthwein, S., Zur
Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzungen, 1990; Kotulla, M., Die
historischen Voraussetzungen für die Entstehung des Rechtsinstituts der positiven
Forderungsverletzung, ZRG GA 108 (1991), 358; Glöckner, H., Die positive
Vertragsverletzung, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000,
155
Positives Recht ist das vom Menschen geschaffene
Recht im Gegensatz zum →Naturrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Positivismus ist die geistesgeschichtliche
Strömung, welche die übernatürliche Erklärung der Welt durch die Theologie für
ebenso unzutreffend hält wie die philosophische Erklärung mit Hilfe von
abstrakten Ideen. Entscheidend ist dieser von Auguste Comte (1798-1857,
Discours sur l’esprit positif, 1844) begründeten Sicht die wissenschaftliche
Zusammenfassung der tatsächlichen Erscheinungen (des durch Beobachtung
Erfahrbaren, Gegebenen, Wirklichen oder Positiven) in Gesetzen, durch die der
Gesellschaft ein glückliches Leben gesichert werden soll. Dies wirkt sich im
Recht durch die Suche nach einem System rein juristischer, positiver und von
der gesellschaftlichen Wirklichkeit (wie der Geschichte) gelöster Begriffe aus,
die im letzten Drittel des 19. Jh.s durch einen Gesetzespositivismus abgelöst
wird. Umstritten ist die Bedeutung des P. für den Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 179, 188, 228,
254; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Böckenförde,
E., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. A. 1981; Oertzen, P. v., Die soziale
Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Dilcher, G., Der
rechtswissenschaftliche Positivismus, ARSP 61 (1975), 497; Tripp, D., Der
Einfluss des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen
Positivismus, 1983; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik, 1983, 195; Tripp, D., Der Einfluss
des naturwissenschaftlichen, philosophischen und historischen Positivismus auf
die deutsche Rechtslehre im 19. Jahrhundert, 1983; Fuchs-Heinritz, W., Auguste
Comte, 1998; Repplinger, R., Auguste Comte und die Entstehung der Soziologie,
1999; Rechtspositivismus, hg. v. Schmidt, R., 2014
Possessio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
der Besitz. Er nimmt seinen Ausgang davon, dass jemand ein der Allgemeinheit
gehöriges Stück Land zu Gebrauch und Nutzen übernimmt. Seine Stellung wird
durch →Interdikte des Magistrats gesichert.
Lit.: Kaser § 19; Köbler, DRG 2, 39, 162; Link, M., Possession,
possessio und das Schicksal des Common Law, 2003; Vandendriessche, S.,
Possessio und Dominium im postklassischen römischen Recht, 2006
Possessio (F.) civilis (lat.) ist im klassischen
römischen Recht der Besitz nach zivilem Recht, der seinen Ausgang von der
tatsächlichen Herrschaft über eine Sache nimmt, die beim Herausgabeverfahren
(Vindikation) auf Seiten des Gegners vorausgesetzt wird.
Lit.: Kaser §§ 19 II, 25 II; Köbler, DRG 39
Possessio (F.) corporalis (lat.) ist im spätantiken
römischen Recht der körperliche Besitz ohne den Willen, wie ihn der Eigentümer
hat.
Lit.: Kaser § 19 VI
Possessio (F.) iuris (lat.) ist im späteren römischen
Recht der Rechtsbesitz dessen, der einen (lat. [M.]) →ususfructus oder
eine Prädialservitut tatsächlich ausübt.
Lit.: Kaser §§ 19 IV, 28 III, 29 I 5
Possessio (F.) triduana (lat.) ist im Frühmittelalter das
dreitägige Haben einer Sache.
Pößneck
Lit.: Die Schöffenspruchsammlung der Stadt Pößneck, Bd. 1ff. 1957ff.
Post ist die schriftliche Nachricht, die Beförderung von
Menschen und Sachen sowie die dahinterstehende Organisation. Die P. ist schon
dem Altertum bekannt, wenn auch nicht jedermann eröffnet. Erst im
Spätmittelalter aber entwickelt sich über Stafetten in Oberitalien die P. im
modernen Sinn, wobei das Wort im deutschen Sprachraum erstmals unter dem 8. 12.
1490 belegt ist. Die erste feste Route (1490) betrifft die Verbindung von
Innsbruck nach Brüssel (Mecheln, 1507 45 Postbedienstete im Heiligen römischen
Reich). Zu deren Sicherung erteilt Kaiser Karl V. den von Taxis ein Monopol für
eine allgemein zugängliche P. Als Beförderungsgeschwindigkeit wird mit 7,5
Kilometern pro Stunde gerechnet. 1534 beginnt die Periodizität des
Postverkehrs. Seit dem Ende des 16. Jh.s (1597) beansprucht der Kaiser die P.
als →Regal (1615 Erblehen), ohne dieses Ziel vollständig durchsetzen zu
können. Der Personenverkehr im Linientransport beginnt in Frankreich um 1625.
Durch technische Verbesserungen erhöht sich die Beförderungsgeschwindigkeit
zunehmend. Seit 1712 beginnt im Heiligen römischen Reich der Bau von Chausseen.
1756 kommen in Nürnberg täglich 138 Posten an. Seit dem letzten Viertel des 18.
Jahrhunderts geht man zum systematischen Straßenbau mit Überwachung und
Reparatur über. Im 19. Jh. ist die P. nicht einheitlich. 1867 gelingt es
Preußen, von dem Haus Thurn und Taxis das Postregal zu erwerben. 1871 wird das
Postwesen in der Verfassung des Deutschen Reiches grundsätzlich geregelt. Am
Ende des 20. Jh.s (1989ff.) wird die Post (und Telekommunikation) unter dem
Einfluss der Vereinigten Staaten von Amerika privatisiert.
Lit.: Köbler, DRG 148, 233; Hudemann, E., Geschichte
des römischen Postwesens, 2. A. 1878; Obmann, F., Die Anfänge des Postwesens
und die Taxis, 1909; Kießkalt, E., Die Entstehung der Post, 1930; Münkler, W.,
Entwicklungsgeschichte des Postregals in Hessen-Darmstadt, Diss. jur. Marburg
1973; Dallmeier, M., Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens, 1987;
Wyss, A., Die Post in der Schweiz, 1987; La circulation des nouvelles au moyen
âge, 1994; Krauß, M., Das kursächsische Postrecht, 1998; Lotz, W., Die Deutsche
Reichspost 1933-1945, 1999; Ueberschär, G., Die Deutsche Reichspost 1933-1945,
1999; Kolb, A., Transport und Nachrichtentransfer im römischen Reich, 2001;
Klaes, S., Die Post im Rheinland, 2001; Hesse, J., Im Netz der Kommunikation,
2001; Die deutsche Reichspost 1933-1945 - ausgewählte Dokumente, bearb. v.
Lotz, W., 2002; Behringer, W., Im Zeichen des Merkur, 2003; Lotz, W., Die
deutsche Post von der Postreform bis zum Börsengang 1989-2000, 2007;
Foschepoth, J., Überwachtes Deutschland, 2012, 2. A. 2013, 3. A. 2013, 4. A.
2014; Benz, A., Integration von Infrastrukturen in Europa - Post, 2013
Postgeheimnis ist die den Befördernden obliegende
Geheimhaltungspflicht der in der →Post enthaltenen Nachrichten. Die Frage
des Postgeheimnisses wird vereinzelt schon früh gesehen. 1690 wird die
Unverletzlichkeit auf allen Postwegen im Reich garantiert. 1848 wird das P. in
die Verfassung einbezogen. 1919 wird dies durch die Weimarer Reichsverfassung
wiederholt.
Lit.: Bohley, E., Die Verletzung des Post-,
Telegraphen- und Fernmeldegeheimnisses, Diss. jur. Frankfurt am Main 1927;
Schötz, H., Die Verletzung des Postgeheimnisses durch Beamte, Diss. jur.
Erlangen 1933; Melzer, W., Das Post- und Fernmeldegeheimnis, 1971
Postglossator ist der dem →Glossator
zeitlich (ab etwa 1230) folgende spätmittelalterliche Jurist vor allem
Italiens. →Konsiliator, Kommentator
Lit.: Söllner §§ 2, 25; Kroeschell, DRG 2; Savigny,
F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 6ff., 2. A. 1850f.;
Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 2013,
Neudruck 1965, 2013; Fränkel, R., Zur Zessionslehre der Glossatoren und Postglossatoren,
ZHR 66 (1910), 305; Stampe, E., Das Zahlkraftrecht der Postglossatorenzeit,
1928
Postliminium (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die Rückkehr in den früheren Rechtszustand nach Ende der Kriegsgefangenschaft.
Lit.: Kaser §§ 15 II 2, 26 I 1, 58 VII 1b
Postregal →Post
Lit.: Waitz, W., Die Entwicklung des Begriffs der
Regalien, 1939
Postumus (lat. [M.]) (, posthumus) ist der
nach dem Tod des Vaters Geborene. Er wird, soweit dies seinem Vorteil dient,
während der Schwangerschaft als bereits geboren betrachtet (lat.
→nasciturus pro iam nato habetur).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1, 66 I 1, 68 III 3, 69 II 3
Postwertzeichen ist das dem Nachweis der
Entrichtung der Beförderungsgebühr dienende Wertzeichen. Es erscheint in
Ansätzen in Paris seit 1653, danach in England 1840 sowie im Deutschen Bund in
Bayern am 1. 11. 1849.
Lit.: Kohler, J., Die Briefmarke im Recht, Archiv f.
bürgerl. Recht 6 (1892), 316; Andrae, W., Die privatrechtliche Natur der
Briefmarke, Diss. jur. Jena 1933; Müller, W., Die Briefmarke, Diss. jur.
Erlangen 1958
potens (lat.) mächtig
potestas (lat. [F.]) Gewalt, Macht
Pothier, Robert-Joseph (Orléans 9. 1.
1699–2. 3. 1772) Präsidialgerichtsratssohn, wird nach dem Rechtsstudium 1720
Präsidialgerichtsrat in Orléans, 1743 Rat der Domänenkammer, 1746
Magistratsbeamter und 1749 Professor für französisches Recht in Orléans. Von
→Domat beeinflusst, fasst er als Vertreter der →eleganten
Jurisprudenz des späten →usus modernus pandectarum in den Pandectae
Justinianae (1748-1754) die römischen Digesten zu einem systematisch neugeordneten
kurzen Werk zusammen. Danach stellt er die 1740 von ihm erstmals herausgegebene
Coutume d´Orléans dem römischen Recht gegenüber (1760). Schließlich
veröffentlicht er Abhandlungen zum Zivilrecht (z. B. traité des obligations
1761) und zum Prozessrecht, mit denen er die Systematik und das Schuldrecht des
Code civil (1804) und damit die Rechtseinheit Frankreichs vorbereitet.
Lit.: Fenet, P., Pothier analysé, 1826; Arnaud, A.,
Les origines doctrinales, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; König, H., Pothier und das römische Recht, 1971;
Zimmermann, R., Der Einfluss Pothiers auf das römisch-holländische Recht in
Südafrika, ZRG GA 102 (1985), 168
Potsdam an der Havel wird 993 urkundlich erwähnt.
Das Edikt von P. vom 8. 11. 1685 gewährt französischen Hugenotten Aufnahme in
Preußen. Das Potsdamer Abkommen vom 2. 8. 1945 erfasst Beschlüsse der (zunächst
3) Alliierten über die Zukunft des besiegten Deutschen Reiches (z. B.
Aufteilung in vier Besatzungszonen, Einsetzung eines Alliierten Kontrollrats
als höchste Regierungsgewalt in Berlin, Abrüstung, Entmilitarisierung, Verurteilung
von Kriegsverbrechern, vorläufige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie). 1991
entsteht in Nachfolge der 1948 gegründeten Pädagogischen Hochschule Karl Liebknecht
und der deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Walter Ulbricht
in P. eine Universität.
Lit.: Übersicht über die Bestände des
brandenburgischen Landeshauptarchivs Potsdam, Teil 1f., bearb. v. Beck, F. u.
a., 1964ff.; Meissner, B./Veiter, T., Das Potsdamer Abkommen, 1986; Hahn, P.,
Geschichte Potsdams, 2003; Person, L., Bezirkstag und Rat des Bezirkes Potsdam
1952-1990, 2014
Pound, Roscoe (1870-1964) wird nach dem Studium von Botanik
und Rechtswissenschaft in Harvard Anwalt, 1899 Assistant Professor in Nebraska,
danach Professor in Nebraska, an der Northwestern University (1907), Chicago
(1909) und in Harvard (1919). Er ist der führende Vertreter der (engl.)
→sociological jurisprudence mit dem Ziel, das Recht als (engl.) social
engineering (gesellschaftliche Verbesserungstätigkeit) zu verstehen. Ihm
zufolge müssen Gesetzgeber wie Richter stets die gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns beachten.
Lit.: Sayre, P., The Life of Roscoe Pound, 1948;
Fikentscher, W., Roscoe Pound, FS K. Larenz, 1973, 93
Präambel (F.) Vorspruch
Lit.: Dietze, H., Der Gesetzesvorspruch, 1939;
Papenheim, A., Präambeln in der deutschen Verfassungsgeschichte, Diss. jur.
Münster 1998
Practica nova imperialis Saxonica rerum
criminalium - >
Carpzov
praebenda (lat. [N.Pl. bzw. später F.])
Pfründe
Praeceptio Chlotharii II. ist das Kapitular des
merowingischen Königs Chlothar II. (584–629) von etwa 600 (616?, 617?,
586-600), das sich mit Verfahren, Erbe, Ehe, Ersitzung sowie Kirche befasst.
Lit.: Boretius, A., Capitularia regum Francorum, Bd. 1
1883, Neudruck 1969, 18; Kocher, G., Das Pariser Edikt, 1976; Esders, S.,
Römische Rechtstradition und merowingisches Königtum, 1997
praeceptum (lat. [N.]) Vorschrift
praeda (lat. [F.]) Beute
Lit.: Redlich, Fritz, De praeda militari, 1956
praefectus (lat. [M.]) Vorgesetzter, Vorsteher
praefectus (M.) praetorio (lat.) Prätorianerpräfekt,
Vorsteher der Leibgarde des Kaisers (in Rom)
Lit.: Kaser § 87 I 2; Söllner 14, 16, 17; Köbler, DRG
55
praefectus (M.) urbi (lat.) Stadtpräfekt
Lit.: Kaser § 87 I 2, II 2; Söllner §§ 14, 17; Köbler,
DRG 55
praeiudicium (lat. [N.]) Vorentscheidung,
Vorbescheid
Lit.: Kaser §§ 60 I 4, 83 II 10
praes (lat. [M.]) Bürge
Lit.: Kaser §§ 7 III, 1, 57 II 1
praescriptio (lat. [F.]) Vorschrift, Vorschreibung
Lit.: Kaser §§ 4 II 2, 25 IV 1, 83 II 12, 87
praeses (lat. [M.]) Vorsitzender
praestare (lat.) leisten
Lit.: Kaser § 34 I 1; Köbler, DRG 43
praesumptio, praesumtio (lat. [F.]) Vermutung
Lit.: Kaser §§ 84 I 1, 87 II 6; Köbler, DRG 29
praesumptio (F.) Muciana (lat.) →Vermutung des
Quintus →Mucius Scaevola (der in der Ehe anfallende Erwerb stammt
vermutlich vom Ehemann [in Österreich 1978 aufgehoben], Gegenbeweis möglich)
Lit.: Kaser § 59 I 3; Köbler, DRG 29
Praetor (lat. [M.], Prätor) ist im
altrömischen Recht der beim Sturz des Königs 509 v. Chr. diesem folgende
höchste römische Amtsträger, der 367 v. Chr. die Zuständigkeit für die Streitverfahren
erringt(, oder der 367 v. Chr. zur Entlastung der Konsuln geschaffene
Magistrat). 242 v. Chr. wird eine zweite Prätorenstelle eingerichtet, zu der
später weitere Provinzpräturen hinzukommen. An der Wende des 2. zum 1. Jh. v.
Chr. werden die Prätoren an die Stadt Rom gebunden. Der P. kann Edikte
verkünden.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 80 II 3; Köbler, DRG 18, 31,
32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Kunkel, W./Wittmann,
R., Die Magistratur, 1995; Brennan, T., The Praetorship in the Roman Republic,
2000
Praetor (M.) peregrinus (lat.) ist im klassischen
römischen Recht der seit 242 v. Chr. (Eroberung Siziliens) für Streitigkeiten
mit einem Fremden (lat. [M.] peregrinus) zuständige →praetor.
Lit.: Kaser § 80 II; Söllner §§ 6, 9; Köbler, DRG 32;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Praetor (M.) urbanus (lat.) ist der seit
der Aufteilung der Prätur 242 v. Chr. für Streitigkeiten römischer Bürger
untereinander zuständige →praetor.
Lit.: Kaser § 80 II 3a, 4a; Söllner §§ 6, 9, 15;
Köbler, DRG 18, 32; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Präfekt (M.) Vorsteher
Lit.: Eckhardt, K., Präfekt und Burggraf, ZRG GA 46 (1926), 163
Präfektur ist der in Anlehnung an den
römischen (lat. [M.]) praefectus geschaffene Zuständigkeitsbereich eines
Amtsträgers, wobei in der Spätantike das römische Reich in vier Präfekturen mit
je einem Prätorianerpräfekten geteilt ist.
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954, 52; Claude, D., Niedergang, Renaissance und Ende der Präfekturverwaltung,
ZRG, GA 114 (1997), 352
Prag an der Moldau entsteht (als Burg) vermutlich im späten
9. Jh. 973 wird es Sitz eines Bistums,. Um 1235 ist die vorstädtische Zeit
abgeschlossen. 1344 wird das Bistum unter Karl IV. Erzbistum. 1348 richtet Karl
IV. in P. eine Universität ein (, aus der sich 1372 eine eigenständige
Rechtsfakultät abspaltet, die 1418 aufgelöst, 1638 neu gegründet und 1654 in
die neue Universität eingefügt wird [1784 deutsche statt lateinischer Unterrichtssprache]
und aus der 1881/1882 je eine deutsche Universität mit zunächst 10 ordentlichen
Professoren der Rechtswissenschaft, zwei außerordentlichen Professoren und
drei Privatdozenten und eine böhmische bzw. tschechische Universität mit 5
ordentlichen juristischen Professoren, 5 außerordentlichen Professoren und
zwei Dozenten werden). 1918 wird die auch wegen der beiden Prager Fensterstürze
vom 30. 7. 1419 (siebener danach ermordeter Ratsherren durch Hussiten), 23. 5.
1618 (zweier überlebender kaiserlicher Statthalter und eines Schreibers durch
Protestanten) und 10. 3. 1948 (Außenminister Jan Masaryk, Opfer der Geheimpolizei?)
und des Prager Frühlings (März 1968 durch Alexander Dubček, Reformmaßnahmen
durch die Sowjetunion am 21. 8. 1968 gewaltsam beendet) bekannte Stadt, deren
einzelne Teile erst 1781 rechtlich zusammengefasst werden und von deren 100000
Einwohnern 1840 zwei Drittel deutsch sprechen (1880 314000, davon 42000
Deutsche und deutschsprachige Juden, 1900 rund 450000 Einwohner, davon 34000
deutschsprachig, davon 18000 Juden), Hauptstadt der →Tschechoslowakei
bzw. 1993 der Tschechei.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100;
Tomek, W., Geschichte der Stadt Prag, Bd. 1. 1857, Neudruck 1972; Zycha, A.,
Prag, 1912; Weizsäcker, W., Die Altstadt Prag und das Nürnberger Recht, ZRG GA 60
(1940), 117; Schlüter, O., Prag, 5. A. 1943; Dejiny Prahy, hg. v. Janácek, J.,
1964; Fiala, Z., Die Anfänge Prags, 1967; Seibt, F., Von Prag bis Rostock, FS
W. Schlesinger, Bd. 1 1973, 406; Die Universität zu Prag, 1986; Mezník, J.,
Praha pred husitskou revolucí, 1990; Oberkofler, G., Die Vertreter des
römischen Rechtes, 1991; Nebor, L./Rohan, B., Prag, 1993; Fuchs, M., Die Prager
Rechtsfakultät, Monatshefte für osteurop. Recht 1998, 3, 167; Universitäten in
nationaler Konkurrenz, hg. v. Lemberg, H., 2003; Prag, hg. v. Zimmermann, H.,
2007; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Prager Frühling, hg. v.
Karner, S. u. a., 2008; Stočes, J., (Die Prager Universitätsnationen bis
1409), 2010; Liber vetustissimus Antiquae civitatis Pragensis 1310-1518, hg. v.
Pátková, H., 2011
Prägestätte ist der Ort, an dem eine
→Münze hergestellt wird (z. B. für die Deutsche Mark A Berlin, D München,
E Muldenhütten, F Stuttgart, G Karlsruhe, J Hamburg).
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
pragmatisch, (Adjektiv,) tüchtig, sachlich sachbezogen, zielorientiert
(z. B. pragmatische bzw. gemeinsame Angelegenheiten im Ausgleich Österreichs
gegenüber Ungarn 1867, auswärtige Angelegenheiten, Kriegswesen und die dafür
nötigen Gelder im Gegensatz zu den dualistischen Angelegenheiten)
Lit.: Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen Angelegenheiten, 2001
Pragmatische Sanktion (lat. sanctio [F.] pragmatica) ist
allgemein das bedeutende kaiserliche Gesetz. In der pragmatischen Sanktion von
Bourges (1438, aufgehoben 1461) führt König Karl VII. von Frankreich Teile der
Beschlüsse des Konzils von Basel durch Gesetz in Frankreich ein. 1549 gestaltet
Karl V. in einer pragmatischen Sanktion die Erbfolge für das burgundisch-niederländische
Erbe. Am 19. 4. 1713 veröffentlicht Kaiser Karl VI.(1685-1740) auf der
Grundlage eines geheim gehaltenen älteren (lat.) pactum (N.) mutuae
successionis (Vertrag über die gegenseitige Erbfolge) mit seinem Vater und
seiinem älteren Bruder von 1703 und in Abkehr vom salischen Erbfolgerecht ein
Hausgesetz der Habsburger als p. S. (Erklärung über die Vereinheitlichung des
habsburgischen Thronfolgerechts) Dieses geht von der Unteilbarkeit und
Untrennbarkeit der habsburgischen Länder aus. Weiter bestimmt es die
→Primogenitur (Linealprimogenitur) im männlichen und hilfsweise
weiblichen Stamm und damit den Vorrang der ehelichen Söhne Karls VI. vor den
(fehlenden) ehelichen Söhnen seines älteren und auch vor ihm versterbenden
Bruders Kaiser Joseph I. (1678-1711) und der ehelichen Töchter des letzten(,
ebenfalls später ohne männlichen Thronerben versterbenden) Throninhabers (Karls
VI.) vor den ehelichen Töchtern Josephs I. Seit 1720 wird die p. S. den Ständen
der habsburgischen Länder (zuletzt 1723 Ungarn), danach europäischen Staaten
und 1732 dem Reichstag des Heiligen Römischen Reiches zur Billigung vorgelegt, die auch erfolgt.
Sie wirkt sich 1740 wegen Fehlens männlicher Erben (sowohl des
zuerstverstorbenen Joseph I. wie Karls VI.) zu Gunsten Karls VI. (als
längstlebenden männlichen Habsburgers) 1720 geborener ältester ehelicher
Tochter Maria Theresia aus, deren Erbrecht aber von Bayern und Sachsen
bestritten wird (österreichischer Erbfolgekrieg). Ihre 1748 allgemein
anerkannte Geltung endet 1918.
Lit.: Köbler, DRG 131; Baltl/Kocher; Mommsen, T.,
Sanctio pragmatica, ZRG RA 25 (1904), 51; Valois, N., Histoire de la
Pragmatique Sanction de Bourges, 1906; Die pragmatische Sanktion, hg. v. Turba,
G., 1913, 48; Michael, W., Das Original der pragmatischen Sanktion Karls VI.,
1929 (SB Wien); Schönbauer, E., Die pragmatische Sanktion, Forschungen und
Fortschritte 35 (1961), 179; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J.,
1979; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PragSankt1713.htm
Präjudiz ist das Vorurteil oder die
Vorentscheidung. Insbesondere in einem richterlichen Fallrecht (z. B. England)
ist das P. außerordentlich bedeutsam ([lat.] stare decisis, bei Entschiedenem
bleiben). In der Rechtswirklichkeit halten sich aber auch sonst Untergerichte
regelmäßig an die vorliegenden Entscheidungen von Obergerichten.
Lit.: Esser, J., Grundsatz und Norm, 1956, 73ff.;
Cross, R., Precedent in English Law, 2. A. 1968; Dawson, J., The Oracles of
Law, 1968; Schlüter, W., Das obiter dictum, 1973; Weller, H., Die Bedeutung der
Präjudizien, 1979; Payandeh, M., Judikative Rechtserzeugung, 2017
Prälat ist im katholischen Kirchenrecht
der hohe kirchliche Amtsträger, der kraft seines Amtes Leitungsgewalt hat oder
aus anderen Gründen den Titel P. ehrenhalber führt (z. B. Erzbischof, Bischof,
Abt). Der P. zählt im Heiligen Römischen Reich teilweise zu Kurfürsten und
Reichsfürsten, in den Ländern zu den Landständen (Äbte, Pröpste, selten
Bischöfe).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 111, 149; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Aulinger, R., Das Bild des
Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980, 106
Prälatenbank ist im Heiligen Römischen Reich das
Kollegium der nichtfürstlichen Geistlichen im Reichstag und Kreistag und die
Gesamtheit der Geistlichkeit im Landtag.
Lit.: Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation, hg. v. Wagner, W., 1968
Prälegat (N.) Vorausvermächtnis
Lit.: Wimmer, M., Das Prälegat, 2004
Prämonstratenser ist der Angehörige des von Norbert
von Xanten in Prémontré bei Laon 1120 begründeten →Ordens, der 1122 in
Cappenberg seine erste deutsche Niederlassung errichtet.
Lit.: Winter, F., Die Praemonstratenser, 1865; Grassl,
B., Der Praemonstratenserorden, 1934; Horstkötter, L., Der heilige Norbert und
die Praemonstratenser, 1974; Gehle, B., Die Praemonstratenser in Köln, 1978;
Backmund, N., Geschichte des Prämonstratenserordens, 1986; Penth, S.,
Prämonstratenser und Staufer, 2003; Studien zum Prämonstratenserorden, hg. v.
Crusaius, I. u. a., 2003; Petersen, S., Prämonstratensische Wege nach Rom, 2015
Pranger ist im Spätmittelalter und in der
Frühneuzeit eine Einrichtung (z. B. Halseisen, Schandpfahl), mit deren Hilfe
ein Mensch wegen eines Verstoßes öffentlich zur Schau gestellt werden kann
(Ehrenstrafe). Der P. ist seit dem 13. Jh. unter verschiedenen Namen und in
verschiedenen Formen bezeugt. Vielleicht stammt er aus dem kirchlichen Bereich.
Verwendet wird er bei Friedensbruch, (kleinem) Diebstahl, Betrug, Lästerung,
Unzucht, Beleidigung, falschem Maß und Gewicht
u. s. w.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 119; Wielandt,
F., Pranger und Prangerstrafe in Konstanz, ZRG GA 54 (1934), 253; Bader-Weiß,
G./Bader, K., Der Pranger, 1935; Hefele, F., Vom Pranger, Schau-ins-Land 62
(1935), 56; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940; Horna, R., Pranýř,
1941 (tschechisch); Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege, 1946;
Preu, A., Pranger und Halseisen, Diss. jur. Erlangen 1949; Carlen, L., Der
Pranger im Wallis, ZRG GA 73 (1956), 396; Horna, R., Der Pranger in der
Tschechoslowakei, 1965; Maisel, W., Der Pranger in Posen, ZRG GA 93 (1976),
340; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Prärogative (F.) Vorrecht (z. B. des Monarchen in der
konstitutionellen Monarchie Einberufung des Parlaments, Auflösung des
Parlaments, Ernennung eines Ministers, Entlassung eines Ministers, Begnadigung)
Präsentationsrecht ist das Recht, einen Kandidaten für
ein Amt vorzuschlagen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2
präsidentiell (Adj.) den Präsidenten betreffend
(z. B. präsidentielle Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in
Frankreich)
Präsidialsystem ist das politische System, in dem
ein Präsident die wesentlichen Entscheidungen trifft, wobei er sich auch eines
Präsidialkabinetts oder einer Präsidialregierung bedienen kann.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Gessner, D.,
Agrardepression und Präsidialregierung in Deutschland 1930-1933, 1978
Pratobevera, Carl Joseph (Bielitz/Schlesien 17. 2.
1769-Wien 6. 12. 1853) wirkt am Strafgesetzbuch Österreichs von 1803
(Revision) und am Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (Endredaktion) mit und
gibt von 1815 bis 1824 die Materialien für Gesetzkunde und Rechtspflege
heraus.
Lit.: Ein österreichischer Jurist im Vormärz, hg. v. Neschwara, C.,
2009
Prätor →praetor
Prävention (F.) Zuvorkommen, Verhütung
Lit.: Geschichte der Prävention, hg. v.
Hähner-Rombach, S., 2015
Precaria (lat. [F.]) ist im Frühmittelalter
die Leihe von Grundstücken. Sie gewährt dem Leihenehmer ein Nutzungsrecht und
dem Leihegeber eine Gegenleistung (Abgabe, Dienst). Sie kann frei widerruflich,
auf Zeit vereinbart oder vererblich sein. Das Leihegut kann vom Leihenehmer
stammen (sog. precaria oblata), vom Leihegeber (sog. precaria data) oder zu je
einem Teil von beiden (sog. precaria remuneratoria). Ein Zusammenhang mit dem
(lat. [N.]) →precarium ist unsicher.
Lit.: Hübner 348; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 91;
Haff, K., Die königlichen Prekarien im Capitulare Ambrosianum, ZRG GA 33
(1912), 453; Levy, E., Vom römischen precarium zur germanischen Landleihe, ZRG
RA 66 (1948), 1; Voltelini, H., Precaria und Benefizium, VSWG 16 (1922), 259;
Groß, K., Visualisierte Gegenseitigkeit, 2015
precaria (F.) data (lat.) gegebene →precaria
precaria (F.) oblata (lat.) empfangene →precaria
precaria (F.) remuneratoria (lat.) belohnte →precaria
precario ([lat.] durch Bittleihe)
→Interdikt
Precarium (lat. [N.]) ist im römischen Recht
die Bittleihe. Das p. betrifft die Leihe einer beweglichen oder unbeweglichen
Sache zu Gebrauch oder Nutzung unter der Möglichkeit des jederzeitigen freien
Widerrufs des Gebers. Dritten gegenüber ist der Empfänger durch ein Interdikt
geschützt. Das p. ist grundsätzlich unentgeltlich. Ein Zusammenhang mit der
(lat. [F.]) →precaria ist unsicher.
Lit.: Kaser §§ 19 II 2, 19 IV 2, 39 II, 42 II 6;
Köbler, DRG 40, 63, 64; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956, 264; Kaser,
M., Zur Geschichte des precarium, ZRG RA 89 (1972), 45
Preis (Wort 1160) ist der Gegenwert für die Erlangung
einer Leistung, insbesondere für den Verkauf einer Ware, der nach (bereits seit
Plato) umstrittener Ansicht auch gerechter P. sein soll. →iustum pretium
Lit.: Kaser § 41; Hübner; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 240; Crebert, H., Künstliche Preissteigerung durch Für- und Aufkauf, 1916;
Trusen, W., Äquivalenzprinzip und gerechter Preis, FS G. Küchenhoff, 1967, 247;
Welti, M., Der gerechte Preis, ZRG GA 113 (1996), 424; Gerhard, H./Engel, A.,
Preisgeschichte der vorindustriellen Zeit, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Preisbindung ist die Bindung der Verkäufer
bestimmter Waren an einheitliche Festpreise. Sie wird in verschiedenen Zeiten
versucht (Spätantike, Spätmittelalter, Merkantilismus, 20. Jh. [10. 4. 1948]).
Das deutsche Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 27. 7. 1957 erlaubt die
vertikale Preisbindung für Markenartikel, Verlagserzeugnisse und landwirtschaftliche
Erzeugnis. 1973 wird sie grundsätzlich aufgegeben, für Bücher aber beibehalten.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Kelter, E., Die obrigkeitliche Preisregelung, 1935; Bog, I., Der
Reichsmerkantilismus, 1959; Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen
Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1 1971, 486
Premis (Bremse) ist die von dem
magdeburgischen Bürger Hermann von Oesfeld um 1350 deutsch verfasste,
handschriftlich seit 1408 (in sechs Handschriften 1483) belegte kurze Anweisung,
wie man vor Gericht den Gegner zu eindeutigen Erklärungen veranlassen kann (12
Zeilen Vorrede, 39 Zeilen Text). →Cautela
Lit.: Oppitz, K., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 66
Přemysl →Przemyslide
Prenzlau
Lit.:
Neitmann, K. u. a., Geschichte der Stadt Prenzlau, 2009
Presbyter (Älterer) ist in den Anfängen des
Christentums der Angehörige eines kollegialen Gemeindeleitungsorganes. Später
setzt sich der Bischof als Erstverantwortlicher durch, doch bilden Bischof und
P. (→Priester) gemeinsam ein Presbyterium. Die Weihe zum P. ist eine
besondere kirchenrechtliche Handlung. In der protestantischen Kirche ist P.
ein von der Gemeinde in den Gemeindekirchenrat gewählter Vertreter.
Lit.: Campenhausen, H. v., Kirchliches Amt, 2. A.
1963; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Erler, A.,
Kirchenrecht, 5. A. 1983
Pressburg (Bratislava), nördlich von Wien,
wird nach der Neugründung um die Jahrtausendwende von →Bayern besiedelt.
Nach der 1217 erfolgten Verleihung des Stadtrechts wird es 1405 Freistadt
Ungarns. Etwa zu dieser Zeit entwickelt sich ein besonderes Grund- und Satzbuch
in P. (1439). Zwischen 1467 und 1471 hat P. eine juristische Fakultät an der
von 1467 bis 1490 bestehenden, danach wegen fehlender materieller Grundlagen
verfallenden Universität. Von 1526 bis 1784 ist P. Hauptstadt des
habsburgischen Ungarn. Am 26. 12. 1805 verliert Österreich im Frieden von P.
für kurze Zeit große Gebiete. 1918 fällt P. an die Tschechoslowakei. 1919 wird
P. Sitz einer Universität, 1993 Hauptstadt der Slowakei, mit der es 2004 in die
Europäische Union gelangt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kovats, F., Pressburger
Grundbuchführung, ZRG GA 39 (1918), 45, 40 (1919), 70; Oer, R. Freiin v., Der
Friede von Pressburg, 1965; Städte im Donauraum, hg. v. Marsina, R., 1993; Das
Preßburger Protocollum Testamentorum 1410-1529, hg. v. Majorossy, J. u. a., Bd.
1f. 2010ff. (844 Testamente insgesamt)
Presse ist seit dem Anfang des 16. Jh.s
die Druckmaschine und dem folgend seit der Mitte des 16. Jh.s die Gesamtheit
der zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse (1650 Leipziger
Einkommende Zeitungen sechsmal wöchentlich).
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1978, 899;
Groth, O., Die unerkannte Kulturmacht, Bd. 1ff. 1960ff.; Rohls, J., Der Begriff
der Presse, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Eisenhardt, U., Die kaiserliche
Aufsicht über den Buchdruck, Buchhandel und Presse, 1970; Eisenhardt, U., Der
Deutsche Bund und das badische Pressegesetz von 1832, Gedächtnisschrift H.
Conrad, 1980; Fischer, H., Handbuch der politischen Presse in Deutschland,
1981; Knüpfer, V., Presse und Liberalismus in Sachsen, 1996; Kurzweg, M.,
Presse zwischen Staat und Gesellschaft, 1999; Stöber, R., Deutsche Pressegeschichte,
2000; Pressewesen der Aufklärung, hg. v. Doering-Manteuffel, S. u. a., 2001;
Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001; Unter Druck
gesetzt, hg. v. Wilke, J., 2002; Die Presse in der Julikrise, hg. v. Eckert, G.
. a., 2014
Pressefreiheit ist die Freiheit der Verbreitung
von Meinungen, Nachrichten, Mitteilungen und sonstigem Gedankengut durch Druckerzeugnisse.
Ihr geht die von der Kirche nach Erfindung des Buchdrucks (in Mainz 1485 und)
allgemein 1487 den Bischöfen übertragene Vorzensur voraus, in deren Gefolge es
der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches
den Reichsfürsten 1530 zur Pflicht macht, den Druck und die Verbreitung
von Neuem in Sachen des Glaubens zu verhindern. Demgegenüber beseitigt England
1695 die →Zensur (Licensing Act von 1662). Am 14. 9. 1770 verfügt König
Christian VII. von Dänemark (auch) für Schleswig und Holstein eine
uneingeschränkte Freiheit der Presse. 1774 ist das Wort in Deutschland erstmals
belegt (Preßfreiheit). 1776 verlangen die Virginia Bill of Rights, 1789 die
Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in Frankreich, danach einige deutsche
Landesverfassungen (Nassau 1814, Sachsen-Weimar-Eisenach 1816, Bayern 1818)
und 1848 die Frankfurter Paulskirchenverfassung P. (Pressfreiheit). Seitdem
wird die P. durch politische Beeinflussung und mehrfach durch Gesetz
eingeschränkt (z. B. Österreich 1852-1867, Deutsches Reich 1933-1945).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 171, 193;
Krempel, O. Das Zensurrecht, Diss. jur. Würzburg 1921; Scheuner, U.,
Pressefreiheit, 1965; Czajka, D., Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der
Presse, 1968; Eisenhardt, U., Die Garantie der Pressefreiheit in der Bundesakte
von 1815, Der Staat 10 (1971), 339; Schwab, D., Pressefreiheit als
Menschenrecht, FS W. Mallmann, 1978, 245; Grund- und Freiheitsrechte im Wandel
von Gesellschaft und Geschichte, hg. v. Birtsch, G., 1981, 205; Kaller, P.,
Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Mann, R., Die Garantie der
Pressefreiheit, 1993; Schroeder-Angermund, C., Von der Zensur zur
Pressefreiheit, 1993; Wilke, J., Die Entdeckung von Meinungs- und
Pressefreiheit als Menschenrechte im Deutschland des späten 18. Jahrhunderts
(in) Naturrecht – Spätaufklärung – Revolution, hg. v. Dann, O. u. a., 1995,
121; Westerkamp, D., Pressefreiheit und Zensur im Sachsen des Vormärz, Diss.
jur. Hagen 1999; Blumenauer, E., Journalismus zwischen Pressefreiheit und
Zensur, 2000; Spiegel, S., Pressepolitik und Presspolizei in Bayern, 2001;
Rumphorst, R., Journalisten und Richter, 2001; Arnold, M., Pressefreiheit und
Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des
Preßrechts in Österreich bis 1918, 2004; Mussgnug, D., Zur Diskussion über
Preßfreyheit und Menschenrecht am Ende des 18. Jahrhunderts, ZNR 2008, 20;
Fulda, B., Press and Politics in the Weimar Republic, 2009; Darabeygi, L., Die
Causa „Blinkfüer“ und die Grundrechtsdogmatik zur Pressefreiheit, 2016
Presserecht ist die Gesamtheit der die
→Presse betreffenden Rechtssätze. Dieses P. beginnt in der Kirche bereits
seit 1485, im Heiligen römischen Reich mit einem Edikt Karls V. von 1521. Mit
dem 18. Jh. verlagert sich das Schwergewicht von den religiösen Schriften auf
die politischen Schriften (z. B. 1715). Allerdings ist das P. partikular
unterschiedlich. Einheitlich bleibt es aber bis 1848 im Großen und Ganzen bei
einem Pressepolizeirecht. Eine freiheitliche Regelung bringt erst das
Pressegesetz Badens vom 28. 12. 1831 (bis 5. 7. 1832) und 1. 3. 1848 bzw. 10.
4. 1849, in dem jede Zensur beseitigt ist. Am 17. 5. 1874 schafft das Deutsche
Reich ein einheitliches Reichspressegesetz (Gesetz über die Presse,
Reichspressgesetz), das seit 1949 durch Landespressegesetze ersetzt wird.
Lit.: Mannheim, H., Preßrecht, 1927; Löffler,
M./Ricker, R., Handbuch des Presserechts, 1978; Dunkhase, D., Das
Pressegeheimnis, 1998; Olechowski, T., Die Entwicklung des Preßrechts in
Österreich bis 1918, 2004; Engel, C., Der Schutz von Privatpersonen vor Presseveröffentlichungen,
Diss. jur. Bonn 2011
pretium (lat. [N.]) Preis, →iustum p.
Preuß, Hugo (Berlin 28. 10. 1860-9. 10. 1925), Sohn eines
wohlhabenden jüdischen Kaufmanns, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin und
Heidelberg Privatgelehrter und Politiker, 1906 Professor an der
Handelshochschule in Berlin. 1918 beruft ihn der die Geschäfte des
Reichskanzlers ausführende Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei
(Friedrich Ebert) als Innenminister und beauftragt ihn mit dem Entwurf einer
→Verfassung. Im Landtag Preußens vertritt P. die DDP.
Lit.: Köbler, DRG 227, 230; Schmoller, G., W. Rathenau
und H. Preuß, 1920; Feder, E., Hugo Preuß, 1926; Schmitt, C., Hugo Preuß, 1930;
Gillessen, G., Hugo Preuß, 1955, Neudruck 2000; Grassmann, S., Hugo Preuß und
die deutsche Selbstverwaltung, 1965; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg.
v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 428; Faatz, A., Hugo Preuß, Diss. jur. Trier
1999; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002; Preuß, H.,
Gesammelte Schriften, Bd. 1ff. 2006ff.; Dreyer, M., Hugo Preuß, 2011; Hugo
Preuß 1860-1925, hg. v. Lehnert, D., 2011; Dreyer, M., Hugo Preuß – Biografie
eines Demokraten, 2018
Preußen ist zunächst das nach den
baltischen Pruzzen (um 965 Brus) bezeichnete Gebiet zwischen Weichselmündung
und Memelmündung. Über den die →Ostsiedlung betreibenden
→Deutschen Orden gelangt P., dessen Gewohnheitsrecht (lat. Jura
Prutenorum) ein Unbekannter um 1340 auf Deutsch aufzeichnet und das nach
Übergang zur Reformation am 8. 4. 1525 zum weltlichen Herzogtum (unter
Lehnshoheit Polens [bis 1660]) wird, 1618 in Personalunion an Brandenburg. 1620
erhält es auf Grund eines Entwurfs des Königsberger Professors Levin Buchius’
ein vereinheitlichtes Landrecht. 1701 wird es als einziges voll souveränes
Land der Kurfürsten von Brandenburg zur Keimzelle des Königreichs P., in dem
der Kurfürst sich selbst zum König in P. krönt (1772 König von P.). Im 18. Jh.
wird P. vor allem unter Friedrich dem Großen europäische Großmacht. (1772, 1793,
1795 Gewinne aus den Teilungen Polens). 1785 schließt es mit Sachsen und
Hannover einen Fürstenbund gegen Österreich zwecks Erhaltung der gegenwärtigen
Verfassung des Reiches, der aber bereits am 27. 7. 1790 gegenstandslos wird.
1794 kodifiziert (dieses vor allem Brandenburg fortsetzende) P. sein Recht im
→Allgemeinen Landrecht. 1803 erlangt es durch den
Reichsdeputationshauptschluss umfangreiche Gebiete und wird 1806 mit dem Ende
des Heiligen römischen Reiches selbständig. 1807 verliert es nach Niederlagen
gegen Frankreich im Frieden von Tilsit mehr als die Hälfte seines Gebiets und
beginnt daraufhin mit Reformen in zahlreichen Bereichen (Stein-Hardenbergsche
Reformen). 1815 wird es im früheren Umfang wiederhergestellt. Im 19. Jh. ringt
es (gesellschaftlich reaktionär, aber wirtschaftlich fortschrittlich) mit
Österreich im →Deutschen Bund um den Vorrang. Am 5. 12. 1848 wird vom
König eine Verfassung oktroyiert. Von 1859 bis 1866 durchläuft P. im Streit um
eine Heeresreform einen Verfassungskonflikt und die Billigung des Haushalts
durch das Abgeordnetenhaus, in dem sich Otto von Bismarck als Ministerpräsident
durchsetzt (1866 Billigung der Indemnitätsvorlage). 1866 siegt Preußen gegen
(Österreich und) den Deutschen Bund militärisch. 1867 gründet es nach dem
dadurch herbeigeführten Ende des Deutschen Bundes (1866) und einigen Annexionen
gegnerischer Staaten den →Norddeutschen Bund, dem 1871 nach dem Sieg
über Frankreich das zweite →Deutsche Reich folgt. In ihm hat P. eine
beherrschende Stellung (rund zwei Drittel des Staatsgebiets und etwa drei
Fünftel der Bevölkerung). 1920 wird es Freistaat. Am 20. 7. 1932 setzt als
Folge des Altonaer Blutsonntags (17. Juli 1932) die Regierung (von Papen) des
Deutschen Reiches die Regierung Preußens ab (Preußenschlag) und stellt P.
unter kommissarische Verwaltung. Mit Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates
vom 25. 2. 1947 wird es wegen seiner durch die beiden Weltkriege bezeugten
Gefährlichkeit unter Aufteilung seiner Gebiete auf zum Teil neue Länder (z. B.
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) als Staat aufgelöst.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 93, 131, 132, 140, 149, 155, 169, 170, 171, 172, 186, 193, 206,
211, 232, 245, 256; Voigt, J., Geschichte Preußens, 1827ff., Neudruck 1968;
Codex diplomaticus Prussicus, Bd. 1ff. 1826ff.; Ranke, L. v., Zwölf Bücher
preußischer Geschichte, 2. A. 1874ff.; Neues preußisches Urkundenbuch, 1882ff.;
Bornhak, C., Preußische Staats- und Rechtsgeschichte, 1903, Neudruck 1979; Die
preußischen Landeskulturgesetze, hg. v. Nobiling, 1901; Löwenthal, F., Der
preußische Verfassungsstreit 1882-1866, 1914 Neudruck 2013; Tümpel, L., Die
Entstehung des brandenburgisch-preußischen Einheitsstaates, 1915; Hintze, O.,
Die Hohenzollern und ihr Werk, 1915, Neudruck 1980; Giese, F., Preußische
Rechtsgeschichte, 1920; Koch, W., Hof- und Regierungsverfassung König
Friedrichs I. von Preußen (1697-1710), 1926; Schmidt, E., Rechtsentwicklung in
Preußen, 2. A. 1929, Neudruck 1961; Die Reorganisation des preußischen Staates
unter Stein und Hardenberg, Teil 1, hg. v. Winter, G., 1931; Kahlstorf, E.,
Rechtsgeschichte der Marienburger Werder, Diss. jur. Würzburg 1935;
Ruppel-Kuhfuß, E., Das Generaldirektorium unter der Regierung Friedrich
Wilhelms II., 1937; Mortensen, H./Mortensen, G., Die Besiedlung des
nordöstlichen Ostpreußens, Bd. 1f. 1937f.; Weise, E., Die Staatsverträge des
deutschen Ordens in Preußen im 15. Jahrhundert, Bd. 1 1939; Kaminski, K.,
Verfassung und Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, 1938; Hintze, O.,
Regierung und Verwaltung, 1943, 2. A. 1967; Preradovich, N. v., Die
Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804-1918), 1955; Bussenius, C.,
Die preußische Verwaltung in Süd- und Neuostpreußen, 1960; Urkunden und Akten
zur Geschichte der preußischen Verwaltung in Südpreußen und Neuostpreußen
1793-1806, hg. v. Hubatsch, W., 1961; Matuszewski, J., Jura Prutenorum, 1963;
Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Schoeps, H.,
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Mortensen, H. u. a., Lieferung 1ff. 1968ff.; Eimers, E., Das Verhältnis von
Preußen und Reich in den ersten Jahren der Weimarer Republik, 1969; Der
Verfassungskonflikt in Preußen 1862-1866, hg. v. Schlumbohm, J., 1970; Hülle, W., Das Auditoriat in
Brandenburg-Preußen, 1971; Hubatsch, W., Friedrich der Große und
die preußische Verwaltung, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
3,2,1491,2645, 3,3,2880,3687; Die Denkwürdigkeiten des Burggrafen und Grafen
Christoph zu Dohna (1665-1733), 1974; Grundriss der deutschen Verwaltungsgeschichte,
hg. v. Hubatsch, W., 1975ff.; Hubatsch, W., Die stein-hardenbergischen
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Landrecht des Herzogtums Preußen von 1620, Bd. 1ff. 1980ff.; Quellen zur
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Grünert, E., Die preußische Bau- und Finanzdirektion in Berlin, 1983; Paukert,
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Zeit der Restauration, 1983; Peter von Dusburg, Chronik des Preußenlandes,
übersetzt und erläutert v. Scholz, K. u. a., 1984; Jamin, R., Aufbau, Tätigkeit
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Zivilehe in der Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Salmonowicz, S., Preußen
aus polnischer Sicht, 1987; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988;
Biographisches Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1867-1918, bearb.
v. Mann, B., 1988; Anderson, M., Windthorst, 1988; Aschoff, H.,
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1786-1806, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 1988; Willoweit, D. War das Königreich
Preußen ein Rechtsstaat?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in einer politischen
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1989; Real, W., Karl Friedrich von Savigny 1814-1875, 1990; Die
Mittwochs-Gesellschaft im Kaiserreich, hg. v. Besier, G., 1990; Sellert, W.,
Ludwig Windthorst als Jurist, 1991; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates
Preußen, 1992; Boockmann, H., Deutsche Geschichte im Osten Europas, 1992;
Kühne, T., Handbuch der Wahlen, 1994; Jelowik, L., … verlange ich von seiner
Majestät dem König, ZRG GA 111 (1994), 422, Haunfelder, B., Biographisches
Handbuch für das preußische Abgeordnetenhaus 1849-1867, 1994 (1917
Abgeordnete); Beck, C., The Origins of the Authoritarian Welfare State in
Prussia, 1996; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Preußen und das
Reichsgericht, hg. v. Schubert, W. u. a., 1998; Ebel, F., „Der papierne Wisch“,
1998; Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998;
Stribrny, W., Die Könige von Preußen als Fürsten von Neuenburg-Neuchâtel
(1707-1848), 1998; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999; Die Protokolle des
preußischen Staatsministeriums 1817-1934/1938, Bd. 1ff. 1999ff.; Ohlff, H.,
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Das geistige Preußen, 2000; Preußen, hg. v. Schoeps, J., 2000; Preisendörfer,
B., Staatsbildung als Königskunst, 2000; Bahl, P., Der Hof des großen
Kurfürsten, 2000; Krockow, C. Graf v., Preußen, 2001; Straub, E., Eine kleine
Geschichte Preußens, 2001; Kroll, F., Das geistige Preußen, 2001; Vondenhoff,
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Mettele, G. u. a., 2015; Pufendorf, A. v., Mut zur Utopie. Otto Klepper, 2015
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Napoleon, 2015; Luh, J., Der kurze Traum der Freiheit – Preußen nach Napoleon,
2015; Heinzen, J., Making Prussians, Raising Germans, 2017
Priester ist allgemein der mit der Vornahme
kultischer Handlungen besonders betraute Mensch. →Presbyter
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 14; Schröder, R.,
Gesetzessprecheramt und Priestertum bei den Germanen, ZRG GA 4 (1883), 215;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wieacker, F.,
Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Groenbech, W., Kultur und Religion der
Germanen, Bd. 1f. 9. A. 1980; Köbler, G., Ewart. Ein Beitrag zur Lehre vom
altgermanischen Priesteramt, ZRG KA 89 (1972), 306; Zollitsch, R., Amt und
Funktion des Priesters, 1974; Godding, R., Prêtres en Gaule mérovingienne,
2001; Stepper, R., Augustus et sacerdos, 2003; Rüpke, J., Römische Priester in
der Antike, 2007; Gußmann, O., Das Priesterverständnis des Flavius Josephus,
2008
Priesterweihe ist im katholischen Kirchenrecht
das Sakrament, in dem in einer rituellen Handlung der Bischof einem Menschen
den Heiligen Geist und die Befähigung zur Vornahme heiliger Handlungen
(amtliche Verkündigung des Wortes Gottes, Spendung von Sakramenten, unterstützende
Leitung des Volk Gottes) vermittelt. Die P. kann nur einem Mann gespendet
werden, der dafür geeignet, befähigt und vorgebildet ist, vorher die
Diakonatsweihe erhalten hat und sich zu einem ehelosen Leben verpflichtet. Die
P. unterscheidet den Amtsträger wesentlich vom einfachen Gläubigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hinschius, P., System des
katholischen Kirchenrechts, Bd. 1 1869, 1; Müller, H., Zum Verhältnis zwischen
Episkopat und Presbyterat, 1971; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Primas (Oberbischof) ist der hervorragende
Bischof (z. B. Karthago 4. Jh., Thessaloniki, Arles 5. Jh., Toledo, Pisa,
Canterbury, York, St. Andrews, Armagh, Reims, Rouen, Lyon, Narbonne, Bourges,
Vienne, Lund, Gnesen, Gran, Prag, Mainz, Trier, Köln, Hamburg, Bremen, Magdeburg,
Salzburg, Tarragona, Mecheln, Warschau 19. Jh.), seit 1971 nur noch der Papst.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972
Primogenitur (F.) (Erstgeburt, Erstgeburtsrecht)
(Ansätze in Flandern, Brabant, Savoyen 1252, Henneberg 1310, Hessen 1311,
Katzenelnbogen 1331, Bayern 1341, Holland 1347, Braunschweig 1351, Goldene
Bulle für Kurfürstentümer 1356, Württemberg 1361, Lippe 1368, Hanau 1375, Baden
1380)
Lit.: Schulze, H., Das Recht der Erstgeburt, 1851; Der
dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982
Princeps (lat. [M.]) ist im klassischen
römischen Recht der von Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) angenommene Titel und
im germanisch-deutschen Bereich der Erste, Große oder Fürst.
Lit.: Söllner § 14; Köbler, DRG 29, 30, 69, 71, 83,
311; Kelly, J., Princeps iudex, 1957; Koller, H., Die Bedeutung des Titels
„princeps“ in der Reichskanzlei, MIÖG 68 (1960), 75; Bleicken, J., Prinzipat
und Dominat, 1978; Meister, J., Der Körper des Princeps, 2012
Princeps legibus solutus est (lat.) ist die lateinische
Formulierung des Satzes, dass der Fürst nicht an die Gesetze gebunden ist. In
Rom gibt es eine Freistellung von Gesetzen bereits in vorchristlicher Zeit. In
Digesten 1. 3. 31 wird die auf Ulpian zurückgeführte Formel princeps legibus solutus
(der Prinzeps selbst ist nicht an die [von ihm als Augustus geschaffene]
Ehegesetzgebung gebunden) aus dem Sachzusammenhang gelöst von Justinian
übernommen. Kaiser Friedrich II. greift hierauf 1245 wieder zurück. Dem folgen
Rudolf von Habsburg 1282 oder der König von Frankreich, so dass →Baldus
den König im Königreich dem Kaiser gleichstellen kann. In der frühen Neuzeit
ist die Bedeutung umstritten. Teils hält man im Anschluss an Jean →Bodin
(1576) an der Formel fest, teils schwächt sich ihre Geltungskraft unter dem
Einfluss von Jacques Cujas und danach der Aufklärung ab. Im 19. Jh. wird der
Herrscher an die Gesetze gebunden (Bayern 1818, Württemberg 1819, Preußen
1850).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wyduckel, D., Princeps
legibus solutus, 1979; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Vespasian, 69-79, Ulpian, um 170-223, Digesten 1, 3, 31)
Prinz (M.) Fürstensohn, Prinz, Fürst
Prinzeps →princeps, Prinzipat
Prinzgemahl
Lit.: Rassow, P., Der Prinzgemahl, 1950
Prinzip
(N.) Grundsatz
Lit.: Prinzipienthorie und Theorie der Abwägung, hg.
v. Klatt, M., 2013
Prinzipalkommissar ist im Heiligen Römischen
Reich der seit dem 15. Jh. erscheinende
Vertreter des Kaisers auf dem Reichstag seit der Einrichtung des immerwährenden
(ständig tagenden) Reichstages in Regensburg (1663).
Lit.: Moser, J., Deutsches Staatsrecht, Bd. 44 1751,
145; Bussi, E., Il diritto pubblico del Sacro romano impero, Bd. 2 1959, 9
Prinzipat ist im römischen Recht die sich
langsam entwickelnde Herrschaft des (lat.) princeps (Ersten, Augustus 27 v.
Chr.-14 n. Chr.) vom Ende der Republik bis zum allmählichen Übergang zum
Dominat im dritten Jahrhundert.
Lit.: Söllner §§ 14, 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein §§
25ff.; Köbler, DRG 32; Schönbauer, E., Wesen und Ursprung des römischen
Prinzipats, ZRG RA 47 (1927), 264; Kornemann, Doppelprinzipat und
Reichsteilung, 1930; Nörr, D., Imperium und Polis, 2. A. 1969; Volkmann, H.,
Zur Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Prinzipat und Kultur,
hg. v. Kühnert, B. u. a., 1995
Prinzregent ist der regierende →Prinz.
Lit.: Schamari, H., Kirche und Staat, Bd. 1f. 1983
Prior (M.) Stellvertreter, Abt
Prior tempore potior iure (lat.). Wer zuerst kommt, hat das
bessere Recht.
Lit.: Kaser § 31 III 3; Wacke, A., Wer zuerst kommt,
mahlt zuerst, JA 1981, 94; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Priorität (F.) zeitliche Abfolge und Beachtung der zeitlichen Abfolge für die Stellung einesvon mehreren
Rechten (z. B. Grundsatz im Grundbuchrecht)
Prise
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur. Fankfurt am Main
1970
Pristavel (M.) slawischer Ortsvorsteher,
Fischereiaufseher (1375-1907)
Lit.: Vogel, W., Der Verbleib der wendischen
Bevölkerung, 1960, 83
Pritzwalk
Lit.: Urkunden der Stadt Pritzwalk in Regesten (1256-1703), hg. v.
Neitmann, K., 2007
privat, Adj. (Wort 1496 belegt), besondere im
Gegensatz zu allgemein, öffentlich, staatlich
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Leisner, W., Staatsferne Privatheit
in der Antike - Horaz, 2012; Vincent, D., Privacy, 2016
Privatautonomie ist der Grundsatz, dass der
Einzelne berechtigt ist, seine Lebensverhältnisse im Rahmen der Rechtsordnung
eigenverantwortlich zu gestalten. Die P. ist der Ausgangspunkt menschlichen
Lebens. Sie wird mit zunehmender Verstaatlichung eingeschränkt und deswegen in
der Aufklärung als allgemeiner Grundsatz (lat. autonomia [F.] privata)
hervorgehoben und vom Liberalismus betont. Im römischen Recht ist demgegenüber
die Vertragsfreiheit durch die Typengebundenheit der Klagansprüche eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 214, 270; Püls, J., Parteiautonomie,
1995
Privatfürstenrecht ist das den Fürsten als
Privatperson betreffende Recht, das nach älteren Ansätzen bei Grotius und
Pufendorf im 18. Jh. als eigenes Rechtsgebiet erkannt wird. Es betrifft
sachlich vor allem Erbrecht (z. B. Promogenitur) und Familienrecht (z. B.
Familienfideikommiss), persönlich nach 1806 die Standesherren. Es endet in
Deutschland mit dem Übergang zur Republik (Art. 109 II WRV).
Lit.: Struve, B., Jurisprudentiae heroicae, Bd. 1ff.
1743ff.; Mayer, C., Allgemeine Einleitung ins Privatfürstenrecht, 1783; Rehm,
H., Modernes Fürstenrecht, 1904; Albers, B., Begriff und Wirklichkeit des
Privatfürstenrechts, 2001; Mizia, R., Der Rechtsbegriff der Autonomie und die
Begründung des Privatfürstenrechts, 1995; Gottwald, D., Fürstenrecht und
Staatsrecht im 19. Jahrhundert, 2009
Privatgerichtsbarkeit ist die Gerichtsbarkeit im
grundherrschaftlichen Hofgericht, Märkerding, Niedergericht und
Patrimonialgericht. Sie endet spätestens 1877/1879.
Privatisierung ist die Überführung von
Allgemeineigentum in Einzeleigentum. In gewisser Weise neigen (fast) alle an
Gütern der Allgemeinheit Berechtigte zur Verwendung der ihnen nicht gehörenden
Güter zu eigenem Nutzen, ohne gleichzeitig die Gefahren des wirtschaftlichen
Misserfolgs zu übernehmen. Insofern ist nicht nur unter dem Krummstab gut
leben, sondern auch dem Machtmissbrauch in Universitäten Tür und Tor
geöffnet.
Lit.: Stiefel, D., Verstaatlichung und Privatisierung
in Österreich, 2011
Privatrecht (Wort 1721 belegt) ist die Gesamtheit aller
Rechtssätze, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter nicht ausschließlich
ein Träger hoheitlicher Gewalt in seiner Eigenschaft als solcher ist. Ein
(lat.) →ius (N.) privatum (privates Recht) unterscheidet bereits das
römische Recht. Zu einer Herausbildung eines besonderen (lat.) ius (N.)
publicum (öffentlichen Rechtes) kommt es danach erst seit dem 16. Jh. Eine
grundsätzliche Trennung zwischen öffentlichem Recht und P. erfolgt im 18. und
19. Jh. Sachlich zählen zum P. Personenrecht, Schuldrecht, Sachenrecht,
Erbrecht und Familienrecht sowie Handelsrecht und (teilweise) Arbeitsrecht.
Geprägt ist das P. besonders durch die Aufnahme römischen Rechtes seit dem
Spätmittelalter. Seit der Gründung der europäischen Gemeinschaften 1951/1952,
1957 nähert sich das P. trotz des Beharrens auf nationalstaatlicher Souveränität
in kleinen Einzelschritten (seit etwa 1985, Draft Common Frame of Reference
2008, 2009) der Europäisierung.
Lit.: Kaser § 3 II; Söllner § 18; Hübner; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 1, 8, 54, 159, 184, 189; Eichhorn, H., Einleitung in das
deutsche Privatrecht, 5. A. 1845; Hedemann, J., Die Fortschritte des
Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 1ff. 1910ff., Neudruck 1963; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wieacker, F., Das
Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher, 1953; Wilhelm, W., Zur
juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Kaser, M., Römisches
Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel, R., Römisches Privatrecht, 20. A. 2014;
Luig, K., Die Anfänge der Wissenschaft vom deutschen Privatrecht, Ius commune 1
(1967), 195; Nolte, J., Burchard Wilhelm Pfeiffer, 1969; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff.; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Steindl, H., Zur Genese
des Privatrechts als „allgemeinem Wirtschaftsrecht“, (in) FG H. Coing, 1982,
349; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wesenberg,
G./Wesener, G., Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Godding,
P., Le droit privé dans les Pays-Bas méridionaux du 12e au 18e
siècle, 1987; Schröder, J., Privatrecht und öffentliches Recht, FS J.
Gernhuber, 1993, 961; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung und Rechtswissenschaft,
1997; Auf dem Wege zu einem gemeineuropäischen Privatrecht, hg. v. Jayme, E. u.
a., 1997; Wolf, W., Vom alten zum neuen Privatrecht, 1998; Das Öffentliche und
Private in der Vormoderne, hg. v. Melville, G., 1998; Repgen, T., Die soziale
Aufgabe des Privatrechts, 2001; Hamza, G., Die Entwicklung des Privatrechts auf
römischrechtlicher Grundlage, 2003; Hamza, G., Entstehung und Entwicklung der
modernen Privatrechtsordnungen und die römischrechtliche Tradition, 2009;
Mittwoch, A., Die Vereinheitlichung des Privatrechts in Europa, JuS 2010, 767;
Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint?, hg. v. Cachard, O. u. a., 2012;
Auer, M., Der privatrechtliche Diskurs der Moderne, 2013; Buschmann, A., Mit
Brief und Siegel – Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts, 2014
Privatrechtsgeschichte ist die Geschichte des
→Privatrechts. Sie wird als P. der Neuzeit 1935 als eigenes Fach
besonders eingerichtet. Sie ist aber gleichwohl (nur ein) Teil der umfassenden
→Rechtsgeschichte (aller Zeiten).
Lit.: Quellen zur neueren Privatrechtsgeschichte
Deutschlands, hg. v. Beyerle, F. u. a., 1936ff.; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wesenberg, G.(/Wesener,
G.), Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 1954, 2. A. 1969, 3. A. 1977, 4.
A. 1985; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte (begründet
v. Molitor, Erich 1949), 2. A. 1975, 2. A. 1979, 3. A. 1979, 4. A. 1982, 5. A.
1985, 6. A. 1988, 7. A. 1993, 8. A. 1996, 9. A. 2001, 10. A. 2005; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Floßmann, U., Österreichische Privatrechtsgeschichte,
1983, 2. A. 1992, 3. A. 1996, 4. A. 2001; 5. A. 2005, 6. A. 2008, 7. A. 2014;
Gmür, R., Über das Coingsche Handbuch, ZRG GA 102 (1985), 283; Ourliac,
P./Gazzaniga, J., Histoire du droit privé, 1985; Nörr, K., Zwischen den
Mühlsteinen, 1988; Kocher, G., Privatrechtsentwicklung, 2. A. 1997; Textbuch
zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, hg. v. Hattenhauer, H. u. a., 2. A.
2002; Hamza, G., Entstehung und Entwicklung der modernen Privatrechtsordnungen
und die römischrechtliche Tradition, 2009; Haferkamp, H., Wege der
Historiographie zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, ZNR 2010, 61; Zwalve,
W./Sirks, B., Grundzüge der europäischen Privatrechtsgeschichte - Einführung
und Sachenrecht, 2012; Brauneder, W., Europäische Privatrechtsgeschichte, 2014
(2013 erschienen); Buschmann, A., Mit Brief und Siegel – Kleine
Kulturgeschichte des Privatrechts
Privatrechtssystem ist die Erfassung des Privatrechts
in einem System. Ein solches P. ist dem römischen Recht höchstens in Ansätzen
bekannt (z. B. →Gaius) und auch dem Mittelalter fremd. Erst die
Naturrechtslehrer des 17. Jh.s versuchen, (lat.) more geometrico (in
geometrischer Art) ein P. zu entwickeln (→Grotius, →Pufendorf,
→Wolff, →Nettelbladt), auf dessen Grundlage Kodifikationen
geschaffen werden. Im 19. Jh. entstehen zeitgebundene geschlossene Systeme des
Privatrechts (→Savigny, →Puchta, →Gerber).
Lit.: Coing, H., Bemerkungen zum überkommenen
Zivilrechtssystem, FS H. Dölle Bd. 1 1963, 25; Luig, K., Die Theorie der
Gestaltung eines nationalen Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation,
hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 217; Leiser, W., Schichtspezifisches
Privatrecht, ZRG GA 93 (1976), 1; Schlosser, H., Das wissenschaftliche Prinzip
der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad, 1979, 491;
Otte, G., Der sog. Mos geometricus in der Jurisprudenz, Quaderni Fiorentini 8
(1979), 179; Lipp, M., Die Bedeutung des Naturrechts für die Ausbildung der
Allgemeinen Lehren des deutschen Privatrechts, 1980; Moos, P. v., Öffentlich
und privat im Mittelalter, 2004
Privatstrafe ist die privat verhängte, der
öffentlichen Strafe ähnelnde Rechtsfolge. Sie kommt dem Verletzten zugute oder
wird von ihm vollzogen. Die P. wird mit der Verstaatlichung des
gesellschaftlichen Lebens durch die öffentliche Strafe abgelöst. Versteht man
Strafe als von der Allgemeinheit verhängtes Übel ohne unmittelbaren Nutzen für
das Opfer, so ist die P. problematisch.
Lit.: Levy, E., Privatstrafe und Schadensersatz im
klassischen römischen Recht, 1915; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe
in der mittelalterlichen Rechtstheorie, 1955; Wieling, H., Interesse und
Privatstrafe vom Mittelalter bis zum BGB, 1970; Liebs, D., Die Klagenkonkurrenz
im römischen Recht, 1972; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen Privatrecht,
2004
Privaturkunde ist für das Mittelalter die nicht
von Kaiser, König oder Papst ausgestellte Urkunde, im heutigen Verständnis die
von einer nicht hoheitlich tätigen Person ausgestellte Urkunde. Nach Brunner
ist im Frühmittelalter (lat. [F.]) notitia die schlichte, objektiv gehaltene
Beweisurkunde, (lat. [F.]) carta die dispositive, subjektiv gehaltene Konstitutivurkunde.
Prägend ist die Herkunft aus dem spätrömischen Schriftwesen, charakteristisch
für die karolingische Zeit die Verwendung der karolingischen Minuskel, während
die Rechte Höhergestellter imitierende Besiegelung vor allem in dem 10.
Jahrhundert beginnt (ältestes bekanntes Beispiel 888 Erzbischof von Mainz über
Corvey und Herford).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 4; Brunner, H.,
Carta und notitia, FS T. Mommsen 1877, 570; Posse, O., Die Lehre von den
Privaturkunden, 1887, Neudruck 1974; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1969; Steinacker, H., Die antiken Grundlagen der
frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1967; Recht und Schrift im Mittelalter,
hg. v. Classen, P., 1977; Die Privaturkunden der Karolingerzeit, hg. v. Erhart,
P. u. a., 2009; Härtel, R., Notarielle und kirchliche Urkunden im frühen und
hohen Mittelalter, 2010; Zehetmayr, R., Funktion und Rechtskraft der besiegelten
Privaturkunde im Reich bis zur Jahrtausendwende, DA 69 (2013), 503
Privileg ist das einem oder mehreren
Einzelnen von einem Zuständigen im Gegensatz zur Allgemeinheit eingeräumte
Vorrecht. Im altrömischen Recht ist (lat. [N.]) privilegium das Sondergesetz
für den einzelnen dadurch nicht benachteiligten Menschen, später das
Sonderrecht zugunsten bestimmter Menschengruppen. Im Mittelalter ist P. die
begünstigende, als ausschließlich behauptete Herrschaftsrechte gewissermaßen
weiterreichende Herrschaftshandlung zugunsten eines Einzelnen, die meist in
einer Urkunde festgehalten wird (z. B. etwa 900 Königsurkunden zur Immunität,
1400 Königsurkunden zur Gerichtsbarkeit). Die Gewährung eines Privilegs
verändert Recht zugunsten des Empfängers. Seit dem 12. Jh. führt man die
Befugnis zur Privilegierung auf die Gesetzgebungszuständigkeit zurück. In der
französischen Revolution (1789) werden in Frankreich alle Privilegien
beseitigt. Im Übrigen wird das P. im 19. Jh. durch den
→Gleichheitsgrundsatz eingeschränkt. Diese Entwicklung verstärkt sich im
20. Jh. noch. An die Stelle des Privilegs tritt die gesetzlich geregelte
Konzession.
Lit.: Kaser § 3 VI; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG
101, 102, 104, 114, 153, 167; Lindner, D., Die Lehre vom Privileg, 1917; Ebel,
W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck
1988, 39; Mohnhaupt, H., Untersuchungen zum Verhältnis Privileg und
Kodifikation, Ius commune 5 (1975), 71; Krause, H., Der Widerruf von
Privilegien im frühen Mittelalter, Archival. Z. 75 (1979), 118; Eisenhardt, U.,
Die kaiserlichen privilegia de non appellando, 1980; Schulze, R., Geschichte
der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA 98 (1981), 185;
Österreichische Fabriksprivilegien, hg. v. Otruba, G. 1981; Diestelkamp, B.,
Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes, ZHF 1983, 396; Dölemeyer, B.,
Vom Privileg zum Gesetz, Ius commune 15 (1988), 57; Lucha, G., Kanzleischriftgut,
1993; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Das Privileg im
europäischen Vergleich, hg. v. Dölemeyer, B. u. a., Bd. 1f. 1997ff.; Lieb, T.,
Privileg und Verwaltungsakt, 2004; Koppitz, H., Die kaiserlichen
Druckprivilegien, 2007; Wadle, E., Privilegien für Autoren oder für Verleger?,
ZRG GA 124 (2007), 144; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis Württembergs
im 19. Jahrhundert, 2007; Die Ökonomie des Privilegs, Westeuropa 16.-19. Jh.,
hg. v. Garner, G., 2016
privilegium (N.) de non appellando (lat.) Privileg des Ausschlusses
der →Appellation an die Reichsgerichtsbarkeit (bis zur Mitte des 15. Jh.s
im weitem Umfang erteilt)
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
privilegium (N.) de non evocando (lat.) Privileg des Ausschlusses
der Ansichziehung (Evokation) eines Rechtsstreits seitens des Königs (bis 1487
bedeutsam)
privilegium (N.) dotis (lat.) Vorrecht der Mitgift nach
römisch-gemeinem Recht
Lit.: Kaser § 31 III 3; Hübner 413, 689
privilegium (N.) impressorium (lat.) Druckprivileg
Privilegium (N.) maius (lat.) sind die im Winter
1358/1359 unter Herzog Rudolf IV. von →Österreich in seiner Kanzlei unter
Verwendung des echten Siegels des privilegium minus hergestellten fünf
falschen Urkunden, in denen zwecks Gleichstellung mit den Kurfürsten und
Benachteiligung der Brüder Rudolfs IV. vom Fälscher Österreich bzw. seinem
Herrscher zahlreiche Rechte gewährt werden (Erhebung zum Pfalzerzherzog,
Berechtigung zum Tragen einer Bügelkrone, Unteilbarkeit, Ältestenerbrecht
[des Sohnes und hilfsweise der Tochter], Bestimmungsrecht bei Erbenlosigkeit, Belehnung
in Österreich, Ausschließung des königlichen Hofgerichts, Beschränkung der
Heerfolge auf eine symbolische Handlung, Beseitigung der Hoffahrtpflicht). Das
auch für die zukünftig beherrschten Länder Österreichs gelten wollende
(gefälschte) p. m. wird trotz des dem privilegium minus entnommenen (echten)
Siegels von Kaiser Karl IV. 1360 unter dem Einfluss Francesco Petrarcas wegen
eingefügter angeblicher Urkunden Caesars und Neros nicht anerkannt. Die
Anerkennung erfolgt aber unter den Habsburgern Friedrich III. (1442, 6. 1.
1453, Zustimmung der Kurfürsten), Karl V. (1530) und Karl VI. (1729). Danach
gilt das p. m. bis 1806 als Recht des Heiligen römischen Reiches. Im 19. Jh.
wird die plumpe Fälschung entlarvt und als p. m. (1852) bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 95, 111;
Baltl/Kocher; Erben, W., Das Privilegium Friedrichs I. für das Herzogtum
Österreich, 1902; Lhotsky, A., Privilegium maius, 1957; Appelt, H., Privilegium
minus, 1973, 2. A. 1977; Fälschungen im Mittelalter, hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 3
1988, 201; Moraw, P., Das privilegium maius und die Reichsverfassung, 1988
Privilegium (N.) minus (lat.) ist das am 17. 9. 1156 von
→Friedrich I. Barbarossa dem Babenberger Heinrich (II.) Jasomirgott
erteilte, seit 1852 als p. m. bezeichnete Privileg über den am 8. 9. 1156 unter
Fürstenspruch erfolgten Vorgang der Verselbständigung Österreichs von Bayern.
Es beruht darauf, dass der nach dem Tod des aus Sachsen kommenden Kaisers
Lothar von Süpplingenburg 1138 als Enkel Kaiser Heinrichs IV. zum König
gewählte →Staufer Konrad III. dem unterlegenen, mit einer Tochter Lothars
verheirateten Mitbewerber Heinrich dem Stolzen aus der Familie der
→Welfen aus machtpolitischen Überlegungen das Herzogtum Bayern mit der
Begründung entzieht, dass niemand gleichzeitig Herzog in zwei Herzogtümern sein
könne, und es 1139 seinem Stiefbruder Leopold IV. aus der Familie der
→Babenberger als dem Markgrafen der Markgrafschaft →Österreich
zuteilt, Friedrich I. aber als Nachfolger Konrads III. den als Nachfolger seines
Vaters Heinrichs des Stolzen gegen den Entzug aufbegehrenden, inzwischen
mündig gewordenen welfischen Vetter →Heinrich den Löwen zufriedenstellen
will. Zu diesem Zweck gewährt er trotz Widerspruchs des Babenbergers Heinrich
Jasomirgott 1154 Bayern den Welfen zurück, löst hieraus aber am 8. 9. 1156
Österreich als selbständiges, territorial (nicht völlig klar) gekennzeichnetes
→Herzogtum heraus. Der neue Herzog und seine Gattin werden gemeinsam
belehnt. Es wird ihnen und ihren Nachfolgern die Erblichkeit im männlichen und
im weiblichen Stamm (Weiberlehen) zugesichert. Bei Kinderlosigkeit sollen der
belehnte Herzog und seine Gattin das (persönliche) Recht (lat. [N.] ius) haben,
den Nachfolger frei zu bestimmen (lat. [Gen. Sg.] affectandi, Designationsrecht).
Ohne Zustimmung des Herzogs soll niemand eine Gerichtsbarkeit im neuen
Herzogtum ausüben. Die Pflicht des Herzogs, zu Hoftagen zu erscheinen, wird auf
Hoftage in Bayern und die Pflicht zur Heerfolge auf Kriegszüge in benachbarten
Ländern des Herzogtums beschränkt. Die notwendigen lehnrechtlichen Handlungen
werden feierlich vollzogen (Rückgabe von sieben Fahnen für Bayern und
Österreich durch Heinrich Jasomirgott an Friedrich I., Hingabe dieser sieben
Fahnen durch Friedrich I. an Heinrich den Löwen, Rückgabe von zwei Fahnen durch
Heinrich den Löwen an Friedrich I., Erhebung Österreichs zum Herzogtum,
Überreichung zweier dies versinnbildlichender Fahnen durch Friedrich I. an
Heinrich Jasomirgott). Das Original des p. m. ist nicht erhalten, da es vermutlich
1358/1359 bei der Erstellung des gefälschten privilegium maius durch Herzog
Rudolf IV. vernichtet wird. Erhalten ist eine Abschrift aus der Mitte des 13.
Jh.s aus Klosterneuburg.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Baltl/Kocher;
Tangl, M., Die Echtheit des österreichischen Privilegium minus, ZRG 25 (1904),
258; Schrader, E., Zur Gerichtsbestimmung des Privilegium minus, ZRG GA 69
(1952), 371; Fichtenau, H., Von der Mark zum Herzogtum. 1958; Appelt, H.,
Privilegium minus, 1973, 2. A. 1977, Neudruck 2006; Die Geburt Österreichs, hg.
v. Schmid, P. u. a., 2007
Privilegium (N.) Ottonianum (lat.) ist das in einer
gleichzeitigen Prunkausfertigung erhaltene, die Rechte des Papstes
einschließlich der karolingischen Gaben (Schenkungen) und der Vereinbarungen
über die Papstwahl bestätigende Privileg Kaiser Ottos I. für Papst Johannes
XII.
Lit.: Sickel, T., Das Privilegium Ottos I., 1983;
Zimmermann, H., Das dunkle Jahrhundert, 1971, 134
Pro viribus hereditatis (lat.) (für die Mittel der
Erbschaft) ist die Beschränkung der Haftung des Erben auf den Wert des
Nachlasses.
Lit.: Köbler, DRG 162
probatio (lat. [F.]) Beweis
proceres (lat. [M.Pl.]) Vornehme, Große
Proculus (20/10 v. Chr.-50/70 n. Chr.) ist
der römische Rechtskundige, der seit 33 n. Chr. Haupt der nach ihm benannten
Rechtsschule ist, zu der →Labeo filius und →Nerva pater sowie Neraz
und Celsus zählen und der die Rechtsschule des →Sabinus gegenübersteht.
Sein wichtigstes Werk sind (lat. [F.Pl.]) epistulae (Briefe) in wohl 12
Büchern. Daneben wird er von vielen bekannten Rechtskundigen zitiert.
Lit.: Söllner § 16; Köbler, DRG 30; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 123; Krampe,
C., Proculi Epistulae, 1970
Procurator (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der Prozessvertreter oder Verwalter (z. B. der Geschäfte des Freilassers [lat.
patronus]) auf Grund Befehls oder Geschäftsführung ohne Auftrag oder
schließlich auch Auftrags. Der p. kann über das Vermögen verfügen, später den
patronus auch durch Geschäfte verpflichten.
Lit.: Kaser §§ 11 II 1b, 20 I 1, 44 II 1, 49 II 4, 82
IV; Köbler, DRG 33, 44, 47, 57; Köbler, LAW; Klinck, F., Zur Bedeutung des
Wortes procurator in den Quellen des klassischen Rechts, ZRG RA 124 (2007), 25
Prodigus (lat. [M.]) ist bereits im altrömischen
Recht der vom Magistrat durch Interdiktion entmündigte Verschwender, für den
ein (lat. [M.]) curator (Pfleger) treuhänderisch handelt.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64 IV; Köbler, DRG 22
Produkthaftung ist die in Deutschland ab 1. 1.
1990 geltende, durch eine Richtlinie der →Europäischen Gemeinschaft veranlasste
→Gefährdungshaftung des Herstellers eines Produkts. Sie steht neben der
von der Rechtsprechung entwickelten Produzentenhaftung (Verschuldenshaftung),
ohne sie verdrängen zu können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271; Bartl, H.,
Produkthaftung nach neuen EG-Recht, 1989; Honsell, H., Produkthaftungsgesetz
und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211
Produktionsmittel (N.) das zur Herstellung eines
Erzeugnisses erforderliche Mittel (z. B. Werkzeug, Maschine, Gebäude)
Produzentenhaftung ist die in der zweiten Hälfte des
20. Jh.s von der Rechtsprechung nach amerikanischem sowie französischem Vorbild
entwickelte deliktische Haftung (Verschuldenshaftung) des Produzenten für von
seinen Erzeugnissen verursachten Schaden (vgl. BGHZ 51, 91 Hühnerpest). Für
bestimmte Pflichtverletzungen besteht dabei eine Verschuldensvermutung, wodurch
die Bejahung von Schadensersatzansprüchen erleichert wird. Seit 1990 ist die
P. durch eine Produkthaftung (Gefährdungshaftung) ergänzt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 271
Profess (lat. professio [F.] religiosa) ist
die Ablegung des Ordensgelübdes (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Bestimmte kirchenrechtliche
Wirkungen (z. B. Erwerbsunfähigkeit, Ehehindernis, Erbunfähigkeit) treten seit
dem 18./19. Jh. nach weltlichem Recht nicht mehr ein.
Lit.: Hübner 57; Martin, A., Die Bedeutung des
Ordensgelübdes, 1924; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
professio (F.) iuris (lat.) Bekenntnis zu einem für den
Bekennenden anwendbaren Recht (vor allem zu einem →Volksrecht im
Frühmittelalter)
Lit.: Calasso, F., Medio evo del diritto, 1954, 117f.,
186, 259
Professor ist seit dem Hochmittelalter (13.
Jh.) vor allem der Universitätslehrer. Dabei ist in der Rechtswissenschaft im
15. Jh. noch der erste Dekretalist der vornehmste Rechtslehrer, in der zweiten
Hälfte des 16. Jh.s dagegen der Lehrer des weltlichen Codex. Die Versorgung
erfolgt noch im 15. Jh. überwiegend durch Benefizien (Pfründen). Der
ordentliche, durch die Möglichkeit der Emeritierung ausgezeichnete P.
(Ordinarius) wird in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s unter Besitzstandswahrung
der Betroffenen gesetzlich beseitigt
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 143, 186;
Schwarz, A., Der Einfluss der Professoren auf die Rechtsentwicklung, (in)
Rechtsgeschichte und Gegenwart, 1960, 181; Ebel, W., Catalogus professorum
Gottingensium 1734-1962, 1962; Pick, E., Die Professoren des Rechts, FS O. v.
Mühl, 1981, 509; Belloni, A., Professori giuristi a Padova, 1986; Geschichte
der Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1 1993, 139; Schmeiser, M.,
Akademischer Hasard, 1994; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten, 1997;
Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren, 2001; Irrgang, S.,
Peregrinatio academica, 2002; Maus, C., Der ordentliche Professor und sein
Gehalt, 2012
Profos (zu lat. [M.] praepositus) Ankläger
im Heer, Vollstreckungsbediensteter
Pro herede gestio (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht das Verhalten wie ein Erbe, durch das die Außenerben die
Erbschaft annehmen.
Lit.: Kaser § 71 II 2a; Köbler, DRG 38
Project (N.) des Codicis Fridericiani
Marchici ist die (von Cocceji)
nach seiner königlichen Majestät von Preußen selbst vorgeschriebenem Plan
entworfene Cammergerichtsordnung, nach der alle Prozesse in einem Jahr durch
drei Instanzen zum Ende gebracht werden sollen und müssen nebst dem Project
einer Sportul-Ordnung und eines Pupillen-Collegii in Preußen von 1748. Das P.
folgt dem Project eines Codicis Fridericiani Pomeranici (für Pommern) für die
Mark Brandenburg nach. Im ersten Teil handelt die Ordnung in 18 Titeln von
unseres Hof- und Cammer-Gerichts-Bestellung und vom richterlichen Amt
überhaupt, im zweiten Teil in sieben Titeln von denen bishero bei dem
Cammergericht (lat.) ratione modi procedendi eingeschlichenen Missbräuchen
und deren Remedierung, im dritten Teil in 44 Titeln von dem (lat.) processu
summario et ordinario in genere und im vierten Teil in neun Titeln von einigen
besonderen Processen, als in Bagatellsachen, in summariissimo, in Injurien, in
causis fiscalibus, bei Kommissionen, und Versuchung der Güte, zwischen
Pächtern und Gutsherren, Obrigkeiten und Untertanen, Pupillen und Vormündern,
item wegen streitiger Grenze sowie in Konkursen
u. s. w. Zur Seite steht das Project einer nach seiner königlichen
Majestät von Preußen vorgeschriebenem Plan errichteten Tribunalordnung, das
Project der Sportelordnung bei dem Kammergericht und das Project eines neuen
Pupillen-Collegii. Das P. d. C. F. M. geht einem gescheiterten Project eines
(lat.) Corpus juris Fridericiani von 1749/1751, dem Corpus (N.) iuris Fridericianum (lat.)
(Erstes Buch vom 26. April 1781, Prozessrechtsgesetzbuch Friedrichs des Großen
bzw. seines Großkanzlers →Carmer, das den Untersuchungsgrundsatz in
den Zivilprozess einführt) und
der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793 voraus.
Lit.: Codex Fridericianus Marchicus m. einer Einleitung v. Mohnhaupt,
H. 2000; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCodicisFridericianiMarchici1748.htm
Project
des Corpus juris Fridericiani
ist der im Ergebnis gescheiterte Versuch Friedrichs des Großen von Preußen,
durch Cocceji das materielle Recht des Landes durch Gesetz zur vereinheitlichen
(Personenrecht 1749, Sachenrecht 1751, Obligationenrecht 1753 bei Versendung
verloren). Ihm folgen das Allgemeine Gesetzbuch (ab 1784) bzw. das Allgemeine
Landrecht von 1794 nach.
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani1-1749.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ProjectdesCorporisJurisFridericiani2-1751.pdf
Prokulianer ist der Anhänger der nach →Proculus benannten
römischen Rechtsschule. Die P. stehen den Sabinianern gegenüber. Sie werden
als innovativ eingestuft und betonen die Zusammenhänge und Ableitungen.
Prokura (Wort 1616) ist die seit der Neuzeit vom
Inhaber eines Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilte
besondere Vertretungsmacht.
Lit.: Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts, 1913;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Prokurator (lat. [M.] procurator) ist der
Vertreter einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren bezüglich der formgerechten
Vornahme der Prozesshandlungen vor Gericht. Der vom Advokaten geschiedene P.
ist dem römischen Recht wie dem kirchlichen Recht bekannt. Beim Reichskammergericht
wird nach 1521 die Trennung beseitigt. Allgemein wird sie in Deutschland
1877/1879 aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 43, 117, 153;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953, 119; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966, 156, 453; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 161, 207, 211, 217; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar, ZRG GA 115 (1998), 498; Baumann, A., Anwälte am
Reichskammerericht, 2001; Baumann, A., Advokaten und Prokuratoren, 2006
Proletariat (N.) besitzlose Klasse
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 17, 177;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984
promissio (lat. [F.]) Versprechen
Promotion (F.) Vorwärtsbewegung, Qualifikationsverfahren
zum Erwerb des Doktorgrads
Lit.: Promotionen und Promotionswesen an deutschen
Hochschulen der Frühmoderne, hg. v. Müller, R., 2001; Münch, I. v., Promotion,
2002, 2. A. 2003, 3. A. 2006, 4. A. (mit Mankowski, P.) 2013; Examen, Titel,
Promotionen, hg. v. Schwinges, R. 2007; Bilder - Daten - Promotionen., hg. v. Müller,
R., 2007; Baur, S., Vor vier Höllenrichtern, 2009
Promptuarium (N.) iuris (lat.) ist das alphabetisch
geordnete, 1408 bis 1422 von Ulrich von Albeck verfasste Rechtslexikon, dessen
Handschrift in Graz liegt.
Lit.: Pfaff, I., Das promptuarium iuris des
Reichskanzlers und Bischofs Ulrich von Albeck, ZRG RA 42 (1921), 158
Property Acts (1922-1925) sind neun das
Sachenrecht betreffende Einzelgesetze des →englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Prophet
Lit.: Lehner, H., Prophetie zwischen Eschatologie und
Politik, 2015
proportional (Adj.) verhältnismäßig
proprietas (lat. [F.]) Eigentum
Lit.: Kaser § 22 II 2; Köbler, DRG 60, 124; Köbler,
G., Eigen und Eigentum, ZRG GA 95 (1978), 1
Propst ist im frühmittelalterlichen
Kloster der dem Abt folgende Vorgesetzte, der teils vom →Prior verdrängt
wird, teils das Amt des →Archidiakons erlangt. In der evangelischen
Kirche lebt der P. bis zur Gegenwart fort.
Lit.: Merzbacher, F., Johann von Allendorf, 1955;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Rauch, G., Pröpste,
Propstei und Stift von S. Bartholomäus in Frankfurt, 1975
proscriptio (lat. [F.]) Ächtung
Prostitution (F.) ist die gewerbsmäßige Hingabe
des Körpers zu geschlechtlichen Zwecken. Sie findet sich als naheliegende Folge
bereits bei den monogamen Kulturvölkern des Altertums. Vom Christentum wird
die P. bekämpft und zurückgedrängt. Mit der Geldwirtschaft entstehen in den
mittelalterlichen Städten Frauenhäuser, in denen die P. erlaubt ist. Im 19. Jh.
setzt sich der Grundsatz der Gewerbefreiheit auch für die P. durch. 1927 wird
in Deutschland ein Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
eingeführt. Bestimmte Formen der Förderung der P. sind strafbar. Am Beginn des
21. Jahrhunderts (2011) wird in Deutschland
die P. ohne erkennbare Auswirkungen legalisiert.
Lit.: Dufour, F., Weltgeschichte der Prostitution,
1905; Schuster, B., Die unendlichen Frauen, 1996; Stumpp, B., Prostitution in
der römischen Antike, 1998; Falck, U., VEB Bordell, 1998; Gleß, S., Die
Reglementierung von Prostitution, 1999; Stumpp, B., Prostitution in der
römischen Antike, 2001; Malkmus, K., Prostitution in Recht und Gesellschaft,
2005; Hemmie, D., Ungeordnete Unzucht, 2007; Harris, V., Selling Sex in the
Reich, 2010
Protektorat ist seit dem 19. Jh. die
Schutzherrschaft eines Staates oder mehrerer Staaten über einen Staat bzw.
dessen Gebiet (z. B. 1806 Rheinbund, 1815 Republik Krakau, 1881 Tunesien, 1912
Marokko, 1914 Ägypten).
Lit.: Kienz., J., Die Staatenverbindungen, 1929, 288;
Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Protest ist allgemein die ausdrückliche
Rechtsverwahrung, die bis zu einem Akt politischer Opposition reichen kann
(Hannover 1837). Im Wechselrecht ist P. seit der frühen Neuzeit die
öffentliche Beurkundung der Verweigerung der Annahme oder Zahlung bei Vorlage
bestimmter Wertpapiere.
Lit.: Kück, H., Die „Göttinger Sieben“, 1934; Becker,
H., Protestatio, Protest, ZHF 5 (1978), 385; Ehls, M., Protest und Propaganda,
1997; Ordnung und Protest, hg. v. Löhnig, M. u. a., 2015
Protestant ist allgemein der Protestierende,
insbesondere der gegen die kaiserliche Religionspolitik des 16. Jh.s und einen
Beschluss der katholischen Reichstagsmehrheit im Heiligen römischen Reich (in Speyer am 19. 4. 1529) für eine bestimmte
religiöse Einstellung Protestierende.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 130; Hinschius,
P., Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten, Bd. 1ff. 1869ff.,
Neudruck 1959; Reingrabner, G., Protestanten in Österreich, 1981; Graf, E., Der
Protestantismus, 2000; Greschat, M., Protestantismus in Europa, 2005; Steiner,
S., Reisen ohne Wiederkehr, 2006; Geheimprotestantismus und evangeliche Kirche
in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg, hg. v. Leeb, R. u. a.,
2009; Schwarz, K., Der österreichische Protestantismus im Spiegel seiner
Rechtsgeschichte, 2017
Protestatio facto contraria non valet (lat.) Die im Widerspruch zum
Handeln stehende Verwahrung gilt nicht.
Lit.: Teichmann, A., Protestatio facto contraria, FS
K. Michaelis, 1972, 294; Köhler, H., Kritik der Regel, JZ 1981, 454; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Glosse Protestetur zu Liber sextus 1, 6,
25)
Protokoll ist im engeren Sinn ein Teil einer
Urkunde, im weiteren Sinn eine durch Unterschrift oder Genehmigung als richtig
anerkannte Niederschrift über Verlauf und Ergebnis einer Verhandlung.
Lit.: Kaser § 87 II 6; Kroeschell, DRG 2, 3;
Protocolle der deutschen Bundesversammlung, 1816-1848, 1851-1866; Protocolle
der Commission zur Ausarbeitung eines allgemeinen deutschen Obligationenrechts,
Dresden 1866, 1984; Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des
Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, bearb. v. Achilles, A. u. a., Bd. 1ff.
1987ff., Neudruck 1984; Frenz, T., Papsturkunden, 1986
Protonotar (M.) oberster Schreiber
Protonotarius (lat. [M.]) ist der oberste
Schreiber, der im Deutschen Reich seit dem 12. Jh. (1150 Reichskanzlei)
erscheint.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Bresslau, H., Handbuch der
Urkundenlehre, Bd. 1 2. A. 1912
Provence ist das die älteste römische
Provinz in Gallien bildende Gebiet zwischen Mittelmeer, Rhone, Var und Alpen.
Die P. kommt 1032 mit Burgund an das →Deutsche Reich, 1481 bei dem Aussterben
der Grafen von Anjou durch Testament an →Frankreich. Sie ist dort ein
Gebiet des Schriftrechts (droit écrit, römischen Rechtes).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Buchner, R., Die
Provence in merowingischer Zeit, 1933; Busquet, R., Histoire de la Provence, 4.
A. 1966; Poly, J., La Provence, 1976
Provinz ist seit dem römischen Altertum
(227 v. Chr.) ein räumlicher Teil eines Staates oder einer sonstigen
Einrichtung (z. B. nach römischem Vorbild seit dem 4. Jh. die christliche
Kirche). In Rom steht ein Statthalter an der Spitze der 297 n. Chr. mehr als
100 Provinzen (erste provincia Sizilien 241 v. Chr.). Im Frühmittelalter
entspricht die P. (lat. provincia) dem Siedlungsgebiet eines Volkes. In der
Neuzeit teilen verschiedene Staaten ihr Gebiet in Provinzen (Frankreich bis
1789, Preußen 1815).
Lit.: Söllner §§ 12, 14; Holtzmann, R., Französische
Verfassungsgeschichte, 1910; Wagner, P., Die geschichtliche Entwicklung der
Metropolitangewalt, Diss. phil. Bonn 1917 masch.schr.; Jeserich, K., Die
preußischen Provinzen, 1931; Metz, W., Bemerkungen über Provinz und Gau, ZRG GA
73 (1956), 361; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Die Provinzen des römischen Reiches, hg.
v. Bechert, T., 1998; Wesch-Klein, G., Die Provinzen des Imperium Romanum, 2014
Provinzialedikt (N.) ist das vom römischen
Provinzialstatthalter verkündete Edikt.
Provinziallandtag ist der Landtag einer Provinz.
Lit.: Croon, G., Der rheinische Provinziallandtag bis
zum Jahre 1874, 1918; Schubert, W., Preußen im Vormärz, 1999
Provinzialrecht ist das besondere Recht einer
Provinz im Verhältnis zum allgemeinen Recht.
Lit.: Kamptz, v., Die Provinzial- und statutarischen
Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff. 1804ff.
Provinzialstand ist der eine →Provinz
betreffende →Stand (Landstand, z. B. in Preußen).
Lit.: Stephan, J., Die Entstehung der Provinzialstände
in Preußen 1823, Diss. phil. Berlin 1914; Roebers, R., Die Einrichtung der
Provinzialstände in Westfalen, Diss. phil. Münster 1915; Birtsch, G.,
Gesetzgebung und Repräsentation, HZ 208 (1969), 265
Provision ist im Kirchenrecht seit dem
Mittelalter die Übertragung eines freien Kirchenamts durch die zuständige
Stelle an einen geeigneten Menschen.
Lit.: Bauer, H., Päpstliche Provisionen für niedere
Pfründen, 1911; Schmidt-Rimpler, W., Geschichte des Kommissionsgeschäfts, 1915;
Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
provocatio (lat. [F.]) Anrufung der
Volksversammlung gegen ein magistratisches Strafurteil
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Prozess ist ein rechtlich geordneter, von
Lage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zur Gewinnung einer (richterlichen)
Entscheidung über ein behauptetes materielles Rechtsverhältnis. Das gerichtliche
Verfahren entsteht vermutlich aus der rechtlichen Ordnung des außergerichtlichen
Streites wegen der mit der →Selbsthilfe verbundenen schädlichen Folgen
ganz allmählich. Bereits das altrömische Recht verlangt dabei, dass in allen
nicht ganz eindeutigen Streitfällen eine Überprüfung in einem öffentlichen
Verfahren (Erkenntnisverfahren) stattfindet und dass der verfolgende Zugriff
(Vollstreckungsverfahren) nur in bestimmten Formen erfolgt. Kennzeichnend
ist die wohl der Entlastung der Höchstmagistrate und zugleich der
Rechtssicherheit der Betroffenen dienende Zweiteilung des Verfahrens in zwei
Abschnitte (lat. in iure, vor Gericht bzw. apud iudicem, vor dem Richter). In
Fällen allgemeiner Bedeutung befindet vielleicht anfangs der König, danach ein
einzelner Magistrat, gegen deren Entscheidung jeder männliche freie Bürger die
Volksversammlung anrufen kann (lat. [F.] →provocatio). Später wird das
Legisaktionenverfahren (→legisactio) zum →Formularverfahren und
dieses zum →Kognitionsverfahren. Über Verfahren bei den Germanen
berichtet Tacitus (98 n. Chr.) in Umrissen. Das Frühmittelalter überliefert
eine Reihe von Berichten über einzelne Verfahren, die das Nebeneinander von
Richtern und Urteilern (Rachinburgen, Schöffen) erkennen lassen. Seit dem 12.
Jh. wird in Anknüpfung an das römische Recht Prozessrechtsliteratur sichtbar
(lat. ordines iudiciarii, Pilius, Aegidius de Fuscarariis 1266, Guilelmus
Duranti, Johannes Andreae um 1346). Seit dem Spätmittelalter wird der in
Oberitalien ausgebildete römisch-kanonische P. (→Schriftlichkeit,
tatsächlicher Anwaltszwang, Artikulierung, →Berufsrichter, →Appellation,
Reichskammergerichtsprozess, Reichshofratsprozess, sächsischer Prozess)
aufgenommen und der Strafprozess verselbständigt. Im 19. Jh. setzt sich der
in Frankreich ausgebildete liberale P. durch. Die Zahl der Prozesse ist groß.
Lit.: Kaser §§ 80ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 19f. u. ö.; Hübner, R., Der Immobiliarprozess der fränkischen Zeit, 1893;
Quellen zur Geschichte des römisch-kanonischen Prozesses, hg. v. Wahrmund, L.,
Bd. 1ff. 1905ff.; Gál, A., Die Prozessbeilegung nach den fränkischen Urkunden
des 7.-10. Jahrhunderts, 1910; Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform,
1925; Kafka, F., Der Proceß, 1925; Mitteis, H., Politische Prozesse des
früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich, 1927 (SB Heidelberg);
Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Nörr, K., Die Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Buchda, G., Über die
„Vorrede“ im sächsischen Prozess des 15. Jahrhunderts, ZRG GA 91 (1974), 90;
Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974; Battenberg, F., Herrschaft und
Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlich römisch-deutschen Reich,
1995; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio finita“, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592; Macht und Recht, hg. v.
Demandt, A., 1990; Prozessflut?, hg. v. Blankenburg, E., 1989; Große Prozesse,
hg. v. Schultz, U., 3. A. 2001; Große Prozesse der römischen Antike, hg. v.
Manthe, U. u. a., 3. A. 2001; Dubischar, R., Prozesse die Geschichte machten,
1997; Ferrari Zumbini, R., La lotta contro il tempo nel processo altomedievale,
1997; Prozessakten als Quelle, hg. v. Baumann, Anette, 2001; Zwicky, M.,
Prozess und Recht im alten Zug, 2002; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2005; Les procès politiques (14.-17. siècle, hg. v. Bercé,
Y., 2007; Within a Re3asonable Time – The History of Due and Undue Delay in
Civil Litigation, hg. v. Rhee, C. H. van, 2010; Oestmann,
P., Wege zur Rechtsgeschichte – Gerichtsverfassung und Prozessrecht, 2015;
Krey, A., Die Praxis der spätmittelalterlichen Laiengerichtsbarkeit, 2015;
Werz, K., Der Schauprozess im 20. Jahrhundert in Deutschland, 2016; Mit
Freundschaft oder mit Recht?, hg. v. Cordes, A., 2015
Prozessbuße ist die Buße einer Partei, eines
Richters, Urteilers, Zeugen oder Schelters bei Verletzung einer Regel im
→Prozess. Sie findet sich vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit.
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867,
Neudruck 1971; Bethmann Hollweg, M. v., Der Zivilprozess des gemeinen Rechts,
Bd. 5 1873, 176; Lampe, W., Die dilatura im germanischen Recht, Diss. jur. Göttingen
1921 masch.schr.; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971, 435;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess am Ende des alten Reiches,
Diss. jur. Münster 1966; Wesener, G., Römisch-kanonisches Prozessrecht, FS G.
Schmelzeisen, 1980, 360
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit Prozesshandlungen
selbst oder durch einen Prozessbevollmächtigten wirksam vorzunehmen oder
entgegenzunehmen. Sie wird erst im 19. Jh. von der Parteifähigkeit und der
Postulationsfähigkeit getrennt. Im älteren Recht ist sie entsprechend der
Geschäftsfähigkeit ständisch geprägt und im Einzelnen örtlich und zeitlich
verschieden gestaltet.
Lit.: Kaser § 82 II 3e; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167; Etzbach, E.,
Die Stellung der Parteien im Prozess, Diss. jur. Köln 1973
Prozessformel ist bereits im altrömischen Recht
die zu jeder →Legisaktion gehörige, genau vorgeschriebene Spruchformel.
Sie besteht nach ihrer Vermehrung im Formularprozess aus (lat. [F.]) praescriptio,
intentio und condemnatio. Auch das englische Prozessrecht kennt seit dem Hochmittelalter
eine beschränkte Zahl von Formularen des →writ.
Lit.: Kaser § 83; Köbler, DRG 19, 33
Prozessgefahr ist im Hochmittelalter die Gefahr
(mhd. vare), den →Prozess durch bloßes Versprechen beim Vortrag vor
Gericht zu verlieren. Ihre Herkunft ist unklar (germanisch?, gelehrt). Zur
Umgehung bedient man sich des →Fürsprechers als eines Vertreters im Wort,
dessen Vortrag die Partei genehmigen muss. Sichtbar wird die P. in
Stadtrechten, die ihren Ausschluss als Privilegierung erwähnen. Nach neuerer Ansicht
ist im sächsisch-magdeburgischen Recht allenfalls das Beweisrecht von Formstrenge
geprägt, wobei Formverstöße oft ausgeglichen werden können, so dass sich aus
den Quellen nicht belegen lässt, dass in Sachsen vor Gericht die buchstäbliche
Auslegung gesprochenen Wortes ein Grundsatz des Prozessrechts war..
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116; Siegel, H.,
Die Gefahr vor Gericht und im Rechtsgang, 1866; Meyer, T., Gefahr vor Gericht,
2009
Prozesshandlung ist die prozessgestaltende
Beteiligung der Partei und der Streitgehilfen bzw. ihrer Vertreter an einem
→Prozess (z. B. Klage). Als allgemeiner Begriff wird die P. von Daniel
→Nettelbladt (1719-1791) erkannt.
Lit.: Köbler, DRG 156; Grunst, B., Prozesshandlungen
im Strafprozess, 2002
Prozesskosten sind die bei einem →Prozess
entstehenden Kosten. Sie trägt bereits im spätantiken römischen Recht die unterliegende
Partei. Seit dem Spätmittelalter lösen die dem Staat zustehenden P. die dem
Richter unmittelbar anfallenden Ansprüche ab. Dabei wird der Grundsatz, dass
der Unterliegende die Kosten zu tragen habe, durch zahlreiche Ausnahmen
durchbrochen. Seit dem Ende des 18. Jh.s werden diese Ausnahmen zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 87 I 8; Köbler, DRG 56; Weber, A., Über
die Prozesskosten, 5. A. 1811; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911,
Neudruck 1965, 333; Sellert, W., Die Akzessorietät von Kostentragung und
Prozesserfolg, FS A. Erler, 1976, 509
Prozesskostenhilfe ist die in Deutschland 1980 das
ältere →Armenrecht ablösende finanzielle Unterstützung einer Partei, die
nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der
Führung eines Prozesses nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann.
Lit.: Köbler, DRG 263; Birkl, N., Prozesskosten- und
Beratungshilfe, 2. A. 1981
Prozessmaxime ist der leitende Grundsatz des
Verfahrensrechts (z. B. Mündlichkeit/Schriftlichkeit, Öffentlichkeit/Heimlichkeit,
Parteibetrieb/Amtsbetrieb, Verhandlungsgrundsatz, Untersuchungsgrundsatz,
Instruktionsmaxime, Eventualmaxime, Unmittelbarkeit,
Konzentrationsmaxime). Bewusst formuliert werden die Prozessmaximen erst im
19. Jh.
Lit.: Gönner, N., Handbuch des deutschen gemeinen
Prozesses, 1801; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Jauernig, O., Verhandlungsmaxime,
Inquisitionsmaxime und Streitgegenstand, 1967; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971, 332; Caenegem, R., History of European Civil Procedure,
1973; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975
Prozessordnung ist die gesetzliche Ordnung des
→Prozesses auf der Grundlage des seit dem 12. Jh. erscheinenden Schrifttums.
→Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung →Gerichtsordnung
Lit.: Marquordt, G., Vier rheinische Prozessordnungen,
1938
Prozesspartei ist die →Partei im →Prozess.
Lit.: Kaser § 82; Söllner § 9; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1 1879, Neudruck 1973, 167;
Köbler, G., Klage, klagen, Kläger, ZRG GA 92 (1975), 1
Prozessrecht ist das für den →Prozess
geltende Recht. Es ist in der älteren Zeit vielfach Gewohnheitsrecht, seit dem
Spätmittelalter zunehmend gesetztes Recht. Nach M. Schmoeckel entsteht das
römisch-kanonische Prozessrecht im 9. Jh. gelegentlich des Ehestreits Lothars
II. Im 19. Jh. werden P. und materielles Recht stärker getrennt.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 16; Kroeschell, DRG 2; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Simshäuser, W., Zur
Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht, 1965;
Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Endres, P., Die
französische Prozessrechtslehre, 1985; Wolf, K., Privatrecht, Prozessrecht und
Notariat, Diss. jur. Gießen 1988; Aspecten van het Middeleeuwse Romeinse
Recht, hg. v. Waelkens, L., 2008, 109ff.; Der Einfluss der Kanonistik auf die
europäische Rechtskultur, Bd. 4 Prozessrecht, hg. v. Mausen, Y., 2014
Prozessverschleppung ist die gewollte Verzögerung eines
Rechtsstreits durch verspätetes Vorbringen von Behauptungen und Beweismitteln.
Sie ist bereits für den spätantiken römischen Prozess ein Problem. Dieses wird
auch im mittelalterlichen gelehrten Prozessrecht erkannt. Die im 16./17. Jh.
zur Abhilfe eingeführte →Eventualmaxime erreicht ihren Zweck ebensowenig
wie preußische Beschleunigungsmaßnahmen von 1781 und 1793. Auch die deutsche
Zivilprozessordnung von 1877/1879 löst die Frage nicht erfolgreich.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 2; Wesener, G., Das
innerösterreichische Landschrannenverfahren, 1963; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 413, 496; Schubert, W., Das Streben nach
Prozessbeschleunigung, ZRG GA 85 (1968), 127; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner
Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Romanisch-kanonisches Prozessrecht - Erkenntnisverfahren erster Instanz in
civilibus, 2012
Prozessvertretung ist die Vertretung des Klägers oder
des Beklagten im →Prozess. Sie ist im römischen Recht zulässig, doch wirkt
der im Namen eines anderen geführte Prozess nicht ohne weiteres für und gegen
den Vertretenen, so dass die vom (lat. [M.]) cognitor oder procurator erzielten
Wirkungen besonders auf den Vertretenen übergeleitet werden müssen. Im
Mittelalter wird zur Vermeidung der →Prozessgefahr ein →Fürsprecher
und allmählich auch ein Vertreter in der Sache zugelassen (Königsgericht,
Stadtrechte 13. Jh., Kammergerichtsordnung 1471). Seit der Wiederentdeckung
des römischen Rechtes zieht dabei der gelehrte Jurist als →Advokat oder
→Prokurator die P. mehr und mehr an sich.
Lit.: Kaser § 82 IV; Köbler, DRG 116; Bethmann
Hollweg, M. v., Der germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff.,
Neudruck 1959; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren im Mittelalter, Bd. 1f.
1989, Neudruck 1973
Prüfung (F.) Überprüfung, Untersuchung
Examen
Lit.: Hornauer, A., Das Reichsgericht zur Frage des
richterlichen Prüfungsrechts (1919-1933) 2009; Niehues, N. u. a.,
Prüfungsrecht, 6. A. 2014
Prügelstrafe ist die mit einem Prügel vollzogene
Leibesstrafe. Sie ist anscheinend in älterer Zeit eine auf Unfreie und später
auch niedrige Freie beschränkte Maßnahme. Seit dem Hochmittelalter wird sie
auch allgemeiner an Freien vollzogen. Im 19. Jh. wird die P. beseitigt (Nassau
1809, Baden 1831, Braunschweig 1837, Darmstadt 1841, Preußen 1848, Österreich
1848 [bis 1852] bzw. 1867, Bayern 1861, Mecklenburg 1871).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961, 983; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen,
2. A. 1906, Neudruck 1970, 329; Malfér, S., Die Abschaffung der Prügelstrafe,
ZRG GA 102 (1985), 206; Gebhardt, J., Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994
Ptolemäus (Ptolemaios), Klaudios (um 100-170 n. Chr.)
Lit.: Klaudios Ptolemaios, Handbuch der Geographie, hg. v.
Stückelberger, A. u. a., 2006 (6345 Örtlichkeiten, 1404 Völker- und
Landschaftsnamen, 200 großflächige Bereichsbezeichnungen 93 Angaben aus
Germania), Ergänzungsband 2009; Kleineberg, A. u. a., Germania und die Insel
Thule, 2010, 2. A. 2011; Kleineberg, A. u. a., Europa in der Geographie des
Ptolemaios, 2012
Przemyslide (Přemyslide) ist der
Angehörige eines sich auf einen Przemysl bzw. Přemysl (den Pflüger) zurückführenden,
vor 890 sichtbaren Geschlechts, das die Herrschaft in →Böhmen erlangt,
aber 1306 erlischt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wegener, W., Die
Přemysliden, 1957; Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, hg. v.
Bosl, K., Bd. 1 1966; Zemlicka, J., Přemysl Otakar I., 1990
Pseudoisidorische Fälschungen (Isidor Mercators) sind mehrere
fälschende Sammlungen kirchenrechtlicher Bestimmungen der Mitte des 9. Jh.s
mit rund 10000 Einzelteilen (unter Verwendung etwa der Historia tripartita des
Epiphanius-Cassiodor der einstmals Corbier Handschrift Sankt Petersburg, Russische
Nationalbibliothek Lat. F. v. I. 11 oder der Konzilsakten von Chalkedon in der
Version des Rusticus der einstmals Corbier Handschrift Paris, Bibliothèque
Nationale Lat. 11611). Vermutlich werden die pseudoisidorischen Fälschungen
(auf dem politischen Hintergrund des Streites um die Einheit des
Karolingerreichs zwischen 829 und 835 unter dem kaiserfeindliche Bischöfe
maßregelnden Kaiser Ludwig dem Frommen) im westfränkischen Gebiet zwischen 833
oder 847 und 852 von mehreren Verfassern vielleicht auch an verschiedenen Orten
(unter Abt Paschasius Ratbertus von Corbie an der Somme = Pseudoisidor?)
hergestellt. Der Gesamtnachweis der die Stellung des Papstes bewusst
stärkenden Fälschung gelingt erst der neuzeitlichen Wissenschaft.
Lit.: Fuhrmann, H., Einfluss und Verbreitung der
pseudoisidorischen Fälschungen, Bd. 1ff. 1972ff.; Fälschungen im Mittelalter,
hg. v. Fuhrmann, H., Bd. 2 1988, 111; Zechiel-Eckes, K., Fälschung hinter
Klostermauern, 2001 (Konstanzer Arbeitskreis); Fortschritt durch Fälschungen?,
hg. v. Hartmann, W. u. a. 2002; Schon, K., Unbekannte Texte aus der Werkstatt
Pseudoisidors, 2006; Schon, K., Die Capitula Angilramni – Eine
prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, 2006; Knibbs, E., The Interpolated
Hispana and the Origins of Pseudo-Isidore (in) ZRG KA 99 (2013) 1 (Cod.
Vaticanus latinus 630); Harder, C., Pseudoisidor und das Papsttum, 2014;
Fälschung als Mittel der Politik?, hg. v. Ubl, K. u. a., 2015; Patzold, S.,
Gefälschtes Recht aus dem Frühmittelalter, 2015
Psychiatrie (F.) Seelenheilkunde (Johann Christian Reil,
Halle 1808)
Lit.: Faulstich, H., Zwischen Staatsanstalt und Lokalversorgung, 2007;
Brink, C., Grenzen der Anstalt, 2010
Psychologie (F.) Seelenkunde
Lit.: Psychologie als Argument in der juristischen Literatur des Kaiserreichs,
hg. v. Schmoeckel, M., 2009; Benecke, L., Auf dünnem Eis – Die Psychologie des
Bösen, 2013; Tändler, M., Das therapeutische Jahrzehnt, 2016; Stuckrad, K. v.,
Die Seele im 20. Jahrhundert, 2019
Publicanus (lat. [M.]) ist im klassischen
römischen Recht der wohl seit dem 4. Jh. zur Verwirklichung eines Systems indirekter
Finanzverwaltung tätige, im Prinzipat durch öffentliche Verwaltung ersetzte
Steuerpächter.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 18; Köbler, DRG 32;
Baldian, E., Zöllner und Sünder, 1997
publicum ius (N.) →ius publicum, Recht
Publikation (F.) Veröffentlichung (von
Gesetzen), bis in das 19. Jh. materielle P. z. B. durch Verlesen, danach
formelle P. im Gesetzblatt (z. B. in Österreich das ab 1. 10. 1849
erscheinende Allgemeine Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaisertum
Österreich, 1870 Reichsgesetzblatt, 1920 Bundesgesetzblatt, 1938 Reichsgesetzblatt,
1945 Staatsgesetzblatt, Bundesgesetzblatt, seit 2004 authentische Fassung
im Internet)
Lit.: Liebenow, W., Die Promulgation, Diss. jur.
Greifswald 1901; Englisch, P., Die Publikation der Gesetze und Verordnungen,
Diss. jur. Breslau, 1912; Hubrich, E., Die Entwicklung der Gesetzespublikation
in Preußen, 1918; Wolf, A., Gesetzgebung und Stadtverfassung, 1968; Holzborn,
T., Die Geschichte der Gesetzespublikation, 2003; Schennach, M., Zuschreiben
von Bedeutung, ZRG GA 125 (2008), 133
Publizistik (F.) Veröffentlichungskunde,
Gesamtheit der Veröffentlichungen, Staatsrechtslehre
Lit.: Wende, P., Die geistlichen Staaten, 1966; Darmstadt,
R., Der deutsche Bund in der zeitgenössischen Publizistik, 1971; Roeck, B.,
Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Das Publikum politischer Theorie, hg.
v. Miethke, J., 1992
Publizität ist die Offenkundigkeit bzw. die
mit einer jedermann erkennbaren Eintragung in ein öffentliches Register
verbundene Rechtswirkung. Das Prinzip der P. findet sich in verschiedener
Gestalt in fast allen Zeiten. Seine Zurückdrängung in der frühen Neuzeit wird
im 19. Jh. wieder beseitigt.
Lit.: Kaser §§ 18 I 3°, 22 II 2b, 24 II 1, 32 II 4c,
76 II 2; Hübner 15f., 147; Ramella, A., La publicità nel diritto moderno, 1901;
Meyer, H., Das Publizitätsprinzip, 1909; Keim, O., Das sog. Publizitätsprinzip,
1930; Planitz, H., Das deutsche Grundpfandrecht, 1936
Puchta, Georg Friedrich (Cadolzburg 31.
8. 1798-Berlin 8. 1. 1846), Justizamtmannssohn, wird nach der Schule in
Nürnberg (Hegel) und dem Rechtsstudium in Erlangen 1823 außerordentlicher Professor
in Erlangen (, wo er 1827 eine Neuausrichtung seines Forschungsprogramms von
der römischen Rechtsgeschichte zur Praxis des zeitgenössischen römischen
Rechtes ankündigt), 1828 ordentlicher Professor in München, 1835 in Marburg,
1837 in Leipzig und 1842 als Nachfolger Savignys in Berlin. Nach dem in langen
Gedankenketten durchkonstruierten, philosophisch und politisch klar durchdachten,
im Wesentlichen auf Schelling gründenden und deshalb bald nicht mehr
verstandenen Gesamtkonzept Puchtas ist der von den →Juristen geprägte
→Volksgeist die Quelle des zugleich geschichtlichen und vernünftigen
Rechtes. Da das Recht vernünftig ist, bildet es ein System. In Erkenntnis
dieses Systems fördert die Wissenschaft durch Deduktion neu entstehende
Rechtssätze zutage (→Begriffsjurisprudenz). In seinen Lehrbüchern
stellt P. allerdings im Wesentlichen nur das geltende Recht systematisch dar.
Seit der zweiten Hälfte des 19. Jh.s wird seine zeitgebundene, Außerjuristisches
ausschließende Betrachtungsweise zunehmend abgelehnt.
Lit.: Köbler, DRG 185, 186, 188; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff.; Puchta, G., Lehrbuch der Pandekten, 1838;
Puchta, G., Cursus der Institutionen, Bd. 1f. 1841f., 10. A. 1893ff.; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Bohnert, J., Über die
Rechtslehre Georg Friedrich Puchtas, 1975; Bohnert, J., Beiträge zu einer
Biographie Georg Friedrich Puchtas, ZRG 96 (1979), 229; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986, 198; Landau, P., Puchta und
Aristoteles, ZRG RA 109 (1992), 1; Hannes, F., Puchta als Kirchenrechtler,
Diss. jur. Bonn 1995; Haferkamp, H., Georg Friedrich Puchta und die
Begriffsjurisprudenz, 2004; Georg Friedrich Puchta Briefe an Gustav Hugo, hg.
v. Jakobs, H., 2009; Mecke, C., Begriff und System des Rechts bei Georg
Friedrich Puchta, 2009
puer (lat. [M.) Knabe, Knecht
Pufendorf, Friedrich Esajas von (Bückeburg
12. 9. 1707-Celle 25. 8. 1785), Oberappellationsgerichtsratssohn und Großneffe
Samuel von Pufendorfs, wird nach dem Rechtsstudium in Halle (Böhmer, Thomasius,
Wolff) Advokat in Celle und 1739 Richter. Neben Anderem verfasst er (bis 1772?)
einen Entwurf eines Landrechts von →Hannover, der (2007) im Obergut
Lenthe in einem Manuskript (von 1769) mit 42 Titeln und in der Staats- und
Universitätsbibliothek Göttingen in einem etwas jüngeren Manuskript mit 128
Titeln und 1570 Paragraphen überliefert ist.
Lit.: Pufendorf, Friedrich Esajas, Entwurf eines
hannoverschen Landrechts, hg. v. Ebel, W., 1970 (128 Titel); http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PufendorfFriedrichEsajasEntwurfeineshannoverschenLandrechts1772-erweiterteFassung.pdf;
Auffenberg, U., Friedrich Esaias von Pufendorfs Entwurf eines hannoverschen
Gesetzbuches mit Edition, Diss. jur. Frankfurt am Main 2007 (58 bzw. 42 Titel)
Pufendorf, Samuel von (Dorfchemnitz bei
Sayda 8. 1. 1632-Berlin 26. 10. 1694), Pfarrerssohn, wird nach der Schule in
Grimma und einem mehrseitigen Studium in Leipzig und Jena Hauslehrer, 1661
Professor des Naturrechts und Völkerrechts der philosophischen Fakultät in
Heidelberg, 1670 Professor in Lund, dann Hofgeschichtsschreiber in Stockholm
und 1688 in Berlin. 1667 veröffentlicht er unter dem Namen Severinus de
Monzambano das kritische Werk (lat.) De statu imperii Germanici (Vom Zustand
des deutschen Reichs), 1672 De iure naturae et gentium libri octo (Vom
Naturrecht und Völkerrecht acht Bücher) und in kürzerer Fassung 1673 De officio
hominis et civis (Von der Pflicht des Menschen und Bürgers mit drei Arten der
Pflichten des Menschen gegenüber Gott, gegenüber sich selbst und gegenüber dem
Mitmenschen). Dabei verwertet er die neuen naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse umfassend und bildet in geometrischer Art für das private Recht
ein Gesamtsystem von Vernunftsätzen, die dem vernünftigen Einzelnen einleuchten
müssen (Naturrecht als Pflichtenlehre).
Lit.: Köbler, DRG 144, 146, 147, 148, 159, 165, 166,
206; Severinus de Monzambano (Samuel von Pufendorf), De statu imperii
Germanici, 1667, hg. v. Salomon, F., 1910; Wolf, E., Grotius, Pufendorf,
Thomasius, 1927; Platz, J., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel 1961;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 306;
Denzer, H., Moralphilosophie und Naturrecht bei Samuel von Pufendorf, 1972;
Palladini, F., Discussioni seicentesche su Samuel Pufendorf, 1978;
Randelzhofer, A., Die Pflichtenlehre bei Samuel von Pufendorf, 1983; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988, 232, 282; Döring, D.,
Pufendorf-Studien, 1992; Über die Pflicht des Menschen und des Bürgers, hg. v.
Luig, K., 1994; Behme, T., Samuel von Pufendorf, 1995; Samuel Pufendorf und die
Frühaufklärung, hg. v. Palladini, F. u. a., 1996; Samuel Pufendorf, Gesammelte
Werke, hg. v. Schmidt-Biggemann, W., Bd. 1ff 1996ff.; Samuel Pufendorf und
seine Wirkungen, hg. v. Geyer, B. u. a., 1997; Palladini, F., La Biblioteca di
Samuel Pufendorf, 1999; Müller S., Gibt es Menschenrechte bei Samuel
Pufendorf? 2000; Haas, J., Die Reichstheorie in Pufendorfs Severinus de
Monzambano, 2006; Späthumanismus und reformierte Konfession, hg. v. Strohm,
C. u. a., 2006, 293; Naturrecht und Staatstheorie bei Samuel Pufendorf, hg.
v. Hüning, D., 2009; Samuel Pufendorf in der Welt des 17. Jahrhunderts,
hg. v. Döring, D., 2012
Pulltag (M.) Zinshühnertag
Lit.: Loch, A., Der Pulltag, ZRG GA 48 (1928), 448
Punitur ne peccetur (lat.). Bestraft wird, damit kein
Unrecht geschieht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Punitur quia peccatum est (lat.). Bestraft wird, weil
Unrecht begangen wurde.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Pupillarsubstitution ist im klassischen römischen Recht
die Bestimmung eines Nacherben für einen (als Erben eingesetzten) unmündigen
Abkömmling durch den Erblasser hinsichtlich des vererbten und des von dritter
Seite empfangenen Vermögens für den Fall, dass der Abkömmling vor Erreichung
der Mündigkeit stirbt (Institutionen 2.16).
Lit.: Kaser § 68 II 5b; Söllner § 11; Köbler, DRG 38
pupillus (lat. [M.]) Mündel
Purgold, Johannes (um 1470-Eisenach nach
1534) ist von 1490 bis 1534 Stadtschreiber von →Eisenach. 1503/1504
bearbeitet er das Eisenacher Rechtsbuch des Johannes Rothe in einem in 3 Handschriften
erhaltenen, in 12 Bücher eingeteilten Rechtsbuch, das er später ergänzt. Er
hat juristische Kenntnisse, ohne dass er als Student der Rechtswissenschaft
nachweisbar ist.
Lit.: Das Rechtsbuch Johannes Purgoldts, hg. v.
Ortloff, F., 1860, Neudruck 1967; Johannes Rothe, Eisenacher Rechtsbuch, hg. v.
Rondi, P., 1950, XIV; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 57f.
putare (lat.) glauben, meinen
putativ, Adj., vermeintlich, eingebildet, irrtümlich (z.
B. Putativnotstand)
Pütter, Johann Stephan (Iserlohn 23. 6.
1725-Göttingen 12. 8. 1807), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Marburg (1738, Wolff), Halle (Heineccius, Böhmer, Ludewig), Jena (Estor) und
Marburg (mit 19 Jahren) 1744 Rechtslehrer in Marburg und 1746 (mit 21 Jahren)
Professor in →Göttingen. Dort wird er der bedeutendste Staatsrechtslehrer
seiner Zeit. Daneben ist er der erste wirkliche Verfassungsgeschichtler, gibt
den Anstoß zu Überlegungen zu juristischer Systematik, bereitet die moderne
Rechtsvergleichung vor und legt mit der Lehre vom →geistigen Eigentum
den Grund für ein fortschrittliches →Urheberrecht. Anerkannt sind sein
lebendiger Vortrag, sein Bemühen um systematische Ordnung des geschichtlich
überlieferten Rechtes und sein Bezug zur Praxi.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanElementaiurispubliciGermanici1754.pdf;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanNeuerVersucheinerjuristischenEncyclopaedieundMethodologie1767.pdf Pütter, J., Neuer Versuch einer juristischen
Encyclopädie und Methodologie, 1767; Pütter, J., Institutiones iuris publici
Germanici, 1770; Pütter, J., Der Büchernachdruck, 1774; Pütter, J., Historische
Entwicklung der heutigen Staatsverfassung, Teil 1ff. 1786, Neudruck 2001;,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanGeistdesWestphaelischenFriedens1795.pdf
Pütter, J., Geist des Westphälischen Friedens, 1795, Neudruck 2010; Pütter, J.,
Selbstbiographie, 1798, Neudruck 2012,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/PuetterJohannStephanSelbstbiographie1798Band1.pdf;
Mohl, R. v., Die Geschichte und Literatur der Staatswissenschaften, Bd. 2 1856,
425; Schlie, U., Johann Stephan Pütters Reichsbegriff, 1961; Marx, H., Die
juristische Methode der Rechtsfindung, Diss. jur. Göttingen 1967; Ebel, W., Der
Göttinger Professor Johann Stephan Pütter, 1975; Rechtswissenschaft in
Göttingen, hg. v. Loos, F., 1987, 75
Q
Quadripartitus ist das um 1114 entstandene, in
vier Teile gegliederte, in zwei Teilen erhaltene anglolateinische Rechtsbuch,
in dem ein Weltgeistlicher kontinentaler Herkunft angelsächsische Gesetze in
die lateinische Sprache übersetzt und um 1100 entstandene Staatsschriften
sammelt. Teil 3 ist vermutlich in den (lat.) →Leges (F.Pl.) Henrici Primi
erhalten.
Lit.: Liebermann, F., Quadripartitus, 1892; Richardson,
H./Sayles, G., Law and Legislation, 1966
quadrupes (lat. [Adj., M., F.]) vierfüßig,
Vierfüßler
Lit.: Köbler, DRG 27, 48
quadruplum (lat. [N.]) Vierfaches
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 48, 65
quaestio (lat. [F.]) Frage, Untersuchung (z.
B. quaestio lance et licio, Haussuchung mit Schüssel und Schurz? im römischen
Recht gegenüber einem des Diebstahls Verdächtigen, etruskisch?)
Lit.: Köbler, DRG 34; Bazan, B./Wippel, J., Les
questions disputées, 1985; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997; 385
Quaestiones ac monita (lat.) ist der Name für eine
vielleicht zwischen 967 und 1019 entstandene, in einer Handschrift des 11. Jh.s
der Abtei Susa (Piemont) gefundene Sammlung von kurzen Stücken des
salfränkischen, langobardischen und römischen Rechtes.
Lit.: Conrat, M., Geschichte der Quellen, 1891, 67,
274
quaestor (lat. [M.]) Sucher, Frager,
Ermittler (von Vermögenswerten)
Lit.: Söllner § 6; Köbler, DRG 18
quanti interest (lat.) was es ihm wert ist
Lit.: Köbler, DRG 42
Quantifizierung
Lit.: Schüßler, M., Quantifizierung, Impressionismus
und Rechtstheorie, ZRG GA 116 (1999), 482
quanto locupletior (lat.) um wieviel reicher
Lit.: Köbler, DRG 36
Quarta (F.) Falcidia (lat.) ist im klassischen
römischen Recht das falzidische Viertel des Vermögens, das nach einer lex
Falcidia (40 v. Chr.) der Erblasser zugunsten der Erben von Belastungen durch
Vermächtnisse unberührt lassen muss.
Lit.: Kaser §§ 67 II 3, 76 V 2, 77 II 6; Söllner § 15;
Köbler, DRG 39
Quartierlast ist die nach Anfängen in Spätantike
und Frühmittelalter seit dem 15. Jh. deutlicher erkennbare Belastung der
Bevölkerung mit einer Unterbringungslast zugunsten von Soldaten.
Lit.: Löbel, K., Naturalleistungen, Diss. jur. Leipzig
1908; Böhmert, H., Die Quartierleistungspflicht, Diss. jur. Leizpig 1937; Paetzold,
F., Das Bundesleistungsgesetz, Diss. jur. Göttingen 1961
Quasidelikt ist das dem Delikt nahestehende,
aber kein Delikt seiende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechtes
(Institutionen 4.5, z. B. Schädigung durch Übernahme einer überfordernden
Aufgabe, Rechtsbeugung, Auswerfen und Ausgießen aus einem Haus).
Lit.: Kaser §§ 36 IV, 46 III 3, 51 VI; Köbler, DRG 62;
Feenstra, R., Die Quasi-Delikte bei Hugo Grotius, (in) Iurisprudentia
universalis, 2002, 175
Quasikontrakt ist das kein Vertrag seiende, aber
dem Vertrag nahestehende Schuldverhältnis des spätantiken römischen Rechtes
(Institutionen 3.27, z. B. Gemeinschaft, Geschäftsführung ohne Auftrag,
Vormundschaft, Auseinandersetzung von Miteigentum, Auseinandersetzung von
Erbschaft, Vermächtnis, irrtümliche Leistung auf eine nicht bestehende
Schuld).
Lit.: Kaser §§ 38 I 2, 43 II 2, 44 II 1; Köbler, DRG
62
Quattuor doctores (lat. [M.Pl.) sind (die) vier
(besonders bekannten) Lehrer des römischen Rechtes im 12. Jh. (Bulgarus, Hugo,
→Jacobus, →Martinus).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 106; Pace, G.,
Garnerius Theutonicus, Rivista internazionale di diritto comune 2 (1991), 123;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Quedlinburg
Lit.: Quedlinburgische Geschichte, Bd. 1f. 1922; Militzer,
K./Przybilla, P., Stadtentstehung, 1980; Wozniak, T., Quedlinburg im 14. und
16. Jahrhundert, 2013; Kasper, P., Das Reichsstift Quedlinburg (936-1810), 2014
Querela (F.) inofficiosi testamenti (lat.) ist seit dem klassischen
römischen Recht die Beschwerde des pflichtwidrigen Testaments, mit der Kinder
und Geschwister eines freigeborenen Erblassers ein Testament vor den
Zentumviri, später im Kognitionsverfahren, anfechten können, wenn es gegen die
sittliche Pflicht verstößt, dem Berechtigten mindestens ein Viertel des ihm
nach natürlicher Erbfolge zustehenden Anteils zu hinterlassen.
Lit.: Kaser §§ 9 I 1, 59 I, 65 II 2, 70 I; Köbler, DRG
38, 60
Quesnay, François (1694-1774) ist der
bekannteste Vertreter des →Physiokratismus.
Lit.: Köbler, DRG 134; Guyot, Y., Quesnay et la
physiocratie, 1896
Quidquid non agnoscit glossa, non agnoscit
curia (lat.). Was
die →Glosse (als Ergebnis der Tätigkeit der →Glossatoren) nicht
anerkennt, anerkennt das Gericht nicht.
Lit.: Landsberg, E., Über die Entstehung der Regel
Quicquid non agnoscit glossa, nec agnoscit forum, 1880
Qui tacet consentire videtur (lat.). Wer schweigt, scheint
zuzustimmen. Nach Ansicht der Kanonisten und Legisten des 13. Jh.s ist die
Anwendbarkeit dieses Satzes von Fall zu Fall zu prüfen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Bonifaz VIII. um 1235-1303, Liber sextus [1298] 5, 13, 43); Schwartze, S., Qui
tacet, consentire videtur, 2003
quinquaginta decisiones (lat. [F. Pl.]) fünfzig
Entscheidungen, eine Sammlung Tribonians von 50 Konstitutionen Justinians zur
Klärung rechtlicher Streitfragen
Quittung (Wort 1299) ist das bereits dem klassischen
römischen Recht bekannte schriftliche Empfangsbekenntnis des Gläubigers einer
Schuld.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Dilloo, W., Die Quittung, Diss.
jur. Berlin 1895; Dryander, G., Die rechtliche Bedeutung der Quittung, Diss.
jur. Greifswald 1899; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Quod non est in actis non est in mundo (lat.). Was nicht in den Akten
ist, ist nicht auf der Welt (frühe Neuzeit).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007;
Erdmann, J., Quod non est in actis, 2007
Quod omnes tangit debet ab omnibus
approbari (lat.).
Was alle betrifft, muss von allen gutgeheißen werden.
Lit.: Post, G., Studies in Medieval Legal Thought,
1964, 163; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Codex Justinianus
5, 59, 5 § 2 am Ende, 534)
Quot homines tot sententiae (lat.). Wie viele Menschen, so
viele Meinungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Terenz, 2. Jh. n. Chr., Phormio 454)
Quote (F.) Anteil
Lit.: Honsell, T., Die Quotenteilung im Schadensersatzrecht,
1977
R
Rabatt (M.) Nachlass, Preisnachlass
Lit.: Matz, J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Rabel, Ernst (Wien 28. 1. 1874-Zürich 27. 9. 1955),
Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Studium in Wien (Ludwig Mitteis) und einer
kurzen Tätigkeit als Anwalt außerordentlicher Professor in Leipzig,
ordentlicher Professor in Basel (1906), Kiel (1910), Göttingen (1911), München
(1916) und Berlin (1926), ehe er unter dem Druck des →Nationalsozialismus
1939 in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandert. Von der vergleichenden
Rechtsgeschichte herkommend fördert er maßgeblich die Rechtsvergleichung
zwecks Findung allgemein annehmbarer Lösungen moderner Rechtsprobleme.
Lit.: Rabel, E., Das Recht des Warenkaufs, Bd. 1f.
1936ff.; Wolff, H., Ernst Rabel, ZRG RA 73 (1956), XI; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 571ff.; Kunze, R., Ernst
Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales
Privatrecht, 2004; Utermark, T., Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung bei
Ernst Rabel, 2005
Rache ist die Vergeltung einer tatsächlichen
oder vermeintlichen Rechtsverletzung durch den Verletzten. Sie ist
→Selbsthilfe (→Fehde). Sie wird seit dem frühen Recht vom
staatlichen Gewaltmonopol zurückgedrängt und allmählich vollständig
ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 32 II 1; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
26, 70, 71, 74, 91; Günther, L. Die Idee der Wiedervergeltung, 1889; Beyerle,
F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Genzmer, F.,
Rache, Wergeld und Klage im altgermanischen Rechtsleben, Wiss. Ak. des NSD. Dozentenbundes
1941, 280; La Vengeance 400-1200, hg. v. Barthélemy, D. u. a., 2006; Ruch, P.,
Ehre und Rache _ Eine Gefühlsgeschichte des antiken Rechts, 2017
Rachinburge (lat.-afrk. rachinburgius M.)
ist vom 6. bis zum 8. Jh. der erfahrene Franke, der auf dem Malberg
gemeinschaftlich mit meist 6 anderen Rachinburgen das Urteil findet. Er wird
teils als Ratsbürge, teils als Rechenbürge erklärt. Zwischen 770 und 780
ersetzt König Karl der Große die Rachinburgen durch ständige →Schöffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Sohm, R., Die
fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981, 50; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993
Radbruch, Gustav Lambert (Lübeck 21. 11.
1878-Heidelberg 23. 11. 1949), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
München, Leipzig (Sohm, Binding) und Berlin in Heidelberg (Lilienthal)
außerordentlicher Professor, danach ordentlicher Professor in Königsberg,
1919 in Kiel, 1926 in Heidelberg sowie nach Ende der im Mai 1933 angeordneten
Entlassung aus dem öffentlichen Dienst 1945 wieder in Heidelberg. 1921/1922 und
1923 wirkt er als sozialdemokratischer Reichsjustizminister, der sich für
Sicherung und Resozialisierung als Strafzwecke einsetzt. In seinen neukantianischen
Grundzügen der Rechtsphilosophie betont er zunächst unter Verneinung des
Naturrechts Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und soziale Zweckmäßigkeit,
nach 1945 trotz grundsätzlicher Geltung des inhaltlich ungerechten und
unzweckmäßigen gesetzten Rechtes vor der Gerechtigkeit vor allem den Vorrang
des übergesetzlichen Rechtes vor dem mit Hilfe eines Gesetzes geschaffenen sehr
großen Unrecht (Radbruch’sche Formel: [dass] zumindest dann der Gerechtigkeit
der Vorrang vor der Rechtssicherheit einzuräumen [sei], wenn der Widerspruch
des positiven Rechtes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht hat,
dass das formalistische Gesetz als ‚unrichtiges Recht‘ der Gerechtigkeit zu
weichen hat, weil dort, wo Gerechtigkeit nicht einmal angestrebt und Gleichheit
bei der Setzung des positiven Rechtes bewusst verleugnet wird, das Gesetz nicht
nur unrichtiges Recht ist, sondern überhaupt der Rechtsnatur entbehrt und kein
Recht mehr ist).
Lit.: Köbler, DRG 236; Radbruch, G., Rechtsphilosophie,
8. A. 1973; Spendel, G., Gustav Radbruch, 1967; Otte, H., Gustav Radbruchs
Kieler Jahre 1919-1926, 1982; Radbruch, G., Gesamtausgabe, Bd. 1ff. 1987ff.(Bd.
20 Gesamtregister 2003); Adomeit, K., Gustav Radbruch, NJW 1999, 3465; Durth,
H., Der Kampf gegen das Unrecht, 2001; Wiegand, M., Unrichtiges Recht, 2004;
Klein, M., Demokratisches Denken bei Gustav Radbruch, 2007; Dannecker, G., Die
Radbruchsche Formel und ihre Rezeption durch die Rechtsprechung (in)
Heidelberger Thesen zu Recht und Gerechtigkeit, 2013, 422; Die Natur des Rechts
bei Gustav Radbruch, hg. v. Borowski, N. u. a., 2015; Laage, C., Gesetzliches
Unrecht, 2014
Rädelsführer ist, wer eine führende Rolle in
einer kleineren Gruppe von Menschen (Straftätern) einnimmt. Der R. wird in der
Neuzeit in einzelnen Straftatbeständen besonders hervorgehoben.
Rädern ist die jedenfalls bereits im Frühmittelalter
bezeugte, unter Verwendung eines Rades entweder durch Brechen des Rückgrats
oder der Körperglieder erfolgende →Todesstrafe.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, H., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920,
496; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922, 106, 204; Scheele, F.,
di sal man alle radebrechen, Bd. 1 1992; Am Anfang war das Rad, hg. v. Kemper,
P., 1997
Radfahrer ist der Nutzer des in Mannheim 1817 von Karl
Drais erfundenen Fahrrads.
Lit.: Schubert, W., Die Anfänge eines modernen
Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194; Der eigene
Antrieb – oder wie uns das Rad bewegt. Ausstellungskatalog 2016 (1817 Erfindung
der Draisine mit Lenker und ohne Pedale)
Radizierung (F.) Verdinglichung, Verknüpfung
mit einem Recht an einer Liegenschaft
Radolfzell am Bodensee wird 1100 Begünstigter
eines von Kaiser Heinrich IV. dem Abt von Reichenau für R. verliehenen
Marktrechts. 1267 wird es Stadt. Am 18. 12. 1506 erlässt König Maximilian für
die im 14. Jh. an Habsburg gelangte Stadt eine handschriftlich überlieferte,
die malefitz-Recht benannte Halsgerichtsordnung, die eine Indizienlehre für die
Folter noch nicht kennt.
Lit.: Albert, P., Geschichte der Stadt Radolfzell,
1896; Ruoff, F., Die Radolfzeller Halsgerichtsordnung von 1506, 1912; Die
maximilianischen Halsgerichtsordnungen, hg. v. Schmidt, E., 1949; Geschichte
der Stadt Radolfzell, hg. v. Götz, F., 1967
Raetia →Rätien
Ragusa
Lit.: Bjelovučič, H., The Ragusan republic, 1970; Mitić,
I., Die Republik Ragusa, ZRG GA 101 (1984), 301; Steindorff, L., Noch einmal
Dubrovnik, ZRG GA 103 (1986), 248
Raiffeisengenossenschaft ist die von Friedrich Wilhelm
Raiffeisen (Hamm/Sieg 30. 3. 1818-Neuwied 11. 3. 1888) nach 1847 gegründete
ländliche Selbsthilfekreditgenossenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 174, 177; Werner, W., Zur
Vorgeschichte der österreichischen Raiffeisenbewegung, 1993; Klein, W., Werk
und Nachwirkung des Genossenschaftsgründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen, 1997
Raimundus Lullus (Ramon Lull bzw. katalanisch Llull) ist der auf
Palma de Mallorca zwischen 1232 und 1235 geborene, länger am Hof des Königs von
Aragonien lebende, 1315 oder 1316 verstorbene Gelehrte, dessen in 280 bekannten
echten Werken enthaltene Philosophie und Methodik die Rechtswissenschaft
beeinflusst (z. B. Liber principiorum iuris [Buch der Rechtsgrundsätze], ars
iuris [Kunst des Rechtes], ars de iure [Kunst vom Recht], ars brevis quae est
de inventione mediorum iuris civilis [Kurze Kunst über die Erfindung von
Mitteln des Zivilrechts, liber de modo applicandi novam logicam ad scientiam
iuris et medicinae [Buch über die Art der Anwendung der neuen Logik auf die Wissenschaft
des Rechtes und der Medizin]).
Lit.: Platzeck, E., Raimund Lull, Bd. 1f. 1962ff.; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 487; Raimundus
Lullus, hg. v. Fidora, A./Rubio, J, 2008
Raimund von Peniaforte →Raymundus de Penyafort
Rainerius de Forlivio ist ein wohl am Ende des 13. Jahrhunderts in
Forli geborener, in Bologna ausgebildeter, in Castel San Piero, Pisa und Padua
lehrender, 1358 verstorbener Jurist (Kommentare, additiones, repetitiones,
Traktate, consilia).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 734
Raitkammer (Rechnungskammer, Finanzbehörde König
Maximilians in Tirol 1491)
Raleigh, William (†1250) wird 1214
Schreiber bei dem Richter Martin Pateshul, 1229 Richter, 1234 Richter an King’s
Bench, 1239 Bischof von Norwich und 1252 Bischof von Winchester. Er gilt
teilweise als bedeutendster Richter des mittelalterlichen →England.
Lit.: Meekings, C., Studies in the 13th Century
justice, 1981
Randa, Antonín (1834-1914) wird nach dem Rechtsstudium in
Prag dort 1862 außerordentlicher Professor, 1868 ordentlicher Professor und
1904 Minister. Er ist der wichtigste Vertreter der tschechischen
Rechtswissenschaft des 19. Jh.s.
Lit.: Randa jubilejni památnik, 1934; Antologie
české právní vedy, 1993, 113
Rang (Wort 1670) ist die bestimmte Stufe innerhalb
einer Ordnung. Bedeutsam ist dabei vor allem auch ein R. eines Sachenrechts für
die Reihenfolge der Befriedigung bei zur Befriedigung aller Gläubiger nicht
ausreichendem Vermögen des Schuldners in der Einzelzwangsvollstreckung. Hier
gilt bereits im römischen Recht der Grundsatz der Priorität (einer bestimmten
vom Recht dafür festgelegten Handlung), der allerdings durchbrochen werden
kann. Im geltenden deutschen Recht dient auch die →Vormerkung der
Sicherung des Ranges.
Lit.: Kaser §§ 31 I 1c, 31 III 3; Hübner; Hedemann, J.,
Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert, Bd. 2, 2, 1935, 5, 21, 78
u. ö.; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Hutwelker, T., Die Darstellung des Rangs in Wappen und Wappenrollen, 2013; Rank
and Order, hg. v. Peltzer, J., 2015
Ranshofen am Inn ist Ort einer bayerischen
Pfalz, in der 985/995 ein Gesetz (lat. F.
constitutio) des Herzogs erlassen wird, das sich mit der Flucht und den Handlungen
Unfreier befasst.
Lit.: Wohlhaupter, E., Hoch- und Niedergericht, 1929,
167; Scherr, L., Studien zur Geschichte des Augustiner Chorherrenstiftes
Ranshofen am Inn und seines Archivs, Mitt. d. Oberöst. Landesarchivs 21
(2008), 143
Rantzau bei Plön ist Sitz einer reichsunmittelbaren
Grafschaft, in deren Gut Ascheberg der Graf 1739 mit der Abschaffung der
Leibeigenschaft beginnt.
Lit.: Köbler, DRG 174; Ranert, M., Die Grafschaft
Rantzau, 1840
Ranulf de →Glanvill
rapina (lat. F.)
Raub
Lit.: Kaser § 51 IV; Köbler, DRG 49, 65; Mommsen, T.,
Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961
raptus (lat. M.)
Raub, Vergewaltigung
Rasen (M.) ist
die grasbewachsene Erde. Der R. kann als Rechtssymbol Verwendung finden. Im
altnordischen Recht erscheint das Gehen unter den R. bei der Begründung der
Blutsbrüderschaft, beim Gottesurteil und bei der Sühne eines Unrechtserfolgs.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994, Bd. 1, 163; Maurer, K., Vorlesungen über
altnordische Rechtsgeschichte, Bd. 5 1910, 672
Rasse ist die durch kennzeichnende
gleiche Merkmale abgrenzbare Art einer Gattung von Lebewesen. In Anlehnung an
die Vererbungslehre Gregor Mendels entwickelt Adolf →Hitler die
ideologische Vorstellung vom Vorzug der arischen Rasse insbesondere gegenüber
den Juden und „Nichtariern“. Die Anwendbarkeit der Vorstellung der R. auf den
Menschen ist in der Gegenwart zweifelhaft geworden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 135; Nicolai, H., Grundsätzliches über das
Verhältnis von Rasse und Recht, Deutsches Recht 1934, 74; Stuckart, W./Globke,
H., Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz, Ehegesundheitsgesetz, 1936; Meyer,
H., Rasse und Recht bei den Germanen und Indogermanen, 1937; Schmuhl, H.,
Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie, 1987; Rüthers, B., Recht als
Waffe des Unrechts, NJW 1988, 2825; Weingart, P./Kroll, J./Bayertz, K., Rasse,
Blut, Gene, 1988; Historische Rassismusforschung, hg. v. Danckwortt, B. u. a.,
1995; Hetzel, M., Die Anfechtung der Rassenmischehe, 1997; Zwerger, J., Was ist
Rassismus? 1997; Senn, M., Die Verrechtlichung der Volksgesundheit, ZRG 116
(1999), 407; Puschner, U., Die völkische Bewegung, 2001; Simon, J.,
Kriminalbiologie und Zwangssterilisation, 2001; Essner. C., Die Nürnberger
Gesetze, 2002; Przyrembel, A., Rassenschande, 2003; Huonker, T., Diagnose
Moralisch defekt, 2003; Rassenforschung am Kaiser-Wilhelm-Instituten, hg. v.
Schmuhl, H., 2003; Fredrickson, G., Rassismus, 2004; Glanninger, P., Rassismus
und Rechtsextremismus, 2009; Wiede, W., Rasse im Buch, 2011; Race and Racism in
Modern East Asia, hg. v. Koumer, R. u. a., 2013; Bethencourt, F., Racisms, 2013
Rat ist der Vorschlag für ein Verhalten und von dort
abgeleitet eine Gruppe beratender Menschen. In der Stadt erscheint nach antikem
und italienischem Vorbild (Pisa, Mailand, Asti, Genua, Arezzo, z. T. noch 11.
Jh.) seit dem Ende des 12. Jh.s ein R. (Speyer 1188, Basel 1190) als oberstes,
den Stadtherrn ablösendes oder ergänzendes Herrschaftsgremium der ratsfähigen
Geschlechter (mit meist zwischen 12 und 20, gelegentlich aber auch bis zu 400
Ratsherren, sowie dem →Bürgermeister als Vorsitzendem). Wenig später
umgeben sich auch König und Landesherren mit einem R. (Hofrat, Reichshofrat,
Staatsrat) aus gelehrten (Klerikern) oder adligen Sachkennern. Verstärkt
werden dabei seit 1430 Juristen einbezogen (gelehrte Räte Bayern-Landshut
1451). Zunehmend gewichtiger wird dabei die Ausbildung (vor allem an
Universitäten). In der späteren Neuzeit entwickelt sich etwa auch ein
Bundesrat, Reichsrat, Nationalrat, Ministerrat, Rat der Volksbeauftragten,
Arbeiterrat, Soldatenrat, Parlamentarischer Rat, Betriebsrat, Zentralrat oder
Europarat.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 11, 112, 113,
115, 149, 150, 153; Winter, G., Geschichte des Rates in Straßburg, 1878; Hoch,
C. Frhr. v., Der österreichische Staatsrath, 1879, Neudruck 1972; Domke, W.,
Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung,
1890; Feine, H., Der goslarische Rat, 1913; Tait, J., The origin of town
councils, English Historical Review 44 (1929), 177; Tait, J., The common
council of the borough, The English Historical Review 46 (1931), 1; Köthe, J.,
Der fürstliche Rat, 1938; Vogelgesang, G., Kanzlei- und Ratswesen, 1939;
Schlotterose, B., Die Ratswahl in den deutschen Staaten des Mittelalters, Diss.
phil. Münster 1953 masch.schr.; Pitz, E., Die Entstehung der Ratsherrschaft in
Nürnberg, 1956; Hess, U., Geheimer Rat, 1962; Eisenhardt, U., Aufgabenbereich
und Bedeutung des kurkölnischen Hofrates, 1963; Laufs, A., Die Verfassung und
Verwaltung der Stadt Rottweil, 1963; Lieberich, H., Die gelehrten Räte, Zs. f.
bay. LG. 27 (1964), 120; Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät
Freiburg im Breisgau, 1965; Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen
Reichsstädte, 1966; Moraw, P., Beamtentum und Rat König Ruprechts, ZGO 116
(1968), 59; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Histoire comparée de
l’Administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Heydenreuter, R., Der
landesherrliche Hofrat, 1981; Schulten, G., Entstehung und Entwicklung des
Ratswesens, Diss. phil. Tübingen 1982; Sprinkart, P., Kanzlei, Rat und
Urkundenwesen, 1986; Rat und Verfassung im mittelalterlichen Braunschweig,
1986; Die Rolle der Juristen, hg. v. Schnur, R., 1986; Fischer, S., Der Geheime
Rat, 1987; Rosch, G., Der venezianische Adel, 1989; Engel, E., Die deutsche
Stadt des Mittelalters, 1993; Reinle, C., Ulrich Riederer (ca. 1406-1462), 1993;
Koch, B., Räte auf deutschen Reichsversammlungen, 1999; Noflatscher, H., Räte
und Herrscher, 1999; Godding, P., Le Conseil de Brabant sous le règne de
Philippe le Bon (1430-1467), 1999; Ratsprotokolle der Stadt Kaiserslautern
1566-1571, hg. v. Dolch, M. u. a., 2002; Poeck, D., Rituale der Ratswahl, 2003;
Höfe und Residenzen, hg. v. Paravicini, W. u. a., 2005; Der Hamburger Arbeiter-
und Soldatenrat 1918/19, bearb. v. Stalmann, V., 2013
Rat der Volksbeauftragten ist das am 10. 11. 1918 gebildete
vorläufige Regierungsorgan des Deutschen Reiches mit 6 Mitgliedern, das am
11. 11. 1918 mit den alliierten Siegermächten des ersten Weltkriegs einen
Waffenstillstand schließt und am 10. 2. 1919 die Macht an die
Nationalversammlung abgibt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Hock, K.,
Die Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, 1987; Melzer, L., Die
Gesetzgebung des Rates der Volksbeauftragten, Diss. jur. Hamburg 1988; Roß, S.,
Biographisches Handbuch der Reichsrätekongresse, 2000
Rätebewegung ist die politische Bewegung des 20.
Jh.s, welche die Lenkung eines Gemeinwesens durch Räte (Arbeiterräte u. s. w.) anstrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Tormin, W., Zwischen
Rätediktatur und sozialer Demokratie, 1951; Kolb, E., Die Arbeiterräte, 1962;
Oertzen, P. v., Betriebsräte in der Novemberrevolution, 1963; Der Zentralrat
der Deutschen Sozialistischen Republik, hg. v. Kolb, E. u. a., 1968; Matthias,
E., Zwischen Räten und Geheimräten, 1970; Die Rätebewegung, hg. v. Hillmann,
1970; Dähn, Rätedemokratische Modelle, 1975
Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe →Comecon
Rathaus ist das vom Rat der Stadt für seine
Bedürfnisse seit dem 13. Jh. geschaffene Haus (z. B. Volterra, Siena, Florenz,
Lübeck, Stralsund, Brügge, Brüssel, Goslar, Paderborn, Rothenburg, Nürnberg,
Schwäbisch Hall oder Augsburg).
Lit.: Stiehl, O., Das deutsche Rathaus, 1905; Gruber,
K., Das deutsche Rathaus, 1943; Schattenhofer, M., Das alte Rathaus in München,
1972; Das Rathaus im Kaiserreich, hg. v. Mai, E. u. a., 1982; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Albrecht, S., Mittelalterliche
Rathäuser in Deutschland, 2004; Rathäuser als multifunktionale Räume der
Repräsentation, der Parteiungen und des Geheimnisses, hg. v. Pils, S. u. a.,
2012
Rätien ist das Siedlungsgebiet der
nichtindogermanischen Räter um den oberen Inn, das 15 v. Chr. von den Römern
erobert wird und im 5. Jh. an die Alemannen übergeht. Im Frühmittelalter gilt
dort die (lat.) →Lex (F.) Romana Curiensis (römisches Recht Churrätiens).
Lit.: Köbler, DRG 28; Baldauf, O., Das karolingische
Reichsgut in Unterrätien, 1930; Heuberger, R., Raetia, Klio 24 (1931), 348;
Heuberger, R., Rätien im Altertum und Frühmittelalter, 1932; Clavadetscher, O.,
Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Clavadetscher, O.,
Nochmals zum churrätischen Reichsgutsurbar aus der Mitte des 9. Jahrhunderts,
ZRG G 76 (1959), 319; Dilger, A., Textkritische Untersuchungen einer
Handschrift aus der römischen Provinz Raetia II, ZRG GA 88 (1971), 172; Müller,
I., Glanz des rätischen Mittelalters, 1971; Die Bayern und ihre Nachbarn, Bd. 1
1985; Clavadetscher, O., Rätien im Mittelalter, 1994 (Aufsätze); Erhart, P. u.
a., Urkundenlandschaft Rätien, 2004; Kakoschke, A., Die Personennamen in der
römischen Provinz Rätien, 2008; Schrift, Schriftgebrauch und Textsorten im
frühmittelalterlichen Churrätien, hg. v. Eisenhut, H. u. a., 2008; Kakoschke,
A., Die Personennamen in der römischen Provinz Gallia Belgica, 2010
Ratingen
Lit., Redlich, O. u. a., Geschichte der Stadt Ratingen, 1926; Quellen
zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte, Bergische Städte,
Ratingen, bearb. v. Redlich, O., 1928
Rationalismus ist die von René Descartes
(1596-1650) begründete Denkhaltung, die allein von der Vernunft und von
allgemeinen logischen Ableitungen aus Grundeinsichten (Axiomen) her deduktiv
zur Wahrheit gelangen will.
Lit.: Köbler, DRG 136; Cassirer, E., Descartes, 1939;
Schmidt, G., Aufklärung und Metaphysik, 1965; Flasch, K., Das philosophische
Denken im Mittelalter, 1986; Engfer, H., Empirismus versus Rationalismus? 1996;
Braun, J., Deduktion und Invention – Gesetzesauslegung im Widerstreit von
Gehorsamskunst, Rechtsgefühl und Wahrheitssuche, 2017
Ratsgerichtsbarkeit ist die seit dem ausgehenden 12.
Jh. vom →Rat der Stadt von der niederen Strafgerichtsbarkeit her allmählich
erlangte Zuständigkeit in Gerichtsangelegenheiten. Sie ist in den Einzelheiten
örtlich ziemlich verschieden gestaltet.
Lit.: Wackernagel, J., Die Entstehung der städtischen
Ratsgerichtsbarkeit im Mittelalter, FG der Basler Juristenfakultät zum
Schweizer Juristentag, 1920, 113; Ebel, W., Bürgerliches Rechtsleben, 1954;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Hirsch, H., Die hohe
Gerichtsbarkeit, 2. A. 1958; Ebel, W., Studie über ein Goslarer
Ratsurteilsbuch, 1961; Wiener Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v.
Demelius, H., 1980
Ratsherr ist das einzelne Mitglied des
→Rates einer →Stadt.
Lit.: Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980;
Rabe, H., Der Rat der niederschwäbischen Reichsstädte, 1966; Spieß, W., Die
Ratsherren der Hansestadt Braunschweig 1231-1671, 2. A. 1970
Ratsurteil →Ratsgerichtsbarkeit
Ratsverfassung →Rat
Raub (lat. F. rapina) ist
die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache mit Gewalt gegen einen Menschen
oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben
in der Absicht, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen. Im Mittelalter gilt der
(offene) R. als weniger verbrecherisch als der (heimliche) Diebstahl.
Rechtsfolge ist meist die Enthauptung (statt des Hängens).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 49, 123, 158;
Köbler, WAS; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R.,
Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Radbruch, G., Der Raub in der Carolina, FS M. Pappenheim, 1931, 37; Dahm, G.,
Das Strafrecht Italiens, 1931, 482; Leesment, L., Pflugraub im Mittelalter, ZRG
GA 58 (1938), 534; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Landmesser, M., Der Raub, Diss. jur. Mainz 1966; Küther, C., Räuber und Gauner
in Deutschland, 1976; Danker, U., Räuberbanden im alten Reich, 1988; Lange, K.,
Gesellschaft und Kriminalität, 1994; Danker, U., Die Geschichte der Räuber und
Gauner, 2001; Schüßler, M., Raubüberfälle auf Hansekaufleute, ZRG 120 (2003),
355; Savoy, B., Kunstraub - Napoleons Konfiszierungen, 2011; Pierson, T.,
Praten, ZRG GA 128 (2011), 169; Schwarz, B., Auf Befehl des Führers. Hitler und
der NS-Kunstraub, 2014
Raubehe ist die angeblich durch →Raub
einer →Frau begründbare →Ehe.
Lit.: Hübner 626; Dargun, L., Mutterrecht und Raubehe,
1883
Räuber →Raub
Lit.: Danker, U., Räuberbanden im alten Reich um 1700,
1988; Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Schubert, E., Räuber,
Henker und arme Sünder, 2007
Raubritter ist der im Spätmittelalter nach
Verlust seiner Bedeutung im Heereswesen Raub als Unterhaltsgewinnungsmittel betreibende
Ritter (z. B. Eppelein von Gailingen in Franken).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Rösener, W., Zur Problematik
des spätmittelalterlichen Raubrittertums, FS B. Schwineköper, 1982, 469;
Görner, R., Raubritter, 1987; Andermann, U., Ritterliche Gewalt und bürgerliche
Selbstbehauptung, 1991; Raubritter, hg. v. Andermann, K, 1997
Raum ist der dreidimensionale
Gesamtzusammenhang von Gegebenheiten.
Lit.: Belina, B., Raum – Zu den Grundlagen eines
historisch-geofraphischenm Materialismus, 2013; Rau, S., Räume, 2013; Ehlers,
C., Rechtsräume, 2016
Raumordnung ist die planerische Ordnung des
Raumes durch den Staat. die am Anfang des 20. Jh.s beginnt.
Lit.: Leendertz, A., Ordnung schaffen, 2008; Jureit,
U., Das Ordnen von Räumen, 2012; Kegler, K., Deutsche Raumplanung, 2014
Ravanis →Jacobus de Ravanis
Ravenna im Mündungsdelta des Po ist im 5.
Jh. Residenz des weströmischen Kaisers und seiner Nachfolger (u. a. Theoderichs
des Großen). Vielleicht besteht dort im 11. Jh. eine Rechtsschule. 1440 gelangt
R. an Venedig, 1509 an den Kirchenstaat und 1870 an →Italien (1861).
Lit.: Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter, Bd. 1 2. A. 1834, 337; Deichmann, F., Ravenna, Bd. 1ff. 1969ff.;
Storia di Ravenna, hg. v. Susini, G. u. a., Bd. 1ff. 1990ff.; Lange, H.,
Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Ravensberg
Lit.: Riepenhausen, H., Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes
bis 1770, 1938; Sunderbink, B., Revolutionäre Neuordnung auf Zeit, 2015
Ravensburg an der Schussen wird vielleicht
schon vor 1276 Reichsstadt. Zwischen 1380 und 1530 ist R. Sitz der großen
Ravensburger Handelsgesellschaft der Patrizier Humpiß, Mötteli und Muntprat,
die Leinwandhandel im Süden und Westen Europas betreibt. Sie unterliegt am
Beginn der Neuzeit der neueren Wirtschaftsgesinnung der Augsburger Kaufleute.
Lit.: Heyd, W., Beiträge zur Geschichte des deutschen
Handels, 1890; Schulte, A., Geschichte der großen Ravensburger
Handelsgesellschaft, Bd. 1ff. 1923, Neudruck 1964; Die älteren Stadtrechte der
Reichsstadt Ravensburg, bearb. v. Müller, K., 1924; Rehme, P., Das rechtliche
Wesen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft, ZRG GA 47 (1927), 487;
Steiner, H., Das Familien- und Erbrecht der Stadt Ravensburg, Diss. jur.
München 1959; Dreher, A., Geschichte der Stadt Ravensburg, 1972; Lutz, E., Die
rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften, 1976; Eitel, P., Die
große Ravensburger Handelsgesellschaft, 1985; Lutz, A., Zwischen Beharrung und
Aufbruch, 2005
Raymundus de Penyafort (Raimund von Peniaforte)
(Villafranca de Penades bei Barcelona um 1180-Barcelona 6. 1. 1275),
hochadliger Katalane, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Rechtslehrer in
Bologna, Dominikaner und Pönitentiar an der Kurie, 1238 Generalmagister der
Dominikaner. 1222/1229 verfasst er eine (lat.) Summa (F.) de casibus
conscientiae (Summe über Fälle des Gewissens) bzw. Summa de poenitentia (Summe
über die Reue), mit der er die Entwicklung des Strafrechts beeinflusst, und
1230/1234 den die nachgratianischen →Dekretalen der Päpste sammelnden
(lat.) →Liber (M.) extra.
Lit.: Köbler, DRG 102; Schwertner, T., St. Raymond of
Pennafort, 1935; Valls Taberner, F., San Ramon de Peniaforte, 1936; Kuttner,
S., Zur Entstehungsgeschichte der Summa de casibus poenitentiae, ZRG KA 70
(1953), 419; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972, 287
Raymund von Wiener Neustadt (?) ist der unbekannte(,
möglicherweise unter der Herrschaft der Anjou von Italien nach Ungarn gezogene)
Verfasser einer (lat.) Summa (F.) legum brevis levis et utilis (Kurze, leichte
und nützliche Gesetzessumme) des ausgehenden 13. oder frühen 14. Jh.s, die das
römische Privatrecht, Staatsrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht im
dreigeteilten Schema (des Gaius) von Personen, Sachen und Klagansprüchen
populär darstellt und auf ein davon abweichendes (ostmitteleuropäisches)
Recht hinweist. Die Summe stammt vielleicht aus Italien (Neapel?). Die
Mehrheit der in der Gegenwart bekannten 15 Handschriften ist im
polnisch-slowakischen Gebiet erhalten, zu dem auch sachlich gewisse Bezüge
bestehen könnten.
Lit.: Tomaschek, J., Über eine in Österreich in der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geschriebene Summa legum, 1883; Bartsch, R.,
Das eheliche Güterrecht in der Summa Raymunds von Wiener Neustadt, 1912; Die
Summa legum brevis levis et utilis, hg. v. Gál, A., 1926
real (Adj., zu lat res, F., Sache) sachlich, körperlich,
tatsächlich
Realfolium ist das für ein Grundstück unabhängig
von der Person des jeweiligen Eigentümers angelegte Blatt des
→Grundbuchs.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125
Realkontrakt →Realvertrag
Reallast (Wort 1636) ist die dingliche Belastung eines
Grundstücks mit aus dem Grundstück zu entrichtenden wiederkehrenden Leistungen
(z. B. Verköstigung, Geld). Sie ist zwar dem klassischen römischen und
justinianischen Privatrecht unbekannt, findet sich aber im gesamten römischen
öffentlichen Recht und auch im Frühmittelalter in Herrschaftsverhältnissen, in
deren Rahmen Leistungspflichten als mit Grundstücken verbunden betrachtet
werden. Seit dem Spätmittelalter nähert sich die R. der Darlehenshypothek. In
der frühen Neuzeit wird die R. teilweise als hypothekarisch gesichertes
Forderungsrecht angesehen, teils als deutschrechtliche →Dienstbarkeit
(lat. [F.] servitus iuris Germanici). In Frankreich wird die mit feudalem Herrschaftsrecht
zusammenhängende R. durch Dekret vom 17. 7. 1793 entschädigungslos
aufgehoben. Im Gegensatz zum österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1811/1812) nimmt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) die R.
als beschränktes dingliches Recht auf. In Österreich wird die R. in dem
Grundbuchsgesetz (1871) und in der Exekutionsordnung (1896) berücksichtigt.
Lit.: Kaser § 28 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 125, 213; Schwind, E. v., Die Reallastenfrage, Jh. Jb. f. d.
Dogmatik 33 (1894), 1; Rehme, P., Die Lübecker Grundhauern, 1905; Ogris, W.,
Der mittelalterliche Leibrentenvertrag, 1961; Beutler, J., Die Reallast im
Spannungsfeld, 2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Reallexikon (Sachlexikon)
Lit.: Reallexikon der germanischen Altertumskunde, hg. v. Hoops, J.,
1911-1919, 2. A. 1973-2007 (35 Bände, 5124 Artikel, 3376 Abbildungen, 952
Tafeln, 2 Registerbände, 1443 Autoren, zahlreiche Ergänzungsbände)
real property (engl. [N.]) Liegenschaft,
unbewegliche Sache
Realservitut ist die Belastung eines Grundstücks mit einer
Dienstbarkeit (Servitut) zu Gunsten eines anderen Grundstücks
(Grunddienstbarkeit z. B. Wegerecht). Das römische Recht unterscheidet
zwischen älteren Feldservituten (auf dem Land) und jüngeren Gebäudeservituten
(in der Stadt), das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs zwischen Feldservituten
und Hausservituten (§§ 474ff.).
Realteilung (F.) tatsächliche Aufteilung
Realunion ist die verfassungsmäßig festgelegte
Vereinigung zweier selbständiger Staaten unter einheitlichem Staatsoberhaupt
und mit gemeinschaftlichen Einrichtungen bzw. Organen (z. B. Norwegen-Island
seit 1263, Österreich-Ungarn 1867-1918, Norwegen-Schweden 1815-1905,
Dänemark-Island 1918). Sie ist von der bloßen zufälligen Personalunion zu
unterscheiden. Bedeutsam hierfür sind gemeinsame Organe.
Lit.: Jellinek, G., Die Lehre von den
Staatenverbindungen, 1882; Hatschek, J., Das Recht der modernen
Staatenverbindung, 1909; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007
Realvertrag oder Realkontrakt ist im
klassischen römischen Recht und dem ihm folgenden Rechten der durch
(Willensübereinstimmung und) Hingabe einer Sache erst wirklich zustande
kommende →Vertrag (Darlehen, Leihe, Verwahrung, Pfand, im Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811/1812 auch der Trödelvertrag, §
1086, nach Wegmann Stockebrand Realvertrag bei den Römern nur das Darlehen).
Lit.: Kaser § 38 II 1a; Köbler, DRG 45, 74, 91, 126,
208; Wegmann Stockebrand, A:, Obligatio re contracta, 2017 (Römer kannten als
Realvertrag nur das Darlehen)
Rebus sic stantibus omnis promissio
intellegetur
(lat.). Bei jedem Versprechen wird davon ausgegangen, dass die Umstände
gleichbleiben werden.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Seneca, 4-65 n. Chr., De beneficiis 4, 34, 3-4, 35, Thomas von Aquin,
1225?-1274, Summa theologica 2, 2, 110, 3, rat. 5)
receptum (lat. N.)
Garantieerklärung, Versprechen, Verpflichtung (z. B. des Bankiers [r.
argentarii], des Wirtes, des Schiffers oder des Stallwirtes)
Lit.: Kaser §§ 37 III 2, 46 III; Köbler, DRG 47, 64
recessus (M.) imperii (lat.) Reichsabschied
Rechnung ist der Vorgang und das Ergebnis
des Erfassens und Behandelns von Gegebenheiten durch Zahlen.
Lit.: Mersiowsky, M., Die Anfänge territorialer
Rechnungslegung im deutschen Nordwesten, 2000; Die ältesten Rechnungsbücher des
Klosters Scheyern 1339-1363, hg. v. Toch, M., 2000; Weiss, S., Buchhaltung und
Rechnungswesen des Avignoneser Papsttums (1316-1378), 2003; Die Aachener
Stadtrechnungen des 15. Jahrhunderts, bearb. v. Kraus, T., 2004; Stadtkölnische
Reiserechungen, bearb. v. Militzer, K., 2007; Mihm, M. u. a., Mittelalterliche
Stadtrechnungen, 2007f.; Lübbers, B., Die ältesten Rechnungen des Klosters
Aldersbach (1291-1373.
Rechnungshof ist das die Rechnung, die Wirtschaftlichkeit
und die Ordnungsmäßigkeit der Haushaltsführung des Staates überprüfende
staatliche Organ seit dem Spätmittelalter bzw. 18. Jh. (Frankreich 1318,
Sachsen 1707, 1761 Österreich Rechen-Cammer, 1854 oberste
Rechnungs-Kontroll-Behörde, 1919 Staatsrechnungshof, Preußen 1714
General-Rechenkammer, 1824, Oberrechnungskammergesetz 1872).
Lit.: Städtehaushalt und Rechnungswesen, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1977; Brodersen, C., Rechnungsprüfung für das Parlament in
der konstitutionellen Monarchie, 1977; Zavelberg, H., 275 Jahre staatliche
Rechnungsprüfung, (in) Die Kontrolle der Staatsfinanzen, 1989, 43; Störring,
J., Die Beratungsfunktion des Bundesrechnungshofes und seines Präsidenten,
2013; Krysl, V., Die Rechnungshöfe in Bayern, Thüringen, Kärnten und der
Steiermark im Rechtsvergleich, 2014; 300 Jahre externe Finanzkontrolle in
Deutschland - gestern, heute und morgen. Festschrift, hg. v. Engels, D., 2014
Rechnungsprüfung ist die Überprüfung einer
Rechnungsgestaltung. Sie beruht auf der im 12. Jh. sich ausbildenden Rechnungslegung.
Lit.: List, H., Die geschichtliche Entwicklung der
Rechnungsprüfung, Diss. jur. Tübingen 1998; Mersiowsky, M., Die Anfänge
territorialer Rechnungslegung, 1999
Recht (lat. ius N.)
ist die menschliche, auf die Gerechtigkeit abstellende Sollensordnung (R. im
objektiven Sinn) und der in ihr dem Einzelnen zustehende Anspruch (R. im
subjektiven Sinn). Das R. ist ein Ergebnis des menschlichen Zusammenlebens. Es
entsteht anfangs wohl regelmäßig aus der Sitte als dem Üblichen. Hinzu kommt zu
einem unbekannten Zeitpunkt die bewusste Setzung (Gesetz, z. B. Codex Urnammu
2100 v. Chr., Codex →Hammurapi des babylonischen Königs Hammurapi 1728-1686
v. Chr.?,
Lykurg, Solon, Drakon, →Zwölftafelgesetz in Rom 451/450 v. Chr.). In Rom
erfolgt die Auslegung des Gesetzes wegen der Nähe von R. und Religion zuerst
durch Priester, danach durch den rechtswissenschaftlich gebildeten Fachmann
(Rechtskundigen). Verstanden wird diese Tätigkeit als (lat.) ars (F.) boni et
aequi (Kunst des Guten und Gerechten, Celsus filius 129 n. Chr.). Der oströmische
Kaiser →Justinian (527-565) fasst am Ende der spätrömischen Zeit das
römische R. in →Institutionen, →Codex und →Pandekten (sowie
→Novellen) zusammen. Das R. der Germanen ist ungeschrieben und wohl
weitgehend durch Übung entstanden. Auf einen Rechtsgott wird es ebensowenig
zurückgeführt wie in Rom. Als Gemenge von hergebrachten Sätzen
(→Weistümer) und neuen Beschlüssen (→Konstitutionen) zeichnen die
von den Germanen abstammenden Einzelvölker nach dem Vorbild der Römer und der
Kirche ihr R. in den sog. →Volksrechten oder Stammesrechten zwischen dem
5. und 9. Jh. auf. Dieses R. muss nicht notwendig alt und gut sein, obwohl es
vielfach alt und anerkannt ist. Seit dem 12. Jh. wird das R. nicht mehr
personal, sondern territorial bestimmt (→Landrecht, →Stadtrecht).
Neben das partikulare R. tritt das allgemeine (→gemeine) R. (kirchliches
R., wiederentdecktes römisches R.). Placentinus († 1192) sieht dabei in (lat.)
ius publicum und ius privatum duae res (zwei Dinge). Seit dem Spätmittelalter
wird dieses in den Universitäten →gelehrte R. fast überall teilweise
aufgenommen, an die zeitgenössischen Bedürfnisse (lat. usus [M.] modernus,
moderner Gebrauch) angepasst und geordnet und der Begriff des Rechtes zunehmend
positiviert. Seit dem 17. Jh. wird das R. verstärkt auf seine Natürlichkeit
bzw. Vernünftigkeit überprüft (→Vernunftrecht, säkulares
→Naturrecht). Im Ergebnis wird es vielfach in nationalen Gesetzbüchern
festgelegt ([Bayern 1751-1756,] Preußen 1794, Frankreich 1804ff., Österreich
1811/1812, Spanien 1829ff., Italien 1865ff., Deutschland 1871ff.). Bis zur
Gegenwart steigt die Flut rechtlicher Regelungen auf allen Ebenen (Vereinte
Nationen, Europa, Staat, Provinz/Region/Land, Kommune u. s. w.) ins Unüberschaubare an (Deutschland
1996 ca. 85000 bundesgesetzliche Regelungen). Vorrangige Bedeutung erlangt
dabei die →Verfassung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 3, 14, 29,
47, 51, 69, 79, 108, 113, 137, 140, 149, 180, 191, 205, 226, 229, 253;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 231; Grimm, J., Von der Poesie im
Recht, Z. f. geschichtliche Rechtswissenschaft 2, 1 (1816), 25; Puchta, G., Das
Gewohnheitsrecht, Bd. 1f. 1828ff., Neudruck 1965; Kern, F., Über die
mittelalterliche Anschauung vom Recht, HZ 115 (1916), 496; Fehr, H., Das Recht
im Bilde, 1923; Müller, G., Recht und Staat in unserer Dichtung, 1924; Holland,
T., The elements of jurisprudence, 13. A. 1924; Stammler, R., Deutsches
Rechtsleben, B. 1f. 1928ff.; Rehfeldt, B., Die Vergeistigung des Rechtes, ZRG
GA 67 (1950), 373; Rehfeldt, B., Die Wurzeln des Rechtes, 1951; Wengler, L.,
Die Quellen des römischen Rechtes, 1953; Odenheimer, J., Der
christlich-kirchliche Anteil an der Verdrängung der mittelalterlichen
Rechtsstruktur und an der Entstehung der Vorherrschaft des staatlich gesetzten
Rechts im deutschen und französischen Rechtsgebiet, 1957; Krause, H., Dauer und
Vergänglichkeit im mittelalterlichen Recht, ZRG GA 75 (1958), 206; Schönfeld,
W., Über die Heiligkeit des Rechts, 1957; Das subjektive Recht, hg. v. Coing,
H., 4. A. 1962; Sawer, G., Law in Society, 1965; Hattenhauer, H., Zur Autorität
des germanisch-mittelalterlichen Rechtes, ZRG GA 83 (1966), 258
(Antrittsvorlesung); Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen
Recht, JuS 1967, 337; Böckenförde, E., Der Rechtsbegriff, Archiv f.
Begriffsgesch. 12 (1968), 145; Zippelius, R., Das Wesen des Rechts, 2. A. 1969;
Köbler, G., Das Recht im frühen Mittelalter, 1971; Schmelzeisen, G., Objektives
und subjektives Recht – zu ihrem Verhältnis im Mittelalter, ZRG GA 90 (1973),
101; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; NS-Recht in
historischer Perspektive, 1981; Gmür, R., Rechtswirkungsdenken in der
Privatrechtsgeschichte, 1981; Schlosser, H., Rechtsgewalt und Rechtsbildung im
ausgehenden Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 9; Weitzel, J., Dinggenossenschaft
und Recht, 1985; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Das
römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986; Grimm, D., Recht und
Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987; Würtenberger, T., Zeitgeist und
Recht, 1987; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland,
Bd. 1f. 1988ff.; Henke, W., Recht und Staat, 1988; Rüthers, B., Entartetes
Recht, 2. A. 1989; Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten, hg. v. Schulze, R.,
1992; Wesel, U., Fast alles, was Recht ist, 1992, 2. A. 1993, 3. A. 1994, 4. A.
1996, 5. A. 1999, 6. A. 2002, 7. A. 2004, 8. A. 2007, 9. A. 2014; Böhme, H.,
Politische Rechte des Einzelnen in der Naturrechtslehre des 18. Jahrhunderts,
1993; Recht und Verfahren, hg. v. Kroeschell, K., 1993; Rückert, J., Die
Rechtswerte der germanistischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 275;
Kroeschell, K., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 315;
Jacoby, S., Allgemeine Rechtsgrundsätze, 1997; Gaudemet, J., Les naissances du
droit, 1997; Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, Bd.
1, hg. v. Boockmann, H. u. a., 1998; Diestelkamp, B., Recht und Gericht im
heiligen römischen Reich, 1999; Blanke, H., Das Recht als Mittel der Machtpolitik,
2002; Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. v. Cordes, A. u. a., 2002; Rudolph,
H., Rechtskultur in der frühen Neuzeit, HZ 278 (2004) 347; Uertz, R., Vom
Gottesrecht zum Menschenrecht – Das katholische Staatsdenken in Deutschland
(1789-1965), 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow, L., 2005;
Stier, A., „Richtiges Recht“, 2006; Röder, T., Rechtsbildung im
wirtschaftlichen Weltverkehr, 2006; Rechtsveränderungen im politischen und
sozialen Kontext mittelalterlicher Rechtsvielfalt, hg. v. Esders, S. u. a.,
2006; Schröder, J., Zur Entwicklung des Rechtsbegriffs in der Neuzeit,
Gedächtnisschrift Jörn Eckert 2008, 835; Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K.
u. a., 2009; Hamza, G., Die Untergliederung der modernen Rechtsordnungen und
die römischrechtliche Tradition, Seminarios Complutenses 22 (2009), 191;
Ausbildung des Rechts, hg. v. Böse, K. u. a., 2009; Grossi, P., Das Recht in
der europäischen Geschichte, 2010; Recht und Literatur, hg. v. Greiner, B. u.
a., 2010; Bühler, T., Rechtsschöpfung und Rechtswahrung, 2012; Kontroversen um
das Recht - Beiträge zur Rechtsbegründung von
Vitoria bis Suárez, hg. v. Bunge, K. u. a. 2012; Foljanty, L., Recht
oder Gesetz, 2013; Ungerechtes Recht, hg. v. Müßig, U., 2013; Zerstörte
Rechtskultur, hg. v. Nöhre, M., 2013; Law and Disputing in the Middle Ages, hg.
v. Andersen, P. u. a., 2013; The Laws‘ Many Bodies, hg. v. Donlan, S. u. a.,
2015; Recht, Konfession und Verfassung im 17. Jahrhundert – West- und
mitteleuropäische Entwicklungen, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2015; Starck,
C., Woher kommt das Recht?, 2015; The Formation and Transmission of Western
Legal Culture, hg. v. Dauchy, S. u. a., 2016; Kuch, D., Die Autorität des
Rechts – Zur Rechtsphilosophie von Joseph Raz, 2016; Heimann, S.,
Metastrukturen europäischer Rechtskultur, 2018
Recht am Bild ist im 20. Jh. ein
→Persönlichkeitsrecht eines Menschen an den von ihm angefertigten
Abbildungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Recht am eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb ist
im deutschen Recht der Gegenwart ein absolut geschütztes Recht des § 823 I BGB.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Recht und Dichtung
Lit.: Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Fehr,
H., Die Dichtung im Recht, 1936; Schmidt-Wiegand, R., Recht und Dichtung, HRG,
Bd. 4 1985, 232
Recht zur Sache s. (lat.) ius ad rem
Rechtliches Gehör ist die rechtmäßige Anhörung eines
Betroffenen. Die bereits dem griechischen (attischen) Verfahren im Altertum
bekannte Notwendigkeit des rechtlichen Gehöres für ein einwandfreies
Entscheidungsverfahren wird schon bei Seneca (4 v. Chr.-65 n. Chr., lat.
audiatur et altera pars, es werde auch die andere Seite gehört) betont. Als
eigenständiger Grundsatz tritt das rechtliche Gehör erst im Gefolge der
Aufklärung hervor.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Rüping, H., Der Grundsatz des rechtlichen
Gehörs, 1976, 12; Wacke, W., Audiatur et altera pars, Jur. Arbeitsblätter 12
(1980), 594; Bretschneider, T., Die Rechtsprechung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs,
2006
Rechtlosigkeit ist das Fehlen der
→Rechtsfähigkeit. Die R. ist in gewissem Umfang Begleiterscheinung der
ständischen Verschiedenheit vom Altertum bis ins 19. Jh. (Frankreich 1789
égalité).
Lit.: Kaser; Hübner § 14; Budde, J., Über
Rechtlosigkeit, Ehrlosigkeit und Echtlosigkeit, 1842; Schröder, H., Die
Rechtlosigkeit der Frau im Rechtsstaat, 1979
Rechtsaltertum ist die sinnlich erkennbare
Erscheinung vergangenen Rechtes (Gegenstände, Symbole, Quellen, Institute).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1992, 1994; Koch, E.,
Rheinhessische Rechtsaltertümer, 1939; Höfel, O., Rechtsaltertümer Rheinhessens,
1940; Amira, K. v., Germanisches Recht, 4. A., Bd. 2, ergänzt v. Eckhardt, K.,
1967; Oestmann, P., Germanisch-deutsche Rechtsaltertümer im Barockzeitalter,
2000
Rechtsanwalt ist der unabhängige fachmännische
Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Er ist rechtswissenschaftlich
geschult. Er erscheint seit dem 12. Jh., wobei zeitweise zwischen
→Advokat und →Prokurator unterschieden wird. Im Gegensatz zum
→Fürsprecher ist er Vertreter in der Sache. Nach Freigabe der Rechtsanwaltschaft
1879 entwickelt sich der Rechtsanwaltsberuf zumal in Berlin zu einer klassisch
jüdischen Profession (1933 19208 Rechtsanwälte im Deutschen Reich, etwa 5000
nichtarisch, in Wien am 13. 3. 1938 2541 Rechtsanwälte, am 31. 12. 1938 nur
noch 771, in Berlin 1935 von 3400 = 54 Prozent jüdische Rechtsanwälte). Im 20.
Jh. nimmt die Zahl der Rechtsanwälte entsprechend der Zunahme der Studierenden
der Rechtswissenschaft (Erstsemester 1960 3173, 1970 6703, 1980 14446, 1990
15953, 2000 18455) stark zu (Deutschland 1960 18720, 1970 23599, 1980 37314,
1990 59455, 2000 110367). In der Deutschen Demokratischen Republik hat der R.
bei insgesamt meist nur rund 600 Berufsvertretern keine besondere Bedeutung,
doch bemüht sich die größte Zahl der Rechtsanwälte um korrekte Tätigkeit vor
allem in Mietstreitigkeiten.
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft,
1905; Hachenburg, M., Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927; Kollmann,
Zur Entwicklung des Ausbildungs- und Prüfungswesens, FS Laforet, 1952, 445;
Dübi, A., Die Geschichte der bernischen Anwaltschaft, 1955; Huffmann, H.,
Geschichte der rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1969; Heinrich, R., 100 Jahre
Rechtsanwaltskammer München, 1979; Ostler, F., Die deutschen Rechtsanwälte
1871-1971, 2. A. 1982; Entstehung und Quellen der Rechtsanwaltsordnung von
1878, hg. v. Schubert, W., 1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Holly,
G., Geschichte der Ehrengerichtsbarkeit der deutschen Rechtsanwälte, 1989;
Siegrist, H., Advokat, Bürger und Staat, 1996; Die Geschichte des deutschen
Anwaltsvereins, hg. v. Deutschen Anwaltverein, 1997; Rechtsanwälte und ihre
Selbstverwaltung, hg. v. d. Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, 1998; Anwalt
ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933, hg. v.
Ladwig-Winters, S. u. a., 1998, 2. A. 2007; Neschwara, C., Die Entwicklung der
Advokatur in Cisleithanien, ZRG GA 115 (1998), 441; Roth, C., Der Weg zu einem
einheitlichen anwaltlichen Berufsrecht im wiedervereinigten Deutschland, Diss.
jur. Regensburg 1999; Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht
und beim Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwälte, 2000; Officium advocati, hg. v. Mayali, L. u. a.,
2000; Schümann, D., Ein Beitrag zur Geschichte der mecklenburgischen
Anwaltschaft, 2000; Königseder, A., Recht und nationalsozialistische Herrschaft
– Berliner Anwälte 1933-1945, 2001; Wrabetz, P., Österreichs Rechtsanwälte,
2004; Wettmann-Jungblut, P., Rechtsanwälte an der Saar 1800-1960, 2004; Brunn,
H./Kirn, T., Rechtsanwälte – Linksanwälte 1971-1981, 2004; Rüping, H., Rechtsanwälte
im Bezirk Celle, 2006; Anwalt ohne Recht, hg. v. Bundesrechtsanwaltskammer,
2007; 200 Jahre Wirtschaftsanwälte in Deutschland, hg. v. Pöllath, R., 2009;
Busse, F., Deutsche Anwälte, 2010; Krusche, S., Die Bundesrechtsanwaltsordnung
vom 1. August 1959, 2012; Mauss, S., Nicht zugelassen – Die jüdischen
Rechtsanwälte im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf 1933-1945, 2013 (199
Biographien); 175 Jahre Freshfields Bruckhaus Deringer in Deutschland, 2015;
Seliger, H., Politische Anwälte? Die Verteidiger der Nürnberger Prozesse, 2016;
Halfmann, M., Marketingpraxis für Anwälte, 2016
Rechtsanwendung (Zuordnung oder Zurechnung von
einzelnen Sachverhalten zu allgemeinen Tatbeständen, →Subsumtion) ist
die bewertende Anwendung der abstrakten Rechtssätze (Sollen) auf konkrete
Sachverhalte (Sein). Sie entsteht mit den Anfängen von Rechtsvorstellungen.
Sie erfolgt durch jedermann, insbesondere durch Urteiler und fachlich
Vorgebildete.
Lit.: Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre
der Rezeptionszeit, 1977; Eckert, J., Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung, Der
Staat 1998, 571; Albrecht, M., Die Methode der preußischen Richter, 2005
Rechtsästhetik
Lit.: Damler, D., Rechtsästhetik – Sinnliche Analogien im juristischen
Denken, 2016
Rechtsarchäologie ist die bewusste Beschäftigung mit
den Gegenständen des vergangenen Rechtes (Örtlichkeiten, Geräten,
Darstellungen, Handlungen str., Wort von
Amira 1890). Die R. wird bereits im 17. Jh. sichtbar. Am nachdrücklichsten ist
sie wissenschaftliches Untersuchungsobjekt bei Karl von →Amira.
Lit.: Köbler, DRG 5; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Fehr, H., Das
Recht im Bilde, 1923; Funk, W., Deutsche Rechtsdenkmäler, 1938; Frölich, K.,
Mittelalterliche Bauwerke als Rechtsdenkmäler, 1939; Funk, W., Alte deutsche
Rechtsmale, 1940; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943;
Möller, T., Sühne- und Erinnerungsmale in Schleswig-Holstein, Nordelbingen
17/18 (1942), 89; Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65
(1947), 297; Frölich, K., Stätten mittelalterlicher Rechtspflege im
niederdeutschen Bereich, 1946; Frölich, K., Denkmäler mittelalterlicher
Strafrechtspflege, 1946; Frölich, K., Rechtsdenkmäler des deutschen Dorfes,
1947; Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Hopf, H.,
Studien zu den Bildstöcken in Franken, 1970; Forschungen zur Rechtsarchäologie
und zur rechtlichen Volkskunde, Bd. 1ff. 1978ff.; Carlen, L., Rechtsarchäologie
in der Schweiz, FS H. Baltl, 1978; Maisel, W., Archeologia prawna polski, 1982;
Schild, W., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1989; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Maisel, W., Rechtsarchäologie Europas, 1992;
Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Rechtsarchäologie und
Rechtsikonographie, hg. v. Win, P. de, 1992; Carlen, L., Sinnenfälliges
Recht, 1995 (Aufsätze); Bilder, Texte, Rituale, hg. v. Schreiner, K. u. a.,
2000
Rechtsbehelf ist der vom objektiven Recht gewährte Behelf
zur Ermittlung subjektiver Rechte.
Lit.: Rechtsbehelfe, Beweis und Stellung des Richters im
Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985; Gaillet, A., Der Einzelne gegen den
Staat, ZRG GA 129 (2012),, 109
Rechtsberatung ist die Beratung von Laien durch Juristen in
Rechtsfragen. Sie ist ursprünglich grundsätzlich erlaubt. Seit 1877 können im
deutschen Reich Menschen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig
betreiben, als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung
ausgeschlossen werden (§ 143 II ZPO). Seit 1883 kann die gewerbsmäßige Besorgung
fremder Rechtsangelegenheiten untersagt werden. Seit 1898 kann die
Justizverwaltung geschäftsmäßige Vertreter (Rechtskonsulenten) als sog.
Prozessagenten zulassen. Auf seit April 1932 verstärktes Drängen der
Rechtsanwaltschaft wird 1935 im deutschen Reich ein Rechtsberatungsmissbrauchsgesetz
geschaffen, das gleichzeitig die Rechtsberatung durch jüdische
Rechtskonsulenten regelt. (1938 wird noch verbliebenen jüdeischen
Rechtsanwälten der Beruf verboten und werden 172 als Rechtskonsulenten für Juden
zugelassen.) Das Gesetz wird 2007 durch das im Wesentlichen ab 1. 7. 2008
geltende Rechtsdienstleistungsgesetz ersetzt, das den Grundsatz der
Rechtsberatung durch Volljuristen aufrechterhält, aber gewisse Einschränkungen
herbeiführt.
Lit.: Rücker, S., Rechtsberatung, 2007; Weber, T., Die Ordnung der
Rechtsberatung in Deutschland nach 1945, 2010
Rechtsbesitz ist der Besitz eines Rechtes. Seine
Möglichkeit hängt ab von dem Verständnis des →Besitzes und der Sache.
Dort wo Besitz nur die tatsächliche Herrschaft über körperliche Gegenstände
(Sachen [im körperlichen Sinn]) betrifft, ist R. systemwidrig. In Österreich
ist R. hinsichtlich dauernder Ausübung zugänglicher Rechte möglich, die mit
der Innehabung einer körperlichen Sache verbunden sind (z. B. Mietrecht).
Lit.:
Köbler, DRG 162; Wesener, G., Zur Dogmengeschichte des Rechtsbesitzes, FS W.
Wilburg, 1975, 453; Graff, J., Die Lehren vom Rechtsbesitz, Diss. jur. Köln
1983; Beermann, C.,
Besitzschutz bei beschränkten dinglichen Rechten, 2000
Rechtsbeugung ist die mindestens bedingt
vorsätzliche falsche Anwendung oder Nichtanwendung von Recht durch einen
Richter, anderen Amtsträger oder Schiedsrichter bei der Leitung oder
Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei. Im
römischen Recht ist dies ein Fall des (lat. N.)
falsum (Fälschung, Betrug), das eine Strafe nach sich zieht. Im Mittelalter
werden Rechtsweigerung und R. nicht klar getrennt, so dass als Folge vielfach
nur ein verfahrensrechtlicher Rechtsbehelf gewährt wird. Ein besonderer
Straftatbestand des Amtsverbrechens der R. wird erst von Martin 1825 gefordert.
Bis zur Mitte des 19. Jh.s setzt er sich trotz geringer tatsächlicher Bedeutung
durch. Seit 2003 haftet der Staat für die europarechtswidrige Rechtsanwendung
seiner Höchstgerichte, die beispielsweise ein Vorabentscheidungsverfahren
einleiten, nach einer eindeutigen Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs
ihr Vorabentscheidungsersuchen zurücknehmen und trotz einer eindeutigen
Stellungnahme der Europäischen Kommission überraschend rechtswidrig gegen die
Zwischenauskunft des Europäischen Gerichtshofs entscheiden (z. B. C-224/2001).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Martin, C., Lehrbuch des
deutschen gemeinen Kriminalrechts, Bd. 1f. 1821ff.; Cohn, G., Die Verbrechen im
öffentlichen Dienst, 1876; Stock, U., Entwicklung und Wesen des
Amtsverbrechens, 1932; Schmitt-Weigand, A., Rechtspflegedelikte in der
fränkischen Zeit, 1962; Schmidt-Speicher, U., Hauptprobleme der Rechtsbeugung,
1982; Spendel, G., Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Kraut, G.,
Rechtsbeugung, 1997; Möller-Heilmann, B., Die Strafverfolgung 1999; Hohoff, U.,
An den Grenzen des Rechtsbeugungstatbestands, 2000
Rechtsbuch ist das das Recht betreffende Buch
bzw. die (umfassende) Aufzeichnung des geltenden Rechtes (durch einen Menschen
außerhalb einer amtlichen Stellung) (rechtbuk [= mnd. rechtbōk] Berliner
Stadtbuch 1397). Das R. ist insbesondere im Hochmittelalter und Spätmittelalter
bedeutsam, in denen es die durch spärliche Gesetzgebungstätigkeit gelassene
Lücke füllt. Das R. ist nur Rechtserkenntnisquelle. Bekannte Beispiele sind
die (lat.) Constituta (N.Pl.) usus et legis (Festgesetztes des Gebrauchs und
Rechtes) bzw. Constitutum (N.) usus (Festgesetztes des Gebrauchs) von Pisa
(Mitte 12. Jh.), der Liber feudorum (Buch der Lehen), der →Sachsenspiegel,
→Deutschenspiegel, →Schwabenspiegel, das Kleine Kaiserrecht, das
Eisenacher R., das Freisinger R., das Görlitzer R., das Mühlhäuser
Reichsrechtsbuch oder das Zwickauer R., die →Coutumes, die →Fueros,
die →Siete Partidas, der (lat.) Liber legis Scaniae, →Gragas,
→Ostgötalagh, →Westgötalagh oder die Werke des Ranulf de
→Glanvill und des Henry de →Bracton. Teilweise werden auch das
(lat.) Corpus (N.) iuris civilis oder einzelne römischrechtliche Werke
(Florentiner R., Tübinger R.) als R. verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 102; Siegel, H.,
Die deutschen Rechtsbücher, 1899; Homeyer, G., Die deutschen Rechtsbücher, neu
bearb. v. Borchling, C./Eckhardt, K./Gierke, J. v., Abteilung 2 Verzeichnis der
Handschriften 1931, Abteilung 1 Verzeichnis der Rechtsbücher, bearb. v.
Eckhardt, K., 1934; Theuerkauf, G., Lex, speculum, compendium iuris, 1968;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1ff. 1990; Oppitz, U.,
Ergänzungen zu „Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters“, ZRG GA 113 (1996),
345, 114 (1997), 444, 117 (2000), 607, 640 (Päsler, Ralf G.), 120 (2003), 371
(Oppitz, U.), 131 (2014), 400 (Oppitz, U.), 132 (2015) 463 (Oppitz, U.), 133
(2016), 484 (Oppitz, U.); Schmidt-Wiegand, R., Rechtsbücher als Ausdruck
pragmatischer Schriftlichkeit, Frühmittelalterliche Studien 37 (2003), 435;
Strauch, D., Rechtsbücher und Gesetzbücher im Norden, ZRG GA 130 (2013), 37;
Lück, H., Rechtsbücher als „private“ Rechtsaufzeichnungen?, ZRG GA 131 (2014),
418
Rechtsbuch nach Distinktionen →Meißener Rechtsbuch
Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung →Weichbild
Rechtseinheit ist die Einheit des geltenden
Rechtes in einem bestimmten Gebiet. →Kodifikationsstreit
Lit.: Söllner § 1; Hübner 24; Kroeschell, DRG 3; Getz,
H., Die deutsche Rechtseinheit im 19. Jahrhundert, 1966; Wrobel, H., Die
Kontroverse Thibaut/Savigny im Jahre 1814 und ihre Deutung in der Gegenwart,
1975; Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995; Koch, E., 10 Jahre
deutsche Rechtseinheit, 2001; Schöler, C., Deutsche Rechtseinheit – partikulare
und nationale Gesetzgebung (1780-1866), 2004
Rechtsentscheid ist in Deutschland seit 1990 die
Entscheidung des Oberlandesgerichts oder Bundesgerichtshofs in Wohnraummietvertragsrechtsfragen
bei Abweichungswillen eines Landgerichts von der Rechtsprechung der
Obergerichte.
Lit.: Willingmann, A., Rechtsentscheid, 2000
Rechtsenzyklopädie ist die umfassende Darstellung des
Rechtes in alphabetisch oder systematisch geordneter Form. Sie erscheint seit
dem Spätmittelalter (→Durantis, W., Speculum iuris [Rechtsspiegel], E.
13. Jh., →Lagus, K., Iuris utriusque methodica traditio [Methodische
Behandlung beider Rechte], 1543, →Gothofredus, J., Manuale iuris
[Rechtshandbuch], 1654, Hunnius, H., Encyclopaedia universi iuris
[Enzyklopädie des gesamten Rechtes], 1642ff. u. a.). Eine wissenschaftliche
Grundlegung erfährt sie durch →Leibniz (Nova methodus discendae docendaeque
iurisprudentiae, Neue Methode des Lernens und Lehrens der Rechtswissenschaft,
1667). Auf ihr bauen die entsprechenden Werke →Nettelbladts (1749),
→Pütters (1757), Reitemeiers (1785) und →Hugos (1792) auf. Seit dem
19. Jh. tritt die R. zu Lasten des Rechtsüberblicks der Studierenden wieder
zurück.
Lit.: Ortloff, H., Die Encyclopädie der
Rechtswissenschaft, 1857; Buschmann, A., Enzyklopädie und Jurisprudenz, Archiv
f. KG. 51 (1969), 296; Volk, K., Die juristische Enzyklopädie des Nikolaus
Falck, 1970; Enzyklopädien der frühen Neuzeit, hg. v. Eybl, F. u. a., 1995;
Mohnhaupt, H., Methode und Ordnung der Rechtsdisziplinen und ihrer
Hilfswissenschaften in den Rechtsenzyklopädien, ZNR 1999, 85; Kiesow, R., Das
Alphabet des Rechts, 2004
Rechtserkenntnisquelle ist die Rechtserkenntnis
ermöglichende Quelle (z. B. →Rechtsbuch). Sie bringt nicht notwendigerweise
neues Recht zur Entstehung.
Lit.: Köbler, DRG 4, 80, 82
Rechtsethnologie ist die vergleichende rechtliche
Volkskunde, die aus dem Vergleich einzelner tatsächlicher Rechtskulturen
allgemeine rechtliche Entwicklungsregeln erschließen und nach Möglichkeit
dadurch rechtsgeschichtliche Überlieferungslücken schließen will.
Lit.: Bibliographische Einführung in die Rechtsgeschichte
und Rechtsethnologie, hg. v. Gilissen, J. u. a. (Bd. Deutschland 1970,
Österreich 1979, Schweiz/Suisse 1963); Roberts, S., Ordnung und Konflikt, 1981;
Schulze, R., Das Recht fremder Kulturen, Hist. Jb. 110 (1990), 446
Rechtsetzung ist die bewusste Setzung von Recht
durch ein willensgetragenes Verhalten. Der wichtigste Fall der R. ist die
Gesetzgebung.
Lit.: Scholz, J., Der brandenburgische Landrechtsentwurf
von 1594, 1973; Lillig, K., Rechtssetzung im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken,
1985
Rechtsfähigkeit (Wort 1803, rechtsfähig 1803) ist die Fähigkeit einer Person,
Träger von Rechten (z. B. Eigentum) und Pflichten (z. B. Steuerschuld) zu sein.
Eine allgemeine gleiche R. ist bis in das 19. Jh. nicht anerkannt. Vielmehr
sprechen alle ständischen Gesellschaften Rechte in unterschiedlicher Weise zu
oder ab. Im Laufe des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung der allgemeinen
gleichen R. aller Menschen von der Geburt bis zum Tod (hilfsweise bis zur
Todeserklärung) aber durch. Daneben wird auch die R. der juristischen Person
allgemein anerkannt.
Lit.: Kaser § 13 I, II; Hübner 50ff.; Kroeschell, DRG
3; Köbler, DRG 160, 167, 206, 207, 238; Ostheim, R., Zur Rechtsfähigkeit von
Verbänden, 1967; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Jobbágyi,
G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des Embryos im ungarischen Recht,
ZRG GA 110 (1993), 513; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände
im Wechsel der Rechtsordnung, ZRG GA 116 (1999), 314; Mahr, J., Der Beginn der
Rechtsfähigkeit, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtsfindung ist die Ermittlung des Rechtes im subjektiven
Sinn im Einzelfall.
Lit.: Kroeschell, K., Rechtsfindung, FS Hermann Heimpel Bd. 3, 1972,
498; Schmelzeisen, G., Rechtsfindung im Mittelalter, ZRG GA 91 (1974), 73
Rechtsfolge ist die vom Recht an ein Verhalten
(→Tatbestand bzw. Sachverhalt) geknüpfte Folge. Sie ergibt sich aus dem
Aufbau des Rechtssatzes als einer rechtsfolgebewehrten Sollensregel. Im Rechtssatz
wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen (allgemeiner Tatbestand, dem
entsprechender einzelner Sachverhalt) eine bestimmte R. eintreten soll, so dass
der Rechtssatz in der Rechtsmethodologie den logischen Obersatz zwischen Mittelbegriff
und Oberbegriff bildet.
Lit.: Kaser § 1ff.; Hübner; Mitteis, H., Rechtsfolgen
des Leistungsverzuges, 1913
Rechtsgang ist die ältere wissenschaftliche
Bezeichnung für das an einen Unrechtserfolg anschließende →Verfahren im
germanischen und frühmittelalterlichen Recht.
Lit.: Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im
germanischen Rechtsgang, 1915; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985;
Ziekow, J., Recht und Rechtsgang, 1986
Rechtsgeltungsquelle ist die Quelle dafür, dass etwas
als Recht gilt. Rechtsgeltungsquellen sind bereits im altrömischen Recht
→Gesetz und →Gewohnheit(srecht). Im klassischen römischen Recht
stehen Volksgesetze, Plebiszite und Senatuskonsulte sowie die praktische
Rechtspflege durch die Prätoren nebeneinander, zu denen die →Auslegung
durch die Rechtskundigen hinzukommt. Seit der Zeitenwende bildet sich daneben
eine unmittelbare Rechtssetzung des Prinzeps in Entscheidungen (lat. N.Pl.
decreta), Antworten (rescripta) und Dienstanweisungen (mandata) heraus, die
bald als gesetzesgleich (lat. F.Pl.
constitutiones) gelten. Im spätantiken Recht richtet der Herrscher
Konstitutionen als Erlasse an das Volk oder den Senat oder als Anordnung an
einzelne Amtsträger. Bei den Germanen wie im Frühmittelalter steht das
Gewohnheitsrecht im Vordergrund, ohne dass Rechtssetzung ausgeschlossen ist.
Seit dem Hochmittelalter wird das Gesetz immer bedeutsamer.
Lit.: Köbler, DRG 4 u. a.
Rechtsgeographie
Lit.: Merk, W., Wege und Ziele der geschichtlichen Rechtsgeographie, FS
Traeger, 1926
Rechtsgeschäft (Wort 1784) ist ein auf dem Parteiwillen
aufbauender Gesamttatbestand, der einen mit einer Willenserklärung
angestrebten Rechtserfolg herbeiführt. Das R. entsteht mit der Ausbildung von
Verkehrsgeschäften (Tausch, Gabe). Als rechtswissenschaftliche Grundfigur
des Privatrechts wird es erst am Beginn des 19. Jh.s erfasst. Es gibt
einseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Auslobung, Kündigung, Erbeinsetzung) und
zweiseitige Rechtsgeschäfte (z. B. Vertrag). Bereits im Hochmittelalter
werden Rechtsgeschäfte in Stadtbüchern (Rechtsgeschäftsbüchern wie etwa
Kaufbüchern, Gültbüchern oder Testamentbüchern) eingetragen.
Lit.: Kaser § 5 I; Hübner 10, 521; Köbler, DRG 164,
208, 238, 266; Krampe, C., Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980; Müller,
M., Die Bestätigung nichtiger Rechtsgeschäfte, 1989; Scheerer, B., Die
Abgrenzung des Rechtsgeschäfts, 1990; Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns an der
Rechtsgeschäftslehre des ersten Entwurfs, ZRG GA 114 (1997), 73; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtsgeschichte ist die (Lehre von) vergangene(n)
rechtliche(n) Sollensordnung(en). Ein rechtsgeschichtlicher Abriss findet
sich bereits bei →Pomponius (Mitte 2. Jh. n. Chr.). Auch einige Prologe
der Volksrechte liefern kurze Nachrichten über Rechtsentwicklungen. Sonstige
rechtsgeschichtliche Überblicke des Mittelalters sind nicht erhalten. Die
erste R. bietet →Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius) 1515 (lat. Historia F.
iuris, Rechtsgeschichte). Für das deutsche Recht bildet Hermann
→Conrings (lat.) De origine iuris Germanici (1643, Vom Ursprung des
deutschen Rechtes) den Beginn der eigenen nationalen (deutschen) Rechtsgeschichte
neben der römischen Rechtsgeschichte und der kirchlichen Rechtsgeschichte.
Mit Johann Friedrich Reitemeier (Enzyklopädie und Geschichte der Rechte in
Deutschland 1785) ist Gustav Hugo der erste, der die Rechtsgeschichte (1790)
in Epochen und jede Epoche in einer Systematik aufteilt. In der Folge sind
besonders →Eichhorn (Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1808ff.) und →Brunner (Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 2. A. 1906,
1928, Neudruck 1958/61) für die deutsche, von der römischen Rechtsgeschichte
und der kirchlichen Rechtsgeschichte grundsätzlich getrennte Rechtsgeschichte
hervorzuheben. Bis zum Erlass des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Deutschen
Reiches von 1900 ist die R. Teil des geltenden Privatrechts. 1935 werden in der
Absicht einer im Ergebnis verfehlten Studienreform die Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit und die →Verfassungsgeschichte der Neuzeit aus der
allgemeinen Rechtsgeschichte ausgesondert, finden danach aber überwiegend
wieder zurück. Seit etwa 1975 wird eine besondere juristische
→Zeitgeschichte aus naheliegenden Gründen gefordert. Nicht zuletzt als
Folge dieser vielfältigen Differenzierung verfällt die Rechtsgeschichte als
juristischen Lehrfach. Die erste sämtliche Teile der R. knapp als Einheit
zusammenfassende Darstellung stammt von Gerhard Köbler (1977, 5. A. 1995, 6.
A. 2005). Die erste europäische Rechtsgeschichte ist von Hans Hattenhauer
verfasst (1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004). Obwohl die R. das
Verständnis des Rechtes der Gegenwart erleichtert, bildet der hierfür
erforderliche geistige Aufwand für den Durchschnittsjuristen eine beachtliche
Zugangsschwelle.
Lit.: Söllner § 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 1,
3, 7, 30, 142; Roth, P., Die rechtsgeschichtlichen Forschungen seit Eichhorn,
ZRG 1 (1861); Ehrenberg, V., Die deutsche Rechtsgeschichte und die juristische
Bildung, 1894, Neudruck 2013; Taranowsky, Leibniz und die sogenannte äußere
Rechtsgeschichte, ZRG GA 27 (1906), 190; Moeller, E., Die Trennung der
deutschen und der römischen Rechtsgeschichte, 1905; Frensdorff, F., Das Wiedererstehen
des deutschen Rechtes, ZRG GA 29 (1908), 1; Vinogradoff, P., Outlines of
Historical Jurisprudence, Bd. 1f. 1920ff.; Schwerin, C. Frhr. v., Einführung in
das Studium der germanischen Rechtsgeschichte, 1922; Hübner, R., Wert und
Bedeutung der Vorlesung über deutsche Rechtsgeschichte, 1922; Stutz, U., Alfons
Dopsch und die deutsche Rechtsgeschicht, ZRG GA 46 (1926), 331; Smith, M., A
general view of European legal history, 1927; Smith, M., The Development of
European Law, 1928; Decugis, H., Les étapes du droit, 1942; Mitteis, H.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 1949(, Mitteis, H./Lieberich, H., Deutsche
Rechtsgeschichte, 19. A. 1992); Dulckeit, G., Philosophie der Rechtsgeschichte,
(1950); Planitz, H., Deutsche Rechtsgeschichte, 1950, 2. A. 1960, 3. A. 1971;
Planitz, H./Buyken, T., Bibliographie zur deutschen Rechtsgeschichte, 1952; Zur
deutschen Rechtsgeschichte des 18., 19. und 20. Jahrhunderts, Zeitschrift der
Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche
Reihe 18 (1968), 375; Marxistische Beiträge zur Rechtsgeschichte, hg. v.
Abteilung Staats- und Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin,
1968; Repertorium bibliographicum, hg. v. Feenstra, R., 1969, Supplementum
1975, 2. A. 1980; Hattenhauer, H., Die geistesgeschichtlichen Grundlagen des
deutschen Rechtes, 1971, 4. A. 1996; Kroeschell, K., Deutsche Rechtsgeschichte,
Bd. 1 12. unv. A. 2005, Bd. 2 9. A. 2006, Bd. 3 4. unv. A. 2005; Sjöholm, E.,
Rechtsgeschichte als Wissenschaft und Politik, 1972; Paradisi, B., Apologia
della storia giuridica, 1973; Coing, H., Aufgaben des Rechtshistorikers, 1976;
Ebel, F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 3. A. 2003; Rechtsgeschichte
und quantitative Geschichte, hg. v. Ranieri, F., 1977; Köbler, G.,
Rechtsgeschichte 1977, Deutsche Rechtsgeschichte 6. A. 2005; Gmür, R.,
Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, 1978, 13. A. bearb. v. Roth, A.,
2011, 14. A. 2014; Schröder, R., Rechtsgeschichte, 1978, 9. A. 2013; Gilissen,
J., Introduction historique au droit, 1979; Cavanna, A., Storia del diritto
moderno in Europa, 1979; Horváth, P., Vergleichende Rechtsgeschichte, 1979;
Senn, M., Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel, 1982; Dilcher,
G./Kern, B., Die juristische Germanistik des 19. Jahrhunderts und die
Fachtradition der deutschen Rechtsgeschichte, ZRG GA 101 (1984), 1; Eisenhardt,
U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 1984, 2. A. 1995, 3. A. 1999, 4. A. 2004,
5. A. 2008, 6. A. 2013; Robinson, O./Fergus, T./Gordon, W., An Introduction to
European Legal History, 1985; Köbler, G., Wege deutscher Rechtsgeschichte, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 182;
Rechtsgeschichte im Nationalsozialismus, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1989; Ebel,
F./Thielmann, G., Rechtsgeschichte, Bd. 1f. 1989ff., 4. A. 2012 (Hähnchen, S.),
5. A. 2016 (Hähnchen, S.); Köbler, G., Zur Geschichte der römischen
Rechtsgeschichte, (in) Geschichtliche Rechtswissenschaft: Ars tradendo
innovandoque aequitatem sectandi, hg. v. Köbler, G. u. a., 1990, 207ff.;
Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991;
Rechtsgeschichte in den beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991;
Caenegem, R. van, Legal History, 1991; Hattenhauer, Hans, Europäische
Rechtsgeschichte 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Robinson, O./Fergus,
T./Gordon, W. European Legal History, 2. A. 1994, 3. A. 2000; Hoke, R.,
Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, 2. A. 1996; Kroeschell, K., Der
Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, ZRG GA 111 (1994), 310; Die deutsche
Rechtsgeschichte in der NS-Zeit, hg. v. Rückert, J. u. a., 1995; Nunnweiler, A.,
Das Bild der deutschen Rechtsvergangenheit, 1996; Rückert, J., Die Rechtswerte
der germanistischen Rechtsgeschichte im Wandel der Forschung, ZRG GA 111
(1994), 275; Senn, M., Rechtsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2003, 4. A.
2007; Norm und Tradition, hg. v. Caroni, P. u. a., 1998; Bader, K./Dilcher, G.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 1999; Eisenhardt, U., Deutsche Rechtsgeschichte, 4.
A. 2004, 6. A. 2013; Lupoi, M., The Origins of the European Legal Order, 2000;
Wesel, U., Geschichte des Rechts, 3. A. 2006; Kunkel, W./Schermaier, M.,
Römische Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 15. A. 2012; Het nut van
rechtsgeschiedenis, hg. v. Heirbaut, D./Lambrecht, D., 2000;
Rechtsgeschichtswissenschaft in Deutschland 1945-1952, hg. v. Schröder, H. u.
a., 2001; Meder, S. Rechtsgeschichte, 2002, 2. A. 2005, 3. A. 2008, 5. A. 2014;
Hense, T., Konrad Beyerle, 2002; Der praktische Nutzen der Rechtsgeschichte,
hg. v. Eckert, J., 2003; Fasel, U., Repetitorium zur Rechtsgeschichte, 2004;
Dürselen, F., Franz Beyerle (1885-1977), 2005; Caroni, P., Die Einsamkeit des
Rechtshistorikers, 2005; Senn, M./Thier, A., Rechtsgeschichte III.
Textinterpretationen, 2005; Die zeitliche Dimension des Rechts, hg. v. Pahlow,
L., 2005; Köbler, G., Deutsche Rechtshistoriker, 2006; Senn, M. u. a., Rechtsgeschichte,
2006, 3. A. 2012; Schmoeckel, M./Stolte, S., Examinatorium Rechtsgeschichte,
2008; Lesaffer, R., European Legal History, 2009; The Oxford Encyclopedia of Legal
History, 2009; Wesel, U., Geschichte des Rechts in Europa, 2010; Making Legal
History, hg. v. Musson, A. u. a., 2012; Schlosser, H., Neuere europäische
Rechtsgeschichte - Privatrecht und Strafrecht vom Mittelalter bis zur Moderne,
2012; Rechtsgeschichte heute, hg. v. Jansen, N./Oestmann, P., 2014;
Entanglements in Legal History, hg. v. Duve, T., 2014; Stolleis, M., Margarethe
und der Mönch. Rechtsgeschichte in Geschichten, 2015; Rechtsgeschiedenis op
nieuwe wegen, hg. v. De Ruysscher, D. u. a., 2015; Haferkamp, H./Oestmann, P.,
Lehrbuchprojekt, ZRG 133 (2016), 516 (Rezension zehner rechtsgeschichtlicher
Lehrbücher Brauneder, Eisenhardt, Kroeschell, Meder, Rüping, Schlosser,
Schmoeckel, Stolleis, Wesel, Willoweit)); Hähnchen, S., Rechtsgeschichte, 5. A:
2016; Deutsche Diktatorische Rechtsgeschichten – Perspektiven auf die
Rechtsgeschichte der DDR Gedächtnissymposium für Rainer Schröder (1947-2016),
2018
Rechtsgewohnheit ist nach einer am Ende des 20. Jh.s
ausgebildeten Ansicht die rechtlich bedeutsame, aber noch nicht zum Recht
gewordene Gewohnheit als Vorstufe des →Gewohnheitsrechts im Mittelalter.
Lit.: Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im
Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 1992
Rechtsgut ist das durch Straftatbestände geschützte
rechtliche Gut des Menschen. Der Begriff wird nach Feuerbachs Ausrichtung des Verbrechens
auf die Verletzung subjektiver Rechte zwischen 1820 und 1840 von Birnbaum im
Kern entwickelt (Gut als Verbrechensobjekt). Karl Binding weist dem R. eine
zentrale Stellung im Strafrecht zu und Franz von Liszt macht es zum Mittelpunkt
seiner evolutionistisch geformten Rechtslehre.
Lit.: Sina, P., Die Dogmengeschichte des strafrechtlichen Begriffs
„Rechtsgut“, 1962; Würtenberger, T., Das System der Rechtsgüterordnung in der
deutschen Strafgesetzgebung seit 1532, 1973
Rechtshängigkeit ist das Schweben einer Streitsache
in einem Urteilsverfahren. Die R. ist bereits dem altrömischen Recht bekannt,
in dem mit der Streiteinsetzung (lat. →litis contestatio F.)
der Parteien durch den Magistrat diese sich dem Spruch des Richters unterwerfen
und ein zweiter Streit über das geltend gemachte Recht ausgeschlossen ist.
Lit.: Kaser § 82; Köbler, DRG 44
Rechtshilfe ist die Hilfe, die von Gerichten
und von Verwaltungsbehörden gegenüber Gerichten im Hinblick auf eine Tätigkeit
der Rechtspflege geleistet werden kann. Sie ist bereits dem Altertum bekannt.
Im Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt sie einigermaßen unförmlich auf
Grund von Vereinbarungen oder Gewohnheiten. In der frühen Neuzeit wird sie
innerhalb desselben Staates selbstverständlich. Gesetzlich geregelt wird
sie 1869 für den Norddeutschen Bund und 1874 für das Deutsche Reich. Darüber
hinaus wird 1958 das Haager Abkommen über den Zivilprozess geschlossen. In den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union wird der Zivilprozess überhaupt an einzelnen
Stellen vereinheitlicht.
Lit.: Endemann, W., Die Rechtshilfe, 1869; Stüdemann,
A., Die Entwicklung der zwischenstaatlichen Rechtshilfe in Strafsachen im
nationalsozialistischen Deutschland, 2009
Rechtshistoriker ist der die Rechtsgeschichte untersuchende
Wissenschaftler. Er ist von der Fachzugehörigkeit an sich Historiker, aus
praktischen Gründen grundsätzlich aber ausgebildeter Jurist. Die
deutschsprachigen R. treffen sich seit 1927 zweijährlich auf einem an
wechselnden Orten abgehaltenen Rechtshistorikertag zu wissenschaftlichen
Aussprachen (Heidelberg 1927, Göttingen 1929, Jena 1932, Köln 1934, Tübingen
1936, Marburg 1947, Heidelberg 1949, Gmunden/Traunsee 1951, Würzburg 1952,
Hamburg 1954, Freiburg im Breisgau 1956, München 1958, Saarbrücken 1960, Mainz
1962, Wien 1964, Basel 1966, Münster 1968, Salzburg 1970, Erlangen-Nürnberg
1972, Tübingen 1974, Linz 1976, Berlin 1978, Augsburg 1980, Zürich 1982, Graz
1984, Frankfurt am Main 1986, Bielefeld 1988, Nimwegen 1990, Köln 1992, Bern 1994,
Wien 1996, Regensburg 1998, Jena 2000, Würzburg 2002, Bonn 2004, Halle 2006,
Passau 2008, Münster 2010, Luzern 2012).
Rechtsinformatik ist die das Recht betreffende
Informationswissenschaft. Sie entsteht mit dem tatsächlichen Einsatz des
Rechners im Recht ab etwa 1960. Sie weist Beziehungen zur Rechtstheorie, zur
Kybernetik und zur Lingusitik auf.
Lit.: Gräwe, S., Die Entstehung der Rechtsinformatik, 2011
Rechtsirrtum ist der Irrtum über die bestehende
Rechtslage (z. B. über ein rechtliches Verbot). Bereits das römische Recht
berücksichtigt den R. weniger stark als den Irrtum über eine Tatsache. Dies
wird im Hochmittelalter von den Juristen fortgeführt, während die
Moraltheologen auf die tatsächliche Kenntnis einer Vorschrift abstellen. Auch
die neuzeitlichen Kodifikationen halten insgesamt an der Schlechterstellung des
Rechtsirrtums fest. Im deutschen Strafrecht der Gegenwart wird die
Einsichtsfähigkeit des Täters berücksichtigt.
Lit.: Kaser §§ 8 II 4, 26 II 3; Engelmann, W., Die
Schuldlehre der Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965, 41; Lichti, J., Der
Rechtsirrtum, 1950; Mayer-Maly, T., Error iuris, (in) Ius humanitatis, hg. v.
Miehsler, H. u. a., 1980, 147; Winkel, L., Error iuris nocet, 1983
Rechtskraft ist formell die Unanfechtbarkeit
einer Entscheidung, materiell die Maßgeblichkeit des Inhalts einer
Entscheidung. Bereits das spätere römische Recht kennt mit der Mehrstufigkeit
des Verfahrens die formelle R. Wieweit das Mittelalter sich der Vorstellung der
R. bewusst ist, ist zweifelhaft. Erst mit der Aufnahme des römischen Rechtes
seit dem Spätmittelalter wird die R. deutlich sichtbar. Die materielle R.
setzt sich nur allmählich in der Neuzeit durch. Zwischen 1933 und 1945 wird die R. im Deutschen Reich teilweise zu
Lasten Angeklagter eingeschränkt.
Lit.: Kaser §§ 84 II 3a, 87 II 7b; Köbler, DRG 56;
Gál, A., Rechtskraft des fränkischen Urteils?, ZRG GA 33 (1912), 315;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 367; Gaul, H., Die
Entwicklung der Rechtskraftlehre seit Savigny, FS W. Flume, Bd. 1 1978, 443;
Dickhuth-Harrach, H. v., Gerechtigkeit statt Formalismus, 1986; Hanne, N.,
Rechtskraftdurchbrechungen von Strafentscheidungen im Wechsel der politischen
Systeme, 2005
Rechtsmangel (Wort 1525) ist die Nichterfüllung der
Verpflichtung, einen Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen.
Bereits im klassischen römischen Recht muss der Verkäufer (bei →Entwerung
des Käufers) dafür einstehen, dass die Sache nicht von Dritten auf Grund eines
Rechtes herausverlangt werden kann und deswegen gegebenenfalls den doppelten
Kaufpreis (lat. N.
duplum) leisten. Im Hochmittelalter muss der Verkäufer den Käufer gegen
Ansprüche Dritter auf die verkaufte Sache schirmen und damit gegen Rechtsmangel
Gewähr leisten, andernfalls den Kaufpreis erstatten und teilweise noch eine
Buße erbringen. Seit dem Ende des 18. Jh.s wird der Verkäufer verpflichtet, das
Eigentum zu verschaffen.
Lit.: Kaser § 41 V; Hübner 577; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 46, 64, 127, 165; Partsch, G., Zur Entwicklung der
Rechtsmängelhaftung des Veräußerers, ZRG GA 77 (1960), 87; Rabel, E., Die
Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel, Diss. jur. Hamburg 1969; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtsmedizin
Lit.: Die unglaublichsten Fälle der Rechtsmedizin, hg. v. Rothschild,
M, 2005; Auf Messers Schneide, hg. v. Rothschild, M., 2006
Rechtsmissbrauch ist die unberechtigte Ausübung
eines an sich bestehenden Rechtes, der mit unterschiedlichen Mitteln vorsichtig
begegnet wird (u. a. Treu und Glauben). Die heutige Rechtsmissbrauchslehre
wird als Ergebnis nationalsozialistischen Rechtsdenkens eingeordnet.
Lit.: Kaser § 4 IV; Köbler, DRG 24; Kroeschell, 20.
Jh.; Haferkamp, H., Die heutige Rechtsmissbrauchslehre, 1995
Rechtsmittel ist das rechtliche Mittel, mit dem
eine Partei eine ihr ungünstige Entscheidung vor Rechtskraft im Wege der
Nachprüfung durch ein höheres Gericht zu beseitigen sucht (z. B.
→Berufung, →Revision, Beschwerde, →Appellation). Als erstes
allgemeines R. entsteht unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) die Appellation.
Seit dem Spätmittelalter werden R. mit dem gelehrten Prozess aufgenommen. Das
gewöhnliche R. ist dabei die Appellation, neben der Oberappellation, Revision,
→Supplikation und Restitution stehen können. Die →Nichtigkeit
(Nullität) wird mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, doch werden
Appellation und Nichtigkeitsklage in der Verfahrenswirklichkeit einander
vielfach angenähert. In der deutschen Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird
das R., das den Rechtsstreit in vollem Umfang zur Neuverhandlung bringt
(→Berufung), von dem R., das nur auf die Verletzung des Rechtes gestützt
werden kann (→Revision), unterschieden. Gegen Beschlüsse wird die
Beschwerde gewährt. Die außerordentlichen R. des gemeinen Rechtes sind als
Wiederaufnahmeklage gestaltet.
Lit.: Kaser § 87 I 9; Buchda, G., Die Rechtsmittel im
sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274; Gilles, P., Rechtsmittel im
Zivilprozess, 1972; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1998
Rechtsnorm ist der aus →Tatbestand und
Rechtsfolge zusammengesetzte einzelne Satz des Rechtes. Die Bezeichnung
erscheint im späteren 19. Jh.
Lit.: Schumacher, D., Das rheinische Recht, 1970; Oldenburg,
S., Die Öffentlichkeit von Rechtsnormen, 2009
Rechtsordnung ist die in eine Ordnung gebrachte
Gesamtheit der Rechtsnormen (Rechtssätze) einer Rechtsgemeinschaft. Diese
Vorstellung erscheint erst seit der frühen Neuzeit, wird aber von dort aus auf
ältere Rechtsgemeinschaften zurückübertragen.
Lit.: Hippel, F. v., Die Perversion von
Rechtsordnungen, 1955; Conrad, H., Individuum und Gesellschaft in der
Privatrechtsordnung, 1956; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959; Krause, H.,
Königtum und Rechtsordnung, ZRG GA 82 (1965), 1; Emmerich, W.,
Gemeinschaftsrecht und nationale Rechte, 1971; Wieacker, F.,
Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974; Die schweizerische
Rechtsordnung, 1988; Börner, F., Die Bedeutung der Generalklauseln, 1989;
Baldus, M., Die Einheit der Rechtsordnung, 1995
Rechtspflege →Gericht, →Prozess
Lit.: Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in
Österreich, 1897ff.; Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953;
Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Schmidt, E., Einführung in
die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Luig, K.,
Zivilrecht und Zivilrechtspflege, (in) Panorama der fridericianischen Zeit, Bd.
1, hg. v. Ziechmann, J., 1985, 381; Langen, T., Zur Geschichte der
Zivilrechtspflege in Köln, Diss. jur. Köln 1987; Sellert, W./Rüping, H.,
Studien- und Quellenbuch zur Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, Bd. 1f.
1989ff.; Cesare Beccaria, hg. v. Deimling, G., 1989
Rechtspfleger ist der Beamte des gehobenen
Dienstes in Deutschland, dem zur Entlastung des Richters bzw. zur Verbilligung
der Rechtspflege im frühen 20. Jh. bestimmte einfachere Aufgaben der Rechtspflege
übertragen werden (1957 Rechtspflegergesetz).
Lit.: Dumke, D., Vom Gerichtsschreiber zum
Rechtspfleger, 1993; Meyer-Stolte, K. u. a., Rechtspflegergesetz, 4. A. 1994;
Walden, K., Für Führer, Volk und Vaterland, 1995
Rechtsphilosophie ist die Lehre von den Grundfragen
und Grundwerten des Rechtes. Rechtsphilosophische Fragestellungen finden sich
spätestens seit der griechischen Philosophie. Die R. entwickelt sich im 19.
Jh. aus dem →Naturrecht. Strömungen im 19. Jh. sind vor allem
→Idealismus, →Materialismus und →Positivismus, im 20. Jh.
→Neuhegelianismus und →Neukantianismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Rechtsidee und Staatsgedanke,
FG Julius Binder, hg. v. Larenz, K. u. a., 1930; Larenz, K., Deutsche
Rechtserneuerung und Rechtsphilosophie, 1934; Cairns, H., Legal Philosophy from
Plato to Hegel, 1949; Klein-Bruckschwaiger, F., Die Geschichte der
Rechtsphilosophie in der Naturrechtslehre von Karl Anton von Martini, ZRG GA 71
(1954), 374; Friedrich, C., Die Philosophie des Rechts, 1955; Friedrich, C., The
philosophy of law, 1958; Henkel, H., Einführung in die Rechtsphilosophie,
1964; Sforza, W., Rechtsphilosophie, 1966; Schefold, C., Die Rechtsphilosophie
des jungen Marx, 1970; Rode, K., Geschichte der europäischen Rechtsphilosophie,
1974; Recht, Rechtsphilosophie und Nationalsozialismus, hg. v. Rottleuthner,
H., 1983; Hellmuth, E., Naturrechtsphilosophie und bürokratischer
Werthorizont, 1985; Thomann, M., Rechtsphilosophie und Naturrecht bei Gottlieb
Konrad Pfeffel, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 536; Kants Rechtsphilosophie, hg. v. Kusters, G., 1988; Coing, H.,
Grundzüge der Rechtsphilosophie, 5. A. 1993; Strömholm, S., Kurze Geschichte
der abendländischen Rechtsphilosophie, 1991; Decker, C., Katalog der rechtsphilosophischen
und strafrechtlichen Literatur vor 1990,1995; Zippelius, R., Das Wesen des
Rechts, 5. A. 1997; Kaufmann, A., Rechtsphilosophie, 2. A. 1997; Goller, P.,
Naturrecht, Rechtsphilosophie oder Rechtstheorie? 1997; Roca, M., Eine
europäische Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie, JZ 1997, 881;
Changing structures in modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998; Texte
zur Rechtsphilosophie, hg. v. Seelmann, K., Bd. 1 2000; Seelmann, K.,
Rechtsphilosophie, 4. A. 2007; Grunert, F., Normbegründung und politische
Legitimität, 2000; Hofmann, H., Einführung in die Rechts- und
Staatsphilosophie, 2000, 2. A. 2003; Schröder, I., Zur Legitimationsfunktion
der Rechtsphilosophie im Nationalsozialismus, 2002; Integratives Verstehen, hg.
v. Alexy, R., 2005; Ziemann, S., Archiv für Rechts- und Sozialphilososphie,
2010; Hofmann, H., Rechtsphilosophie nach 1945, 2012; Klippel, D., Naturrecht
und Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert - Eine Bibliographie - Band 1 1780 bis
1850, 2012; Foljanty, L., Recht oder Gesetz, 2012; Rechtsphilosophisches Denken
im Osten Europas, hg. v. Nußberger, A. u. a., 2015; Völkerrechtsphilosophie der
Frühaufklärung, hg. v. Altwicker, T. u. a., 2015; Donhauser, G., Wer hat
Recht?, 2016; Senn, M., Rechtsphilosophisches und rechtshistorisches
Selbstverständnis Im Wandel, 2016
Rechtspolitik ist die das Recht betreffende Politik.
Lit.: Die Renaissance der Rechtspolitik, hg. v. Brigitte Zypries, 2008;
Recht im Wandel europäischer und deutscher Rechtspolitik – FS 200 Jahre Carl
Heymanns Verlag, hg. v. Limperg, B., 2015; Rechtspolitische Entwicklungen im
nationalen und internationalen Kontext – FS Friedrich Bohl, hg. v. Gornig, G.,
2015
Rechtspositivismus ist die das Recht betreffende
positivistische Haltung (z. B. John Austin, Georg Jellinek, Hans Kelsen,
Herbert L. A. Hart). Sie bezieht sich auf ein hierarchisches System von rein
juristischen, positiven und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit
auch von der Geschichte gelösten Begriffen, aus denen Lösungen gewonnen werden.
Die Geltung des Rechtes ist danach unabhängig von subjektiven Wertvorstellungen
wie richtig oder falsch. Der Gesetzespositivismus gründet das Recht auf das
den Volkswillen verkörpernde →Gesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 228; Kelsen, H.,
Reine Rechtslehre, 2. A. 1960; Rottleuthner, H., Rechtspositivismus und
Nationalsozialismus, (in) Recht und Politik 1983, 195; Rechtspositivismus und
Wertbezug des Rechts, hg. v. Dreier, R., 1990; Seibold, G., Hans Kelsen und
der Rechtspositivismus, 2007; Gursky, A., Rechtspositivismus und konspirative
Justiz als politische Strafjustiz in der DDR 2011
Rechtsprechung ist die Entscheidung konkreter
Rechtsfragen durch die dafür zuständige Stelle. Sie reicht sachlich in die
Frühzeit der Rechtsgeschichte zurück. →Gericht
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Stölzel, A., Die Entwicklung
der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Haff, K., Der germanische
Rechtsprecher, ZRG GA 66 (1948), 364; Hertz, F., Die Rechtsprechung der
höchsten Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Dreisbach, H., Der Einfluss der
Carolina auf die Rechtsprechung, Diss. jur. Marburg, 1969; Volkmann, H., Zur
Rechtsprechung im Prinzipat des Augustus, 2. A. 1969; Walter, G., Die
französische Rechtsprechung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1972; Spendel, G.,
Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, 1984; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung
in Europa (1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Repertorium ungedruckter
Quellen zur Rechtsprechung, Deutschland 1800-1945, hg. v. Dölemeyer, B., 1995;
Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Höchstrichterliche Rechtsprechung
in der frühen Bundesrepublik, hg. v. Fischer, C. u. a., 2015
Rechtsquelle ist der Ursprungsort von Rechtssätzen.
→Rechtserkenntnisquelle, →Rechtsgeltungsquelle
Lit.: Söllner § 15; Richthofen, K. v., Friesische
Rechtsquellen, 1840, Neudruck 1960; Stobbe, O., Geschichte der deutschen
Rechtsquellen, Bd. 1f. 1860ff., Neudruck 1965; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Brunner, H., Geschichte der englischen
Rechtsquellen, 1909, Neudruck 2013; Planitz, H., Quellenbuch der deutschen,
österreichischen und Schweizer Rechtsgeschichte, 1948; Buchner, R., Die
Rechtsquellen, 1953, Neudruck 1984; Wenger, L., Die Quellen des römischen
Rechtes, 1953; Repertorium fontium historiae medii aevi, Bd. 1ff., 1962ff.;
Dießelhorst, M., Die Natur der Sache als außergesetzliche Rechtsquelle, 1968;
Wolter, U., Ius canonicum in iure civili, 1975; Bühler, T., Rechtsquellenlehre,
Bd. 1f. 1977ff.; Jakobs, H., Wissenschaft und Gesetzgebung, 1983; Wiegand, W.,
Die privatrechtlichen Rechtsquellen, (in) Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 237: Schrage, E., Utrumque ius. Eine Einführung in
das Studium der Quellen des mittelalterlichen gelehrten Rechtes, 1992;
Schröder, J., Recht als Wissenschaft, 2001, 2. A. 2012
Rechtsrealismus
Lit.: Twining, W., Karl Llewellyn and the Realist
Movement, 1973, 2. A. 2012 e-book
Rechtsreformation →Reformation
Rechtssatz →Rechtsnorm
Rechtsschein ist der äußerliche Anschein des
Bestehens eines in Wirklichkeit nicht bestehenden Rechtes. Er kann Rechtswirkungen
äußern (z. B. unrichtiges Grundbuch). Ihn gibt es seit Entstehung des Rechtes.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Peterka, O. Das
offene zum Scheine Handeln im deutschen Recht des Mittelalters, 1911; Meyer,
H., Vom Rechtsschein des Todes, 1912; Canaris, C., Vertrauenshaftung, 1971
Rechtsschule ist die Lehrstätte (in der
Spätantike in Rom, Karthago, Konstantinopel [zwei Rechtslehrer mit nur wenig
Entgelt leistenden Hörern], Beirut [Beryt], Athen, Alexandria und Caesarea)
oder Geistesrichtung innerhalb der Jurisprudenz bzw. Rechtswissenschaft und
auch der mit ihr verbundene Inhalt. →freie Rechtsschule,
→historische Rechtsschule, →Prokulianer, →Sabinianer, →Ravenna,
→Pavia, →Verona, →Bologna, →Universität
Lit.: Söllner §§ 16, 21; Köbler, DRG 53, 187, 189;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 39, Bd. 2, 1,2ff.;
Elsener, F., Die Schweizer Rechtsschulen, 1975; Coing, H., Die französische
Rechtsschule zu Koblenz, FS F. Wieacker, 1978, 195
Rechtsschutz ist der durch die →Rechtsordnung
gewährleistete Schutz von Rechtsgütern. →Gericht, Rechtsnorm, Strafrecht
Lit.: Köbler, DRG 208; Rüfner, W.,
Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Das subjektive Recht, hg. v. Coing,
H., 1962; Vossius, O., Zu den dogmengeschichtlichen Grundlagen der
Rechtsschutzlehre, 1985; Lohmann, U., Gerichtsverfassung und Rechtsschutz in
der DDR, 1986; Engbers, E., Small claims und effektiver Rechtsschutz, 2003
Rechtssicherheit ist die Beständigkeit der bei einem
Verhalten eintretenden Rechtsfolgen. Die R. steht in einem Spannungsverhältnis
zur Einzelfallgerechtigkeit. Verstärkt strebt man nach R. seit der Aufklärung.
Zwischen 1933 und 1945 wird im Deutschen Reich unter dem Schlagwort der R. der
Rechtsstaat ausgehöhlt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Meyer,
A., Die Notariatsordnungen, 1971; Göring, H., Die Rechtssicherheit, 1935
Rechtssoziologie ist die Lehre von der sozialen
Wirklichkeit des Rechtes. Sie entwickelt sich ansatzweise seit der zweiten
Hälfte des 19. Jh.s (→Marx, →Ihering, →freie Rechtsschule).
Nach Unterbrechung durch den Nationalsozialismus gewinnt die R. unter
amerikanischem Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s an Boden, bleibt
aber ein bloßes Nebenfach der Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, DRG 228; Dombeck, B., Das Verhältnis der
Tübinger Schule zur deutschen Rechtssoziologie, 1969; Rechtsgeschichte und
Rechtssoziologie, hg. v. Killias, M. u. a., 1985; Rehbinder, M., Rechtssoziologie,
6. A. 2007:; Raiser, T., Grundlagen der Rechtssoziologie, 1987, 2. A. 1995, 5.
A. 2009
Rechtsspiegel →Rechtsbuch
Rechtssprache ist die besondere Sprache, in der
Recht zum Ausdruck gebracht wird. Die R. ist in der Gegenwart die von der Allgemeinsprache
schwer abgrenzbare Fachsprache des wissenschaftlich gebildeten
→Juristen. Ihre Besonderheiten betreffen vor allem den Wortschatz,
daneben auch Syntax und Grammatik. Besonders bedeutsam für die deutsche R. des
frühen Mittelalters ist das Verhältnis von lateinischer Überlieferung und
volkssprachiger Rechtswirklichkeit und insgesamt der Einfluss des
Lateinischen sowie in der Gegenwart des Angloamerikanischen auf das Deutsche.
Lit.: Wildner von Maithstein, I., Lexikon sämtlicher
Worte des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, 1843;
Gradenwitz, O., Wortverzeichnis zum bürgerlichen Gesetzbuche, 1902; Deutsches
Rechtswörterbuch, Bd. 1ff. 1914ff.; Günther, L., Recht und Sprache, 1898; Beiträge
zum Wörterbuch der deutschen Rechtssprache, 1908; Künßberg, E. Frhr. v.,
Rechtssprachliches, ZRG GA 32 (1911), 338; Kalb, W., Wegweiser in die römische
Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtssprachgeographie,
1926 (SB Heidelberg); Saueracker, K., Wortschatz der peinlichen
Gerichtsordnung Karls V., 1929; Merk, W., Werdegang und Wandlungen der
deutschen Rechtssprache, 1933; Dölle, H., Vom Stil der Rechtssprache, 1949;
Dilcher, G., Paarformeln in der Rechtssprache des frühen Mittelalters, 1961;
Berman, H., Law and Language, (1964), hg. v. Witte jr., J., 2013; Sonderegger,
S., Die ältesten Schichten einer germanischen Rechtssprache, FS K. Bader, 1965,
419; Bergh, J. van den, Themis en de Muzen, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Das
fränkische Wortgut der Lex Salica als Gegenstand der Rechtssprachgeographie,
ZRG GA 84 (1967), 275; Oplatka-Steinlin, H., Untersuchungen zur neuhochdeutschen
Gesetzessprache, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel, Synonymik und
zweisprachiges Wortpaar, 1972; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973; Elsener, F., Deutsche Rechtssprache und Rezeption, (in) Tradition und
Fortschritt im Recht, FS Tübinger Juristenfakultät, 1977; Köbler, G., Deutsche
Sprachgeschichte und Rechtsgeschichte, (in) Sprachgeschichte, hg. v. Besch, W.
u. a., 1984, 56; Hattenhauer, H., Zur Geschichte der deutschen Rechtes- und
Gesetzessprache, 1987; Kühn, P., Deutsche Wörterbücher, 1978; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches
Lexikon, 2. A. 1984; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen
Stadtrechtsreformationen, 1990; Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und
Volkssprache, 1991; Speer, H., Das deutsche Rechtswörterbuch, 1991; Heller, M.,
Reform der deutschen Rechtssprache im 18. Jahrhundert, 1992; Köbler, G., Juristisches
Wörterbuch, 13. A. 2004, 14. A. 2007; Roessler, P., Entwicklungstendenzen der
österreichischen Rechtssprache seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, 1994;
Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Sieber, A., Deutsche
Fachsprache des Rechts, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 149; Görgen, A.,
Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 389; Köbler, G., Liber
exquisiti xenii, 1999; Garovi, A., Rechtssprachlandschaften der Schweiz, 1999;
Seifert, J., Funktionsverbgefüge in der deutschen Gesetzessprache (18.–20.
Jahrhundert), 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Historische Rechtssprache des Deutschen, hg.
v. Deutsch, A., 2013
Rechtssprecher →Gesetzessprecher
Rechtssprichwort ist das einen rechtlichen
Tatbestand erfassende Sprichwort (z. B. →Aller guten Dinge sind drei).
Seine Volkstümlichkeit ist vielfach zweifelhaft. Deutsche Rechtssprichwörter,
deren Zahl die neueste Zusammenstellung mit etwa 1800 benennt, lassen sich nicht
vor dem Hochmittelalter sicher belegen. Ihre tatsächliche Bedeutung scheint
eher gering.
Lit.: Graf, E./Dietherr, M., Deutsche Rechtssprichwörter,
2. A. 1869; Winkler, L., Deutsches Recht im Spiegel deutscher Sprichwörter, 1927; Schmidlin,
B., Die römischen Rechtsregeln, 1970; Foth, A., Gelehrtes römisch-kanonisches
Recht in deutschen Rechtssprichwörtern, 1971; Gudian, G., Zur Situation der
Germanistik, ZRG 89 (1972), 215; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 6. A.
1998, 7. A. 2007; Janz, B., Rechtssprichwörter im Sachsenspiegel, 1989;
Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996
(Neuausgabe 2002); Die Sprache des Rechts, hg. v. Lerch, K., 2004
Rechtsstaat ist der bewusst auf die
Verwirklichung von Recht ausgerichtete Staat. Dieses Staatsziel wird am Ende
des 18. Jh.s in Ablösung des absolutistischen Wohlfahrtsstaats von den
Vertretern der liberalen Aufklärung gefordert. Als Grundlage werden
→Verfassung und →Gesetzgebung durch eine Volksvertretung
angesehen. Nach 1848 verengt sich dies auf den formalen Rechtsschutz im
Zivilprozess (1877/1879) und in Verwaltungsangelegenheiten (1863ff.). Das
Handeln der Verwaltung wird allgemein nachprüfbar, wobei Ermessensbegriffe
weniger und unbestimmte Rechtsbegriffe stärker erfasst werden. Der
Nationalsozialismus beseitigt die dadurch erreichten Errungenschaften. Nach
1945 wird der R. verstärkt ausgebaut.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198, 199; Bähr,
O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R., Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte,
1872, Neudruck 1968; Maier, H., Zur Frühgeschichte des Rechtsstaats in
Deutschland, Neue Polit. Lit. 7 (1962), 234; Badura, P., Das Verwaltungsrecht
des liberalen Rechtsstaates, 1967; Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand,
1967; Weber, D., Die Lehre vom Rechtsstaat bei Otto Bähr und Rudolf von Gneist,
Diss. jur. Köln 1968; Schmidt, E., Kammergericht und Rechtsstaat, 1968; Laufs,
A., Die rechtsstaatlichen Züge des Bismarck-Reiches, FS H. Thieme, 1977, 72;
Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Willoweit, D., War das
Königreich Preußen ein ,Rechtsstaat‘?, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft in
einer pluralistischen Gesellschaft, 1989, 451; Schröder, J., 40 Jahre
Rechtspolitik im freiheitlichen Rechtsstaat, 1989; Der europäische Rechtsstaat,
hg. v. Brand, J. u. a., 1994; Gemeinwohl, Freiheit, Vernunft, Rechtsstaat, hg.
v. Ebel, F., 1995; Vertrauen in den Rechtsstaat, hg. v. Goydke, J. u. a., 1995;
Rechtsstaatlichkeit in Europa, hg. v. Hofmann, R. u. a., 1996; Wetzler, C.,
Rechtsstaat und Absolutismus, 1997; Hilger, C., Rechtsstaatsbegriffe im
Dritten Reich, 2003; Mantl, W., Der österreichische Rechtsstaat, ZRG GA 122
(2005), 367; Hetzer, W., Rechtsstaat oder Ausnahmezustand?, 2008; Voßkuhle, A.
u. a., Das Rechtsstaatsprinzip, JuS 2010, 116; Lauener, M., Jeremias Gotthelf -
Prediger gegen den Rechtsstaat, 2011; Merten, D., Rechtsstaatliche Anfänge im
Zeitalter Friedrichs des Großen, 2012 (Aufsätze); Rüthers, B., Die heimliche
Rvolution vom Rechtsstaat zum Richterstaat, 2014, 2. A. 2016; Stets den Idealen
der Rechtsstaatlichkeit treu geblieben – FS für Peter Pernthaler, 2015
Rechtsstudium →Rechtswissenschaft, Studium,
Universität
Rechtssubjekt (1841) ist der Träger von Rechten und Pflichten (z. B.
Mensch, juristische Person). Sachlich gibt es Rechtssubjekte mit der Entstehung
von Recht. Als solche erfasst werden sie aber erst im 19. Jh.
Lit.: Kaser § 13 I 1; Köbler, DRG 206; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rechtssumme ist die zusammenfassende
Darstellung eines Titels oder mehrerer Titel des (lat.) →corpus (N.)
iuris civilis oder auch anderer gelehrter Rechtstexte. Rechtssummen finden sich
vor allem in Oberitalien im 12. bis 14. Jh. (z. B. Summa aurea [Goldene Summe]
des Hostiensis, Summa de casibus poenitentiae [Summe über Bußfälle], Summa
legum brevis levis et utilis [Kurze, leichte und nützliche Rechtssumme], Summa
Johannis [Bruder Bertholds 1300/40 in 80 Handschriften überlieferte deutsche
Darstellung des Kirchenrechts für Laien).
Lit.: Trusen, W., Anfänge der gelehrten Rechte in
Deutschland, 1962, 119; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, 1964, (in)
Ius Romanum medii aevi 5, 6; Placentini Summa Codicis, hg. v. Calasso, F.,
1962; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 67,
172; Die Rechtssumme Bruder Bertholds, hg. v. Hamm, M. u. a., 1980; Weck, H.,
Die Rechtssumme Bruder Bertholds, 1982 (Wörterbuch 2006)
Rechtssymbol ist eine Handlung oder ein
Gegenstand, die bzw. der ein Rechtsgeschäft oder Rechtsverhältnis
versinnbildlicht.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Der Stab in der germanischen
Rechtssymbolik, 1909; Herwegen, I., Germanische Rechtssymbolik, 1913;
Puetzfeld, C., Deutsche Rechtssymbolik, 1936; Erler, A., Das Hissen eines
Besens, ZRG GA 62 (1942), 371; Gathen, A., Die Rolande als Rechtssymbole, 1960;
Lurker, M., Lexikon der Symbolkunde, Bd. 1f. 1964ff.; Anderegg, S., Der
Freiheitsbaum, 1968; Bauer, W. u. a., Lexikon der Symbole, 7. A. 1985; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Kocher, G., Zeichen und
Symbole des Rechts, 1992; Rechtssymbolik und Wertevermittlung, hg. v. Schulze,
R., 2004
Rechtssystem ist die Gesamtheit von Rechtseinrichtungen
in einleuchtender Ordnung. Ein R. ist den Römern noch fremd. Es findet sich
erst bei →Leibniz (1646-1716) und Christian →Wolff (1679-1754). Neu
gefasst wird es von →Savigny (1779-1861) und →Puchta (1798-1846).
Der Gegenwart ist es zweifelhaft, ob es ein geschlossenes R. geben kann.
→System
Lit.: Savigny, F., System des heutigen Römischen
Rechts, Bd. 1 1840; Hatschek, J., Bentham und die Geschlossenheit des
Rechtssystems, Archiv f. öff. Recht 24 (1909), 442, 26 (1910), 458; Coing, H.,
Geschichte und Bedeutung des Systemgedankens, 1956; Wilhelm, W., Zur
juristischen Methodenlehre im 19. Jahrhundert, 1958; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Canaris, C., Systemdenken
und Systembegriff, 1969; Luig, K., Die Theorie der Gestaltung eines nationalen
Privatrechtssystems, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u.
a., Bd. 1 1974, 217; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der
„praktischen Jurisprudenz“, 1976; Schlosser, H., Das „wissenschaftliche
Prinzip“ der germanistischen Privatrechtssysteme, Gedächtnisschrift H. Conrad,
1979, 491; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme, 1984; Mayer, D., Grundlagen des
nationalistischen Rechtssystems, 1987; David, R./Grasmann, G., Einführung in
die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 2. A. 1988; Changing structures in
modern legal systems, hg. v. Bulygin, E., 1998
Rechtstag →endlicher Rechtstag
Rechtstatsache ist die das Recht berührende Tatsache bzw. die
Tatsache, deren Kenntnis für eine sachgemäße Anwendung der Rechtssätze erforderlich
ist. Rechtstatsachen gibt es seit der Entstehung des Rechtes. Für die R.
interessiert sich besonders die Rechtssoziologie des 20. Jh.s.
Lit.: Heinz, W., Rechtstatsachenforschung heute, 2. A. 1998
Rechtstheorie ist die Beschäftigung mit den allgemeinen
Fragen des Rechtes, insbesondere mit seiner logischen Struktur. Die R. als
Gegensatz zur Rechtspraxis wird schon in philosophisch-rhetorischen Fragestellungen
des Altertums sichtbar. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird sie aber
bewusst von Naturrecht und Rechtsphilosophie abgesetzt und auch auf frühere
Zeiten zurückübertragen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ramm, T., Staat und Recht,
Diss. jur. Marburg 1950; Lange, H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955;
Gernhuber, J., Das völkische Recht, FS E. Kern, 1968, 167; Reich, N.,
Marxistische Rechtstheorie, 1973; Paul, W., Marxistische Rechtstheorie, 1974;
Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974; Flechtheim,
O., Hegels Strafrechtstheorie, 2. A. 1975; Probleme der marxistischen
Rechtstheorie, hg. v. Rottleuthner, H., 1975; Schröder, J., „Communis opinio“,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 404;
Scherner, K., Arme und Bettler in der Rechtstheorie des 17. Jahrhunderts, ZNR
1988, 129; Brockmöller, A., Die Entstehung der Rechtstheorie im 19.
Jahrhundert, 1997; Kelly, J., A short history of Western legal theory, 1997;
Funke, A., Allgemeine Rechtslehre als juristische Strukturtheorie, 2004;
Vesting, T., Rechtstheorie, 2007; Lahusen, B. u. a., Zufall, Abfall, Ausfall,
2008
Rechtsunterricht →Juristenausbildung
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, G., Erlanger
juristische Vorlesungen des 18. und 19. Jahrhunderts, Jb. f. fränk.
Landesforschung 27 (1967), 241; Weimar, P., Die legistische Literatur, Ius commune
2 (1969), 43; Scheltema, H., L’enseignement de droit, 1970; Finke, K., Die
Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Köbler, G., Gießener juristische
Vorlesungen, 1982; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Meier, J., Der
Rechtsunterricht an den Universitäten Köln und Bonn, Diss. jur. Köln 1987; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/GiessenerjuristischeVorlesungen1607-2007.htm
Rechtsvergleichung ist die vergleichende Betrachtung
verschiedener Rechtsordnungen, insbesondere räumlich verschiedener, gleichzeitig
geltender Rechtsordnungen. Sie wird ansatzweise bereits im Altertum betrieben.
Besondere Bedeutung erlangt sie in der jüngeren Vergangenheit (19./20. Jh., z.
B. →Feuerbach, →Gans, →Bachofen, →Mittermaier,
→Rabel).
Lit.: Constantinesco, L., Rechtsvergleichung, Bd. 1f.
1971f.; Coing, H., Rechtsvergleichung als Grundlage der Gesetzgebung, Ius
commune 7 (1978), 160; Großfeld, B., Macht und Ohnmacht der Rechtsvergleichung,
1984; Wadle, E., Einhundert Jahre Rechtsvergleichende Gesellschaften, 1994;
Stolleis, M., Nationalität und Internationalität, 1998; Rechtsvergleicher –
verkannt, vergessen, verdrängt, hg. v. Großfeld, B., 2000 (Seminarreferate über
Albert Hahl, Wilhelm Solf, Erich Schultz-Ewerth, Johann Jakob Bachofen, Adolf
Bastian, Josef Kohler, Leonhard Adam, Pater Wilhelm Schmidt, Richard Thurnwald,
Leo Frobenius, Josef Schmidlin, Eberhard Freiherr von Künßberg); Mohnhaupt, H.,
Vergleichung in Zeiten des Naturrechts der Aufklärung als Erkennnismethode (in)
FS Klaus Luig 2014 97; Neuenbäumer, A., Zitelmann, E., Die Begründung der
Rechtsvergleichung als Wissenschaft, 2014; Kischel, U., Rechtsvergleichung,
2015
Rechtsverweigerung ist die Verweigerung des rechtlich
Gebotenen, insbesondere eines rechtlichen Verfahrens durch die zuständige
Person. Sie findet sich an unterschiedlichen, vereinzelten Stellen (z. B. sind
nach →Lex Salica 57 urteilsverweigernde Rachinburgen bußpflichtig, wird
das →Reichskammergericht 1495 für Fälle von R. zuständig
(rechtstatsächlich aber nicht allzu häufig) oder kann im Deutschen Bund bei
Verweigerung einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die
→Bundesversammlung angerufen werden). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s
gewährt die deutsche Verfassung demgegenüber eine Rechtsweggarantie.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 92, 153, 200;
Perels, K., Die Justizverweigerung im alten Reiche, ZRG GA 25 (1904), 1;
Döhring, E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Schmitt-Weigand, A.,
Rechtspflegedelikte in der fränkischen Zeit, 1962; Wollschläger, C., Ungleiche
Justizgewähr und Zivilprozesshäufigkeit, FS H. Coing, 1982, 435; Oestmann, P.,
Rechtsverweigerung im alten Reich, ZRG 127 (2010), 55; Stodolkowitz, S.,
Rechtsverweigerung und Territorialjustiz, ZRG GA 131 (2014), 128
Rechtsweisung →Weistum
Rechtswidrigkeit (rechtswidrig 1797) ist der Widerspruch zur
Rechtsordnung. Die R. erscheint zusammen mit dem Recht. Sie ist besondere
Voraussetzung für verschiedene Rechtsfolgen (z. B. Strafe, Schadensersatz).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Köbler, DRG 204; Wolzendorff,
K., Staatsrecht und Naturrecht, 1916; Koch, B., Rechtsbegriff und Widerstand,
1985; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtswissenschaft ist die die rechtliche
Sollensordnung betreffende Wissenschaft. R. entsteht als Jurisprudenz
(Rechtsklugheit) im klassischen römischen Recht, verliert sich danach aber mit
dem Zurücktreten der Rechtskundigen in Rom (3. Jh. n. Chr.) weitgehend. Seit
dem Ende des 11. Jh.s wird die R. in Bologna (neu) begründet
(→Glossatoren). Von hier breitet sie sich als universitär betriebene
Wissenschaft über ganz Europa aus (→Kommentatoren, →mos Gallicus,
→usus modernus, →Naturrecht, →historische Rechtsschule,
→Pandektistik). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s nimmt die Zahl der
rechtswissenschaftlichen Bildungsstätten nochmals sprunghaft zu. Um 1995 gibt
es rund 750000 Studierende der R. in Europa.
Lit.: Söllner § 11, 16; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler,
DRG 2, 8, 29, 51, 105, 143, 184, 228, 254; Stintzing, R./Landsberg, E.,
Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957,
1978; Jerusalem, F., Kritik der Rechtswissenschaft (1949); Quellenbuch zur Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft, hg. v. Wolf, E., 1950; Schmitt, C., Die Lage
der europäischen Rechtswissenschaft, 1950; Schulz, F., Geschichte der römischen
Rechtswissenschaft, 1961; Gmür, R., Savigny und die Entwicklung der
Rechtswissenschaft, 1962; Rehfeldt, B., Einführung in die Rechtswissenschaft,
1962; Ogris, W., Der Entwicklungsgang der österreichischen Privatrechtswissenschaft,
1968; Coing, H., Die ursprüngliche Einheit der europäischen Rechtswissenschaft,
1968; Philosophie und Rechtswissenschaft, hg. v. Blühdorn, J. u. a., 1969;
Stephanitz, O. v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Jörgensen, S.,
Grundzüge der Entwicklung der skandinavischen Rechtswissenschaft, JZ 25 (1970),
529; Kleinheyer, G./Schröder, J., Deutsche und europäische Juristen aus neun
Jahrhunderten, 4. A. 1996, 5. A. 2008; Tarello, G., Storia della cultura
giuridica moderna, Bd. 1 1976; Stühler, H., Die Diskussion um die Erneuerung
der Rechtswissenschaft von 1780-1815, 1978; Dubischar, R., Theorie und Praxis
in der Rechtswissenschaft, 1978; Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre
der „praktischen Jurisprudenz“ auf deutschen Universitäten an der Wende zum 19.
Jahrhundert, 1979; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100
(1983), 75; Herberger, M., Rechtswissenschaftsgeschichte, Rechtshistorisches
Journal 3 (1984), 150; Gouron, A., La science du droit le Midi, 1984;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Juristen
in Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987; Rechtswissenschaft in Göttingen, hg.
v. Loos, F., 1987; Rechtswissenschaft im NS-Staat. Der Fall Eugen Wohlhaupter,
hg. v. Hattenhauer, H., 1987; Radding, C., The Origins of Medieval
Jurisprudence, 1988; Bürge, A., Neue Quellen zur Begegnung der deutschen und
französischen Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert, ZRG GA 110 (1993), 546;
Lange, H., Die Anfänge der modernen Rechtswissenschaft, 1993; Rechtswissenschaft
in der Bonner Republik, hg. v. Simon, D., 1994; Juristen, hg. v. Stolleis, M.,
1995; La science juridique française et la science juridique allemande de 1870
à 1918, hg. v. Beaud, O., 1997; Kiesow, R., Das Naturgesetz des Rechts, 1997;
Erkenntnisgewinne, Erkenntnisverluste, hg. v. Acham, K. u. a., 1998; Eine
deutsch-französische Rechtswissenschaft?, hg. v. Beaud, O. u. a., 1999; Braun,
J., Einführung in die Rechtswissenschaft, 3. A. 2007; Sailer, R.,
Verwissenschaftlichung des Rechts in der Rechtspraxis?, ZRG GA 119 (2002), 106;
Der Gestaltungsanspruch der Wissenschaft, hg. v. Acham, K. u. a., 2007; Das
Proprium der Rechtswissenschaft, hg. v. Engel, C., 2007; http://www.koeblergerhard.de/werwarwer20020226.htm;
Rechtswissenschaft. Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung, Bd.
1ff. 2010ff.; Rechtswissenschaft als juristische Doktrin, 2011; Pennington, K.,
The Beginning of Roman Law Jurisprudence and Teaching in the Twelth Century –
The Authenticae (in) Rivista internazionale di diritto comune 22 (2011) 35
(wohl vor 1140); Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft, hg. v. Senn, M.,
2012; Winkler, V., Der Kampf gegen die Rechtswissenschaft - Franz Wieackers
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2013; Wendepunkte der Rechtswissenschaft,
hg. v. Heun, W. u. a., 2014; Selbstreflexion der Rechtswissenschaft, hg. v.
Hilgendorf, E. u. a., 2015
Rechtswohltat →beneficium
Lit.: Kaser § 32 III; Wesenberg, G./Wesener, G.,
Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985
Rechtswort →Rechtssprache
Lit.: Köbler, DRG 10; Deutsches Rechtswörterbuch, Bd.
1ff. 1914ff. (2015 bis Sittenrecht): Freudenthal, K.,
Arnulfingisch-karolingische Rechtswörter, 1949; Hyldgaard-Jensen, K.,
Rechtswortgeographische Studien 1, 1964; Schmidt-Wiegand, R., Studien zur
historischen Rechtswortgeographie, 1978; Speer, H., Das deutsche
Rechtswörterbuch, Historical Lexicography of the German Language 2, hg. v.
Goebel, U. u. a., 1991, 675; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995;
Köbler, G., Juristisches Wörterbuch, 13. A. 2004, 14. A. 2007, 16. A. 2016;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Rechtszug ist der jeweils einem bestimmten
Gericht zugeordnete Verfahrensabschnitt eines Rechtsstreits. Voraussetzung für
einen R. ist eine mehrstufige Gerichtsbarkeit. Sie entsteht in Rom seit
Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) und danach wohl neu im Hochmittelalter. Die
deutsche ordentliche Gerichtsbarkeit kennt seit 1877/1879 den meist
dreistufigen Rechtszug, dem in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s noch die
Überprüfung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht und
europäische Gerichte nachfolgen kann. Nur in einem weiteren Sinn ist R. auch
die Einholung einer Rechtsauskunft bei einer anderen Stelle (z. B
→Oberhof).
Lit.: Kaser § 87 I 9; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler,
DRG 86; Seelmann, W., Der Rechtszug im älteren deutschen Recht, 1910; Kern, E.,
Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Jänichen, H., Der Rechtszug im
Spätmittelalter am oberen Neckar, Zeitschrift für württembergische
Landesgeschichte 15 (1956), 214; Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Baker, J., An
Introduction to English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A.
2002; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation, 1976; Ebel, F., Statutum und
ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Müller, H., Oberhof und neuzeitlicher
Territorialstaat, 1978; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
recognitio (lat. F.)
Beglaubigung
Lit.: Classen, P., Kaiserreskript und Königsurkunde,
1977
Records sind die bis 1731 in lateinischer
Sprache geführten Protokolle der Gerichte des →englischen Rechtes (im
Gegensatz zu den in Lawfrench gehaltenen reports [der jungen Anwälte] der year
books).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002; Baker, J., The Common Law
Tradition, 2000
Reconquista (F.) Wiedergewinnung Spaniens durch
die Christen gegen die Araber (8.-15. Jh.)
Lit.: Lomax, D., Die Reconquista, 1980; Vones, L.,
Geschichte der iberischen Halbinsel, 1993
Rectitudines (F.Pl.) singularum personarum (lat.) (Rechte einzelner Personen)
ist der Name des im →Quadripartitus enthaltenen lateinischen Traktats des
frühen englischen Rechtes (Mitte 10. Jh., überarbeitet um 1020?) über die
Pflichten der Hintersassen nach Hofrecht.
Lit.: Brunner, H., Geschichte der englischen
Rechtsquellen, 1909; Loyn, H., Anglo-Saxon England and the Norman Conquest,
1962
rector (lat. M.)
Leiter, Richter
recuperator (lat. M.)
Wiederbeschaffer
Lit.: Söllner § 9; Köbler, DRG 19; Schmidlin, B., Das
Rekuperatorenverfahren, 1963
recursus (lat. M.)
Rücklauf, Rekurs
Recursus (M.) ab abusu (lat., Rekurs vom Missbrauch) ist
in Frankreich seit dem Spätmittelalter die Beschwerde bei den staatlichen
Gerichten gegen den Missbrauch der geistlichen Gewalt.
Lit.: Eichmann, E., Der recursus ab abusu, 1903;
Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983, Kap. 18
Recursus (M.) ad comitia (lat.) (Rekurs zum Reichstag) ist
im Heiligen Römischen Reich seit dem Ende des 17. Jh.s die Anfechtung von
Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrates vor dem Reichstag.
Der r. a. c. bleibt meist ohne Auswirkung.
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae
am Reichshofrat, 1973, 398
Rede ist die Darlegung einer Gedankenfolge
gegenüber der Öffentlichkeit in mündlicher Form. Mit der Kunst der
beeindruckenden und möglichst überzeugenden R. befasst sich bereits in der
griechischen und römischen Antike die Rhetorik. In England entwickelt sich seit
1688, in den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1776 und in Frankreich seit
1789 eine feste Einrichtung der öffentlichen, vor allem im Parlament gehaltenen
R. Die ersten modernen politischen Reden in deutscher Sprache finden sich in
den nach der französischen Revolution an Frankreich gelangten linksrheinischen
Gebieten.
Lit.: Politische Reden 1 (1792-1867), 2 (1869-1914), hg. v. Wende, P.,
1990
Redefreiheit →Parlament, Meinungsfreiheit
reditus, redditus (lat. M.)
Rückkehr, Einkunft, Abgabe
Redintegranda (zurückzugewährend) ist das
Anfangswort eines auf die pseudoisidorischen Dekretalen des 9. Jh.s
zurückgehenden canons →Gratians (um 1140), nach dem ein vertriebener
Bischof gegen ein Strafverfahren gegen ihn eine Einrede hat, so lange er nicht
wieder in sein Amt eingesetzt wird, und jedes Urteil, das vor dieser
Wiedereinsetzung ergeht, fehlerhaft ist. Später entwickelt sich über die (lat.)
actio (F.) spolii hieraus die Besitzschutzklage.
Lit.: Hübner § 29 III 2b; Bruns, C., Die Besitzklagen,
1874
Redjeva (Ratgeber) ist im hochmittelalterlichen
Recht Frieslands ein Berater von Richter und →asega, der in der Mitte und
im Osten bald den asega ersetzt.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen,
1840, Neudruck 1960; Jaekel, H., Abba, asega und redjeva, ZRG GA 27 (1906),
114; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981;
Köbler, G., Altfriesisch-neuhochdeutsches und neuhochdeutsch-altfriesisches
Wörterbuch, 1983
Reeder ist der Schiffseigner.
Reederei ist die Verbindung mehrerer
Schiffseigner. Sie findet sich der Sache nach bereits im Altertum. Eine
umfassende gesetzliche Regelung bringen das preußische →Allgemeine
Landrecht von 1794, das →Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch von 1861
und das →Handelsgesetzbuch von 1897/1900.
Lit.: Hübner; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Seamen in Society, hg. v. Adam, P., 1980;
Schmidt, K., Die Partenreederei, 1995
Referendar (lat. M.
referendarius) ist im spätantiken römischen Recht (427 n. Chr.) der kaiserliche
Berichterstatter. Als Titel für hohe Amtsträger erscheint R. auch im
Mittelalter (z. B. in Italien im 7. Jh., in der päpstlichen Kanzlei im 14.
Jh.). Seit 1748 ist in →Preußen der angehende Jurist nach zwei von
insgesamt drei Prüfungen R., seit 1869 nach einer von insgesamt zwei Prüfungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Jescheck, H., Die juristische
Ausbildung in Preußen und im Reich, 1939; Bleek, W., Von der Kameralausbildung
zum Juristenprivileg, 1972; Mehrlein, A., Die Zweiteilung der Juristenausbildung,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1976; Classen, P., Kaiserreskript, 1977
Referendum (N.) Volksabstimmung
Reform (F.) Wiederherstellung einer (früheren)
Form
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Koselleck, R., Preußen
zwischen Reform und Revolution, 1967; Weis, E., Montgelas, 1971;
Bradler-Rottmann, E., Die Reformen Kaiser Josephs II., 1973; Angermeier, H.,
Die Reichsreform, 1984; Wolgast, E.Revolution, Reform, Restauration, hg. v.
Mohnhaupt, H., 1988; Reform von Kirche und Reich zur Zeit der Konzilien von
Konstanz (1414-1418) und Basel (1431-1449), hg. v. Hlaváček, I. u. a.,
1996; Kaufhold, M., Die Rhythmen politischer Reformen im späten Mittelalter,
2008
Reformatio in peius (iudici appellato non
licet) (lat.).
(Die Rechtsmittelinstanz darf das Urteil) nicht zu Lasten des Anfechtenden
abändern. Im Deutschen Reich wird zwischen 1933 und 1945 das Verbot der r. i.
p. eingeschränkt.
Lit.: Köbler, DRG 235; Liebs, D., Lateinische
Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Ulpian, um 170-223, Digesten 49, 1, 1, pr.)
Reformatio (F.) Sigismundi (lat.) (Reformation Sigmunds) ist
die vermutlich am Ende des Jahres 1439 in Basel in kurzer Zeit entstandene, in
16 Handschriften überlieferte Reformschrift eines unbekannten Verfassers. Sie
fordert von den Geistlichen eine Beschränkung auf geistliche Aufgaben und von
den weltlichen Herren Aufhebung der Unfreiheit, der Freizügigkeitsbeschränkung
sowie Schutz vor Wucher und überhöhten Abgaben. Sie ist Ausdruck eines
Verlangens nach Veränderung noch vor dem eigentlichen Beginn der Neuzeit.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Angermeier, H., Der
Ordnungsgedanke in den Reichsreformbestrebungen, Diss. phil. München 1954
masch.schr.; Dohna, L. Graf zu, Reformatio Sigismundi, 1960; Reformation Kaiser
Siegmunds, hg. v. Koller, H., 1964; Struve, T., Reform oder Revolution?, ZGO
126 (1978), 73; Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992, 117
Reformation ist die Zurückbildung eines
gegenwärtigen (schlechten) Zustands (bzw. einer gegenwärtigen Form) in einen
ursprünglichen (einwandfreien) Zustand (bzw. eine ursprüngliche Form) bzw. die
Veränderung zum Guten. In der christlichen Kirche ist R. die von Martin
→Luther (1483-1546) am 31. 10. 1517 durch Anschlag von 95 Thesen an die
Schlosskirche von Wittenberg in Gang gesetzte, unter erfolgreicher Nutzung des
jungen Buchdrucks schnell verbreitete und im Laufe des 16. Jh.s im Wesenlichen
abgeschlossene Erneuerungsbewegung, welche die Erlösung des sündigen Menschen
statt auf (käufliche) gute Werke (→Ablass) auf die Gnade Gottes
zurückführt und die nach wechselvollem Verlauf eines Religionskriegs 1555 im
→Augsburger Religionsfrieden anerkannt wird. Sie stärkt die Staatsgewalt
einerseits, die Freiheit andererseits. Im Recht ist R. die unterschiedlich
weit reichende Veränderung des einheimischen Rechtes durch Aufnahme
römisch-kanonistischer Rechtsregeln in neu gefasste Stadtrechte und Landrechte
(z. B. →Nürnberg 1479/84, →Tübingen 1497, →Worms 1499,
→Frankfurt 1509, →Bayern 1518, →Freiburg im Breisgau 1520,
Brandenburg 1527, Innerösterreich 1533, Württemberg 1555, Solms 1571,
Kursachsen 1572) während des 15. bis 17. Jh.s. Dabei werden der Süden und das
Schuldrecht, Fahrnisrecht und Erbrecht stärker verändert als der Norden und das
Liegenschaftsrecht und das Ehegüterrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 232; Köbler, DRG 129, 130,
138; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 313; Burdach, K., Reformation,
Renaissance, Humanismus, 1918; Coing, H., Die Frankfurter Reformation von 1578,
1935; Heckel, J., Lex charitatis, 1953; Knoche, H., Ulrich Zasius und das
Freiburger Stadtrecht, 1957; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Lortz, J.,
Die Reformation in Deutschland, Bd. 1f. 6. A. 1982f.; Weltwirkung der
Reformation und Gegenreformation, 2. A. 1982; Wohlfeil, R., Einführung in die
Geschichte der Reformation, 1982; Martin Luther und die Reformation im Reich
(Katalog), hg. v. Boll, G., 1983; Reformation der Stadt Nürnberg, hg. v.
Köbler, G., 1984; Wolgast,E., Reform, Reformation,(in) Geschichtliche
Grundbegriffe, hg. v. Brunner, O. u. a., 5 (1984) 313ff.; Der Statt Wormbs
Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; Blickle, P., Gemeindereformation, 1985;
Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland, hg. v. Schilling, H.,
1986; Sendler, B., Die Rechtssprache in den süddeutschen Stadtrechtsreformationen,
1990; Lutz, H., Reformation und Gegenreformation, 1991, 4. A. 1997, 5. A. 2002;
Blickle, P., Die Reformation im Reich, 3. A. 2000; Wolgast, E., Hochstift und
Reformation, 1995; Keune, H., Die Durchsetzung der Reformation in den
Territorien, Diss. jur. Bonn 1999; Die deutsche Reformation zwischen
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Brady, T., 2001; Burkhardt, J., Das
Reformationsjahrhundert, 2002; Oberman, H., Zwei Reformationen, 2003; Ganzer,
K., Die religiösen Bewegungen im Italien des 16. Jahrhunderts, 2003; Berman,
H., Law and Revolution II, 2003; Mörke, O., Die Reformation, 2005, 2. A. 2011;
Hamm, B./Welker, M., Die Reformation, 2008; Kaufmann, T., Geschichte der
Reformation, 2009; Marshall, P., The Reformation, 2009; Tropper, C., Glut unter
der Asche und offene Flamme, 2011; Kaufmann, T., Der Anfang der Reformation,
2012; Scott, T., The Early Reformation in Germany, 2013; Dixon, C., Contesting
the Reformation, 2012; Das Reformatorenlexikon, hg. v. Leppin, V. u. a., 2013,
2. unv. A. 2016; Schmoeckel, M., Das Recht der Reformation, 2014; Zwischen
Reform und Abgrenzung – Die Römische Kirche und die Reformation, hg. v. Kohnle,
A. u. a., 2014; Negative Implikarionen der Reformation?, hg. v. Greiling, W. u.
a., 2015; Reformation, hg. v. Pohlig, M., 2015; Kaufmann, T., Erlöste und
Verdammte, 2016
Regal ist das vom König beanspruchte
Recht (lat. ius
regale), das seit (dem Wormser Konkordat von) 1122 so bezeichnet wird. Auf dem
Reichstag in Roncaglia erfolgt 1158 eine (unvollständige) Aufzählung der
Regalien. Einzelne Regale sind etwa Salzregal, Bergregal, Judenregal,
Zollregal, Marktregal, Münzregal, Schatzregal, Bodenregal, Wegeregal,
Geleitsregal, Stromregal, Wasserregal, Mühlenregal, Forstregal, Jagdregal,
aber auch Gesetzgebung, Privilegienerteilung, Kriegserklärung, Universitätsgründung
oder Verleihung des Doktorgrads. Seit dem 12. Jh. gehen die Regale (Regalien)
vom König auf die Landesherren über und es entstehen nur noch vereinzelt neue
Regale (z. B. Postregal, Bücherregal als Oberaufsicht über das Bücherwesen). In
der Hand des Landesherrn werden die Regale Teil der allgemeinen Staatsgewalt
(Hoheitsrecht) bzw. privatrechtlich-fiskalisches Recht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109, 113, 124,
150, 167; Wopfner, H., Das Almendregal des Tiroler Landesfürsten, 1906; Pöschl,
A., Die Regalien der mittelalterlichen Kirchen, 1928; Thieme, H., Zur Funktion
der Regalien im Mittelalter, ZRG GA 62 (1942), 57; Classen, P., Der Prozess um
Münsteuer (1154-[11]76) und die Regalienlehre Gerhochs von Reichersberg, ZRG GA
77 (1960), 324; Appelt, H., Der Vorbehalt kaiserlicher Rechte in den Diplomen
Friedrich Barbarossas, MIÖG 68 (1960), 81; Schrader, E., Bemerkungen zum
Spolien- und Regalienrecht der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84
(1967), 128; Lot, F./Fawtier, R., Histoire des institutions françaises, Bd. 2
1985; Waitz, H., Die Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1939; Howell, M., Regalian Right in Medieval England, 1962;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975
Regel, F., Richtschnur, Leitlinie
Lit.: Matthies, D., Exemplifikationen und Regelbeispiele, 2009;
Schwintowski, H., … senn sie wissen nicht, was sie tun!, 2015
Regen
Lit.: Burkhardt, M., Regen, Landgericht Zwiesel und Regen, Pfleggericht
Weißenstein, 1975
Regensburg an der Donau wird nach römischen
Anfängen (80 n. Chr.) im Frühmittelalter Hauptsitz des bayerischen Herzogs, im
Hochmittelalter Reichsstadt (1245). Von 1663 bis 1806 tagt dort der
immerwährende →Reichstag. 1962 wird R. Sitz einer Universität.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Lindner, L., Das bürgerliche
Recht der Reichsstadt Regensburg, Diss. jur. Erlangen 1909; Regensburger
Urkundenbuch, Bd. 1 1913; Knapp, H., Alt-Regensburgs Gerichtsverfassung, 1914,
Neudruck 1978; Heimpel, H., Das Gewerbe der Stadt Regensburg, 1926; Ziegler,
A., Beiträge zur Rechtsgeschichte von Regensburg, 1931; Morré, F., Ratsverfassung
und Patriziat in Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für
Regensburg und Oberpfalz 85 (1935); Klebel, E., Landeshoheit in und um
Regensburg, Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
90 (1940); Die Traditionen des Hochstifts Regensburg, hg. v. Widemann, J.,
1943; Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte der Juden in Regensburg
1453-1738, bearb. v. Straus, R., 1960; Fürnrohr, Der immerwährende Reichstag
zu Regensburg, 1963; Ambronn, K., Verwaltung, Kanzlei und Urkundenwesen der
Reichsstadt Regensburg im 13. Jahrhundert, 1968; Bauer, K., Regensburg, 1970,
6. A. 2014;Bierther, K., Der Regensburger Reichstag von 1640/1641, 1971;
Kleinheyer, G., Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975,
110; Eikenberg, W., Das Handelshaus der Runtinger zu Regensburg, 1976; Schmid,
D., Regensburg 1, 1976; Kraus, A., Regensburg 1989; Schmid, A., Regensburg,
1994; Schmuck, J., Ludwig der Bayer und die Reichsstadt Regensburg, 1997;
Geschichte der Stadt Regensburg, hg. v. Schmid, P., 2000; Deutsch, C., Ehegerichtsbarkeit
im Bistum Regensburg (1480-1538), 2005; Friedrich, S., Drehscheibe Regensburg,
2007; Schmidt, R., Zur Rechtsprechung Regensburger Gerichte im 14.
Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 82; Trapp, E., Welterbe Regensburg, 2008;
Kalb, J., Die innerstädtische Auseinandersetzung in Regensburg am Ende der
Reichsunmittelbarkeit, 2014; Netzwerke gelehrter Mönche – St. Emmeram im
Zeitalterder Aufklärung, hg. v. Löffler, N. u. a., 2015; Kleine Regensburger
Münzgeschichte, hg. v. Beer, J. u. a., 2016
Regent ist der Herrscher oder Fürst oder
der Mensch, der für einen anderen im Falle einer Verhinderung die
Regierungsgewalt ausübt.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Elpers, B., Regieren, Erziehen, Bewahren, 2003; Puppel,
P., Die Regentin, 2004
Regest ist die Angabe von Ausstellungsdatum,
Ausstellungsort, Aussteller, Adressat, Inhalt und Fundstelle einer Urkunde,
Regesten die meist chronologisch geordnete Mehrheit einzelner Regeste
(Urkundenverzeichnis) (z. B. der Kaiser und Könige des deutschen Reichs [Bd. 1
Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751-918, Bd. 2 Sächsisches
Haus 919-1024, Bd. 3 Salisches Haus 1024-1125, Bd. 4 Ältere Staufer 1125-1197,
Bd. 5 Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV., Friedrich II.
Heinrich u. s. w., Bd. 14 Ausgewählte
Regesten des Kaiserreiches unter Maximilian I. 1493-1519]).
Lit.: Köbler, DRG 145; Böhmer, J. F., Regesta imperii,
Bd. 1ff. 1831ff., 2. A. 1889ff.; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd.
1f. 4. A. 1968ff.; Brandt, A., Regesten der Lübecker Bürgertestamente des
Mittelalters, Bd. 1ff. 1964ff.; Santifaller, L., Bericht über die Regesta
imperii (1829-1967), Anzeiger der phil.-hist. Kl. d. österreichischen Ak. d.
Wiss. 106 (1969), 299; Die Regesta Imperii, hg. v. Zimmermann, H., 2000;
REGESTA IMPERII online – RI OPAC online http://regesten.regesta-imperii.de/
(http://www.regesta-imperii.org);
Heinig, P., Regesta imperii, DA 62 (2006), 631, 63 (2007), 613
Regierung ist das kollegiale Verfassungsorgan,
dem die Staatsleitung zusteht bzw. (Bezirksregierung) eine mittlere Landesbehörde.
Von R. wird seit dem ausgehenden Spätmittelalter gesprochen. In der konstitutionellen
Monarchie gewinnt die R. als Spitze der ausführenden Gewalt tatsächlich
allmählich eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Herrscher, im parlamentarischen
System ist sie vom Vertrauen des Parlaments abhängig und wird deshalb von der
Mehrheitspartei oder einer Mehrheitskoalition gestellt. (Politische) Akte der
Regierung sind (nach nachrevolutionärem französischem Vorbild) grundsätzlich
verwaltungsgerichtlicher Überprüfung entzogen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 197, 247;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 361; Schücking, W., Der
Regierungsantritt, 1899; Schlitter, H., Die Regierung Josephs II., 1900; Meyer,
F., Der Begriff der Regierung im Rechtsstaat, 1948; Kassimatis, G., Der Beeich
der Regierung, 1967, Neudruck 2014; Press, V., Calvinismus und
Territorialstaat, 1970; Knemeyer, F., Regierungs- und Verwaltungsreformen in
Deutschland, 1970; Scheibelreiter, G., Der Regierungsantritt des
römisch-deutschen Königs (1056-1138), Diss. phil. Wien 1971; Gesellschaft,
Parlament und Regierung, hg. v. Ritter, G., Teil 1 1974; Frotscher, W.,
Regierung als Rechtsbegriff, 1975; Stürmer, M., Regierung und Reichstag, 1975;
Die Regierungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten 1815/1933, hg. v.
Schwabe, K., 1983; Reuschling, H., Die Regierung des Hochstifts Würzburg, 1984;
Lodemann, C., Die Geschichte des französischen acte de gouvernement, 2005;
Mittelalterliches Regieren in der Moderne oder Modernes Regieren im
Mittelalter?, hg. v. Esders, S. u. a., 2015
Regiment (N.) Leitung, Heeresteil, Behörde
(z. B. 1499 für die oberösterreichischen Länder in Innsbruck, 1501 für die
niederösterreichischen Länder in Linz bzw. 1510 Wien, 1564 für die innerösterreichischen
Länder in Graz, 1744 Landesjustizstellen, 1763 in Gubernien aufgegangen)
Regino von Prüm (Altrip um 840?-Trier 892), aus
fränkischem Adel (?), wird 892 Abt von Prüm (893 Anlegung des Prümer Urbars)
und nach Vertreibung 899 Abt von St. Martin in Trier. Um 906 verfasst er das in
zwei Bücher geteilte kirchenrechtliche Handbuch (lat.) De synodalibus causis et
disciplinis ecclesiasticis (Über Synodalsachen und kirchliche Disziplinen) mit
96 Fragen an den Pfarrer und 89 Fragen an die Gemeindeglieder. Es wird von
→Burchard von Worms verwertet.
Lit.: Libri duo de synodalibus causis, hg. v.
Wasserschleben, F., 1840; Koeniger, A., Die Sendgerichte in Deutschland, Bd. 1
1907; Hellinger, W., Die Pfarrvisitation nach Regino von Prüm, ZRG KA 48 (1962),
1, 49, (1963), 76; Lotter, F., Ein kanonistisches Handbuch über die
Amtspflichten, ZRG KA 62 (1976), 1; Schleidgen, W., Die Überlieferungsgeschichte
der Chronik des Regino von Prüm, 1977; Schmitz, G., Ansegis und Regino, ZRG KA
74 (1988), 95; Das Sendhandbuch des Regino von Prüm, hg. v. Hartmann, W., 2004
Register (N., Wort 1307) Verzeichnis (z. B.
römischer Behörden im Altertum, der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. oder
allgemein üblich seit dem 12./13. Jh.)
Lit.: Silagi, G., Landesherrliche Kanzleien, 1984;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
regnum (lat. N.)
Reich, Königreich
Lit.: Herkenrath, R., Regnum und imperium – das Reich
in der frühstaufischen Kanzlei (1138-1155), 1969; Goetz, H., Regnum – zum
politischen Denken der Karolingerzeit, ZRG GA 104 (1987), 110; Staat- und
Volkwerdung, hg. v. Brühl, C., 1995; Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a.,
2002
regnum (N.) Teutonicum (lat.) deutsches Reich (um 1000)
Lit.: Müller-Mertens, E., Regnum Teutonicum, 1970
Regredienterbe (M.) weichender Erbe
Regress ist der Rückgriff eines zunächst zu
einer Leistung Verpflichteten auf einen weiteren, vielfach nur im
Innenverhältnis zur Erbringung der Leistung Verpflichteten. Er findet sich
bereits im römischen Recht. Von der dortigen Verpflichtung des Gläubigers, dem
leistenden Bürgen seine Forderung gegen den Schuldner abzutreten, ausgehend
entwickelt sich für viele unterschiedliche Fälle des Regresses ein allgemeiner
Forderungsübergang kraft Gesetzes.
Lit.: Kaser § 52 II 2; Schulz, F., Rückgriff und
Weitergriff, 1907; Selb, W., Schadensbegriff und Regreßmethoden, 1963
regula (lat. F.)
Richtschnur, Regel (z. B. regula iuris)
Lit.: Söllner § 15; Köbler, DRG 53
Regula (F.) aurea (lat.) (goldene
[Verhaltens-]Regel) ist die schon dem Altertum geläufige Vorstellung, dass man
so handeln solle, wie man wünsche, dass alle handeln würden bzw. alles
unterlassen solle, von dem man wünsche, dass es andere unterlassen würden.
Lit.: Philippidis, L., Die Goldene Regel, 1929; Dihle,
A., Die Goldene Regel, 1962; Spendel, G., Die Goldene Regel als Rechtsprinzip,
FS F. v. Hippel, 1967, 491
Regula (F.) Benedicti (lat.) (Benediktinerregel) ist
die in der ersten Hälfte des 6. Jh.s von Benedikt von Nursia (um 480-557) für
den von ihm geleiteten ältesten abendländischen Mönchsorden (→Benediktiner)
als (lat. F.)
lex (Gesetz) geschaffene, in 73 Kapitel gegliederte Klosterregel (Verfassung,
Tugendlehre, Gottesdienst, Strafe, Verwaltung, Wahl, Aufnahme). Ihre Quellen
sind die Bibel, Augustinus, monastisches Schrifttum und die nach 500 (Rom 1.
Viertel 6. Jh.) entstandene anonyme (lat.) regula (F.) magistri (Regel des
Meisters).
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Die Benediktusregel, hg. v. Steidle, B., 4. A. 1980; Jakobs, U., Die
Regula Benedicti als Rechtsbuch, Diss. jur. Frankfurt am Main 1985; Regula
Benedicti, 1992
Regulae (F.Pl.) Ulpiani (Regeln Ulpians) sind der
vermutlich am Ende des 3. oder Anfang des 4. Jh.s aus Schriften des Gaius,
Ulpian und Modestin hergestellte römische Rechtstext, von dem ein Auszug in
einer Handschrift der ersten Hälfte des 4. Jh.s erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39 II 2b; Köbler,
DRG 52
Regularkanoniker ist der sich einer weitergehenden
Lebensordnung (Regel) unterstellende →Kanoniker.
Lit.: Weinfurter, S., Neuere Forschungen zu den
Regularkanonikern, HZ 224 (1977), 379
Regulierung ist die Änderung einer Lage durch Regeln. Die
R. der Probleme des natürlichen Monopols der Eisenbahnen wird in England (1844)
und Preußen (1838) in der ersten Hälfte des 19. Jh.s mit unzureichenden Mitteln
versucht, denen gegenüber die Vereinigten Staaten von Amerika 1887 (Interstate
Commerce Commission) erfolgreicher sind.
Lit.: Regulierung im Telekommunikationssektor, hg. v. Michalczyk, R. u.
a., 2012; Moderne Regulierungssysteme - Regulierte Selbstregulierung im frühen
Interventions- und Sozialstaat, hg. v. Collin, P. u. a., 2012; Gestaltung der
Freiheit, hg. v. Schorkopf, F. u. a., 2013; Regulation between Legal Norms and
Economic Reality, hg. v. Schulz, G. u., 2014
Regulierungsedikt ist das am 14. 9. 1811 in
→Preußen erlassene Edikt die Rechte der gutsherrlichen und bäuerlichen
Verhältnisse betreffend, das nach dem 1798 im linksrheinischen Gebiet
verwirklichten Vorbild Frankreichs dem einzelnen Bauern Eigentum an Grund und
Boden verschafft. →Bauernbefreiung
Lit.: Köbler, DRG 174; Eisenhardt, U., Deutsche
Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Reich ist das Herrschaftsgebiet eines
Herrschers. Dabei steht im Altertum das (lat.) imperium (N.) Romanum (römische
Reich) im Vordergrund. Von den dessen weströmischen Teil auflösenden Reichen
einzelner germanisch/germanistischer Völker gewinnt das fränkische Reich die
größte Bedeutung. Unter dem Karolinger Karl dem Großen wird es an Weihnachten
800 zum Kaiserreich. Nach seiner Teilung (843/887) bleibt die Kaiserwürde im
ostfränkischen Reichsteil, der sich zum deutschen R. entwickelt. Hier treten
bald König/Kaiser und →Reichsstände einander gegenüber. An deren Gegensatz
zerbricht unter dem Druck Napoleons bzw. Frankreichs das R. am 6. 8. 1806 als
Heiliges römisches R. . Das von Bismarck 1871 geschaffene zweite Deutsche R.,
das Adolf Hitler 1933 zum →Dritten R. umwandelt, ist demgegenüber ein
eher kurzlebiger Nationalstaat. Nach 1945 ist der Begriff R. für die Gegenwart
durch Bund ersetzt. Von der Ausdehnung her größtes Reich dürfte das britische
Weltreich gewesen s
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 94, 101, 109,
112, 133, 138, 147, 150, 169, 172, 233; Köbler, WAS; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 4 1984, 423; Becker, J., Kritik der deutschen
Reichsverfassung, 1796ff., hg. v. Burgdorf, W., 2009; Zeumer, K., Heiliges
römisches Reich deutscher Nation, 1910; Krammer, M., Der Reichsgedanke des
staufischen Kaiserhauses, 1908; Heine, H., Das Werden des deutschen Reichs, 2.
A. 1944; Thamm, M., Die Terminologie des Wortes „Reich“, Diss. phil. Frankfurt
1959; Wolfram, H., Splendor imperii, 1963; Herkenrath, R., Regnum und imperium,
1969 (SB Wien); Steinbach, H., Die Reichsgewalt und Niederdeutschland in
nachstaufischer Zeit, 1968; Binder, H., Reich und Einzelstaaten während der
Kanzlerschaft Bismarcks, 1971; Moraw, P., König, Reich und Territorium, 1971;
Mühlen, P. v. zur, Die Reichstheorien in der deutschen Historiographie des
frühen 18. Jahrhunderts, ZRG GA 89 (1972), 118; Duchhardt, H., Protestantisches
Kaisertum und Altes Reich, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979;
Müller-Mertens, E., Die Reichsstruktur im Spiegel der Herrschaftspraxis Ottos
des Großen, 1980; Das römisch-deutsche Reich im politischen System Karls V.,
hg. v. Lutz, H., 1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984, 2. A.
1994; Schulze, H., Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen, 1987; Aretin,
K., Frhr. v., Das Reich, 1988; Weisert, H., Der Reichstitel bis 1806, Archiv
für Diplomatik 40 (1994), 441; Alternativen zur Reichsverfassung, hg. v. Press,
V. u. a., 1995; Vogler, G., Absolutistische Herrschaft und ständische
Gesellschaft, 1996; Neue Studien zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte, hg. v.
Kunisch, J., 1997; Recht und Reich im Zeitalter der Reformation, hg. v. Roll,
C., 2. A. 1997; Schulze, H., Kaiser und Reich, 1998; Schatz, J., Imperium, pax
et iustitia, 2000; Gotthard, A., Das alte Reich 1495-1806, 2003, 4. A. 2011, 5.
A. 2014; Reichspersonal, hg. v. Baumann, A. u. a., 2004; Das Reich und seine
Territorialstaaten im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Klueting, H. u. a., 2004;
Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa, hg. v.
Schneidmüller, B., 2006; Carl, H., Kaiser, Reichstag, Reichsgerichte - das
Reich als Medienereignis, 2012; Universal Empire, hg. v. Bang, P. u. a., 2012;
Davies, N., Verschwundene Reiche, 2013; Imperien und Reiche in der
Weltgeschichte, hg. v. Gehler, M. u. a., 2014; Was das Reich zusammenhielt, hg.
v. Bongartz, J. u. a., 2017
Reichenau ist die Insel im unteren Bodensee,
auf der um 724 eine rasch bedeutend werdende Bendediktinerabtei gegründet wird,
aus der eine Formelsammlung des späten 8. Jh.s überliefert ist.
Lit.: Die Kultur der Reichenau, Bd. 1, hg. v. Beyerle,
K., 1925; Die Gründungsurkunden der Reichenau, hg. v. Classen, P., 1977;
Schmidt, R., Reichenau und St. Gallen, 1985; Richter, M., Neues zu den
Anfängen, ZGO 144 (1996), 1; Rappmann, R./Zettler, A., Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft,
1998; Verblichener Glanz, hg. v. Kreutzer, T., 2007
Reichsabschied (lat. recessus M.
imperii) ist seit 1497 die in Deutsch gehaltene Zusammenfassung der Beschlüsse
des Reichstags des Heiligen römischen Reiches am Ende der Tagung. Der R.
enthält die jeweils vom Reichstag geschaffenen Gesetze. Der R. erlangt mit der
Verlesung in einer Schlusssitzung Gesetzeskraft. Die weitere Verbreitung des
Reichsabschiedes ist den Reichsständen überlassen. Der jüngste R. stammt von
1654. Danach werden die Reichsschlüsse des immerwährenden Reichstags gesondert
verkündet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 6, 148; Neue und
vollständige Sammlung der Reichsabschiede, hg. v. Schmauß, J. u. a., Teil 1ff.
1747, Neudruck 1967; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/NeueUndVollstaendigereSammlungDerReichsabschiede1747.pdf;
Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966, 134; Laufs, A., Der jüngste Reichsabschied
von 1654, 1975; Hof, Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994
Reichsabt ist der Abt einer reichsunmittelbaren
Abtei.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Vogtherr, T., Die Reichsabteien der Benediktiner, 2000; Zisterzienserklöster
als Reichsabteien, hg. v. Krimm, K. u. a., 2017
Reichsacht ist die im Hochmittelalter und
Spätmittelalter für das gesamte →Reich verhängte →Acht. Die
hofgerichtliche und kammergerichtliche R. können nur gegen den ausgesprochen
werden, der trotz dreimaliger Ladung vor den König oder das königliche Gericht
ausbleibt. Löst sich der Geächtete nicht aus der R., kann gegen ihn die
Reichsaberacht verhängt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Poetsch, J., Die
Reichsacht, 1911; Battenberg, F., Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter,
1984
Reichsadel ist der mit dem →Reich
besonders verbundene →Adel. Dies ist insbesondere der reichsunmittelbare
Adel mit Reichsstandschaft im Reichstag. Im weiteren Sinn zählt hierzu auch der
durch das Reich seit dem 14. Jh. (1346) geschaffene Briefadel.
Lit.: Bornhak, C., Deutsches Adelsrecht, 1929
Reichsadler ist der als Symbol des
→Reiches verwendete →Adler.
Reichsamt ist die im zweiten Deutschen Reich
seit 1870/1 zur Abwehr der liberalen Wunschvorstellungen eines verantwortlichen
Reichsministeriums (Reichskanzleramts) gebildete selbständige Reichsbehörde
(1870/1 auswärtiges Amt, 1872 Admiralität, 1873 Reichseisenbahnamt, 1876/1880
Reichspostamt, 1877 Reichsjustizamt, 1879 Amt für Inneres, 1879 Reichsschatzamt).
Der Leiter eines Reichsamts wird bald dem Kaiser unmittelbar verantwortlich.
Die Zahl der Reichsämter erhöht sich später noch.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 196
Reichsapfel ist die als Symbol des Reiches
verwendete Kugel, die auf der Grundlage antiker Vorbilder im Mittelalter
(Heinrich II., Heinrich IV. 1106, Heinrich VI. 1191)
erscheint. Der noch vorhandene R. stammt vielleicht aus dem späten 12. Jh.
Lit.: Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954;
Schramm, P., Sphaira, Globus, Reichsapfel, 1958
Reichsarbeitsdienst ist der auf der Grundlage früherer
freiwilliger Arbeitsdienste der studentischen Arbeitslagerbewegung von Adolf
→Hitler 1935 zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit eingerichtete
Arbeitsdienst mit einer halbjährigen Arbeitsdienstpflicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Reichsarchiv ist das 1919 in Potsdam gegründete
zentrale Archiv des Deutschen Reiches. Ältere Versuche der Einrichtung eines
Reichsarchivs bleiben erfolglos. Nachfolger ist in der Bundesrepublik
Deutschland das Bundesarchiv.
Lit.: Lünig, J., Teutsches Reichsarchiv, Bd. 1ff.
1713ff.; Rühle, G., Das Dritte Reich, Bd. 1ff. 1934ff.
Reichsbank ist die am 1. 1. 1876 errichtete
Zentralnotenbank des zweiten Deutschen Reiches zur Regelung des Geldumlaufs,
Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und Nutzbarmachung des verfügbaren
Kapitals, die tatsächlich 1945 und formal am 2. 8. 1961 aufgelöst wird.
Lit.: Beutler, R., Die Reichsbank, 1909; Wussow, H.,
Die Zentralbanken, Diss. jur. Frankfurt am Main 1955 masch.schr.; Clavert, F.,
Hjalmar Schacht, 2009
Reichsbistum ist das im fränkisch-deutschen
Reich bestehende Bistum bzw. das reichsunmittelbare Bistum.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Feine, H., Die
Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964
Reichsbürgergesetz ist das am 15. 9. 1935 geschaffene
Gesetz, das als Reichsbürger nur die Staatsbürger deutschen oder artverwandten
Blutes ansieht.
Lit.: Köbler, DRG 222; Stuckart/Globke, H.,
Reichsbürgergesetz, 1936
Reichsdeputation ist der vom Reichstag des Heiligen
Römischen Reiches seit dem 16. Jh.
gebildete Ausschuss. Die R. kann ordentliche R. oder außerordentliche R. sein.
Lit.: Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966,
74, 253
Reichsdeputationshauptschluss ist der - von der Reichskirche einigermaßen
widerstandslos hingenommene - Beschluss (Hauptschluss) der letzten
außerordentlichen mit Mainz, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Bayern,
Hessen-Kassel, Württemberg und dem Hoch- und Deutschmeister besetzten
→Reichsdeputation des Heiligen Römischen Reiches vom 25. 2. 1803 (24. 3.
1803 ohne Gegenstimmen Reichsgutachten des Reichstags, 28. 4. 1803 Genehmigung
des Kaisers [mit einigen Ausnahmen]). Der R. beendet auf Grund eines von
→Frankreich und →Russland vorgelegten Entwurfs rechtsrheinisch für
drei Kurfürstentümer (Köln, Trier, Pfalz), 24 Fürstentümer [19
Reichsbistümer], 44 Reichsabteien und 41 Reichsstädte (112 Reichsstände) die
Selbständigkeit und teilt ihr Gebiet (rund 10000 Quadratkilometer geistliches
Gebiet mit 3,161 Millionen Einwohnern) zur bereits auf dem Rastatter Kongress
(1797-1799) beschlossenen Entschädigung für linksrheinische Verluste an
Frankreich [Friede von Lunéville 1801] anderen Reichsständen (Baden, Bayern,
Preußen, Württemberg) zu. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches endet auch der formell rechtmäßig zustande
gekommene, inhaltlich mangels Zustimmung der Betroffenen rechtswidrige,
tatsächlich aber auf Grund der normativen Kraft des Faktischen rechtswirksame
R., doch wirken die durch ihn geschaffenen Veränderungen fort.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 132; Gaspari, A.,
Der Deputations-Receß, 1803, hg. v. Becker, H., 2003; Wende, P., Die
geistlichen Staaten, 1966; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss,
1969; Schroeder, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, JuS 1989, 351; Der
Reichsdeputationshauptschluss von 1803, hg. v. Hufeld, U., 2003; Knecht, I.,
Der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, 2007; Klueting, H.,
Zweihundert Jahre Reichsdeputationshauptschluss, HZ 286 (2008), 403;
Olschewski, B., Herrschaftswechsel - Legitimitätswechsel, 2009
Reichsdienstmann ist der im Dienst des
→Reiches stehende Dienstmann oder Ministeriale. Seit der karolingischen
Zeit steigt er aus der Unfreiheit in den niederen Adel (14. Jh.) auf. 1128 wird
er erstmals als (lat.) ministerialis (M.) regni ausdrücklich genannt.
Lit.: Köbler, DRG 98; Weimann, K., Die Ministerialität
im späten Mittelalter, 1924; Segner, U., Die Anfänge der Reichsministerialität,
1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f. 1950f.; Wadle, E., Reichsgut
und Königsherrschaft, 1969
Reichsdorf ist das reichsunmittelbare Dorf.
Aus dem umfänglichen Reichsgut lassen sich später noch etwas mehr als 100
Reichsdörfer (120 Reichsflecken und Reichshöfe) sichern. Sie sind frei von
grundherrlichen Lasten und Träger von gerichtlichen Rechten. Bis zum Jahre 1803
geraten sie außer Gochsheim, Sennfeld, Sulzbach, Soden und den freien Leuten
auf der Leutkircher Heide unter eine Landesherrschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 110;
Hugo, G., Verzeichnis der freien Reichsdörfer, Z. f. Archivkunde 2 (1836), 446;
Weber, F., Geschichte der fränkischen Reichsdörfer Gochsheim und Sennfeld,
1913; Kaufmann, E., Geschichte und Verfassung der Reichsdörfer Soden und
Sulzbach, Diss. phil. Frankfurt am Main 1951, Neudruck 1984; Kegel-Schorer, C.
de, Die Freien auf Leutkircher Heide, 2007
Reichserbhofgesetz ist das die Testierfreiheit des
Eigentümers eines Erbhofs zugunsten der Wirtschaftsfähigkeit einschränkende
deutsche Reichsgesetz vom 1. 10. 1933 (1939 rund 700000 Erbhöfe, 21,6 % der
Höfe im deutschen Reich [40 Prozent der gesamten land- und
forstwirtschaftlichen Betriebsfläche] und 27,9 Prozent der Höfe in Bayern sind
Erbhöfe), das von den Betroffenen trotz mehr als 100000 Einsprüchen im Großen
und Ganzen wohl angenommen wird, seine ideologischen Ziele aber letztlich nicht
erreicht.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reichserbhofgesetz1933.pdf;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 239; Grundmann, F., Agrarpolitik im „Dritten
Reich“, 1979; Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts zwischen 1933 und
1953, 1989; Weitzel, J., Sonderprivatrecht aus konkretem Ordnungsdenken, ZNR
14 (1992), 55; Schobert, G., Die Anwendung des Reichserbhofgesetzes im
ehemaligen Amtsgerichtsbezirk Pfaffenhofen, 2007; Böse, C., Die Entstehung
und Fortbildung des Reichserbhofgesetzes, 2008
Reichsexekution ist die Vollstreckung von Urteilen
des Reichskammergerichts und des Reichshofrats sowie die Sicherung des
Landfriedens im Heiligen Römischen Reich . Die Ordnung der R. ist in
verschiedenen Reichsabschieden des 16. Jh.s behandelt (vor allem 1555). Die
rechtstatsächliche Bedeutung der R. ist gering.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Ernst, V., Die Entstehung der Exekutionsordnung von 1555, Württemberg. Vjh. f.
LG. N.F. 10 (1901), 1; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1971
Reichsfahne ist die vor allem als Kriegsfahne
als Symbol des Reiches verwendete →Fahne. Ihre anfängliche Farbe ist
streitig (rot?, gold?, gold und silbern?, gold und rot?, weiß und rot?). Im 12.
Jh. wird der →Adler in sie aufgenommen. 1848 werden Schwarz-Rot-Gold,
1871 Schwarz-Weiß-Rot und 1919 Schwarz-Rot-Gold als Farben festgelegt. Das
Hakenkreuz des Deutschen Reiches bleibt kurzes Zwischenspiel von 1933 bis 1945.
Lit.: Buschkiel, L., Die deutschen Farben, 1935;
Schramm, P., Herrschaftszeichen und Staatssymbol, Bd. 2 1955, 643
Reichsfarben →Reichsfahne
Lit.: Wentzcke, P., Die deutschen Farben, 2. A. 1955
Reichsfinanzen sind die Einkünfte des
→Reiches. Sie bestehen im Mittelalter vor allem aus den Erträgnissen der
Königshöfe, aus jährlichen Gaben und aus Bannabgaben, Friedensgeldern, Zöllen
und Münzabgaben. Durch die Vergabung des Königsguts werden sie geringer. Im
zweiten Deutschen Reich stehen dem Reich die Zölle und Verbrauchsabgaben bis
zur Höhe von 130 Millionen Mark, die Posteinkünfte und Beiträge der
Einzelstaaten (Matrikularbeiträge) zu. Seit 1881 werden zur Verbesserung der
bedrängten Finanzlage besondere Reichssteuern festgesetzt.
Lit.: Köbler, DRG 196, 233; Troe, H., Münze, Zoll und
Markt, 1937; Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1;
Schulze, W., Reichskammergericht und Reichsfinanzverfassung, 1989
Reichsfinanzhof ist das mit Gesetz vom 26. 7. 1918
geschaffene, in München zum 1. 10. 1918 eingerichtete oberste deutsche Gericht
in Finanzstreitigkeiten bzw. Steuersachen. Sein Nachfolger ist der
Bundesfinanzhof.
Reichsfiskal →Fiskal
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Reichsforst →Forst
Reichsfürst ist der sich im 12./13. Jh. aus dem
Reichsadel aussondernde reichsunmittelbare Fürst (um 1190 92 geistliche und
22 weltliche Reichsfürsten). Er kann weltlicher R. (Herzog oder herzogsgleich)
oder geistlicher R. (Erzbischof, Bischof, Abt, Äbtissin) sein. Mehr als
einfacher R. ist der →Kurfürst. Im Hochmittelalter beträgt die Zahl der
Reichsfürsten etwa 110 bis 120, von denen drei Viertel geistliche Reichsfürsten
sind. Es gibt weder landrechtlich noch lehnrechtlich eindeutige rechtliche, die
Reichsfürsten von anderen hochadligen Geschlechtern abhebende Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 110, 135, 148,
153; Ficker, J.(/Puntschart, P.), Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1f. 1861ff.,
Neudruck 1961; Schönherr, F., Die Lehre vom Reichsfürstenstande, 1914; Moeller,
R., Die Neuordnung des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 39 (1918), 1; Stengel, E.,
Land- und lehnrechtliche Grundlagen des Reichsfürstenstandes, ZRG GA 66 (1948),
294; Engelbert, G., Die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, Diss. phil.
Marburg 1948 (masch.schr.); Hinz, G., Territorialstaatsbewusstsein und
Reichsgedanke, 1956; Schubert, E., König und Reich, 1979; Klein, T., Die
Erhebungen in den weltlichen Reichsfürstenstand 1500-1806, Bll. f. dt. LG 122
(1986), 137ff.; Vom Reichsfürstenstande, hg. v. Heinemeyer, W., 1987; Arnold,
B., Princes and Territories, 1991; Willoweit, D., Fürst und Fürstentum in den
Quellen der Stauferzeit, Rhein. Vjbll. 63 (1999); Schlinker, S., Fürstenamt und
Rezeption, 1999; Der zweite Mann im Staat, hg. v. Kaiser, M. u. a., 2003;
Schmidt, A., Bischof bist Du und Fürst – Die Erhebung geistlicher Reichsfürsten
im Spätmittelalter – Trier, Bamberg, Augsburg, 2015
Reichsfürstenrat ist der seit dem 15. Jh. (1471,
1486) von den →Reichsfürsten, reichsständischen Grafen und Herren und den
nicht gefürsteten Prälaten gebildete Rat innerhalb des Reichstags. Er besteht
aus einer geistlichen, vom Herzog (Pfalzerzherzog) von Österreich angeführten
Bank und einer weltlichen, vom Herzog von Bayern angeführten Bank. 1582 kommen
53 Virilstimmen den weltlichen Fürsten, 46 Stimmen den geistlichen Fürsten zu.
Es besteht eine katholische Mehrheit der Stimmen (alle geistlichen Stimmen und
22 Stimmen von 64 weltlichen Stimmen). 1792 weist der R. 94 (35 geistliche und
59 weltliche) Virilstimmen und 6 (2 geistliche und 4 weltliche) Kuriatstimmen
auf (37 geistliche Fürsten, 63 weltliche Fürsten), 1803 127 Virilstimmen und 4
Kuriatstimmen.
Lit.: Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat,
1882; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsgebiet ist das Gebiet des →Reiches.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kirn, P.,
Politische Geschichte der deutschen Grenzen, 4. A. 1958; Deutschlands Grenzen
in der Geschichte, hg. v. Demandt, A., 3. A. 1993
Reichsgericht ist allgemein das für das
→Reich zuständige Gericht. Dies ist für das fränkisch-deutsche Reich das
Gericht des Königs, seit 1495 das →Reichskammergericht und danach neben
ihm der →Reichshofrat. 1848 geplante Reichsgerichte scheitern mit den
Verfassungen. Für das zweite Deutsche Reich wird am 1. 10. 1879 ein neues R.
mit fünf (1893 6) Zivilsenaten und drei (1893 4) Strafsenaten in Leipzig
eröffnet (1893 81 Richter), das dem Reichsoberhandelsgericht bzw. dem
Bundesoberhandelsgericht nachfolgt. Es ist hauptsächlich Revisionsgericht.
Ihm organisatorisch eingegliedert und personell mit ihm verknüpft sind
Staatsgerichtshof und Reichsarbeitsgericht. Sein zweiter Senat ist für das
rheinische Recht zuständig und orientiert sich in seinen Entscheidungen (bis
1900 rund 1000) an der französischen Rechtsprechung zum Code civil. Am 19. 4.
1945 bzw. nach der Bildung einer Kommission zur Bewahrung der Sachwerte des
Reichsgerichts innerhalb der sowjetischen Besatzungszone am 8. 10. 1945 wird
es geschlossen. Die amtliche Sammlung seiner Entscheidungen umfasst 172 Bände
mit mehr als 15000 Entscheidungen auf etwa 91000 Seiten. →Bundesgerichtshof.
Von 1869 bis 1918 besteht auch in Österreich ein R. (mit einem Präsidenten,
einem Vizepräsidenten und 12 Mitgliedern) als Verfassungsgericht (Zuständigkeitsstreitigkeiten,
Grundrechtsangelegenheiten, Kausalgerichtsbarkeit), dem 1919 der Verfassungsgerichtshof
folgt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 195, 200, 215,
218, 231; Fünfzigjahrfeier des Reichsgerichts, 1929; Die Reichsgerichtspraxis,
hg. v. Schreiber, O., Bd. 1ff. 1929; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schwind, H., Die römischen Rechtsquellen in
den Entscheidungen des Reichsgerichts seit Inkrafttreten des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, Diss. jur. Erlangen 1954 (masch. schr.); Schorn, H., Der Richter
im Dritten Reich, 1959; Hertz, F., Die Rechtsprechung der höchsten
Reichsgerichte, MIÖG 69 (1961), 331; Kaul, F., Geschichte des Reichsgerichts,
1971; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972; Kolbe, D.,
Reichsgerichtspräsident Dr. Erwin Bumke, 1975; Schubert, W., Die Aufhebung des
Berliner Obertribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 419; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 1991 (1945
rund 300000 Bände); Sammlung sämtlicher Erkenntnisse des Reichsgerichts in
Zivilsachen, hg. v. Schubert, W., 1992ff.; Wiegendrucke der Bibliothek des
Reichsgerichts, bearb. v. Otto, J., 1994; Nachschlagewerk des Reichsgerichts.
Bürgerliches Gesetzbuch, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1994ff.; Das
Reichsgericht, hg. v. stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, 1995; Grimm, D., Das
Reichsgericht in Wendezeiten, NJW 1997, 2719; Müller, K., Die Hüter des Rechts,
1997; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Preußisches Landrecht, hg. v.
Schubert, W. u. a., 1998; Weidenthaler, H., Die Strafsenate des Reichsgerichts,
Diss. jur. Würzburg 1999; Dorsch, T., Der Reichsgerichtsbau in Leipzig, 1999;
Fortitudo temperantia Die Rechtsanwälte am Reichsgericht und beim
Bundesgerichtshof, hg. v. d. Verein der beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwälte, 2000; Möller, K., Die Rechtsprechung des Reichsgerichts in
Zivilsachen, 2001; Westphal, S., Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche
Stabilisierung, 2002; Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des
Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 2005; RGZ –
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen 1880-1945. Archiv-DVD. 2004;
Neschwara, C., Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Monarch und
Parlament – Österreichs Reichsgericht von 1869 bis 1918, ZRG GA 123 (2006),
310; 125 Jahre Reichsgericht, hg. v. Kern, B. u. a., 2006; (Müller, S.,) Das
Reichsgerichtsgebäude in Leipzig, 2008; Geyer, S., Den Code civil „richtiger“
auslegen, 2008; Markgraf, H., Skurrilitäten aus der Rechtsprechung des
Reichsgerichts, 2010; Löhnig, M., Rechtsvereinheitlichung trotz Rechtsbindung,
2012; Dauer, F., Die Bibliothek des Reichsgerichts, 2013
Reichsgesetz ist das vom →Reich geschaffene
bzw. für das Reich geltende →Gesetz. Im Heiligen römischen Reich entsteht
das R. auf Vorschlag (Proposition) des Kaisers durch Zustimmung der drei Kurien
Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat und Städtekollegium (Reichsgutachten)
und des Kaisers (Reichsschluss). Wegen des verwickelten Verfahrens ist das R.,
von einigen Ausnahmen abgesehen (z. B. Constitutio Criminalis Carolina, Reichskammergerichtsordnung,
Reichspolizeiordnung), nicht sehr bedeutsam. Dagegen wird im zweiten
Deutschen Reich durch R. das deutsche Reichsrecht auf fast allen Gebieten
vereinheitlicht (→Strafgesetzbuch, →Strafprozessordnung,
→Zivilprozessordnung, →Bürgerliches Gesetzbuch). Seit dem 19. Jh.
wird das R. formell im Reichsgesetzblatt publiziert.
Lit.: Köbler, DRG 148; Zeumer, K., Studien zu den
Reichsgesetzen des 13. Jahrhunderts, ZRG GA 23 (1902), 61; Hartz, W., Die
Gesetzgebung des Reichs, 1931; Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Ebel,
W., Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck
1988; Diestelkamp, B., Die deutsche Reichsgesetzgebung im 19. und 20.
Jahrhundert, (in) Särtryk ur Rättshistoriska studier (Serien II) Bd. 7 1982,
206
Reichsgesetzgebung →Reichsgesetz
Reichsgraf ist seit der frühen Neuzeit der zum
→Reich in unmittelbarer Beziehung stehende →Graf.
Lit.: Böhme, E., Das fränkische Reichsgrafenkollegium
im 16. und 17. Jahrhundert, 1989; Schmidt, G., Der Wetterauer Grafenverein,
1989; Arndt, J., Das niederrheinsch-westfälische Reichsgrafenkollegium, 1991;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Busch, T., Herrschen durch
Delegation, 2008
Reichsgut ist im Mittelalter das dem
→Reich zustehende Gut (Eigen, Lehen
u. s. w.). Die Abgrenzung des Reichsguts vom Hausgut ist kaum sicher
durchzuführen. Seit dem Spätmittelalter ist das alte R. dem König verloren. Er
muss sich allein auf sein Hausgut stützen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 112, 150;
Niese, H., Die Verwaltung des Reichsgutes im 13. Jahrhundert, 1905; Kraft, R.,
Das Reichsgut im Wormsgau, 1934; Rotthoff, G., Studien zur Geschichte des
Reichsguts in Niederlothringen und Friesland, 1953; Mascher, K., Reichsgut und
Komitat am Südharz, 1957; Metz, W., Das karolingische Reichsgut, 1960; Metz,
W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Landwehr, G., Die Verpfändung der
deutschen Reichsstädte, 1967; Faußner, H., Herzogsgut und Reichsgut, ZRG GA 85
(1968), 1; Wadle, E., Reichsgut und Königsherrschaft, 1969; Boshof, E.,
Königtum und Königsherrschaft, 1993
Reichshaftpflichtgesetz ist das vor allem die
→Gefährdungshaftung für Personenschäden bei dem Betrieb einer Eisenbahn
anordnende Gesetz des zweiten Deutschen Reichs von 1871.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 216; Schubert,
W., Das Reichshaftpflichtgesetz ZRG GA 100 (1983), 238
Reichsheer →Heer
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Frauenholz, E. v.,
Entwicklungsgeschichte des deutschen Heerwesens, Bd. 1ff. 1935ff.; Huber, E.,
Heer und Staat in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943; Conrad, H.,
Geschichte der deutschen Wehrverfassung, Bd. 1 1939; Huber, E., Heer und Staat
in der deutschen Geschichte, 1938, 2. A. 1943
Reichsheimstättengesetz ist das am 10. 5. 1920 nach
amerikanischem Vorbild zur Sicherung einkommensschwacher Familien geschaffene
deutsche Reichsgesetz, das dem Staat eine Art Obereigentum an der Heimstätte
vorbehält.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh., 52; Wormit, H., Das
Reichsheimstättengesetz, 1941, 4. A. 1967
Reichshistorie ist im 17. und 18. Jh. eine
Hilfswissenschaft des deutschen Staatsrechts, die vor allem in Gießen,
Marburg, Jena, Helmstedt, Halle und Göttingen gepflegt wird (→Thomasius,
→Ludewig, →Gundling, →Pütter).
Lit.: Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Roeck,
B., Reichssystem und Reichsherkommen, 1984; Aufklärung und Geschichte, hg. v.
Bödeker, H., 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1 1988
Reichshofgericht →Hofgericht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 114; Franklin,
O., Das Reichshofgericht, Bd. 1f. 1867ff., Neudruck 1967; Vogel, Beiträge zur
Geschichte des deutschen Reichshofgerichts, ZRG GA 2 (1881), 151; Hüttebräuker,
L., Ein Reichshofgerichtsprozess zur Zeit Karls IV., ZRG GA 56 (1936), 178;
Wohlgemuth, Das Urkundenwesen des deutschen Reichshofgerichts, 1973;
Battenberg, F., Gerichtsschreiberamt und Kanzlei des Reichshofgerichts
1235-1451, 1974; Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und
Hofgerichts, bearb. v. Battenberg, F. u. a., 1987
Reichshofkanzlei ist die 1558/1559 für den
Schriftverkehr des Reiches eingerichtete Kanzlei in Wien, die neben der
Reichskanzlei und der Kanzlei des Reichskammergerichts steht. Sie nimmt die
Kanzleigeschäfte des Reichshofrats wahr.
Lit.: Groß, L., Die Geschichte der deutschen Reichshofkanzlei,
1933
Reichshofrat bzw. anfangs königlicher oder kaiserlicher
Hofrat ist der nach mittelalterlichen Vorläufern (am 13. 12.) 1497 begründete
Hofrat (für Rechtssachen aus Reich und Erbländern und Gnadensachen) des Königs
bzw. des Kaisers des Heiligen römischen Reiches in Wien (1559 Reichshofrat,
Ordnung vom 3. 4. 1559). Er wird zunächst zur obersten Regierung und
Justizbehörde bestimmt und übt die nie endgültig und umfassend festgelegten
Reservatrechte des Kaisers aus. Er entwickelt sich aber allmählich zu einem mit
dem →Reichskammergericht konkurrierenden Gericht des ihn allein
besetzenden und finanzierenden Kaisers (im 18. Jh. ganz überwiegend
Reichshöchstgericht). Es ist mit dem Hofratspräsidenten als Vertreter des
Kaisers und mit 12 bis 34 Räten besetzt. Es ist zuständig für kaiserliche
Reservatrechte und Privilegien, Reichslehnssachen und Kriminalklagen gegen
Reichsunmittelbare, örtlich auch für Reichsitalien, ab 1620 nicht mehr für die
österreichischen Erbländer Bei einem Zuständigkeitsstreit mit dem Reichskammergericht
entscheidet die frühere Befassung. Allmählich gewinnt der R. im Verhältnis zum
Reichskammergericht wegen der kürzeren Verfahrensdauer das größere Gewicht
(vielleicht 100000 Sacheinheiten bzw. Verfahren, etwa 70000 Akten aus der
Prozesstätigkeit). Geordnet ist sein wenig strenges und wohl deswegen auch
schnelleres Verfahren in Reichshofratsordnungen (z. B. 1527, 1537, 1541,
(lat. [M.]) ordo consilii (Ratsordnung) um 1550, 1559, 1594, 1617, 1626). Von
1559 bis 1806 sind 445 Reichshofräte tätig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150, 153, 200;
Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Fellner, T./Kretschmayr, H., Die österreichische
Zentralverwaltung, 1907, Neudruck 1970, Nr. 4, 10, 12, 15; Gschließer, O. v.,
Der Reichshofrat, 1942; Sellert, W., Über die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen
Reichshofrat und Reichskammergericht, 1965; Landes, D., Achtverfahren vor dem
Reichshofrat, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Sellert, W., Prozessgrundsätze
und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die Ordnungen des Reichshofrates
1550-1766, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Jessen, P., Der Einfluss des
Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986; Hammerschmidt, E., War Hiob
Ludolf Reichshofrat?, ZRG GA 104 (1987), 268; Reichshofrat und Reichskammergericht,
hg. v. Sellert, W., 1999; Ortlieb, E., Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen
Kommissionen des Reichshofrats, 2001; Hartmann-Polomski, C., Die Regelung der
gerichtsinternen Organisation und des Geschäftsgangs der Akten als Maßnahmen
der Prozessbeschleunigung am Reichshofrat, 2001; Ortlieb, E./Polster, G., Die
Prozessfrequenz am Reichshofrat, ZNR 2004, 189; Ortlieb, E./Westphal, S.,
Höchstgerichtsbarkeit im alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291;
Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Ullmann, S.,
Geschichte auf der langen Bank. Die Kommissionen des Reichshofrats, 2006;
Ehrenpreis, S., Kaiserliche Gerichtsbarkeit und Konfessionskonflikt, 2006; Die
Akten des kaiserlichen Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v.
Ortlieb, E., 2008ff.; Petry, D., Konfliktbewältigung als Medienereignis, 2011
(Reichsstädtische Reichshofratsprozesse als frühneuzeitliche Medienereignisse);
Dorfner, T., Mittler zwischen Gaupt und Gliedern – Die Reichshofratagenten,
2015
Reichshofratsprozess ist der seit dem Ende des 16. Jh.s
vom →Reichshofrat ausgebildete besondere →Prozess. Er ist nicht
durch ausführliche Prozessordnungen überliefert, weil der Reichshofrat sich
stets auch als politisches Organ versteht. Er übernimmt den Reichskammergerichtsprozess
nur soweit dies zweckmäßig erscheint und schränkt die Formalitäten des
Prozesses stark ein. Dennoch ist er schriftlich. Die Artikulation hat nur
geringe Bedeutung. Es gilt die Eventualmaxime. Ein Beweisinterlokut fehlt.
Endurteile sind ziemlich selten. Gegen Urteile sind Revision, Nichtigkeitsklage
und (lat.) →recursus (M.) ad comitia (Rekurs an den Reichstag)
zugelassen.
Lit.: Gschließer, O. v. Der Reichshofrat, 1942;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973; Die
Ordnungen des Reichshofrates, hg. v. Sellert, W., 1981ff.; Die Akten des
kaiserlichen Reichshofrats Serie Alte Prager Akten, Bd. 1ff. bearb. v. Ortlieb,
E., 2008ff.; Griemert, A., Jüdische Klagen gegen Reichsadelige, 2014
Reichsinsignie ist das (weltliche) symbolische
Zeichen des Heiligen römischen Reiches . →Insignie(n), Reichskleinod(ien)
Lit.: Hofmeister, A., Die heilige Lanze, 1908;
Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954
Reichsitalien ist der von 774 (Sieg Karls des
Großen über die Langobarden) bis 1797 bzw. 1806 (Ende des Heiligen römischen
Reiches) zum fränkisch-deutschen →Reich gehörige Teil →Italiens.
Seine Zugehörigkeit ist im Hochmittelalter am deutlichsten. Eine genaue
Kenntnis über alle Herrschaftsrechte in R. (um 1530 Mailand, Savoyen-Piemont,
Parma-Piacenza, Modena-Reggio, Mantua, Montferrat, Florenz, Siena, Genua,
Lucca und etwa 250 kleinere Lehen) besteht anscheinend zu keiner Zeit, zumal
die sog. mathildischen Güter (Mathildes von Tuszien) zwischen dem Papst und
dem König bzw. Kaiser des Heilgen römischen Reiches als Erben streitig sind.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pugliese, S., Le
prime strette dell’Austria in Italia, 1932; Manaresi, C., I placiti del „Regnum
Italiae“, Bd. 1ff. 1955ff.; Dilcher, G., Die Entstehung der lombardischen
Stadtkommune, 1967; Brühl, C., Fodrum, gistum, servitium regis, 1968; Waley,
D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Reichsitalien, Bd. 1f. 1970f.; Keller, H., Adelsherrschaft und
städtische Gesellschaft in Oberitalien, 1979; Pauler, R., Das regnum Italiae,
1982
Reichsjustizamt ist das im zweiten Deutschen Reich
seit 1877 für das Recht zuständige →Reichsamt.
Lit.: Köbler, DRG 196; Vom Reichsjustizamt zum
Bundesministerium der Justiz, Festschrift zum 100jährigen Gründungstag des
Reichsjustizamtes, 1977; Schulte-Nölke, H., Das Reichsjustizamt und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1995
Reichsjustizgesetz ist das zum Anfang des Jahres 1877
veröffentlichte, am 1. 10. 1879 in Kraft getretenen, die Gerichtsbarkeit betreffende
Gesetze des zweiten Deutschen Reichs. Reichsjustizgesetze sind Gerichtsverfassungsgesetz,
Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung, Konkursordnung, Rechtsanwaltsordnung
und Gerichtskostengesetz).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 182; Müller, H., Die Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes,
Diss. jur. Tübingen 1939; Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Sellert, W., Die Reichsjustizgesetze von 1877, JuS 17 (1977), 781
Reichskammergericht ist das als Gericht der
Reichsstände im Zuge der Reform des Heiligen römischen Reichs 1495 aus dem königlichen Kammergericht
entstehende Gericht. Seine Verfassung ist in der Reichskammergerichtsordnung
von 1495 sowie späteren Reichskammergerichtsordnungen (z. B. 1555) geregelt.
Es ist mit einem vom Kaiser ernannten Kammerrichter (Vorsitzer) und erst 16,
1556 32, später bis zu 41, von unterschiedlichen Berechtigten (Kaiser,
Kurfürsten, sonstigen Reichsfürsten) vorgeschlagenen (präsentierten),
grundsätzlich je zur Hälfte adligen(, aber seit etwa 1530 auch fast durchweg
gelehrten,) und (nur) gelehrten (und öfter nach Ernennung geadelten) Beisitzern
(Assessoren, Urteilern), die anfangs zwei (1530), später vier Senaten zugeteilt
sind, zu schwach und meist nicht vollständig besetzt. Es soll nach den
(einheitlichen) gemeinen Rechten des Reiches und den (grundsätzlich
vorrangigen, aber beweisbedürftigen, unterschiedlichen) redlichen, ehrbaren und
leidlichen Ordnungen, Statuten und Gewohnheiten der (zahlreichen) Fürstentümer,
Herrschaften und Gerichte richten. Es ist 1495 in Frankfurt am Main, 1527 in
Speyer (Personalakten der Speyerer Zeit fehlen) und 1693 in Wetzlar
untergebracht. Die österreichischen Erbländer sind ausgenommen. Zuständig ist
es teils in erster, teils in letzter Instanz vor allem für Rechtsverweigerung,
Landfriedensbruch, bürgerliche Klagen gegen Reichsunmittelbare sowie die
angesichts der sich häufenden Nichtappellationsprivilegien immer selteneren
noch zulässigen Appellationen (auch in Polizeisachen). In Anspruch genommen
wird es bei durchschnittlich etwa 250 Eingängen im Jahr (um 1500 70, um 1600
700, um 1700 200) örtlich vor allem am Rhein (also in der Nähe Speyers bzw.
Wetzlars), ständisch hauptsächlich von städtischer Oberschicht und adliger
Unterschicht sowie sachlich in Bezug auf Geldwirtschaft und Landfrieden (bis
1550 etwa 10000, bis 1594 etwa 30000, bis 1693 etwa 55000, bis 1760 etwa 60000,
bis 1806 etwa 75000 Streitsachen, davon acht tatsächlich durchgeführte
Revisionsverfahren). Es urteilt nach den hergebrachten örtlichen Gewohnheiten
und Statuten sowie theoretisch subsidiär, praktisch aber vorrangig nach den
gemeinen Rechten (römisch-kanonischem Recht des →usus modernus
pandectarum). In sein Umfeld gehören Fiskalprokurator, Prokuratoren und
→Advokaten. Vielleicht lässt sich eine steigende Zahl von Klagen im
ausgehenden 18. Jh. mit einem neuen Glauben an alte Freiheiten in alten
Urkunden erklären, der Frankreichs revolutionäre Vernichtung der alte
Unfreiheiten bezeugenden alten Urkunden gegenübersteht. Mit dem Heiligen
römischen Reich geht es 1806 unter.
Seine Akten werden danach auf zahlreiche Archive verteilt. Erhalten sind von
bisher etwa 77800 nachweisbaren Prozessakten in der Gegenwart noch
schätzungsweise 71000 Prozessakten und Entscheidungen (einschließlich von Zwischenurteilen)
in den noch erhaltenen Urteilsbüchern zu 47500 Prozessen (vorwiegend zwischen
1684 und 1806) bzw. 76203 Reichskammergerichtsakten in 46 Archiven (1847-1852
71617 Prozessakten nach dem Wohnsitz des Beklagten verteilt auf die vierzig
Staaten - Anhalt-Bernburg, Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, Baden, Bayern,
Braunschweig, Bremen, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Hessen-Darmstadt,
Hessen-Homburg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Holstein-Lauenburg,
Kurhessen, Liechtenstein, Limburg, Lübeck, Lippe, Luxemburg, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Oldenburg, Österreich, Preußen [1924 auf 12
Staatsarchive aufgeteilt], Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Sachsen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar,
Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen,
Waldeck, Württemberg, Belgien, mindestens 50 Lagerorte bekannt) (am 31. 3.
2003 43303 Akten verzeichnet und 69 Inventarbände bereits erschienen, 2010 rund
74800 = etwa 96 Prozent verzeichnet, [es fehlen noch Calenberg-Grubenhagen 642,
Lüneburg 380, Metz, Lüttich, Wien rund 2000, dabei 14050 Verzeichnungen noch
nicht veröffentlicht, rund 10600 Prozessakten weniger ausführlich
inventarisiert, Inventarisierung auch nicht völlig einheitlich, Gesamtbestand
der überlieferten Reichskammergerichtsverfahren daher nur schwer zu
überblicken], virtuelle Vereinung mit beträchtlichem Aufwand möglich, aber
sinnvoll, vgl. http://www.hoechstgerichtsbarkeit.rub.de/db/search.aspx,
38 Abfragekriterien; Schildt, B., Virtuelle Zusammenführung und
inhaltlich-statistische Analyse der überlieferten Reichskammergerichtsprozesse,
(in) Forschung in der digitalen Welt. Sicherung, Erschließung und Aufbereitung
von Wissensbeständen, hg. v. Hering, R. u. a., 2006, 125ff., 31. 05. 2010 36054
Verfahren aus vollständig erfassten Verfahren und 2988 Verfahren - von 18152 -
aus teilweise erfassten Inventaren, Verknüpfung mit der getrennt
überlieferten, im Volltext zu veröffentlichenden Entscheidungsliteratur
sinnvoll). Die sehr unterschiedliche Inanspruchnahme des Reichskammergerichts
in Raum und Zeit lässt sich nicht durch eine einzige Ursache erklären. Über den
Vorgang der Urteilsfindung, die erstellten Gutachten und die Urteile wusste man
lange jedenfalls für das 16. Jahrhundert nicht viel, weil nur wenige gedruckte
Gutachten und Urteile überliefert sind, doch wurden vor einiger Zeit 46 von
Richtern persönlich verfasste Notizen (Richternotizen) aus der Zeit von 1524
bis 1627 entdeckt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 137, 147,
153, 200; Fahnenberg, E., Literatur des kaiserlichen Reichskammergerichts und
Reichshofrats, 1792; Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965;
Poetsch, J., Die Reichsjustizreform von 1495, 1912; Spangenberg, H., Die
Entstehung des Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG
GA 46 (1926), 231; Repertorium der Akten des Reichskammergerichts Untrennbarer
Bestand, bearb. v. Koser, O., Bd. 1f. 1933ff., Neudruck 2006; Repertorium der
Akten des ehemaligen Reichskammergerichts im Staatsarchiv Koblenz, bearb. v.
Looz-Corswarem, O. Graf zu u. a., 1957; Latzke, W., Das Archiv des Reichskammergerichts,
ZRG GA 78 (1961), 321; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss.
jur. Münster 1966; Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss.
jur. Berlin (FU) 1966; Sellert, W., Die Ladung des Beklagten vor das
Reichskammergericht, ZRG GA 84 (1967), 202; Pitz, E., Ein niederdeutscher
Kammergerichtsprozess von 1525, 1969; Heusinger, B., Vom Reichskammergericht,
1972; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973;
Weitzel, J., Zur Zuständigkeit des Reichskammergerichts als Appellationsgericht,
ZRG GA 90 (1973), 213; Broß, S., Untersuchungen zu den Appellationsbestimmungen
der Reichskammergerichtsordnung von 1495, 1973; Die Reichskammergerichtsordnung
von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Weitzel, J., Der Kampf um die Appellation,
1976; Diestelkamp, B., Das Reichskammergericht im Rechtsleben des 16.
Jahrhunderts, FS A. Erler, 1976, 435; Duchhardt, H., Die kurmainzischen
Reichskammergerichtsassessoren, ZRG GA 94 (1977), 88; Schulz, P., Die
politische Einflussnahme auf die Entstehung der Reichskammergerichtsordnung
1548, 1980; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Findbuch zu
den Reichskammergerichtsakten 1524-1806 (in Oldenburg), bearb. v. Eckhardt,
A., 1982; Mencke, K., Die Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Eberling,
H., Findbuch zu den Reichskammergerichtsakten 1551-1806, 1985; Diestelkamp, B.,
Vom königlichen Hofgericht zum Reichskammergericht, FS A. Erler, 1986, 44;
Ranieri, F., Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption, 1986; Jessen,
P., Der Einfluss des Reichshofrates und des Reichskammergerichts, 1986;
Ebeling, H., Findbuch zum Bestand Reichskammergericht (1515-1806), Rep. 900
(des Staatsarchivs Osnabrück), 1986; Stein-Stegemann, H., Findbuch der
Reichskammergerichtsakten im Archiv der Hansestadt Lübeck, 1987; Ranieri, F.,
Die Arbeit des Reichskammergerichts in Wetzlar, 1988; Hausmann, J., Die
Kameralfreiheiten des Reichskammergerichtspersonals, 1989; Das
Reichskammergericht in der deutschen Geschichte, hg. v. Diestelkamp, B., 1990;
Kratsch, D., Justiz – Religion – Politik, 1990; Reichskammergerichtsakten im
hessischen Staatsarchiv Darmstadt und im gräflich solmsischen Archiv in
Laubach, bearb. v. Korte-Böger, A. u. a., 1990; Die politische Funktion des
Reichskammergerichts, hg. v. Diestelkamp, B., 1993; Akten des Reichskammergerichts
im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, hg. v. Brunotte, A. u. a., Bd. 1ff. 1993ff.;
Bayerisches Hauptstaatsarchiv. Reichskammergericht, Bd. 1ff. 1994ff.;
Diestelkamp, B., Reichskammergericht und Rechtsstaatsgedanke, 1994; Frieden
durch Recht. Das Reichskammergericht von 1495 bis 1806, hg. v. Scheurmann, I.,
1994; Fern vom Kaiser, hg. v. Hausmann, J., 1995; Diestelkamp, B., Rechtsfälle
aus dem alten Reich, 1995; Friedenssicherung und Rechtsgewährung, hg. v.
Diestelkamp, B. u. a., 1997; Inventar der lippischen Reichskammergerichtsakten,
bearb. v. Bruckhaus, M. u. a., 1997; Findbuch der Akten des Reichskammergerichts
im Landesarchiv Magdeburg, Bd. 1, bearb. v. Lücke, D., 1997; Baumann, A., Das
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) und seine Prokuratoren, ZRG GA 115
(1998), 474; Reichskammergericht, Köln Bd. 1ff., bearb. v. Kordes, M., 1998;
Sailer, R., Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Oer, R.
Freiin v., Der münsterische „Erbmännerstreit“, 1999; Reichshofrat und
Reichskammergericht, hg. v. Sellert, W., 1999; Weitzel, J., Das Inventar der
Akten des Reichskammergerichts, ZNR 1999, 408; Baumann, A., Advokaten und
Prokuratoren am Reichskammergericht in Speyer (1495-1690), ZRG GA 117 (2000),
550; Inventar der Akten des Reichskammergerichts 1495-1806, Frankfurter
Bestand, bearb. v. Kaltwasser, I., 2000; Baumann, A., Die Gesellschaft der
frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse, 2001; Volk, O., Die
Wohnungen der Kameralen in Wetzlar, 2001; Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002; Klass, A., Standes- oder Leistungselite?, 2002; Das Reichskammergericht
am Ende des alten Reiches und sein Fortwirken im 19. Jahrhundert, hg. v.
Diestelkamp, B., 2002; Prange, W., Vom Reichskammergericht in der ersten Hälfte
des 16. Jahrhunderts, 2002; Stein, A., Advokaten und Prokuratoren am
Reichskammergericht in Wetzlar (1693-1806) als Rechtslehrer und
Schriftsteller, 2002; Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter
Teil 2, 2003; Schildt, B., Inhaltliche Erschließung und ideelle Zusammenführung
der Prozessakten des Reichskammergerichts mittels einer computergestützten
Datenbank, ZNR 25 (2003), 269; Das Reichskammergericht, hg. v. Diestelkamp, B.,
2004; Gedruckte Relationen und Voten des Reichskammergerichts, bearb. v.
Baumann, A., 2004; Oestmann, P., Aus den Akten des Reichskammergerichts, 2004;
In eigener Sache, hg. v. Westphal, S., 2005; Mader, E., Die letzten „Priester
der Gerechtigkeit“, 2005; Ortlieb, E./Westphal, S., Höchstgerichtsbarkeit im
alten Reich, ZRG GA 123 (2006), 291; Mader, E., Das Reichskammergericht, der
Reichsdeputationshauptschluss und die Auflösung, 2006 (Vortrag); Baumann, A.,
Advokaten und Prokuratoren, 2006; Schildt, B., Reichskammergericht, JURA 2006,
493; Gerichtslandschaft altes Reich, hg. v. Amend, A. u. a., 2007; Diestelkamp,
B., Prozesskosten in Verfahren am Reichskammergericht, FS Wilhelm Brauneder, 2008,
81; Friedrich, W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Ein Zivilprozess
am Reichskammergericht, hg. v. Oestmann, P., 2009; Akten des
Reichskammergerichts im Hauptstaatsarchiv Hannover. Hochstift Hildesheim und
benachbarte Territorien 1495-1806, bearb. v. Kauertz, C. u. a., Teil 1ff.
2009; Inventar der pfälzischen Reichskammergerichtsakten. Landesarchiv Speyer
Best. E 6, bearb. v. Armgart, M. u. a., 2010; Das Reichskammergericht im
Spiegel seiner Prozessakten, hg. v. Battenberg, F./Schildt, B., 2010; Baumann,
A., Reichskammergericht und Universitäten, HZ 292 (2011), 365; Jahns, S., Das
Reichskammergericht und seine Richter, Bd. 1 2011; Riemer, R., Frankfurt und
Hamburg vor dem Reichskammergericht, 2011; Wunderlich, S., Das Protokollbuch
von Mathias Alber, 2011; Bähr, M., Die Sprache der Zeugen, 2012; Diestelkamp,
B., Ein Kampf um Freiheit und Recht, 2012; Die Affäre Papius – Korruption am
Reichskammergericht, hg. v. Baumann, A. u. a., 2012Gemeine Bescheide, Teil 1
Reichskammergericht 1497-1805, hg. v. Oestmann, P., 2013; Denzler, A., Über den
Schriftalltag im 18. Jahrhundert, 2015; Baumann, A., Die Gutachten der Richter
– Ungedruckte Quellen, 2015 (46 handschriftliche lateinische Notizen von
1524-1627); Görtz, H., Reichskammergerichtspersonal und andere Personen in den
Taufbüchern von Predigerkirche und St. Georgen zu Speyer 1593-1689, 2015;
Baumann, A., Visitationen am Reichskammergericht - Speyer als politischer und
juristischer Aktionsraum des Reiches (1529-1588), 2018
Reichskammergerichtsprozess ist der →Prozess vor dem
Reichskammergericht. Er wird bereits in der Reichskammergerichtsordnung des
Jahres 1495 erstmals und lückenhaft und in insgesamt mehr als 15 Reichskammergerichtsordnungen
(z. B. 1555) vertieft geregelt. Er beruht auf dem in Oberitalien entwickelten
römisch-kanonischen Prozessrecht des Spätmittelalters. Der R. ist schriftlich.
Es gelten der Verhandlungsgrundsatz, die Dispositionsmaxime und das Prinzip
der Artikulation. Nach Litiskontestation (→litis contestatio) und Ablegung
des →Kalumnieneids kann der Beklagte auf den artikulierten Prozessvortrag
des Klägers antworten. Über die bestrittenen Artikel wird Beweis erhoben. Nach
der Beweisaufnahme kann der Beklagte artikuliert Einwände vorbringen. Da
hierdurch die Prozessdauer verlängert wird, bemüht sich das Reichskammergericht
bereits 1521 um Beschleunigung. 1654 wird die Artikulation beseitigt.
Lit.: Ludolff, G., Corpus iuris cameralis, 1724;
Smend, R., Das Reichskammergericht, 1911, Neudruck 1965; Maass, P., Die
Zivilprozessreform des jüngsten Reichsabschiedes, Diss. jur. Münster 1925;
Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster 1965;
Hinz, M., Der Mandatsprozess des Reichskammergerichts, Diss. jur. Berlin 1966;
Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, hg. v. Laufs, A., 1976; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981; Prozesspraxis im alten Reich, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2005
Reichskanzlei ist die →Kanzlei des
→Reiches bzw. Hofes. Ihr steht 870 erstmals, seit 965 auf Dauer, seit dem
11. Jh. als Reichserzkanzler der →Erzbischof von →Mainz vor. König
Maximilian I. trennt 1498 von der R. eine Hofkanzlei, die 1558 mit der R. zur
Reichshofkanzlei verbunden wird. Seit Beginn des 17. Jh.s hat die R. ihren
festen Sitz in Wien, wobei sich der Erzbischof von Mainz durch einen Reichsvizekanzler
vertreten lässt. Für die österreichischen Erbländer treten österreichische
Hofkanzlei und böhmische Hofkanzlei an ihre Stelle. Im zweiten Deutschen Reich
ist (seit 1879) die R. die Geschäftsstelle des Leiters der Reichsregierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 150; Forstreiter,
E., Die deutsche Reichskanzlei, Diss. phil. Wien 1924; Groß, L., Die Geschichte
der deutschen Reichshofkanzlei von 1559 bis 1806, 1933; Walter, A., Die
deutsche Reichskanzlei, 1938; Hausmann, F., Reichskanzlei und Hofkapelle unter
Heinrich V. und Konrad III., 1956; Koch, W., Die Reichskanzlei in den Jahren
1167 bis 1174, 1973; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den Jahren 1174 bis
1180, 1977; Koch, W., Die Schrift der Reichskanzlei im 12. Jahrhundert
(1125-1190), 1979; Akten der Reichskanzlei. Regierung Hitler 1933-1938, hg. v.
Repgen, K., Teil 1 Bd. 1ff. 1983ff.; Herkenrath, R., Die Reichskanzlei in den
Jahren 1181 bis 1190, 1985; Wahl—und Krönungsakten des Mainzer Reichserzkanzlerarchivs
1486-1711, bearb. v. Schlösser, S., 1993; Neumann, M., Von der Reichskanzlei
zum Bundeskanzleramt, AöR 1999, 1; Schütz, A., Kronrat und Reichskanzlei als
Zentralbehörden des Reiches unter Ludwig dem Bayern, 2002
Reichskanzler ist der Leiter der Reichskanzlei
bzw. im zweiten Deutschen Reich der Vorsitzende des Bundesrats bzw. de facto
einzige Minister des Reiches, der meist zugleich Ministerpräsident Preußens ist
(z. B. Otto von Bismarck). Gegenüber dem Reichstag ist der R. erst ab 28. 10.
1918 verantwortlich. Ab 1919 wird der R. als Leiter der aus mehreren Ministern
bestehenden Reichsregierung vom Reichspräsidenten ernannt. Am 2. 8. 1934 vereinigt
R. Adolf Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg das Amt des
Reichspräsidenten mit dem Amt des Reichskanzlers. Mit seinem Tod endet die
Reihe der R. In der Bundesrepublik Deutschland tritt 1949 der Bundeskanzler an
seine Stelle.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 195, 196, 222, 230; Bärmann, J., Zur Entstehung des Mainzer
Erzkanzleramtes, ZRG GA 75 (1958), 1; Anschütz, G., Die Verfassung des
Deutschen Reichs, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Conze, W., Brüning als
Reichskanzler, HZ 214 (1972), 310; Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler,
hg. v. Hartmann, P., 1997; Kurmainz, das Reichserzkanzleramt und das Reich, hg.
v. Hartmann, P., 1998; Fesser, G., Reichskanzler Fürst von Bülow, 2003; Hömig,
H., Brüning, 2005; Stalmann, V., Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst,
2009
Reichskirche ist die →Kirche im fränkisch-deutschen
Reich. Dies betrifft in der älteren Zeit die dem König bzw. Kaiser unmittelbar
zugeordneten Erzbistümer, Bistümer, Klöster, Stifter und Kirchen, später nur
das reichsunmittelbare Kirchenwesen. 1803 wird die bestehende R. säkularisiert
und mediatisiert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 77; Boerger, R., Die Belehnungen der deutschen geistlichen Fürsten,
1901; Hauck, A., Die Entstehung der geistlichen Territorien, 1909; Feine, H.,
Die Besetzung der Reichsbistümer, 1921, Neudruck 1964; Heckel, J., Staat und
Kirche, 1968; Köhler, O., Die ottonische Reichskirche, FS G. Tellenbach, 1968,
141; Investiturstreit und Reichsverfassung, 1973; Zielinski, H., Der
Reichsepiskopat, 1984; Boshof, E., Königtum und Königsherrschaft, 1993; Bigott,
B., Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich, 2002
Reichskirchensystem ist im (9. bzw.) 10. und 11. Jh.
die Einbindung der Kirche in die königliche Herrschaft über das Reich
(Reichsverwaltung). Spätestens seit Kaiser Otto I. werden geistliche
Würdenträger mit weltlichen Aufgaben (z. B. Grafschaften) betraut. Dieses R.,
das nach neuerer Erkenntnis bereits um 820 bis 830 seinen Anfang nimmt, findet
im →Investiturstreit sein Ende, doch lebt es in der veränderten Form der
geistlichen Reichsfürsten fort.
Lit.: Köbler, DRG 85; Santifaller, L., Zur Geschichte
des ottonisch-salischen Reichskirchensystems, 2. A. 1964; Beumann, H.,
Reformpäpste als Reichsbischöfe, FS F. Hausmann, 1977, 21; Bührer-Thierry, G.,
Évêques et pouvoir dans le royaume de Germanie, 1997; Patzold, S., Episcopus,
2009
Reichskleinod ist das dem Reich gehörige Kleinod.
Reichskleinodien sind der das Heilige römische
Reich sichtbar darstellende, bei den
Krönungen in Aachen bzw. Frankfurt verwendete Reichsschatz (einziger nahezu
unverändert erhaltener Kronschatz Europas). Zu den R. zählen die →Krone
(Reichskrone), das Reichskreuz, das Reichsreliquiar, die heilige Lanze, der
→Reichsapfel, das Zepter, das Reichsschwert (Mauritiusschwert), der
Krönungsmantel (Krönungsornat) und einige weitere Kleinode (und Reliquien)
(sowie der Säbel Karls des Großen, die Stephansburse und das Reichsevangeliar
als sog. Aachener Kleinodien). Sie begleiten anfangs den König auf seinen
Zügen. In salischer Zeit sind sie meist im Dom in Speyer, danach in der
Reichsfeste Trifels, seit 1273 in der habsburgischen Kiburg, seit 1350 in Prag
bzw. der Karlsfeste (Karlsstein), 1421 in Blutenburg in Ungarn, seit 1424 in
Nürnberg, seit 1800 über Regensburg (1796) und Passau in Wien (1938 bis 1946
nochmals in Nürnberg). →Insignie(n), Reichsinsignie(n)
Lit.: Schlosser, J., Die deutschen Reichskleinode,
1920; Fillitz, H., Die Insignien und Kleinodien, 1954; Grass, N., Reichskleinodienstudien,
1965; Pleticha, H., Des Reiches Glanz, 1989; Schroeder, K., Die Nürnberger
Reichskleinodien in Wien, ZRG GA 108 (1991), 232; Kubin, E., Die
Reichskleinodien, 1991; Die Reichskleinodien, hg. v. d. Gesellschaft für
staufische Geschichte, 1997; Gsell, K., Die Rechtsstreitigkeiten um den
Reichsschatz, 2001
Reichskonkordat ist das am 20. 7. 1933
unterzeichnete und am 10. 9. 1933 in Kraft getretene →Konkordat zwischen
dem Deutschen Reich und der katholischen Kirche.
Lit.: Volk, L., Das Reichskonkordat, 1972; Listl, J.,
Die Fortgeltung und die gegenwärtige staatskirchenrechtliche Bedeutung des
Reichskonkordats, FS L. Carlen, 1989, 309
Reichskreis ist der 1500 bzw. 1512 im Zuge der
Reichsreform geschaffene Kreis im Heiligen Römischen Reich. Es werden insgesamt
6 (bayerisch, fränkisch, niedersächsisch, oberrheinisch, schwäbisch, westfälisch)
bzw. 10 Reichskreise mit zugehörigen Kreistagen gebildet (österreichischer
–praktisch nur aus habsburgischen Gebieten gebildeter - , burgundischer,
kurrheinischer, fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer,
niederrheinisch-westfälischer, obersächsischer, niedersächsischer R.),
in welche die meisten Gebiete des Reiches eingegliedert werden (ausgenommen vor
allem die Länder der Wenzelskrone und der Schweiz). Nur im Südwesten (Schwaben,
Franken, Oberrhein) erlangt der R. über längere Zeit eine gewisse Bedeutung
für die Landfriedenswahrung, Urteilsexekution und Truppenkontingentierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Köbler, DRG 147; Simmern, E. Langwerth v., Die Kreisverfassung Maximilians I.,
1896; Neukirch, A., Der niedersächsische Kreis, 1909; Wallner, E., Die
kreisansässigen Reichsterritorien, MIÖG Ergänzungsbd. 11 (1929), 681;
Brusatti, A., Die Entstehung der Reichskreise, 1950; Wines, R., The Franconian
Reichskreis, Diss. phil. Ann Arbor Michigan 1961; Mally, A., Der
österreichische Kreis in der Exekutionsordnung des römisch-deutschen Reiches,
1967; Borck, H., Der schwäbische Reichskreis im Zeitalter der französischen
Revolutionskriege 1792-1806, 1970; Sicken, B., Der fränkische Reichskreis,
1970; Laufs, A., Der schwäbische Kreis, 1972; Der Kurfürst von Mainz und die
Kreisassoziation, hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1975; Schneider, A., Der
niederrheinisch-westfälische Kreis, 1985; Dotzauer, W., Der kurrheinische
Reichskreis, Nass. Ann. 98 (1987), 61; Magen, F., Reichsexekutive und regionale
Selbstverwaltung, 1992; Gittel, U., Die Aktivitäten des Niedersächsischen
Reichskreises, 1997; Hartmann, P., Der bayerische Reichskreis, 1997; Dotzauer,
W., Die deutschen Reichskreise, 1998; Reichskreis und Territorium, hg. v. Wüst,
W., 2000; Nicklas, T., Macht oder Recht, 2002; Neuburger, A., Der schwäbische
Reichskreis, 2010; Neuburger, A., Konfessionskonflikt und Kriegsbeendigung im
schwäbischen Reichskreis, 2011; Reichskreise und Regionen im frühmodernen
Europa, 2011
Reichskrieg ist der auf Grund einer
Reichskriegserklärung des Kaisers und der Reichsstände zwischen 1648 und 1806
gegen einen fremden Staat geführte →Krieg.
Lit.: Weigel, H., Die Kriegsverfassung des alten
Deutschen Reichs, 1912
Reichskriegsgericht ist das nach der Aufhebung der
Militärgerichtsbarkeit durch Gesetz vom 17. 8. 1920, der Auflösung des zum 1.
10. 1900 eingerichteten Reichsmilitärgerichts und der Wiedereinführung der
Militärgerichtsbarkeit zum 1. 1. 1934 durch Gesetz vom 26. 6. 1936 geschaffene
oberste Gericht der Wehrmacht Deutschlands, das sich vor allem im Krieg zum
Instrument militärischer Kommandogewalt und politischer Macht entwickelte.
Lit.: Gribbohm, G., Das Reichskriegsgericht, 2004;
Gribbohm, G., Das Reichsmilitärgericht, 2007
Reichskristallnacht (Novemberpogrom) ist die (ersten
spontanen Übergriffen im Gau Kurhessen in der Nacht vom 7. auf den 8. November)
folgenden) Nacht vom 8. auf den 9. 11. 1938, in welcher der deutsche
Reichsinnenminister Goebbels während eines Kameradschaftsabends der
nationalsozialistischen Parteiführer im alten Münchener Rathaussaal durch
mündliche Weisung die Beschädigung jüdischer Einrichtungen wegen der Tötung
eines 29jährigen (homosexuellen?) deutschen Legationssekretärs (Ernst vom
Rath) durch einen 17jährigen Juden (Herschel Grynspan, in Frankreich Mitte 1940
in den Händen der geheimen Staatspolizei, Ende 1942 verliert sich die Spur) im
Palis Beauharnais in Paris (aus Verzweiflung über die Abschiebung von Eltern
und Geschwistern aus Hannover nach Polen im Oktober 1938) einleitet. Im Verlauf
der R. werden etwa 177 Wohnhäuser, 1406 Synagogen zerstört, 7500 jüdische
Geschäfte demoliert und (offiziell) 91 (bzw. tatsächlich etwa 1400) Juden
getötet (oder in den Tod getrieben) und kommen anschließend 31000 jüdische
Männer in Konzentrationslager. Eine einer Besprechung im Reichsluftfahrtministerium
(mit Göring, Goebbels, Frick und Heydrich) folgende Verordnung vom 12. 11. 1938
verpflichtet die jüdischen Gewerbetreibenden zur Schadensbeseitigung und zu
einer Sühneleistung von 1 Milliarde Reichsmark.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Gruchmann,
L., Reichskristallnacht und Justiz im Dritten Reich, NJW 1988, 2856; Graml, H.,
Reichskristallnacht, 1988; Kropat, W., Reichskristallnacht in Hessen, 1988;
Kropat, W., Reichskristallnacht, 1997; Steinweis, A., Kristallnacht 1938, 2013;
Fuhrer, A., Herschel, 2013
Reichskrone →Krone
Reichsland Elsass-Lothringen →Elsass, Lothringen
Reichslandfriede →Landfriede
Reichslandvogtei ist die von König Rudolf von
Habsburg (1273-1291) eingerichtete Verwaltungseinheit für Reichsgut (z. B.
in Schwaben, Elsass, Speyergau, Mittelrhein, Wetterau). Die R. geht im
Spätmittelalter in den Ländern auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreibmüller, H.,
Die Landvogtei im Speiergau, 1905; Becker, J., Geschichte der
Reichslandvogteien im Elsass, 1905; Becker, J., Die Reichslandvogtei Kaysersberg,
Wiss. Beilage zum Jahresbericht des bischöflichen Gymnasiums zu Straßburg,
1906; Schreibmüller, H., Die Landvogtei im Speyergau, 1905; Schwind, F., Die
Landvogtei in der Wetterau, 1972; Hofacker, H., Die schwäbischen Reichslandvogteien,
1980
Reichslehen ist das vom König des deutschen
Reichs verliehene →Lehen. Durch die Annahme des Titels Kaiser von
Österreich durch Franz II. 1804 bzw. durch das Ende des Heiligen Römischen
Reichs 1806 wird der Reichslehensverband
aufgelöst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Krieger, K., Die Lehnshoheit
der deutschen Könige, 1979; Rödel, V., Reichslehenswesen, Ministerialität,
Burgmannschaft und Niederadel, 1979; Schubert, E., König und Reich, 1979
Reichsmatrikel ist die für das Heilige Römische
Reich geführte →Matrikel (z. B.
Reichsheeresmatrikel von 1422). 1521 weist die R. 83 Reichsprälaten auf, 1792
40.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Sieber, J., Zur
Geschichte des Reichsmatrikelwesens, 1910; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Reichsheeresmatrikel1422.htm
Reichsmerkantilismus →Merkantilismus
Reichsministeriale →Reichsdienstmann
Lit.: Segner, U., Die Anfänge der
Reichsministerialität, 1938; Bosl, K., Die Reichsministerialität, Bd. 1f.
1950f.
Reichsmünze →Münze
Lit.: Klimpert, R., Lexikon der Münzen, 2. A. 1896,
Neudruck 1972; Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte, 1975
Reichsnotariatsordnung →Notar
Reichsoberhandelsgericht ist das durch gesetzliche
Umbenennung vom 16. 4. 1871 (2. 9. 1871 Plenarbeschluss) und örtliche Ausdehnung
auf die süddeutschen Staaten vom 22. 4. 1871 aus dem am 12. 6. 1869 in Leipzig
geschaffenen →Bundesoberhandelsgericht hervorgegangene oberste Gericht
in Handelssachen des zweiten Deutschen Reichs in Leipzig. Es geht am 1. 10.
1879 im →Reichsgericht auf.
Lit.: Köbler, DRG 195; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954, 83; Weiß, A., Die Entscheidungen des
Reichsoberhandelsgerichts in Strafsachen, 1997; Winkler, S., Das Bundes- und spätere
Reichsoberhandelsgericht, 2001
Reichspfand →Pfand
Reichspolizeiordnung ist die für das Heilige Römische
Reich geschaffene →Polizeiordnung
(z. B. 1530, 1548, 1577).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 138; Segall, L.,
Geschichte und Strafrecht der Reichspolizeiordnungen, Diss. jur. Gießen 1914;
Weber, M., Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577, 2002
Reichspräsident ist das Staatsoberhaupt des zweiten
Deutschen Reiches von 1919 bis 1934 (Ebert, Hindenburg). Funktionell ist der R.
als Nachfolger des Kaisers mit bedeutsamen Befugnissen ausgestattet. Nach dem
12. 8. 1934 übernimmt →Hitler seine Aufgaben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 230; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. A. 1933,
Neudruck 1968; Pünder, Der Reichspräsident, 1961; Friedrich Ebert als
Reichspräsident, hg. v. Kolb, E., 1997
Reichspublizistik ist das das deutsche Reich bzw. das
Heilige Römische Reich betreffende
politisch-juristische Schrifttum (z. B. des →Manegold von Lautenbach,
→Petrus Crassus, Deusdedit, Anselm von Lucca, Bonizo von Sutri,
→Petrus de Vinea, →Jordan von Osnabrück, →Alexander von
Roes, →Engelbert von Admont, Tolomeo von Lucca, →Marsilius von
Padua, →Wilhelm von Ockham, →Lupold von Bebenburg, Konrad von
→Megenberg, Nikolaus von →Kues oder →Peter von Andlau im
Mittelalter bzw. →Goldast, →Freher, Hermann Vultejus, Gottfried
Antonius, →Arumaeus, →Limnaeus, →Reinkingk,
→Althusius, →Conring, →Pufendorf, →Lünig, →Thomasius,
→Ludewig, →Gundling, →Mascov, Schmauß, →Pütter,
→Wolff oder →Moser) in der frühen Neuzeit.
Lit.: Pütter, J., Litteratur des teutschen
Staatsrechts, Bd. 1ff. 1776ff.; Mirbt, C., Die Publizistik im Zeitalter Gregors
VII., 1894, Neudruck 1965; Fauser, A., Die Publizisten des Investiturstreites,
Diss. phil. München 1934; Schubert, H., Die deutschen Reichstage, 1960;
Schömbs, E., Das Staatsrecht Johann Jakob Mosers, 1968; Bussi, E., Il diritto
pubblico des Sacro romano impero, 2. A. 1970; Hammerstein, N., Jus und
Historie, 1972; Neumaier, K., Ius publicum, 1974; Ullmann, W., Law and Politics
in the Middle Ages, 1975; Pick, E., Mainzer Reichsstaatsrecht, 1977; Wyduckel,
D., Princeps legibus solutus, 1979; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stolleis,
M., Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1f. 1988ff.; Peters,
W., Späte Reichspublizistik und Frühkonstitutionalismus, 1993
Reichsrat ist ein Staatsorgan des 19. Jh.s
(Österreich Kremsierer Entwurf, Märzverfassung 1849, kaiserliches Patent vom
13. 4. 1851, kaiserliches Patent vom 20. 8. 1851, kaiserliches Patent vom 5. 3.
1860 verstärkter R. als Vorläufer des Parlaments →Oktoberdiplom vom 20.
10. 1860, →Februarpatent vom 26. 2. 1861 (aufgelöst und durch Staatsrat
ersetzt, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus), →Dezemberverfassung vom 21.
12. 1867 mit einem aus Herrenhaus und Abgeordnetenhaus bestehenden R.) bzw. des
20. Jh.s (Deutsches Reich 14. 8. 1919). Hier kann der R., in dem jedes Land
mindestens eine und →Preußen als vorherrschendes Land höchstens zwei
Fünftel aller Stimmen hat, gegen Gesetze einen Einspruch erheben, der aber vom
Reichstag überstimmt werden kann. Dabei wird der R. zwischen 1919 und 1932 mit
mehr als 1280 Gesetzen befasst. Am 14. 2. 1934 wird der R. aufgelöst. Im
Heiligen Römischen Reich ist R. das
→Reichsregiment von 1500 bzw. 1521.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 230, 232;
Baltl/Kocher; Samanek, V., Kronrat und Reichsherrschaft im 13. und 14.
Jahrhundert, 1910; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. A.
1933, Neudruck 1968; Rose, G., Der Reichsrat der Weimarer Republik, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1964; Der Bundesrat, hg. v. Bundesrat, 1974; Lilla, J.,
Der Reichsrat, 2006; Adlgasser, F., Die Mitglieder der
österreichischenZentralparlamente 1848-1918, 2014
Reichsrecht ist das ein →Reich
betreffende Recht. Es steht meist im Gegensatz zu einem (möglicherweise
vorrangigen) Recht eines örtlich kleineren Gebiets (z. B. Landesrecht), zum
Recht eines anderen Staates oder zum internationalen Recht (z. B. Völkerrecht).
Im zweiten Deutschen Reich bricht R. Landesrecht.
Lit.: Köbler, DRG 102, 227, 231; Baltl/Kocher;
Mitteis, L., Reichsrecht und Volksrecht, 1891, Neudruck 1963; Pfundtner,
H./Neubert, R., Das neue deutsche Reichsrecht, 1933ff.; Diestelkamp, B., Zur
Krise des Reichsrechts im 16. Jahrhundert, (in) Säkulare Aspekte der
Reformationszeit, hg. v. Angermeier, H., 1983, 49; Schneider, M., Das
Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht, 2002
Reichsrechtsbuch →Mühlhausen
Reichsreform ist (seit 1850) die Gesamtheit der
Reformbestrebungen im Heiligen Römischen Reich
zwischen 1410 und 1555. Als Ergebnisse der R. sind
→Reichskammergericht und →Reichskreise hervorzuheben.
→Reformatio Sigismundi
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 147; Molitor, E.,
Die Reichsreformbestrebungen, 1921, Neudruck 1969; Angermeier, H., Begriff und
Inhalt der Reichsreform, ZRG GA 75 (1958), 181; Laufs, A., Reichsstädte und
Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172; Hödl, G., Königtum, Reichsregierung und
Reichsreform 1438-1439, 1978; Angermeier, H., Die Reichsreform 1410-1555, 1984;
Krieger, K., König, Reich und Reichsreform, 1992; Quellen zur Reichsreform im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 2001; Fischer, M., Reichsreform und
ewiger Landfrieden, 2007
Reichsregierung ist die Regierung eines Reiches,
insbesondere die aus Reichskanzler und Staatssekretären bzw. Ministern
bestehende Regierung des zweiten Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 196, 230; Baltl/Kocher
Reichsregiment oder →Reichsrat ist im
Heiligen römischen Reich 1500 (bis 1502)
und 1521 (bis 1530 in Abwesenheit Kaiser Karls V.) das dem Kaiser zur Seite
gestellte, im Ergebnis aber gescheiterte Reichsorgan der Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kraus, V. v., Das Nürnberger
Regiment, 1883, Neudruck 1969; Grabner, A., Zur Geschichte des zweiten
Nürnberger Regimentes, 1903, Neudruck 1965; Das Wappenbuch des Reichsherolds
Caspar von Sturm, bearb. v. Arndt, J., 1984; Roll, C., Das zweite
Reichsregiment, 1996
Reichsregister
Lit.: Das Reichsregister König Albrechts II., bearb. v. Koller, H.,
1955
Reichsritter ist im Heiligen römischen
Reich der dem Reich unmittelbar
verbundene Ritter. Er erscheint seit dem späten 14. Jh. (1370) bzw. seit dem
frühen 15. Jh. (1422), organisiert sich seit etwa 1540 in drei 1577 vereinigten
Ritterkreisen (Schwaben, Franken, Rhein) mit 14 Kantonen und muss
1802/1803/1805 die Mediatisierung (von etwa 1730 Rittergütern mit 450000
Einwohnern) in den Territorien hinnehmen. Der R. ist dem König bzw. Kaiser
unmittelbar unterstellt und unterliegt keiner Landeshoheit. Im Reichstag ist
der R. nicht vertreten.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 130, 132; Roth von Schreckenstein, C., Geschichte der ehemals
freien Reichsritterschaft, Bd. 1f. 1859ff.; Eberbach, O., Die deutsche Reichsritterschaft,
1913; Ruch, W., Die Verfassung des Kantons Hegau-Allgäu-Bodensee, 1955;
Riedenauer, E., Kontinuität und Fluktuation im Mitgliederstand der fränkischen
Reichsritterschaft, Gesellschaft und Herrschaft (FS Karl Bosl) 1969, 225;
Inventar des Archivs der niederrheinischen Reichsritterschaft, bearb. v. Böhn,
G., 1971; Danner, W., Die Reichsritterschaft im Ritterkantonsbezirk Hegau,
1971; Hellstern, D., Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, 1971; Mauchenheim,
H. v., Des Heiligen römischen Reichs unmittelbar freie Ritterschaft zu Franken
Ort Steigerwald, 1972; Stetten, W. v., Die Rechtsstellung der unmittelbaren
freien Reichsritterschaft (Odenwald), 1973; Teuner, R., Die fuldische
Ritterschaft, 1982; Adel in der Frühneuzeit, hg. v. Endres, R., 1991; Ulrichs,
C., Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft, 1997; Riedenauer, E., Fränkische
Landesgeschichte und historische Landeskunde, 2001; Neumaier, H., Dass wier
khein annder Haupt …, 2005; Puchta, M., Mediatisierung mit Haut und Haar, Leib
und Leben - Die Unterwerfung der Reichsritter durch Ansbach-Bayreuth 1792-1798,
2012; Flurschütz da Cruz, A., Zwischen Füchsen und Wölfen, 2014 (ein
reichsritterschaftlicher Lehenprozess); Ulrichs, C., Die Entstehung der
fränkischen Reichsritterschaft, 2016
Reichsschluss (lat. conclusum N.
imperii) ist der nach Zustimmung des Kaisers zu den Ergebnissen der Beratung
der Reichsstände entstehende Gesetzesbeschluss des Heiligen Römischen Reiches,
der dem →Reichsabschied vorausgeht.
Lit.: Wenkebach, H., Bestrebungen zur Erhaltung der
Einheit des Heiligen römischen Reichs in den Reichsschlüssen, 1970
Reichssiegel ist das vom Herrscher oder anderen
Organen für das →Reich verwendete Siegel.
Lit.: Ewald, W., Siegelkunde, 1914, Neudruck 1969;
Posse, O., Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Bd. 1ff. 1909ff.;
Battenberg, F., Das Hofgerichtssiegel, 1979
Reichsstaatsrecht →Reichspublizistik,
Staatsrecht
Lit.: Quellensammlung zum deutschen Reichsstaatsrecht,
hg. v. Triepel, H., 5. A. 1931; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984
Reichsstadt ist im Heiligen Römischen
→Reich die dem Reich bzw. Kaiser
unmittelbar, d. h. nicht mittels eines Landesherrn unterstehende →Stadt.
Sie entsteht seit der Stauferzeit des 13. Jh.s. Die R. kann dauerhaft die
Ratsverfassung sichern und die stadtherrlichen Rechte an sich bringen.
Zeitweise gibt es bis zu 125 Reichsstädte (z. B. Regensburg, Nürnberg, Speyer,
Worms, Besançon, Frankfurt am Main, Wetzlar, Dortmund), die zusammen (gefestigt
seit 1648) den dritten →Reichsstand im Reichstag bilden (schwäbische Städtebank
mit Vorsitz Ulms, rheinische Städtebank mit Vorsitz Kölns). In der frühen
Neuzeit geht die Zahl zugunsten der Territorialstaaten zurück (1792 51, davon
47 rechtsrheinisch). 1803 werden die meisten (45) noch verbleibenden
Reichsstädte mediatisiert (dabei 15 an Bayern, 9 an Württemberg, 7 an Baden).
Die letzten Überreste bilden 1803 Frankfurt am Main (bis 1866), Hamburg,
Bremen, Lübeck (bis 1937), Augsburg (bis 1806), und Nürnberg (bis 1806), in der
Gegenwart die Stadtstaaten Bremen und Hamburg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 110, 111, 132, 148; Hugo, G. W., Die Mediatisierung der
deutschen Reichsstädte, 1838; Hugo, G. W:, Das Gebiet der deutschen
Reichsstädte, 1844; Ehrentraut, M., Untersuchungen über die Frage der Frei- und
Reichsstädte, 1902; Müller, K., Die oberschwäbischen Reichsstädte, 1912;
Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg,
1928; Moeller, B., Reichsstadt und Reformation, 1962, neu hg. v. Kaufmann, T.,
2011; Laufs, A., Reichsstädte und Reichsreform, ZRG GA 84 (1967), 172;
Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967;
Batori, J., Die Reichsstadt Augsburg, 1969; Eitel, P., Die oberschwäbischen
Reichsstädte im Zeitalter der Zunftherrschaft, 1970; Maier, W., Stadt und
Reichsfreiheit, 1972, Buchstab, G., Reichsstädte, Städtekurie und westfälischer
Friedenskongress, 1976; Heitzenröder, W., Reichsstädte und Kirche in der
Wetterau, 1982; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991; Redies,
R., Reichsstädte im deutschen Südwesten, 2004; Krischer, A., Reichsstädte in
der Fürstengesellschaft, 2006; Das Ende der kleinen Reichsstädte 1803 im
süddeutschen Raum, hg. v. Müller, R. u. a., 2007; Tempo passati - Die
Reichsstadt in der Erinnerung, hg. v. Wittmann, H., 2014; Reichszeichen, hg. v.
Wittmann, H., 2015; Kaiser, Reich und Reichsstadt in der Interaktion, hg. v.
Lau, T. u. a., 2016
Reichsstand ist im Heiligen Römischen
Reich das auf dem Reichstag vertretene
Kollegium (Kurfürsten 1356, [Reichs-]Fürsten,
Reichsstädte 1471).
Am Ende des 18. Jh.s gibt es bei drei Reichsständen 9 →Kurfürsten, 33
geistliche und 61 weltliche Fürstentümer, 2 Prälatenbänke (40 Mitglieder), 4
Grafen- und Herrenbänke (103 Mitglieder) (→Reichsfürsten) und 2 Städtebänke
(51 Mitglieder) (→Reichsstädte). Bis 1806 ist die Frage, wer
Reichsstandschaft erwerben kann, umstritten.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 110, 148, 150;
Moser, J., Von der Landeshoheit der teutschen Reichsstände, 1773; Reuter, R.,
Der Kampf um die Reichsstandschaft der Städte, 1919; Schubert, F., Die
deutschen Reichstage, 1966; Aretin, K. Frhr. v., Heiliges Römisches Reich, Bd.
1 1967; Kulenkampff, A., Einungen und Reichsstandschaft, 1971; Reichsstände
und Landstände, hg. v. Rausch, H., 1975; Decker, K., Frankreich und die
Reichsstände, 1981; Rheden-Dohna, A. v., Reichsstandschaft und Klosterherrschaft,
1982; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft, 1984; Krieger, K., König, Reich
und Reichsreform, 1992; Reichsständische Libertät, hg. v. Duchhardt, H. u. a.,
1999; Ackermann, J., Verschuldung, Reichsdebitverwaltung, Mediatisierung,
2004
Reichsstatthalter ist im Dritten Reich seit 7. 4.
1933 der über die Landesregierung gestellte Vertreter des Reichskanzlers, der
die Landesregierung ernennt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 232;
Baltl/Kocher
Reichssteuer ist die dem →Reich zustehende
→Steuer. Im Heiligen römischen Reich
ist der Versuch, allgemeine Reichssteuern einzuführen, erfolglos. Im
zweiten Deutschen Reich gelingt er seit 1881 (Stempelsteuer, 1902 Schaumweinsteuer,
1906 Erbschaftsteuer u. a., 1913 außergewöhnliche Einkommensteuer, 1916
Vorläufer der Umsatzsteuer, 1917 Beförderungsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 148, 196; Zeumer,
K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Müller, H., Reichssteuern und
Reichsreformbestrebungen, 1880; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz von 1654,
Diss. Bonn 1892/3; Gerlot, W., Die Finanz- und Zollpolitik des Deutschen
Reichs, 1913; Bussi, E., Il diritto pubblico del sacro Romano impero, Bd. 2
1959; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Schulze, W., Reichstage
und Reichssteuern, ZHF 2 (1975), 43; Isenmann, E., Reichsfinanzen und
Reichssteuern, ZHF 7 (1980), 1
Reichsstift ist das besondere →Stift des
Reiches.
Lit.: Kellner, W., Das Reichsstift St. Bartholomäus zu
Frankfurt am Main, 1962; Rauch, G., Pröpste, Propstei, und Stift von St.
Bartholomäus in Frankfurt, 1975
Reichsstrafgesetzbuch ist das 1871 aus dem
Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes und damit aus dem preußischen, stark vom
französischen Code pénal beeinflussten Strafgesetzbuch von 1871 entwickelte
Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 181
Reichsstraße ist die mit dem Reich besonders
verbundene, dem überörtlichen Verkehr dienende →Straße. Aus ihr
entwickelt sich (in der Bundesrepublik Deutschland 1949) die Bundesstraße.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die
Wegeverwaltung in Preußen, Bd. 1f. 1890; Zeumer, K., Straßenzwang und
Straßenregal, ZRG GA 23 (1902), 101; Landau, G., Beiträge zur Geschichte der
alten Heer- und Handelsstraßen in Deutschland, 1958
Reichssynode ist eine die Geistlichkeit des
→Reichs erfassende →Synode.
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Reichstag ist das (irgendwie) die Gesamtheit
des Volkes repräsentierende, bei der Gesetzgebung mitwirkende Kollegialorgan
des Reiches. Der R. des Heiligen römischen Reichs entwickelt sich aus der Einladung des Königs
zwecks Rates und Hilfe an die Großen des Reiches an seinen Hof (Reichsversammlung
[814-839 61, meist im Februar, Mai, Juni, August, September, Oktober, oft als
lat. conventus oder placitum bezeichnet, meist zwischen Maas und Rhein, Dauer
unterschiedlich, kein Forum der Repräsentation im modernen Sinne], Hoftag).
Seit 1356 sollen sich dabei die Kurfürsten jährlich beim König versammeln
(zwischen 1349 und 1471 80 Reichsversammlungen, durchschnittlich im Abstand von
1,5 Jahren). Möglich sind auch königslose Treffen. Seit dem frühen 15. Jh.
gehen Kurfürsten und Reichsstädte aus Not Selbstverpflichtungen ein. Hinzu kommen
später Fürsten, Grafen und Herren. Kurz vor 1500 ist diese von oben ausgehende
Entwicklung zu einem aus drei →Reichsständen gebildeten R. abgeschlossen
und die Teilhabe an der Leitung des Reiches bis zu dessen Ende gesichert. 1495
wird die jährliche Abhaltung von Reichstagen bestimmt, aber in der Folge nicht
eingehalten. Als bekannte Hoftage bzw. (ab 1470/1480) Reichstage werden dabei
im Übrigen (innerhalb der etwa 40-45 Reichstage - oder auch Reichsversammlungen
wie etwa 1455 in Wiener Neustadt - bis 1663) hervorgehoben die Hoftage bzw.
Reichstage von (Aachen [802/3],) Augsburg (1529), (Frankfurt am Main ([1442]),
Freiburg im Breisgau (1498), Köln (1512), Konstanz (1507), Lindau (1496),
(Mainz [1085],) Nürnberg (1524), Regensburg (1532, seit 1663 [ohne formellen
Beschluss)] Gesandtenkongress als immerwährender R.), (Roncaglia [1158],)
Speyer (1526) und Worms ([1231,] 1495, 1521) (sowie Würzburg [1168]). Im 19.
Jh. ist demgegenüber der R. in der Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung
von 1849 ein aus Staatenhaus und Volkshaus zusammengesetztes Organ, das aber
nicht verwirklicht wird. In Österreich erscheint ein aus Senat und
Abgeordnetenkammer bestehender R. in der Aprilverfassung des Innenministers
→Pillersdorf vom 25. 4. 1848 (1860 Reichsrat). Am 22. 7. 1848 wird auf
Grund dieser Verfassung in Wien ein aus einer gewählten Kammer bestehender R.
eröffnet, der am 22. 10. 1848 nach Kremsier verlegt und durch kaiserliches
Manifest am 4. 3. 1849 aufgelöst wird. Der in der Verfassung vom März 1849
vorgesehene R. wird nicht einberufen. 1860/1861 wird statt des Reichstags ein
Reichsrat festgelegt. Im Norddeutschen Bund (1867) und im zweiten Deutschen
Reich (1871) ist R. die hinter Kaiser und Bundesrat an dritter Stelle stehende,
durch Mehrheitswahlrecht bestimmte Volksvertretung, die an der Gesetzgebung
entscheidend mitwirkt. Am 28. 10. 1918 wird der Reichskanzler vom Vertrauen
des Reichstags abhängig. 1933 überträgt das Ermächtigungsgesetz das
Gesetzgebungsrecht des Reichstags auf die Reichsregierung, woraufhin bis 1945
985 Regierungsgesetze und nur noch 8 Reichstagsgesetze (1933 1, 1934 1, 1935
3, 1937 1, 1939 2, Reichsgesetzblatt dieses Jahres mit Umfang von 2509 Seiten)
verabschiedet werden. Am 27. 2. 1933 steckt wohl der niederländische Kommunist
Marinus van der Lubbe (1909-1934) das Gebäude des deutschen Reichstags in
Brand.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 94, 101, 106, 110, 131, 135, 148, 177, 193, 194, 195, 230;
Baltl/Kocher; Deutsche Reichstagsakten; Sammlung sämtlicher Drucksachen des
Reichstages, 1871ff.; Rauch, K., Traktat über den Reichstag im 16. Jahrhundert,
1905; Reincke, H., Der alte Reichstag und der neue Bundesrat, 1906; Bemmann,
R., Zur Geschichte des deutschen Reichstages im 15. Jahrhundert, 1907; Borell,
A., Die soziologische Gliederung des Reichsparlaments, Diss. phil. Gießen 1933;
Stoltenberg, G., Der deutsche Reichstag, 1955; Aus Reichstagsakten des 15. und
16. Jahrhunderts, 1958; Tetleben, V. v., Protokoll des Augsburger Reichstages
1530, hg. v. Grundmann, H., 1958; Weber, H., Die Reichsversammlungen im
ostfränkischen Reich 840-918, Diss. phil. Würzburg 1962; Deuerlein, E., Der
Reichstag von 1871 bis 1933, 1962; Fürnrohr, W., Der immerwährende Reichstag zu
Regensburg, 1963, 2. A. 1987; Schwarz, M., Mitglieder des Reichstages, 1965;
Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Becker, H., Der Speyerer
Reichstag von 1570, 1969; Das Reichstagsprotokoll des kaiserlichen Kommissars
Felix Hornung vom Augsburger Reichstag 1555, hg. v. Lutz, H. u. a. 1971;
Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 1ff. 1972ff.; Vocelka, R.,
Der Reichstag im 16. Jahrhundert, Diss. phil. Wien 1974; Stürmer, M., Regierung
und Reichstag, 1974; Westphal, G., Der Kampf um die Freistellung auf den Reichstagen,
1975; Brandt, D., Die politischen Parteien, 1975; Rauh, M., Die
Parlamentarisierung des Deutschen Reichs, 1977; Neuhaus, H., Reichstag und
Supplikationsausschuss, 1977; Schubert, E., König und Reich, 1979; Moraw, P.,
Versuch über die Entstehung des Reichstages, (in) Politische Ordnung und
soziale Kräfte im Alten Reich, hg. v. Weber, H., 1980, 1; Aulinger, R., Das
Bild des Reichstages im 16. Jahrhundert, 1980; Der Reichstag, 1981; Neuhaus,
H., Reichsständische Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Regierung,
Bürokratie und Parlament, hg. v. Ritter, G., 1983; Moraw, P., Hoftag und
Reichstag, (in) Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 3; Der Reichstag
des Norddeutschen Bundes 1867-1870, bearb. v. Haunfelder, B. u. a., 1989 (466
Parlamentarier); Schindling, A., Die Anfänge des immerwährenden Reichstags,
1991; Hubert, P., Uniformierter Reichstag, 1992; Martin, T., Auf dem Weg zum
Reichstag, 1993; Härter, K., Reichstag und Revolution 1789-1806, 1992; Hof,
Hoftag und Reichstag, hg. v. Moraw, P., 1994; Speicher, S., Der Reichstag,
1995; Ullrich, N., Gesetzgebungsverfahren und Reichstag, 1996; Schönberger, C.,
Das Parlament im Anstaltsstaat, 1997; Bahar, A./Kugel, W., Der Reichstagsbrand,
2000; Biefang, A., Bismarcks Reichstag, 2002; Mergel, T., Parlamentarische
Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Deutscher Königshof, Hoftag und
Reichstag, hg. v. Moraw, P., 2003; Statisten in Uniform, hg. v. Lilla, J.,
2004; Annas, G., Hoftag – gemeiner Tag – Reichstag, 2004; Cullen, M., Der
Reichstag, 2005; Handbuch der Reichstagswahlen 1890-1918, bearb. v. Reibel, C.,
2007; Eichler, D., Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen,
2007; Kellerhoff, S., Der Reichstagsbrand, 2008; Biefang, A., Die andere Seite
der Macht - Reichstag und Öffentlichkeit im System Bismarck, 2009; Dücker, J.,
Reichsversammlungen im Spätmittelalter – Politische Willensbildung in Polen,
Ungarn und Deutschland, 2011; Der Reichstag zu Regensburg 1556/1557, hg. v.
Leeb, J., 2013; Rohrschneider, M., Österreich und der immerwährende Reichstag,
2014 (1745-1763 mit dem Versuch der Bildung einer festen Anhängerschaft
gegenüber Preußen); Adlgasser, F., Die Mitglieder der österreichischen
Zentralparlamente 183´48-1918, 2014; Nit wenig verwunderns und nachgedenken –
Die Reichstagsakten Mittlere Reihe, hg. v. Wolgast, E., 2015; Hartmann, T., Die
Reichstage unter Karl V., 2017
Reichstagsakten sind die in der Arbeit des
→Reichstags des Heiligen römischen Reiches entstandenen, seit 1857 zur
Veröffentlichung vorbereiteten Akten (zwischen 1376 und 1662).
Lit.: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 1ff.
1867, Neudruck 1956f.; Deutsche Reichstagsakten, Mittlere Reihe, Bd. 1ff.
1972ff.; Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd. 1ff. 1893ff., Neudruck
1962f.; Schubert, F., Die deutschen Reichstage, 1966; Nit wenig verwunderns und
nachgedenken – Die Reichstagsakten Mittlere Reihe, hg. v. Wolgast, E., 2015
(mittlere Reihe seit 1972 inm Erscheinen, auf 13 Bände ausgelegt, 2014 acht
Bände bereits erschienen, fünf Bände noch in Bearbeitung)
Reichstagsbrand ist der wohl von (dem
niederländischen Kommunisten van der Lubbe als) einem Einzelnen verursachte
Brand des Gebäudes des Deutschen Reichstages in Berlin am 27. 2. 1933, als
dessen Folge von (Adolf →Hitler bzw.) dem Reichspräsidenten Hindenburg am
28. 2. 1933 durch Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat zahlreiche
Grundrechte außer Kraft gesetzt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 222; Tobias, F., Der Reichstagsbrand, 1962; Mommsen, H., Der Reichstagsbrand,
Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964), 351
Reichsteilung ist die Aufteilung eines
→Reiches. Im August 843 teilen die Söhne Lothar, Ludwig und Karl des
fränkischen Kaisers Ludwig des Frommen in Verdun das Reich, woraus sich
ungeplant (ab 887) die Entwicklung zu →Deutschland und →Frankreich
ergibt.
Lit.: Köbler, DRG 76; Kornemann, E., Doppelprinzipat
und Reichsteilung im Imperium Romanum, 1930; Der Vertrag von Verdun, hg. v.
Mayer, T., 1943; Ganshof, F., Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutung des
Vertrags von Verdun, DA 12 (1956), 313
Reichsunmittelbarkeit ist die unmittelbare d. h. nicht
durch einen anderen (Landesherrn) vermittelte Zugehörigkeit von Gütern oder
Personen zum Heiligen römischen Reich . Sie entsteht ansatzweise im
Hochmittelalter (13. Jh.). 1471 sieht die Kriegssteuerordnung vor, dass die
der Verteidigung gegen die Türken dienende Reichssteuer durch den jeweiligen
Landesherrn von seinen Untertanen einzuheben ist. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit, die R. im Einzelfall festzulegen. R. haben →Kurfürsten,
→Reichsfürsten, Reichsgrafen, →Reichsstädte, →Reichsritter
und →Reichsdörfer. Persönliche R. kommt Reichshofräten, Reichskammergerichtsassessoren
und Domkapiteln während der Sedisvakanz und Angehörigen reichsständischer
Familien zu. Die R. endet 1806.
Lit.: Köbler, DRG 94, 110, 135; Moser, J., Von denen
Teutschen Reichsständen, 1767, Neudruck 1967; Engelbert, G., Die Erhebungen in
den Reichsfürstenstand, Diss. phil. Marburg 1948 masch.schr.; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Müller-Ueltzhöffer, B., Der
500jährige Rechtsstreit des Klosters Neresheim, 2002
Reichsurteil →Reichsweistum
Reichsverfassung ist die Grundordnung eines
→Reiches bzw. die formelle Verfassung eines Reiches seit dem 19. Jh. (z.
B. 27. 3. 1849, 16. 4. 1871). →Heiliges Römisches Reich, Deutsches Reich,
Österreich, Kaiser, Reichstag
Lit.: Laband, P., Das Staatsrecht des Deutschen
Reichs, 1876; Jastrow, J., Pufendorfs Lehre von der Monstrosität der
Reichsverfassung, 1882; Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen
Reichsverfassung, hg. v. Zeumer, K., 2. A. 1913; Bergsträßer, L., Geschichte
der Reichsverfassung, 1914; Beyerle, K., Zehn Jahre Reichsverfassung, 1929;
Stengel, E., Die Quaternionen der deutschen Reichsverfassung, ZRG GA 74 (1957),
256; Dürig, G./Rudolf, W., Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. A.
1979; Das Staatsrecht des Heiligen römischen Reichs deutscher Nation, hg. v.
Wagner, W., 1968; Becker, W., Der Kurfürstenrat, 1973; Schmidt, G., Der
Städtetag in der Reichsverfassung, 1984; Kühne, J., Die Reichsverfassung der
Paulskirche, 1985; Grimm, D., Deutsche Verfassungsgeschichte 1776-1866, 1988;
Kröger, K., Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte, 1988;
Buschmann, A., Reichsgrundgesetze und Reichsverfassung des Heiligen Römischen
Reiches, FS H. Baltl 1998, 21; Burgdorf, W., Reichskonstitution und Nation,
1998; Immel, J., Hugo Preuß und die Weimarer Reichsverfassung, 2002
Reichsversicherungsamt ist die oberste Behörde der
→Sozialversicherung im zweiten Deutschen Reich seit 1884. Im März 1945
stellt das R. seine Tätigkeit ein. Nachfolger wird teilweise 1954 das
Bundessozialgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Staatsbürger und
Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., R., Bd. 1 1963; Festschrift zum 25jährigen
Bestehen des Bundessozialgerichts, Bd. 1 1979; Festgabe aus Anlass des
100jährigen Bestehens der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, hg. v. Deutschen
Sozialrechtsverband, 1984
Reichsversicherungsordnung ist das die
Sozialversicherungsgesetze des zweiten Deutschen Reichs vom 15. 6. 1883
(Krankenversicherung), 6. 7. 1884 (Unfallversicherung) und 22. 6. 1889 (Altersversicherung
und Invalidenversicherung) zusammenfassende Gesetz vom 19. 7. 1911. Die R. wird
am Ende des 20. Jh.s abschnittsweise vom →Sozialgesetzbuch abgelöst.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 183; Rother,
K., Die Reichsversicherungsordnung 1911, 1994
Reichsverwaltung
Lit.: Spangenberg, H., Die Entstehung des
Reichskammergerichts und die Anfänge der Reichsverwaltung, ZRG GA 46 (1926),
231
Reichsverwaltungsgericht ist das nach jahrzehntelangem
Drängen durch Erlass vom 3. 4. 1941 unter Zusammenlegung mehrerer Gerichte und
Ämter (Oberwaltungsgericht Preußens, Verwaltungsgerichtshof [Österreichs],
Reichsdienststrafhof u. a.) ohne Zuständigkeitsveränderungen geschaffene oberste
Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Deutschen Reich. Seine
Entscheidungen sind in zwei Bänden veröffentlicht. 1945 (bzw. formell am 10.
10. 1946) wird es aufgelöst. Funktionell folgt ihm das →Bundesverwaltungsgericht.
Lit.: Gulden, H., Das künftige Reichsverwaltungsgericht,
Diss. jur. Heidelberg 1928; Frank, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Deutsches
Recht 1941, 1169; Gaiser, H., Das Reichsverwaltungsgericht, Diss. jur.
Tübingen 1948; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991
Reichsverweser ist der Verwalter eines
→Reiches (z. B. Dänemark 1023/1024, Erzherzog Johann am 29. 6. 1848 für
das geplante Deutsche Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Huber, E., Deutsche
Verfassungsgeschichte, Bd. 2. A. 1975, 623
Reichsvikar ist der Verwalter eines
→Reiches. Im Hochmittelalter wird der R. zu einer festen Einrichtung für
die Zeit zwischen dem Tod eines Königs und der Wahl des neuen Königs des
deutschen Reiches. (z. B. 1276/1281 Pfalzgraf bei Rhein, 1356 auch der Herzog
von Sachsen). Grundsätzlich muss der neue Herrscher alle Handlungen des
Reichsvikars bestätigen.
Lit.: Fricke, H., Reichsvikare, Reichsregenten und
Reichsstatthalter, Diss. phil. Göttingen 1949 masch.schr.; Wendehorst, A., Das
Reichsvikariat nach der Goldenen Bulle, 1951; Hermkes, W., Das Reichsvikariat
in Deutschland, 1968; Heckmann, M., Stellvertreter, 2002; De vicariatus
controversia, 2004
Reichsvogt ist der vom →Reich im
Hochmittelalter zur Verwaltung von Reichsgut bestellte →Vogt (z. B. in
Aachen, Wetzlar oder Goslar).
Lit.: Interthal, K., Die Reichsvogtei Wetzlar, Diss.
phil. Gießen 1928; Wilke, S., Das Goslarer Reichsgebiet, 1970; Flach, D.,
Untersuchungen zur Verfassung und Verwaltung des Aachener Reichsgutes, 1976
Reichsvogteistadt ist die bischöfliche Stadt des
Heiligen römischen Reiches , deren Vogtei das Reich hat (Augsburg, Konstanz,
Basel, Chur).
Lit.: Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen
Reichsstädte, 1967
Reichswald ist der seit dem Mittelalter dem
→Reich zustehende Wald (z. B. Dreieich, Büdingen, Aachen, Kleve,
Unterelsass, Kaiserslautern, Nürnberg).
Lit.: Zeyher, M., Der Schönbuch, 1938; Kaspers, H.,
Comitatus nemoris, 1957; Nieß, W., Die Forst- und Jagdgeschichte der Grafschaft
Ysenburg, 1974; Rabus, I., Der Nürnberger Reichswald, 1974; Bäcker, H.,
Reichswald und Reichswaldgenossenschaft, Diss. jur. Mainz 1978
Reichswappen ist das Wappen eines
→Reiches. Im 12. Jh. erscheint der →Adler im Wappen des Kaisers des
Heiligen römischen Reiches. Am Ende des 13. Jh.s zeigt das vom Wappen des
Königs geschiedene R. den schwarzen einköpfigen Adler im goldenen Schild. Seit
1400 wird der Doppeladler R. 1847/1848 übernimmt die Bundesversammlung den
schwarzen Doppeladler. 1871 führt das zweite Deutsche Reich den einköpfigen
schwarzen Adler im goldenen Schild als R. ein.
Lit.: Korn, J., Adler und Doppeladler, Diss. phil.
Göttingen, 2. A. 1976
Reichswehr ist die Bezeichnung des durch den
Versailler Friedensvertrag auf 100000 Mann beschränkten Heeres des zweiten
Deutschen Reiches (Gesetz v. 23. 3. 1921) bis zur Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht am 16. 3. 1935.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 221; Vogelsang,
T., Die Reichswehr und die Politik, 1959; Dietz, A., Das Primat der Politik in
kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr, 2012
Reichsweistum ist die von den Reichsfürsten im
Mittelalter urteilsartig gegebene Entscheidung (z. B. Rhens 1338). Die
Abgrenzung zum Urteil wie zum Gesetz ist zweifelhaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Franklin, O., Sententiae
curiae regiae, 1870; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958,
Neudruck 1988; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative Quellen, (in)
Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Reichswirtschaftsgericht ist die 1919 aus dem 1915
geschaffenen Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf hervorgegangene, 1920 in
ein Gericht umgewandelte Behörde. 1941 geht das R. im →Reichsverwaltungsgericht
auf.
Lit.: Jahn, J., Das Reichswirtschaftsgericht, 1940;
Klinger, H., Reichswirtschaftsgericht und Kartellgericht, (in) Staatsbürger
und Staatsgewalt, hg. v. Külz, H. u. a., Bd. 1 1963, 103
Reichszivilprozessordnung →Zivilprozessordnung
Reims an der Vesle, aus dem römischen
Durocortorum der Remer hervorgegangen, ist seit 290 Bistum, seit dem 8. Jh.
Erzbistum. R. beansprucht die Stellung als Krönungsort des französischen
Königs. Seit dem Hochmittelalter tritt es als Machtmittelpunkt hinter
→Paris zurück. Seit 1969 ist R. Sitz einer Universität.
Lit.: Brühl, C., Reims als Krönungsstadt des
französischen Königs, Diss. phil. Frankfurt am Main 1950; Devisse, J., Hincmar,
archevêque de Reims, Bd. 1ff. 1972ff.; Desportes, P., Reims et les Remois,
1979; Kaiser, R., Bischofsherrschaft zwischen Königtum und Fürstenmacht, 1981
Reimvorrede ist eine gereimte Vorrede (z. B.
des Sachsenspiegels).
Lit.: Fehr, H., Die Dichtung im Recht, 1936; Ignor,
A., Über das allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984
Reine Rechtslehre ist die auf der positivistischen
Grundlage der neukantianischen Zuordnung der Rechtsnorm zum Sollen von Hans
→Kelsen (1881-1973) bis 1934 entwickelte, alle nichtrechtlichen Elemente,
insbesondere die politische Ideologie ausscheidende Rechtslehre. In ihr
stellt die Rechtsordnung einen Erzeugungszusammenhang von Rechtsnormen dar,
der sich letztlich auf eine hypothetische Grundnorm zurückführen lässt. Diese
nicht gesetzte, aber vorausgesetzte hypothetische Grundnorm hat rechtserzeugenden
Charakter, der Zwangsakt als Endpunkt des Rechtserzeugungsvorgangs nur
rechtsanwendenden Charakter. Adolf J. Merkl überträgt die von Kelsen für das
Verfassungsrecht entwickelte Vorstellung auf das Verwaltungsrecht, Alfred
Verdroß auf das Völkerrecht.
Lit.: Kelsen, H., Reine Rechtslehre, 1934, 2. A. 1960;
Schild, W., Die reinen Rechtslehren, 1975; Der Einfluss der reinen
Rechtstheorien, Bd. 1ff. 1978ff.; Dreier, H., Rechtslehre, Staatssoziologie und
Demokratie bei Hans Kelsen, 1984
Reinhart Fuchs ist die nach 1192 von einem
elsässischen Dichter geschaffene, das Verfahren des ausgehenden 12. Jh.s
volkssprachig darstellende Dichtung.
Lit.: Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984
Reinigungseid ist der in Wurzel und Deutung wohl
vielschichtige Eid des Beschuldigten, mit dem er (allein oder mit Eidhelfern)
seine Unschuld erweisen kann. Er entspricht einem Beweisrecht. Er verschwindet
mit dem 18. Jh.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Loening, R., Der
Reinigungseid bei Ungerichtsklagen im deutschen Mittelalter, 1880; Schmidt, E.,
Einführung in die Geschichte der Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Fiori,
A., Il giuramento di innocenza nel processo canonico medievale, 2013
Reinkingk (Reinking), Dietrich (Theodor)
(Windau in Kurland 10. 3. 1590-Glückstadt 15. 12. 1664), Gutsherrnsohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Köln, Marburg (Vultejus) und Gießen (Antonius) 1617
außerordentlicher Professor in Gießen, 1618 Hofrat, 1625 Vizekanzler und 1632
Kanzler (zuerst in Schwerin, 1636 in Bremen, 1648 in Schleswig und Holstein).
Sein 1619 erschienenes kaiserfreundliches Hauptwerk (lat. Tractatus M.
de regimine seculari et ecclesiastico, Abhandlung über weltliche und kirchliche
Herrschaft) räumt dem Kaiser Souveränität ein und wird damit seit 1648 der
Wirklichkeit nicht mehr voll gerecht.
Lit.: Jessen, H., Biblische Policey, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau, 1962; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995
reipersekutorisch (sachverfolgend)
Lit.: Köbler, DRG 19
reipus (lat.-afrk. [M.]) Reifgeld,
Verlobungsgebühr, vor 819
Reise ist die Fortbewegung eines Menschen an einen
anderen Ort außerhalb des Wirtschaftsverkehrs.
Lit.: Drabek, A., Reisen und Reisezeremoniell der römisch-deutschen
Herrscher im Spätmittelalter, 1964; Hans Dernschwam’s Tagebuch einer Reise nach
Konstantinopel und Kleinasien (1553/55), 1923, hg. v. Babinger, F. 1923,
Neudruck hg. v. Schnur, R., 1986; Paravicini, W., Die Preußenreisen des
europäischen Adels, 1989; Unravelling Civilisation – European Travel and Travel
Writing, hg. v. Schulze-Forberg, H., 2005; Prein, P., Bürgerliches Reisen im
19. Jahrhundert, 2005; Quellen zur Geschichte des Reisens im Spätmittelalter,
hg. v. Reichert, F., 2009 (37 Dokumente); Zwingmann, N., Antiker Tourismus in
Kleinasien, 2012; Les voyages des empereurs dans l’Orient romain, hg. v.
Hostein, A. u. a., 2012; Reichert, F., Asien und Europa imMittelalter, 2014;
Fischer-Kattner, A., Spuren der Begegnung, 2015; Travel, Agency and the
Circulation of Knowledge, hg. v. Mackenthun, G. u. a., 2017
Rei vindicatio (lat. F.)
ist die Herausgabeklage des Eigentümers des klassischen römischen Rechtes,
bei welcher der nichtbesitzende (zivile) Eigentümer dem besitzenden
Nichteigentümer (z. B. Dieb) gegenübersteht, wobei neben der Herausgabe
(Restitution) der Sache auch Sachschäden, Früchte und Aufwendungen zu beachten
sind. Aus der r. v. entwickelt sich im Hochmittelalter auch die zeitweise
bedeutsame Unterscheidung von →Obereigentum und Untereigentum. Im
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 entspricht ihr § 985.
Lit.: Kaser §§ 4 I 1a, 21 I 2b, 22 II, 27 I, 59 II 7b,
81 II 1, 83 II 5; Söllner § 9; Köbler, DRG 41, 48, 61, 124; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 174, 191, 294, 297, 307; Pennitz, M., Der
„Enteignungsfall“ im römischen Recht, 1991; Wimmer, M., Besitz und Haftung des
Vindikationsbeklagten, 1996
Rekkesvind (Reccesvinth) ist der für die
Fortbildung der (lat.) →Lex (F.) Visigothorum bedeutsame westgotische
König (653-672).
Lit.: Köbler, DRG 80, 82; García-Moreno, L., Historia
de España Visigoda, 1989
Reklamationsrecht (N.) Beschwerderecht beim
fränkischen König
Lit.: Kaufmann, E., Aequitatis iudicium, 1959;
Weitzel, J., Über Oberhöfe, Recht und Rechtszug, 1981
Rekognitionszins (M.) Anerkennungszins
Rektor ist der Leiter, insbesondere der
Leiter einer Universität.
Lit.: Köbler, Jurist; Schwinges, R., Rektorwahlen,
1992
Rekuperator →(lat.) recuperator (M.)
Relation (lat. F.
relatio) ist aus dem römisch-kanonischen gelehrten Prozessrecht kommend in der
Neuzeit der Bericht im Rahmen der juristischen Tätigkeit. Die R. besteht im
Zivilverfahrensrecht aus der Erzählung der unstreitigen Tatsachen, der Prozessgeschichte
einschließlich der Beweise und einem Entscheidungsvorschlag. Für die
Besetzung von Stellen am Reichskammergericht wird 1570, für die Besetzung
einer Oberratsstelle in Württemberg wenig später die Erstellung einer
Proberelation vorgesehen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Koch, C., Anleitung zum
Referieren bei preußischen Gerichtshöfen, 2. A. 1836; Berger, H., Die
Entwicklung der zivilrechtlichen Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976;
Schröder, J., Wissenschaftstheorie und Lehre der „praktischen Jurisprudenz“, 1979;
Flasch, K., Das philosophische Denken, 1986
relativ (verhältnismäßig) z. B. Mehrheit,
Naturrecht, Unwirksamkeit
Religion ist das Ergriffenwerden vom
Göttlichen. Indogermanen, Römer und Germanen kennen in ihrer R. eine Vielzahl
von an Naturerscheinungen angelehnten, durch menschenähnliche Züge gekennzeichneten
Göttern, die an unterschiedlichen Orten verehrt werden. Seit dem 1. Jh. n. Chr.
breitet sich im römischen Weltreich die von Jesus Christus auf jüdischer
Grundlage gestiftete christliche, auf einen einzigen, Gerechtigkeit
verwirklichenden Gott ausgerichtete R. aus, die zur Staatsreligion wird und
seit dem 3./4. Jh. auch auf die Germanen übergreift. Zwischen der Taufe
Chlodwigs (zwischen 497 und 507) und der Salbung Pippins des Jüngeren zum König
(751) erlangt die christliche R. im Frankenreich eine beherrschende Stellung.
Glaubenssätze verändern in vielfacher Weise das hergebrachte Recht. Seit dem
Hochmittelalter wird abstrakt auch in weltlicher Sicht das (angeblich gute,
alte) →Recht auf Gott zurückgeführt. Mit der Reformation Martin
→Luthers (1517) beginnen grundsätzliche Zweifel an der selbverständlichen
Richtigkeit religiöser Aussagen. Die Aufklärung wendet sich allgemein gegen
unkritisch akzeptierte Dogmen. Seit dem 19. Jh. wird der Einfluss der R. auf
das Recht zurückgedrängt (→Kulturkampf) und die Trennung von Kirche und
Staat bejaht. In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s dringt die Vorstellung einer
multikulturellen Gesellschaft vor.
Lit.: Maass, G., Der Einfluss der Religion auf das
Recht und den Staat, 1886, Neudruck 2011; Groenbech, W., Kultur und Religion
der Germanen, 9. A. 1980; Heck, E., Der Begriff religio, 1971; Heiler, F., Die
Religionen der Menschheit, 4. A. 1982; Feil, E., Religion, 1986; Buchholz, S.,
Recht, Religion und Ehe, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte,
1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Ruthmann, B., Die Religionsprozesse
am Reichskammergericht, 1996; Kippenberg, H., Die Entdeckung der
Religionsgeschichte, 1997; Religion in Geschichte und Gegenwart, hg. v. Betz,
H. u. a., 4. A. Bd. 1f. 1998ff.; Handbuch der Religionsgeschichte, hg. v.
Dinzelbacher, P., Bd. 1ff. 1999ff. (z. B. Bd. 4 2012); Küng, H., Die
Weltreligionen auf dem Weg, 1999; Zwischen Krise und Alltag, hg. v. Batsch, C.
u. a., 1999; Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffarth, J. u. a., Bd. 1ff.
1999ff.; Rémond, R., Religion und Gesellschaft in Europa, 2000; Feil, E.,
Religio, Bd. 3 2000; Müller-Karpe, H., Grundzüge antiker Menschheitsreligion,
2000; Rüpke, J., Die Religion der Römer, 2001; Religion in den germanischen
Provinzen Roms, hg. v. Spickermann, W., 2001; Elsas, C., Religionsgeschichte
Europas, 2002; Ohlig, K., Religion in der Geschichte der Menschheit, 2002;
Heckel, M., Der Rechtsstatus des Religionsunterrichts, 2002; Frömmigkeit im
Mittelalter, hg. v. Schreiner, K., 2002; Kippenberg, H./Stuckrad, K. v.,
Einführung in die Religionswissenschaft, 2003; Oberste, J., Zwischen
Heiligkeit und Häresie, 2003; Multireligiosität im vereinten Europa, hg. v.
Lehmann, H., 2003; Spieckermann, W., Germania superior, 2003; Heinig, H.,
Öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften, 2003; Angenendt, A.,
Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, 2003; Graf, F., Die Wiederkehr der
Götter, 2004; Quack, A., Heiler, Hexer und Schamanen, 2004; Religionen der
Welt, hg. v. Bowker, J., 2004; Scharfe, M., Über die Religion, 2004; Religionen
und Kulturen der Erde, hg. v. Grabner-Haider, A./Prenner, K., 2004; Religion
und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v. Hartmann, P., 2004;
Metzler Lexikon Religion, hg. v. Auffahrt, C. u. a., 2004; Antes, P., Grundriss
der Religionsgeschichte, 2006; Religiöse Prägung und politische Ordnung in der
Neuzeit, hg. v. Löffler, B./Ruppert, K., 2006; Rüpke, J., Historische
Religionswissenschaft, 2007; Religiöse Bewegungen im Mittelalter, hg. v. Bünz,
E. u. a., 2007; Die Religion des Imperium Romanum, hg. v. Cancik, H. u. a.,
2008; Römische Religion im Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Medien
religiöser Kommunikation im imperium Romanum, hg. v. Schörner, G. u. a., 2008;
Recht und Religion, hg. v. Barta, H., 2008; Imperium et comitatus - Das Reich
und die Religion, hg. v. Nitschke, P. u. a., 2009; Römische Religion im
historischen Wandel, hg. v. Bendlin, A. u. a., 2009; Mahlstedt, I., Rätselhafte
Religionen der Vorzeit, 2010; Rüpke, J., Von Jupiter zu Christus, 2010, 2. A.
2015; Zinser, H., Grundfragen der Religionswissenschaft, 2010; Hannig, N., Die
Religion der Öffentlichkeit, 2010; Religion und Bildung, hg. v. Frateantonio,
C. u. a., 2010; Hamm, B., Religiosität im späten Mittelalter, 2011; Law and
Religion in the Roman Republic, hg. v. Tellegen-Couperus, O., 2012; Religion
and Law in Classical and Christian Rome, hg v. Ando, C. u. a., 2012; Rüpke, J.,
Religion in Republican Rome, 2012; Armstrong, K., Religion und Gewalt, 2012;
Göttlicher Zorn und menschliches Maß, hg. v. Kästner, A. u. a., 2013; Linke,
B., Antike Religion, 2013; Imperium der Götter - Isis - Mithras - Jesus, 2013;
Religiöser Alltag in der Spätantike, hg. v. Eich, P. u. a., 2013; Religiöse Vielfalt
und soziale Integration, hg. v. Jehne, M. u. a., 2013; Rüpke, J., Römische
Religion in republikanischer Zeit, 2014; Snell, D., Die Religionen des alten
Orients, 2014; Religiöse Vielfalt und der Umgang mit Minderheiten, hg. v.
Weltecke, D. u. a., 2014; Jansen, N., Verwicklungen und Entflechtungen, ZRG GA
132 (2015), 29; Müller, C., Den Religionen auf der Spur, 2015; Vogel, V.,
Abgestorben? Religionsrecht der DDr und der Volksrepublik Polen, 2015Religious
Confluences between East and West in the Roman Empire, hg. v. Nagel, S. u. a.,
2016; Munsonius, H., Öffentliche Religion im säkularen Staat, 2016; Abrahams
Erbe, hg. v. Oschema, K. u. a., 2015; Hutter, M., Religionen in der Umwelt des
Alten Testaments I, 2017
Religionsfreiheit ist die Freiheit der Religion und
ihrer Ausübung. Die R. entwickelt sich seit der →Reformation Martin
→Luthers. 1526, 1552 bzw. 1555 wird sie den Landesherren zuerkannt. 1648
wird sie auf das reformierte Bekenntnis ausgedehnt. 1788 gewährt Preußen im
sog. Wöllnerschen Religionsedikt persönliche Gewissensfreiheit, 1803/1818
Bayern, 1818 Baden, 1819 Württemberg und 1831 das Kurfürstentum Hessen.
Allerdings bleibt bis 1918 die R. ein Recht des Einzelnen gegenüber dem
andersgläubigen Staat. Die Weimarer Reichsverfassung vom 11. 8. 1919 begründet
dann allgemeine R. (Bekenntnisfreiheit, Kultusfreiheit, religiöse Vereinigungsfreiheit).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Fürstenau, H., Das Grundrecht
der Religionsfreiheit, 1891, Neudruck 1975; Listl, J., Das Grundrecht der
Religionsfreiheit, 1971; Lutz, H., Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit,
1977; Zippelius, R., Religionsfreiheit, Staat und Kirche, 1997;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007; Kaupisch, J.,
Das Grundrecht der Religionsfreiheit in seiner historischen Entwicklung, 2008;
Schachtschneider, K. u. a., Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam,
2010; Heimbach-Steins, M., Religionsfreiheit, 2011
Religionsfriede ist der zur Beendigung eines
Religionskriegs vereinbarte Friede (z. B. Augsburger R. vom 25. 9. 1555).
Lit.: Wolf, G., Der Augsburger Religionsfriede, 1890;
Rabe, H., Der Augsburger Religionsfrieden und das Reichskammergericht, 1976;
Der Augsburger Religionsfriede, hg. v. Wüst, W. u. a., 2005; Wolgast, E.,
Religionsfrieden als politisches Problem der frühen Neuzeit, HZ 282 (2006), 59;
Religionsfreiheit und Frieden, hg. v. Gaertner, J. u. a., 2007
Religionsgemeinschaft ist die Gemeinschaft der Anhänger einer
Religion zu deren Ausübung unabhängig von einer besonderen öffentlichrechtlichen
Stellung.
Religionskrieg ist der wegen der →Religion
geführte →Krieg (z. B. 1419-1436 Hussitenkriege, 1547 Schmalkaldischer
Krieg, Dreißigjähriger Krieg 1618-48).
Lit.: Köbler, DRG 95, 130; Religionskriege im alten
Reich und in Alteuropa, hg. v. Brendle, F. u. a., 2006
Religionsmündigkeit ist die →Mündigkeit in
Religionsangelegenheiten. Nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung
vom 15. 7. 1921 erlangt das Kind mit 10, 12 und 14 Jahren stufenweise R.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Religionsverbrechen ist die an unterschiedlichen
Orten in unterschiedlichen Zeiten gegen die jeweilige →Religion gerichtete,
mit einer Strafe verfolgte Handlung (z. B. Zauberei u. a.).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935,
1; Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941
Religiöse Kindererziehung ist die Erziehung von Kindern in
Religionsangelegenheiten. Im Mittelalter ist die christliche r. K. durch die
Eltern unstreitig. Dementsprechend verbietet es die Kirche, Judenkinder gegen
den Willen ihrer Eltern zu taufen. Zum Problem wird die r. K. mit der
Reformation und der Aufklärung. Hier entwickelt sich der Grundsatz, dass in
glaubensverschiedenen Ehen zunächst die zwischen den Eltern getroffene
Vereinbarung, hilfsweise die Religion des Vaters entscheidet (Preußen 1803,
dagegen das Geschlecht des Kindes nach dem Allgemeinen Landrecht von 1794).
Nach Landesrecht entstehen bis 1921 31 verschiedene Rechtsgebiete. Mit
Reichsgesetz vom 15. 7. 1921 wird eine 1939 auch auf Österreich erstreckte
einheitliche Regelung getroffen, wonach beide Eltern die r. K. gemeinsam
bestimmen, nach Vollendung des 12. Lebensjahrs das Kind nicht gegen seinen
Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden kann und nach
Vollendung des 14. Lebensjahrs das Kind über seine Religion selbst bestimmen
kann.
Lit.: Hübler, B., Die religiöse Erziehung der Kinder,
1888; Roth, H., Die religiöse Kindererziehung nach schweizerischem Recht, Diss.
jur. Zürich 1920; Pfordten, v. d. T., Gesetz über die religiöse Kindererziehung,
1922; Kammerloher-Lis, S., Die Entstehung des Gesetzes über die religiöse
Kindererziehung, 1999
Reliquie ist in der christlichen
→Religion ein Überrest eines herausgehobenen Menschen (z. B. eines
Heiligen). Die Verehrung einer R. wird vermutlich seit dem 4. Jh. in der
westlichen christlichen Kirche aus älteren Ansätzen (z. B. Heroenverehrung in
Griechenland) übernommen. Sie gewinnt im Mittelalter große Bedeutung. In der
Gegenwart ist sie fragwürdig (z. B. bei Windel Christi, Grabtuch Christi u.
a.), weil sie zu oft von heuchlerischen Geschäftemachern zu Lasten der
gutgläubigen Armen und Schwachen zu Wallfahrtsrummeln (z. B. Georgenberg)
missbraucht wird.
Lit.: Pfister, F., Der Reliquienkult im Altertum,
1909ff.; Heinerth, H., Die Heiligen und das Recht, 1939; Braun, J., Die
Reliquiare des christlichen Kultus, 1940; Angenendt, A., Heilige und Reliquien,
1994; Mayr, M., Geld, Macht und Reliquien, 2000; Von goldenen Gebeinen, hg. v.
Mayr, M., 2001; Laube, S., Von der Reliquie zum Ding, 2011
Remagen
Lit.: Flink, K.,
Rigomagus – Remagen, Bd. 1f. 2010ff.
Remissorium (N.) ist das knappe, alphabetisch
geordnete Nachschlagewerk (Inhaltsverzeichnis) des 15. Jh.s hauptsächlich zum
sächsischen Recht (z. B. das in 19 Handschriften von 1452 bis 1472 überlieferte
R. des Dietrich von Bocksdorf, das R. des Tammo von Bocksdorf, das R. des
Kaspar Popplau, das R. Zu fromen und bequemikeit, das R. (lat. [F.] Summa
totius Brodii (Summe des ganzen Brodius) oder das R. zum Meißener Rechtsbuch).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 78
Renaissance (Wiedergeburt) ist die kulturelle
Wiederanknüpfung an das Vorbild des Altertums zu Beginn der Neuzeit. Die R.
nimmt ihren Ausgang von Italien. Von einer karolingischen R. wird für die Zeit
Karls des Großen gesprochen, von einer R. des 12. Jh.s für die Zeit der
Staufer.
Lit.: Köbler, DRG 79, 135; Burckardt, J., Die Kultur
der Renaissance in Italien, 1859, 10. A. 1976; hg. v. Günther, H., 1989;
Andersen, E., The Renaissance of Legal Science after the Middle Ages, 1974; Die
Renaissance der Wissenschaften im 12. Jahrhundert, hg. v. Weimar, P., 1969,
1981; Burke, P., Die Renaissance in Italien, 1984; Lexikon der Renaissance, hg.
v. Gurst, G. u. a., 1989; Cortese, E., Il Rinascimento giuridico medievale,
1992; Maclean, I., Interpretation and meaning in the renaissance, 1992; Hale,
J., Die Kultur der Renaissance, 1994; Das 16. Jahrhundert, hg. v. Kuester, E.,
1995; Lexikon der Renaissance (CD-ROM), hg. v. Gurst, G., 1996; Burke, B., Die
europäische Renaissance, 1998; Die Renaissance und ihre Antike, hg. v. Rudolph,
E., 1998; Lexikon der Renaissance, hg. v. Münkler, R. u. a., 2000; Reinhardt,
V., Die Renaissance in Italien, 2002; Das Zeitalter der Renaissance, hg. v.
Carbonell, C. u. a., 2003; The Renaissance, hg. v. Martin, J., 2003; Burke, P.,
Die europäische Renaissance, 2005; Günther, H., Was ist Renaissance?, 2009;
Roeck, B., Der Morgen der Welt – Geschichte der Renaissance, 2017
Rendsburg
Lit.: Kaack, H., Die Ratsverfassung und –verwaltung der Stadt
Rendsburg, 1976
Renner, Karl (Unter Tannowitz in
Südmähren 14. 12. 1870-Wien 31. 12. 1950), Winzerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Wien Bibliothekar und sozialdemokratischer/austromarxistischer
Politiker (1907 Abgeordneter), von Oktober 1918 bis März 1919 Leiter der
Staatskanzlei, von März 1919 bis Juni 1920 Regierungschef (Staatskanzler,
Schöpfer der provisorischen Verfassung, Unterzeichner des Friedensvertrags von
Saint Germain, Initiator des Habsburgergesetzes) und von 1931 bis 1933
Nationalratspräsident (Rücktritt am 4. 3. 1933). Er befürwortet 1938 den
→Anschluss an das Deutsche Reich und 1945 als Staatskanzler einer
provisorischen Regierung die Wiederherstellung (Unabhängigkeitserklärung)
der Republik Österreich, deren Präsident er von 1945 bis 1950 wird.
Lit.: Köbler, DRG 248; Baltl/Kocher; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 280; Schmitz, G., Karl Renners Briefe
aus Saint Germain, 1991
renovatio (lat. F.)
Erneuerung (z. B. renovatio imperii [Romanorum], Erneuerung des römischen
Reiches im Mittelalter [vom Papst als eine von ihm - nicht zwingend dem
deutschen König - zu übertragende Aufgabe angesehen)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Schramm, P., Kaiser, Rom und
Renovatio, Bd. 1 1929; Charlemagne’s Heir, hg. v. Godman, P. u. a., 1990
Rente (Wort 1220) ist das auf Vermögen, Versicherungsanspruch
oder Versorgungsanspruch beruhende Einkommen. Die privatrechtliche R.
entsteht im Hochmittelalter aus der Vereinbarung, dass vom Rentenschuldner
auf eine gewisse Dauer regelmäßige Leistungen an den Rentengläubiger zu
erbringen sind. Diese Vereinbarung wird vielfach bei Zahlung bzw. Hingabe einer
Geldsumme (Kapital) geschlossen und ersetzt bis zur Aufhebung des kanonischen
Zinsverbots das verbotene verzinsliche →Darlehen. Sie kann als
Reallast so mit einem Grundstück verknüpft sein, dass dessen jeweiliger
Eigentümer als jeweiliger Verpflichteter erscheint. Vielleicht ist sie aus der
Erbleihe entstanden (str.). Bei der Verpflichtung ist zwischen der auf Dauer
angelegten, nicht durch Erfüllung tilgbaren Stammverpflichtung und der zum
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt erzeugten selbständigen Einzelverpflichtung
zu unterscheiden. Die Einzelverpflichtung kann auf Geld oder Naturalleistung
lauten. Die wichtigste Erscheinungsform dieser privatrechtlichen R. ist die
→Leibrente. Die →Ewigrente kann nur unter besonderen Umständen (z.
B. Verzug, Wiederkaufsrecht, einverständliche Auflösung, Gesetz) enden. Mit
dem Vordringen des verzinslichen Darlehens und der Hypothek tritt die
privatrechtliche R. seit dem 18. Jh. zurück. Die sozialversicherungsrechtliche
R. entsteht seit 1881 (Bismarcksche Sozialversicherungsgesetzgebung) als
öffentlichrechtlicher Anspruch des (zwangsweise) Sozialversicherten gegen
den Sozialversicherungsträger im Sozialversicherungsfall (Krankheit, Unfall,
Invalidität, Alter).
Lit.: Hübner 195; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125,
135; Mann, Mecklenburgische Rentenbriefe, ZRG GA 7 (1886), 116; Stern, M., Das
zweite Kieler Rentebuch (1487-1586), 1904; Brandt, A. v., Der Lübecker
Rentenmarkt von 1320-1350, 1935; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961; Geschichte und Gegenwart der Rentenversicherung, hg.
v. Fisch, S. u. a., 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Noll, D., Ohne Hoffnung im Alter jemals nur
einen Pfennig Rente zu erhalten, 2010; Zuijderduijn, C., Medieval Capital
Markets, 2009; Weidner, F., Der lange Kampf um die Einfüührung von Witwen- und
Witwerrenten, 2017
Rentenbank ist das im 19. Jh. geschaffene
landwirtschaftliche Kreditinstitut, das den von grundherrschaftlichen
→Hintersassen zu Eigentümern gewordenen Bauern die Tilgung ihrer
Entschädigungsverpflichtung durch langfristige verzinsliche Darlehen
ermöglicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 174
Rentengrundherrschaft ist die seit dem Hochmittelalter
von Naturalleistungen auf Geldleistungen umgestellte Grundherrschaft, in
welcher der Nebenhof vom Haupthof gelöst und Land auf Zeit gegen Geld
verpachtet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 96
Rentenkauf ist das der Begründung der
privatrechtlichen →Rente durch Hingabe einer Geldsumme („Kauf“) dienende,
seit dem Hochmittelalter sichtbare Rechtsgeschäft. R. ist daneben auch der
kaufweise erfolgende Erwerb einer bereits bestehenden Rente.
Lit.: Hübner 395; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125;
Gobbers, J., Die Erbleihe und ihr Verhältnis zum Rentenkauf, ZRG GA 4 (1883),
130; Winiarz, A., Erbleihe und Rentenkauf in Österreich, 1906; Gattjen, B., Der
Rentenkauf in Bremen, 1928; Rörig, F., Kündigungsrecht des Rentners beim
Rentenkauf, ZRG GA 57 (1937), 451, Cremer, O., Der Rentenkauf im
mittelalterlichen Köln, Diss. jur. Köln 1937; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Gabrielsson, P., Struktur und
Funktion der Hamburger Rentengeschäfte, 1971; Haberland, H., Der Lübecker
Renten- und Immobilienmarkt, 1974; Ellermeyer, J., Stade 1300-1399, 1975;
Schmelzeisen, G., Zinsvertrag und Rentenkauf, ZRG GA 95 (1978), 229
Rentenschuld (1895) ist die im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900)
zugelassene, in der Weise bestellte Grundschuld, dass in regelmäßig
wiederkehrenden Zeitpunkten eine bestimmte Geldsumme aus dem Grundstück zu
zahlen ist.
Lit.: Köbler, DRG 213; Hensel, R., Jurisprudenz und
Nationalökonomie, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Rentenwirtschaft →Rentengrundherrschaft
Renuntiation ist der Verzicht auf eine
rechtliche Möglichkeit. Vom 13. Jh. bis zum 17. Jh. erscheinen in Urkunden
zahlreiche Renuntiationsklauseln, in denen auf →Einreden des römischen
Rechtes (z. B. Arglisteinrede, Nichtzahlungseinrede) verzichtet wird. Ihre
weite Verbreitung könnte dadurch ermöglicht sein, dass der Verzicht auf Rechte
als solcher bereits unabhängig vom römischen Recht bekannt ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schlosser, H., Die Rechts-
und Einredeverzichtsformeln (renuntiationes), 1963; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211
Reparation (F.) Kriegsschadensersatzleistung
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Liesem, K., Die Reparationsverpflichtungen
der Bundesrepublik Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg unter besonderer
Berücksichtigung der Zwangsarbeiterentschädigung, 2005
repetundae (lat. F.Pl.)
bei Provinzausbeutung Zurückzuverlangendes
Lit.: Kaser § 8 IV 2; Köbler, DRG 34
replicatio (lat. F.)
Gegenrede (z. B. des Klägers im [lat.] iudicium stricti iuris, dass eine [lat.]
exceptio des Beklagten wegen einer Vereinbarung oder wegen Arglist des
Beklagten oder wegen Verkaufs und Übergabe einer Sache nicht berücksichtigt
werden darf)
Lit.: Kaser §§ 82 II 4c, 83 II 11
Replik (zu lat. F.
replicatio) ist die Entgegnung des Klägers auf eine prozesshindernde Einrede
des Beklagten im Zivilverfahren vor dem →Reichskammergericht
(Kameralprozess). Im 19. Jh. wendet sich die R. auch gegen die Begründetheit
der Klage.
Lit.: Köbler, DRG 155; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981, 162
Report (M bzw. N.) nichtamtliche Aufzeichnung von
Verhandlungen in den Gerichtshöfen des englischen Königs in Westminster durch
junge Anwälte in Lawfrench von etwa 1290 bis 1536
Lit.: Year Books (Edwards II. 1307-1327), Bd. 1ff. 1903ff.
Repräsentation ist die Verkörperung einer
Gesamtheit durch Vertreter. Auf kirchlicher Grundlage erscheint R. im 13. Jh.
als die R. der Herrschaft Gottes in der Monarchie. Von den Vertretern des Mehrheitsprinzips
wird R. durch Papst und Konzil vertreten. Bodin geht von der R. des Staates
durch den Monarchen aus. Demgegenüber werden die Stände in den Ländern des
Heiligen Römischen Reichs erst spät als
R. des Volkes angesehen. In England unterscheidet bereits John Locke zwischen
R. durch den König und R. durch die beiden Kammern des Parlaments. In
Frankreich tritt die R. der Nationalversammlung 1789 an die Stelle und 1791
neben die R. durch den König. In den Staaten des Deutschen Bundes ist die Frage
der R. streitig.
Lit.: Hübner 766; Kroeschell, DRG 2; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 509; Brandt, H., Landständische Repräsentation im
Vormärz, 1968; Zur Theorie und Geschichte der Repräsentation und
Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968; Representative Institutions,
1971; Hofmann, H., Repräsentation, 1974, 3. A. 1998, 4. unv. A. 2003; Bosl, K.,
Die Geschichte der Repräsentation in Bayern, 1974; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, 1979; Hartmann, V., Repräsentation in der politischen Theorie und
Staatslehre in Deutschland, 1979; Neuhaus, H., Reichsständische
Repräsentationsformen im 16. Jahrhundert, 1982; Kimme, J., Das Repräsentativsystem,
1988; Höfische Repräsentation, hg. v. Ragotzky, H. u. a., 1990; Vec, M., Zeremonialwissenschaft
im Fürstenstaat, 1997; Die Repräsentation der Gruppe, hg. v. Oexle, G., u. a.,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Hartmann, J., Staatszeremoniell, 3. A. 2000; Dillinger, J., Die
politische Repräsentation der Landbevölkerung, 2008; Repräsentation im Wandel,
hg. v. Wiese, W. u. a., 2008; Brunhöber, B., Die Erfindung „demokratischer
Repräsentation“ in den Federalist Papers, 2010
Repräsentationsrecht (N.) Eintrittsrecht
repräsentativ (Adj.) würdig, typisch, stellvertretend,
Repräsentation betreffend
Repräsentativsystem ist das die Teilnahme der
Herrschaftsunterworfenen an allen wichtigen Entscheidungen durch eine aus
Repräsentanten gebildete Vertretungskörperschaft ermöglichende politische
System. Vom R. wird in den (flächenmäßig sehr großen und verkehrsmäßig
schlecht erschlossenen) Vereinigten Staaten von Amerika seit dem ausgehenden
18. Jh., in den Staaten des Deutschen Bundes seit der Mitte des 19. Jh.s gesprochen.
Das R. wird zumeist durch ein periodisch gewähltes →Parlament verwirklicht
(mittelbare Demokratie), das danach andere Staatsorgane bestimmt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Zur Theorie und Geschichte
der Repräsentation und Repräsentativverfassung, hg. v. Rausch, H., 1968;
Kimme, J., Das Repräsentativsystem, 1988
Repressalie ist die Beantwortung einer
Rechtsverletzung mit einer gleichwertigen, angemessenen, auf die
Wiederherstellung eines völkerrechtsgemäßen Zustands gerichteten Maßnahme. Die
R. findet sich bereits im Frühmittelalter. Sie wird seit dem Spätmittelalter
juristisch erfasst (Bartolus, Francisco de Vitoria, Grotius). Das 19. Jh.
schränkt die R. in zweiseitigen Abkommen und in der Pariser
Seerechtsdeklaration von 1856 ein.
Lit.: Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und
Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner, ZRG GA 56 (1936), 150;
Hohl, F., Bartolus de Saxoferrato: tractatus repressaliarum, Diss. jur. Bonn
1954 masch.schr.; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007;
Repressalien und Terror, hg. v. Wrochem, O. v., 2017
Republik (lat. res F.
publica, öffentliche Sache oder Angelegenheit) ist im römischen Recht die
Gesamtheit der Angelegenheiten von allgemeinem Nutzen. Bereits das Altertum
kennt aber auch R. als einen die Staatsform enger kennzeichnenden, der
Monarchie entgegengesetzten Begriff (Aristoteles, Cicero). Dieser wird im Hochmittelalter
aufgenommen (Ptolemäus von Lucca) und von →Machiavelli (1469-1527) dem
Fürstentum gegenübergestellt (allgemeiner noch Bodin 1576). Mit dieser
Staatsform verknüpft →Montesquieu wiederum Gemeinsinn, Vaterlandsliebe
und Gesetzestreue. Der in Frankreich 1792 verwirklichten R. folgen nach dem
gescheiterten Versuch von 1848 das Deutsche Reich und Österreich 1918.
Allerdings tritt die Frage der äußeren Staatsform insgesamt als weniger
bedeutsam hinter dem Gesichtspunkt der Herrschaft des Volkes durch eine
Repräsentativverfassung zurück. Der bloße Name R. verbürgt auch keineswegs
Rechtsstaatlichkeit (→Deutsche Demokratische Republik).
Lit.: Söllner §§ 2, 6, 9, 12; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 18, 170, 171, 220, 230, 248; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5
1984, 549; Merkl, A., Die Verfassung der Republik Deutschösterreich, 1919;
Christ, K., Krise und Untergang der römischen Republik, 1979, 5. A. 2007, 6. A.
2008, 7. unv. A. 2010; Bleicken, J., Die Verfassung der römischen Republik, 7.
A. 1995; Bundesrepublik Deutschland - Deutsche Demokratische Republik, hg. v.
Hamel, H., 1977; Kolb, B., Die Weimarer Republik, 1984; The Invention of the
Modern Republic, hg. v. Fontana, B., 1994; Bleicken, J., Geschichte der
römischen Republik, 5. A. 1999; Republikbegriff und Republiken seit dem 18.
Jahrhundert, hg. v. Reinalter, H., 2000; Hölkeskamp, K., Rekonstruktionen einer
Republik, 2004; Kapust, D., Republicanism, Rhetoric and Roman Political
Thought, 2011; Buchheim, H., Der neuzeitliche republikanische Staat, 2013;
Hölzing, P., Republikanismus, 2014
Republikanischer Richterbund ist der 1922 zum Schutz der Weimarer
→Republik gegen antirepublikanische Bestrebungen gegründete Bund von
Richtern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Schulz, B., Der Republikanische
Richterbund (1912-1933), 1982
Republikanischer Schutzbund ist der 1923 als Gegenbewegung zu den konservativen
Heimwehren gegründete, 1928 etwa 80000 Mitglieder zählende, am 30./31. 3. 1933
durch die Regierung Dollfuß aufgelöste und nach dem Februar 1934 zerschlagene
paramilitärische Wehrverband der sozialdemokratischen Partei Österreichs.
Lit.: Gieler, Die Wehrverbände in der ersten Republik, 1965
repudium (lat. N.)
Verstoßung (der Ehefrau)
Lit.: Kaser § 58 VII 2a
Res (lat. F.) ist im
römischen Recht der Gegenstand bzw. das Rechtsobjekt (einschließlich der
Sklaven, bei Gaius [um 160 n. Chr.] auch der Obligationen) bzw. das gesamte
Vermögen (z. B. Erbschaft). Dementsprechend gibt es eine (lat.) res corporalis
(körperlicher Gegenstand) und eine (lat.) res incorporalis (unkörperlicher
Gegenstand). Eigentum ist nur an körperlichen res (Gegenständen [und Sklaven])
möglich. Der römische Begriff der r. corporalis ist wohl unter dem Einfluss
Savignys (Das Recht des Besitzes, 1803) in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) aufgenommen, der weite, auch Unkörperliches einschließende res-Begriff
in das Allgemeine Landrecht Preußens (1794) und grundsätzlich das allgemeine
bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811, § 285). Die res kann außerhalb des
Privatrechtsverkehrs stehen (z. B. Luft, Meer, Tempel), kann res mancipi oder
res nec mancipi, res mobilis (beweglich) oder res immobilis (unbeweglich),
verbrauchbar oder unverbrauchbar, vertretbar oder unvertretbar, teilbar oder
unteilbar oder herrenlos sein.
Lit.: Kaser § 18 I; Köbler, DRG 30, 39; Köbler, LAW;
Holthöfer, E., Sachteil und Sachzubehör im römischen und gemeinen Recht, 1972;
Rüfner, T., Vertretbare Sachen? 2000
Res (F.) communis omnium (lat.) ist im römischen Recht die
allen gemeinsame Sache (z. B. Luft, Regenwasser, Meer).
Lit.: Kaser § 18 I 2b
Res (F.) corporalis (lat.) körperliche Sache (z. B.
Buch) im Gegensatz zum unkörperlichen Gegenstand (lat. res incorporalis bei
Gaius)
Lit.: Kaser § 19 I 1
Res (F.Pl.) cottidianae (lat.) ist eine von →Gaius
(um 160 n. Chr.) geschaffene oder im 3. Jh. auf Grund von Gaius entstandene
römischrechtliche Schrift, aus der Bruchstücke in den Digesten überliefert
sind.
Lit.: Dulckeit/Kaser/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
Res (F.) divini iuris ist die unter der Herrschaft der
Götter stehende Sache des römischen Rechtes (z. B. Tempel, Grabstätte,
Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) extra commercium (lat.) (Sache außerhalb des
Rechtsverkehrs) ist im römischen Recht die nichtprivatrechtsfähige Sache (z.
B. [lat.] res divini iuris (Sache göttlichen Rechtes wie Tempel), res communis
omnium (gemeinsame Sache aller wie Luft, Meer), res publica (öffentliche
Sache wie Straße, Wasserleitung).
Lit.: Kaser § 18 I 2; Evans Jones, R./MacCormack, G.,
The sale of the res extra commercium, ZRG RA 112 (1995), 330
res (F.) incorporalis unkörperliche Sache (z. B. Recht, Erbschaft →Gaius
res (F.) iudicata (lat.) ausgeurteilte Sache,
entschiedener Rechtsstreit
Lit.: Kaser § 84 II 1
Res (F.) mancipi (lat.) ist seit dem altrömischen
Recht die (in der Spätantike aufgegebene) handhabbare Sache (italisches Grundstück,
Sklave, Rind, Pferd, Esel, Maulesel, Feldservitut [iter, actus, via, aquaeductus,
Weg, Trift, Fahrweg, Wasserleitung]). Nur für die r. m. ist die (lat. F.)
→mancipatio (Handgreifung, Übertragung im Verfahren der Handgreifung)
möglich. Formlose Übergabe (lat. [F.] traditio) begründet nur bonitarisches
Eigentum.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1c, 18 I 3a, 22 II 2b; Söllner §§
8, 9, 12; Köbler, DRG 24, 39, 40, 60
Res (F.) nec mancipi ist seit dem altrömischen Recht
jede Sache, die nicht →res mancipi ist. Sie wird durch (lat. F.)
→traditio (Übergabe) erworben.
Lit.: Kaser § 18 I 3a; Söllner §§ 8, 9, 12; Köbler,
DRG 24, 39, 60
res (F.) nullius (lat.) herrenlose Sache (z. B. wildes Tier in Freiheit
[bis etwa 1985], derelinquierte Sache
Res (F.) privata (lat.) ist im spätantiken
römischen Recht das Staatsland, an dem ein unbefristetes Pachtverhältnis
begründet werden kann.
Lit.: Kaser § 30 I 2
Res (F.) publica (lat.) ist im römischen Recht die
Gesamtheit der Römer und die im Eigentum des Staates stehende Sache (z. B.
Straße, Fluss, Wasserleitung). →Republik
Lit.: Kaser §§ 17 II 1a, 18 I 2c
Res (F.) religiosa (lat.) ist im römischen Recht die
in gewisser Weise nichtprivatrechtsfähige Grabstätte.
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Res (F.) sacra (lat.) ist im römischen Recht die
nichtprivatrechtsfähige geweihte Sache (z. B. Tempel). Nach katholischem
Kirchenrecht darf die r. s. nicht zu weltlichem Gebrauch verwendet werden.
Lit.: Kaser § 18 I 2a; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A.
1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 274
Res (F.) sancta (lat.) ist im römischen Recht die
unter göttlichem Schutz stehende weltliche Sache (z. B. Stadttor, Grenzrain).
Lit.: Kaser § 18 I 2a
Rescriptum (lat. N.)
ist im nachchristlichen römischen Recht die Antwort des Prinzeps auf eine
Anfrage, die bald als gesetzesgleich gilt.
Lit.: Kaser § 2 II 3a; Köbler, DRG 31
reservatio (F.) mentalis (lat.) geheimer Vorbehalt bzw.
→Mentalreservation
Lit.: Kaser § 8 III
Reservatrecht ist in der frühen Neuzeit das dem
Kaiser des Heiligen römischen Reiches vorbehaltene Recht.
Lit.: Köbler, DRG 147; Pratje, J., Die kaiserlichen
Reservatrechte, 1958
Reservatum (N.) ecclesiasticum (lat.) ist der geistliche
Vorbehalt, dass bei einem Religionswechsel eines geistlichen Landesherrn der
frühen Neuzeit der Grundsatz (lat.) →cuius regio, eius religio (Wessen Gebiet,
dessen Religion) nicht gilt.
Lit.: Köbler, DRG 130
Residenz (F.) Wohnort, Hauptstadt
Lit.: Residenz, hg. v. Andermann, K., 1992;
Südwestdeutsche Bischofsresidenzen außerhalb der Kathedralstädte, hg. v. Press,
V., 1992; Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, hg. v.
Paravicini, W., 2003; Spätmittelalterliche Residenzbildung in geistlichen
Territorien, hg. v. Neitmann, K. u. a., 2009; In der Residenzstadt, hg. v.
Hirschbiegel, J. u. a., 2014
Reskript (zu lat. [N.] rescriptum) ist das
eine Rechtsansicht zu einer Rechtsanfrage enthaltende Schreiben des römischen
Kaisers (in einem Einzelfall). Es wird im 5. Jh. vom Papst übernommen und bis
in die Gegenwart beibehalten. Im weltlichen Recht wird das R. dagegen später
nur ganz vereinzelt verwendet (z. B. Reskriptprozess vor dem Reichshofrat).
Lit.: Kaser § 87 IV; Söllner § 15; Gaudemet, J., La
formation du droit séculier et du droit de l’église, 2. A. 1979; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae am Reichshofrat, 1973, 181
Resozialisierung ist die Wiedereingliederung eines
gegen Straftatbestände als Gesellschaftsregeln verstoßenden Straftäters in
die Gesellschaft. Die R. als Strafzweck wird nach älteren frühneuzeitlichen
Ansätzen in England und in den Niederlanden (→Zuchthaus) von Franz von
→Liszt im Marburger Programm (1882) für verbesserliche Zustandstäter
aufgegriffen. Seitdem gewinnt sie erheblich an Bedeutung, ohne andere Strafzwecke
vollständig verdrängen zu können.
Lit.: Köbler, DRG 204, 264, 265; Rüping,
H./Jerouschek, G., Grundriss der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007
Respondierjurist ist im römischen Recht der vom
Prinzeps durch das Recht, auf eine Anfrage in seinem Namen eine gutachtliche
Antwort (lat. N.
responsum) zu geben (lat. ius [N.] respondendi), hervorgehobene Rechtskundige.
Lit.: Söllner §§ 14, 15, 16; Köbler, DRG 30; Wieacker,
F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
responsum (lat. [N.]) Antwort, Gutachten
Ressort (N.) Arbeitsgebiet, Zuständigkeitsbereich
Lit.: Hausherr, H., Verwaltungseinheit und
Ressorttrennung, 1953
Restauration (F.) Wiederherstellung eines
früheren Zustands (z. B. des klassischen römischen Rechtes durch Justinian,
älterer politischer Zustände in England 1660-1688, Frankreich 1815 oder im
Deutschen Bund 1815-1848)
Lit.: Köbler, DRG 62; Geschichtliche Grundbegriffe,
Bd. 4 1984, 179; Haller, C. v., Restauration der Staatswissenschaft, Bd. 1ff.
2. A. 1820ff., Neudruck 1964; Bertier de Sauvigny, G. de, La Restauration,
1955; Kann, R., The problem of restoration, 1968; Restauration und
Frühliberalismus, hg. v. Brandt, H., 1979; Deutschland zwischen Revolution und
Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Revolution, Reform, Restauration,
hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Sellin, V., Die geraubte Revolution, 2001; Konservierungswissenschaften
und Restaurierung heute, hg. v. Krist, G. u. a., 2010
restituere (lat.) einen Zustand herstellen
oder wiederherstellen
Lit.: Kaser §§ 27 I 7, 34 II 3, 37 IV, 50 II 6;
Köbler, DRG 42
Restitutio (F.) in integrum (lat.) ist im klassischen
römischen Recht die vom Prätor in bestimmten Fällen verfügbare Wiederherstellung
des früheren Zustands (z. B. nach einem Betrug, bei Zwang oder geringem Alter).
Um eine Verurteilung zu vermeiden, muss der Beklagte den früheren Zustand
wiederherstellen. Verfahrensmäßig betrifft die r. i. i. die Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Lit.: Köbler, DRG 33, 43; Kupisch, B., Restitutio in
integrum und vindicatio utilis bei EIgentumsübertragungen, 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 177, 197, 264, 413, 420
Restitution (F.) Wiederherstellung, Rückerstattung
Lit.: Nufer, G., Über die Restitutionslehre der spanischen
Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1969); Fritscher, O.,
Kontroversen um den „Mauerbach-Schatz“, 2012; Jansen, N., Theologie, Philosophie
und Jurisprudenz in der spätscholastischen Lehre von der Restitution, 2013;
Unfried, B., Vergangenes Unrecht – Entschädigung und Restitution in einer
globalen Perspektive, 2014; Alfred Flechtheim – Raubkunst und Restitution, hg.
v. Bambi, A. u. a., 2015
Restitutionsedikt ist der Erlass Kaiser Ferdinands
II. vom 6. 3. 1629, der die Rückerstattung bestimmter an Protestanten gelangter
Güter anordnet, 1648 aber zugunsten des Besitzstands vom 1. 1. 1624
(→Normaljahr) aufgegeben werden muss (zwei Erzbistümer, 13 Bistümer, mehr
als 500 Klöster, Stifte und Kirchengüter).
Lit.: Frisch, M., Das Restitutionsedikt, 1993 (Diss.
jur. Tübingen 1991); Heckel, M., Das Restitutionsedikt, FS K. Kroeschell, hg.
v. Köbler, G. u. a., 1997
retentio (lat. F.)
Zurückbehaltung
Lit.: Kaser §§ 26, 27, 37, 38, 48, 59
Retraktrecht →Näherrecht
Reugeld (1766) ist die vereinbarte Geldleistung, von deren Bewirkung
die Wirksamkeit eines Rücktritts abhängig gemacht sein kann.
Lit.: Hübner; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Reunion ist die Wiederangliederung eines
verlorenen Gebiets (z. B. Frankreichs 1679-1686).
Lit.: Wysocki, J., Kurmainz und die Reunion, Diss.
phil. Mainz 1961
Reuß ist die nach Henricus Ruthenus (Heinrich Reuß, †
1292/1294) benannte Grafschaft im Heiligen römischen Reich und ein Mitglied des Deutschen Bundes. R.
geht am 1. 5. 1920 in →Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Wolf, H., Die
Entwicklung des Gerichtswesens, Diss. jur. Jena 1952; Rheinbündischer
Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Reutlingen
Lit.: Jäger, W., Die freie Reichsstadt Reutlingen, 1940; Fischer, G.,
Die freie Reichsstadt Reutlingen, Diss. jur. Tübingen 1959; Kopp, H., Die
Anfänge der Stadt Reutlingen, 1961
Reval ist Sitz eines 1219 vom König von
Dänemark gegründeten Bistums, dessen Bischof seit 1512 als Reichsfürst des
Heiligen römischen Reichs gilt. 1230 entsteht R. als deutsche Stadt, die 1226
rigisches, 1257 lübisches Recht übernimmt. 1918 wird R. (estnisch Tallinn
„Dänenburg“) Hauptstadt der Republik →Estland. Das lübische Recht gilt
bis zur Annexion Estlands durch die Sowjetunion (1944).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die Quellen des
Revaler Stadtrechts, hg. v. Bunge, F. v. u. a., 1843ff.; Mickwitz, G., Aus
Revaler Handelsbüchern, 1938; Das Revaler Ratsurteilsbuch (1515-1554), hg. v.
Ebel, W., 1952; Revaler Regesten, bearb. v. Seeberg-Elverfeldt, R., Bd. 1f.
1966ff.; Ebel, W., Lübisches Recht, Bd. 1 1971, 87, 203; Johansen, P. u. a.,
Deutsch und Undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, 1973;
Reval und die baltischen Länder, hg. v. Hehn, J. v. u. a., 1980; Gierlich, E.,
Reval, 1991; Brüggemann, K., Tallinn, 2011; Kämpf, T., Das Revaler
Ratsurteilsbuch, 2012; Niemsch, T., Reval im 16. Jahrhundert, 2013
Reversalie (F.) Wechselseitigkeitszusage
Révigny →Jacobus de Ravanis
Revindikation (F.) Wiedererlangung, Wiedergeltendmachung
Revision ist das →Rechtsmittel zur
Nachprüfung eines Urteils in rechtlicher Hinsicht. Die R. ist vermutlich der
römischrechtlichen (lat.) supplicatio (F.) ad imperatorem (Bittschrift an den
Kaiser) nachgebildet. Für die R. ist am Reichskammergericht die Visitationskommission
zuständig, die ihre Aufgabe (etwa 2000 Revisionen) aber nicht ausführt.
Gleichwohl wird die R. in den Ländern aufgenommen und durch die Reichsjustizgesetze
von 1877/1879 einheitlich eingeführt.
Lit.: Köbler, DRG 153, 202, 203, 235, 263; Wiggenhorn,
H., Der Reichskammergerichtsprozess, 1965, 237; Kaser, M., Das römische
Zivilprozessrecht, 1966, 511; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973, 373; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 215; Kocher,
G., Tiroler Rechtsleben vor dem ABGB, FS E. Hellbling, 1981, 597; Mencke, K.,
Zur Entwicklung der ordentlichen Visitationen, 1984; Braun S., Geschichte der
Revision im Strafverfahren, 1996; Oer, R. Freiin v., Der münsterische
„Erbmännerstreit“, 1998; Schubert, W., Die Revision in Zivilsachen, ZRG GA 124
(2007), 167; Appellation und Revision im Europa des Spätmittelalters und der
frühen Neuzeit, hg. v. Auer, L. u. a., 2013
Revokationsrecht (zu lat. [F.] revocatio)
(Rückrufsrecht) →Näherrecht
Lit.: Köbler, DRG 57
Revolution ist die plötzliche grundlegende
Umgestaltung eines bestehenden gesellschaftlichen Zustands. Über einen von
Nikolaus Kopernikus geprägten Buchtitel (1543) wird das lateinische Femininum
revolutio (Umwälzung) 1688 in England auf die Glorious Revolution angewendet.
Eindrucksvollstes (und als erste R. allgemein anerkanntes) Beispiel der R. ist
die R. in Frankreich (1789). Ihr folgen weitere bekannte, teilweise erfolgreiche
Revolutionen in Frankreich (1830, 1848), im Deutschen Bund (1848), Russland
(1917) und Deutschland (1918).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 32, 179;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984; Helfert, K., Geschichte der
österreichischen Revolution, Bd. 1f. 1907ff.; Rosenstock-Huessy, E., Die europäischen
Revolutionen, 1951; Grieswank, K., Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, 2. A.
1969; Revolution und Gesellschaft, hg. v. Schieder, T., 1973; Reinalter, H.,
Aufgeklärter Absolutismus und Revolution, 1979; Deutschland zwischen Revolution
und Restauration, hg. v. Berding, H. u. a., 1981; Deutschland und die
französische Revolution, hg. v. Voss, J., 1982; Berman, H., Law and Revolution,
1983; Revolution, Reform, Restauration, hg. v. Mohnhaupt, H., 1988; Schulin,
E., Die französische Revolution, 1988; Berteaud, J., Alltagsleben während der
französischen Revolution, 1989; Revolution und konservatives Beharren. Das alte
Reich und die französische Revolution hg. v. Aretin, K. Frhr. v., 1990;
Goldstone, J., Revolution and Rebellion, 1991; Berman, H., Recht und
Revolution, 1991; Revolution und Gegenrevolution 1789-1830, hg.
v. Dufraisse, R., 1991; Härter, K., Reichstag und Revolution
1789-1806, 1992; Würgler, A., Unruhen und Öffentlichkeit, 1995; Hein, D., Die
Revolution von 1848/9, 1998; 1848. Revolution in Deutschland, hg. v. Dipper, C.
u. a., 1998; Mommsen, W., 1848 – Die ungewollte Revolution, 1998;
Achtzehnhundertachtundvierzig/achtzehnhundertneunundvierzig, hg. v.
badischen Landesmuseum, 1998; Kärcher, T., Bibliographie zur Revolution von
1848/1849, 1998; Die deutsche Revolution, hg. v. Beutin, W. u. a., 1999;
Zwischen Königtum und Volkssouveränität, hg. v. Görtemaker, M. u. a., 1999; Die
Revolutionen von 1848, hg. v. Gall, L., 1999; Die Revolutionen von 1848, hg. v.
Langewiesche, D., 2000; Große Revolutionen der Geschichte, hg. v. Wende, P.,
2000; Riem, A., Was sollten Regenten thun, um sich gegen Revolutionen zu
sicher?, hg. v. Welker, K., 2000; Sperber, J., Revolutionary Europe, 1780-1850,
2000; Moore, R., Die erste europäische Revolution, 2001; Erbe, M.,
Revolutionäre Erschütterungen und erneuertes Gleichgewicht, 2002; Nach der
Revolution 1848/49, hg. v. Jansen, C., 2004; Deutschland – ein Land ohne
revolutionäre Traditionen?, hg. v. Bavaj, R. u. a., 2005; Akteure eines
Umbruchs, hg. v. Bleiber, H. u. a., 2007; Scriba, F., „Legale Revolution“?,
2008; Müller, F., Die Revolution von 1848/49, 3. A. 2009, 4. A. 2012; Die
vergessene Revolution 1918/19, hg. v. Gallus, A., 2010; Fahrmeir, A.,
Revolutionen und Reformen - Europa 1789-1850, 2010; Rinke, S., Revolutionen in
Lateinamerika, 2010; Rapport, M., 1848 Revolution in Europa, 2011 (Übersetzung
aus dem Englischen); Erlebte Revolution 1848/49, hg. v. Gasser, W., 2010;
Selbin, E., Gerücht und Revolution, 2011; Späth, J., Revolution in Europa,
2012; Niess, W., Die Revolution von 1918/19 in der deutschen
Geschichtsschreibung, 2012; Karla, A., Revolution als Zeitgeschichte, 2014;
Halpérin, J., Five Legal Revolutions since the 17th Century, 2014 e-Book; Revolution,
Krieg und die Geburt von Staat und Nation, hg. v. Frie, E. u. a., 2015; Ingold,
I., Vom Anfang und Ende der Revolution, 2016; Strube, J., Revolution,
Illuminismus und Theosophie, HZ 304 (2017), 50; Niggemann, U., Revolution – Zur
Karriere eines Begriffs in Großbritannien 1688-1714, HZ 304 (2017) 631
rex (lat. M.) König;
Lit.: Lapis, B., Rex utilis, 1986
Rex non potest peccare (lat.). Der König kann kein
Unrecht tun.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Reykjavik auf Island wird 877 von Wikingern
angelegt und wird Hauptstadt →Islands. 1911 erhält es eine Universität.
Reyscher, August Ludwig (Unterrixingen in
Württemberg 10. 7. 1802-Cannstatt 1. 4. 1880), Pfarrerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tübingen 1829 Privatdozent, 1831 außerordentlicher Professor
und 1837 ordentlicher Professor. 1851 muss er seine Universitätstätigkeit aus
politischen Gründen aufgeben und wird Anwalt. In seinen zahlreichen
vielseitigen Werken bemüht er sich als liberaler Pragmatiker um Fortschritte in
zeitgenössischen Grundfragen.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ReyscherAugustLudwigDasgesammtewuerttembergischePrivatrecht1837Band1.pdf;
Rückert, J., August Ludwig Reyschers Leben und Rechtstheorie, 1974
Rezension ist ursprünglich in Rom (lat.
recensio) die Musterung des Zensors, danach die Bearbeitung oder kritische
Würdigung eines Textes.
Lit.: Vec, M., Die Rezensionskultur der Rechtsgeschichte,
ZNR 2009, 87; Rezensionswesen, hg. v. Winkelbauer, T., 2013
Rezeption ist die Aufnahme einer Kulturerscheinung
durch andere (z. B. Rad, Buchdruck, Rechner, Jazz, Kugelschreiber),
insbesondere die Aufnahme des antiken römischen Rechtes im mittelalterlich-neuzeitlichen
Europa. Diese R. beginnt mit der Wiederentdeckung der Digesten in Italien im
späten 11. Jh. Sie vollzieht sich über den Rechtsunterricht an den neu
entstehenden Universitäten (Bologna, Padua, Perugia, Paris, Oxford, Cambridge,
Salamanca u. a.) und über die fachmännisch besetzte kirchliche Gerichtsbarkeit.
Die Gründe für den Erfolg der R. sind streitig. Daran, dass das einheimische
Recht neu entstehende Rechtsfragen nicht hätte beantworten können, kann es, wie
die Aussparung mancher Gebiete (Hansestädte, England) beweist, nicht gelegen
haben. Am ehesten wird man annehmen dürfen, dass die geschlossene große Masse
der vernunftmäßig einleuchtenden, schriftlich festgelegten und in
jahrhundertelanger Feinarbeit wissenschaftlich durchdrungenen
Konfliktlösungen sich gegenüber der unübersichtlichen und verwirrenden
Vielfalt der aus verschiedensten Quellen stammenden einheimischen Sätze der
ungelehrten Laienurteiler als überlegen erweist bzw. als überlegen eingestuft wird.
Den Ausgangspunkt der R. bilden die →Glossatoren und →Kommentatoren
in Italien. Beschleunigt wird die R. im Heiligen römischen Reich durch § 3 der Reichskammergerichtsordnung
von 1495. In Erscheinung tritt die R. über die Urteile der Gerichte hinaus in
→Reformationen (Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509, Bayern
1518, Freiburg im Breisgau 1520 und andernorts) und in der zunächst populären,
dann wissenschaftlichen Literatur (z. B. Klagspiegel, Laienspiegel,
→usus modernus pandectarum). Noch nach den römischrechtlich
beeinflussten →Kodifikationen des Vernunftrechts erfolgt über
→historische Rechtsschule und →Begriffsjurisprudenz sowie
Pandektistik im 19. Jh. ein weiterer Schub von R. Im Übrigen ist die R. des
römischen Rechtes in Europa nur ein besonders eindrucksvoller Fall von
Rechtsrezeption überhaupt.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Söllner §§ 1, 2, 17, 25;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 5, 28, 108, 137, 159, 205; Baltl/Kocher;
Savigny, F., Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 1ff. 2. A.
1834ff.; Merkel, J., Der Kampf des Fremdrechtes mit dem einheimischen Rechte in
Braunschweig-Lüneburg, 1904; Below, G. v., Die Ursachen der Rezeption des
römischen Rechtes in Deutschland, 1905; Coing, H., Die Rezeption des römischen
Rechtes in Frankfurt am Main, 2. A. 1962; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur in Italien, 1938; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im
Brünner Schöffenbuch, ZRG GA 65 (1947), 86; Mitteis, H., Zur Geschichte der
Rezeption in Österreich, ZRG GA 66 (1948), 524; Krause, H., Kaiserrecht und
Rezeption, 1952; Bender, P., Die Rezeption des römischen Rechtes im Urteil der
deutschen Rechtswissenschaft, 1955; Trusen, F., Anfänge des gelehrten Rechtes
in Deutschland, 1962; Koschaker, P., Europa und das römische Recht, 1947, 4.
unv. A. 1966; Coing, H., Römisches Recht
in Deutschland, (in) Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Rehfeldt, B., Rezeption
in Schweden, ZRG GA 82 (1965), 316; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Dolezalek, G., Verzeichnis der Handschriften zum
römischen Recht bis 1600, Bd. 1f. 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff.; Fried, P., Die Entstehung des Juristenstandes, 1974; Wolter, U., Ius
canonicum in iure civili, 1975; Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht,
1978; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der Rezeptionszeit, 1977;
Nève, P., Recht en Continuiteit, 1977; Beyerle, F., Rezeption, Rezeptionsreife
und Überwindung, ZRG GA 95 (1978), 115 (Vortrag vom 18. 11. 1942); Bender, P.,
Die Rezeption des römischen Rechtes, 1979; Herberger, M., Dogmatik, 1981;
Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982; Köbler, G., Vorstufen der
Rechtswissenschaft, ZRG GA 100 (1983), 75; Coing, H., Europäisches Privatrecht,
Bd. 1ff. 1985ff.; Strauss, G., Law, Resistance and the State, 1986; Wesener,
G., Einflüsse und Geltung, 1989; Elsener, F., Studien zur Rezeption, hg. v.
Ebel, F. u. a., 1989 (Aufsätze); Fried, J., Die Rezeption Bologneser
Rechtswissenschaft in Deutschland im 12. Jahrhundert, (in) Viator 21 (1990),
103; Bellomo, M., L’Europa del diritto comune, 5. A. 1991; The Reception of
Continental Ideas in the Common Law World, hg. v. Reimann, M., 1993; Scholl,
T., Die Rezeption des kontinental-europäischen Privatrechts in Lateinamerika,
1999; Der neue Pauly. Enzyklopädie der Antike in fünfzehn Bänden. Rezeptions-
und Wissenschaftsgeschichte, hg. v. Landfester, M., Band 13ff. 1999ff.;
Schlinker, S., Fürstenamt und Rezeption, 1999; Janssen, H., Die Übertragung von
Rechtsvorstellungen auf fremde Kulturen am Beispiel des englischen
Kolonialrechts, 2000; Kordes, M., Von der Ansprache zum libellus actionis,
Rhein. Vjbll. 66 (2002), 211; Avenarius, M., Rezeption des römischen Rechtes in
Russland, 2004; Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte, 2005; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007; Deutsche Beratung bei Rechts- und Justizreformen im
Ausland, hg. v. Hülshörster, S. u. a., 2012
Rezess (lat. M.)
Rückschritt, Vergleich
Rheda
Lit.: Meier, J./Ossenbrink, J., Die Herrschaft Rheda,
1999; Schaub, H., Die Herrschaft Rheda und ihre Residenzsstadt, 2006;
Rheinbund ist (nach einem älteren R. zwischen
Mainz, Trier, Köln, Pfalz, Münster u. a. mit Schweden und Frankreich vom 15. 8.
1658 bis 15. 8. 1668) der am 12. 7. 1806 auf Druck →Napoleons von zunächst
16 dem Rhein benachbarten deutschen Fürsten (Bayern, Württemberg, Erzkanzler
des Reiches mit zunächst Aschaffenburg und Regensburg, ab 1810 Großherzogtum
Frankfurt, Baden, Berg, Arenberg, Nassau-Usingen, Nassau-Weilburg,
Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen, Salm-Salm, Salm-Kyrburg,
Isenburg-Birstein, Liechtenstein [ohne Kenntnis des Fürsten], Hessen-Darmstadt,
Grafen von der Leyen in Hohengeroldseck) mit Frankreich als Alliiertem und
Napoleon als Protektor in Paris geschlossene Bund, der sich zur französischen
Heerfolge und zur widerrechtlichen Trennung vom Heiligen römischen Reich verpflichtet. Am 1. 8. 1806 treten die Mitglieder
auf Wunsch Napoleons aus dem Reich aus und erklären sich als souverän. Das Ziel
eines Staatenbunds mit gemeinamen Staatsorganen scheitert am Widerstand der
größeren Mitgliedstaaten. Der später noch um 23 Mitglieder (u. a. Würzburg,
Sachsen, Westphalen) erweiterte R., dem 1811 von den deutschen Staaten nur
Preußen, Österreich, Braunschweig und Hessen-Kassel nicht angehören, löst
sich nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig im
Oktober 1813 auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 133, 192; Klüber,
G., Staatsrecht des Rheinbundes, 1808; Beck, C., Zur Verfassungsgeschichte des
Rheinbundes, 1890; Bitterauf, T., Geschichte des Rheinbundes, Bd. 1 1905;
Schnur, R., Der Rheinbund von 1658, 1955; Fehrenbach, E., Der Kampf um die
Einführung des Code Napoléon, 1973; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schulz, A., Herrschaft durch Verwaltung, 1991;
Schuck, G., Rheinbundpatriotismus und politische Öffentlichkeit zwischen
Aufklärung und Frühliberalismus, 1994; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007
Rheinfelden
Lit.: Schib, K., Geschichte der Stadt Rheinfelden, 1961
Rheingau
Lit.: Alberti, W., Der Rheingauer Landbrauch von 1643, 1913; Richter,
P., Der Rheingau, 513
Rheinischer Bund ist der im Juli 1254 von Städten
und Landesherren am mittleren Rhein abgeschlossene, später von Basel bis Bremen
und Aachen bis Regensburg reichende nach Frieden strebende Bund, der nach der
Doppelwahl zum deutschen König im Januar 1257 endet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bielfeldt, E., Der
rheinische Bund von 1254, 1937; Voltmer, E., Der rheinische Bund, 1986
Rheinischer Städtebund von 1381 ist ein am 20. 3. 1381
von Städten am Rhein geschlossener, 1388/1389 dem Pfalzgrafen bei Rhein unterlegener
Bund.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Erler, A., Ingelheimer
Prozesse nach dem Städtekrieg von 1388, 1981
Rheinisches Recht ist das links des Rheins im 19.
Jh. eingeführte französische Recht, das durch die Gesetzbücher des Deutschen Reiches
(1871-1900) abgelöst wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180; Cretschmar,
Das rheinische Civilrecht, 4. A. 1896; Die Gutachten der rheinischen
Immediat-Justiz-Kommission und der Kampf um die rheinische Rechts- und Gerichtsverfassung
1814-1819, bearb. v. Landsberg, E., 1914, Neudruck 2000; Schumacher, D., Das
rheinische Recht, 1969; Vom Recht im Rheinland, hg. v. kölnischen Stadtmuseum,
1969; Faber, K., Recht und Verfassung, 1970; Huffmann, H., Geschichte der
rheinischen Rechtsanwaltschaft, 1971; Fehrenbach, E., Traditionale Gesellschaft
und revolutionäres Recht, 1974; Schubert, W., Das französische Recht in
Deutschland zu Beginn der Restaurationszeit (1814-1820), ZRG GA 94 (1977), 128;
Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Schubert, W., Savigny
und die rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158;
Becker, H., Das rheinische Recht, JuS 25 (1985), 338; Rheinisches Recht und
europäische Rechtsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1998; Grilli, A., Die
französische Justizorganisation am linken Rheinufer, 1998; Kleinbreuer, S., Das
rheinische Strafgesetzbuch, Diss. jur. Bonn 1999; Schäfer, M., Der Übergang vom
rheinischen Recht zu den Reichsjustizgesetzen am Beispiel des
Landgerichtsbezirkes Bonn, Diss. jur. Bonn 2001; Seynsche, G., Der rheinische
Revisions- und Kassationsgerichtshof in Berlin (1819-1852), 2003;
Einhundertfünfundzwanzig [125] Jahre rheinische Amtsgerichte, hg. v.
Lünterbusch, A., 2003; Fiedler, B., Der rheinbayerische Kassationsgerichtshof,
2004; Müller-Hogrebe, C., Der rheinische Jurist Joseph Bauerband, 2005;
Haferkamp, H. u. a., Neue Wege zur Rechtsgeschichte, ZRG GA 123 (2006), 372;
Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Strauch, D.,
Schriften zum rheinischen Recht, 2013
Rheinland
Lit.: Oppermann, O., Rheinische Urkundenstudien, 1922; Aubin,
H./Frings, T./Müller, J., Kulturströmungen und Kulturprovinzen in den
Rheinlanden, 1926; Recht und Rechtspflege in den Rheinlanden, hg. v. Wolffram,
J. u. a. 1969 (FS OLG Köln); Rheinischer Städteatlas, hg. v. Ennen, E., 1972ff.
(Programm umfasst 172 Städte in Nordrhein-Westfalen und 15 Städte in
Rheinland-Pfalz, z. B. Bedburg, Dinslaken, Geldern, Goch, Heimbach, Randerath,
Ratingen, Wesseling); Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, hg. v.
Nikolay-Panter, M. u. a. 1994 (Aufsätze); Rheinische Landesgeschichte an der
Universität Bonn, hg. v. Groten, M. u. a., 2007;
Strauch, D., Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten, 2007; Die Rheinlande
und das Reich, 2007; Frankreich am Rhein,
hg. v. Theis, K. u. a., 2009; Pabst, K./Lohberg, R., Kleine Geschichte des
Rheinlands. 2010; Das Rheinland als Schul- und Bildungslandschaft (1250-1750),
hg. v. Rutz, A., 2010
Rheinland-Pfalz ist das am 30. 8. 1946 aus Teilen
Bayerns und Preußens geformte Land, das Bundesland der 1949 entstehenden
Bundesrepublik Deutschland wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schaus, E.,
Stadtrechtsorte und Flecken, 1958; Quellen zur Geschichte der Herrschaft
Landskron an der Ahr, bearb. v. Frick, H. u. a., 1966; Rheinland-Pfalz, hg. v.
Götz, W., 1967; Dotzauer, W., Der historische Raum des Bundeslandes
Rheinland-Pfalz, Bd. 1f. 1992f.; Kißener, M., Kleine Geschichte des Landes
Rheinland-Pfalz, 2006; Kreuz – Rad – Löwe Rheinland-Pfalz, hg. v. Clemens, L.
u. a., 2012
Rheinpfalz ist das großenteils links des Rheines gelegene
Gebiet des Pfalzgrafen bei Rhein, das 1214 an die 1180 zum Herzog von Bayern
erhobene Familie der Wittelsbacher gelangt, aber durch Teilung von 1329 bis 1777
(Aussterben der Linie der Herzöge von Bayern) von Bayern getrennt wird. 1946
wird der achte Regierungsbezirk Bayerns als Folge der Zuteilung zur Besatzungszone
Frankreichs von Bayern gelöst ein Teil des neuen Bundeslands Rheinland-Pfalz.
Rheinprovinz ist die 1822 aus den vor allem 1815
an Preußen gelangten Gebieten bzw. aus der Provinz Jülich-Kleve-Berg und dem
Großherzogtum Niederrhein gebildete Provinz mit Sitz in Koblenz, die 1945/1946
in Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen aufgeht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Geschichtlicher
Atlas der Rheinprovinz, hg. v. Schultheis, K./Fabricius, W., Erläuterungen Bd.
2 1898; Fabricius, W., Kirchliche Organisation, 1903; Fabricius, W:, Die
Herrschaften des unteren Nahegebietes, 1914; Die Weistümer der Rheinprovinz,
Bd. 1 1900; Bär, M., Die Behördenverfassung der Rheinprovinz seit 1815, 1919;
Romeyk, H., Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz, 1985; Romeyk,
H., Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der
Rheinprovinz 1816-1945, 1994; Smets, J., Les pays rhénans, 1997
Rheinschifffahrt →Binnenschifffahrt
Rheinschifffahrtsgericht ist das im 19. Jh. (15. 8. 1804,
24. 3. 1815, 13. 3. 1831, 17. 10. 1868) völkervertragsrechtlich geschaffene
Gericht für Streitigkeiten in Rheinschifffahrtsangelegenheiten. Für dieses
gilt ein besonderes Gesetz von 1937 bzw. 1952. Das R. ist Abteilung des
Amtsgerichts in Kehl, Mannheim, Mainz, St. Goar und Duisburg-Ruhrort sowie des
Oberlandesgerichts in Köln und Karlsruhe.
Lit.: Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts
Köln, hg. v. Wolffram, J. u. a., 1969; Kissel, O., Gerichtsverfassungsgesetz,
1981, 2. A. 1994, 5. A. 2008; Scherner, K., Die Rheinakten von 1831 und 1868,
Z. f. europ. Privatrecht 1997, 58
Rhenen
Lit.: Iterson, W. van, De stad Rhenen, 1960
Rhens (bei Koblenz), früher Rhense
→Kurverein
Rhetorik ist die im Altertum entwickelte
Redekunst (z. B. [Rhetor] Marcus Fabius Quintilianus 35-100 n. Chr.). Sie
befasst sich auch besonders mit der Rede vor Gericht, so dass der Redner
vielfach rechtliche Kenntnisse benötigt und hat. Vermutlich von dort aus
beginnt in Oberitalien seit dem 11. Jh. die Wiederbeschäftigung mit dem
→römischen Recht.
Lit.: Söllner §§ 9, 11; Köbler, DRG 16, 106;
Quintilianus, Marcus Fabius, Ausbildung des Redners, hg. v. Rahn, H., 3. A.
2006; Wesel, U., Rhetorische Statuslehre, 1967; Köbler, G., Stadtrecht und
Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Dronke, P., Mittelalterliche
Rhetorik, 1982; Köbler, G., Vorstufen der Rechtswissenschaft, ZRG GA 100
(1983), 75; Köbler, G., Burgreht und diotreht, FS Schmidt-Wiegand, R., 1987;
Classen, C., Recht, Rhetorik, Politik, 1985; Copeland, R., Rhetoric, 1991;
Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hg. v. Ueding, G., Bd. 1ff. 1992ff.;
Fuhrmann, M., Die antike Rhetorik, 4. A. 1995; Dialektik und Rhetorik, hg. v.
Fried, J., 1997; A Handbook of Classical Rhetoric, hg. v. Porter, S., 1997;
Stroh, W., Die Macht der Rede, 2009; Knape, J. u. a., Kommentar zu Friedrich
Riederers Spiegel der wahren Rhetorik, 2010; Rhetorik in Mittelalter und
Renaissance, hg. v. Strack, G. u. a., 2011; Community and Communication, hg. v.
Steel, C. u. a., 2013; The Purpose of Rhetoric in Late Antiquity, 2013
(Sammelband); Janiszewski, P. u. a., Prosography of Greek Rhetors & Sophists
of the Roman Empire, 2014; Göttert, K., Mythos Redemacht, 2015; Thomas,
M./Toyw, R., Arguing about Empire, 2017
Rhodos →lex Rhodia
Lit.: Wiemer, H., Krieg, Handel und Piraterie, 2003;
Loose, M., Die Kreuzritter von Rhodos, 2011
Richard von Ely →Dialogus de scaccario
Richert, Johan Gabriel (1784-1864) wird
nach dem Rechtsstudium in →Lund Richter. In verschiedenen Gesetzgebungskommissionen
setzt er sich für liberales Recht ein. 1845 erreicht er die Gleichstellung von
Söhnen und Töchtern im Erbrecht, 1863 ein modernes Kriminalgesetzbuch.
Lit.: Warburg, K., Johan Gabriel Richert, 1905; Den
historika skolan och Lund, hg. v. Modéer, K., 1982, 53
Richten ohne Urteil ist ein im Mittelalter anscheinend
mögliches Entscheidungsverfahren des Richters ohne Zuziehung von Urteilern,
für das aber kein feststehender Gesichtspunkt erkennbar ist.
Lit.: Planck, W., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
2 1879, Neudruck 1973, 403
Richter ist das zur Entscheidung von
Rechtsstreitigkeiten berufene Organ der Rechtspflege. Im zweigeteilten
römischen Verfahren ist dies der vom Magistrat ermittelte, ehrenamtlich tätige
(lat. M.)
→iudex, im Kognitionsverfahren der öffentliche Amtsträger. Bei den
Germanen leiten ein König oder mehrere Vornehme die →Volksversammlung
und damit auch die Streitentscheidung. Im fränkischen Frühmittelalter erfüllt
diese Aufgabe an Stelle des Königs der (lat.-afrk. M.)
→thunginus bzw. später der →Graf. Ihm steht grundsätzlich nicht das
den Rachinburgen oder →Schöffen überlassene Urteilen zu. Im Hochmittelalter
wird in der Kirche der gelehrte →Jurist als (lat. [M.]) iudex delegatus
oder Offizial Einzelrichter und bewirkt die Unzuständigkeit des Richters die
Nichtigkeit seines Urteils. Während das Reichshofgericht 1420 die Aufnahme
von Doktoren als Urteilern noch ablehnt, sind am königlichen Kammergericht vor
allem ab 1471 viele Urteiler gelehrt. In der Reichskammergerichtsordnung von
1495 wird dies festgeschrieben, wobei seit 1521 auch von den adligen
Beisitzern Rechtskenntnisse erwartet werden. Von hier aus verdrängt der
(gelehrte) R. in der frühen Neuzeit den (ungelehrten) Schöffen aus der Urteilstätigkeit.
In Frankreich muss seit 1809 jeder Richter über einen Universitätsabschluss
verfügen. Der Liberalismus des 19. Jh.s führt umgekehrt den ehrenamtlichen
Laienrichter wieder teilweise in die Gerichtsbarkeit zurück, in welcher der
R. allgemein →Unabhängigkeit (Unabsetzbarkeit, Weisungsfreiheit)
erlangt. In manchen Staaten kann der R. die Verfassungsmäßigkeit eines von
ihm anzuwendenden Gesetzes selbst beurteilen (Vereinigte Staaten von Amerika,
Deutsches Reich von 1925 an), während andernorts dafür besondere Verfassungsgerichte
zuständig sind (Bundesrepublik Deutschland, Österreich).
Lit.: Kaser §§ 80 II 5, 81 II 2, 82 II 5, 87 I;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 84, 86, 114, 115, 197, 124, 201, 202, 228,
234, 235, 262; Köbler, WAS; Heinemann, F., Der Richter und die Rechtspflege,
1900; Lenel, P., Die Scheidung von Richtern und Urteilern, ZRG GA 34 (1913),
440; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche Unabhängigkeit, 1935; Kern,
E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Schorn, H., Der Richter im
Dritten Reich, 1959; Clavadetscher, O., Die geistlichen Richter des Bistums
Chur, 1964; Flume, W., Richter und Recht, 1966; Nörr, K., Zur Stellung des
Richters im gelehrten Prozess der Frühzeit, 1967; Küper, W., Die Richteridee
der Strafprozessordnung und ihre geschichtlichen Grundlagen, 1967; Köbler, G.,
Richten, Richter und Gericht, ZRG GA 87 (1970), 57; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher
Zivilprozess, 1971; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der
Weistümer, 1971; Conrad, H., Richter und Gesetz im Übergang vom Absolutismus
zum Verfassungsstaat, 1971; Kötschau, U., Richterdisziplinierung in der
preußischen Reaktionszeit, (Diss. jur. Kiel) 1976; Battenberg, F./Eckhardt, A.,
Der Richter in eigener Sache, ZRG GA 95 (1978), 79; Hempel, N.,
Richterleitbilder in der Weimarer Republik, 1978; Olzen, D., Richter und
Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Hübner, H., Kodifikation und
Entscheidungsfreiheit des Richters, 1980; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981;
Schulz, B., Der republikanische Richterbund (1921-1933), 1982, Rechtsbehelfe,
Beweis und Stellung des Richters im Spätmittelalter, hg. v. Sellert, W., 1985;
Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Hattenhauer, H., Richter und Gesetz, ZRG GA 106
(1989), 46; Ormond, T., Richterwürde und Regierungstreue, 1994; Europäische und
amerikanische Richterbilder, hg. v. Gouron, A. u. a., 1996; Le juge et le
jugement, hg. v. Jacob, R., 1996; Nörr, K., Der Richter zwischen Gesetz und
Wirklichkeit, 1996; Immisch, L., Der sozialistische Richter, 1997;
Gritschneder, O., Furchtbare Richter, 1998; Albert, T., Der gemeine Mann vor
dem geistlichen Richter, 1998; Höner, M., Die Diskussion um das richterliche
Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001; Nobili, M., Die
freie richterliche Überzeugungsbildung, 2001; Lepsius, Susanne, Der Richter und
die Zeugen, 2003; Seif, U., Recht und Justizhoheit, 2003; Kißener, M., Zwischen
Diktatur und Demokratie, 2003; Ziegler, P., 200 Jahre Friedensrichter, 2003;
Jahns, S., Das Reichskammergericht und seine Richter, 2003; Strodthoff, B.,
Die richterliche Frage- und Erörterungspflicht, 2004; Auer, M., Materialisierung,
Flexibilisierung, Richterfreiheit, 2005; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien in der preußischen und deutschen Zivilprozessgesetzgebung, 2006;
Auf dem Scheiterhaufen der Paragraphen, hg. v. Scheiber, O., 2007; Hornauer,
A., Das Reichsgericht zur Frage des richterlichen Prüfungsrechts, 2009; Vom
Diener des Fürsten zum Diener des Rechts, hg. v. Czeguhn, I./Sánchez Aranda,
2011; Pfeiffer, U., Untersuchungen zu den ANfängen der päpstlichen Delegationsgerichtsbarkeit
im 13. Jahrhundert, 2011; Judges and Judging in the History of the Common Law
and Civil Law, hg. v. Brand, P. u. a. 2012; Europäisches Privatrecht in
Vielfalt geeint - Richterliche Eingriffe in den Vertrag, hg. v. Jung, P., 2013;
Richterinnen in Geschichte, Gegenwart und Zukunft, hg. v. Kohl, G. u. a., 2014;
Foljanty, L., Zur Problematik der Übersetzung richterlicher Methoden –
Frankreich und Japan, ZRG GA 133 82016), 499
Richterablehnung ist die Zurückweisung eines
Richters wegen Befangenheit. Die R. ist bereits dem spätantiken Verfahren
bekannt. Sie wird im Mittelalter im gelehrten Verfahren übernommen, doch kennt
auch das einheimische Recht Einschränkungen der richterlichen Tätigkeit.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
1 1879, Neudruck 1973, 111, 119; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963, 33, 71; Kaser, M., Das römische Zivilpozessrecht,
1966, 424, 440; Dick, B., Die Entwicklung des Kameralprozesses, 1981, 77
Richterbrief ist im Dritten Reich das der
Lenkung der Tätigkeit des Richters dienende parteipolitisch beeinflusste
Rundschreiben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235;
Richterbriefe, hg. v. Boberach, H., 1975; Wahl, B., Die Richterbriefe, Diss.
jur. Heidelberg 1981
Richterrecht ist das von dem im gewaltengeteilten
Staat für die Rechtsprechung zuständigen →Richter geschaffene Recht.
Seine Zulässigkeit ist streitig. Insbesondere die →freie Rechtsschule
befürwortet allgemein R. Tatsächlich setzt es sich vor allem dort durch, wo der
Gesetzgeber nicht entscheidungsfähig ist.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 4, 227, 254; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1
1879, Neudruck 1973; Larenz, K., Richterliche Rechtsfortbildung als
methodisches Problem, NJW 1965, 1; Rehbinder, M., Zur Rechtsqualität des
Richterspruchs, JuS 1991, 542; Zitscher, H., Elterlicher Status in Richterrecht
und Gesetzesrecht, 1996; Ollinger, T., Die Entwicklung des Richtervorbehalts im
Verhandlungsrecht, 1997; Richterrecht und Rechtsfortbildung in der europäischen
Rechtsgemeinschaft, hg. v. Schulze, R./Seif, U., 2003; Scherer de Mello
Aleixo, P., Verantwortbares Richterrecht, 2014
Richterstuhl ist der Sitz des Richters.
Lit.: Fehr, H., Das Recht im Bilde, 1923; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richthofen, Karl Otto Johannes Theresius
(Damsdorf 30. 5. 1811-6. 3. 1888) wird nach dem Rechtsstudium in Breslau,
Berlin (Savigny, Eichhorn) und Göttingen (Jacob Grimm) außerordentlicher
Professor in Berlin. 1840 veröffentlicht er die friesischen Rechtsquellen und
ein altfriesisches Wörterbuch, 1863 die (lat.) →Lex (F.) Frisionum.
Lit.: Brunner, H., Karl von Richthofen, ZRG GA 9
(1888), 247
Richtlinie ist der Grundsatz oder die
Anweisung für ein bestimmtes Verhalten. Insbesondere kann in der
→Europäischen Union der Rat oder die Kommission eine verbindliche R. für
den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber erlassen, der sie in der jeweils gesetzten
Frist in mitgliedstaatliches Recht umsetzen muss.
Lit.: Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, hg.
v. Walk, J., 1981
Richtschwert ist das Schwert als Vollzugsgerät
der →Todesstrafe.
Lit.: Kühn, U., Inschriften und Verzierungen auf
Richtschwertern, Diss. jur. Erlangen-Nürnberg 1969; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtstätte ist der Ort des Vollzugs der Todesstrafe
(z. B. Galgenbühl).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Richtsteig Landrechts ist das vom märkischen Hofrichter
Johann von Buch (1285/1290-nach 1356) verfasste Werk über das Gerichtsverfahren
nach dem →Sachsenspiegel. Der R. L. ist vermutlich zwischen 1325 und
1333/1334 entstanden. Er folgt gelehrtem Vorbild (Gerichtsperson, Klagearten).
Er ist durch 75 Handschriften in fünf vor allem regionalsprachlich
verschiedenen Formen überliefert.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 103, 107;
Homeyer, C., Der Richtsteig Landrechts nebst Cautela und Premis, 1857; Oppitz,
U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 64; Odenweiler, K., How
to act in court, ZRG GA 130 (2013), 371
Richtsteig Lehnrechts ist das vermutlich in der zweiten Hälfte
des 14. Jh.s vielleicht von Gerke von Kerkow verfasste Werk über das Verfahren
des sächsischen Lehnrechts in anfangs wohl 31 Artikeln, das in 20 Handschriften
überliefert ist.
Lit.: Homeyer, C., Des Sachsenspiegels zweiter Teil,
Bd. 1 1842, 409; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1
1990, 65
Riegger, Joseph Anton Stephan von
(Innsbruck 1742-Prag 1795), Rechtsprofessorensohn, wird 1764 Privatdozent in
Wien und 1765 Professor in Freiburg im Breisgau, 1778 in Prag. In Freiburg im
Breisgau hält er als erster deutsche Vorlesungen.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden
Ritter von Riegger, 1797
Riegger, Paul Joseph (Freiburg im Breisgau
1705-Wien 1775) wird nach dem Rechtsstudium in Freiburg im Breisgau 1733
Professor in Innsbruck und 1753 in Wien. Er tritt für den Vorrang des Staates
gegenüber der Kirche ein.
Lit.: Wander von Grünwald, J., Biographie der beiden
Ritter von Riegger, 1797; Seifert, E., Paul Joseph Riegger, 1973
Riga an der Düna wird 1201 als Markt deutscher Kaufleute
gegründet. 1285 nimmt die Stadt hamburgisches und später auch lübisches Recht
auf. Das daraus entwickelte rigische Recht wird an viele umliegende Städte
weitergegeben. 1582 kommt R. an Polen, 1621 an Schweden und 1710 an Russland.
Von 1918 bis 1940 und seit 1991 ist R. Hauptstadt →Lettlands.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Die Quellen des rigischen Stadtrechts, hg. v. Napiersky, J., 1876, Neudruck
1976; Bulmerincq, A. v., Der Ursprung der Stadtverfassung Rigas, 1894, Neudruck
2013; Bulmerincq, A. v., Die Verfassung der Stadt Riga, 2013; Wittram, R.,
Baltische Geschichte, 1954; Lenz, W. jun., Riga, 1968; Hellmann, M., Livland
und das Reich, 1989; Riga, hg. v. Oberländer, E. u. a., 2004; Riga und der
Ostseeraum, hg. v. Misns, I. u. a., 2005; Fülberth, A., Riga, 2013
Ring ist das kreisförmige Gebilde aus festem Stoff (z. B.
Metall, Holz), das als Symbol für ein Recht oder Rechtsverhältnis verwendet
wird (z. B. Ehering).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, 4.
A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Zallinger, O., Die Ringgaben bei der
Heirat, 1931 (SB Wien); Köstler, R., Ringwechsel und Trauung, ZRG KA 22 (1933),
1; Labhart, V., Zur Rechtssymbolik der Bischofsringe, 1963; Chadour, A., Ringe,
1994
Rinteln ist von 1620/1621 bis 1809 Sitz einer
Universität.
Lit.: Feige, R., Das akademische Gymnasium Stadthagen und die Frühzeit
der Universität Rinteln, 1956
Ripert, Georges (1880-1958) wird nach dem
Rechtsstudium in Aix-en-Provence Rechtslehrer in Aix-en-Provence (1906) und
Paris (1918). Er führt den (franz.) Traité élémentaire de droit civil
→Planiols fort und erweitert ihn zu einem 14bändigen Gesamtwerk. Dabei
geht er von der Überlegenheit des Gesetzesanwenders gegenüber dem Gesetz aus.
Lit.: Rousselet, M., Notice sur la vie et les travaux
de Georges Ripert, 1960
Ripuarier (Ribvarier) ist der (Bewohner eines
um Köln liegenden Gebiets oder) der Angehörige eines um Köln fassbaren Teilstammes
der Franken, dessen Recht vielleicht schon im 7. Jh., jedenfalls 763/764 und
in einer etwas jüngeren Fassung in der (lat.) →Lex (F.) Ribvaria
aufgezeichnet wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 81; Nonn, U.,
Pagus und comitatus, 1983
risorgimento (M.) Wiedererhebung (Italiens zu einem einheitlichen
Staat nach 1848 durch eine Freiheitsbewegung [Cavour, Garibaldi] unter Führung
Sardinien-Piemonts bis 1861)
Ritter (lat. M.
eques, miles) ist der Angehörige einer durch reiterliches Verhalten
gekennzeichneten Menschengruppe. Bereits das klassische römische Altertum
kennt einen hervorgehobenen Stand der (lat. M.Pl.)
equites (ordo equester Geldadel). Seit dem Frühmittelalter (9. Jh.) entsteht
der im 11. Jh. vielleicht zuerst im westfränkischen Bereich sichtbare,
spätestens um 1250 durch Ritterbürtigkeit nach unten abgeschlossene und damit
zum Geburtsstand werdende Berufsstand der durch Reiterdienst aus der
Allgemeinheit herausgehobenen, auf der Burg vorbildlich lebenden R. Er bildet
bald den niederen Adel, der vielfach zu einem der →Landstände wird (z. B.
Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol). Allerdings erweisen sich
die Ritterheere im 14. Jh. als schlagbar (Sempach 1386), weshalb der R. an
Bedeutung verliert. Auf der Suche nach einer anderweitigen Lebensgrundlage wird
der R. vielfach Gutsherr, Beamter, verschiedentlich aber auch
→Raubritter. Seit dem 15. Jh. schließen sich die →Reichsritter
besonders zusammen, verlieren ihre reichsunmittelbare Stellung aber 1803.
Lit.: Söllner §§ 6, 9, 12, 13, 14; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 29, 79, 98, 111, 112, 121, 199; Köbler, WAS; Erben, W.,
Schwertleite und Ritterschlag, Zeitschrift für historische Waffenkunde 8
(1919); Wretschko, A., Zur Erteilung der Ritterwürde durch den Kaiser im 16.
Jahrhundert, ZRG GA 46 (1926), 374; Sandberger, D., Studien über das Rittertum
in England, 1937; Schulze, W., Die Gleve, 1940; Obenaus, H., Recht und
Verfassung der Gesellschaften mit S(ank)t Jörgenschild in Schwaben, 1961;
Bumke, J., Studien zum Ritterbegriff, 1964, 2. A. 1977; Arnswaldt, C. v., Die
Lüneburger Ritterschaft, 1969; Reuter, H., Die Lehre vom Ritterstand, 1971, 2.
A. 1974; Das Rittertum, hg. v. Borst, A., 1976; Das ritterliche Turnier im
Mittelalter, hg. v. Fleckenstein, J., 1985; Bardelle, B., Die altwestfälischen
Ritterschaftskorporationen, Diss. jur. Münster 1987; Keen, M., Das Rittertum,
1987; Curialitas, hg. v. Fleckenstein, J., 1990; Gasparri, S., I milites
cittadini, 1992; Paravicini, W., Die ritterlich-höfische Kultur, 1994; Erkens,
F., Militia und Ritterschaft, HZ 258 (1994), 623; Böninger, L., Die Ritterwürde
in Mittelitalien, 1995; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Fleckenstein, J.,
Rittertum und ritterliche Welt, 2002; Hechberger, W., Adel, Ministerialität
und Rittertum im Mittelalter, 2004; Rittertum und höfische Kultur der
Stauferzeit, hg. v. Laudage, J., 2006; Ehlers, J., Die Ritter, 2006;
Barthélemy, D., La chevalerie, 2007; Kommunikationsnetze des Ritteradels im
Reich um 1500, hg. v. Schneider, J., 2012; Asbridge, T., Der größte aller
Ritter und die Welt des Mittelalters, 2015 (Guillaume le Maréchal um
1147-1219); Laukemper, W., Die Ritter im mittelalterlichen Vellern, 2016
Ritterbund ist der im 14./15. Jh. sichtbare Zusammenschluss
von →Rittern zu gemeinsamem Handeln (z. B. Sterner, St. Jörgenschild).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mau, H., Die
Rittergesellschaften mit St. Jörgenschild, 1941; Obenaus, H., Recht und
Verfassung der Gesellschaft mit St. Jörgenschild, 1961; Deutscher Adel, hg. v.
Rössler, H., 1965; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994
Rittergut ist das einem Ritter (Adeligen)
übertragene Landgut, mit dessen Besitz die Landstandschaft verbunden ist (in
Brandenburg im 19. Jh. 1610 Rittergüter [mit mehr als 100 Hektar], jeder fünfte
Rittergutseigentümer Millionär). Es ist meist Lehen. Der Inhaber ist von
Steuern befreit. Das R. ist oft Mittelpunkt einer →Grundherrschaft oder
Gutsherrschaft, der Inhaber meist Träger von Polizeigewalt und
Patrimonialgerichtsbarkeit.
Lit.: Müller, R., Die Rechtsbeziehungen zwischen den
Rittergutsherren und den Bauern der Herrschaft Neuschönfels in Sachsen, 1937;
Hüllemann, H., Die Geschichte der Rittergüter in Reuß älterer Linie, 1939;
Reinicke, W., Landstände im Verfassungsstaat, 1975, 318; Flügel, A.,
Bürgerliche Rittergüter, 2000; Schiller, R., Vom Rittergut zum Großgrundbesitz,
2003; Halama, A., Rittergüter in Mecklenburg-Schwerin, 2006
Ritterorden ist der von →Rittern seit dem
12. Jh. gebildete →Orden (z. B. Templerorden 1118/1119, →Deutscher
Orden 1190/11988, Johanniterorden, Malteserorden, Schwertbrüderorden 1202).
Lit.: Riley-Smith, J., The Knights of St. John, 1967;
Pernoud, R., Les Templiers, 2. A. 1977; Die geistlichen Ritterorden Europas,
hg. v. Fleckenstein, J. u. a., 1980; Geschichte und Recht geistlicher Ritterorden
besonders in der Schweiz, hg. v. Carlen, L., 1990; Ritterorden und
Adelsgesellschaft im spätmittelalterlichen Deutschland, hg. v. Kruse, H. u. a.,
1991; Ranft, A., Adelsgesellschaften, 1994; Demurger, A., Die Ritter des
Herrn, 2003; Die Ritterorden in der europäischen Wirtschaft des Mittelalters,
hg. v. Czaja, R. u. a., 2003; International Mobility in the Military Orders,
hg. v. Burgtorf, J. u. a., 2006; Die Ritterorden als Träger der Herrschaft, hg.
v. Czaja, R./Sarnowsky, J., 2007; The Military Orders, hg. v. Edbury, P., Bd. 5
2012; La mémoire des origines dans les ordres religieux-militaires au Moyen
Âge, hg. v. Josserand, P. u. a,, 2012; Riley-Smith, J., The Knights Hospitaller
in the Levant c. 1070-1309, 2012
Ritterschaft ist die Gesamtheit von
→Rittern.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Arnswaldt, C. v., Die
Lüneburger Ritterschaft, 1969; Teuner, R., Die fuldische Ritterschaft, 1982;
Bardelle, B., Die altwestfälischen Ritterschaftskorporationen, Diss. jur.
Münster 1987; Harding, E., Landtag und Adeligkeit, 2011
Ritterspiegel ist das in einer Handschrift
überlieferte, wohl zwischen 1410 und 1420 von Johannes →Rothe verfasste
Gedicht in mittelthüringischer Sprache über die Stellung und Aufgaben des
Ritters.
Lit.: Johannes Rothe, Der Ritterspiegel, hg. v.
Neumann, H., 1936
Ritual ist der in Gewohnheit formalisierte Ablauf
eines Geschehens (z. B. Krönung, Gerichtsverfahren).
Lit.: Spektakel der Macht - Rituale im alten Europa 800-1800, 2008;
Dilcher, G., Mittelalterliches Recht und Ritual in ihrer wechselseitigen Beziehung,
Frühmittelalt. Studien 41 (2007), 297; Bild und Ritual, hg. v. Ambos, C. u. a.,
2010; Schreiner, K., Rituale, Zeichen, Bilder, 2011; Stollberg-Rilinger, B.,
Rituale, 2013
Rivail →Aymar du Rivail
Rivallius →Aymar du Rivail
Robe ist die Amtstracht des Richters, Staatsanwalts oder
Rechtsanwalts. Sie geht auf den langen schwarzen Mantel zurück, den seit der
frühen Neuzeit die Gelehrten als doktoralisches Ehrenkleid anlegen. Zuerst in
Frankreich tragen dann auch die →Richter als Justizbeamte einen solchen
Talar als eine besondere Standeskleidung. Am 15. 12, 1626 ordnet Friedrich
Wilhelm I. für die advocati wollene schwarze, bis unter das Knie gehende Mäntel
an (, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen
hüten kann). 1790 wird das zwischenzeitlich prunkvoll gestaltete Gewand in
Frankreich durch einen schwarzen Talar ersetzt. Mit dem französischen Recht
dringt diese Bekleidung in deutsche Staaten vor. Durch die Reichsjustizreform
von 1879 wird sie vereinheitlicht und wenig später auf alle Richter ausgedehnt
(Österreich 1897, 1962).
Lit.: Döhring, E., Geschichte der deutschen
Rechtspflege, 1953, 225; Liermann, H., Richter, Schreiber, Advokaten, 1957;
Hargreaves-Mawdsley, W., A history of legal dress in Europe, 1963; Hülle, W.,
Historisches über Gerichtsroben, Dt. Richterzeitung 58 (1980), 345; Köbler, G.,
Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Robot (slaw. [F.]) Arbeit, teils bemessener,
teils unbemessener Frondienst (in Niederösterreich 1772, in der Steiermark
1778 einschränkendes Robotpatent Maria Theresias, 1848 Aufhebung)
Lit.: Grüll, G., Die Robot in Oberösterreich, 1952
Rodung ist die Urbarmachung von bewaldetem
Land. Sie kann im Mittelalter zu Freiheit oder rechtlicher Besserstellung
führen (z. B. in der →Ostsiedlung).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 102; Schulze,
H., Rodungsfreiheit und Königsfreiheit, HZ 219 (1974), 529
Roes →Alexander von
Roesler, Hermann (1834-1894) wird nach dem
Studium von Recht und Wirtschaft in Erlangen und München 1861 Professor für
Staatswissenschaft in Rostock. 1878 wird er juristischer Berater →Japans.
Er gestaltet das Handelsgesetzbuch (1890) und die Verfassung (1889) maßgeblich
mit. 1893 kehrt er nach Europa zurück.
Lit.: Siemes, J., Die Gründung des modernen
japanischen Staates und das deutsche Staatsrecht, 1975; Hermann Roesler, hg. v.
Bartels-Ishikawa, A., 2007; Ritzke, B., Der ordo-soziale Wirtschafts- und
Rechtsbegriff von Hermann Roesler, 2010
Roffredus ist der um 1170 geborene, aus Benevent stammende,
wohl 1243 noch lebende Jurist, von dem De libellis et ordine iudiciorum (Von
Büchern und der Ordnung der Gerichte), Libelli de iure canonico (Bücher über
das kanonische Recht), Quaestiones (Fragen), Glossen und kleinere Schriften
stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 318
Rogerius ist der in Bologna wirkende, vielleicht um
1170 verstorbene Glossator, von dem eine Summa Codicis, Glossen, vielleicht Dissensiones
dominorum, Distinktionen, De praescriptionibus, Quaestiones super Institutis,
Enodationes quaestionum super Codice, ein Catalogus praescriptionum und
vielleicht die Summa Trecensis stammen.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 192
Roland ist der am 15. 8. 778 beim Rückzug
Karls des Großen aus Spanien gefallene Markgraf der bretonischen Mark. Er ist
die Hauptgestalt des wohl um 1080 von einem unbekannten Verfasser geschaffenen
Rolandsliedes. Möglicherweise gehen auf ihn die Rolandssäulen zurück, die
sich seit dem Hochmittelalter auf Marktplätzen vor allem Norddeutschlands (als
Symbol der Kaiserrechte? oder des Rechtes allgemein ?) finden (z. B. in
Bremen).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Heldmann, K., Die
Rolandsbilder Deutschlands, 1904; Heldmann, K., Rolandsspielfiguren, 1905;
Jostes, F., Roland in Schimpf und Ernst, 1906; Puntschart, P., Der Roland von
Ragusa, ZRG GA 30 (1909), 299; Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe
(Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG GA 44 (1924), 291; Hoede, K., Deutsche
Rolande, 1934; Goerlitz, T., Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder,
1934; Gathen, A., Rolande als Rechtssymbole, 1960; Mitić, I., Die
Rolandsäule in Ragusa, ZRG GA 82 (1965), 306; Siebs, B., Jedute und Roland, ZRG
GA 84 (1967), 293; Ott-Meimberg, M., Kreuzzugsepos oder Staatsroman?, 1980;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rempel, H., Die
Rolandsstatuen, 1989; Munzel-Everling, D., Rolande der Welt. CD-ROM. 2004 (www.Munzel-Everling.de)
Rolandus von Bologna
Lit.: Jacobi, K., Der Ehetraktat des Magisters
Rolandus von Bologna, 2004
Rôles d’Oléron →Oléron
Rom ist die nach antiker Tradition 753 v. Chr. von Romulus
gegründete Hauptstadt (um 500 v. Chr. 10000?, 25000? oder 50000? Einwohner, um
0 800000 oder 1000000 1790 große Privathäuser domus, 46602 große Mietshäuser
insulae, um 300 n. Chr. 500000, um 400 800000, um 500 100000, nach 550 rund
50000 Einwohner) des 510 v. Chr. vom Königreich (nach Romulus sechs sagenhafte
Könige Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Marcius, Lucius Tarquinius
Priscus, Servius Tullius, Lucius Tarquinius Superbus) zur Republik und 27 v.
Chr. von der Republik zum Prinzipat gewordenen römischen Weltreichs. In ihr hat
seit dem 1. Jh. n. Chr. der Papst seinen Sitz. 754/756 erhält er Rom durch den
fränkischen König Pippin als Gabe. Während des Mittelalters krönt er dort den
deutschen König (oft) zum Kaiser. Zwischen 1143 und 1155 richten die Bürger wieder
einen Senat ein. 1526/1527 werden 53689 Einwohner gezählt. Am 6. 5. 1527 wird
R. vom Heer Kaiser Karls V. erstürmt (sacco di Roma). 1870 fällt R. (mit rund
200000 Einwohnern, um 1930 eine Million) an Italien, 1871 wird es dessen
Hauptstadt.
Lit.: Köbler, DRG 16, 28, 51; Leopold, H., De spegel
van het verleden, 1918; Schramm, P., Kaiser, Rom und renovatio, 2. A. 1957;
Schneider, F., Rom und Romgedanke im Mittelalter, 2. A. 1959; Demandt, A., Der
Fall Roms, 1984, 2. A. 2014; Grandazzi, A., La fondation de Rome, 1991;
Dahlheim, W., Stadt und Imperium, 1992; Storia di Roma, hg. v. Schiavone, A.,
1993; Roma, hg. v. Hubert, E., 1993; Lunliffe, B., Rom und sein Weltreich, 4.
A. 1994; Bellen, H., Grundzüge der römischen Geschichte, 1994; Bengtson, H.,
Römische Geschichte, 7. A. 1995; Kolb, F., Rom, 2. A. 2002; Christ, K.,
Geschichte der römischen Kaiserzeit, 4. A. 2002; Fuhrmann, F., Rom in der
Spätantike, 2. A. 1995; Krautheimer, R., Rom, 2. A. 1996; Die römischen Kaiser,
hg. v. Clauss, M., 1997; Schulz, R., Herrschaft und Regierung, 1997; Die späte
römische Republik, hg. v. Bruhns, H. u. a., 1997; Flach, D., Römische
Geschichtsschreibung, 3. A. 1998; Bellen, H., Grundzüge der römischen
Geschichte, 1998; Heuß, A., Römische Geschichte, 9. A. 2003; Ausbüttel, F., Die
Verwaltung des römischen Kaiserreiches, 1998; Bleicken, J., Geschichte der
römischen Republik, 5. A. 1999; Strothmann, J., Kaiser und Senat, 1998;
Witschel, C., Krise, Rezession, Stagnation, 1999; Dahlheim, W., An der Wiege
Europas, 2000; Gatto, L., Storia di Roma nel Medioevo, 2. A. 2000; Ball, W.,
Rome in the East, 2000; Roma nell’alto medioevo, 2001; König, I., Kleine
römische Geschichte, 2001; Carandini, A., Die Geburt Roms, 2001; Die frühen
römischen Historiker, hg. v. Beck, H. u. a., Bd. 1f. 2001ff.; Fellmeth, U.,
Brot und Politik, 2001; Kuhoff, W., Diokletian und die Epoche der Tetrarchie,
2001; Bringmann, K., Geschichte der römischen Republik, 2002; Kolb, F., Rom, 2.
A. 2002; Schuller, W., Das römische Weltreich, 2002; Roma fra Oriente e Occidente,
2002; Syme, R., Die römische Revolution, 2003; Bringmann, K., Römische
Geschichte, 8. A. 2004; Bringmann, K., Krise und Ende der römischen Republik,
2003; Fugmann, J., Königszeit und frühe Republik in der Schrift De viris
illustribus urbis Romae, Bd. II, 2 2003; Index numerorum. Ein Findbuch zum
Corpus inscriptionum latinarum, hg. v. Fassbender, A., 2003; Weeber, K.,
Nachtleben im alten Rom, 2004, 4. A. 2016; Hölkeskamp, K., Rekonstruktion einer
Republik, 2004; Bauer, F., Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter, 2004;
Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v. Frei-Stolba, R., 2004; The
Cambridge Companion to the Roman Republic, hg. v. Flower, H., 2004; Matyszak,
P., Geschichte der römischen Republik, 2004; Hölkeskamp, K., Senatus populusque
Romanus, 2004; Christ, K., Pompeius, 2004; Luik, M., Der schwierige Weg zur
Weltmacht, 2005; Beck, H., Karriere und Hierarchie, 2005; Rüpke, J., Fasti
sacerdotum, 2005 (mit etwa 4000 Biographien); Eich, P., Zur Metamorphose des
politischen Systems in der römischen Kaiserzeit, 2005; Ward-Perkins, B., The
Fall of Rome and the End of Civilization, 2005; Kunst, C., Leben und Wohnen in
der römischen Stadt, 2006, 3. A. 2008; Heftner, H., Von den Gracchen bis Sulla,
2006; Dreyer, B., Die Innenpolitik der römischen Republik, 2006; Spielvogel,
J., Septimius Severus, 2006; König, I., Der römische Staat, 2007; Langer, V.,
Declamatio Romanorum, 2007; Kolb, F., Das antike Rom, 2007; Heather, P., Der
Untergang des römischen Weltreichs, 2007 (übersetzt aus dem Englischen); Rüpke,
J., Römische Priester in der Antike, 2007; Brandenburg, H., Die
frühchristlichen Kirchen in Rom, 2008, 3. A. 2013; Römische Religion im Wandel,
hg. v. Bendlin, A. u. a., 2008; Kreutz, P., Romidee und Rechtsbild in der
Spätantike, 2008; Jördens, A., Statthalterliche Verwaltung in der römischen
Kaiserzeit, 2009; Eine politische Kultur (in) der Krise?, hg. v. Hölkeskamp,
K., 2009; Speidel, M., Heer und Herrschaft im römischen Reich, 2009; Die
Verwaltung der kaiserzeitlichen römischen Armee, hg. v. Eich, A., 2009;
Matyszak, P. u. a., Who is who im alten Rom, (aus dem Englischen) 2009;
Reinhardt, V., Blutiger Karneval - Der Sacco di Roma 1527, 2009; The Cambridge
Companion to the Roman Historians, hg. v. Feldherr, A., 2009; Eine politische
Kultur (in) der Krise, hg. v. Hölkeskamp, K, 2009; Bauer, F., Rom im 19. und
20. Jahrhundert, 2009; Grossmann, L., Roms Samnitenkriege, 2009; Sommer, M.,
Römische Geschichte, Bd. 2 2009; Hughes, I., Belsarius, 2009; Hughes, I.,
Stilicho, 2010; Meier, M./Patzold, S., August 410 - Ein Kampf um Rom, 2010; Die
Verwaltung der kaiserzeitlichen römischen Armee, hg. v. Eich, A., 2010; Rom,
hg. v. Johrendt, J. u. a., 2010; Goldbeck, F., Salutationes, 2010; Petersohn,
J., Kaisertum und Rom, 2010; Hölkeskamp, K., Reconstructing the Roman Republic,
2010; Klingenberg, A., Sozialer Abstieg in der römischen Kaiserzeit, 2011;
Cobet, J., Babylon, Jerusalem, Athen, Tom, GZ 293 (2011), 1; Sänger, P.,
Veteranen unter den Severern und frühen Soldatenkaisern, 2011; Lundgreen, C.,
Regelkonflikte in der römischen Republik, 2011; Hölkeskamp, K., Die Entstehung
der Nobilität, 2. A. 2011; The Roman Empire in Context, hg. v. Arnason, J. u.
a., 2011; Breeze, D., The Frontiers of Imperial Rome, 2011; Sivan, H., Galla
Placidia, 2011, Von der militia equestris zur militia urbana, hg. v. Blösel, W.
u. a., 2011; Ando, C., Law, Language and Empire in the Roman Tradition, 2011;
Barnes, T., Constantine, 2012; Du Plessis, P., Letting and Hiring in Roman
Legal Thought, 2012; Bleicken, J., Die römische Republik, 2012; Krüger, J.,
Nero, 2012; Rom in der Spätantike, hg. v. Behrwald, R. u. a., 2012; New
Frontiers. Law and Society in the Roman World, hg. v. Du Plessis, P., 2012;
Richardson, J., Augustan Rome 44 BC to AD 14, 2012: Hughes, I., Aetius, 2012;
Albers, J., Campus Martius, 2012; Fischer, T., Die Armee der Caesaren, 2012;
Maiuro, M., Res Caesaris, 2012; Martin, S., Die politische Führungsschicht der
römischen Republik, 2012; Palast und Stadt im severischen Rom, hg. v. Sojc, A.,
2013; Sommer, M., Römische Geschichte, Bd. 1 2013; Ando, C., Imperial Ideology
and Provincial Loyalty in the Roman Empire, 2013; Börm, H., Westrom - Von
Honorius bis Justinian, 2013, 2. A. 2019; Geiger, M., Gallienus, 2013; Horst,
C., Marc Aurel, 2013; Dalla Rosa, A., Cura et tutela – Le origini del potere
imperiale sulle province proconsolari, 2013; Lee, A., From Rome to Byzantium AD
363 to 565, 2013; Toner, J., Roman Disasters, 2013; Steel, C., The End of the
Roman Republic, 146 to 44 BC., 2013; Geiger, M., Gallienus, 2013; Dupont, F.,
Rom – Stadt ohne Ursprung, 2013; Behrends, O., Zur römischen Verfassung, hg. v.
Avenarius, M. u. a., 2014; Glas, T., Valerian, 2014; Wittneben, E., Römische
Geschichte, 2014; Brot und Spiele, hg. v. Schlott, K., 2014; Schöpe, B., Der
römische Kaiserhof in severischer Zeit (193-235 n. Chr.), 2014; Vervaet, F.,
The High Command in the Roman Republic, 2014; Staatlichkeit in Rom?, hg. v.
Lundgreen, C., 2014; Eich, A., Die römische Kaiserzeit, 2014; Kay, P., Rome’s
Economic Revolution, 2014; Ich Germanicus Fedherr Priester Superstar, 2015;
Maschek, D., Die römischen Bürgerkriege, 2015; Woolf, G., Rom, 2015; Augustus,
hg. v. Horster, M. u. a., 2014; Nero Kaiser, Künstler und Tyrann, 2016;
Sonnabend, H., Nero – Inszenierung der Macht, 2016; Rosenstein, N., Rome and the
Mediterranean 290 to 146 BC, 2012; Fulminante, F., The Urbanisation of Rome and
Latium Vetus, 2014; Schipe, B., Der römische Kaiserhof in severischer Zeit
(193-235 n. Chr. 2014; Blösel, W., Die römische Republik, 2015; Walter, U.,
Mehr als Mythos und Konstruktion? Diew römische Königszeit, HZ 302 (2016), 1;
Esch, A., Rom, 2016 (Stadtführer ohne übergeordnete Einheit); Tuori, K., The
Emperor of Law – The Emergence of Roman Imperial Adjudication, 2016; Bond, S.,
Trade and Taboo – Disreputable Professions in the Roman Mediterranean, 2016;
Tacoma, L., Moving Romans – Migration to Rome in the Principate, 2016; Barr,
J., Tertullian an the Unborn Child, 2017; Der römische Triumph in Prinzipat und
Spätantike, hg. v. Goldbeck, F. u. a., 2017
Roma (Sg. Rom, „Mann, Mensch“) oder auch Sinti) ist
die Eigenbezeichnung für die früher meist als →Zigeuner benannten
Angehörigen einer Volksgruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und
Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S., 2001;
Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der
Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach 1945, 2003;
Knesebeck, J. v. d., The Roma Struggle for Compensaton in Post-War Germany,
2011; The Nazi Genocide of the Roma, hg. v. Weiss-Wendt, A., 2013 (wohl etwas
mehr als 200000 Opfer)
Roma locuta causa finita (lat.). Hat Rom gesprochen, ist
die Angelegenheit beendet.
Lit.: Adam, K., Causa finita est, FS A. Ehrhard, 1922,
1; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Augustus, 354-430, Sermones
131, 10)
Romanist ist seit dem 19. Jh. der Vertreter
des römischen Rechtes oder der vom Lateinischen abgeleiteten Sprachenfamilie im
Gegensatz zum →Germanisten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Schlösser, R., Die romanischen
Sprachen, 2001
Romantik ist die geistige, sich von der
Vernunft als allein bestimmendem Umstand abkehrende, das Gefühl, den Traum und
das Irrationale betonende Bewegung in Europa zwischen 1790 und 1830. Sie
beeinflusst die →historische Rechtsschule (Savigny, Grimm). Sowohl
Märchen wie Liedgut und Recht werden auf das eigene Volk bezogen
(→Volksgeist).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 178; Busse, G.,
Die Romantik, 1982
Römer ist der Bewohner →Roms bzw.
der Angehörige der das römische Weltreich tragenden Bevölkerung.
Lit.: Köbler, DRG 16; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Christ, K., Die Römer, 3. A. 1994; Fischer, T.,
Die Römer in Deutschland, 1999; Wolters, R., Die Römer in Germanien, 2000; Die
Ursprünge des römischen Volkes – Origo gentis Romanae, hg. v. Sehlmeyer, M.,
2004; Johne, K., Die Römer an der Elbe, 2006; Thiel, A., Die Römer in
Deutschland, 2008; MacMullen, R., The Earliest Romans, 2011
Römermonat ist die Bezeichnung für die 1541
auf 128000 Gulden berechneten Kosten der monatlichen Unterhaltung und Besoldung
des Heeres im Heiligen römischen Reich , die mit Hilfe der
→Reichsmatrikel auf die einzelnen Reichsstände verteilt werden.
Lit.: Weigl, H., Die Kriegsverfassung des alten
Deutschen Reiches, 1912, 15
Römerstadt ist die im römischen Reich zur
→Stadt entwickelte Siedlung. Sie bildet auch nach Ende des weströmischen
Reiches im Frühmittelalter vielfach den Ausgangspunkt für eine Stadt (z. B.
Nyon, Augst, Trier, Köln, Neuss, Bonn, Xanten, Mainz, Straßburg, Augsburg, Kempten,
Regensburg, Passau, Wien). Die Zusammenhänge sind im Einzelnen aber sehr
unterschiedlich.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Die deutsche
Stadt im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980
Römerstraße ist die von den Römern im Altertum
angelegte, meist sehr gerade und gepflasterte Straße.
Lit.: Pekáry, T., Untersuchungen zu den römischen
Reichsstraßen, 1968; Bender, H., Römische Straßen, 1975
Römische Verträge sind die am 25. 3. 1957 in Rom
zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und den
Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
und die Europäische Atomgemeinschaft (zum 1. 1. 1958). Sie sind wesentliche
Grundlagen der Europäischen Gemeinschaft bzw. der Europäischen Union. Sie
werden 1986 durch die Einheitliche Europäische Akte und danach z. B. durch den
Vertrag von Maastricht, den Vertrag von Amsterdam und den Vertrag von Lissabon
angepasst bzw. umgewandelt.
Lit.: Köbler, DRG 246; Schweitzer, M./Hummer, W.,
Europarecht, 5. A. 1996
Römischer König ist ein zeitweise vom deutschen
König im Heiligen römischen Reich verwendeter Titel.
Lit.: Beumann, H., Der deutsche König als „Romanorum
rex“, 1981
Römisches Recht ist die Gesamtheit der von Römern geschaffenen
Rechtssätze. Die wichtigsten römischen Rechtsquellen sind die
→Zwölftafelgesetze (451/450 v. Chr., daneben z. B. 231 Gesetze zwischen
367 und 134 v. Chr.), die Werke der römischen →Jurisprudenz (3. Jh. v.-3.
Jh. n. Chr.) und die Gesetzgebung (Codex, Institutionen, Digesten bzw.
Pandekten, Novellen) des oströmischen Kaisers →Justinian (527-565).
Sachlich ist das Privatrecht von besonderer Bedeutung. Das römische, im
spätantiken römischen Reich nur in Rechtsschulen in Rom, Karthago, Konstantinopel,
Beirut, Athen (bis 529), Alexandria und Caesarea (bis 533) gelehrte Recht wird
auch nach dem Untergang Westroms (476 n. Chr.) in gewisser Weise fortgeführt
sowie seit dem ausgehenden 11. Jh. wiederbelebt und danach in vielen Gebieten
Europas in umfangreichen Teilen aufgenommen (rezipiert). Es gilt subsidiär als
→gemeines Recht (lat. ius N. commune) bis
zu den Kodifikationen der mittleren Neuzeit (Allgemeines Landrecht Preußens
1794, Code civil Frankreichs 1804, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
Österreichs 1811) und hat auch im Zuge der europäischen Einigung in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s noch gewisse Ausstrahlungskraft.
Lit.: Kaser §§ 1ff.; Waldstein/Rainer §§ 1ff.; Söllner
§§ 1ff.; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 1, 16, 101, 137, 159; Savigny, F.,
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, Bd. 1ff., 2. A. 1834ff.;
Savigny, F., System des heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff.; Dante dal
Re, I precursori italiani di una nuova scuola di diritto romano nel secolo XV,
1878; Krüger, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts,
1888, Neudruck 2013; Conrat, M., Geschichte der Quellen und Literatur des
römischen Rechtes im früheren Mittelalter, Bd. 1 1891; Mommsen, T., Abriss des
römischen Staatsrechts, 1893, Neudruck 2013; Halban, A. v., Das römische Recht
in den germanischen Volksstaaten, Teil 1ff. 1899ff.; Vinogradoff, P., Roman Law
in Medieval Europe, 1909; Kalb, W., Wegweiser in die römische Rechtssprache,
1912, Neudruck 1961; Goudy, H., Dreiteiligkeit im römischen Recht, übers. v.
Ehrlich, E., 1914, Neudruck 2013; Engelmann, W., Die Wiedergeburt der
Rechtskultur, 1938; Heumann, G./Seckel, E., Handlexikon zu den Quellen des
römischen Rechtes, 10. A. 1958; Wengler, L., Die Quellen des römischen Rechtes,
1953; Schubart-Fikentscher, G., Römisches Recht im Brünner Schöffenbuch, ZRG GA
65 (1947), 86; Feine, H., Vom Fortleben des römischen Rechtes in der Kirche,
ZRG KA 73 (1956), 1; Kaser, M., Römisches Privatrecht, 1960; Kaser, M./Knütel,
R., Römisches Privatrecht, 19. A. 2008; Trusen, W., Anfänge des gelehrten
Rechtes in Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in)
Ius Romanum medii aevi V 6, 1964; Koschaker, P., Europa und das römische Recht,
1947, 4. unv. A. 1966; Kaser, M., Der römische Anteil am deutschen bürgerlichen
Recht, JuS 1967, 337; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Sturm, F., Das römische Recht in der Sicht von G. W. Leibniz, 1968;
König, H., Pothier und das römische Recht, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976;
Wesener, G., Römisches Recht und Naturrecht, 1978; Bender, P., Die Rezeption
des römischen Rechtes, 1979; Stelzer, W., Gelehrtes Recht in Österreich, 1982;
Lamberg, P., Die Popularisierung des römischen Rechtes durch Oswald von
Wolkenstein, ZRG GA 100 (1983), 213; Römisches Recht in der europäischen
Tradition, 1985; Das römische Recht im Mittelalter, hg. v. Schrage, E., 1986;
Wesener, G., Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den
altösterreichischen Ländern in der Neuzeit, 1989; Zulueta, F., de/Stein, P.,
The Teaching of Roman Law, 1990; Kunkel, W., Römische Rechtsgeschichte, 12. A.
1990; Bretone, M., Geschichte des römischen Rechtes, 2. A. 1998; Liebs, D.,
Römisches Recht, 6. A. 2004; Hausmaninger, Casebook zum römischen
Vertragsrecht, 5. A. 1993, 7. A. 2012; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen
Sachenrecht, 8. A. 1995, 11. A. 2012; Flach, D., Die Gesetze der frühen
römischen Republik, 1994; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Hausmaninger, H./Selb, W.,
Römisches Privatrecht, 8. A. 1997; Stemmler, M., Eques Romanus, 1997; Honsell,
H., Römisches Recht, 5. A. 2001, 7. A. 2010; Mayer-Maly, T., Römisches Recht,
2. A. 1999; Bürge, A., Römisches Privatrecht, 1999; Ermann, J., Strafprozess,
öffentliches Interesse und private Strafverfolgung, Diss. jur. Saarbrücken
1998; Stein, P., Roman Law in European History, 1999; Manthe, U., Geschichte
des römischen Rechtes, 2. A. 2003; Kunkel, W./Schermaier, M., Römische
Rechtsgeschichte, 13. A. 2001, 14. A. 2005; Fögen, M., Römische
Rechtsgeschichten, 2002; Elster, M., Die Gesetze der mittleren römischen
Republik, 2003; Lokin, J. u. a., Roman-Frisian Law of the 17th and 18th
Century, 2003; Spruit, J., Cunabula iuris, 2003; Börsch, M., Damit Übeltaten
nicht ungestraft bleiben, 2003; Jacob, P., Reformbestrebungen Aurelians in
Politik und Rechtsentwicklung, 2004; Behrends, O., Institut und Prinzip, 2004
(Gesammelte Aufsätze); Stein, P., Le droit Romain et l’Europe, 2. A. hg. v.
Dunand, J. u. a. 2004; Meyer, E., Legitimacy and Law in the Roman World, 2004;
Kienast, D., Römische Kaisertabelle, 3. A. 2004; Kirov, J., Die soziale Logik
des Rechts, 2005; Usus antiquus iuris Romani, hg. v. Ernst, W. u. a., 2005;
Hecht, B., Störungen der Rechtslage in den Relationen des Symmachus, 2006;
Rainer, M., Römisches Staatsrecht – Republik und Kaiserzeit, 2006; Pichonnaz,
P. u. a., Lexique de droit romain, 2006; Religion and Law in Classical and
Christian Rome, hg. v. Ando, C. u. a. 2006; Tuori, K., Ancient Roman Lawyers
and Modern Legal Ideals, 2007; Liebs, D., Vor den Richtern Roms, 2007; Langer,
V., Declamatio Romanorum, 2007; Kaiser, W., Authentizität und Geltung
spätantiker Kaisergesetze, 2007; Harke, J., Römisches Recht, 2008; Pichonnaz,
P., Fondements romains du droit privé, 2008; Lhuillier-Martinetti, D.,
L’Individu dans la famille à Rome au 4ième siècle, 2008; Hermeneutik der
Quellentexte des römischen Rechts, hg. v. Avenarius, M., 2008; Rüfner, T.,
Gerichtsstand und Ladungszwang, 2009; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanitas
im Bereich des Vertragsrechts, 2009; Neue Rechtsurkunden aus Pompeji, hg. v.
Wolf, J., 2010, 2. A. 2011; Kaufmann, K. u. a., Bibliographischer Index zum
römischen Staatsrecht von Theodor Mommsen, 2010 (mehr als 330 Autoren);
Riggsby, A., Roman Law and the Legal World of the Romans, 2010; Die lex
Irnitana - ein römisches Stadtrecht aus Spanien, hg. v. Wolf, J., 2011 (91 n.
Chr.); Frakes, R., Compiling the Collatio Legum Mosaicarum et Romanorum, 2011;
Michalsen, D., Englische und norwegische Römerrechtsideologie des 19.
Jahrhunderts, ZRG GA 129 (2012), 316; Buckland, W., A Manual of Roman Private
Law, 2. A. 2012; Facetten des römischen Erbrechts, hg. v. Harke, J., 2012;
Fundamentals of Roman Private Law, 2012; Das Vermächtnis der Römer, hg. v.
Fagnole, I. u. a., 2012; Buchwitz, W., Servus alienus heres, 2013; Das
Vermächtnis der Römer, hg. v. Fargnoli, I. u.a., 2012; Wolf, J., Lex Irnitana,
2012 (Aufsätze); Apathy, P. u. a., Einführung in das römische Recht, 5. A.
2012, 6. A. 2016; Harke, J., Studien zu Vertrag und Eigentumserwerb im
römischen Recht, 2012; Lapyrionok, R., Der Kampf um die Lex Sempronia Agraria,
2012; Harke, J., Der Eid im klassischen römischen Privat- und
Zivilprozessrecht, 2013; Földi, A./Hamza, G., Histoire et enstitutes du droit
Romain, 18. A. 2013; Nesselrath, T., Kaiser Julian und die Repaganisierung des
Reiches, 2013; Kossarz, E. u. a., Casebook Römisches Recht, 2014; Babusiaux,
U., Wege zur Rechtsgeschichte – Römisches Erbrecht, 2015; Liebs, D., Das Recht
der Römer und die Christen, 2015 (Aufsätze); The Cambridge Companion to Roman
Law, h. v. Johnston, D., 2015; Harke, J., Römisches Recht, 2. A. 2016; The
Osford Handbook of Roman Law and Society, hg. v. Du Plessis, P. u. a., 2016
(nicht gelungen)
Römisches Recht in Deutschland ist das seit dem Mittelalter in
Deutschland in einem Rationalisierungsvorgang (Rezeption) aufgenommene
→römische Recht. Es wird damit ein Teil des →deutschen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 1ff.; Schaeffner, W., Das römische
Recht in Deutschland, 1859; Trusen, W., Anfänge des gelehrten Rechtes in
Deutschland, 1962; Coing, H., Römisches Recht in Deutschland, (in) Ius Romanum
medii aevi V, 6, 1964; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952,
2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Die Rolle des Juristen bei der
Entstehung des modernen Staates, hg. v. Schnur, R., 1986; Wesener, G.,
Einflüsse und Geltung des römisch-gemeinen Rechts in den altösterreichischen
Ländern, 1989; Stein, P., Römisches Recht und Europa, 1996
Römisches Reich ist das (seit 753 v. Chr.) um Rom entstehende
Reich. Es wird nach Vertreibung des (etruskischen?) Königs (509 v. Chr.) Republik
mit jährlicher Neubesetzung der wichtigsten Ämter (Magistrate wie Konsuln und
Prätoren), Senat und Volksversammlungen. Durch Siege über seine Nachbarn (z.
B. Samniten 327-290 v. Chr.) dehnt es sich allmählich in Italien und rund um
das Mittelmeer bis weit nach Westeuropa (Spanien, Gallien, Britannien),
Mitteleuropa (Rhein, Donau), Asien und Afrika aus. Nach langen Bürgerkriegen
und der Diktatur Gaius Julius Caesars stellt Augustus 27 v. Chr. äußerlich die
Republik wieder her, leitet aber unter Übergang von einer Milizarmee zu einer
Berufsarmee sachlich zum Prinzipat über, das sich in Rom auf die Stellung als
Volkstribun und in den Provinzen auf ein ehemaliges Konsulat stützt. Da die
Berufsarmee allmählich jährlich etwa eine halbe Milliarde Sesterzen kostet,
erweisen sich zur Finanzierung Eroberungszüge als erforderlich. Am Ende des 3.
Jahrhunderts wandelt sich das römische Reich zu einer in eine westliche und
eine östliche Hälfte (Konstantinopel) geteilten Monarchie (Dominat). Westrom
fällt 476 n. Chr. an Germanen, wobei das weströmische Reich nicht einfach
untergeht, sondern seine Erscheinungsformen eine wesentliche Grundlage für
Neuentstaehendes bilden, das stetig zurückgedrängte Ostrom (Byzanz) 1453 n.
Chr. an die Türken.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, 1871ff. Stellenregister (bzw.
Quellennachweise) von Malitz, J., 1979, bibliographischer Index v. Kaufmann,
K. u. a. 2009; Bleicken, J., Römische Geschichte, 10. A. 2007; Bleicken, J.,
Die Verfassung der römischen Republik, 8. A. 1999; Rainer, J., Römisches
Staatsrecht 2006; Grossmann, L., Roms Samnitenkriege, 2009; Rollinger, C.,
Solvendi sund Nummi - Die Schuldenkultur der späten römischen Republik, 2009;
Speidel, M., Heer und Herrschaft im römischen Reich der hohen Kaiserzeit,
2009;;Le Bohec, Y., Das römische Heer in der späten Kaiserzeit, 2010; Fündling,
J., Sulla, 2010; Anders, F., Flavius Ricimer, 2010; Arrizabalaga y Prado, L.
de, The Emperor Elagabalus, 2010; Gering, H., Domitian, 2012; Rosa, A. Dalla,
Cura et tutela, 2013; Löffl, J., Die römische Expansion, 2011; Conant, J.,
Stsaying Roman, 2012; Pollard, N. u. a., Die Legionen Roms, 2. A. 2013;
Barceló, P., Das römische Reich im Wandel der Spätantike, 2013; Eich, A., Die
römische Kaiserzeit – Die Legionen und das Imperium, 2014; Foreign clientelae
in the Roman Empire, hg. v. Jehne, M. u. a., 2015; Grenzen des Römischen
Reiches – Archäologie in Deutschland 5/2015, 2015; Popa, A., Untersuchungen zu
den römisch-barbarischen Kontakten östlich der römischen Provinz Dacia, 2015;
Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann, hg. v. d. Generaldirektion Kulturelles Erbe
Rheinland-Pfalz, 2016; Governare e riformare l’Impero al momento della sua
divisione, hg. v. Roberto, U. u.a., 2016
römisches Vulgarrecht →Vulgarrecht
Römisch-kanonisches Verfahren ist das in
Oberitalien im Hochmittelalter und Spätmittelalter auf der Grundlage des römischen
Verfahrensrechts entwickelte, in Deutschland seit dem Spätmittelalter aufgenommene
gelehrte Verfahren (→Prozess).
Lit.: Köbler, DRG 117; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess im Mittelalter, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck
1959; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Dick, B., Die
Entwicklung des Kameralprozesses, 1981
Romulus Augustulus (* um 459-?) ist der am 4. 9. 476
von →Odowakar abgesetzte letzte weströmische Kaiser.
Lit.: Söllner § 19; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Köbler, DRG 50, 67; Wes, M., Das Ende des Kaisertums, 1967; Henning, D.,
Periclitans res publica, 1999
Roncaglia bei Piacenza ist seit dem 11. Jh.
mehrfach der Ort deutscher Hoftage, auf denen auch Recht geschaffen wird (z. B.
1136, 1154, 1158). Zu den sog. ronkalischen Gesetzen zählen das Privileg der
Scholaren auf Freiheit und Sicherheit („Habita“, 1154?) und die von Juristen
verfasste Darlegung der Regalien („Regalia sunt“, 1158). Sie werden teilweise
in die →(lat.) Libri (M.Pl.) feudorum (Lehnbücher, Lehnrechtsbücher)
aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94, 101, 106;
Erler, A., Die ronkalischen Gesetze des Jahres 1158, ZRG GA 61 (1941), 127;
Colorni, V., Le tre leggi perdute di Roncaglia (1158) ritrovate in un
manoscritto parigino (Bibl. Nat. Cod. Lat. 4677), Scritti in memoria di Antonio
Giuffrè 1966,( deutsch übersetzt v. )Dolezalek, G., Die drei verschollenen
Gesetze von Roncaglia, 1969; Stelzer, W., Zum Scholarenprivileg Friedrich
Barbarossas, DA 34 (1978), 123; Engels, O., Die Staufer, 6. A. 1994, 8. A. 2005
Rosenheim
Lit.: Diepolder, G. u. a., Rosenheim, 1978
Ross, Alf (1899-1979) wird nach Rechtsstudien in
Dänemark, Österreich, Frankreich und England 1938 Professor in Kopenhagen.
Seine Arbeiten sind von Hans →Kelsen beeinflusst. Seine Rechtsmetaphysik
ablehnende Rechtsquellenlehre stellt vor allem auf die Rechtswirklichkeit ab.
Lit.: Tamm, D., Dansk retsvidenskabs historie, 1992,
243
Rostock an der Warnow wird nach einer
wendischen Siedlung um 1200 Sitz deutscher Kaufleute, der 1218 lübisches Recht
erhält. 1419 wird in R. die erste Universität Norddeutschlands errichtet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Meyer, P., Die Rostocker Stadtverfassung.
Diss. phil. Rostock 1929; Freynhagen, W., Die Wehrmachtverhältnisse der Stadt
Rostock im Mittelalter, 1930; Römer, H., Das Rostocker Patriziat, Diss. phil.
Rostock 1932; Leps, C., Das Zunftwesen der Stadt Rostock, Hansische Geschichtsblätter
58 (1933), 122, 59 (1934), 177; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Roloff,
H., Beiträge zur Geschichte der Universitätsbibliothek Rostock im 19.
Jahrhundert, 1955; Haalck, J., Die Rostocker
Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/1959); Das älteste
Rostocker Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Geschichte der Universität
Rostock, hg. v. Heidorn, G. u. a., Bd. 1f. 1969; Schnitzler, E., Die Gründung
der Universität Rostock, 1974; Schultz, H., Soziale und politische Auseinandersetzungen
in Rostock im 18. Jahrhundert, 1974; Lorenz, S., Aktenversendung und
Hexenprozess, 1983; 777 Jahre Rostock, hg. v. Pelc, O., 1995; Asche, M., Von
der reichen hansischen Bürgeruniversität zur armen mecklenburgischen
Landeshochschule, 2000, 2. A. 2008; Becker, S., Die Spruchtätigkeit der
juristischen Fakultät Rostock, 2003; Roloff, G., Die Spruchaktentätigkeit der
juristischen Fakultät der Universität Rostock und Bützow, 2003; Pluns, M., Die
Universität Rostock 1418-1563, 2007; Buddrus, M. u. a., Die Professoren der
Universität Rostock im Dritten Reich, 2007; Das Rostocker Stadtbuch
(1270-1288), hg. v. Schmidt, T., 2007
Rota (F.), Rad, ist der Name der nach Anfängen im 13. Jh.
in einem Saal mit radförmigem Fußbodenmosaik in Avignon im 14. Jh. beratschlagenden
Richter (lat. M.Pl.
auditores, Hörer), dessen Name auch nach der Rückkehr des Papstes nach Rom
bestehen bleibt. Die Rota geht im Kern letztlich darauf zurück, dass seit dem
ersten Jh. n. Chr. gesamtkirchliche Fragen an den Bischof von Rom herangetragen
werden. Die sich hieraus ergebende Rechtsprechung wird bis in das
Hochmittelalter von den Päpsten meist persönlich oder durch Stellvertreter
ausgeübt. Seit dem 11. Jh. kommt es immer häufiger zu Appellationen an den
Papst, woraufhin am Ende des 12. Jh.s eine Neugestaltung des Gerichtswesens des
Papstes mit fester Einrichtung von Auditoren erfolgt, aus der 1331 die Rota als
höchstes kirchliches Gericht erwächst. Für das Verfahren bei (einem Richter)
der R. entwickeln sich eigene Rechtssätze, die für viele andere Gerichte
vorbildlich werden. Am Ende des 15. Jh.s wird die Rota zu dem weltlichen
Berufungsgericht für den Kirchenstaat. In der Neuzeit entgleiten ihr viele
Zuständigkeiten an Kurienkongregationen. In der ersten Hälfte des 19. Jh.s werden
ihr fast alle Zuständigkeiten jenseits der weltlichen Gerichtsbarkeit im
Kirchenstaat entzogen. Diese verliert mit dem Ende des Kirchenstaats 1870 ihre
Bedeutung, so dass die Rota eigentlich nur noch de iure fortbesteht. Im Jahre
1908 richtet Papst Pius X. die Sacra Romana R. als Instanzgericht vor allem für
Eheprozesse neu ein. Diese Wiederbegründung wird von dem zweiten vatikanischen
Konzil bestätigt.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Dolezalek, G., Die handschriftliche Verbreitung von
Rechtsprechungssammlungen der Rota, ZRG KA 89 (1972), 1; Puza, R., Res
iudicata, 1973; Nörr, K., Ein Kapitel aus der Geschichte der Rechtsprechung,
Ius commune 5 (1975), 192; Nörr, K., Über die mittelalterliche Rota Romana. ZRG
KA 93 (2007), 220ff.; Killermann, S., Die Rota Romana, 2009, 2. A. 2012
Rotenburg
an der Fulda ist
eine Stadt in Hessen mit Quellen ab (1170) 1248.
Lit.: Rotenburg an der Fulda, bearb. v. Löwenstein,
U., 2010
Rotes Kreuz ist die von dem Schweizer Arzt
Henri Dunant als Folge seiner Eindrücke von der Schlacht bei Solferino (24. 6.
1859) aufgebaute unpolitische internationale humanitäre Hilfsorganisation mit
nationalen Gesellschaften vom Roten Kreuz und internationalen Dach- und
Hauptorganisationen (Liga der Rot-Kreuz-Gesellschaften, Internationales
Komitee vom Roten Kreuz als Völkerrechtssubjekt).
Lit.: Dunant, H., Un souvenir de Solférino, 1862;
Zorn, P., Die beiden Haager Friedenskonferenzen, 1915; Das Genfer
Rotkreuzabkommen vom 12. Aug. 1949, 5. A. 1965; Heudtlass, W./Gruber, W., J.
Henri Dunant, 4. A. 1985; Riesenberger, D., Für Humanität und Frieden, 1992;
Steinacher, G., Hakenkreuz und Rotes Kreuz, 2013; Schomann, Im Zeichen der
Menschlichkeit, 2013; Tewes, L., Rotkreuzschwestern _ Ihr Einsatz im mobilen
Sanitätsdienst der Wehrmacht 1939-1945, 2016
Roth, Paul (Nürnberg 11. 7. 1820-München 28. 3. 1892)
wird nach dem Rechtsstudium in München 1850 außerordentlicher Professor in
Marburg, 1853 ordentlicher Professor in Rostock, 1858 in Kiel und 1863 in
München. Seine rechtsgeschichtlichen Arbeiten sind von Georg →Waitz stark
beeinflusst. 1858 veröffentlicht er zusammen mit Victor von Meibom den ersten
Band eines noch partikularistisch motivierten kurhessischen Privatrechts,
1871ff. trotz allmählichen Standortwechsels in der Kodifikationsfrage drei
Bände Bayerisches Civilrecht und 1880ff. ein System des Deutschen Privatrechts.
Roths Bedeutung für die Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) ist
nicht sicher festzustellen.
Lit.: Gagnér, S., Zielsetzungen und Werkgestaltungen
in Paul Roths Wissenschaft, FS H. Krause, hg. v. Krause, H. u. a., 1975, 276
Rothe, Johannes (Creutzberg/Thüringen vor 1360-Eisenach
1434), aus begüterter Familie, wird Geistlicher, Ratsschreiber und Notar in
→Eisenach. Er verfasst zwischen 1380 und 1394 das in einer Handschrift
überlieferte Eisenacher Rechtsbuch und verschiedene poetische Werke (u. a.
→Ritterspiegel, Eisenacher Chronik um 1414, Thüringische Landeschronik
um 1418/1419, Thüringische Weltchronik um 1421).
Lit.: Eisenacher Rechtsbuch, hg. v. Rondi, P., 1950;
Wolf, H., Johannes Rothes Ratsgedichte, 1971; Fortuna vitrea 6, hg. v. Haug, W.
u. a., 1991, 69; Johannes Rothe, Thüringische Landeschronik und Eisenacher
Chronik, hg. v. Weigelt, S., 2007
Rothenburg
Lit.: Woltering, H., Die Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber, 1966,
1972; Rupp, H./Borchardt, K., Rothenburg ob der Tauber, 2015
Rott
Lit.: Haff, K., Zur Rechtsgeschichte der mittelalterlichen
Transportgenossenschaften, ZRG GA 31 (1910), 253; Haff,
K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428,
ZRG GA 31 (1910), 424
Rotteck, Karl Wenzeslaus Rodecker von
(Freiburg im Breisgau 18. 7. 1775-26. 11. 1840), Medizinprofessorensohn, wird
nach dem Rechtsstudium in Freiburg 1798 Professor für Weltgeschichte, 1818 für
Vernunftrecht und Staatswissenschaft. Neben wenig erfolgreichen Lehrbüchern
für Staatsrecht und Vernunftrecht verfasst er nach politisch begründetem
Verlust seiner Professur (1832-1840) zusammen mit Welcker ab 1834 das aufgeklärt-liberale
Staatslexikon (mit Stichwörtern wie „Constitution“, „Freiheit“, „Naturrecht“).
Lit.: Köbler, DRG 179; Zehntner, H., Das Staatslexikon
von Rotteck und Welcker, 1929; Ehmke, H., Karl von Rotteck, 1964
Rotterdam an der neuen Maas wird nach 1240
auf einem Schutzdamm der Rotte errichtet. 1299/1340 erhält es Stadtrecht. Seine
Universität wird 1912/1973 eingerichtet.
Rottweil am oberen Neckar, in dessen Gebiet
eine Römerstadt liegt, wird 771 als Königshof genannt und entwickelt sich im
14. Jh. zur Reichsstadt mit ansehnlichem Gebiet. Seit dem 13. Jh. ist ein bis
1784 bestehendes kaiserliches Hofgericht in R. bezeugt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das ältere Recht
der Stadt Rottweil, hg. v. Greiner, 1900; Mack, E., Das Rottweiler Steuerbuch
von 1441, 1917; Glitsch, H./Müller, K., Die alte Ordnung des Hofgerichts zu
Rottweil (um 1435), ZEG GA 41 (1920), 281; Steinhäuser, A., Das Rottweiler
Hofgericht im Bilde, 1940; Leist, J., Reichsstadt Rottweil, 1962; Laufs, A.,
Die Verfassung und Verwaltung der Stadt Rottweil 1650-1806, 1963; Elben, R.,
Das Patriziat der Reichsstadt Rottweil, 1964; Maurer, H., Rottweil und die
Herzöge von Schwaben, ZRG GA 85 (1968), 58; Grube, G., Die Verfassung des
Rottweiler Hofgerichts, 1969; Spreter von Kreudenstein, T., Johann Spreter von
Kreudenstein, 1989; Weber, E., Städtische Herrschaft und bäuerliche Untertanen,
1992; Mentgen, G., Das kaiserliche Hofgericht Rottweil, ZRG GA 112 (1995), 396;
Gaus, W., Das Rottweiler Konvikt und seine Zöglinge 1824-1924, 2014; Schillinger,
U., Die Neuordnung des Prozesses am Hofgericht Rottweil 1572, 2016
rotulus (lat. M.)
Rädchen, Rolle →Andernach
Rotwelsch (N.) „unverständlicher“ Wortschatz
der Bettler, Gauner und Diebe seit dem 14. Jh. (z. B. Moos statt Geld)
Lit.: Kluge, F., Rotwelsch, 1901; Wolf, S., Wörterbuch
des Rotwelschen, 1956; Wexler, P., Three Heirs to a Judeo-Latin Legacy, 1988;
Girtler, R., Rotwelsch, 1998, 2. A. 2010, 3. A. 2019; Schüßler, M., Die
Entwicklung der Gauner- und Verbrechersprache Rotwelsch in Deutschland von der
Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 387;
Weiland, T., Das Hundeshagener Kochum, 2003
Rousseau, Jean-Jacques (Genf 28. 6.
1712-Ermenonville/Oise 2. 7. 1778), Uhrmacherssohn, wird nach schwieriger
Jugend Lakai und Schriftsteller. In seinem Du contrat social (1762, Vom Gesellschaftsvertrag)
entwickelt er die aufklärende Lehre vom →Gesellschaftsvertrag, nach der
alles menschliche Gemeinleben auf einem Vertrag aller beteiligten Einzelnen
beruht. Die Staatsgewalt steht deshalb dem Volk zu, das den mit seiner Führung
Beauftragten (z. B. König) bei Erfolglosigkeit seines Amtes entheben kann
(→französische Revolution).
Lit.: Köbler, DRG 136, 148, 191; Vossler, O.,
Rousseaus Freiheitslehre, 1963; Spaemann, R., Rousseau, 1980; Stackelberg, J.
v., Jean-Jacques Rousseau, 1999; Sturma, D., Jean-Jacques Rousseau, 2001;
Kersting, W., Jean-Jacques Rousseaus „Gesellschaftsvertrag“, 2002; Hentig, H.,
v., Rousseau, 2004; Kuster, F., Rousseau, 2005; Kapossy, B., Iselin contra
Rousseau, 2006; Taureck, B.
u. a., Rousseau-Brevier, 2011; Böhm, W. u. a., Jean-Jacques Rousseau der
Pädagoge, 2012; Roselli, A. u. a., Jean-Jacques Rousseau, 2019
Rubrum (N.) (Rotes) ist der früher mit roter
Tinte geschriebene Kopf eines Urteils, wie er sich im gelehrten Prozessrecht
entwickelt.
Rückfall ist das erneute Begehen einer
vorsätzlichen Straftat nach zwischenzeitlicher Verurteilung. Der R. wird nach
älteren, einfacheren Ansätzen im französischen →Code pénal von 1810 als
allgemeiner Strafschärfungsgrund behandelt. In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s werden die Voraussetzungen für die Bejahung eines Rückfalles in
Deutschland eingeengt. 1986 wird die Rückfallvorschrift ganz aufgehoben. Im
deutschen Privatrecht ist der R. das in verschiedenen Rechtsquellen vorgesehene
Zurückfallen von Gütern bei Fehlen von Abkömmlingen an die sie ursprünglich
erbringende Seite.
Lit.: Hübner; Friedländer, G., Der Rückfall, 1872;
Effertz, J., Die strafrechtliche Behandlung des Rückfalls, 1927; Wesener, G.,
Geschichte des Erbrechts in Österreich, 1957, 39; Frosch, H., Die allgemeine
Rückfallvorschrift, 1976; Durand, B., Arbitraire du juge et consuetudo
delinquendi, 1993
Rückgriff →Regreß
Lit.: Kaser §§ 52 II 2, 56 II 4, 57 II 4a
Rückkauf ist der Kauf des verkauften Gutes
durch den Verkäufer. Er findet sich auch im Umkreis des Näherrechtes.
Lit.: Kaser §§ 10 I 2a, 41 VII; Kroeschell, DRG 1
Rückstellung ist die Rückführung der zwischen 1933 und 1945
entzogenen Güter auf die ursprünglich Berechtigten.
Rücktritt (1794, Rücktrittsrecht 1832) ist
die vom Handelnden ausgehende nachträgliche Zurücknahme einer Handlung durch
ein entgegengesetztes Verhalten. Der R. von einem →Rechtsgeschäft ist im
Privatrecht auf vielleicht kirchenrechtlicher Grundlage auf Grund einer
Vereinbarung oder auf Grund einer Rechtsvorschrift (z. B. Wandlungsrecht im
Kaufrecht) möglich. Im Strafrecht kann der Täter vom →Versuch
zurücktreten, wobei beides im Strafgesetzbuch Preußens von 1851 noch in einer
Vorschrift verbunden ist, 1871 für das Deutsche Reich aber in zwei Vorschriften
aufgespaltet wird.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 270; Mitteis, H.,
Rechtsfolgen des Leistungsverzuges, 1913; Scherner, K., Rücktritt wegen
Nichterfüllung, 1965; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 443, 450;
Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom Versuch, 1995;
Hellwege, P., Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, 2004; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rückversicherung ist die Versicherung des Versicherers gegen zu
hohe Versicherungsleistungen.
Lit.: Mossner, B., Die Entwicklung der Rückversicherung bis zur
Gründung selbständiger Rückversicherungsgesellschaften, 1959
Rückwirkung (1795) ist die Auswirkung eines Ereignisses auf die
vorangehende Zeit. Sie ist im Recht teilweise möglich. Im Strafrecht ist sie
(schon durch Konstitutionen aus der Zeit der Kaiser Theodosius I., II. und
Valentinian III. und aus allgemeinen Überlegungen der Aufklärung) zu Lasten
eines Handelnden aus rechtsstaatlichen Gründen ausgeschlossen.
Lit.: Kaser § 10 I 1f.; Köbler, DRG 236, 267;
Schöckel, G., Die Entwicklung des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots, 1968;
Schiemann, G., Pendenz und Rückwirkung der Bedingung, 1973; Werber, W.,
Analogie- und Rückwirkungsverbot, Diss. jur. Bonn 1998; Stüsser, J.,
Rückwirkende Rechtsprechungsänderungen, Diss. jur. Bonn 1998; Daemgen, M.,
Rück- oder Fortwirkung im Privatrecht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rudolf IV. (Wien 1. 11. 1339–Mailand 27. 7.
1365), (der) Stifter (der Domkirche zu Sankt Stephan in Wien) und Gründer der
Universität Wien (1365), 1358 habsburgischer Herzog Österreichs, der Steiermark
und Kärntens, lässt 1358/1359 zum Ausgleich der Privilegierung der Kurfürsten
in der Goldenen Bulle (1356) von einem unbekannten Fälscher das später (lat.)
sog. →privilegium (N.) maius (größeres Privileg) herstellen, verstirbt
aber zu früh, um seine großen Pläne verwirklichen zu können.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Winter, E., Rudolf
IV. von Österreich, 1934; Baum, W., Rudolf IV. der Stifter, 1996
Rudolf von Habsburg (Limburg im Breisgau 1. 5.
1218-Speyer 15. 7. 1291) ist der erste habsburgische deutsche König (22. 7.
1273). Er versucht den im →Interregnum eingetretenen Verlust des
→Reichsguts rückgängig zu machen und Friedensgebote durchzusetzen. 1282
belehnt er seine Söhne mit →Österreich, wodurch Österreich letztlich von
den übrigen deutschen Ländern verselbständigt wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 95; Redlich, O.,
Rudolf von Habsburg, 1903; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von Habsburg († 1291)
König werden?, ZRG GA 109 (1992), 48; Rudolf von Habsburg, hg. v. Boshof, E. u.
a., 1993; Kunze, U., Rudolf von Habsburg, 2001; Krieger, K., Rudolf von
Habsburg, 2003
Ruf
Lit.: Fama, hg. v. Fenster, T. u. a., 2003
Rufinus (- vor 1192) wird nach dem
Rechtsstudium in Bologna Kirchenrechtslehrer, dann Bischof von Assisi und
zwischen 1180 und 1186 Erzbischof von Sorrent. Um 1164 verfasst er die (lat.)
Summa (F.) decretorum (Summe der Dekrete). Sie bildet die Grundlage der
späteren Dekretistik.
Lit.: Singer, H., Rufinus‘ von Bologna „Summa
decretorum“, 1902; Weigand, R., Frühe Kanonisten, ZRG KA 76 (1990), 138;
Rufinus von Sorrent, De bono pacis, hg. v. Deutinger, R., 1997
Rüge (Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen) ist
die Behauptung einer Rechtsverletzung. Vermutlich gibt es bereits im
Frühmittelalter die Pflicht, bestimmte Geschehnisse (öffentlich) in bestimmter
Form vorzubringen. In späterer Zeit finden sich verschiedene davon vielleicht
beeinflusste Einrichtungen (z. B. →Sendgericht, →Feme). Ungewiss
ist der Zusammenhang der R. mit dem sie seit dem Hochmittelalter allmählich
verdrängenden →Inquisitionsprozess.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Haff, K., Beweisjury und
Rügeverfahren im fränkischen und altdänischen Recht, ZRG GA 38 (1917), 130;
Vogt, A., Die Anfänge des Inquisitionsprozesses, ZRG GA 68 (1951), 234;
Landwehr, G., Rügegericht und Gogericht, ZRG GA 83 (1966), 127; Spieß, P., Rüge
und Einung, 1988; Niedrig, H., Die Mängelrüge, 1994; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Rügen
Lit.: Scheil, U., Zur Genealogie der einheimischen Fürsten von Rügen,
1962; Büttner, B., Die Pfarreien der Insel Rügen, 2006; Rügen im Mittelalter,
hg. v. Reimann, H. u. a., 2011
Rügisches Landrecht ist das auf der Osteeinsel Rügen
geltende, von dem studierten Gerichtsschreiber Matthäus Neumann (um
1490-Stralsund 25. 4. 1556) in mittelniederdeutscher Sprache aufgezeichnete
Gewohnheitsrecht. Es ist in mehreren Fassungen in rund 20 Handschriften überliefert.
Ausführlich behandelt es das Recht der freien Bauern und des Adels. Es enthält
nur wenige römisch-rechtliche Merkmale.
Lit.: Frommhold, G., Zur Überlieferung des rügischen
Landrechts, ZRG GA 16 (1895), 1; Das rügische Landrecht, hg. v. Frommhold, G.,
1896; Steudtner, K., Matthäus Neumann und sein Werk, Greifswald-Stralsunder Jb.
11 (1977), 42; Herrmann, Slawen, 2. A. 1985
Ruhrgebiet ist das an der Ruhr gelegene, nach
1918 von Frankreich begehrte deutsche Industriegebiet, zu dessen Kontrolle
1951 die →Montanunion geschaffen wird.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 246; Das
Ruhrgebiet in Rheinland und Westfalen, hg. v. Ditt, K. u. a., 2008
Rumänien oberhalb der unteren Donau ist
zunächst von Dakern besiedelt, deren Gebiet im Altertum romanisiert wird. Nach
dem Durchzug von Germanen, Hunnen, Slawen und Awaren erscheint im 13. Jh. das
Volk der Rumänen. Die Fürstentümer →Moldau und Walachei sind den
→Osmanen (Türken) bis in das 18. Jh. tributpflichtig. Am 24. 1. 1862 ruft
der moldawische Oberst Cuza die Vereinigung der Fürstentümer Moldau und
Walachei als R. aus. Nach seiner Abdankung 1866 tritt Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen
die Nachfolge an. Russland annektiert den östlichen Teil Moldaus zwischen Pruth
und Dnjestr (Bessarabien). Auf dem Berliner Kongress wird 1878 die Souveränität
Rumäniens bestätigt. 1919/1920 erhält R. die Bukowina, die Dobrudscha, Siebenbürgen
und Banat bzw. Bessarabien. 1940 verliert es Bessarabien und Teile der Bukowina
an die Sowjetunion. Am 30. 12. 1947 dankt der König ab. 1948 wird R.
Volksrepublik. Der Diktator Ceaucescu wird 1991 im Zuge der Lösung aus der
Bevormundung durch die →Sowjetunion getötet (gelyncht). Moldau trennt
sich 1990/1991 von der Sowjetunion ab.
Lit.: Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der
Rumänen im Siebenbürger Sachsenlande, 1912; Huber, M., Grundzüge der Geschichte
Rumäniens, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3, 5, 91;
Georgescu, V. u. a. Judecata domneascâ yn Tara Românesascâ, 1982; Verseck, K.,
Rumänien, 1988; Hitchins, K., Rumania, 1994; Völkl, E., Rumänien, 1995; Die Rumänen
und Europa, hg. v. Heppner, H., 1997; Oschlies, W., Ceausescus Schatten
schwindet, 1998; Mileck, J., Zum Exodus der Rumäniendeutschen, 1999; Mitu, S.,
Die ethnische Identität der Siebenbürger Rumänen, 2003; Böhm, J., Die
Gleichschaltung der deutschen Volksgruppe, 2003; Binder-Iijima, E., Die
Institutionalisierung der rumänischen Monarchie, 2003; Balta, S., Rumänien und
die Großmächte in der Ära Antonescu (1940-1944), 2005; Akten um die deutsche
Volksgruppe in Rumänien 1937-1945, hg. v. Popa, K., 2005; Böhm, J., Hitlers
Vasallen der deutschen Volksgruppe in Rumänien, 2006; Rumänien, hg. v. Kahl, T.
u. a., 2006; Verseck, K., Rumänien, 3. A. 2007;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007; Scharr, K. u. a., Rumänien, 2008; Die Hohenzollern in Rumänien, hg. v.
Binder-Iijima, E. u. a., 2010; Carls, W./Gönczi, K., Sächsisch-magdeburgisches
Recht in Ungarn und Rumänien, 2013; Geissbühler, S., Blutiger Juli, 2013;
Glass, H., Deutschland und die Verfolgung der Juden im rumänischen Machtbereich
1940-1944, 2014; Die Deutschen in Rumänien, hg. v. Weber, A., 2015; Konflikt
und Koexistenz, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2015; Schippel, Larisa/Barbu,
Daniel, Rumäniens „Rückkehr“ nach Europa, 2017^pAr
Rumelien ist das europäische Gebiet der
Herrschaft der →Osmanen (Türken) seit 1352/1354, das um 1850 Thrakien und
→Makedonien umfasst.
Lit.: Inalcik, H., The Ottoman Empire, 1973, 104
Rumpfparlament ist das infolge politischer Maßnahmen nicht
mehr vollständige Parlament (z. B. Österreich 1933).
Runde, Justus Friedrich (Wernigerode 27. 5. 1741-Göttingen
28. 2. 1807) wird nach dem Studium der Theologie in Halle und des Rechtes in
Göttingen 1771 Professor in Kassel, 1785 in Göttingen. 1791 verfasst er
Grundsätze des allgemeinen deutschen Privatrechts in deutscher Sprache. Als
Rechtsquelle verwendet er im Zweifel allgemeine, aus der Natur der Sache selbst
entnommene Rechtsgrundsätze.
Lit.: Köbler, DRG 205; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RundeJustusFriedrichGrundsaetzedesallgemeinendeutschenPrivatrechts1791.pdf;
Marx, H., Die juristische Methode der Rechtsfindung aus der Natur der Sache,
Diss. jur. Göttingen 1967; Neusüß, W., Gesunde Vernunft und Natur der Sache,
1970, 93; Kroeschell, K., Zielsetzung und Arbeitsweise der Wissenschaft vom
gemeinen deutschen Privatrecht, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v.
Coing, H. u. a., Bd. 1 1974, 249
Rundfunk ist die drahtlose Übertragung von
Nachrichten durch ursprünglich aus elektrischen Funken entwickelte
elektromagnetische Wellen. Diese werden 1856 von J. C. Maxwell erkannt und seit
1895 von G. Marconi in Großbritannien zur Nachrichtenübermittlung genutzt. Am
22. 12. 1920 überträgt die Hauptfunkstelle Königswusterhausen ein Konzert.
Seit 1923 gibt es Radio.
Lit.: Dussel, K., Deutsche Rundfunkgeschichte,
1999, 2. A. 2004, 3. A. 2010; Cebulla, F., Rundfunk und ländliche Gesellschaft
1924-1945, 2004; Ausschüsse für Luftrecht, Luftschutzrecht, Kraftfahrzeugrecht
und Rundfunkrecht, hg. v. Schubert, W., 2009; Rundfunkverbrechen vor dem
Sondergericht Halle, bearb. v. Viebig, M. u. a., 2010
Rune ist das von Germanen wohl im 1. Jh. n. Chr. nach
norditalienischem Vorbild entwickelte, im Hochmittelalter den lateinischen
Buchstaben unterliegende Schriftzeichen (anfangs 24 Zeichen, seit dem
Frühmittelalter 16 Zeichen) (rund 350 ältere und rund 2300 Inschriften des 10.
und 11. Jh.s bekannt, insgesamt rund 6500, meist aus Südskandinavien).
Lit.: Köbler, DRG 66; Grimm, W., Über deutsche Runen,
1821ff., hg. v. Düwel, K., 2009; Düwel, K., Runenkunde, 2. A. 1983, 4. A. 2008;
Runische Schriftkultur, hg. v. Düwel, K., 1994; Sawyer, B., The Viking-age
Rune-stones, 2000; Gronvik, O., Über die Bildung des älteren und des jüngeren
Runenalphabets, 2001; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Runeninschriften.htm;
Nievergelt, A., Althochdeutsch in Runenschrift, 2009 (in den Sankt Gallener
Handschriften qq, q85, 188, 225); García Losquiño, I., The Early Runic
Inscriptions, 2015
Ruoda
Lit.: Goldmann, E., Ruoda, 1923
Ruprecht von Freising (um 1270-nach 1328)
ist der als Fürsprecher in und um Freising erkennbare, ungelehrte, den
→Schwabenspiegel verwendende Verfasser des →Freisinger
Rechtsbuchs von 1328.
Lit.: Köbler, DRG 103; Knapp, H., Das Rechtsbuch
Ruprechts von Freising (1328), 1916; Freisinger Rechtsbuch, hg. v. Claußen, H.,
1941, XV
Rus →Russland
Russland geht auf die alte, ihrer Herkunft
nach umstrittene Bezeichnung Rus für (germanistische) Stämme zurück, die
vermutlich unter dem skandinavisch-warägischen Heerführer Rurik in slawischem
Gebiet im 9. Jh. ein Reich um Kiew gründen. Dieses zunehmend slawisierte,
unter Wladimir dem Heiligen (977-1015) christianisierte Reich zerfällt um 1125.
1236 dringen von Osten Mongolen vor, die unter Führung des Fürsten von
→Moskau bis 1480 wieder zurückgedrängt werden. Das einheimische, von
oströmisch-byzantinischem Recht beeinflusste Gewohnheitsrecht (Strafrecht,
Erbrecht, Handelsrecht, Verfahrensrecht) wird als Russkaja Prawda (russische
Wahrheit) bereits in der ersten Hälfte des 11. Jh.s aufgezeichnet (erhalten in
Abschriften seit dem späten 13. Jh.). Dazu kommt das kirchlich-byzantinische
Recht (slaw. →Kormcaja). In der frühen Neuzeit wird R. ein
autokratischer, nach Osten (Sibirien 1582) und Süden (Ukraine 1654)
ausgreifender Einheitsstaat (nach dem Fall des Kaisertums Ostrom [1453] 1547
Zar), der sich im 18. Jh. dem Westen und der Aufklärung nähert (Katharina die
Große). Sankt Petersburg wird Hauptstadt. Deutsche Siedler (Russlanddeutsche)
werden geholt. Das weltliche Recht wird 1645 auf der Grundlage der Russkaja
Prawda und späterer Rechtsbücher im Codex Aleksy Michailovic in 25 Kapiteln und
963 Artikeln zusammengefasst (Privatrecht, Zivilprozessrecht, Strafrecht,
Handelsrecht, Verwaltungsrecht, Kirchenrecht). Kodifikationsversuche scheitern.
1755 erhält Moskau eine Universität. Im 19. Jh. ist R. europäische Großmacht,
die als Führerin des Panslawismus handelt. Bemühungen, das Recht nach dem
Vorbild des →Code civil Frankreichs zu kodifizieren, scheitern nach dem
erfolglosen Angriff Napoleons auf R. 1813. Eine neue, anfangs chronologisch,
später aber unter Aussonderung überholter Sätze lose systematisch geordnete,
rechtswissenschaftlich rückständige, im Wesentlichen nur das bestehende
ständische Recht zusammenfassende Sammlung der Gesetze (Svod Zakonov
Rossijskoj Imperii) in 8 Teilen, 15 Bänden und 60000 Artikeln entsteht 1833.
Sie dient hauptsächlich dem Behördengebrauch. Sie wird durch die Rechtsprechung
ergänzt und überholt. 1845 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. Die
Leibeigenschaft wird 1861 durch Bauernbefreiung beseitigt. Die Gewaltentrennung
wird 1864 eingeführt. Gleichzeitig erfolgt eine westlich orientierte
Justizreform. Das neue Recht wird aber tatsächlich fast nur in den Städten
angewendet. Zu dieser Zeit beginnt auch eine vorsichtige Beschäftigung mit dem
römischen Recht an den Universitäten. Entwürfe einer seit 1882 an einem
Zivilgesetzbuch arbeitenden Kommission werden (1899, 1903) nicht in Kraft
gesetzt. Im März 1917 wird in einer Revolution (Meuterei und Demonstration der
Arbeiter am 27. 2. 1917, Februarrevolution, nach gregorianischem Kalender am
12. 3. 1917) der Zar gestürzt (Abdankung am 2. 3. 1917 bzw. nach gregorianischem
Kalender am 15. 3. 1917, Republik) und eine bürgerliche Regierung eingesetzt.
Am 25. Oktober 1917 (= 7. 11. 1917) gewinnen die Sozialisten (Bolschewisten)
unter Uljanow (Lenin 1870-1924) durch gewaltsame Absetzung der Regierung die
Oberhand (Oktoberrevolution mit 6 Toten unter den Angreifern). Russland wird in
die Räterepublik der →Sowjetunion verwandelt. 1918 werden revolutionäre
Gesetzbücher für Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht und Arbeitsrecht
geschaffen, 1922 für R. ein Zivilgesetzbuch erlassen. Bis 1935 wird unter
Stalin (Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili aus Georgien, 1878-1953, 1922
Generalsekretär der Kommunistischen Partei) in der Sowjetunion eine
sozialistische (marxistische) Rechtsordnung begründet. 1960 wird ein neues
Strafgesetzbuch eingeführt. 1964 werden Zivilgesetzbuch (458 Artikel) und
Zivilprozessordnung erneuert. Auf der Grundlage von Grundlagengesetzen der
Sowjetunion (1968/70) erlässt R. ein Familiengesetzbuch vom 30. 7. 1969 und ein
Arbeitsgesetzbuch vom 9. 12. 1971. Nach einer von Michael Gorbatschow
eingeleiteten Reformbewegung wird 1991 die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken
(Sowjetunion) in die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) überführt,
deren wichtigstes Mitglied das erneuerte R. unter Boris Jelzin ist. Zum 1. 1.
1995 tritt hier der erste Teil eines neuen Zivilgesetzbuchs in Kraft. 1996 wird
in R. zum 1. 1. 1997 das Strafgesetzbuch erneuert.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Handbuch des gesamten
russischen Zivilrechts, hg. v. Klibansky, Bd. 1ff. 1911; Langhans-Ratzeburg,
M., Die Wolgadeutschen, 1929; Stupperich, R., Die Anfänge der Bauernbefreiung
in Russland, 1939; Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951; Grothusen,
K., Die historische Rechtsschule Russlands, 1961; David, R.(/Grasmann, G.),
Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, 1966,, 2. A. 1988;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,996, 3,2,228; Wortmann, R., The
Development of a Russian legal Consciousness, 1976; Peterson, C., Peter the
Great’s Administrative and Judicial Reforms, 1979; Kaiser, H., The Growth of
the Law in Medieval Russia, 1980; Handbuch der Geschichte Russlands, hg. v.
Hellmann, M., Bd. 1 1981; Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A.
1983; Ruffmann, K., Sowjetrussland, 10. A. 1984; Kwiatkowska, I., De legibus
poenas sancientibus anno 1649 a Russis conscriptis, 1984; Steenberg, S., Die
Russlanddeutschen, 1989; Stökl, G., Russische Geschichte, 5. A. 1990; Silnizki,
M., Geschichte des gelehrten Rechts in Russland, 1997; Baberowski, J., Das
Justizwesen im späten Zarenreich 1864-1914, ZNR 1991, 56; Goehrke, C., Frühzeit
des Ostslaventums, 1992; Kappeler, A., Russland, 2. A. 1993; Götz, R./Halbach,
U., Politisches Lexikon Russland, 1994; Zernack, K., Polen und Russland, 1994;
The Cambridge Enciclopedia of Russia, hg. v. Brown, A. u. a., 1994; Martin, J.,
Medieval Russia, 1995; 7. Internationale Konferenz zur Geschichte des Kiever
und des Moskauer Reiches, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im
späten Zarenreich, 1996; Baberowski, J., Autokratie und Justiz, 1996; Mildner,
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Landschaftsrecht und frühes Recht der Rus’, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.
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der Sowjetunion, 2000; Köbler, G., Rechtsrussisch, 2001, 2. A. 2011; Kappeler,
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Geschichte 1547-1917, 2003, 2. A. 2009; Schreyer, H., Das zentrale staatliche
Archivwesen, 2003; Haumann, H., Geschichte Russlands, 2003; Goehrke, C.,
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Rechts in Russland, 2004; Kolbinger, F., Im Schleppseil Europas?, 2004; Gestwa,
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Russland, 2006; Rustemeyer, A., Dissens und Ehre, 2006; Litzinger, H., Juristen
und die Bauernfrage, 2007; Stadelmann, M., Die Romanovs, 2007; Russland 1905,
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2007; Zielinski, M., Der Transfer juristischen Gedankenguts innerhalb Europas,
2007; Juristenausbildung in Osteuropa
bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Baranowski, G., Der
Entwurf einer Verfassungsurkunde für Russland von 1804, FS Wilhelm Brauneder
2008, 11; Baranowski, G., Die Gerichtsurkunde von Pskov, 2008; Utz, R.,
Russlands unbrauchbare Vergagenheit, 2008; Schmidt, C., Russische Geschichte
1547-1917, 2009; Goerke, C., Russland, 2009; Frings, A., Religion und Politik
im späten russländischen Reich, HZ 289 (2009), 669; Altrichter, H., Russland
1989, 2009; Stolberg, E., Sibirien, 2009; Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg.
v. Pokrovac, Z., 2010; Weiss, C., Das Reich der Zaren, 2011; Dost, A., Das
russische Verfassungsrecht auf dem Weg zum Föderalismus und zurück, 2012;
Russland an der Ostsee, hg. v. Brüggemann, K. u. a., 2012; Baranowski, G.,
Russische Rechtsgeschichte - Texte und Erläuterungen, Teil 1 2013 (Von den
Anfängen bis 1612/1613, Teil 2 2014 (1613 bis 1682); Hildermeier, M.,
Geschichte Russlands, 2013; Gorbatschow, M., Alles zu seiner Zeit, 2013;
Neutatz, D., Träume und Alpträume, 2013; Avenarius, M., Fremde Traditionen des
römischen Rechts, 2014; Schenk, F., Russlands Fahrt in die Moderne, 2014;
Dalos, G., Geschichte der Russlanddeutschen, 2014; Zimmerman, W., Russland
regiern, 2015; Gorbatschow, M., Das neue Russland – Der Umbruch und das System
Putin, 2014; Schenk, F., Russlands Fahrt in die Moderne, 2014; Quellen zur
Geschichte Russlands, hg. v. Nolte, H. u. a., 2014; Beuerle, B., Russlands
Westen, 2016; Winkler, M., Das Imperium uund die Seeotter – Die Expansion
Russlands in den nordpazifischen Raum, 1700-1867, 2016; Steinberg, M., The
Russian Revolution 1905-1921, 2016; Kappeler, A., Ungleiche Brüder – Russen und
Ukrainer, 2017; Smith, S., Revolution in Russland, 2017; Kivelson, V.u. a.,
Russia’s Empires, 2017; Gessen, M., Die Zukunft ist Geschichte – Wie Russland
die Freiheit gewann und verlor, 2018
Russkaja Prawda (F.) russische Wahrheit
→Russland
Rutscherzins ist im Mittelalter der bei nicht
rechtzeitiger Leistung erhöhte (rutschende) Grundzins in der
→Grundherrschaft.
Lit.: Hübner; Löning, R., Der Vertragsbruch, 1876,
80f.; Fehr, H., Die Grundherrschaft im Sachsenspiegel, ZRG GA 30 (1909), 272
S
SA (Sturmabteilung im Nationalsozialismus) (1924 20000
Mitglieder, 1930 80000)
Lit.: Schmiechen-Ackermann, D., Nationalsozialismus
und Arbeitermilieu, 1998; Longerich, P., Geschichte der SA, 2003; Schafranek,
H., Söldner für den Anschluss, 2011; Bürgerkriegsarmee, hg. v. Müller, Y. u.
a., 2013; Fraschka, M., Franz Pfeffer von Salomon – Hitlers vergessener
oberster SA-Führer, 2016
Saar ist das Gebiet um die Saar mit dem Hauptort
→Saarbrücken, das 1918 und 1945 von Frankreich begehrt wird, aber am 13.
1. 1935 (Volksabstimmung vom 13. 1. 1935 mit einer Mehrheit von mehr als 90
Prozent für eine Heimkehr) und am 1. 1. 1957 (23. 20. 1955 Ablehnung des
internationalisierenden Saarstatuts mit 67,7 Prozent) zu Deutschland
zurückkehrt (Saarland).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Fischer, P., Die
Saar zwischen Deutschland und Frankreich, 1959; Jacoby, F., Die
nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar, 1973; Klitscher, E.,
Zwischen Kaiser und französischer Krone, 1986; Die Saar 1945-1955, hg. v.
Hudemann, R., 1992; Heinen, A., Saarjahre, 1996; Elzer, H., Die deutsche
Wiedervereinigung an der Saar, 2007; Becker, F., Deutsch die Saar, immerdar,
2007; Fabry, P., Bartholomäus Koßmann - Treuhänder der Saar 1924-1935, 2011
Saarbrücken an der Saar erscheint nach älteren
unterbrochenen Siedlungsspuren 999 als vielleicht schon um 850 bestehende Burg.
1321 erhält der Ort Stadtrecht. 1948 wird unter Frankreich (1945-1957) eine
Universität gegründet.
Lit.: Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft
Saarbrücken, 1960; Herrmann, H., Städte im Einzugsbereich der Saar, 1992;
Geschichte der Stadt Saarbrücken, hg. v. Wittenbrock, R., Bd. 1f. 1999
Saarland ist das am 1. 1. 1957 aus dem von
Frankreich zurückgegebenen Saargebiet gebildete Bundesland der Bundesrepublik
Deutschland. Es gehört vor 1918 hauptsächlich zu Preußen und vordem zu Nassau
(1381).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ham, H. v., Die
Gerichtsbarkeit an der Saar im Zeitalter des Absolutismus, 1938; Grenz-Fall -
das Saarland, hg. v. Hudemann, R., 1997; Hahn, M., Das Saarland im doppelten
Strukturwandel 1956-1970, 2003; Küppers, H., Johannes Hoffmann (1890-1967),
2008; Burgard, P., Kleine Geschichte des Saarlands, 2010
Sabinianer ist der Angehörige der nach
→Sabinus benannten, eher traditionsverhafteten und pragmatischen Schule
der römischen Jurisprudenz (z. B. Cassius, Iulianus, Iavolenus) im Gegensatz
zum Prokulianer.
Sabinus, Masurius (1. Jh. n. Chr.), von
einfacher Herkunft, wird 22 n. Chr. Haupt der Rechtsschule der
→Sabinianer oder Cassianer und mit 50 Jahren Ritter. Sein Hauptwerk sind
(lat.) Libri (M.Pl.) tres iuris civilis (Drei Bücher römisches Recht) in der
aus Nachfolgewerken erschlossenen Reihenfolge Erbe, Personen, Verkehrsgeschäfte,
unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung.
Lit.: Kaser §§ 2 II 2, 2 III 1; Söllner §§ 16, 21, 24;
Köbler, DRG 30; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen
Juristen, 2. A. 1967; Behrends, O., Institutionelles und prinzipielles
Rechtsdenken, ZRG RA 95 (1978), 187
sacebaro →sakebaro
sacer (lat.) geweiht, verflucht
Lit.: Köbler, DRG 27
sacerdotium (lat. N.)
Priestertum, Kirche (in Gegensatz zu [lat. N.) imperium [Kaisertum] oder regnum
[Königtum])
Lit.: Von sacerdotium und regnum, hg. v. Erkens, F. u.
a., 2002
Sachbeschädigung ist das rechtswidrige Beschädigen
oder Zerstören einer einem anderen gehörigen Sache, das bereits im Altertum
Rechtsfolgen nach sich ziehen kann. →lex Aquilia
Lit.: Kaser § 51 II; Söllner § 8; Köbler, DRG 26, 27;
König, R., Das allgemeine Schadensersatzrecht, Diss. jur. 1945 (ungedruckt);
Kaufmann, H., Rezeption und usus modernus der actio legis Aquiliae, 1958
Sache (Wort mit anderer Bedeutung
„Verfolgung“ bereits für das Indogermanische zu erschließen, lat. F.
res) ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1900) der
körperliche Gegenstand, im weiteren Sinn jeder Gegenstand (z. B. nach dem Allgemeinen
Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs von 1811 [§ 285] alles, was nicht Person
bzw. Mensch ist). Im Anschluss an den bzw. im Gegensatz zu dem bei Gaius (um
160 n. Chr.) Körperliches (res corporalis) und Unkörperliches (res
incorporalis) anscheinend zu einer übergeordneten Einheit verbindenden,
aber auch hinsichtlich von Herrschaft und Übertragung gegenüberstellenden
res-Begriff des römischen Rechtes vertritt das heutige deutsche Recht wohl
unter dem Einfluss Savignys einen engen Sachbegriff des körperlichen
Gegenstands. Unterschieden werden innerhalb des körperlichen Gegenstands
bewegliche und unbewegliche Sachen sowie Besitz, Eigentum und beschränkte
dingliche Rechte an Sachen.
Lit.: Kaser § 18; Köbler, DRG 15, 24, 39, 60, 73, 90,
123, 140, 162, 207, 211, 269; Daubermann, E., Die Sachgesamtheit, 1993;
Zimmermann, M., Der Rechtserwerb hinsichtlich eigener Sachen, 2001; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sachenrecht (1691) ist objektiv die Gesamtheit der Sachen betreffenden Rechtssätze.
Ein S. (lat. res F.Pl.)
sondert unter griechischem Einfluss bereits der römische Rechtskundige
→Gaius (um 160 n. Chr.) ab. Dies wird in der mittleren Neuzeit wieder
aufgegriffen (z. B. Projekt des Codicis Juris Fridericiani 1751, str.), wenngleich
die Sache unterschiedlich weit gefasst wird. Im Mittelpunkt des Sachenrechts
steht das →Eigentum als absolutes Herrschaftsrecht. Von ihm zu trennen
sind beschränkte dingliche Rechte (z. B. Pfand, Dienstbarkeit, Erbbaurecht) und
die tatsächliche Gegebenheit Besitz. Das einzelne subjektive S. (dingliche
Recht) gewährt eine auf die einzelne Sache gerichtete, gegen jedermann
(absolut) wirkende Herrschaftsbefugnis, die in Rom mittels einer (lat. [F.]
actio) durchgesetzt werden kann.
Lit.: Rückert, L., Untersuchungen über das Sachenrecht
der Rechtsbücher, 1860; Platz, L., Das Sachenrecht Pufendorfs, Diss. jur. Kiel
1961 masch.schr.; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Sachenrecht, 1974,
8. A. 1996, 10. A. 2003; Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v.
Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht, Bd. 1ff. 1982ff.; Benke/Meissel,
Übungsbuch zum römischen Sachenrecht, 5. A. 1996; Mollnau, M., Die
Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Füller, J., Eigenständiges Sachenrecht?,
2006; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Rüfner, T-. Savigny und der Sachbegriff des BGB (in) Unkörperliche Güter
im Zivilrecht, 2011, 33; Zwalve, W./Sirks, B., Grundzüge der europäischen
Privatrechtsgeschichte - Einführung und Sachenrecht, 2012
Sachgesamtheit (F.) ist die aus praktischen Gründen aus mehreren an sich selbständigen Sachen
gebildete Einheit (lat. corpus ex distantibus, z. B. Tierherde,
Briefmarkensammlung, Bibliothek), die unterschiedlich behandelt werden kann.
Lit.: Hammerstein, J., Die Herde im römischen Recht, 1975; Daubermann,
E., Die Sachgesamtheit als Gegenstand des klassischen römischen Rechtes, 1993
Sachhaftung ist die Haftung einer Sache (z. B.
eines Pfandes) unabhängig von einer Person.
Lit.: Kaser §§ 31 I 2, 32 II 3
Sachmangel (Wort 1899) ist die Abweichung einer Sache von
der von den Parteien vorausgesetzten Beschaffenheit. Bereits der römische
Marktädil gewährt dem Käufer einer mangelhaften Sache unabhängig von
Verschulden →Wandlung und →Minderung, sofern nicht der Mangel bei
Vertragsschluss bekannt ist. Demgegenüber geht das mittelalterliche Recht
außer bei groben Mängeln bestimmter Tiere und arglistig verschwiegenem Mangel
von dem Satz „Augen auf, Kauf ist Kauf“ aus. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
folgt der römischrechtlichen Gestaltung, behält aber Sonderregeln für den
Viehkauf (bis 2002) bei.
Lit.: Kaser § 41; Söllner § 9; Hübner; Kroeschell, DRG
2; Köbler, DRG 46, 64, 127, 165, 214, 215; Klempt, W., Die Grundlagen der
Sachmängelhaftung, 1967; Leiser, W., Schadensersatz wegen Sachmängeln, FS L.
Schnorr von Carolsfeld, 1972; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985;
Niedrig, H., Die Mangelrüge, 1994; Seiler, C., Vom Allgemeinen Landrecht zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 1995; Olzen, D., Das kaufrechtliche
Sachmängelgewährleistungsrecht des Code civil, 1996; Deller, P., Der „nach dem
Vertrage“ vorausgesetzte Gebrauch, 1999; Medicus, D., Zur Geschichte der
Sachmangelhaftung, (in) Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik, 1999, 307; Harke,
J., Die Sachmängelhaftung beim Werkvertrag, ZRG RA 124 (2007), 305; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sachse ist der Angehörige des um 150 n.
Chr. bei Ptolemäus in Alexandrien erstmals erwähnten, wohl nach seiner Bewaffnung
benannten germanischen Volkes, dessen Siedlungsgebiet zwischen unterem Rhein
und Elbe im Frühmittelalter von den →Franken (Karl d. Große 772-804)
erobert wird. Das sächsische Recht ist in der (lat. F.)
→Lex Saxonum und im →Sachsenspiegel aufgezeichnet. S. Sachsen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 67, 76, 131,
155, 184, 186; Köbler, Historisches Lexikon; Romer, C. v., Staatsrecht und
Statistik des Churfürstentums Sachsen, Bd. 1f. 1787f.; Schletter, H., Die
Konstitutionen Kurfürst Augusts von Sachsen, 1857; Bürgerliches Gesetzbuch für
das Königreich Sachsen von 1863/1865, Neudruck 1973; Schröder, R., Der
sächsische Volksadel, ZRG GA 24 (1903), 247; Stölzel, A., Die Entwicklung der
gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1f. 1901ff.; Hempel, E., die Stellung der Grafen
von Mansfeld, 1917; Philippi, D., Die Erbexen, 1920; Heck, P., Die
Standesgliederung der Sachsen, 1927; Meiche, A., Historisch-topographische
Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna, 1927; Lintzel, M., Zur altsächsischen
Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Heck, P., Blut und Stand im
altsächsischen Recht, 1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen
Standesgliederung, 1936; Drögereit, R., Sachsen und Angelsachsen,
Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 21 (1949); Freytag, H., Die
Herrschaft der Billunger in Sachsen, 1951; Hagemann, A., Die Stände der
Sachsen, ZRG GA 76 (1959), 111; Schöllkopf, R., Die sächsischen Grafen
919-1024, 1957; Schnath, G., Nochmals der Ursprung des Sachsenrosses, ZRG GA 79
(1962), 242; Entstehung und Verfassung des Sachsenstammes, hg. v. Lammers,
W., 1967; Giese, W., Der Stamm der Sachsen, 1979; Brüsch, T., Die Brunonen,
2000; Springer, M., Die Sachsen, 2004; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll,
F., 2004; Capelle, T., Widukinds heidnische Vorfahren, 2008; Kümper, H.,
Sachsenrecht, 2009
Sachsen ist im Hochmittelalter das Gebiet der Sachsen.1180 ist es
von dem Staufer Friedrich I. Barbarossa in der Auseinandersetzung mit dem
Welfen Heinrich dem Löwen zerschlagenes Herzogtum und später unter den
Askaniern bzw. ab 1422 den Wettinern Kurfürstentum (1485 Land zwischen den
Linien der Albertiner und Ernestiner geteilt, Kurfürstenwürde 1485 an
Ernestiner, 1547 an Albertiner, 1697 unter August dem Starken Erwerb der Krone
des Königtums Polen). Unter Verkleinerung und Verlagerung an die mittlere Elbe
(Dresden) bleibt das Land Sachsen (1806 Königreich, 1918 Freistaat, 1838
Criminalgesetzbuch, 1855 Strafgesetzbuch, 1868 revidiert, ohne großen
Einfluss auf das Reichsstrafgesetzbuch von 1871, 1852 Entwurf eines Bürgerlichen
Gesetzbuchs, 1863/1865 Bürgerliches Gesetzbuch in fünf Büchern, Einfluss
auf das Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1896) bis zur
Gegenwart (ausgenommen 1952-1990) erhalten, während die zersplitterten ernestinischen
Fürstentümer 1920 in Thüringen wiedervereinigt werden und das 1815 von
Preußen Sachsen abgewonnene Gebiet mit anderen Gebieten zur preußischen Provinz
Sachsen und 1945 zum Land Sachsen-Anhalt (Magdeburg) wird. →Sachse
Lit.:http://www.koeblergerhard.de/Fontes/BGBSachsen1863.pdf;
Richter, G., Die Grundstücksübereignung im ostfälischen Sachsen, 1934; Kötzschke,
R., Ländliche Siedlung und Agrarwesen in Sachsen, 1953; Blaschke, K., Grundzüge
und Probleme einer sächsischen Agrarverfassungsgeschichte, ZRG GA 82 (1965),
223; Richter, G., Die ernestinischen Landesordnungen, 1964; Blaschke, K., Das
kursächsische Appellationsgericht 1559-1835 und sein Archiv, ZRG GA 84 (1967),
329; Haas, G., Verfassung und Recht der Städte Arnstadt, Königsee, Saalfeld und
Stadtilm, Diss. jur. Jena 1967; Blaschke, K., Bevölkerungsgeschichte von
Sachsen, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1540,2654,
3,3,2900,3699 Klein, T., Sachsen, 1982; Wissenschafts-
und Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, hg. v. Czok,
K., 1987; Otto, J., Cognitio et usus juris Romano-saxonici, Studi
Senesi 107 (1995), 369; Ahcin, C., Zur Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs
für das Königreich Sachsen von 1863/1865, 1996; Lück, H., Die kursächsische
Gerichtsverfassung, 1997; Sächsische Justiz in der sowjetischen Besatzungszone,
1998; Herrschaftsrepräsentation im ottonischen Sachsen, hg. v. Althoff, G. u.
a., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999; Sachsen
in Deutschland, hg. v. Retallack, J., 2000; Beck, L., Herrschaft und
Territorium der Herzöge von Sachsen-Wittenberg, 2000; Historisches Ortsnamenbuch
von Sachsen, hg. v. Eichler, E. u. a., 2001; Sachsen im Spiegel des Rechts, hg.
v. Schmidt-Recla, A. u. a. 2001; Jäger, V., Zur Entwicklung der staatlichen Untergerichte
in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 118 (2001), 222;
Keller, K., Landesgeschichte Sachsen, 2002; Klinger, A., Der Gothaer
Fürstenstaat, 2002; Diktatdurchsetzung in Sachsen, hg. v. Behring, R. u. a.,
2003; Schirmer, U., Kursächsische Staatsfinanzen (1456-1656), 2006; Karlsch, R.
u. a., Wirtschaftsgeschichte Sachsens, 2006; Krüger, N., Landesherr und
Landstände in Kursachsen, 2007; Die Herrscher Sachsens, hg. v. Kroll, F., 2007;
Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg
1800-1826, 2007; Moritz von Sachsen, hg. v. Blaschke, K., 2007; Volkmar, C.,
Reform statt Reformation, 2007; Wilschewski, F., Die karolingischen
Bischofssitze des sächsischen Stammesgebietes, 2007; Ott, T., Präzedenz und
Nachbarschaft, 2008; Ostsiedlung und Landesausbau in Sachsen, hg. v. Bünz, E.,
2008; Meding, W. v., Aufgehobener Glaube, 2009; Weber, J., Das sächsische
Strafrecht im 19. Jahrhundert, 2009; Bily, I. u. a., Sächsisch-magdeburgisches
Recht in Polen, 2011; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern
der SBZ/DDR 1945-1952, 2015; Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, hg. v.
Kohnle, A. u. a., 2015; Retallack, J., Red Saxony, 2017
Sachsen-Anhalt ist das am 5. 7. 1945 (zum 9. 7.
1945) aus der Provinz Sachsen →Preußens und aus dem Freistaat
→Anhalt (nach der Auflösung Preußens) gebildete Land (6. 10. 1947) der
sowjetischen Besatzungszone, das nach seiner Auflösung (1952/1957) in der
→Deutschen Demokratischen Republik zum 3. 10. 1990 mit der Hauptstadt
Magdeburg wieder entsteht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Holtmann, E./Boll,
B., Sachsen-Anhalt, 1995; Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, hg. v. Kilian,
M., 2004; Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR
1945-1952, 2015
Sachsenrecht oder gemeines Sachsenrecht ist das
in der frühen Neuzeit auf der Grundlage des →Sachsenspiegels (1221/1224)
und der Spruchtätigkeit der Gerichte in →Sachsen angewendete Recht, das
erst durch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch von 1863 abgelöst wird.
Lit.: Köbler, DRG 103, 143; Schultze-von Lasaulx, H.,
Die Krise des gemeinen Sachsenrechts, FS J. Hedemann, 1938, 58; Theuerkauf, G.,
Lex, speculum, compendium iuris, 1968; Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts, hg. v. Willoweit, D. u. a., 1980
Sachsenspiegel ist das der Wiederentdeckung des
römischen Rechtes in Italien um 1100 und der neuen Zusammenstellung des
kirchlichen Rechtes durch →Gratian um 1140 zeitlich nachfolgende, von
ihnen vielleicht angeregte, an unbekanntem Ort (nach Landau möglicherweise in
Kloster Altzelle) vielleicht zwischen 1221 und 1224 von →Eike von Repgow
zunächst auf Latein geschaffene Rechtsbuch (→Landrecht im Gegensatz zu
Volksrecht und Stadtrecht). Der Verfasser bezeichnet sein Werk als (mnd.)
spigel der Sachsen, in dem die Sachsen ihr Recht wie sonst Frauen im Spiegel
ihr Antlitz erschauen sollen (vgl. lat. →speculum [N.] z. B. speculum
ecclesiae, Spiegel der Kirche, des Honorius Augustodunensis 1. H. 12. Jh.). Die
einerseits noch verwerteten, andererseits nicht mehr berücksichtigten
zeitgenössischen Ereignisse lassen vielleicht eine Datierung der ersten Fassung
zwischen 1221 und 1224 (1215 bis 1235) zu (str.). Die in Latein gehaltene
Gestalt ist (vielleicht) mit Ausnahme des Lehnrechts (sog. [lat.] →Auctor
[M.] vetus de beneficiis) nicht erhalten. Von Eike selbst stammt noch die bald
danach verfertigte völlig neuartige mittelniederdeutsche Übersetzung, die
(bis 1270) mehrfach erweitert wird, wobei auch die Textform IIa bereits in dem
zweiten Viertel des 13. Jh.s entstanden sein dürfte. Der S. erfasst das aus
verschiedensten Wurzeln erwachsende Recht (Gewohnheitsrecht, Landfriedensgesetze)
Ostfalens, bezieht aber auch allgemeinere, selbst biblische und gelehrte
Quellen ein. Er umfasst in insgesamt 314 Artikeln rund 58000 Wörter und ist
vermutlich anfangs nur in zwei Teile (Landrecht, Lehnrecht) und Artikel
gegliedert. Zitiert wird er als Ssp (LdR bzw. LehnR) nach (Buch,) Artikel und
Paragraph. Von dem Ende des 13. Jh.s an breitet sich der jetzt zusätzlich im
Landrecht in drei Bücher geteilte S. in Hunderten von teilweise noch erhaltenen
Handschriften (etwa 465, mindestens 341 Landrechtstexte, 94 Lehnrechtstexte,
älteste Fragmente Kopenhagen, Königliche Bibliothek, NKS 1479, fol. 1 [Sammelmappe]
und Fragmentsammlung 12, fol. 1866, 2. Viertel/Mitte 13. Jh., Berlin,
Staatsbibliothek Fragm. 22, 3. Viertel 13. Jh., 8 Fragmente und 2 bzw. 3
Handschriften [Leiden, Universitätsbibliothek BPL 180 B, Ende 13. Jh./um 1300,
Mirbach-Harff, Antonius Graf von, 1295, Mai 7, Arpe, Peter Friedrich, seit 1837
verschollen, 1296?] wohl noch aus dem 13. Jh.) in einem von Holland bis Polen
reichenden Gebiet aus. Es werden Bilderhandschriften (Dresdener, Heidelberger,
Wolfenbütteler, Oldenburger Bilderhandschrift sowie mindestens drei verschollene
Exemplare), Übersetzungen (in das Lateinische und Mittelhochdeutsche u. s. w.), Bearbeitungen (Glossen u. a. des
Johann von →Buch 1325, Nikolaus →Wurm, Brandt von Tzerstede,
Dietrich von Bocksdorff) und auf seiner Grundlage zahlreiche weitere
Rechtsbücher (Görlitzer Rechtsbuch 1300, Breslauer Landrecht 1356, Berliner
Stadtbuch 1397, Richtsteig Landrechts 1335, Richtsteig Lehnrechts E. 14. Jh.,
sächsisches Weichbild, →Deutschenspiegel und →Schwabenspiegel u. s. w.) verfasst. Kein Artikel des Sachsenspiegels
ist durchgängig und ebenso kein Artikel überhaupt nicht in die späteren
Rechtsbücher des sächsisch-magdeburgischen Rechtes eingegangen. Insgesamt
eignet sich vor allem das „städtische Milieu“ den S. (im Strafrecht, Verfahrensrecht
und Erbverfahrensrecht) an. Sehr späte Nachwirkungen zeigen sich noch in zwölf
Urteilen des Reichsgerichts des Deutschen Reiches ab 1882 (RGZ 7,110, 7,132,
7,139, 12,239, 25,189, 29,134, 45,170, 52,379, 101,08?, 113,349, 137,324 [9. 7.
1932 Landrecht I 52 §1]), in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der
Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1988 (2 BvR 579/1984 BVerfGE 78,205)
und einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. Juni 1989 (III ZR 266/1987).
→Sachsenrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 102, 123,
124, 143; Sachsenspiegel, hg. v. Homeyer, C., 1827, 2. A. 1835ff., 3. A.
1861ff.; Schuster, H., Versuch einer Deutung von Ssp. III 73, ZRG GA 3 (1882),
136; Schröder, R., Die Gerichtsverfassung des Sachsenspiegels, ZRG GA 5 (1884),
1; Schröder, R., Zur Kunde des Sachsenspiegels, ZRG GA 9 (1888), 52; De
Saksenspiegel in Nederland, hg. v. Geer van Jutphaas, 1888; Frommhold, G.,
Erörterungen über die Reimvorrede des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892), 125;
Schröder, R., Zu der praefatio rhytmica des Sachsenspiegels, ZRG GA 13 (1892),
226; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970;
Gundlach, W., Karl der Große im Sachsenspiegel, 1899; Behre, E., Die Eigentumsverhältnisse
im ehelichen Güterrecht, 1904; Jecht, R., Über die in Görlitz vorhandenen
Handschriften des Sachsenspiegels, Neues lausitzisches Magazin 82 (1906); Heck,
P., Der Sachsenspiegel und die Stände der Freien, 1905; Fehr, H., Fürst und
Graf im Sachsenspiegel, 1906; Heck, P., K. v. Amira und mein Buch über den
Sachsenspiegel, 1907; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser
Konkordat, ZRG GA 31 (1910), 137; Molitor, E., Die Stände der Freien in
Westfalen und der Sachsenspiegel, 1910; Heck, P., Die Bannleihe im Sachsenspiegel,
ZRG GA 37 (1916), 260; Rosenstock, E., Die Verdeutschung des Sachsenspiegels,
ZRG GA 37 (1916), 498; Stutz, U., Der rechtshistorische Gehalt der Sachsenspiegelvorreden,
ZRG GA 43 (1922), 300; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegelvokabularien, ZRG GA 44 (1924),
307; Voltelini, H. v., Der Sachsenspiegel und die Zeitgeschichte, 1924;
Sinauer, E., Eine Lüneburger Sachsenspiegelhandschrift, ZRG GA 45 (1925), 408;
Das Landrecht des Sachsenspiegels nach der Bremer Handschrift von 1342, hg. v.
Borchling, C., 1925; Eckhardt, K., Rechtsbücherstudien Heft 2 Die
Entstehungszeit des Sachsenspiegels und der sächsischen Weltchronik 1931 (Abh.
Göttingen), Heft 3 Die Textentwicklung des Sachsenspiegels von 1220 bis 1270,
1933 (Abh. Göttingen); Sachsenspiegel Land- und Lehnrecht, hg. v. Eckhardt, K.
1933; Sachsenspiegel Landrecht, hg. v. Eckhardt, K., 1933; Voltelini, H. v.,
Ein Beitrag zur Quellenkunde des Sachsenspiegels Landrecht, ZRG GA 58 (1938),
548; Kallen, G., Friedrich Barbarossas Verfassungsreform und das Landrecht des
Sachsenspiegels, ZRG GA 58 (1938), 560; Hirsch, H., Eine neu entdeckte, die
zweite bekannte Handschrift des holländischen Sachsenspiegels, ZRG GA 59
(1939), 253; Kisch, G., Sachsenspiegel and Bible, 1941, Neudruck 1960; Blaese,
H., Die rechtliche Wirkungskraft des Sachsenspiegels im Bereich des heutigen
Estlands und Lettlands, ZRG GA 62 (1942), 322; Buchda, G., Eine Bemerkung zum
Sachsenspiegel II Artikel 55, ZRG GA 62 (1942), 353; Eike von Repgow,
Sachsenspiegel Lehnrecht, übertr. v. Hirsch, H., 1939; Molitor, E., Der
Gedankengang des Sachsenspiegels, ZRG GA 65 (1947), 15; Mess, F., Wartburgkrieg
und Sachsenspiegel, ZRG GA 74 (1957), 241; Buchda, G., Archäologisches zum
Sachsenspiegel, ZRG GA 72 (1955), 205; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und Familienrecht
im Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1957; Sachsenspiegel, Landrecht, hg. v.
Eckhardt, K., 3. A. 1973; Nowak, E., Die Verbreitung und Anwendung des
Sachsenspiegels, Diss. phil. Hamburg 1965, masch.schr.; Hartmann, J., Ein
elbostfälisches Fragment des Sachsenspiegels, ZRG GA 82 (1965), 291; Eike von
Repgow und Hoyer von Valkenstein, hg. v. Eckhardt, K., 1966; Theuerkauf, G.,
Lex, speculum, compendium juris, 1968; Schulte-Beckhausen, O., Das Ehe- und
Familienrecht im Sachsenspiegel, 1970; Becker, H., Eine unbekannte Handschrift
des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971), 190; Herkommer,
H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen Weltchronik, 1972; Kisch, G.,
Sachsenspiegelbibliographie, ZRG GA 90 (1973), 73; Ebel, W., Über das „ungezweite
Gut“ in Ssp. Ldr. I 31, ZRG GA 92 (1975), 184; Benöhr, H., Erfolgshaftung nach
dem Sachsenspiegel?, ZRG GA 92 (1975), 190; Rymaszewski, Z., (Lateinische Texte
des Landrechts des Sachsenspiegels in Polen), 1975; Krause, H., Der
Sachsenspiegel und das Problem des sog. Leihezwangs, ZRG GA 93 (1976), 21;
Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnung und Rechtswirklichkeit, (in) Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349; Ignor, A., Über das
allgemeine Rechtsdenken Eike von Repgows, 1984; Eike von Repgow Sachsenspiegel,
hg. v. Schott, C. u. a., 3. A. 1996; Gauert, A., Werla in der Nähe von Goslar,
ZRG GA 105 (1988), 253; Oppitz, U., Die deutschen Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990; Kroeschell, K., Der Sachsenspiegel in neuem Licht, (in)
Rechtsgeschichte in beiden deutschen Staaten, hg. v. Mohnhaupt, H., 1991, 232;
Müller, B., Die Berliner Sammelhandschrift Mgf 10, 1991; Der Sachsenspiegel als
Buch, hg. v. Schmidt-Wiegand, R. u. a., 1991; Die Wolfenbütteler Bilderhandschrift.
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1993; Der Oldenburger Sachsenspiegel, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1995; Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, hg. v.
Koolman, 2. A. 1995; Aus dem Leben gegriffen, hg. v. Fansa, M., 2. A. 1995; Der
Sassen Speyghel, Bd. 1f., hg. v. Koolmann, E. u. a., 2. A. 1995; Der
Sachsenspiegel aus Oppeln und Krakau, hg. v. Piirainen, I. u. a., 1996;
Kroeschell, K., Von der Gewohnheit zum Recht, (in) Recht und Verfassung, hg. v.
Boockmann, H. u. a., 1998, 68; Repgow, Eike von, Sachsenspiegel. Die Wolfenbütteler
Bilderhandschrift, hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1998; Scheele, F., u. a., Das
neu aufgefundene Fragment 80a und b, ZRG GA 115 (1988), 514; Lück, H., Über den
Sachsenspiegel, 1999, 3. A. 2013; Der Sachsenspiegel, übersetzt v. Kaller, P.,
2002; Der Dresdner Sachsenspiegel, 2002; Die Dresdener Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels, hg. v. Lück, H., 2002; Kannowski, B./Dusil, S, Der
hallensische Schöffenbrief für Neumarkt von 1235 und der Sachsenspiegel, ZRG GA
120 (2003) 61; Kannowski, B./Kaufmann, F., Ein Brief aus uralten Zeiten, DA 59
(2003), 548; Kümper, H., Sachsenspiegel – Eine Bibliographie, 2004; Landau, P.,
Der Entstehungsort des Sachsenspiegels, DA 61 (2005), 73; Eike von Repgow,
Sachsenspiegel, Die Dresdner Bilderhandschrift Mscr. Dresd. M 32, Textband, hg.
v. Lück, H., 2006; Weinert, J., Die Dresdner Bilderhandschrift des
Sachsenspiegels, 2007; Bertelsmeier-Kierst, C., Zur ältesten Überlieferung des
Sachsenspiegels, (in) Worte des Rechts, 2007, 56; Rechts- und Sprachtransfer in
Mittel- und Osteuropa - Sachsenspiegel und Magdeburger Recht, hg. v. Eichler,
E. u. a., 2008; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum volkssprachlichen
Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert, 2008; Munzel-Everling,
D., Der Sachsenspiegel - Die Heidelberger Bilderhandschrift, 2009 (CD)
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg164/2026; Kümper, H., Sachsenrecht,
2009; Hetz, C., Die Rolle des Sachsenspiegels in der Judikatur des deutschen
Reichsgerichtes in Zivilsachen, 2010; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die
Heidelberger Bilderhandschrift Cod. Pal. Germ. 164 (bzw. Tri 164), hg. v.
Kocher, G., u. a., 2010; Eike von Repgow, Sachsenspiegel. Die Dresdner
Bilderhandschrift Mscr. Dresd. M 32, Aufsätze und Untersuchungen, hg. v. Lück,
H., 2011 http://www.slub-dresden.de/sammlungen/handschriften/sachsenspiegel;
Weinert, J., Eike von Repgow – Verfasser des „Sachsenspiegels“? Z. d. d. O.
2014, 67 (hält eine Entstehung des Lehnrechts wegen des Fehlens des Wortes
Kaiser erst nach 1245 für wahrscheinlich); Von Sachsen-Anhalt in die Welt, hg.
v. Lück, H., 2015; Seybold, S., Dass jemand des anderen solle sein, ZRG GA 132
(2015), 479; Lück, Heiner, Der Sachsenspiegel – Das berühmteste deutshe
Rechtsbuch des Mittelalters, 2017
Sachsenspiegelglosse ist die von gelehrten Juristen seit
dem 14. Jh. zum →Sachsenspiegel erarbeitete →Glosse (Johann von
Buch um 1325, Nikolaus Wurm, Brandt von Tzerstede, Dietrich von Bocksdorff,
Stendaler Glosse). Die Glosse Johann von Buchs zum Landrecht kann nur in einem
längeren Vorgang entstanden sein, wobei Teile bereits vor 1325
niedergeschrieben worden sein können. Die 40 (bzw. 31 noch benutzbaren)
Textzeugen der Glosse zum Lehnrecht (eines unbekannten Verfassers) lassen sich
in vier Textklassen (kürzere Glosse, längere Glosse, Wurmsche Glosse, gemischte
deutsch-lateinische Glosse) gliedern (insgesamt 204 Handschriften und
Fragmente, 82 noch vollständig vorhandene Handschriften.)
Lit.: Köbler, DRG 103, 107; Steffenhagen, E., Der
Einfluss der Buchschen Glosse, 1893f.; Steffenhagen, E., Die Entwicklung der
Landrechtsglosse des Sachsenspiegels XI, 1922/1923; Kisch, G., Eine Torgauer
Glossenhandschrift, ZRG GA 39 (1918), 365; Die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels,
hg. v. Steffenhagen, E., Einleitung und Glossenprolog, 1925; Schilling, K., Das
objektive Recht in der Sachsenspiegelglosse, 1931; Sinauer, E., Studien zur
Entstehung der Sachsenspiegelglosse, NA 50 (1935), 475; Oppitz, U., Deutsche
Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Lieberwirth, R., Über die Glosse zum
Sachsenspiegel, 1993; Glossen zum Sachsenspiegel-Landrecht. Buch’sche Glosse,
hg. v. Kaufmann, F., 2002; Kaufmann, F., Die Glossen zum Ss.-Lehnrecht, ZRG GA
123 (2006), 284; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht, hg. v. Kaufmann, F.,
2006; Kannowski, B./Kaufmann, F., De glose vornim vnde dute mit vlite, ZRG GA
125 (2008), 50; Manuwald, H., The prologue to the gloss on the Sachsenspiegel,
ZRG GA 130 (2013, 355; Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die längere
Glosse, hg. v. Kaufmann, Frank-Michael, 2013; Huneke, M., Iurisprudentia
romano-saxonica, 2014
Sächsischer Prozess ist die in →Sachsen in der
frühen Neuzeit geltende Form des →Prozesses, die einige Besonderheiten
bewahrt und weiterentwickelt. Der sächsische Prozess gründet sich auf das 1356
vom Kurfürstentum →Sachsen erlangte (lat. N.) privilegium (N.) de non
appellando (Nichtappellationsprivileg), sächsische Hofgerichtsordnungen von
1488, 1493, 1529, 1548 und 1550, die kursächsischen Konstitutionen von 1572 und
die Prozess- und Gerichtsordnung von 1622. Er ist grundsätzlich mündlich. Der
Beklagte kann bei Säumnis und Schlüssigkeit der Klage verurteilt werden. Eine
Artikulation findet nicht statt. Die (lat.) litis contestatio (F.) (Streitbefestigung)
ist einfache Klagebeantwortung. Das selbständige Beweisverfahren endet mit
einem selbständig angreifbaren Beweisinterlokut (Beweisurteil). Es gibt nur
eine Tatsacheninstanz.
Lit.: Carpzov, B., Processus iuris in foro Saxonico,
1657; Heimbach, C., Lehrbuch des sächsischen bürgerlichen Prozesses, 1852;
Buchda, G., Die Rechtsmittel im sächsischen Prozess, ZRG GA 75 (1958), 274
Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch ist das am 2. 1. 1863 verkündete
und am 1. 3. 1865 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich
→Sachsen. Es umfasst fünf Bücher mit 2620 Paragraphen. Durch das
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches wird es zum 1. 1. 1900 im
Wesentlichen abgelöst.
Lit.: Beckhaus, F., Die gemeinrechtlichen Quellen zum
Bürgerlichen Gesetzbuch für das Königreich Sachsen, 1866; Siebenhaar, E.,
Jahrbuch des sächsischen Privatrechts, 1872; Grützmann, P., Lehrbuch des
königlich sächsischen Privatrechts, Bd. 1f. 1887ff.; Buschmann, A., Das
Sächsische Bürgerliche Gesetzbuch, JuS 20 (1980), 553; Ahcin, C., Zur
Entstehung des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen von
1863/1865, 1996
sächsisches Recht →Sachsenrecht
Lit.: Studien zur Geschichte des
sächsisch-magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, hg. v. Willoweit, D.
u. a., 1980
Sächsische Weltchronik ist die erste deutschsprachige
Prosachronik. Als Verfasser scheidet wohl Eike von Repgow aus. Auch die
Abfassungszeit (Magdeburg 1229, 1230?, 1260, Magdeburg vor 1276) ist
umstritten.
Lit.: Eckhardt, K., Zur sächsischen Weltchronik, ZRG
GA 53 (1933), 311; Herkommer, H., Überlieferungsgeschichte der sächsischen
Weltchronik, 1972; Menzel, M., Die sächsische Weltchronik, 1985; Wolf, J., Die
sächsische Weltchronik, 1997; Das Buch der Welt, hg. v. Herkommer, H., 2000
sachverfolgend, Adj., reipersekutorisch (z. B. Klage auf
Ausgleich eines Vermögensverlusts im römischen Recht mit dinglichen
Ansprüchen (lat. [F.] actio in rem) und schuldrechtlichen Ansprüchen (lat.
[F.] actio in personam) im Gegensatz zu pönal
Sachverhalt ist ein tatsächliches Geschehen
(Sein). Dementsprechend ist der S. als solcher zumindest so alt wie das Recht.
Als rechtlicher Grundbegriff begegnet S. anscheinend erst im späten 19. Jh., in
dem es dem Tatbestand gegenübergestellt wird.
Lit.: Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch,
1995
Sachverständiger ist der Mensch, der auf einem
Gebiet besonderes Wissen hat, das er (einem Gericht in einem Rechtsstreit) zur
Verfügung stellen kann. Der Sachverständige ist bereits dem Altertum bekannt.
In der frühen Neuzeit gewinnt er wieder an Gewicht. In der Regel erwirbt der
Sachverständige, als welcher sich grundsätzlich jedermann frei selbst für
irgendetwas (wie z. B. Altarkunde) bezeichnen darf, sein Wissen aus einer
ausgeübten beruflichen Tätigkeit.
Lit.: Kaser §§ 84 I 2c, 87 II 6; Köbler, DRG 202;
Bernet, M., Der Beizug von gerichtlichen Sachverständigen im alten Zürich,
1967; Jessnitzer, K., Der gerichtliche Sachverständige, 10. A. 1992; Olzen, D.,
Richter und Sachverständige, ZRG GA 97 (1980), 164; Poppen, E., Die Geschichte
des Sachverständigenbeweises im Strafprozess, 1984; Franck, L., Juristen und
Sachverständige, 2013; Delafontaine, R., Historians as Expert Juidicial
Witnesses in Tobacco Litigation, 2015; Raschew, G., Richter, Sachverständige,
Handelskammern, 2015
Sachwalter
Lit.: Winterberg, H., Der Sachwalter, ZRG GA 83 (1966), 295
Säcken ist der Vollzug der Todesstrafe
durch Ertränken in einem zugebundenen Sack, wie er sich vor allem im römischen
Altertum findet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck
1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
sacramentum (lat. N.)
Eid
Sacra Rota (F.) Romana (lat.) →Rota
Lit.: Kroeschell, DRG 2
sacrum imperium (lat. N.)
heiliges Reich
sacrum
imperium Romanum (lat.
[N.]) Heiliges römisches Reich
Sage ist die mündliche Überlieferung eines möglichen
vergangenen, nicht sicher bezeugten, in manchen Fällen aber vielleicht tatsächlich
so oder so ähnlich abgelaufenen Geschehens.
Lit.: Ruoff, W., Eine späte Rechtssagenbildung, ZRG GA
92 (1975), 201; http://www.sagen.at;
Bacher, M., Das Recht in den Sagen Obwaldens, 2011
Saint Bertin
Lit.: Coopland, G., The abbey of Saint-Bertin, 1914
Saint Denis
Lit.: Sonzogni, D., Le chartrier de l‘abbaye de Saint-Denis en France,
Pecia 2 (2003), 9 (bis 987 267 Stücke); Leistenscheider, E., Die französische
Königsgrablege Saint-Denis, 2008
Saint-German, Christopher (um 1460-1540) wird
nach der rechtswissenschaftlichen Ausbildung in Oxford und der rechtspraktischen
Ausbildung an Inner Temple Inn of Court Anwalt. 1528 verfasst er den (lat.)
Dialogus (M.) de fundamentalis legum et de conscientia (engl. Dialogues
between a Doctor of Divinity and a Student of the Common Law, 1530/1,
Zwiegespräch zwischen einem Lehrer und einem Studenten des gemeinen Rechtes).
Darin behandelt er die Ursprünge des kanonischen Rechtes und des englischen
Rechtes und ermittelt die trotz der gegenseitigen Ausschließlichkeit bestehenden
gemeinsamen Grundgedanken.
Lit.: Simpson, A., Biographical Dictionary of the
Common Law, 1984; Coquillette, D., The Civilian Writers of Doctors’ Common,
1988
Saint Germain en Laye westlich von Paris ist der
Ort des ohne unmittelbare Beteiligung Österreichs an den Verhandlungen geschaffenen
Friedensvertrags zwischen den Alliierten des ersten Weltkriegs und Österreich
vom 10. 9. 1919, in dem →Österreich auf den →Anschluss an das
→Deutsche Reich und die allgemeine Wehrpflicht verzichten muss und
Gebiete (z. B. Ostgalizien, Südtirol, Trentino, Triest, Istrien u. a. )
verliert, aus denen z. B. Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien
entstehen.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher; Kleinwachter, F.,
Von Schönbrunn bis St. Germain, 1964
Saint-Simon, Claude Henri de (1760-1825) ist
ein bedeutsamer Vertreter des frühen Sozialismus in Frankreich.
Lit.: Köbler, DRG 179
Saínz de Andino, Pedro (1786-1863) wird nach dem
Studium von Theologie und Recht in Sevilla Anwalt, Politiker und Staatsanwalt.
Er verfasst nach französischem Vorbild das erste spanische Handelsgesetzbuch
(Código de comercio 1829,).
Lit.: Rubio, J., Sainz de Andino y la codificación
mercantil, 1950, 27
Saio ist im frühmittelalterlichen gotischen Recht der
Beauftragte eines Herrn.
Lit.: El Código de Eurico, hg. v. Ors, A. d’, 1960;
Morosi, R., I saiones, Athenaeum NS 59 (1981), 150; Köbler, G., Gotisches
Wörterbuch, 1989, 459; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001
saisina (lat.-afrk. F.)
Ergreifung
Lit.: Buisson, L., König Ludwig IX., der Heilige, und das
Recht, 1954
Sakebaro (lat.-afrk.) ist der königliche
Amtsträger des fränkischen Frühmittelalters im Streitwesen („Streitmann“ als
Helfer des Grafen).
Lit.: Kögel, R., Sagibaro, Z. f. d. A. 33 (1889), 13;
Olberg, G. v., Freie, Nachbarn und Gefolgsleute, 1983
Sakralrecht ist im römischen Recht das von der
Priesterschaft und vom Zensor außerhalb der Gerichtsbarkeit gehandhabte Recht.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 58 II 1, 60 I 2; Söllner § 5,
6; Sakralität zwischen Antike und Neuzeit, hg. v. Hamm, B. u. a., 2007
Sakrament (lat. [N.] sacramentum, heilige
Handlung) ist im antiken Rom das an einem heiligen Ort zu hinterlegende
Pfandgeld, im Christentum das in Christus gründende heilige Zeichen. Im Hochmittelalter
werden sieben Sakramente angenommen (Taufe, Firmung, Buße, Krankensalbung,
Eheschließung, Priesterweihe und Eucharistie). Von ihnen anerkennt die protestantische
Kirche nur Taufe und Abendmahl.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Sakrileg (N.) Tempelschändung
Lit.: Glatthaar, M., Bonifatius und das Sakrileg, 2004
Säkularisierung oder Säkularisation (zu lat.
saeculum [N.] Geschlecht, Zeitalter, zuerst S. als Wechsel eines Ordensgeistlichen
in den Weltklerus, 8. Mai 1646 secularisieren als kirchliches Gut in weltliche
Herrschaft bringen) ist die bereits im römischen Altertum sichtbare Verweltlichung
kirchlicher Angelegenheiten, insbesondere die Verstaatlichung von Kirchengut
(z. B. 1802 linksrheinisch nach französischem Recht bzw. im
→Reichsdeputationshauptschluss vom 25. 2. 1803, rund 10000
Quadratkilometer Gebiet mit 3161776 Untertanen betreffend) sowie die allgemeine
Entkirchlichung (vor allem infolge der französischen Revolution von 1789).
Lit.: Köbler, DRG 84, 132; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 789; Erzberger, M., Die Säkularisation in
Württemberg, 1902, Neudruck 1974; Die Säkularisation 1803, hg. v. Oer, R.
Freiin v., 1970; Hömig, K., Der Reichsdeputationshauptschluss, 1969; Müller,
M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Christentum, Säkularisation und
modernes Recht, hg. v. Lombardi-Vallauri, L. u. a., 1981; Hausberger, K., Staat
und Kirche nach der Säkularisation, 1983; Schieder, W./Kuhe, A., Säkularisation
und Mediatisierung, 1987; Zur Säkularisierung geistlicher Institutionen, hg. v.
Crusius, I., 1996; Ziekow, J., Zur Geschichte der Säkularisationen zu Beginn
des 19. Jahrhunderts, ZNR 18 (1996); Säkularisierung, hg. v. Lehmann, H., 1997;
Säkularisation der Reichskirche 1803, hg. v. Decot, R., 2002; Kirchengut in
Fürstenhand, hg. v. Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg u. a.,
2003; Alte Klöster – neue Herren. Die Säkularisation im Südwesten, hg. v.
Himmelein, V., 2003; Die Säkularisation in Bayern, hg. v. Schmid, A., 2003;
Bayern ohne Klöster?, hg. v. Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns,
2003; Annen, M., Säkularisierung im 19. Jahrhundert, 2004; Die Säkularisation
im Prozess der Säkularisierung Europas, hg. v. Blickle, P., 2005; Friedrich,
W., Territorialfürst und Reichsjustiz, 2008; Pohlig, M. u. a.,
Säkularisierungen in der frühen Neuzeit, 2008; Hannöver, B., Die Säkularisation
der Zisterzienserinnenklöster in Westfalen 1803 bis 1810, 2009; Dreier, H.,
Säkularisierung und Sakralität, 2013
sala (ahd. [F.]) Gabe, Übergabe, vgl. engl. sale
Lit.: Köbler, DRG 90; Köbler, WAS
Salamanca am Tormes ist seit 1134 (Erwähnung
eines Scholasters) bzw. 1218/1219 Sitz einer Universität. Im 16./17. Jh. wird
auf spätscholastischer Grundlage in der Schule von S. die Erkenntnis des
→Naturrechts besonders gefördert.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Rechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Köck, H.,
Der Beitrag der Schule von Salamanca zur Entwicklung der Lehre von den
Grundrechten, 1987; Rodríguez Cruz, A., Historia de la universidad de
Salamanca, 1990
Salbuch ist im Mittelalter das Güter
betreffende Buch (Güterverzeichnis, Urbar).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Metz, W., Zur Geschichte und
Kritik der frühmittelalterlichen Güterverzeichnisse, Archiv f. Diplom. 4
(1958), 183
Salbung ist die Einreibung eines Menschen
mit Salböl im Zuge einer symbolischen Handlung. Die S. stammt aus dem Orient.
(751? bzw.) 754 salbt Papst Stephan II. den fränkischen König Pippin und seine
Söhne Karl und Karlmann.
Lit.: Kutsch, E., Salbung als Rechtsakt im Alten
Testament, 1963; Jäschke, K., Bonifatius und die Königssalbung, Archiv f.
Diplom. 23 (1977), 25; Angenendt, A., Rex et sacerdos, FS K. Hauck, 1982, 100;
Enright, M., Iona, Tara and Soissons, 1985; Nehlson, J., Politics and Ritual,
1986; Semmler, J., Der Dynastiewechsel von 751, 2003
Sale of Goods Act (1893) ist das das
Warenkaufsrecht ordnende Gesetz des englischen Rechtes.
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Salem
Lit.: Das Zisterzienserkloster Salem im Mittelalter,
hg. v. Rösener, W. u. a., 2014
Salerno in Kampanien wird 197 v. Chr. als
römische Kolonie gegründet. Über Oströmer und Langobarden kommt es 1077 an die
Normannen. Im 11. Jh. (995-1087) entsteht dort als möglicherweise erste
Universität des europäischen Mittelalters eine berühmte Schule der Medizin.
Nach deren Aufhebung (1812) wird 1944 eine Universität gegründet.
Lit.: Amarotta, A., Salerno, 1989
Salfranke ist der dem salischen Teilstamm
angehörende →Franke. →Pactus legis Salicae
Lit.: Köbler, DRG 80
Salgut (N.) Herrengut
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Landau, G., Das Salgut, 1862;
Kötzschke, R., Salhof und Siedelhof, 1953; Schmidt-Wiegand, R., Sali, 1968
Salicetus, Bartholomäus ist ein in Bologna zwischen 1330 und 1340
geborener, in Bologna ausgebildeter, vielleicht ab 1363 lehrender, am 28. 12.
1412 verstorbener Jurist (Commentaria in Codicem [Kommentare zum Codex],
commentaria in Digestum vetus [Kommentare zum ersten Teil der Digesten],
consilia [Gutachten], tractatus de mora [Abhandlung über Verzug], repetitiones
[Wiederholungen], lecturae [Lesungen]).
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 796
Salier ist der Angehörige des von 1024 bis
1125 im Deutschen Reich als Könige herrschenden fränkischen Geschlechts
(Konrad II. 1024-1039, Heinrich III. 1039-1056, Heinrich IV. 1056-1106,
Heinrich V. 1106-1125).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 76; Bosl, K., Die
Reichsministerialen der Salier und Staufer, Bd. 1f. 1950f., Neudruck 1968f.;
Werle, H., Das salische Erbe, Diss. jur. Mainz 1952; Boshof, E., Die Salier,
1987, 2. A. 1992, 3. A. 1995, 4. A. 2000, 5. A. 2008; Weinfurter, S., Herrschaft
und Reich der Salier, 1991; Die Salier und das Reich, hg. v. Weinfurter, S.,
Bd. 1ff. 1992, 2. A. 1992; Benzo
von Alba, Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, hg. v. Seyffert, H., 1996; Struve.
T., Die Salier und das römische Recht, 1999; Wolfram, H., Konrad II., 2001;
Körntgen, L., Ottonen und Salier, 2002, 2. A. 2008, 3. A. 2010; Weinfurter, S.,
Das Jahrhundert der Salier, 2004; Althoff, G., Heinrich IV., 2006, 2. unv. A.
2008; Laudage, J., Die Salier, 2006; Struve, T., Salierzeit im Wandel, 2006; Salisches
Kaisertum und neues Europa, hg. v. Schneidmüller, B. u. a., 2007; Die Salier,
das Reich und der Niederrhein, hg. v. Struve, T., 2008; Clauss, M., Die Salier,
2011; Die Salier, hg. v. Historischen Museum der Pfalz Speyer u. a., 2011
Salisbury
Lit.: Friost, C., Time, Space and Order, 2009
Salische Erbfolge ist die Bevorrechtigung des
ältesten Sohnes in der Erbfolge nach fränkischem Recht.
Lit.: Scheidgen, H., Die französische Thronfolge,
Diss. phil. Bonn 1976; Kroeschell, K., Söhne und Töchter im germanischen
Erbrecht, (in) Gedächtnisschrift W. Ebel, hg. v. Landwehr, G., 1982; Krynen,
J., L’Empire du roi, 1993
Salland (N.) Herrenland
Salmann ist der →Treuhänder im
mittelalterlichen Recht (ältester chronikalischer Beleg vielleicht 1123/1124).
Lit.: Hübner; Beyerle, K., Das Salmannenrecht, 1900;
Kober, A., Das Salmannenrecht und die Juden, 1907; Wallach, L., Der älteste
chronikalische Beleg für salmannus, ZRG GA 54 (1934), 240; Scherner, K.,
Salmannschaft, Servusgeschäft und venditio iusta, 1971
Salvatorische Klausel ist eine befreiende Klausel (z. B.
in der →Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die ausdrücklich die
hergebrachten Bräuche partikularer Art unberührt lassen will).
Lit.: Kroeschell, DRG; Weber, H. v., Die peinliche
Halsgerichtsordnung, ZRG GA 77 (1960), 288
Salz ist das aus Natrium und Chlor gebildete Gewürz
(Natriumchlorid).
Lit.: Volk, O., Salzproduktion und Salzhandel mittelalterlicher
Zisterzienserklöster, 1984; Ott, M., Salzhandel in der Mitte Europas, 2013
Salzburg an der Salzach wird 739 Bistum und
798 Erzbistum. 1328 erhält das Hochstift ein eigenes Landrecht. Im 14. Jh. löst
es sich als Erzstift von Bayern. 1622 wird S. Sitz einer bis 1810/1818
bestehenden und 1968 wieder eröffneten Universität. 1731/1733 werden 10500 Protestanten
vertrieben. 1803 wird S. säkularisiert (Großherzog von Toskana) und gelangt
1805, 1809 an Bayern und 1816 an →Österreich (Oberösterreich), wo es 1850
eigenes Kronland wird (1920 Bundesland, 1939-1945 Reichsgau, 1945-1955
Besatzungszone der Vereinigten Staaten von Amerika).
Lit.: Köbler, DRG 220; Salzburger Urkundenbuch, hg. v.
Hauthaler, W. u. a., Bd. 1f. 1898f.; Bittner, L., Die Geschichte der direkten
Staatssteuern im Erzstifte Salzburg, 1903; Mell, R., Abhandlungen zur
Geschichte der Landstände im Erzbistum Salzburg, 1903; Mayr, J., Geschichte der
salzburgischen Zentralbehörden, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, 54-54 (1924-1926); Putzer, P., Das Privatrecht, FS H. Eichler,
1977, 503; Pichler, J., Die ältere ländliche Salzburger Eigentumsordnung, 1979;
Grass, N., Kirchenrecht und Kirchengeschichte, 1985; Hartmann, P., Das
Hochstift Passau und das Erzstift Salzburg, 1988; Zaisberger, F., Die
Salzburger Landtafeln, 1990; Wolfram, H., Salzburg, Bayern und Österreich,
1995; Salzburg, hg. v. Hanisch, E. u. a., 1997; Zaisberger, F., Geschichte
Salzburgs, 1998; Ortner, F., Salzburgs Bischöfe, 2005; Die Säkularisation
Salzburgs 1803, hg. v. Ammerer, G. u. a., 2005; Quellen zur Salzburger
Frühgeschichte, hg. v. Wolfram, H., 2006; Landesordnung und gute Policey, hg.
v. Gehringer, H. u. a., 2008
Salzregal →Regal
Salzwedel
Lit.: Stephan, J., Die Vogtei Salzwedel, 2006
Same ist der Angehörige eines nordskandinavischen,
nichtindogermanischen Volkes (Lappen in Norwegen und Schweden).
Lit.: Firsching, A., Die Samen, ihre Rechtsstellung in
Schweden und ihre Rechtsstellung im Lichte der Indigenous Peoples weltweit,
2002; Allemann, M., Die Samen der Kola-Halbinsel, 2010
sanatio (lat. [F.]) Heilung
Sanhuri, Al (Alexandria 1895-1971) passt
nach dem Rechtsstudium in Kairo und in Frankreich das islamische Recht von
→Saria und →Megelle im ägyptischen Zivilgesetzbuch modernen
Erfordernissen an.
Lit.: Hill, E., Al-Sanhuri and Islamic Law, 1987;
Ende, W./Steinbach, U., Der Islam, 2. A. 1989
Sankt Blasien
Lit.: Urkundenbuch des Klosters S(ank)t Blasien im Schwarzwald, bearb.
v. Braun, J., 2003
Sankt Gallen südlich des Bodensees erwächst
(719) aus einer um 612 errichteten Zelle des heiligen Gallus. Im
Frühmittelalter ist es einer der bedeutendsten Bildungsorte des
fränkisch-deutschen Reiches, dem zwischen 760 und 950 etwa 500 Konventuale
angehören, von denen ein Viertel als Urkundenschreiber tätig ist. 1411/1412
bzw. 1451 wenden sich die Stadt und die Abtei der Eidgenossenschaft der
→Schweiz zu.
Lit.: Ratpert, Sankt Galler Klostergeschichten (Casus
sancti Galli), hg. v. Steiner, H., 2002; Urkundenbuch der Abtei St. Gallen, hg.
v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Gmür, M., Die Rechtsquellen des Kantons
Sankt Gallen, Bd. 1ff. 1903ff.; Cavelti, L., Entwicklung der Landeshoheit der
Abtei Sankt Gallen in der alten Landschaft, 1914; Wyßmann, W., Rechtsgeschichte
des sanktgallischen Rheintals, 1922; Schelling, A., Urkundenbuch zur st.
gallischen Handels- und Industriegeschichte, 1922f.; Ganahl, K., Studien zur
Verfassungsgeschichte der Klosterherrschaft Sankt Gallen, 1931; Moser-Nef, C.,
Die freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, Bd. 1ff. 1931ff.; Ehrenzeller,
W., Kloster und Stadt Sankt Gallen im Spätmittelalter, 1931; Moser-Nef, C., Die
freie Reichsstadt und Republik Sanct Gallen, (1934); Sprandel, R., Das Kloster
Sankt Gallen, 1958; Müller, W., Freie und leibeigene Sankt Galler
Gotteshausleute, 1961; Müller, W., Die Abgaben von Todes wegen in der Abtei St.
Gallen, 1961; Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964;
Müller, W., Landsatzung und Landmandat der Fürstabtei St. Gallen, 1970;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,456, 3,2,1959;
Köbler, G., Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974;
Schauri, F., Karl Beda Müller-Friedberg (Sohn) und die sankt gallischen
Bestrebungen zur Kodifikation des Privatrechts, 1975; Mettler, T., Konrad Meyer
(1780-1813) und die sankt gallischen Strafgesetze der Mediation, 1979;
Chartularium Sangallense, hg. v. Clavadetscher, O., Bd. 3ff. 1982ff.; Kommentar
zu Ausstellungsdaten, Actum- und Güterorten der älteren St. Galler Urkunden,
hg. v. Borgolte, M. u. a., 1985; Ziegler, E., Sitte und Moral in früheren
Zeiten, 1991; Die Kultur der Abtei Sankt Gallen, hg. v. Vogler, W., 2. A. 1992;
Robinson, P., Die Fürstabtei St. Gallen und ihr Territorium 1463-1529, 1995;
Sankt Gallen, hg. v. Wunderlich, W., Bd. 1 1998; Das Kloster Sankt Gallen im
Mittelalter, hg. v. Ochsenbein, P., 1999; Ratpert, St. Galler
Klostergeschichten, hg. v. Steiner, H., 2002; Schaab, R., Mönch in Sankt
Gallen, 2003; Jordan, G., Nichts als Nahrung und Kleidung, 2007; Euw, A. v.,
Die St. Galler Buchkunst, 2008; Büker, D., Vier Jahrhunderte und vier Jahre -
Der Klosterplan, 2009 (s. www.stgall.org);
Schedl, B., Der Plan von St. Gallen, 2014 (wohl vor 830)
Sankt Goar
Lit.: Zwischen Rhein und Mosel, hg. v. Heyen, F., 1966; Deutschmann,
F., Mikrogeschichte in St. Goar, 2014
Sankt Peter
Lit.: Die ältesten Güterverzeichnisse des Klosters Sankt Peter im
Schwarzwald, bearb. v. Krimm-Beumann, J., 2011
Sankt Pölten
Lit.: Beiträge zur Stadtgeschichtsforschung, hg. v. Gutkas, K., 1959
Sankt Trudpert
Lit.: Beiträge zur Geschichte von Sankt Trudpert, hg. v. Mayer, T.,
1937
San Marino ist die vielleicht auf eine
Siedlung des dalmatinischen Mönchs Marinus (6. Jh.) zurückgehende, seit dem 13.
Jh. Eigenständigkeit gewinnende Republik in Mittelitalien mit den Orten
Domagnano, Villa, Fiorentino, Montegiardino, Faetano und Serravalle (1371 1000
Einwohner). Die erste überlieferte Fassung des Rechtes San Marinos stammt wohl
aus dem ausgehenden 13. Jh.
Lit.: La tradizione politica de San Marino, hg. v. Iwaneijko,
E., 1988; Vasina, E., San Marino, LexMA 7 1995, 1178; Reinkenhof, M., Die
Anwendung von ius commune in der Republik San Marino, 1997
Santiago de Compostela in Galicien, wo um 830 die Gebeine
des Apostels Jakobus gefunden worden sein sollen, wird Sitz eines Bischofs,
1120 eines Erzbischofs und 1501 einer Universität. Es ist einer der bedeutendsten
Wallfahrtsorte Europas.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Santiago,
1993
sapiens (lat.) wissend, weise
Sarazene (M.) →Araber
Sardinien ist die nach den bereits am Ende
des 13. Jh.s v. Chr. in ägyptischen Quellen bezeugten Sarden benannte Insel im
Mittelmeer, die über Karthager, Römer, Vandalen, Oströmer und Ostgoten in der
Mitte des 11. Jh.s an Pisa gelangt. Nach dem Untergang der →Staufer wird
1297 Aragonien vom Papst mit S. belehnt. 1713/1714 fällt S. über Spanien
erbweise an →Österreich, das es 1718/1720 im Tausch gegen Sizilien an
Savoyen bzw. Piemont gibt. Das Königreich Sardinien-Piemont wird zur Keimzelle
des am 17. 3. 1861 ausgerufenen Königreichs →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Pitzorno, B., Le
leggi spagnuole nel regno di Sardegna, 1919; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,101, 3,2,2363, 3,3,3225; Pauli, R., Sardinien, 1986; Casula, F.,
La Sardegna, 1990
Saria (Scharia, Weg zur Tränke) ist das
auf dem →Koran beruhende, im 7. bis 10. Jh. entstandene islamische Recht.
Die S. wird als gottgewollte Ordnung verstanden. Im 19. Jh. wird die S.
verschiedentlich durch europäisches Recht zurückgedrängt. Seit der Mitte des
20. Jh.s erfolgt in einzelnen Ländern eine Rückbesinnung auf sie. →Islam
Sassari (1188 Tathari) in Sardinien wird
1236 freie Kommune. 1441 wird es Sitz des Erzbischofs von Torres. 1450 erhält
es eine Universität.
Lit.: Castellaccio, A., Sassari medioevale, 1992
satisfactio (lat. F.)
Genugtuung
Satzung ist die gemeinsame Festsetzung, im
Hochmittelalter vor allem das objektive gesetzte Recht und das vereinbarte
(und damit gesetzte) →Pfand, in der Neuzeit das von einer mit Autonomie
begabten juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechtes geschaffene
Recht oder →Statut. Im Rahmen des Pfandrechts ist die sog. ältere S. ein
Besitzpfand (Besitz des Pfandgläubigers) und Nutzungspfand, die sog. jüngere
S. ein besitzloses Pfand (Besitz des Pfandschuldners).
Lit.: Hübner 402, 469; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG
125; Meyer, H., Neuere Satzung von Fahrnis und Schiffen, 1902; Ebel, W.,
Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988;
Schulze, R., Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung, ZRG GA
98 (1981), 157; Diestelkamp, B., Einige Beobachtungen zur Geschichte des
Gesetzes, ZHF 10 (1983), 385
Säumnis ist das Nichterscheinen oder
Nichtverhandeln einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung zu einem zur
notwendigen Verhandlung bestimmten Termin. Dies zieht schon früh nachteilige
Folgen für den Säumigen nach sich.
Lit.: Söllner § 8; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kaser, M., Das
römische Zivilprozessrecht, 1966
Savigny, Friedrich Carl von (Frankfurt am
Main 21. 2. 1779-Berlin 25. 10. 1861), aus begütertem, bis 1630 lothringischem
Adel, 1791/1793 verwaist (danach in Wetzlar bei Reichskammergerichtsrat
Neurath), wird nach dem Rechtsstudium in Marburg (April 1795, Weiss) und (kurz
in) Göttingen (mit 21 Jahren, nach Studienabschluss im Juli 1799 Bildungsreise
nach Sachsen, in Leipzig Entschluss zur Hochschullaufbahn) und der im Herbst
1800 mit der strafrechtlichen Abhandlung (lat.) De concursu delictorum formali
(Note cum laude eximia) erfolgten Promotion (Rigorosum 13. 9. 1800,
Promotionsakt 31. 10. 1800) (1800) Dozent in Marburg (Wintersemester 1800/1801
Strafrecht, Sommersemester 1801 römisches Zivilrecht bzw. über die Bücher
41-46 der Pandekten nach Böhmer, J. H., Introductio in jus Digestorum 14. A.
1791, Wintersemester 1801/1802 letzte Titel der Pandekten, Sommersemester
1802 in Ergänzung zu einer Lehrveranstaltung des Lehrers Philipp F. Weis nach
eigenem Plan zweistündiges Kolleg zur Methodenlehre, Wintersemester
1802/1803 in Ergänzung zu einer Lehrveranstaltung Anton Bauers Juristische
Methodenlehre bzw. Anleitung zum eignen Studium der Jurisprudenz), (mit 24
Jahren) nach Vorlage des um Ostern 1803 fertiggestellten Werkes über das
Recht des Besitzes (am 13. 5.) 1803 außerordentlicher Professor (im Wintersemester
1803/1804 Lehrveranstaltungen über Juris obligationum summa praecepta,
Institutiones juris civilis, Methodik?,), 1804 Bibliotheksreise nach Paris
und Süddeutschland, Ruf nach Heidelberg ausgeschlagen, 1808 ordentlicher
Professor in Landshut (1808/1809 Institutionen, 1809 Pandekten nach Heises
Grundriss eines Systems ges meinen Zivilrechts) und 1810 an der neuen
Universität →Berlin. Sein im Grunde unhistorisches Buch „Das Recht des
Besitzes“ (1803, http://www.koeblergerhard.de/Fontes/SavignyDasRechtdesBesitzes1A1803.htm)
(mit Wortformenliste, dort auch weitere Auflagen) macht ihn wegen seiner
grundsätzlichen und dadurch beispielhaften (historischen und systematischen)
Methodik allgemein bekannt. S. vereinigt dabei →Immanuel Kants
(1724-1804) Vorstellung, dass als einziges angeborenes Recht des Menschen seine
Freiheit bestehe, mit Gustav →Hugos (1764-1844) Forderung nach
begrifflich-systematischer Durchdringung des positiven Rechtsstoffs
(Jurisprudenz ist eine historische Wissenschaft und eine philosophische Wissenschaft
und die juristische Methode wird in Verbindung des exegetischen und systematischen
Elements vollendet) und ermittelt in manchmal fast gewaltsamem Umgang mit den
Quellen konstruktiv-systematisch den Besitzwillen als allgemeines logisches
konstituierendes Element. Natury<recht lehnt er ab. Zunehmend sieht er
den Zweck von methodologischen Vorlesungen in Einleitungen in eine Dogmatik
des römischen Rechtes als „heutiges“ Recht und versteht grundsätzlich das
Recht als an seine geschichtlichen Voraussetzungen (z. B. Deutschlands an das
von Anfang an bestehende Fehlen eines tonangebenden Mittelpunkts) gebunden
und wendet sich gegen die Vorstellung, dass jedes Zeitalter seine Welt
willkürlich selbst hervorbringe. Außerdem will er schon im Wintersemester 1802/1803
in der Methodenlehre die Interpretation voraussetzungslos beschreiben,
indem er sie auf ihre Geschichte (historisch) und ihre Anschlüsse an die
Gesellschaft (systematisch) beschränkt und damit den Wandel von der ständischen
Gesellschaft zur funktionsorientierten Gesellschaft auch im Recht
widerspiegelt. Quelle des Rechtes ist ihm das Volk, so dass er alles Recht
zunächst als Gewohnheitsrecht entstehen lässt. Mit seinen Vorstellungen wird
er zum Begründer der →historischen Rechtsschule, der nach der Befreiung Europas
von der Vorherrschaft Napoleons in der Völkerschlacht von Leipzig (1813) im
sog. →Kodifikationsstreit des Jahres 1814 mit der seit 1808 theoretisch
vorbereiteten Schrift „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und
Rechtswissenschaft“ gegen Thibaut ein deutsches Nationalgesetzbuch ablehnt.
Auf christlicher Grundlage wendet er sich gegen die jüdische Emanzipation.
Seine späteren Hauptwerke sind die Geschichte des römischen Rechtes im
Mittelalter (1815ff., http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Savigny-GeschichtedesRoemischenRechtsimMittelalterBand1-1815.pdf)
und das System des heutigen römischen Rechtes (1840ff.,
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/SavignySystemDesHeutigenRoemischenRechts1840Band1.htm).
In seiner Vorlesung über das Allgemeine Landrecht (Preußens) unterzieht er
dieses einem oft kritischen Vergleich mit dem römischen Recht. In
verschiedenen dogmatischen Bereichen (z. B. Begriff der Sache, →Einigung,
→internationales Privatrecht, →Urheberrecht) wirkt er wegweisend.
Im Obligationenrecht begründet bei Savigny die schuldhafte Verletzung von
vertraglichen Pflichten keine selbständige obligatio, sondern modifiziert die
ursprünglich auf Leistung ausgerichtete Obligation zu einer Schadensersatzpflicht,
die grundsätzlich auf Naturalerfüllung geht. Das Delikt erzeugt dagegen immer
eine selbständige Obligation, der Strafcharakter zukommt. Nach der Aufnahme
des 1825 vom jüdischen Glauben zum Christentum übertretenden Eduard Gans als
außerordentlicher (1826) bzw. ordentlicher Professor (1828) in die
rechtswissenschaftliche Fakultät zieht sich S, aus ihr zurück. Wenig
sichtbaren Erfolg beschert ihm sein sechsjähriges, viele Grundlagen schaffendes
Wirken als Gesetzrevisionsminister in Preußen (1842-1848). Das Gesamtwerk
wird mit 15 Titeln in 42 Bänden angegeben.
Lit.: http://savigny.ub.uni-marburg.de/db/;
Söllner §§ 16, 25; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 180, 186, 187, 206, 207, 208,
212, 214; Steig, R., Achim von Arnim über Savignys Buch vom Beruf unsrer Zeit
für Gesetzgebung, ZRG GA 13 (1892), 228; Meier, E. v., Savigny, das gemeine
Recht und der preußische Staat im Jahre 1818, ZRG GA 30 (1909), 318; Thibaut
und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914; Rudorff, H., Jacob Grimm über Savigny, ZRG
GA 36 (1915), 478; Dahl, F., Nordische Stimmen über Savigny und Gans, ZRG GA 37
(1916), 511; Gutzwiller, M., Der Einfluss Savignys auf die Entwicklung des
Internationalprivatrechts, 1923; Stoll, A., Friedrich Karl von Savigny, Bd.
1f., 1927ff.; Felgenträger, W., Savignys Einfluss auf die Übereignungslehre,
1927; Wellek, R., Ein unbekannter Artikel Savignys über die deutschen
Universitäten, ZRG GA 51 (1931), 529; Hennig, J., Vom Beruf unserer Zeit und
Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter, ZRG GA 56 (1936), 394;
Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Schaffstein, F., Friedrich Carl von Savigny und Wilhelm von Humboldt, ZRG GA 72
(1955), 154; Wieacker, F., Savigny und die Gebrüder Grimm, ZRG GA 72 (1955),
232; Thieme, H., Savigny und das deutsche Recht, ZRG GA 80 (1963), 1; Gmür, R.,
Savigny und die Entwicklung der Rechtswissenschaft, 1962; Strauch, D., Recht,
Gesetz und Staat bei Friedrich Carl von Savigny, 2. A. 1963; Wieacker, F.,
Wandlungen im Bilde der historischen Rechtsschule, 1967; Caroni, P., Savigny
und die Kodifikation, ZRG GA 86 (1969), 97; Thibaut und Savigny, hg. v.
Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Schubert, W., Savigny und die
rheinisch-französische Gerichtsverfassung, ZRG GA 95 (1978), 158; Flume, W.,
Savigny und die Lehre von der juristischen Person, FS F. Wieacker, 1978, 340;
Luig, K., Savignys Irrtumslehre, Ius commune 8 (1979), 36; Vorträge zum 200.
Geburtstag von F. C. v. Savigny, hg. v. Coing, H., 1980; Hall, W. van,
Friedrich Carl von Savigny als Praktiker, ZRG GA 99 (1982), 284; Hammen, H.,
Die Bedeutung Friedrich Carl von Savignys für die allgemeinen dogmatischen
Grundlagen, 1983; Rückert, J., Idealismus, Jurisprudenz und Politik bei
Friedrich Carl von Savigny, 1984; Schröder, H., Friedrich Karl von Savigny.
Geschichte und Rechtsdenken beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus in
Deutschland, 1984; Behrends, O., Geschichte, Politik und Jurisprudenz in F. C.
v. Savignys System, (in) Römisches Recht in der europäischen Tradition, 1985,
257; Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ –
eine Erbschaft Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199; Ebel, F.,
Savigny officialis, 1987; Rückert, J., Dogmengeschichtliches und Dogmen im
Umkreis Savignys, ZRG GA 104 (1987), 666; Wadle, E., Savignys Beitrag zum Urheberrecht,
(in) Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Jakobs, H., Die Begründung der
geschichtlichen Rechtswissenschaft, 1992; Rückert, J., Savignys Konzeption von
Jurisprudenz und Recht, TRG 61 (1993), 65; Savignyana. Bd. 1 Pandektenvorlesung
1824, hg. v. Hammen, H., Bd. 2 Vorlesungen über juristische Methodologie
1802-42, hg. v. Mazzacane, A., 2. A. 2004, Bd. 3 Landrechtsvorlesung 1824, hg.
v. Wollschläger, C., 1994ff.; Nörr, D., Savignys philosophische Lehrjahre,
1994; Süchting, G., Geschichtlichkeit des Rechts bei Friedrich Carl von
Savigny, Rechtstheorie 1995, 365; Fälle und Fallen in der neueren Methodik des
Zivilrechts seit Savigny, hg. v. Rückert, J., 1993; Zimmermann, R., Savignys
Vermächtnis, 1998; Meder, S., Urteilen, 1999; Rosenberg, M. Frhr. v., Friedrich
Carl von Savigny (1779-1861) im Urteil seiner Zeit, 2000; Savigny, F. v.,
Politik und neuere Legislationen, hg. v. Akamatsu, H. u. a., 2000; Schäfer, F.,
Savigny und das Landrecht in Kollegnachschriften, ZRG GA 118 (2001), 367;
Henne, T./Kretschmann, C., Der christlich fundierte Antijudaismus Savigny, ZRG
120 (2003), 250; Arnswaldt, W. v., Savigny als Strafrechtspraktiker, 2003;
Moriya, K., Savignys Gedanke im Recht des Besitzes, 2003; Savignys Vorbereitung
einer zweiten Auflage des System des heutigen römischen Rechtes, hg. v.
Murakami, J. u. a., 2003; Meder, S., Missverstehen und Verstehen, 2004;
Savigny, F., Pandekten Obligationenrecht Allgemeiner Teil, hg. v. Avenarius,
M., 2008; Rückert, J., Savigny-Studien, 2010; Rückert, J., Friedrich Carl von
Savigny (1779-1861) (in) Festschrift 200 Jahre juristische Fakultät
Humboldt-Universität zu Berlin, 2010, 133; Rückert, J., Friedrich Carl von
Savigny, 2011; Reutter, W., Objektiv Wirkliches in Friedrich Carl von Savignys
Rechtsdenken, Rechtsquellen und Methodenlehre, 2011; Rückert, J. u. a.,
Savigny-Porträts, 2011, Reis, T., Savignyana - Savignys Theorie der
juristischen Tatsachen, 2013; Eckhardt, W., Bettine Brentano zu Besuch bei
Savignys, ZRG GA 131 (2014), 443; Savigny international?, hg. v. Rückert, J. u.
a., 2015; Rückert, J. u. a. Repertorium der Vorlesungsquellen zu Friedrich Carl
von Savigny, 2016 (2017 mehr als 144 Nachschriften bekannt); Methodik des
Zivilrechts von Savigny bis Teubner, hg. v. Rückert, J./Seinecke, R., 3. A.
2017
Savoyen in den Westalpen entwickelt sich
aus einigen Grafschaften des 10. Jh.s. Seit dem 12. Jh. bzw. 1419 ist es mit
Piemont verbunden, seit 1720 mit →Sardinien. Vom Königreich
Sardinien-Piemont nimmt die staatliche Einigung →Italiens (1860, 17. 3. 1861
Königreich) ihren Anfang. S. selbst fällt 1860 an Frankreich.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hellmann, S., Die
Grafen von Savoyen, 1900; Hoke, R., Die Freigrafschaft Burgund, Savoyen und die
Reichsstadt Besançon, ZRG GA 79 (1962), 106; Mariotte-Löber, R., Ville et
seigneurie, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,146, 3,1,264;
Brondy, R. u. a., La Savoie, 1984; La maison de Savoie et le pays de Vaud, hg.
v. Paravicini Bagliani, A. u. a., 1989; Aux sources de l’histoire de l’annexion
de la Savoie, hg. v. Varaschin, D., 2009
scabinus (lat.-afrk. M.)
Schöffe
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86; Köbler, LAW
Scaccia, Sigismondo (16./17. Jh.) wird
nach dem Rechtsstudium Anwalt in Rom. In seinem (lat.) Tractatus (M.) de commerciis
et cambio (Abhandlung von Handel und Wechsel) erörtert er die Handelsgeschäfte
im Hinblick auf das →kanonische Zinsverbot und das Wechselrecht. Damit
wird er einer der Begründer des besonderen →Handelsrechts.
Lit.: Scherner, K., Die Wissenschaft des
Handelsrechts, (in) Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1 1977
Scaevola, Quintus Cervidius (2. Jh.) ist
175 (lat.) praefectus (M.) vigilum (Wachepräfekt). Er ist der bedeutendste
Berater Kaiser Marc Aurels (161-180) und wohl Lehrer des →Paulus. Seine
wichtigsten Schriften sind 40 (lat.) libri (M.Pl.) digestorum (Bücher der
Digesten) und 6 libri responsorum (Bücher der Antworten) mit Rechtsgutachten
und Einzelentscheidungen.
Lit.: Söllner § 16; Kunkel, W., Herkunft und soziale
Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 217; Schulz, F., Geschichte der
römischen Rechtswissenschaft, 1961, 294f.
Scammonia
Lit.: Goldmann, E., Scammonia, ZRG GA 51 (1931), 510
scandalum (lat. N.)
Ärgernis
Schaden (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) →Schadensersatz
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schadensersatz (Wort 1788, Schadensersatzpflicht 1853,
Schadenersatz) ist der Ersatz einer
unfreiwilligen Einbuße an rechtlich geschützten Gütern auf Grund eines
bestimmten Ereignisses durch einen anderen. Erforderlich ist jeweils ein
Rechtssatz, der S. (Schadensüberwälzung vom Opfer auf einen anderen) gebietet.
Der S. ist dem römischen Recht bekannt (z. B. lex Aquila de damnis 286 v.
Chr.). Im Mittelalter tritt er hervor, als die Komposition (→Kompositionensystem)
sich allmählich in das peinliche →Strafrecht und das private
Schadensersatzrecht teilt. Er ist stets an bestimmte Voraussetzungen gebunden
(z. B. lat. iniuria Unrecht, culpa Schuld und damnum Schaden). Im 19. Jh. wird
für einen S. ein Verschulden verlangt (Ihering) und zugleich (unter dem
Einfluss Savignys) für besondere Bereiche (z. B. Eisenbahn) die kein
Verschulden erfordernde →Gefährdungshaftung eingeführt (Preußen 1838).
Im 20. Jh. geht die allgemeine Entwicklung zur Kommerzialisierung
immaterieller Schäden. Neuseeland ersetzt 1972 die Schadenshaftung durch eine
staatliche Unfallversicherung (Accident Compensation Scheme).
Lit.: Kaser § 35 I; Söllner § 8; Hübner 552, 608;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 46, 65, 128, 273; Schmidt, A., Die
Grundsätze über den Schadensersatz in den Volksrechten, 1885; Hammer, O., Die
Lehre vom Schadensersatz nach dem Sachsenspiegel, 1885; Pennrich, W., Der
Inhalt des Schadensersatzes im Naturrecht, Diss. jur. Göttingen 1953
masch.schr.; Lange, H., Schadensersatzrecht und Privatstrafe, 1955; Kaufmann,
E., Das spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht und die Rezeption
der „actio iniuriarum aestimatoria“, ZRG GA 78 (1961), 93; Medicus, D., Id quod
interest, 1962; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Honsell, T., Die
Quotenteilung im Schadensersatzrecht, 1977; Hausmaninger, H., Das
Schadensersatzrecht der lex Aquilia, 5. A. 1993; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985; Wolter, U., Das Prinzip der Naturalrestitution in §
249 BGB, 1985; Bar, C. v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1996;
Mohnhaupt-Wolf, U., Deliktsrecht und Rechtspolitik, 2004; Ebert, I., Pönale
Elemente im deutschen Privatrecht, 2004; Descamps, O., Les origines de la
responsabilité pour faute personnelle dans le code civil de 1804, 2005; Vergau,
H., Der Ersatz immateriellen Schadens, 2006; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Schulze, R., Compensation
of Private Losses, 2011; Gisawi, F., Der Grundsatz der Totalreparation, 2014
Schadensklage ist im Spätmittelalter die auf
Geldzahlung wegen behaupteten Unrechts lautende Klage (in Ingelheim meist auf
100, 200, 400, 500 oder 1000 Gulden).
Lit.: Hübner 552; Kaufmann, E., Das
spätmittelalterliche deutsche Schadensersatzrecht, ZRG GA 78 (1961), 93
Schaffhausen am Rhein (am Rheinfall) ist der
Handelsplatz, der 1049 an das dort entstandene Benediktinerkloster Allerheiligen
gelangt. 1190/1218 wird die hieraus entwickelte Stadt Reichsstadt. 1454
schließt sich S. der Eidgenossenschaft der →Schweiz als zugewandter Ort
an und tritt ihr 1501 als zwölfter Ort bei. Im 19. Jh. kommt das
privatrechtliche Gesetzbuch →Zürichs zur Anwendung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Werner, H.,
Verfassungsgeschichte der Stadt Schaffhausen, 1907; Hedinger, G.,
Landgrafschaften und Vogteien im Gebiet des Kantons Schaffhausen, 1922;
Pestalozzi-Kutter, T., Kulturgeschichte des Kantons Schaffhausen, 1928; Leu,
G., Schaffhausen unter der Herrschaft der Zunftverfassung, 1931; Schudel, R.,
Geschichte der Schaffhauser Staatsverfassung 1798-1834, 1933; Schudel, E., Der
Grundbesitz des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen, 1936; Breiter, E., Die
Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Reiniger, K., Die Verfassung der Stadt
Schaffhausen 1831-1918, 1968; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2 Das
Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Schib, K., Geschichte der Stadt
und Landschaft Schaffhausen, 1972; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,457; Schultheiss, M., Institutionen und Ämterorganisation der
Stadt Schaffhausen 1400-1500. 2006
Schafott (Gerüst) ist die Bühne, auf der in
der frühen Neuzeit der →Scharfrichter meist auf dem Marktplatz die
Todesstrafe der Enthauptung vollzieht. Im 19. Jh. verschwindet das S.
Lit.: Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale, 1940;
Schildt, E., Alte Gerichtsbarkeit, 2. A. 1980; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Schandgerät ist das zur Ausführung einer
Schandstrafe verwendete Gerät (z. B. Halseisen, Pranger, Schandkragen, Schandkrone).
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafen, 1901,
Neudruck 1970; Löning, G., Schandlaken, Schandmantel, Schandkleid, ZRG GA 64
(1944), 335; Brückner, W., Das Bildnis in rechtlichen Zwangsmitteln, FS Harald
Keller, 1963, 111; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Schandstrafe ist die in einer vorübergehenden
Ehrenminderung bestehende Strafe (z. B. Tragen eines Strickes, eines Hundes,
eines Rades, eines Steines, Halseisen, Eselreiten) des Mittelalters und der frühen
Neuzeit.
Lit.: Quanter, R., Die Schand- und Ehrenstrafe, 1909,
Neudruck 1970
Schankrecht ist das ausschließliche Recht zum
Ausschank von Wein oder Bier an einem Ort. Das S. wird meist von einem Herrn
verliehen.
Lit.: Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962
Schard, Simon (Neuhaldensleben
1535-Speyer 28. 6. 1573) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Basel
Beisitzer am →Reichskammergericht. 1566 veröffentlicht er in (lat.) De
jurisdictione etc. (Von der Rechtsprechung
u. s. w.) spätmittelalterliche Schriften zum Staat. Posthum erscheint
1582 sein Lexicon iuridicum (Rechtslexikon).
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Abt. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978
Schärding
Lit.: Schwentner, G., Das Landgericht Schärding, 2014
Scharia →Saria
Scharfrichter ist zwischen Hochmittelalter und
19. Jh. der das Todesurteil Vollziehende (z. B. Frantz Schmidt in Nürnberg mit
394 Vollstreckungen zwischen 1578 und 1618, danach noch ehrbar geworden).
Lit.: Keller, A., Der Scharfrichter, 1921; Schuhmann,
H., Gestalt und Funktion des Scharfrichters, Diss. jur. Bonn 1964; Schuhmann,
H., Der Scharfrichter, 1964; Glenzdorf-Treichel, Henker, Schinder und arme Sünder,
1978; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994; Pritzker-Ehrlich, M., Schweizer
Scharfrichterkandidaten 1938/39, 1999; Pechaček, P., Scharfrichter und
Wasenmeister, 2003; Harrington, J., Die Ehre des Scharfrichters, 2014
Schatz ist die bewegliche Sache, die so
lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist.
Die Behandlung des Schatzfunds im römischen Recht ist unterschiedlich (anfangs
wohl Eigentum der res nullius an Grundeigentümer, nach Hadrian zur Hälfte an
den Finder und den Grundeigentümer,). Im Mittelalter hat der König das
Schatzregal. Die unterschiedlichen Lösungen werden vielfach miteinander
verflochten.
Lit.: Kaser §§ 20 I 1, 26 I 3; Hübner; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 40, 113; Zeumer, K., Der begrabene Schatz im Sachsenspiegel,
MIÖG 22 (1901), 420; Eckstein, E., Das Schatz- und Fundregal, MIÖG 31 (1910),
193; Schrader, E., Zum Bergrecht und zum Schatzrecht im Sachsenspiegel I, 35,
ZRG GA 74 (1957), 178; Fischer zu Cramburg, R., Das Schatzregal, 2001; Schmidt,
A., Der Schatzfund im 19. Jahrhundert, 2002; Hardt, M., Gold und Herrschaft,
2004
Schatzwurf ist die durch Ausderhandschlagen
einer Münze als Abgabensymbol im frühen Mittelalter erfolgende →Freilassung.
Lit.: Brunner, H., Abhandlungen zur Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1931, 240
Schaumburg (Schaumburg-Lippe, Schauenburg)
Lit.: Wahl, F., Verfassung und Verwaltung Schaumburg-Lippes, 1938;
Möller, H., Studien zur Rechtsgeschichte der „schauenburgischen Lande“ in
Holstein, 1939; Feige, R., Die Statuten des Fleckens und der Stadt
Sachsenhagen, Schaumburger Heimat, Bd. 1 1939, 103; Engel, F., Die
schaumburg-lippischen Archive, 1955; Schaumburger Profile, hg. v. Höing, H.,
Teil 1 2008; Husmeier, G., Geschichtliches Ortsverzeichnis für Schaumburg,
2008; Meien, J. v., Kleinststaat und Weltkrieg, 2012; Schaumburg im
Mittelalter, hg. v. Brüdermann, S., 2013; Wieden, H. bei der, Die letzten
Grafen zu Holstein-Schaumburg, hg. v. Wieden, B. bei der, 2014; Schaumburger
Profile, hg. v. Weingarten, H., Teil 2 2016; Brüdermann, U., Das Schaumburger
Land, 2016
Scheck ist die der Erleichterung des
Zahlungsverkehrs dienende bestimmte Anweisung auf ein Bankguthaben. Im 19. Jh.
wird das englische Lehnwort cheque (die auf den Staatsschatz ausgestellte
Anweisung) aufgenommen. Ein besonderes Scheckgesetz wird im Deutschen Reich
1933 erlassen.
Lit.: Köbler, DRG 184; Cohn, G., Zur Geschichte des
Schecks, Z. f. vergl. Rechtswiss. 1 (1878), 117; Spengler, M., Die Entstehung
des Scheckgesetzes vom 11. März 1908, 2008
Scheidebrief (lat. libellus M.]
repudii) ist im spätantiken römischen Recht nach hellenistischem Vorbild die
Form der Ehescheidungserklärung.
Lit.: Kaser § 58 VII 2c
Scheidung (Wort um 850, Scheidungsgrund 1839,
Scheidungsurteil 1784) →Ehescheidung
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schein →Rechtsschein
Scheinehe ist die nur zum Schein geschlossene Ehe. Sie
ist nichtig.
Lit.: Eisfeld, J., Die Scheinehe in Deutschland im 19. und 20.
Jahrhundert, 2005
Scheingeschäft (Wort 1855) ist die einverständliche Abgabe
einer empfangsbedürftigen →Willenserklärung zum Schein. Das S. ist im
spätantiken römischen Recht unwirksam. Diese Lösung wird seit dem
Spätmittelalter aufgenommen.
Lit.: Kaser § 8 III; Hübner; Wesener, Das Scheingeschäft,
FS H. Hübner, 1984, 337; Eisfeld, J., Scheinehe
in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, 2005; Lumpp, S., Die
Scheinehenproblematik, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Scheinprozess ist die Verwendung des Verfahrens
zur Erreichung außerprozessualer Ziele. Schon das altrömische Recht kennt die
Übertragung einer Sache durch (lat. F.)
→in iure cessio (In-das-Gericht-Gehen). Im Frühmittelalter kann durch S.
eine unscheltbare →Königsurkunde über ein Recht an einem Gut erlangt
werden.
Lit.: Köbler, DRG 21, 90; Costede, J., Scheinprozesse,
Diss. jur. Göttingen 1968
Schelling
Lit.: Jäger, G., Schellings politische Anschauungen, 1939; Hollerbach,
A., Der Rechtsgedanke bei Schelling, 1957; Hofmann, M., Über den Staat hinaus,
1999
Schengener Abkommen ist das am 14. 6. 1985 zwischen
den Regierungen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und
Luxemburgs getroffene, am 25. 3. 1995 in Kraft getretene Abkommen zum schrittweisen
Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen in den europäischen
Gemeinschaften, dem sich seitdem weitere Staaten angeschlossen haben (Italien,
Spanien, Portugal, Griechenland, Österreich, Griechenland, 1996/2001 Dänemark,
Island, Norwegen, Finnland, Schweden, 21. 12. 2007 Tschechien, Ungarn, Polen,
Slowakei, Slowenien, Estland, Litauen, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Malta).
Lit.: Hummer, W./Obwexer, W., Die Schengener Abkommen,
1996
Schenk ist am fränkisch-deutschen Hof und
später auch an landesherrlichen Höfen der für die Getränke zuständige
Amtsträger. Im Heiligen römischen Reich
ist der König von Böhmen Erzschenk.
Lit.: Kroeschell, DRG 1,2; Köbler, DRG 83, 112;
Buchner, M., Die Entstehung der Erzämter, 1911; Schubert, P., Die
Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989)
Schenkung (Wort 1348, Schenkungsvertrag 1784) ist die Hingabe (z. B. Übereignung,
Abtretung) eines Gegenstands auf Dauer an einen anderen. Im klassischen
römischen Recht ist die (lat. F.) donatio zunächst
nur ein Rechtfertigungsgrund für eine unentgeltliche Zuwendung, im
spätantiken römischen Recht teils ein formbedürftiges Handgeschäft, teils ein
Zuwendungs_grund, teils ein Konsensualvertrag. Die S unter Ehegatten ist
verboten. Bei den Germanen gibt es nach allgemeiner Ansicht nur die gelohnte
(entgeltliche) „S“. Mit dem römischen Recht werden dessen Regeln seit dem
Spätmittelalter aufgenommen. Die nicht sofort vollzogene S. bedarf zum Schutz
des Schenkers besonderer Form (z. B. Beurkundung). Die dogmatische
Einordnung der S. ist noch im 20. Jh. zweifelhaft. Die S. von Todes wegen steht
unter der Bedingung, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt. Die tatsächliche,
wirtschaftliche Bedeutung der S. ist gering.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1e, 8 I 2e, 24 IV 2, 38 II 4, 47,
59 I, 79; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 47, 64; Hübner, R., Die
donationes post obitum, 1888; Pappenheim, M., Über die Rechtsnatur der
altgermanischen Schenkung, ZRG GA 53 (1933), 35; Misera, K., Der Bereicherungsgedanke
bei Schenkungen unter Ehegatten, 1974; Dorn, F., Die Landschenkungen der
fränkischen Könige, 1991; Sticherling, P., Schenkungen in fraudem testamenti,
2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Geschenke erhalten die Freundschaft, hg. v. Grünbart, M., 2009
Scherbengericht →Ostrakismus
Scheren (N.) →Haarscheren
Scherge (M.) Büttel, Gerichtsdiener
Schiedsgericht ist die außerhalb der staatlichen
Gerichtsbarkeit stehende Entscheidungsstelle. Bereits das römische R. kennt
das S. Im Mittelalter erscheint vielleicht unter oberitalienisch-kirchlichem
Einfluss das S. im 13. Jh. in Süddeutschland. Es setzt eine Vereinbarung der
streitenden Teile, sich dem Spruch des Schiedsgerichts zu unterwerfen, voraus.
Das Verfahren ist formlos. Im Laufe der frühen Neuzeit tritt das S. zurück,
wird aber im 19. Jh. (Berlin 1820) durch die Wirtschaft neu belebt. Durch die
deutsche Zivilprozessordnung von 1877/1879 wird der Spruch des Schiedsgerichts
dem Urteil gleichgestellt.
Lit.: Kaser §§ 46 III 1, 80 II; Kroeschell, DRG 1, 2,
3; Köbler, DRG 115; Usteri, E., Das öffentlichrechtliche Schiedsgericht in der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1925; Bader, K., Das Schiedsverfahren in
Schwaben, Diss. Freiburg im Breisgau 1929; Krause, H., Die geschichtliche
Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, 1930; Waser, H., Das
öffentlich-rechtliche Schiedsgericht, 1935; Waser, H., Das zwischenstaatliche
Schiedsgericht, 1960; Quellen zur Schiedsgerichtsbarkeit im Grafenhause Savoyen
1251 bis 1300, bearb. v. Waser, Hans, 1961; Kobler, M., Das
Schiedsgerichtswesen nach bayerischen Quellen des Mittelalters, 1967; Ziegler,
K., Das private Schiedsgericht im antiken römischen Recht, 1971; Lingens, K.,
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und ius publicum Europaeum, 1988; Vom
mittelalterlichen Recht zur neuzeitlichen Rechtswissenschaft, hg. v.
Brieskorn, N. u. a., 1994, 193; Schubel, B., Geschichte und Gegenwart
außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen, 1997; Hölkeskamp, K., Schiedsrichter,
Gesetzgeber und Gesetzgebung, 1999; Kampmann, C., Arbiter und Friedensstifter,
2001; Kamp, H., Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter, 2001;
Meyerhuber, S., Die privilegierte Austragsgerichtsbarkeit der freien
Reichsstadt Weißenburg, 2004; Zieren, Y., Das Schiedsverfahrensrecht der ZPO
(1877-1933, 2013
Schiedsmann
Lit.: Koch, A., Die historische Entwicklung des Schiedsmannswesens in
Preußen von 1808 bis 1900, 2003
Schifffahrt →Seerecht
Lit.: Straub, K., Die Oberrheinschifffahrt im
Mittelalter, Diss. phil. Freiburg im Breisgau 1912; Spieker, H., Die
Schiffsgewalt des Handelsschiffskapitäns im Mittelalter, 1949; Heinsius, P.,
Das Schiff der hansischen Frühzeit, 1956; Huber, R., Die ehemaligen
Schifffahrtsrechte auf Zürichsee, Linth und Walensee, 1958; Olechnowitz, K.,
Der Schiffbau der hansischen Spätzeit, 1960; Kischel, D., Die Geschichte der
Rheinschifffahrtsgerichtsbarkeit, 1990; Schubert, W., Das Schiffssachenrecht
der Kaiserzeit und dessen Reform von 1940, ZRG GA 109 (1992), 209; Pemsel, H.,
Geschichte der zivilen Schifffahrt, Bd. 1ff. 2001ff.; Häfen, Schiffe,
Wasserwege, hg. v. Elmshäuser, K., 2002; Rübner, H., Konzentration und Krise in
der deutschen Schifffahrt, 2005; Göttlicher, A., Seefahrt in der Antike, 2006;
Fimpeler, A., Die Schifffahrt und ihre Fahrzeuge auf dem Niederrhein, 2008;
Förster, T., Große Handelsschiffe des Spätmittelalters, 2009; Maritime
Wirtschaft in Deutschland, hg. v. Hess, S. u. a., 2012; Frankot, E., Of Laws of
Ships and Shipmen, 2012; Murray, W., The Age of Titans, 2012; Wolz, N., Und wir
verrosten im Hafen, 2013; Tölle, I., Integration von Infrastrukturen in Europa
im historischen Vergleich, 2016 (Binnenschifffahrt Rhein)
Schikane (F.) absichtlich errichtetes Hindernis,
mutwillig verursachte Erschwernis (nach § 226 BGB unzulässig, Schikaneverbot)
Schikaneeid →Kalumnieneid
Schilderhebung ist die Erhebung auf einen Schild
als Zeichen der Bestimmung zum Anführer oder König bei den Germanen.
Lit.: Mayer, E., Schilderhebung, ZRG GA 35 (1914),
436; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972
Schilling ist seit dem Frühmittelalter eine
anfangs nicht ausgeprägte Rechnungseinheit für Geld. Seit dem 13. Jh. wird der
S. auch ausgeprägt. Die Geldeinheit wird noch bis 2002 verwendet
(Großbritannien bis 1971, Österreich seit 1925, bis 2002).
Lit.: Köbler, WAS; Baltl/Kocher; Klimpert, R., Lexikon
der Münzen, 1896, Neudruck 1972; Jaekel, H., Die leichten Goldschillinge der
merowingischen Zeit, ZRG GA 43 (1922), 103; Engler, S., Altnordische
Geldwörter, 1991
Schilter, Johann (29. 8. 1632-14. 5. 1705)
wird nach dem Studium von Philosophie und Recht in Jena und Leipzig Verwaltungsbeamter
in Sachsen, 1681 Berater und 1699 (mit 67 Jahren) ordentlicher Professor in
Straßburg. In seinen (lat.) Exercitationes (F.Pl.) ad L libros pandectarum
(1672, Übungen zu den 50 Büchern der Pandekten) verbindet er gemeinrechtliche
Grundsätze mit geschichtlichen Betrachtungen des einheimischen Rechtes. In
seinem (lat.) Thesaurus (M.) antiquitatum Teutonicarum (posthum 1727/1728,
Schatz deutscher Altertümer) bietet er auch ein wertvolles Glossar.
Lit.: Giraud, M., Eloge de Schilter, 1845; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 2 1884,
Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2.
A. 1967, 208
Schinder (M.) Abdecker, Henkersknecht,
Scharfrichter
Lit.: Angstmann, E., Der Henker in der Volksmeinung,
1928, Neudruck 1972, 54; Nowosadtko, J., Scharfrichter, 1994
Schinderhannes (Johannes Wilhelm Bückler) (Miehlen
im Taunus 1778?, um 1780?-Mainz [unter Herrschaft Frankreichs] 21. 11. 1803,
Hinrichtung), Schinderssohn, wird im fahrenden Volk zum Anführer einer 20
Straßenraube, 30 Einbrüche und dreier Morde (130 Straftaten) beschuldigten
Gruppe von (93) Straftätern.
Lit.: Radbruch G./Gwinner, H., Geschichte des
Verbrechens, 1951; Elwenspoek, C., Schinderhannes, 1953; Nacken, E., Die wahre
Geschichte des Johannes Wilhelm Bückler, 1968; Mathy, H., Der Schinderhannes,
1989; Schurke oder Held?, hg. v. Siebenmorgen, H., 1995; Borck, H., Unrecht und
Recht, 2002; Die Mainzer Voruntersuchungsakten gegen die Schinderhannes-Bande,
bearb. v. Fleck, U., 2004 (elektronisches Buch auf CD-ROM); Scheibe, M., Die
Strafjustiz in Mainz und Frankfurt/M. 1796-1803, 2009
Schirm (M.) Schutz
Schisma (N.) Spaltung, Kirchenspaltung (z.
B. 1054, 1378-1417)
Lit.: Bayer, A., Spaltung der Christenheit. Das
sogenannte morgenländische Schisma von 1054, 2004; Ebendorfer, T., Tractatus de
schismatibus, hg. v. Zimmermann, H., 2004; Vom Schisma zu den Kreuzzügen, hg.
v. Bruns, P. u. a., 2005; Eßer, F., Schisma als Deutungskonflikt – Das Konzil
von Pisa und die Lösung des großen abendländischen Schismas (1378-1409), 2019
(papstloses Konzil mit wesentlicher Veränderung der Fronten 1409)
Schlacht ist der mit Waffen ausgetragene
Kampf zweier Heere.
Lit.: Erben, W., Die Schlacht bei Mühldorf 28.
September 1322, 1923; Förster, S./Pöhlmann, M./Walter, D., Schlachten der
Weltgeschichte, 2001; DeVries, K. u. a., Die großen Schlachten des
Mittelalters, 2007
Schlesien an der mittleren und oberen Oder
trägt seinen Namen nach den germanisch-vandalischen Silingen, denen Slawen
folgen. Es untersteht im 10. Jh. Böhmen, danach Polen. 1138 entsteht das
piastische Teilfürstentum S., das mehrfach teilt. Zahlreiche deutsche Siedler
ziehen zu. 1327/1329 unterstellen sich viele schlesische Herzöge Böhmen. 1356
entsteht das Landrecht des Fürstentums Breslau. 1526 gelangt S. mit Böhmen an
→Habsburg. 1742/1744 gewinnt →Preußen im österreichischen
Erbfolgekrieg große Teile Schlesiens von Österreich.. 1910 sind 23% der
Bevölkerung polnischsprachig. 1918/1919 fällt der bei Österreich verbleibende
Rest (Jägerndorf, Teschen, Troppau) an die Tschechoslowakei, 1919 teilweise
bzw. 1945/1990 ganz der zu Preußen gelangte Teil unter Vertreibung der Deutschen
an →Polen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Grünberg, C., Die
Bauernbefreiung, Bd. 1f. 1893; Rachfahl, F., Zur Geschichte der Grundherrschaft
in Schlesien, ZRG GA 16 (1895), 108; Schlesische
Lebensbilder, Bd. 1ff. 1922ff.; Pfitzner, J., Geschichte der Bergstadt
Zuckmantel, 1924; Bretschneider, P., Das Gründungsbuch des Klosters Heinrichau,
1927; Gottschalk, J., Beiträge zur Rechts-, Siedlungs- und
Wirtschaftsgeschichte des Kreises Militsch, 1930; Deutsche Texte aus Schlesien,
hg. v. Bindewald, H., 1935; Goerlitz, T., Das flämische und das fränkische
Recht in Schlesien und ihr Widerstand gegen das sächsische Recht, ZRG GA 57
(1937), 138; Loesch, H. v., Die schlesische Weichbildverfassung der
Kolonisationszeit, ZRG GA 58 (1938), 311; Freitag, D., Das schlesische
Behördenwesen, Diss. jur. Breslau 1937; Goerlitz, T., Die Oberhöfe in
Schlesien, 1938; Frohloff, H., Die Besiedlung des Kreises Neustadt Oberschlesien,
1938; Schilling, F., Ursprung und Frühzeit des Deutschtums in Schlesien, 1938;
Uhtenwoldt, H., Die Burgverfassung in der Vorgeschichte und Geschichte
Schlesiens, 1938; Quellen zur schlesischen Handelsgeschichte bis 1526, Bd. 1
bearb. v. Scholz-Babisch, M. u. a., 1940; Klein, F., Eine bauernrechtliche
Quelle des 15. Jahrhunderts aus Schlesien, ZRG GA 65 (1947), 361; Loesch, H.
v., Beiträge zur schlesischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, 1964; Menzel,
J., Jura ducalia, die mittelalterlichen Grundlagen der Domanialverfassung in
Schlesien, 1964; Loesch, H. v., Verfassungsgeschichte Schlesiens, 3. A. 1961;
Grawert-May, G. v., Das staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens, 1971;
Geschichte Schlesiens, Bd. 2 Die Habsburgerzeit 1526-1740, hg. v. Petry, L. u.
a., 1973; Petry, L., Dem Osten zugewandt, 1983; Higounet, C., Die deutsche Ostsiedlung,
1986; Sommer, F., Die Geschichte Schlesiens, 1987; Kontinuität und Wandel.
Schlesien zwischen Österreich und Preußen, hg. v. Baumgart, P., 1990;
Schlesien, hg. v. Conrads, N., 1994; Hofmann, A., Die Nachkriegszeit in
Schlesien, 2000; Bartosz, J./Hofbauer, H., Schlesien, 2000; Bahlcke, J.,
Schlesien und die Schlesier, 2. A. 2000; Schlesier des 14. bis 20.
Jahrhunderts, hg. v. Herzig, A., 2004; Conrads, N., Schlesien in der
Frühmoderne, 2009; Adel in Schlesien, hg. v. Harasimowicz, J. u. a., Bd. 1f. 2010;
Rüther, A., Region und Identität, 2010; Sikra, M., Die Waffwenschmiede des
„Dritten Reiches“, 2014
Schlesisches Landrecht →Breslauer Landrecht
Schleswig →Schleswig-Holstein
Lit.: Haff, K., Übereinstimmungen im Stadtrechte von
Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939), 277
Schleswig-Holstein ist das aus dem nördlichen
Schleswig und dem südlichen Holstein (zwischen Kiel und Elbe) zusammengesetzte
Land der Bundesrepublik Deutschland. Davon erscheint Holstein um 800 als
nördlicher Teil des Stammesgebiets der →Sachsen. Schleswig ist seit 1232
Herzogtum. 1326 erzwingt der Graf von Holstein den Ausschluss einheitlicher
Herrschaft über Dänemark und Schleswig. 1386 erlangt er Schleswig als Lehen
Dänemarks. Seitdem bleiben Schleswig als Lehen Dänemarks und Holstein als Lehen
des Reiches in fester Verbindung. Seit dem 18. Jh. gehören die Herzogtümer
Schleswig und Holstein zu Dänemark, sind aber verwaltungsmäßig selbständig.
Daraufhin beginnt Dänemark Schleswig von Holstein (Staatsgrundgesetz für die
Herzogtümer Schleswig-Holstein vom 15. 9. 1848) zu trennen. Am 30. 10. 1864
muss Dänemark S. und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten. Deren
gescheiterte gemeinsame Verwaltung löst 1866 das Ende des →Deutschen
Bundes aus. Österreich muss sich mit der Einverleibung Schleswig-Holsteins in
Preußen einverstanden erklären. Nordschleswig kommt 1920 auf Grund einer
Volksabstimmung an Dänemark. Durch Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung
vom 23. 8. 1946 betreffend die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes
Preußen in der britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder
erhält S. eine rechtliche Grundlage als eigenes Land. 1949 wird es Teil der
Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Falck, N., Handbuch des schleswig-holsteinischen Privatrechts, Bd. 1ff.
1825ff.; Kahler, O., Das schleswig-holsteinische Landesrecht, 2. A. 1923; Haff,
K., Die Grenzen der Rechtsgebiete in Schleswig-Holstein, ZRG GA 45 (1925), 413;
Carstens, W., Die Landesherrschaft der Schauenburger, Zeitschrift der
Gesellschaft für schleswig-holsteinische Geschichte 55 (1926), 287;
Hedemann-Heespen, P. v., Die Herzogtümer Schleswig-Holstein und die Neuzeit,
1926; Andresen, L./Stephan, W., Beiträge zur Geschichte der Gottorfer Hof- und
Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1928; Pauls, V., Hundert Jahre Gesellschaft für
schleswig-holsteinische Geschichte, 1933; Jacoby, G., Herzog Johann der Ältere
von Schleswig-Holstein und die Abfassung des Spade-Landesrechts, ZRG GA 55
(1935), 263; Carstens, W., Untersuchungen zur Geschichte des Adels, Zeitschrift
der Gesellschaft für schleswig-holsteinsche Geschichte 63 (1935), 66;
Wohlhaupter, E., Rechtsquellen Schleswig-Holsteins, Bd. 1 1938; Wohlhaupter,
E., Das Recht Schleswig-Holsteins und der Norden, Zs. d. Gesellschaft f.
schleswig-holsteinische Geschichte 70/71 (1943), 49; Wohlhaupter, E., Volkstum
und Recht in Schleswig-Holstein, Kieler Blätter 1943, 67; Hauser, O.,
Staatliche Einheit und regionale Vielfalt in Preußen, 1967; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,526, 3,3,2906; Lange, U., Die politischen
Privilegien der schleswig-holsteinischen Stände, 1980; Herzog Adolfs Urteilbuch
1544-1570, hg. v. Prange, W., 1985; Krech, J., Das schleswig-holsteinische
Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985; Opitz, E., Schleswig-Holstein,
1988; Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, 1988; Rheinheimer, M.,
Dorfwillkür und Obrigkeit im Herzogtum Schleswig, ZRG GA 113 (1996), 377;
Bremicker, S., Schleswig-Holstein als Kondominium, 1994; Die Anfänge des Landes
Schleswig-Holstein, 1997; Werner, N., Die Prozesse gegen die Landvolkbewegung
in Schleswig-Holstein 1929/1932, 2001; Bohn, R., Geschichte Schleswig-Holsteins,
2006; Loebert, S., Die dänische Vergangenheit Schleswigs und Holsteins in
preußischen Geschichtsbüchern, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der
frühen Neuzeit Band 9 Dänemark und Schleswig-Holstein, hg. v. Tamm, D., 2008;
Schubert, W., 175 Jahre Obergerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein, (in)
Schleswig-Holsteinische Anzeigen 2009, 208; Bernstein, A., Die Gebietsreform in
Schleswig-Holstein, 2010; Borup, A., Demokratisierungsprozesse in der
Nachkriegszeit, 2011; Klöster, Stifte und Konvente nördlich der Elbe, hg. v.
Auge, O. u. a., 2013; Bischof, D., Geschichte der Wald- und Forstgesetzgebung
im Bundesland Schleswig-Holstein, 2016
Schlettwein, Johann August (Großobringen bei
Weimar 8. 8. 1731-Dahlen/Mecklenburg 24. 4. 1802) wird nach dem Studium der
Theologie, Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Jena (Darjes) 1763
Hofrat in Baden und Anhänger des Physiokratismus sowie 1777 Professor der
ökonomischen Fakultät in Gießen.
Lit.: Krebs, A., Johann August Schlettwein, 1909;
Johann August Schlettwein, hg. v. Schlettwein, C., 1981
Schlichtung (F.) vereinbarte Streitlösung
Lit.: Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989;
Brauchitsch, I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990
Schloss
Lit.: Merz, W., Schloss Zwingen im Birstal, 1923
Schlözer, August Ludwig (Grafschaft
Hohenlohe 1735-Göttingen 1809) wird nach dem Studium der Theologie in
Wittenberg und der Sprachen, Geschichte und Staatswissenschaften in Göttingen
aufgeklärter Professor in Göttingen.
Lit.: Schlözer, A., Allgemeines Staatsrecht und
Staatsverfassungslehre, 1793; Fürst, F., August Ludwig Schlözer, 1928; Warlich,
B., August Ludwig von Schlözer, Diss. phil. Erlangen 1972
Schlüssel ist das zum Öffnen eines Schlosses
bestimmte Gerät, das als Rechtssymbol verwendet werden kann.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Mandel, G., Der Schlüssel, 1993
Schlüsselgewalt ist die durch den Schlüssel
verkörperte Handlungsgewalt. In der Kirche steht die Gesamtheit der von Jesus
Christus zum Heil der Menschen seiner Kirche gestifteten Gewalten nach Matthäus
16,19 Petrus bzw. seinem Nachfolger zu. In der Ehe hat seit dem Mittelalter die
Frau, jetzt jeder Ehegatte im deutschen Recht die Berechtigung, Geschäfte zur
angemessenen Deckung des Lebensbedarfs einer Familie mit Wirkung auch für den
anderen Ehegatten zu besorgen (Österreich 1978).
Lit.: Hübner 653, 681; Köbler, DRG 122; Rosenfeld, K.,
Die Schlüsselgewalt, 1900; Fehr, H., Die Rechtsstellung der Frau, 1912; Feine,
H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wagner-Ogris, E., Die
dingliche Wirkung der Schlüsselgewalt, 1994
Schlyter, Carl Johann (1795-1888) wird nach
dem Rechtsstudium in Lund 1816 Dozent und 1838 Professor. Er ist Schwedens
erster, von der historischen Rechtsschule geprägter Rechtshistoriker. In 13
Bänden veröffentlicht er die älteren schwedischen Rechtsquellen.
Lit.: Schlyter, C., Samling af Sweriges gamla lagar,
1822ff.; Wissen, T., Minne af Carl Johan Schilter, 1890; Sandström, M., Die
Herrschaft der Rechtswissenschaft, 1898; Sundell, J., Karl Schlyter, 1998
Schmauß, Johann Jacob (Landau/Pfalz 10. 3.
1690-Göttingen 8. 4. 1757) wird nach dem Rechtsstudium in Straßburg und Halle
(Thomasius, Gundling) Hofrat in Baden-Durlach und 1734 Professor für
öffentliches Recht in Göttingen, Halle, Leipzig und Göttingen (1744). Er trennt
das →Naturrecht von der kirchlichen Moral und das Staatsrecht von der
Geschichte. Sein (lat.) Compendium (N.) iuris publici (Handbuch des
öffentlichen Rechtes) dient der praktischen Verbesserung der juristischen
Ausbildung.
Lit.: Pütter, J., Versuch einer academischen
Gelehrtengeschichte, Bd. 2 1788; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Ius und Historie, 1972; Sellert, W., Johann
Jakob Schmauß, JuS 25 (1985), 843
Schmerzensgeld (Wort 1811, Schmerzengeld 1689) ist die Entschädigung in Geld für
einen immateriellen Schaden. Seit dem 17. Jh. wird im Heiligen römischen
Reich unter Fortführung einheimischer
Vorstellungen auch der bei Körperverletzung entstehende Schmerz durch einen
Vermögenswert ausgeglichen. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
beschränkt den Geldersatz bei Nichtvermögensschäden auf besonders benannte
Tatbestände (§§ 253, 847 BGB). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird von der
Rechtsprechung S. entgegen der gesetzlichen Vorschrift unter Berufung auf das
deutsche Grundgesetz auch bei bisher nicht erfassten Rechtsgüterverletzungen
gewährt.
Lit.: Köbler, DRG 166, 217, 271; Schneider,
E./Biebrach, J., Schmerzensgeld, 1994; Walter, U., Geschichte des
Schmerzensgeldanspruchs bis zum BGB, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schmitt, Carl bzw. eigentlich Karl (Plettenberg
11. 7. 1888-Plettenberg 7. 4. 1985, Vater Krankenkassenverwalter) wird nach dem
Rechtsstudium in Berlin, München und Straßburg sowie der Promotion in Straßburg
bei Fritz van Calker (Über Schuld und Schuldarten, 1910), der Habilitation in
(der Reichsuniversität) Straßburg (Der Wert des Staates, 1916, seit dem
Sommersemester 1916 Vorlesungen,, für das Sommersemester 1918 eine Vorlesung
über Strafrecht angekündigt), der Versetzung des Unteroffiziers Schmitt von dem
stellvertretenden Generalkommando des 1. bayerischen Armeekorps in München zur
Stadtkommandantur am 1. 4. 1919 , der Entlassung aus dem aktiven Heeresdiuenst
zum 30. 6. 1919 und einer kurzen, von Moritz Julius Bonn angetragenen
Lehrtätigkeit (1919) an der Handelshochschule München Professor für Staatsrecht
in Greifswald (1921), Bonn (1922), Berlin (1928 Handelshochschule), Köln (1933)
und zum Wintersemester 1933/1934 (Oktober 1933) Berlin. 1931 sieht er als
alleinigen Hüter der Verfassung den Reichspräsidenten an. Im Prozess Preußens
gegen das Reich im Juli 1932 ist ihm in Verbindung mit Kurt von Schleicher die
Wiederherstellung geordneter Verhältnisse das Ziel. Mit der nationalsozialistischen
Machtergreifung wird in unklarer Motivation eine umfassende Änderung der
Einstellung erkennbar. 1933 wird er Mitglied der →Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, 1934 Herausgeber der vom (jüdischen) Verlag Otto
Liebmann durch Verkauf an den C. H. Beck Verlag gelangten Deutschen Juristenzeitung.
Unter betonter Ablehnung des liberalen Rechtsstaats der durch Parteienzersplitterung
gekennzeichneten Weimarer Republik rechtfertigt er die nationalsozialistische
Ordnung und bejaht die antidemokratische Selbstbehauptung des starken Staates
als Alternative zum Untergang. 1937 legt er seine Parteiämter nieder. 1945
verliert er (mit 57 Jahren) sein Lehramt, bleibt aber trotz erheblicher
Widerstände (z. B. des früheren Assistenten Ernst Friesenhahn) über Schüler im
Gespräch. Sein vor allem in Tagebüchern dargestelltes persönliches Leben ist
erkennbar besonders durch Alkohol und Sexualität beeinflusst.
Lit.: Schmitt, C., Verfassungslehre, 1928; Schmitt,
C., Legalität und Legitimität, 1932, 8. A. 2012; Schmitt, C., Über die drei
Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, 1934; Festschrift für Carl Schmitt,
hg. v. Barion, H. u. a., 1959; Hofmann, H., Legitimität gegen Legalität, 1964,
3. A. 1995; Bendersky, J., Carl Schmitt, 1983; Rüthers, B., Carl Schmitt im
Dritten Reich, 2. A. 1990; Noack, P., Carl Schmitt, 1993; Koenen, A., Der Fall
Carl Schmitt, 1995; Rüthers, B., Altes und Neues von und über Carl Schmitt, NJW
1996, 896; Begemann, R., Das Privatrecht im Werk von Carl Schmitt, Diss. jur.
Göttingen 1997; Dahlheimer, M., Carl Schmitt und der deutsche Katholizismus,
1998; Hernandez Arias, J., Donoso Cortes und Carl Schmitt, 1998; Hans Kelsen
und Carl Schmitt, hg. v. Diener, D. u. a., 1999; Blindow, F., Carl Schmitts
Reichsordnung, 1999; Rüthers, B., Immer noch Neues zu Carl Schmitt?, NJW 1999,
2861; Lutz, B., Carl Schmitt und der Staatsnotstandsplan, 1999; Gross, R., Carl
Schmitt und die Juden, 2000; Schmitt, C., Antworten in Nürnberg, hg. v.
Quaritsch, H., 2000; Seiberth, G., Anwalt des Reiches, 2001; Blasius, D., Carl
Schmitt, 2001; Schmittiana, hg. v. Tommissen, P., Bd. 1ff. 1990ff.; Benoist, A.
de, Carl Schmitt. Bibliographie, 2003; Müller, J., A Dangerous Mind, 2003;
Thiele, U., Advokative Volkssouveränität, 2003; Meier, H., Die Lehre Carl
Schmitts, 2. A. 2004; Schmitt, Carl – Die Militärzeit 1915-1919, hg. v.
Hüsmert, E. u. a., 2005; Kortüm, H., Wissenschaft im Doppelpass? Carl Schmitt;
Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, HZ 282 (2006), 584; Mueller, J.,
Ein gefährlicher Geist, 2007, 2. A. 2011; Großraum-Denken, hg. v. Voigt, R.,
2008; Mehring, R., Carl Schmitt, 2009; Blasius, D., Carl Schmitt und der 30.
Januar 1933, 2009; Benoist, A. de, Carl Schmitt, 2010; Waldstein, T. v., Der
Beutewert des Staates, 2010; Schmitt, C., So lange das Imperium da ist, hg. v.
Hertweck, F., 2010; Freund-Feind-Denken, hg. v. Voigt, R., 2011; Jakob Taubes –
Carl Schmitt. Briefwechsel mit Materialien, hg. v. Kopp-Oberstebrink, H. u. a.,
2012; Carl Schmitt und die Öffentlichkiet, hg. v. Burkhardt, K., 2013; Mehring,
R., Kriegstechniker des Begriffs, 2014; Carl Schmitt – Ernst Rudolf Huber
Briefwechsel 1926-1981, hg. v. Grothe, E., 2014; Schmitt, C., Der Schatten
Gottes – Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924, 2014; Neumann,
V., Carl Schmitt als Jurist, 2015; Mehring, R., Carl Schmitt. Denker im
Widerstreit, 2017
Schmuggel ist das unerlaubte Verbringen von Waren ohne
Zollzahlung über eine (Zoll-)Grenze.
Lit.: Jarren, V., Schmuggel und Schmuggelbekämpfung in den preußischen
Westprovinzen 1818-1854, 1992
Schöffe ist in der Gegenwart der
ehrenamtliche Richter. Der S. erscheint zwischen 770 und 780 im fränkischen
Reich (Italien 774), als Karl der Große je sieben geschworene Schöffen
(lat.-afrk. M.Pl.
scabini) anstelle der älteren →Rachinburgen zum alleinigen Abgeben von
Urteilsvorschlägen bestimmt. In der Folge setzt sich der S. als Urteiler durch
(meist 7, 12, 14 oder 24 Schöffen). In der frühen Neuzeit verschwinden in den
meisten Gerichten allmählich die ungelehrten Schöffen, während der vom
Landesherrn abhängige, beamtete, gelehrte Berufsrichter, der nicht nur den
Vorsitz führt (richtet), sondern auch die Entscheidung trifft (urteilt), seinen
Einzug hält. Im 19. Jh. belebt der Liberalismus den Schöffen als ehrenamtlichen
Richter neben dem gelehrten Berufsrichter wieder im →Schwurgericht bzw.
→Schöffengericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 86, 114, 116,
117, 118, 154; Köbler, WAS; Brunner, H., Forschungen zur Geschichte, 1894, 248;
Mayer, E., Hansa, Schöffe, Pfahlbürger, Mulefe (Maulaffe), Jodute (Roland), ZRG
GA 44 (1924), 291; Althoffer, B., Les scabins, 1938; Kern, E., Die
Gerichtsbeisitzer, FS W. Sauer, 1949, 71; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni
homines, 1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Hagemann, H.,
Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau, P.,
Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in) The
Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Ebel, F., Die Magdeburger Schöppen
und das Kirchenrecht, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 64
Schöffenbarfreier ist nach dem →Sachsenspiegel
(1221-1224) Eike von Repgows der zur Schöffentätigkeit geeignete (und damit
schöffenbare) Freie. Die Zahl der Quellenbelege ist gering. Die Abgrenzung von
Ministerialen einerseits und Edelfreien oder Vollfreien andererseits ist nicht
überzeugend zu bewältigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Zallinger, O. v., Die
Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels, 1887; Heck, P., Der Sachsenspiegel und
die Stände der Freien, 1905; Kroeschell, K., Rechtsaufzeichnungen und Rechtswirklichkeit,
(in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 349
Schöffenbuch ist das von Schöffen seit dem
Spätmittelalter z. B. über Urteile geführte Buch.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Schulze, A., Das Schöffenbuch
der Gemeinde Niederhalbendorf bei Schönberg O.-L., Neues lausitzisches Magazin
101 (1925), 33; Das Schöffenbuch der Dorfgemeinde Krzemienica aus den Jahren
1451-1482, hg. v. Doubek, F. u. a., 1931; Schubart-Fikentscher, G., Das
Eherecht im Brünner Schöffenbuch, 1935; Hinz, B., Die Schöppenbücher der Mark
Brandenburg, 1964
Schöffengericht ist das (seit Karl dem Großen) mit
→Schöffen besetzte Gericht, insbesondere das im 19. Jh. auf Grund der
Wiederbelebung des in der frühen Neuzeit mehr oder weniger erloschenen Laienrichtertums
mit Schöffen neben Berufsrichtern besetzte Gericht am Amtsgericht für kleinere
Straffälle mit Straferwartungen bis zu 4 Jahren Haft. Im am 15. 6. 1920 für
Österreich geschaffenen Schöffengericht urteilen Berufsrichter und Laienrichter
als einheitliches Gericht über Schuld und Strafe.
Lit.: Köbler, DRG 203, 234; Sickel, W., Die Entstehung
des Schöffengerichts, ZRG GA 6 (1885), 1; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1954; Hadding, G., Schwurgerichte in Deutschland,
1974; Hagemann, H., Zur Krise spätmittelalterlicher Schöffengerichtsbarkeit,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 89; Landau,
P., Schwurgerichte und Schöffengerichte in Deutschland im 19. Jahrhundert, (in)
The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241; Lieber, N., Schöffengericht
und Trial by Jury, 2010
Schöffenrecht →Magdeburger Schöffenrecht
Schöffenspruch ist das von Schöffen durch Spruch
gefällte Urteil.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 105; Tomaschek,
J., Der Oberhof Iglau in Mähren, 1868; Kisch, H., Schöffenspruchsammlungen, ZRG
GA 39 (1918), 346; Leipziger Schöffenspruchsammlung, hg. v. Kisch, G., 1919;
Granzin, M., Schöffenspruchsammlung in einer Torgauer Handschrift, ZRG GA 54
(1934), 244; Magdeburger Schöffensprüche für die Hansestadt Posen, hg. v.
Goerlitz, T., 1944; Gudian, G., Die Begründung in Schöffensprüchen des 14. und
15. Jahrhunderts, 1960; Ebel, F., Unseren fruntlichen grus zuvor, hg. v. Fijal,
A. u. a., 2004
Schöffenstuhl (mnd. Schöppenstuhl) ist die
Bezeichnung für das Schöffengericht im Heiligen römischen Reich, das teilweise
als Oberhof tätig wird (z. B. Halle, Leipzig, Jena). Der S. zu Halle endet 1863
wegen Unterschreitens der Mindestmitgliederzahl von drei Schöffen, der zu Jena
1882.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Stölzel, A., Die Entwicklung
der gelehrten Rechtsprechung, Bd. 1 1901; Vollert, M., Der Schöppenstuhl zu
Jena, Z. d. Ver. thür. Gesch. N.F. 28 (1929), 189; Boehm, E., Der Schöppenstuhl
zu Leipzig, Z. f. d. ges. StrafRWiss. 59 (1940), 371ff.; Buchda, G.,
Schöffenstuhlsiegel, ZRG GA 61 (1941), 257; Buchda, G., Zur Geschichte des
hallischen Schöppenstuhls, ZRG GA 67 (1950), 416; Kriebisch, A., Die
Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, Diss. jur. Jena 2007
Schola
Lit.: Mayer, E., Schola-skola, ZRG GA 32 (1911), 316;
Mayer, E., schola-skola, ZRG GA 33 (1912), 482
Scholastik ist die seit dem Frühmittelalter in
kirchlichen Schulen (z. B. Laon, Paris) entwickelte Art, die bisher nur weitergegebenen
christlichen Glaubensinhalte mit einer besonderen Methode neu zu durchdenken
(Denkform). Die scholastische (dialektische) Methode der Wissensbehandlung
ist gekennzeichnet durch klares Herausarbeiten der Frage, scharfe Abgrenzung
und Unterscheidung von Begriffen, logisch geformte Beweise und Erörterungen der
Gründe und Gegengründe (z. B. Anselm von Canterbury, Robert Grosseteste,
Gratian, Anselm von Laon, Hugo von Sankt Viktor, Wilhelm von Conches, Thierry
von Chartres, Peter Abaelard 1079-1142, Gilbertus Porretanus, Petrus Lombardus,
Johannes von Salisbury, Vacarius, Peter von Blois). Den Höhepunkt der S. bilden
die Arbeiten des italienischen Dominikaners Thomas von Aquin (1225-1274).
Überwunden wird die S. durch →Nikolaus von Kues (1401-1464). Die S. wirkt
sich auch auf die mittelalterliche Rechtswissenschaft aus.
Lit.: Söllner §§ 3, 25; Köbler, DRG 99; Kantorowicz,
H., Albertus Gandinus, Bd. 1f. 1907ff.; Thieme, H., Natürliches Privatrecht und
Spätscholastik, ZRG GA 70 (1953), 230; Grabmann, M., Die Geschichte der
scholastischen Methode, Bd. 1f. 1909ff., Neudruck 1957; Nufer, G., Über die
Restitutionslehre der spanischen Spätscholastiker, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1969; Otte, G., Dialektik und Jurisprudenz, 1971; Weigand, R., Die
Rechtslehre der Scholastik, Ius canonicum 16 (1976), 61; Schönberger, G., Was
ist Scholastik?, 1991; Southern, R., Scholastic Humanism and the Unification of
Europe, 1995ff.; Leinsle, U., Einführung in die scholastische Theologie, 1995;
Die Ordnung der Praxis, hg. v. Grunert, F./Seelmann, K. 2001; Brasington, B.,
Ways of mercy - the Prologue of Ivo of Chartres, 2004; Repgen, T., Recht und
Religion – Spätscholastik und Privatrecht, ZRG GA 132 (2015), 23; Schlag, M.,
Moraltheologische Vor- und Rahmenbedingungen der spätscholastischen
Wirtschaftsethik, ZRG GA 132 (2015), 82; König, K., Begnadete Freiheit – Anselm
von Canterburys Freiheitstheorie, 2016; Decock, W./Birr, C., Recht und Moral in
der Scholastik der frühen Neuzeit (1500-1750), 2016Rexroth, F., Fröhliche
Scholastik, 2018
Scholia (N.Pl.) Sinaitica (lat. sinaitische Erklärungen) ist
der Name des im Sinaikloster überlieferten, von der
antiquarisch-klassizistischen Richtung der oströmischen spätantiken
Jurisprudenz vermutlich in Beryt geschaffenen Kommentars zu Ulpian, libri ad
Sabinum (Bücher zu Sabinus) mit Hinweisen auf Parallelstellen in anderen
Texten.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Krüger, H., Geschichte der Quellen und Literatur, 2. A. 1912, 362
Schollenbindung (F.) Bindung eines Menschen an ein von
ihm zu bewirtschaftendes Grundstück (z. B. römischer colonus, frühneuzeitlicher
Leibeigener), die spätestens an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
verschwindet.
Schonen im Süden Schwedens, aber bis 1658
zu Dänemark gehörig, überliefert in zahlreichen Handschriften ein zwischen 1202
und 1216 abgefasstes, in seiner ältesten Handschrift in 241 Kapitel geteiltes
→Rechtsbuch (Schonisches Landrecht, Skanske Lov, Skanelagen) eines
unbekannten Verfassers in altdänischer Sprache. Eine lateinische Summe hierzu
in 150 Kapiteln (str.) ist der (lat.) Liber (M.) legis Scaniae (Rechtsbuch
Schonens) des Lunder Erzbischofs Andreas Sunesson von 1202 bis 1216. Neben dem
Schonischen Landrecht steht ein schonisches Kirchenrecht (von 1171?). Ein
schonisches Stadtrecht (biaerkeraett) in 54 Kapiteln stammt vielleicht aus der
ersten Hälfte des 13. Jh.s.
Lit.: Andersson, I., Skanes Historia, 1947ff.; Amira,
K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960, 88, 94; Anders
Sunesen, hg. v. Ebbesen, S., 1985, 243; Hafström, G., De svenska rättskällornas
historia, 1978
Schönfelder, Heinrich (1902-1942), 1934
Amtsgerichtsrat, ist der Begründer der wichtigsten privaten Gesetzessammlung
des Privatrechts und Strafrechts in Deutschland im 20. Jh. (1932) und Begründer
der Lernbuchreihe Prüfe dein Wissen (1929ff.)
Lit.: Wrobel, H., Heinrich Schönfelder. Sammler
Deutscher Gesetze 1902-1944, 1997
Schorndorf
Lit.: Palm, G., Geschichte der Amtsstadt Schorndorf, 1959
Schoß (1) ist der von Unterbauch und
Oberschenkel gebildete Teil des menschlichen Körpers, der rechtssymbolisch verwendet
werden kann (z. B. in oder auf den S. setzen, werfen oder fallen).
Lit.: Hübner 765; Grimm, J., Deutsche
Rechtsaltertümer, 1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Schoß (2) ist der mittelalterliche Name
für eine Abgabe oder Steuer.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939,
2. A. 1963, 60
Schottland ist der nördliche Teil der
britischen Hauptinsel mit einigen vorgelagerten Inseln. S. ist im
Frühmittelalter (um 850) ein eigenes Königreich, dessen Sitz am Ende des 11.
Jh.s Edinburgh wird und das 1174 die Lehnshoheit des Königs von →England
anerkennen muss. 1328 wird die Unabhängigkeit zurückgewonnen. Seit 1426 gibt
es einen Court of Session, ein ständiges Gericht mit enger Verflechtung
zunächst zum Parlament, dann zum königlichen Rat, das die Aufnahme des
römischen Rechtes fördert. 1532 wird (vielleicht auf Grund des Erfolgs) ein
College of Justice errichtet, mit dem die Teilnahme an der Session auf
bestimmte Räte beschränkt wird. 1603 wird der aus dem Hause →Stuart
stammende König auch König von →England. Beide Königreiche werden in
→Personalunion, seit 1707 in →Realunion miteinander verbunden. Nach
einer Volksabstimmung (1997) erhält S. zum 1. 1. 2000 wieder ein eigenes
Parlament in Edinburgh mit Zuständigkeiten für Gesundheit, Wohnungsbau,
Justiz, Verkehr, Landwirtschaft und Bildung. (Zentral bleibt die Verantwortung
für Außenpolitik, Verteidigung, soziale Sicherheit und makroökonomische
Fragen). Das schottische Recht ist stärker römischrechtlich beeinflusst.
Lit.: Stair, J., The institutions of the law of
Scotland, 1693; Stein, P., The Influence of Roman Law on the Law of Scotland,
SDHI 23 (1957), 149; Willock, J., The origins and development of the jury in
Scotland, 1966; The acts and constitutions of the realm of Scotland, hg. v.
Luig, K., 1971; Regiam maiestatem. Scotiae veteres leges et constitutiones, hg.
v. Luig, K., 1971; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,62,989,
2,2,501,1431; Luig, K., Sammelbericht Schottische rechtshistorische Literatur
der Jahre 1958-1975, ZRG GA 93 (1976), 546; Kellas, J., The Scottish political
system, 3. A. 1983; Sager, P., Schottland, 5. A. 1985; Walker, D., The Scottish
Jurists, 1985; Gouldesbrough, P., Formulary of Old Scots Legal Documents, 1985;
Sellar, W., Legal History in Scotland, ZNR 1987; Walker, D., A Legal History of
Scotland, 1988ff. Bd. 1ff.; Marshall, E., General principles of Scots law, 6. A.
1995; Whyte, I., Scotland before the Industrial Revolution, 1995; The Civilian
Tradition and Scots Law, hg. v. Carey Millar, D. u. a., 1997; Ditchburn, D.,
Scotland and Europe, 2001; Ford, J., Law and Opinion in Scotland, 2007; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 969; Rössner, P., Scottish Trade in the Wake of Union,
2008; Maurer, M., Kleine Geschichte Schottlands, 2008; Godfrey, A.,
Civil Justice in Renaissance Scotland. The Origins of a Central Court, 2009;
Fraser, J., From Caledonia to Pictland, 2010; Finlay, J., The community oft he
College of Justice, 2012; Finlay, J., Legal Practice in eighteenth-century
Scotland, 2015
Schra (F.) Haut (als Beschreibstoff für
eine Rechtsquelle)
Lit.: Schlüter, W., Die Nowgoroder Schra, 1911; Dusil,
S., Die Soester Stadtrechtsfamilie, 2007
Schranne (F.) Bank, Verkaufsstand
Schreiber ist der Hersteller der
geschriebenen Fassung eines Textes. Im Altertum sind S. vielfach gelehrte
Sklaven. Im Frühmittelalter ist der S. zumindest seit dem 8. Jh. grundsätzlich
Geistlicher. Im Hochmittelalter stellen insbesondere die Städte eigene S. ein
(in Freiburg im Breisgau z. B. seit 1293 namentlich bekannt). Mit der
allgemeinen Ausbreitung der Schreibkenntnisse seit der frühen Neuzeit wird der
S. an vielen Stellen überflüssig. Für das Recht sind insbesondere die
Urkundenschreiber, dann die Stadtschreiber und seit dem Spätmittelalter die
Gerichtsschreiber bedeutsam.
Lit.: Heuberger, R., Fränkisches Pfalzgrafenzeugnis
und Gerichtsschreibertum, MIÖG 41 (1926), 46; Liermann, H., Richter, Schreiber,
Advokaten, 1957; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960;
Breiter, E., Die Schaffhauser Stadtschreiber, 1962; Elsener, F., Notare und Stadtschreiber,
1962; Brod, W., Fränkische Schreibmeister und Schreibkünstler, 1968; Thiele,
F., Die Freiburger Stadtschreiber im Mittelalter, 1973; Mazal, O., Lehrbuch der
Handschriftenkunde, 1986; Hoheisel, P., Die Göttinger Stadtschreiber, 1998
Schrein
Lit.: Lemberg, M., Item sant Elizabeth im Kasten, 2013
Schreinsbuch →Schreinskarte
Schreinskarte ist seit dem Hochmittelalter die im
Heiligenschrein verwaltete Urkunde über ein Grundstücksgeschäft. Sie erscheint
seit etwa 1130 in Köln (Laurenz I), wo sich 1473 insgesamt 23 Schreine
befinden. Sie soll im Streitfall den Beweis erleichtern. Im Laufe der Zeit
(1220-1240) werden die Schreinskarten in Schreinsbücher überführt. Seit dem
15. Jh. bildet die Eintragung eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des zugehörigen
Rechtsgeschäfts. 1798 endet die Überlieferung. Erhalten sind 68
Schreinskarten und 535 Schreinsbücher. →Grundbuch
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 125; Kölner
Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts, hg. v. Hoeniger, R., Bd. 1f. 1884ff.;
Beyerle, K., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens, ZRG GA 51 (1931), 318;
Planitz, H., Konstitutivakt und Eintragung, FS A. Schultze, 1934, 175; Conrad,
H., Liegenschaftsübereignung und Grundbucheintragung in Köln, 1935;
Schönrath, P., Das Deutzer Schreinsbuch, 1936; Die Kölner Schreinsbücher, hg.
v. Planitz, H. u. a., 1937; Groten, M., Die Anfänge des Kölner Schreinswesens,
Jb. d. Kölner Gesch. Ver. 56 (1985), 1; Regesten der Urkunden des
Amtleutearchivs St. Columba in Köln, bearb. v. Diederich, T., 2009
Schrift (Wort Schriftform 1886) ist die Gesamtheit sichtbarer
Linien (und Punkte) zur dauerhaften Wiedergabe menschlicher Sprache. Ihre nach
älteren, wohl ab 30000 v. Chr. entstandenen Bildern entstandenen ersten
bildlichen Vorstufen entwickeln sich um 6000 v. Chr. (Knochenritzungen und
Stempelsiegel der mesopotamischen Hassunakultur des späten 7. Jt. v. Chr.,
Vinca-Kultur um Serbien, um 4000 v. Chr. ersatzlos untergegangen, dann
Keilschrift der Sumerer um 3000 v. Chr. bzw. im späten 4. Jt. v. Chr. als anfängliche
Bilderschrift, später Silbenschrift und Konsonantenschrift bis 400 v. Chr.,
Hieroglyphen in Ägypten von 3200 v. Chr. -300 n. Chr. aus Lautzeichen,
Deutzeichen und Bildzeichen mit anfangs 700 später 7000 Zeichen). Der Übergang
vom gesprochenen zum geschriebenen Wort (wohl der um 1000 v. Chr. bezeugten,
linksläufigen noch vokallosen Konsonantenschrift der Phönizier am Ostrand des
Mittelmeers mit den 22 Zeichen Aleph, Beth, Gimel, Daleth, He, Waw, Zajin,
Chet, Tet, Jod, Kaph, Lamed, Mem, Nun, Samech, Ajin, Pe, Zade, Qoph, Resch,
Schin, Taw für 22 unterschiedene Laute, erste echte Alphabetschrift) erfolgt
bei Puniern, Aramäern, Griechen und Römern schon früh, während die Germanen
über Anfänge (Runen) kaum je hinausgelangen. Bereits die Zwölftafelgesetze
Roms (451/450 v. Chr.) sind schriftlich (in Großbuchstaben und ohne
Worttrennung) veröffentlicht. In der römischen Kultur ist die Schrift
(vielfach auf Wachstafeln oder Papyrus) selbverständlich. Dieser Stand wird
nach frühmittelalterlichen, neben den Großbuchstaben auch Kleinbuchstaben
(karolingische Minuskel um 800) verwendenden und Sätze und Wörter voneinander
trennenden Anfängen, in denen schon früh Recht (lateinisch) (auf Pergament)
verschriftlicht wird (→Volksrechte) und seit dem 10. Jh. beispielsweise
in Venedig die Verwendung von S. erkennbar zunimmt, vielleicht im 13. Jh. (mit
[Neu-]Entwicklung einer Kursivschrift in Gestalt der Geschäftsschrift der
gotischen Kursive) wieder erreicht, wobei seit dem ausgehenden 13. Jh.
allmählich (das wohl schon vor Christi Geburt in China erfundene) Papier zum
vorherrschenden Schriftträger wird. Seitdem wird Schriftlosigkeit allmählich
zu einem abwertenden Merkmal. Um 1500 können etwa 2-6 % der Bevölkerung lesen
und schreiben (Phänomen der Zweischriftigkeit nach Entwicklung der Humanistenschrift
Antiqua seit dem 14./15. Jahrhundert). Seit dem 15. Jh. erfolgt die
Vervielfältigung von Schrift durch den Druck, seit dem 19. Jh. das durch
Schulpflicht verallgemeinerte Schreiben mit Hilfe von Maschinen und seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s (1980ff.) mit Hilfe der komprimierenden,
fazilisierenden und globalisierenden Elektronik. Verschiedentlich bedarf ein
rechtliches Verhalten zu seiner Wirksamkeit der S. Innerhalb eines Textes des
Deutschen hat a eine Häufigkeit von 6,51 Prozent, b 1,68 Prozent, c 3,06
Prozent, d 5,09 Prozent, e 17,39 Prozent, f 1,66 Prozent, g 3,01 Prozent, h
4,76 Prozent, i 7,55 Prozent, j 0,27 Prozent, k 1,21 Prozent, l 3,44 Prozent, m
2,53 Prozent, n 9,78 Prozent, o 2,51 Prozent, p 0,79 Prozent, q 0,02 Prozent, r
7 Prozent, s 7,27 Prozent, t 6,15 Prozent, u 4,35 Prozent, v 0,67 Prozent, w
1,89 Prozent, x 0,03 Prozent, y 0,04 Prozent und z 1,13 Prozent.
Lit.: Kaser §§ 7 IV, 87 II; Köbler, DRG 3, 9, 14, 79,
98, 108; Santifaller, L., Beiträge zur Geschichte der Beschreibstoffe im
Mittelalter, 1953; Hajnal, I., L’enseignement de l’écriture, 1954; Recht und
Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977; Bischoff, B., Paläographie,
2. A. 1986; Trost, V., Skriptorium, 1991; Haarmann, H., Universalgeschichte
der Schrift, 2. A. 1991; Schrift und Schriftlichkeit, hg. v. Günther, H. u. a.,
1994; Wenzel, H., Sehen und Hören, 1995; Nissen, H., Geschichte
Altvorderasiens, 1999; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Haarmann,
H., Geschichte der Schrift, 2002; Hoffmann, H., Schreibschulen des 10. und 11.
Jahrhunderts im Südwesten, 2004; Ludwig, O., Geschichte des Schreibens, Bd. 1
2005; Stein, P., Schriftkultur, 2006, 2. A. 2010; Beck, F. u. a., Die
lateinische Schrift, 2007; Schrifträume, hg. v. Kiening, C. u. a., 2008;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Bollwage, M., Buchstabengeschichte(n), 2010, 2. A. 2015; Robinson, A.,
Bilder, Zeichen, Alphabete - Die Geschichte der Schrift, 2013; Zauzich, K.,
Hieroglyphen mit Geheimnis – Neue Erkenntnisse zur Entstehung unseres
Alphabets, 2015; Kuckenburg, M., Eine Welt aus Zeichen – Die Geschichte der
Schrift, 2015; Schreiben Digital, hg. v. Dürscheid, C. u. a., 2016
Schriftform ist die durch →Schrift zu wahrende
→Form menschlichen Verhaltens.
Schriftlichkeit ist das in →Schrift
Gehaltensein. Die S. (Literalität) löst im Verlauf der Geschichte in vielen
Bereichen die ältere Mündlichkeit (Oralität) teilweise ab (z. B.
Zwölftafelgesetz 451/450 v. Chr., Volksrechte 475ff., Urkunden über einzelne
Rechtsgeschäfte). Vielleicht ist der 1215 auf dem vierten Laterankonzil
festgelegte Protokollierungszwang ein wichtiger Schritt in der weiteren
Entwicklung. Die S. als Verfahrensgrundsatz setzt sich im gelehrten
Zivilprozess des Spätmittelalters durch (lat. →quod non est in actis non
est in mundo, was nicht in den Akten ist, ist nicht auf der Welt). Der
Liberalismus des 19. Jh.s drängt die S. im Verfahren zumindest der Idee nach
zurück. Tatsächlich steigt aus Beweisgründen auch im ausgehenden 20. Jh. die
Bedeutung der S. noch. Für die Gesetzgebung bzw. die Gesetze ist seit dem 19.
Jh. die Veröffentlichung in einem Gesetzblatt und damit die Verschriftlichung
allgemein grundlegende Entstehungsbedingung bzw. Geltungsvoraussetzung.
Lit.: Köbler, DRG 79; Nörr, K., Reihenfolgeprinzip,
Terminsequenz und „Schriftlichkeit“, ZZP 85 (1972), 160; Damrau, J., Die
Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Prosser, M., Spätmittelalterliche
ländliche Rechtsaufzeichnungen am Oberrhein, 1991; Pragmatische
Schriftlichkeit im Mittelalter, hg. v. Keller, H. u. a., 1992; Schriftlichkeit
im frühen Mittelalter, hg. v. Schaefer, U., 1993; Schrift und Schriftlichkeit,
hg. v. Günther, H. u. a., 1994; Schriftlichkeit und Lebenspraxis, hg. v.
Keller, H. u. a., 1999; Als die Welt in die Akten kam, hg. v. Lepsius, S. u.
a., 2007; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007; Meder, S., Schriftlichkeit,
Papier und Recht, ZRG GA 132 (2015), 219
Schriftsasse ist der im Gerichtsstand erster
Instanz dem Hofgericht oder einer anderen Zentralbehörde zugeordnete
→Landsasse.
Schriftsässigkeit ist die bevorrechtigte unmittelbare
Unterstellung eines Menschen (oder einer Sache) unter die obere landesherrliche
Behörde vom Spätmittelalter (etwa 1440) bis zum 19. Jh. (1848-1871).
Lit.: Kern, E., Geschichte des Gerichtsverfassungsrechts,
1954; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Schrobenhausen
Lit.: Hamann, S., Schrobenhausen, 1977
Schröder, Richard (Treptow a. d. Tollense 19.
6. 1838-Heidelberg 3. 1. 1917), Vater Justizrat, später Rechtsanwalt (Studium
in Göttingen und Berlin, Selbsttötung), wird nach dem Rechtsstudium in Berlin
(Richthofen, Homeyer, Beseler, Gierke) und kurz in Göttingen 1866 außerordentlicher
Professor in Bonn und 1872 ordentlicher Professor in Würzburg, 1882 in
Straßburg, 1885 in Göttingen und 1888 in Heidelberg. Er verfasst die Geschichte
des ehelichen Güterrechts (1869ff.) und ein erfolgreiches Lehrbuch der
deutschen Rechtsgeschichte (1884ff.).
Lit.: Stutz, U., Richard Schröder, ZRG GA 38 (1917),
VII; Webler, M., Leben und Werk des Heidelberger Rechtslehrers Richard Carl
Heinrich Schroeder, 2005
Schulchan ‘Arukh →Karo
Schuld (Wort um 765 belegt) ist einerseits die Bewertung eines
Verhaltens als vorwerfbar (Verschulden), andererseits ein Verpflichtetsein zu
einem Verhalten (Leistensollen). Die Vorwerfbarkeit wird grundsätzlich dort
unbeachtet gelassen, wo das Eintreten eines Erfolgs bereits eine Folge nach
sich zieht. Von daher könnte von einem erst allmählichen Entstehen des Verschuldens
auszugehen sein. Verpflichtungen zur Leistung kennt schon das altrömische
Recht. Innerhalb des Verschuldens wird im Laufe der Zeit zwischen Vorsatz und
Fahrlässigkeit und weiteren Unterteilungen (unbedingter →Vorsatz, bedingter
Vorsatz, grobe →Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit) unterschieden.
Bei den Verpflichtungen nimmt insbesondere ihre Zahl ins Unübersehbare zu.
Streitig bzw. unklar ist das Verhältnis von S. als Leistensollen und
→Haftung als Einstehenmüssen, insbesondere, ob in älteren Zeiten jede
Schuld eine Haftung nach sich zieht oder ob neben jeder Schuld zusätzlich
Haftung durch besonderes Geschäft begründet werden muss.
Lit.: Kaser § 32 II 5; Hübner 493; Kroeschell, DRG 2,
3; Köbler, DRG 15, 26, 35, 42, 49, 62, 63, 91, 116, 126, 163, 166, 204, 213,
240, 263, 269; Löffler, A., Die Schuldformen des Strafrechts, 1895; Puntschart,
P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Engelmann, W., Die Schuldlehre der
Postglossatoren, 1895, Neudruck 1965; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910,
Neudruck 1969; Goerlitz, T., Die Haftung des Bürgers und Einwohners für
Schulden der Stadt und ihrer Bewohner nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1966),
150; Engelmann, W., Irrtum und Schuld, 1922, Neudruck 1975; Kuttner, S., Kanonistische
Schuldlehre, 1935; Hasler, J., Geschichte der Verschuldungsfreiheit in der
Schweiz, 1941; Rotthaus, K., Redde und Schult, Diss. jur. Frankfurt am Main
1959; Benöhr, H., Die Entscheidung des BGB für das Verschuldensprinzip, TRG 46
(1978), 1; Diestelkamp, B., Die Lehre von Schuld und Haftung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 6 1982, 21;
Zimmermann, R., The law of obligations, 1992; Luthe, R., Die zweifelhafte
Schuldfähigkeit, 1998; Hattenhauer, C., Schuldenregulierung nach dem
westfälischen Frieden, 1998; Stübinger, S., Schuld, Strafrecht und Geschichte,
2000; Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Graeber, D., Schulden, 2012, 6. A. 2012; Prekäre Ökonomien. Schulden im
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Signori, G., 2014; Signori, G.,
Schuldenwirtschaft
Schuldanerkenntnis (1888) ist der einseitig verpflichtende Vertrag, in dem der
eine Teil (möglicherweise auch unabhängig von der Wahrheit) anerkennt, dem
anderen eine Leistung als abstrakte Verbindlichkeit zu schulden. Im
prozessualen Sinn kennt bereits das Mittelalter der Sache nach ein S.
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldfähigkeit ist die Fähigkeit des Menschen, schuldhaft zu
handeln.
Lit.: Schmidt-Recla, A., Theorien zur Schuldfähigkeit, 2000
Schuldhaft ist die Haft wegen nicht erfüllter
Schuld. Die S. entsteht aus der Schuldknechtschaft. Im Mittelalter kann bei
fruchtloser Vermögensvollstreckung der Verurteilte in private S. oder später
in öffentliche S. genommen werden. Durch Gesetz vom 29. 5. 1868 (4. 5. 1868 in
Österreich, 1869 Zürich, 1874 Schweiz) wird nach dem Vorbild Englands und
Frankreichs (1867) die S. beseitigt.
Lit.: Köbler, DRG 116; Rintelen, M., Schuldhaft und
Einlager im Vollstreckungsverfahren, 1908; Baumgart, R., Die Entwicklung der
Schuldhaft im italienischen Recht des Mittelalters, 1914; Planitz, H., Der
Schuldbann in Italien, ZRG GA 52 (1932), 134; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm,
2004
Schuldklage ist als Klage wegen einer Schuld
eine Klageart seit dem Hochmittelalter.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973
Schuldknechtschaft ist die Überführung des
nichtleistenden Schuldners in die Knechtschaft. Der Zugriff auf die Person des
Schuldners steht im Mittelpunkt des klassischen römischen Zivilprozesses. Die
S. ist auch dem germanischen und mittelalterlichen Recht bekannt. Danach wird
sie von der →Schuldhaft abgelöst. Im Deutschen Reich wird die
Personalexekution (Vollstreckung in einen Menschen) durch Gesetz vom 16. April
1871 abgeschafft und durch die allein noch zulässige Realexekution
(Vollstreckung in das Vermögen einer Person) ersetzt.
Lit.: Kaser §§ 32 II 4c, 81 III 1, 85 II 2a; Söllner §
8; Hübner; Köbler, DRG 33, 202; Gierke, O., Schuld und Haftung, 1910, Neudruck
1969; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004
Schuldner (Wort 1258 belegt) ist im Schuldverhältnis der
zur Leistung Verpflichtete. Er muss anfangs auch mit seiner Person
(Schuldhaft), später nur noch mit seinem Vermögen haften. Mehrere S. können Gesamthandsschuldner
sein, Gesamtschuldner oder Teilschuldner.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldnerverzug →Verzug
Schuldrecht (Wort 1550 belegt) ist das Recht der
Schuldverhältnisse. Im römischen Recht wird die (lat. [F.]) obligatio bei
Gaius (um 160 n. Chr.) als (lat. [F.]) res angesehen und deswegen dort
behandelt. Allerdings wird streng zwischen (lat. [F.]) actio in rem
(Klaganspruch gegen eine Sache) und actio in personam (Klaganspruch gegen eine
Person auf ein bestimmtes Verhalten) Das S. wird als eigenes Rechtsgebiet erst
in der Neuzeit erkannt und ist deswegen noch im Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuch Österreichs (1811) als persönliches Sachenrecht Teil des
Sachenrechts. Inhaltlich wird es stark vom römischen Recht geprägt. Seit dem
18. Jh. werden allgemeine Grundelemente als allgemeines Schuldrecht
ausgesondert. Rechtstatsächlich nimmt das S. an Bedeutung stetig zu, weshalb
das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) das S. auch vor dem Sachenrecht
einordnet.
Lit.: Köbler, DRG 164, 213, 217; Meyer, E., Über das
Schuldrecht der deutschen Schweiz, 1913; Leonhard, F., Allgemeines Schuldrecht
des BGB, 1929, Neudruck 2013; Leonhard, F., Besonderes Schuldrecht des BGB,
1931, Neudruck 2013; Charmatz, H., Zur Geschichte und Konstruktion der
Vertragstypen im Schuldrecht, 1937; Stumpf. Karlheinz, Das Schuldrecht in den
Fürstentümern Ansbach-Bayreuth im 17. und 18. Jahrhundert. Diss. jur. München
1957; Wenn, H., Das Schuldrecht Samuel Pufendorfs, 1958; Schubert, W.,
Windscheids Briefe an Planck, ZRG RA (1978), 283; Walliser, P., Zur
Entscheidung des Schuldrechts, (in) Berner Festgabe zum Schweizerischen
Juristentag 1979, 1979; Lieb, M., Grundfragen einer Schuldrechtsreform, AcP 183
(1983), 327; Medicus, D., Zum Stand der Überarbeitung des Schuldrechts, AcP 188
(1988), 168; Ebel, W., Grundlegung zu einer Darstellung eines deutschen
Schuldrechts des Mittelalters, ZRG GA 105 (1988); Zimmermann, R., The law of
obligations, 1992; Gaibler, B., Das Schuldrecht des Oberpfälzer Landrechts,
1995; Benke/Meissel, Übungsbuch zum römischen Schuldrecht, 3. A. 1996, 8. A.
2014; Ranieri, F., Europäisches Obligationenrecht, 3. A. 2009; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Zehn
Jahre Schuldrechtsmodernisierung, hg. v. Artz, M. u. a., 2013
Schuldschein
Lit.: Wackernagel, J., Städtische Schuldscheine als Zahlungsmittel,
Beiheft 2 der VSWG 1924, 1
Schuldturm ist der öffentliche Ort (in der Stadt), in dem
der Schuldner zwecks Vollstreckung für den Gläubiger in Haft genommen wird. In
Sachsen wird die Überantwortung des zahlungsunfähigen Schuldners in die Hand
des Gläubigers in den kursächsischen Konstitutionen (1572) durch die
öffentliche Haft im Schuldturm ersetzt. Die Personalexekution endet im
Deutschen Reich durch Gesetz vom 16. 4. 1871.
Lit.: Breßler, S., Schuldknechtschaft und
Schuldturm, 2004
Schuldübernahme (Wort 1691) ist die vertragsweise Übernahme
einer bestehenden Schuld durch einen neuen Schuldner (zusätzlich neben oder
anstatt des bisherigen Schuldners, so dass der bisherige Schuldner ganz
ausscheiden oder neben einem neuen Schuldner weiter auch Schuldner bleiben
kann). Im römischen Recht ist die S. nur als Novation oder durch Prozessvertretung
möglich. Seit dem Spätmittelalter, vermehrt seit dem 18. Jh. wird die S.
zulässig. In der Mitte des 19. Jh.s wird S. zu einem Fachausdruck. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) fordert bei der den bisherigen Schuldner
befreienden (privativen) S. die Mitwirkung (z. B. Zustimmung) des Gläubigers,
die bei zusätzlichem Eintritt eines weiteren Schuldners (kumulative S.) nicht
erforderlich ist.
Lit.: Kaser § 55 III; Hübner 567; Köbler, DRG 127,
214; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schlicht, C., Die
kumulative Schuldübernahme, 2004; Wesener, G., Zession und Schuldübernahme im
Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007, 693; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldverhältnis (1838) ist das zwischen Schuldner und Gläubiger bestehende
Rechtsverhältnis. Es wird als allgemeine Erscheinung erst im 19. Jh. (in der
ab 1874 tätigen Entwurfskommission des Bürgerlichen Gesetzbuchs des
deutschen Reiches vielleicht durch Hermann Karl Freiherr von Leonhardi
[1809-1875]) erfasst.
Lit.: Köbler, DRG 213; Seiler, H., Die Systematik der
einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Die Beratung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W., Recht der Schuldverhältnisse,
Bd. 1ff. 1978ff.; Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur
Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, hg. v. Schubert, W.,
Recht der Schuldverhältnisse, 1980ff.; Hadding, W., Schuldverhältnis,
Forderung, rechtlicher Grund, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a. 1997;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Schuldverschreibung (1585) ist die Urkunde (Wertpapier), in der
sich der Aussteller zur Zahlung einer bestimmten verzinslichen Geldsumme oder
zu einer sonstigen Leistung an den Gläubiger verpflichtet (Schuldverschreibungsgesetz
vom 4. 12. 1899).
Lit.: Vogel, H., Das Schuldverschreibungsgesetz, 1996;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Schuldversprechen (1873) ist das eine →Schuld begründende einseitige
Versprechen. Es ist bereits im altrömischen Recht möglich.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 27; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schuldvertrag ist der eine →Schuld
begründende Vertrag (z. B. Kaufvertrag).
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Schule ist die außerhalb der Familie durch
spezialisierte Dritte (Lehrer) betriebene allgemeine Einrichtung zur Förderung
der geistig-sozialen Entwicklung von Menschen, insbesondere von Kindern. Die
S. ist bereits dem Altertum bekannt (griech. schole Muße, Ort der Muße,
Lehranstalt). Im Frühmittelalter wird sie zunächst nur von der Kirche und nur
für wenige und zwar in Latein eingerichtet. Seit dem 11. Jh. ist ein steigender
Bedarf an schriftlichen Lernbehelfen erkennbar. Seit dem Hochmittelalter nimmt
das Interesse an der S. in den Städten zu, so dass dort städtische und zwar
auch deutsche Schulen entstehen (in Florenz können 1427 fast 70 Prozent der
männlichen Haushaltsvorstände eine schriftliche Erklärung abgeben und rund 16
Prozent der weiblichen Haushaltsvorstände). Seit der Mitte des 16. Jh.s wird
eine Qualifikation der Lehrer verlangt. Wenig später entwickelt sich der
Lehrerberuf zu einer Lebenstätigkeit. Im 17. Jh. wird als Folge der Aufklärung
der staatliche Schulzwang verordnet (Österreich 1774 6jährige Schulpflicht).
Am Ende des 18. Jh.s wird für den Gymnasialabschluss eine staatliche Prüfung
(Abitur, Preußen 1788) vorgeschrieben, die im Deutschen Bund 1834 als
Voraussetzung für den Hochschulzugang anerkannt wird. Das 19. Jh. beschäftigt
sich wissenschaftlich mit dem Schulwesen und fordert vereinzelt bereits aus
sozialen Gründen die Einheitsschule. 1849 können in Preußen 80 Prozent der
Menschen schreiben und lesen. 1871 besuchen dort von rund vier Millionen
Schülern etwa 60000 (1,5 Prozent) ein Gymnasium. Im 20. Jh. erlangt die Bildung
allgemein einen ständig steigenden Wert und verstärkt sich vor allem nach
1965 die Verbesserung der Bildung durch längere Schulzeit (Verschwinden der
Hauptschule zugunsten des vereinfachten Gymnasiums, 2010 Hochschulreife für 45
Prozent eines Jahrgangs, 2012 in Österreich Beschluss zur Ersetzung der
Hauptschule durch eine neue Mittelschule).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 100, 136, 151,
180; Sammlung der Verordnungen und Bekanntmachungen u. s. w., 1835, Neudruck hg. v. Ritsch, K.,
1985; Der Volksschuldienst in der Provinz Westfalen, 2. A. 1910, Neudruck hg.
v. Kirchhoff, H., 1985; Buchhaas, D., Gesetzgebung im Wiederaufbau, Schulgesetz
in Nordrhein-Westfalen und Betriebsverfassungsgesetz, 1985; Schulen und
Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Mors, A., Die Entwicklung der Schulpflicht,
Diss. jur. Tübingen 1986; Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, hg. v.
Berg, C. u. a., Bd. 1ff. 1987ff.; Orme, N., Education and Society, 1989;
Revolution des Wissens, hg. v. Schmale, W. u. a., 1991; Kames, J., Das
Elementarschulwesen in Köln, 1992; Herrlitz, H./Hopf, W./Titze, H., Deutsche
Schulgeschichte, 1993; Schiffler, H./Winkeler, R., Tausend Jahre Schule, 4. A.
1994; Kantwill, W., Neuere Geschichte des hamburgischen Schulrechts, 1995;
Busch-Geertsema, B., Schule wird Pflicht, 1996; Schule und Schüler im
Mittelalter, hg. v. Kintzinger, M. u. a., 1996; Geschichte der Erziehung und
der Schule in der Schweiz, hg. v. Badertscher, H. u. a., 1997; Führ, C.,
Deutsches Bildungswesen seit 1945, 1997; Schulliteratur im späten Mittelalter,
hg. v. Grubmüller, K., 2000; Die Volksschule im NS-Staat, hg. v. Apel, H., Neudruck
2000; Schmidt, D., Der pädagogische Staat. Die Geburt der staatlichen Schule
aus dem Geist der Aufklärung, 2000; Kistenich, J., Bettelmönche im öffentlichen
Schulwesen, 2001, Wachter, A., Dorfschule zwischen Pastor und Schulmeister,
2001; Damesme, N., Öffentliche Schulverwaltung in der Stadt Köln (1794-1814),
2003; Hauer, W., Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003;
Kintzinger, M., Wissen wird Macht, 2003; Treml, A., Pädagogische
Ideengeschichte, 2003; Schraut, S./Pieri, G., Katholische Schulbildung in der
frühen Neuzeit, 2004; Lohbeck, L., Das höhere Schulwesen in
Nordrhein-Westfalen, 2004; Elementarbildung und Berufsausbildung 1450-1750, hg.
v. Hanschmidt, A. u. a., 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im
Schulrecht der preußischen konstitutionellen Monarchie, 2005; Watts, E., City
and School in Late Antique Athens and Alexandria, 2006; Black, R., Education
and Society in Florentine Tuscany, 2007; Konrad, F., Geschichte der Schule,
2007; Moderow, H., Volksschule zwischen Staat und Kirche, 2007; Cordes, A.,
Juristische Bildung für Kaufmannskinder, Zs. d. Vereins für lübeckische
Geschichte 87 (2007), 41; Vondenhoff, M., Die Schule zwischen Staatsanstalt und
causa ecclesiastica, 2008; Sheffler, D., Schools and Schooling in LateMedieval Germany,
(Regensburg 1250-1500), 2008; Zwischen Schulhumanismus und Frühaufklärung, hg.
v. Hellekamps, S. u. a., 2009; Das preußische Kultusministerium als Staatsbehörde,
Bd. 1ff. 2009ff.; Meissner, A., Die Nationalisierung der Volksschule, 2009;
Baldzuhn, M., Schulbücher im Trivium, 2009; Bölling, R., Kleine Geschichte des
Abiturs, 2010; Bispinck, H., Bildungsbürger in Demokratie und Diktatur, 2010;
Geißler, G., Schulgeschichte in Deutschland von den Anfängen bis zur Gegenwart,
2011, 2. A. 2014; Stickel, S., Kulturen des Lehrens, 2011; Absmeier, C., Das
schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation,m 2011; Lehren und Lernen
im Zeitalter der Reformation, hg. v. Huber-Rebenich, H., 2012; Joos, K.,
Schwieriger Aufbau, 2012; Bäcker, J., Die christliche Gemeinschaftsschule in
Baden, 2012; Töpfer, T., Die „Freyheit“ der Kinder, 2012 (Sachsen 1600-1815);
Weeber, K., Lernen und Leiden - Schule
im alten Rom, 2014; Köhler, H./Lundgreen, P., Allgemein bildende Schulen in der
Bundesrepublik Deutschland 1949-2010, 2014; Engelbrecht, H., Schule in
Öswterreich, 2015; Fuchs, E. u. a., Das Schulbuch in der Forschung, 2014; Ilg,
R., Bedrohte Bildung – bedrohte Nation?, 2015; Engelbrecht, Helmut, Schule in
Österreich, 2015; Finger, J., Eigensinn im Einheitsstaat, 2016
Schultheiß ist der als Schuldheischer im 7.
Jh. im langobardischen Gebiet Italiens entstehende Amtsträger. Er übernimmt
örtlich Aufgaben des Grafen. Als Amtsträger erscheint er für den König oder
andere Herren häufig in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten. Er sitzt
niederen Gerichten vor und ist Ortsvorsteher (Schulze).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 87; Schröder,
R., Der ostfälische Schultheiß und der holländische Overbode, ZRG GA 7 (1886),
1; Eckert, C., Der Fronbote, Diss. jur. Gießen 1897; Moeller, E. v., Der
Stadtschultheiß von Bochum, ZRG GA 25 (1904), 63; Wrochem, A. v., Der
Schultheiß, 1908; Merz, W., Das Schultheißenbuch des Stadtschreibers Joh. Beat
Bodmer von Baden, 1920; Lappe, J., Ein westfälischer Schulzenhof, 1935; Bader,
K., Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff.
1957ff.; Krug, H., Untersuchungen zum Amt des „centenarius“-Schultheiß, ZRG GA
87 (1970), 1, 88 (1971), 29; Matuszewski, J., Die Ignoranzklausel der
Schultheißprivilegien, ZRG GA 93 (1971), 154; Hagner, U., Zwischen Heimbürge
und Schultheiß, 2014
Schulze →Schultheiß
Schumanplan ist der vor allem von Jean Monnet
ausgearbeitete, am 9. 5. 1950 verkündete Plan zur Bildung der einer gemeinsamen
Kontrolle (Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs, der Niederlande, Italiens und
Deutschlands) unterstellten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl des
französischen Außenministers Robert Schuman (Luxemburg 29. 6.
1886-Scy-Chazelles 4. 9. 1963). →Montanunion
Lit.: Lücker, H./Seitlinger, J., Robert Schuman und
die Einigung Europas, 2000
schupfen (stoßen) (als Ehrenstrafe)
Schupfer, Francesco (Chioggia/Venedig
1833-Rom 8. 9. 1925) wird nach dem Rechtsstudium in Wien, Heidelberg und
Göttingen Professor für italienische Rechtsgeschichte in Innsbruck, nach 1866
in Padua, 1878 in Rom. Seine Hauptwerke sind (ital.) Manuale di storia del
diritto italiano (1892, Handbuch der italienischen Rechtsgeschichte) und Il
diritto privato dei popoli germanici (Bd. 1ff. 1907ff., Das Privatrecht der
germanischen Völker).
Lit.: Stutz, U., Nachruf auf Schupfer, ZRG GA 47
(1927), 896
Schupose (F.), Schuppose, kleineres,
vielleicht durch Aufteilung entstandenes, landwirtschaftlich genutztes Gut im
Süden (Alemannien) im Mittelalter (seit A. 12. Jh., Name bisher nicht
überzeugend erklärt)
Lit.: Münger, P., Über die Schupose, 1967
Schuschnigg, Kurt (Edler von) (Riva del Garda
14. 12. 1897-Mutters 18. 11. 1977) wird über die christlichsoziale Partei ab
30. 7. 1934 Bundeskanzler →Österreichs. Auf Druck Adolf →Hitlers
bestellt er am 12. 2. 1938 den nationalsozialistischen Sympathisanten
Seyß-Inquart zum Sicherheitsminister. Am 11. 3. 1938 zwingt ihn Hitler zum
Rücktritt. Der neue Bundeskanzler Seyß-Inquart bittet Hitler um Hilfe. Dem
→Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich stimmen 99,73 % der
Österreicher zu. Nach 1945 sehen sie sich dagegen hauptsächlich als erstes
Opfer (Adolf Hitlers).
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 223
Schüttung (F.) eigenmächtige Pfändung
(fremder Tiere wie z. B. Rinder oder Schafe auf eigenem Grund)
Lit.: Hübner § 65; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912, 342
Schutz ist die Fürsorge gegenüber
möglichen Gefährdungen (z. B. Staatsschutz, Besitzschutz, Mieterschutz, Kündigungsschutz,
Verbraucherschutz, Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutz, Mutterschutz,
Jugendschutz, Naturschutz, Namensschutz, Zeichenschutz, Bestandsschutz). S.
oder S. und Schirm wird in verschiedensten Gestalten von Stärkeren gegenüber
Schwächeren geboten (z. B. Lehen, Grundherrschaft, Gericht, Vogtei, Geleit,
Unfreiheit, Versicherung). In der frühen Neuzeit tritt an die Stelle des
Schutzes teilweise die →Polizei bzw. die staatliche Hoheitsgewalt.
Lit.: Appelt, H., Die Anfänge des päpstlichen
Schutzes, MIÖG 62 (1954), 101; Semler, J., Traditio und Königsschutz, ZRG KA 45
(1959), 1; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975;
Schöpfer, G., Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Weitnauer, H., Der
Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975; Fried, J., Der päpstliche Schutz für
Laienfürsten, 1980; Hippel, E. v., Der Schutz des Schwächeren, 1982; Kleinöder,
N., Unternehmen und Sicherheit, 2015 (Arbeitsschutz)
Schutzbrief ist die einen →Schutz
betreffende besondere →Urkunde.
Schutzgebiet ist die Bezeichnung für deutsche
→Kolonien (z. B. Deutsch-Südwest-Afrika, Kamerun, Togo,
Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Karolinen, Marianen, Palauinseln,
Marshallinseln, Deutsch-Samoa, Kiautschou).
Lit.: Gründer, H., Geschichte der deutschen Kolonien,
1985, 6. A. 2012
Schutzhaft ist die Haft zum Schutz (angeblich)
des Verhafteten im Dritten Reich.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236
Schutzjude ist der (gegen Abgaben) unter den
→Schutz gestellte →Jude im Heiligen römischen Reich . Auf der
Grundlage älterer Schutzmaßnahmen wird nach den Judenverfolgungen der Pestjahre
1347/1349 der Jude in den Kurfürstentümern durch die →Goldene Bulle
(1356) in den besonderen Schutz aufgenommen. Im 19. Jh. beseitigt der
Liberalismus zugunsten der vollständigen Emanzipation die Einrichtung der Schutzjuden.
Lit.: Stobbe, O., Die Juden in Deutschland, 1866,
Neudruck 1968; Güde, W., Die rechtliche Stellung der Juden, 1981
Schutzpolizei →Polizei
Lit.: Weinhauer, K., Zwischen Bürgerkrieg und innerer
Sicherheit, 2003
Schutzstaffel (SS) ist die 1925 entstandene Schutzeinrichtung
hoher Angehöriger der →Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(1929 Heinrich Himmler unterstellt, 1934 Adolf Hitler, 1939 etwa 240000, als
Streitmacht Waffen-SS fast eine Million Mitglieder).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 222; Buchheim,
H., Die SS, 2. A. 1979; Die SS hg. v. Smelser, R. u. a., 2000; Wegner, B.,
Hitlers Politische Soldaten – Die Waffen-SS 1933-1945, 7. A. 2006, 8. A. 2008,
9. A. 2010; Schreiber, C., Elite im Verborgenen, 2008; Gentile, C., Wehrmacht
und Waffen-SS im Partisanenkrieg, 2012; Westemeier, J., Himmlers Krieger, 2014,
2. A. 2019; Die Waffen-SS, hg. v. Schulte, J. u. a., 2014
Schwabe ist der Angehörige des nach den
elbgermanischen Sueben benannten Volkes, dessen Name im 9. Jh. am oberen Rhein
und oberer Donau neben dem der Alemannen erscheint. Örtlich bleibt Schwaben
infolge des Verschwindens eines von diesem Volk der Schwaben abgeleiteten, um
900 entstehenden, 1198 mit der Königswürde verbundenen Herzogtums Schwaben (mit
Schwerpunkten im Bodenseeraum und im Hegau, später in Zürich, Breisach,
Esslingen, Straßburg, Ulm und Rottweil) im späten 13. Jh. (Rudolf † 1290,
Johann Parricida) ein bloßer Gebietsname ohne einheitliche Herrschaftsgewalt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell,
DRG 1; Oberschwäbische Stadtrechte, Bd. 1 f. 1914ff.; Bader, K. u. a.,
Oberrheiner, 1942; Weller, K., Geschichte des schwäbischen Stammes, 1944;
Bader, K., Der deutsche Südwesten, 1950, Neudruck 1978; Maurer, H., Der Herzog
von Schwaben, 1978; Hofacker, H., Die schwäbische Herrschaft, Z. f.
württemberg. LG. 47 (1988), 71; Schwaben von den Anfängen bis 1268, hg. v.
Fried, P., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben, 2000;
Geschichte Schwabens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. v. Kraus, A.,
2001; Hölz, T., Krummstab und Schwert, 2001; Schwaben und Italien im
Hochmittelalter, hg. v. Maurer, H. u. a., 2001; Schwaben vor tausend Jahren,
hg. v. Scholkmann, B., 2002; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003 Schwaben und Italien, hg. v. Wüst, W. u. a., 2010
Schwaben →Schwabe
Lit.: Nova Alamanniae, hg. v. Stengel, E., Bd. 1f.
1921ff.; Sapper, N., Die schwäbisch-österreichischen Landstände und Landtage
im 16. Jahrhundert, 1965; Fehn, K., Siedlungsgeschichtliche Grundlagen der
Herrschafts- und Gesellschaftsentwicklung in Mittelschwaben, 1966; Maurer, H.,
Das Land zwischen Schwarzwald und Randen im frühen und hohen Mittelalter, 1965;
Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. v. Spindler, M., Bd. 3 1971; Maurer,
H., Der Herzog von Schwaben, 1978; Schwaben von den Anfängen bis 1268, bearb.
v. Fried, P. u. a., 1988; Zettler, A., Geschichte des Herzogtums Schwaben,
2003; Das Reich in der Region während des Spätmittelalters und der frühen
Neuzeit, hg. v. Kießling, R. u. a., 2005; Die Schwabenkriegschronik des Kapar
Frey, bearb. v. Gutmann, A., 2010
Schwabenspiegel ist der neuzeitliche Name des
durch mehr als 400 bekannte, über ganz Süddeutschland (einschließlich Österreichs
und der Schweiz) verbreitete Handschriften überlieferte Rechtsbuchs Kaiserliches
Land- und Lehnrechtsbuch (→Kaiserrecht). Der S. übersetzt den
mittelniederdeutschen, in Landrecht und Lehnrecht geteilten
→Sachsenspiegel Eike von Repgows wie der →Deutschenspiegel in das
Mittelhochdeutsche und wird bereits 1276 von dm Augsburger Stadtrecht benutzt.
Es verwertet fränkische Kapitularien, hochmittelalterliche Landfrieden, die
Institutionen Justinians, kanonisches Recht und vielleicht Schriften Davids
von Augsburg und Bertholds von Regensburg. Es sind so unterschiedliche
Fassungen überliefert, dass die Herstellung einer Urfassung (Urschwabenspiegel)
Schwierigkeiten bereitet. Als älteste, vom Deutschenspiegel verschiedene
Fassung wird von C. Bertelsmeier-Kierst eine vielleicht in Regensburg
zwischen 1268 und 1272 entstandene Fassung (E) angesehen. Eine durchgehend
illustrierte Handschrift liegt in Brüssel. Der S. beeinflusst jüngere Rechtsbücher
(Freising, Bayern, Österreich, Kleines Kaiserrecht). Der Name S. stammt von
Melchior →Goldast (1609).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 103, 120;
Lassberg, F. Frhr. v., Der Schwabenspiegel, 1840, Neudruck 1971; Böhlau, H.,
Rockingers Resultate über die Entstehungsgeschichte, ZRG GA 4 (1883), 233;
Lindner, G., Der Schwabenspiegel bei den Siebenbürger Sachsen, ZRG GA 6 (1885),
86, 141; Knapp, H., Der Beweis im Strafverfahren des Schwabenspiegels, FG J.
Kohler, 1919, 25; Stutz, U., Die Witzenhäuser Schwabenspiegel-Hand_schrift, ZRG
GA 44 (1924), 315; Voltelini, H. v., Bericht über die Arbeiten an der Ausgabe
des Schwabenspiegels, Anzeiger der phil.-hist. Kl. der Ak. d. Wiss. Wien 1924,
Nr. 12; Eckhardt, K., Die handschriftliche Grundlage für die Neuausgabe des
Schwabenspiegels, ZRG GA 45 (1925), 50; Müller, K., Zwei schwäbische
Handschriften des Schwabenspiegels, ZRG GA 47 (1927), 657; Eckhardt, K.,
Rechtsbücherstudien 1, 1927; Voltelini, H. v., Ottokars österreichische
Reimchronik und der Schwabenspiegel, ZRG GA 50 (1930), 385; Klebel, E., Studien
zu den Fassungen und Handschriften des Schwabenspiegels, MIÖG 44 (1930), 129;
Hübner, A., Vorstudien zur Ausgabe des Buches der Könige, 1932 (SB Göttingen);
Thieme, H., Eine unbekannte Schwabenspiegelhandschrift, ZRG GA 54 (1934), 241;
Lentze, H., Die Kurzform des Schwabenspiegels, 1938; Torggler, K., Zur
Auslegung des Schwabenspiegeleinschubes, ZRG GA 60 (1940), 291; Belling, D.,
Das Strafrecht des Schwabenspiegels, Diss. jur. Tübingen 1949; Klebel, E., Zu
den Quellen des Schwabenspiegels, FS K. Hugelmann, 1959, 273; Schwabenspiegel,
Kurzform, mitteldeutsch-niederdeutsche Handschriften, hg. v. Große, R.,
1964; Große, R., Die mitteldeutsch-niederdeutschen Handschriften des
Schwabenspiegels in seiner Kurzform, 1964; Becker, H., Eine unbekannte
Handschrift des Schwaben- und Augsburger Sachsenspiegels, ZRG GA 88 (1971),
190; Schwabenspiegel, Form M, 1972; Schwabenspiegel, Normalform 1972;
Schwabenspiegel, Kurzform III, Fassung Kt, hg. v. Eckhardt, K., 1972
(Tambacher Handschrift von 1295); Schwabenspiegel Kurzform, hg. v. Eckhardt,
K., 2. A. 1974; Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990; Derschka, H., Der
Schwabenspiegel und die kognitive Entwicklung des Menschen, ZRG GA 118 (2001),
100; Derschka, H, Der Schwabenspiegel, 2002; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert,
2008; Schwabenspiegel-Forschung im Donaugebiet, hg. v. Balogh, E., 2013;
Schwabenspiegel-Forschung im Donaugebiet, hg. v. Balogh, E., 2015
Schwäbischer Bund ist der am 14. 2. 1488 von
Fürsten, Adel und Städten Schwabens auf Veranlassung des Kaisers als erneuertem
Herzog von Schwaben abgeschlossene, bis 1534 währende Bund.
Lit.: Bock, E., Der Schwäbische Bund, 1927, Neudruck
1968; Knapp, H., Vom Gericht des schwäbischen Bundes, ZRG GA 51 (1931), 520;
Hesslinger, H., Die Anfänge des schwäbischen Bundes, 1969; Laufs, A., Der
schwäbische Kreis, 1972; Carl, H., Der Schwäbische Bund 1488-1534, 2000
Schwäbischer Städtebund
Lit.: Blezinger, H., Der schwäbische Städtebund in den Jahren
1438-1445, 1954
Schwäbisch Gmünd
Lit.: Payer, Peter, Die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd, Diss. jur.
Tübingen 1957; Herrmann, K. u. a., Schwäbisch Gmünd, 2006
Schwäbisch Hall
Lit.: Die Bürgerschaft der Reichsstadt Hall von 1395 bis 1600, bearb.
v. Wunder, G. u. a., 1956; Kreil, D., Der Stadthaushalt von Schwäbisch Hall im
15./16. Jahrhundert, (1967); Nordhoff-Behne, H., Gerichtsbarkeit und
Strafrechtspflege in der Reichsstadt Schwäbisch Hall seit dem 15. Jahrhundert,
1971; Iländer, B., Verfassung und Verwaltung der Reichsstadt Hall (1648-1806),
2000; Schinke, E., Herrschen vor Ort, 2008
Schwägerschaft (Wort 1354) ist das Verhältnis eines Ehegatten zu den Verwandten
des anderen Ehegatten. Vom Hochmittelalter an ist die S. ein kirchliches
Ehehindernis (1215 vom siebten Grad auf den vierten Grad verringert).
L: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Schwalenberg
Lit.: Forwick, F., Die staatsrechtliche Stellung der ehemaligen Grafen
von Schwalenberg, 1963
Schwangerschaft ist der von der Befruchtung einer
weiblichen Eizelle bis zur Geburt eines Kindes reichende Zeitabschnitt im Leben
einer Frau. Die S. wirkt sich im Recht teilweise bei der Leibesfrucht (lat. M.
nasciturus), teilweise bei der Schwangeren aus (z. B. keine Ladung vor Gericht,
aber Besitz eines Nachlasses bis zur Geburt im römischen Recht, Befreiung vom
Fastengebot. Aufschub einer Folter oder Hinrichtung in der frühen Neuzeit).
Erst 1908 erhalten Schwangere arbeitsrechtlichen Schutz (Mutterschutz), den
das Mutterschutzgesetz erweitert.
Lit.: Kaser; Hübner; Fehr, H., Die Rechtsstellung der
Frau, 1912; Schlieben, E., Mutterschaft und Gesetz, 1927; Koch, E., Der
nasciturus als Rechtsgut, (in) Cupido legum, hg. v. Burgmann, L. u. a., 1985,
87; Geschichte der Abtreibung, hg. v. Jütte, R., 1993; Koch, C.,
Schwangerschaftsabbruch, 2004
Schwarzburg ist die 1071 erstmals erwähnte Burg
an der Schwarza in Thüringen, nach der sich seit 1123 Grafen benennen, die im
16. Jh. in Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt teilen. Die
1697 bzw. 1710 zu Fürstentümern erhobenen Gebiete werden 1909 in Personalunion
vereinigt. Zum 1. 5. 1920 geht S. in Thüringen auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon
Schwarzenberg, Johann Frhr. zu
(Schwarzenberg/Mittelfranken 25. 12. 1463-Nürnberg 21. 10. 1528) wird nach
einer Ausbildung als adliger Knappe und einer Tätigkeit im Gefolge König
Maximilians 1490 Amtmann und später Hofmeister in Würzburg (1493 Wallfahrt ins
Heilige Land). 1501 tritt er in den Dienst des mit ihm verschwägerten Bischofs
von Bamberg (1521 Übertritt zum Luthertum), 1522 wird er Mitglied des
Reichsregiments, 1524 fränkischer Hofmeister der Markgrafen von Brandenburg.
Auf ihn geht über die (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Bambergensis
(1507) die (lat.) →Constitutio (F.) Criminalis Carolina (1532) zurück. Er
ist nicht rechtsgelehrt, aber humanistisch interessiert (1534 Teutscher
Cicero).
Lit.: Köbler, DRG 138, 143; Merzbacher, F., Johann
Freiherr zu Schwarzenberg in würzburgischen Diensten, ZRG GA 69 (1952), 363;
Hellner, J., Johann Freiherr von Schwarzenberg und Hohenlandsberg, JuS 5
(1965), 48; Trusen, W., Strafprozess und Rezeption, (in) Strafrecht, Strafprozess
und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984, 29
Schweden ist der zwischen Norwegen und
Finnland gelegene nordeuropäische, zum 1. 1. 1995 der Europäischen Union beigetretene
Staat. Sein Gebiet ist vermutlich schon im 2. oder 1. Jt. v. Chr. von
→Germanen (u. a. um 100 n. Chr. [lat. M.Pl.] Suiones) besiedelt. Im Frühmittelalter
dehnen dabei die oberschwedisch-upländischen Svear ihre Herrschaft auch auf
die Götar aus. Im Hochmittelalter kommt demgegenüber Götaland größere
Bedeutung zu. Im Zuge der Christianisierung wird Uppsala Erzbistum. Im 11. Jh.
festigt sich S. Zwischen 1150 und 1323 wird das von Schweden aus christianisierte
Finnland einbezogen. Um 1350 erstreckt sich das Königreich S. von Kalmar bis
Lappland und von der Mündung des Götaälv bis Viborg. Im 13. und 14. Jh. werden
Landschaftsrechte (landskapslagar) aufgezeichnet (Westgötenrecht bzw. Westgötalagh
seit 1220-2. H. 13. Jh., Ostgötenrecht bzw. Ostgötalagh um 1286 bzw. um 1300,
Smalandslagen vor 1296, Södermannalagen bzw. Södermannalagh um 1279-1285 bzw.
1327, Uplandslagen bzw. Uplandslagh 1296, Dalalagen bzw. Västmannalagan bzw.
Westmannalagh 1298-1347 bzw. um 1330, Hälsingelagen bzw. Helsingelagh 1315-1332
bzw. 1329/1350). Zu den Landschaftsrechten treten Satzungen auf den Hoftagen
und kirchliche Konzilsbeschlüsse hinzu. Von den Stadtrechten ist das sog.
Bjärköarätt (2. H. 13. Jh.) am bekanntesten. 1347 veranlasst König Magnus
Eriksson ein allgemeines, in den einzelnen Landschaften allmählich aufgenommenes
Landrecht (Landslag), 1357 (1353-1360) ein bis 1734 gültiges Stadtrecht
(Stadslag). Dabei steht der aus den Hoftagen entwickelte Reichsrat neben ihm.
1389 erkennt S. die Herrschaft Königin Margarethes von →Dänemark an.
1442 wird das Landrecht erneuert. 1448 verselbständigt sich S. wieder (König
Karl VIII.). 1477 wird eine (von 1530 bis 1593 geschlossene) Universität in
→Uppsala eingerichtet (weitere Universitäten 1632 Dorpat, 1640 Abo, 1668
Lund). 1523 erringt das Haus Wasa das Königtum. 1527 wird die Kirche enteignet
und S. wenig später dem Luthertum zugeführt. Am Ende des 16. Jh.s bildet sich
der in 4 Stände (Adel, Geistliche, Bürger, Bauern) gegliederte dauernde
Reichstag neben König und Reichsrat. Im 17. Jh. nimmt S. unter König Gustav
Adolf am Dreißigjährigen Krieg Teil und erlangt im Friedensvertrag von 1648
die Herrschaft über einzelne norddeutsche Reichslehen (Vorpommern, Rügen,
Odermündung, rechtes Oderufer, Bremen, Verden und 5 Millionen Taler). Am Ende
des 17. Jh.s (1693) setzt der König kurzzeitig den →Absolutismus durch,
doch gewinnen 1718 die Stände die Macht. Am 14. 12. 1734 nimmt der Reichstag
das seit 1686 allmählich geschaffene Reichsgesetzbuch zum 1. 9. 1736 an. 1772
entzieht der König dem Reichstag die gewonnenen Rechte und hebt den Reichsrat
auf. 1789 wird ein oberster Gerichtshof geschaffen. 1809 wird der König
abgesetzt, die Privilegierung des Adels beseitigt und der Reichsrat neu
geschaffen. Finnland gelangt an Russland. 1810 wird der französische Marschall
Bernadotte zum Thronfolger gewählt. 1814 kommt Norwegen von Dänemark an S.
1866 wird das Zweikammersystem mit einkommensabhängigem Wahlrecht, seit 1921
allgemeinem gleichem Wahlrecht eingeführt. 1905 verselbständigt sich Norwegen.
Zum 1. 1. 1995 tritt S. der →Europäischen Union bei. 2000 werden Staat
und Kirche getrennt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 130; Samling af
Sweriges gamla lagar, hg. v. Collin, H./Schlyter, C. u. a., Bd. 1ff. 1827ff.
(13 Bände bis 1877); Amira, K. v., Altschwedisches Obligationenrecht, 1882;
Fritz, M., Die gesetzliche Verwandtenerbfolge des älteren schwedischen Rechts,
ZRG GA 36 (1915), 137; Bergman, C., Översikt av svensk rättsutveckling, 1918;
Bergman, C., Testamentet i 1600-talets rättsbildning, 1918; Schwerin, C. Frhr.
v., Zur altschwedischen Eideshilfe, 1919 (SB Heidelberg); Mayer, E., Die
letzten Spuren eines Uradels in Südschweden und Dänemark, ZRG GA 41 (1920),
373; Kock, E., Om Hemfjöld (förtida arv) i svensk rätt, 1926; Holmbäck, Å.,
Frågan om äganderätten till häradsallmänningarna, Svenska Skogsvårdsföreningens
tidsskrift 1930; Hemmer, R., Studier rörande straffutmätingen i medeltida
svensk rätt, 1928; Holmbäck, Å,./Wessén, E., Svenska landskapslagar, Bd. 1ff.
1933ff.; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1933;
Svenska Landskapslagar, tolkade och förlarade för nutidens Svenska v. Holmbäck,
Å./Wessén, E., Bd. 1ff. 1933ff.; Schwedische Rechte, Älteres Westgötalag,
Uplandslag, übers. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Wennström, T., Tjuvnad ock
fornæmi, 1936; Herlitz, N., Grundzüge der schwedischen Verfassungsgeschichte, 1939;
Wennström, T., Brott och böter, 1940; Löning, G., Zur Zufallshaftung im
schwedischen Vertragsrecht, ZRG GA 62 (1942), 179; Olivecrona, K., Döma til
konung, 1942; Almquist, J., Svensk juridisk litteraturhistoria, 1946; Löning,
G., Die Haftung des Entleihers in der neueren schwedischen Rechtsgeschichte,
ZRG GA 65 (1947), 208; Gerhardt, M./Hubatsch, W., Deutschland und Skandinavien,
1950; Anners, E., Hand wahre Hand, 1952, Wührer, K., Zum altschwedischen
Eherecht, ZRG GA 74 (1957), 231; Carlsson, L., Das Beilager im altschwedischen
Recht, ZRG GA 75 (1958), 349; Wührer, K., Die schwedischen Landschaftsrechte
und Tacitus’ Germania, ZRG GA 76 (1959), 1; Hafström, G., Land och lag, 1959,
2. A. 1965 (Darstellung des schwedischen mittelalterlichen Rechts); Amira, K.
v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Äganderätt och
handelsinteresse, 1960; Thomson, A., Barnkvävningen, 1960; Hemmer, R., Die
Missetat im altschwedischen Recht, 1965; Rehfeldt, B., Rezeption in Schweden,
ZRG GA (1965), 316, 85 (1968), 248; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter,
1965; Anners, E., Humanitet och Rationalism, 1965; Schmidt, G., Die
Richterregeln des Olavus Petri, 1966; Olivecrona, K., Rättsordningen, 1966;
Thomson, A., Otidigt sängelag, 1966; Thomson, A., Hävdande under
äktenskapslöfte, 1966 (SB Lund); Roberts, M., The early Vasas (1523-1619, 1968;
Wessén, E., Svensk medeltid - 1 Landskapslagar, 2 Birgitta-Texter, 1968;
Scovazzi, M., Der römische pontifex und die eriksgata der schwedischen Könige,
ZRG GA 88 (1971), 198; Das Ostgötenrecht, hg. v. Strauch, D., 1971; Thomson,
A., I stocken, 1972; Carlsson, L., Jag giver dig min dotter 2, 1972; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,995, 2,2,531,1027, 4,4,235; Modéer, K., Die
Gerichtsbarkeit der schwedischen Krone im deutschen Reichsterritorium, ZRG GA
91 (1974), 190; Modéer, K., Gerichtsbarkeiten der schwedischen Krone im
deutschen Reichsterritorium, 1975; Barudio, G., Absolutismus – Zerstörung der
libertären Verfassung, 1976; Inger, G., Das Geständnis in der schwedischen
Prozessrechtsgeschichte, Bd. 1 1976; Inger, G., Institutet „insättande på
bekännelse“ i svensk processrättshistoria, 1976; Sjöholm, E., Gesetze als
Quellen mittelalterlicher Geschichte des Nordens, 1976; Hafström, G., Den
svenska familjerättens historia, 1978; Buchholz, W., Staat und Ständegesellschaft
in Schweden zur Zeit des Überganges vom Absolutismus zum Ständeparlamentarismus
1718-1720, 1979; Nicht nur Strindberg, hg. v. Müssener, H., 1979; Ekbom, C.,
Attungstal och mantal, 1981; Patzelt, E./Patzelt, H., Schiffe machen
Geschichte, 1981; Nygren, R., Subordination och enskild integritet, 1981; Den
svenska historien, 1983f.; Seth, I., Överheten och svärdet, 1984; Ankarloo. B.,
Trolldomsprocesserna i Sverige, 1984; Winberg, C., Grenverket. Studier rörande
jord, 1985; Das schwedische Reichsgesetzbuch (Sveriges Rikes Lag) von 1734, hg.
v. Wagner, W., 1986; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Claëson, S.,
Häradshövdingeämbetet i senmedeltidens och Gustav Vasas Sverige, 1987;
Sundell, J., Tysk påverkan på svensk civilrättsdoktrin 1870-1914, 1987;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges medeltidslagar, 1988; Austrup, G., Schweden, 1988; Sawyer, P., The
Making of Sweden, 1989; Åqvist, G., Kungen och Rätten, 1989; Anners, E.,
Frålagtolkning till lagstiftning, 1989; Sandström, M., Die Herrschaft der Rechtswissenschaft,
1989; Anners, Erik, Från lagtolkning till lagstiftning. Högsta domstolen och
godtrosförvärven, 1989; Sjöholm, E., Sweden’s Medieval Laws, Scandinavian
Journal of History 15 (1990); Högsta Domstolen i Sverige under 200 ar, Bd. 1, 2
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1992; Frohnert, P., Kronans skatter och bondens bröd, 1993; Thunander, R.,
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2 (1614-1948), 1994; Björne, L., Den nordiska rättsvetenskapens historia, Bd.
1ff. 1995ff.; Strauch, D., Schwedisches Landschaftsrecht und frühes Recht der
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Mittermaier, Maurer und Amira, ZRG GA 114 (1997), 415; Findeisen, J., Schweden,
1997; Alexius, K., Politisk yttrandefrihet, 1997; Kumlien, M., Uppfostran och
straff, 1997; Sundell, J., Karl Schlyter (21. Dezember 1879-21. Dezember 1959),
1998; Nilsén, P., Att stoppa munnen till pa bespottare – den akademiska
undervisningen i svensk statsrätt under frihetstiden, 2001; Rättslig
integration och pluralism, red. v. Önnerfors, E. u. a., 2001; Rättshistoria i
forändring, red. v. Modéer, K., 2002; Eliasson, P., Skog, makt och människor,
2002; Kohler, M., Die Entwicklung des schwedischen Zivilprozessrechts, 2003;
Dänemark, Norwegen und Schweden im Zeitalter der Reformation und
Konfessionalisierung, hg. v. Asche, M. u. a., 2003; Nesemann, U., Die schwedische
Familiengesetzgebung, 2003; Ullgren, P., Lantadel, 2004; Lyles, M., A Call für
Scientific Purity – Axel Hägerström’s Critique of Legal Science, 2006;
Lundmark, L., Samernas skatteland, 2006; Line, P., Kingship and State Formation
in Sweden 1130-1230, 2007; Feider og fred i nordisk middelalder, hg. v. Opsahl,
E., 2007; Lundberg, V., Folket, yxan och orättvisans rot, 2007; Giese, S.,
Studenten aus Mitternacht, 2008; Schierig, T., Herrschaft und
Gerichtsverfassung im frühneuzeitlichen Schweden, 2010; Bjarne Larsson, G.
Laga fång för medeltidens kvinnor och män, 2010; Petersson Hjelm, S., Fängelset
som Välfärdsbygge, 2011; Korpiola, M., Affection or Ancestry, ZRG GA 130
(2013), 145; Korpiola, M., The Svea Court of Appeal in the Early Modern Period,
2014; Wiktorsson, P., Skrivare i det medeltida Sverige, Bd. 1ff. 2015
Schweidnitz
Lit.: Rechtsdenkmäler der Stadt Schweidnitz, hg. v. Goerlitz, T. u. a.,
1939; Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen für Schweidnitz,
bearb. v. Goerlitz, T. u. a., 1940
Schweigaard, Anton Martin (Kargero 1808-Oslo
1870), früh verwaister Kaufmannssohn, wird nach Förderung in Westerholt/Ostfriesland,
Rechtsstudium in Oslo und Aufenthalten in Berlin und Paris 1835 Dozent und 1840
Professor in Oslo und Rechtspolitiker. Er veröffentlicht einen Kommentar zum
norwegischen Strafgesetzbuch von 1842 (1841ff.) und eine Darstellung des
norwegischen Prozesses (1849ff.). Seine Vorlesung folgt Mackeldeys Lehrbuch der
Institutionen, 1814 bzw. Lehrbuch des heutigen römischen Rechts, 1818.
Lit.: Sorensen, O., Anton Martin Schweigaards
politiske tenkning, 1986
Schweinsberg (1322 Stadt)
Lit.: Eckhardt, W., Kaiser Ludwig der Bayer und das Stadtrecht für
Schweinsberg, Zs. d. Vereins f. hess. Geschichte und Landeskunde 112 (2007), 51
Schweinfurt
Lit.: Fuchs, A., Schweinfurt 1972
Schweiz ist der zwischen Deutschland,
Österreich, Liechtenstein, Italien und Frankreich liegende, überwiegend
deutschsprachige Staat. Die S. nimmt ihren Ausgangspunkt davon, dass der
deutsche König zur Sicherung des Gotthardpasses 1231 den Leuten von →Uri
im ehemaligen Herzogtum →Schwaben die ewige Reichsunmittelbarkeit
verspricht und vielleicht davon, dass sich wenige Tage nach dem Tod Rudolfs von
Habsburg anfangs August 1291 die Leute von Uri mit den ähnlich berechtigten
Leuten von →Schwyz und den Leuten von Unterwalden in einem ewigen Bündnis
gegen die das Privileg missachtenden Grafen von →Habsburg verbinden, nach
anderer Ansicht erst im 14. Jh. (1351 Bündnisse Zürichs mit Uri, Schwyz, Unterwalden
und Luzern, 1352 mit Glarus und Zug, festere Strukturen erst um 1450). Am 15.
11. 1315 besiegen diese danach als →Eidgenossen auftretenden Verbündeten
zu Fuß die (vielleicht auch zu Gunsten Einsiedelns zu Pferde angreifenden)
habsburgischen Herzöge von Österreich bei Morgarten. Bald schließen sich
weitere Gebiete an (Luzern 1332, Zürich 1351, Glarus und Zug 1352, Bern 1353,
Appenzell 1411, 1513, Freiburg im Üchtland 1481/1502 und Solothurn 1481).
Frühestens am Ende des 14. Jahrhunderts entstehen gesamteidgenössische
Gespräche (1482 Tagsatzung). Die tatsächliche Lösung vom Reich beginnt
vielleicht 1499. Basel und Schaffhausen folgen zwangsweise 1501. Die Lösung vom
Reich verwirklicht sich wohl in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1648
wird die rechtliche Trennung vom Heiligen römischen Reich herbeigeführt. 1798 entsteht unter dem
Einfluss der französischen Revolution bzw. Napoleons die (zentralistische)
helvetische Republik mit 1803 föderalistisch abgeänderter Verfassung, mit
Bundesvertrag vom 7. 8. 1815 wieder ein lockerer Staatenbund von 22 souveränen
Kantonen mit dauernder Neutralität, aus dem die Verfassung vom 12. 9. 1848
(1874 abgeändert) einen Bundesstaat mit ziemlicher Selbständigkeit der
Gliedstaaten macht (Bundesgericht, nichtständig, 22 nicht notwendig
juristisch gebildete Mitglieder der 22 Kantone, beschränkte Zuständigkeit, rund
1100 Entscheidungen bis 1874). Ihm gehören in der Gegenwart 26 Kantone bzw.
Halbkantone (6) in 23 Ständen an. Das sehr zersplitterte, für die ältere Zeit
durch die großangelegte, noch nicht abgeschlossene Sammlung Schweizerischer
Rechtsquellen erschlossene, im 19. Jh. zunächst partikular modernisierte Recht,
zu dem zwischen 1791 und 1865 etwa 470 nationale und kantonale Verfassungen und
Verfassungsentwürfe zu zählen sind, ist nach einem Personenstands- und
Ehegesetz von 1874 im Obligationenrecht (1881, 1911 fünftes Buch des Zivilgesetzbuchs)
und in dem von Eugen Huber maßgeblich beeinflussten Zivilgesetzbuch (1907/1912
mit Ausstrahlungen auf Liechtenstein, die Türkei, Italien, Griechenland,
Peru, China, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion) für das Privatrecht
vereinheitlicht. 1937 bzw. 1942 wird ein Strafgesetzbuch geschaffen. 1960
wird die S. Gründungsmitglied der ziemlich erfolglosen Europäischen Freihandelszone
(EFTA). 1971 erhalten die Frauen das Wahlrecht. Ein Beitritt zu den
europäischen Gemeinschaften wird vom Volk abgelehnt, Zum 1. 1. 2000 wird die
Verfassung überarbeitet (z. B. Streikrecht, Sozialziele, Recht des Kindes).
2002 tritt die Schweiz den Vereinten Nationen bei. Zum 1. 1. 2007 treten das
Bundesgerichtsgesetz und das Verwaltungsgerichtsgesetz in Kraft. Das Recht
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung wird überarbeitet. Am 5. 10. 2007
wird eine schweizerische Strafprozessordnung verabschiedet.Durch verschiedene
Abkommen nähert sich die S. der europäischen Union an, sieht aber in der
grundsätzlichen Unabhängigkeit noch überwiegende wirtschaftliche Vorteile. Zum
1. 1. 2011 ersetzt eine einheitliche schweizerische Zivilprozessordnung
die bisherigen 26 kantonalen Zivilprozessordnungen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 94, 95, 130, 132, 138, 157, 170, 181, 183, 201, 202, 216, 229, 242,
244, 255, 258, 261, 274; Schweizerisches Idiotikon, hg. v. Staub, F. u. a., Bd.
1ff. 1881ff.; Huber, E., System und Geschichte des schweizerischen
Privatrechts, Bd. 1ff. 1886ff., 2. A. 1932ff.; Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1894ff.; Sulger Büel, E., Verfassungsgeschichte der
Stadt Stein am Rhein, 1908; Tscharner, L., Rechtsgeschichte des
Obersimmentales, 1908; Martin, P., Études critiques sur la Suisse à l’époque
Mérovingienne, 1910; Burckhardt-Biedermann, T., Die Kolonie Augusta Raurica,
1910; Meyer, K., Blenio und Leventina, 1911; Tscharner, L. v., Das
Statutarrecht des Simmentales, 1912ff.; Merz, W./Meyer-Zschokke, J., Die
Anfänge Zofingens, 1913; Schweizer Kriegsgeschichte, bearb. v. Feldmann,
M./Wirz, H., Heft 1ff. 1915ff.; Nabholz, H., Föderalismus und Zentralismus in
der eidgenössischen Verfassung vor 1798, Politisches Jahrbuch der
schweizerischen Eidgenossenschaft 30 (1917); Benz, A., Der Landammann, 1918;
Simon, R., Rechtsgeschichte der Benediktinerabtei Pfäfers, 1918; Beusch, H.,
Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg, 1918; Beurle, E., Der politische
Kampf um die religiöse Einheit der Eidgenossenschaft 1520-27, 1920; His, E.,
Geschichte des neueren schweizerischen Staatsrechts, Bd. 1ff. 1920ff.; Heusler,
A., Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920, Neudruck 1968; Stutz, U., Die
Schweiz in der deutschen Rechtsgeschichte, 1920; Gagliardi, E., Geschichte der
Schweiz, Bd. 1f. 1921; Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz, hg. v.
Turler, H. u. a., Bd. 1ff. 1921ff.; Heusler, A., Der Zivilprozess der Schweiz,
1923; Winkler, J., Beiträge zur Geschichte von Seebach, 1925; Muralt, L. v.,
Die Badener Disputation 1526, 1926; Feldmann, M., Die Herrschaft der Grafen von
Kyburg im Aaregebiet, 1926; Meyer, K., Zur Interpretation des Urschweizer
Bundesbriefs von 1291, Zeitschrift für schweizerische Geschichte 10 (1930),
413; Gasser, A., Entstehung und Ausbildung der Landeshoheit im Gebiete der
schweizerischen Eidgenossenschaft, 1930; Heiz, K., Das „eidgenössische recht“
1798-1848, 1930; Staehelin, H., Die Zivilgesetzgebung der Helvetik, 1931;
Schaefer, P., Das Sottocenere im Mittelalter, 1932; Nabholz, H. u. a.,
Geschichte der Schweiz, Bd. 1 1932; Gasser, A., Die territoriale Entwicklung
der schweizerischen Eidgenossenschaft 1271-1797, 1932; Gallati, F., Die
Eidgenossenschaft und der Kaiserhof zur Zeit Ferdinands II. und Ferdinands III.
1619-1657, 1932; Gisi, M., Die staatsrechtliche Stellung der christkatholischen
Kirche in der Schweiz, 1932; Quellenwerk zur Entstehung der schweizerischen
Eidgenossenschaft, Bd. 1ff. bearb. v. Schieß, T. u. a., 1933ff.; Ermatinger,
G., Jakob Dubs als schweizerischer Bundesrat von 1861-1871, 1933; Meyer, W.,
Die Verwaltungsorganisation des Reiches und des Hauses Habsburg-Österreich im
Gebiete der Ostschweiz 1264-1460, (1934); Cattani, H., Entwicklung des Talgerichts
von Engelberg, 1935; Legras, H., Grundriss der schweizerischen
Rechtsgeschichte, 1935; Bruckner, A., Scriptoria medii aevi Helvetica, Bd. 1ff.
1935ff.; Liver, P., Rechtsgeschichte der Landschaft Rheinwald, 1937; Gasser,
A., Landständische Verfassungen in der Schweiz, Zeitschrift für schweizerische
Geschichte 17 (1937), 96; Castelmur, A. v., Der alte Schweizerbund, (1937);
Fehr, H., Sozial- und Privatrechtliches aus den Höngger Meiergerichtsurteilen,
ZRG GA 58 (1938), 506; Henggeler, R., Das (!) Schlachtenjahrzeit der
Eidgenossen, 1940; Quellenbuch zur Verfassungsgeschichte der schweizerischen
Eidgenossenschaft, bearb. v. Nabholz, H./Kläui, P., 1940; Elsener, F., Die
Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1978, 1941; Das Schweizer Dorf, hg.
v. Winkler, E., 1941; Repertorium über die Verhandlungen der Bundesversammlung
der schweizerischen Eidgenossenschaft, Bd. 1 1848-1874, bearb. v. Kern, L.,
1942; Stockmann, H., Über die Gassengerichte von Uri, Schwyz, Nidwalden und
Appenzell, 1942; Staub, E., Die Herren von Hünenberg, 1943; Schultheß, H.,
Schweizer Juristen der letzten hundert Jahre, 1945; Fehr, H., Der Absolutismus
in der Schweiz, ZRG GA 69 (1952), 182; Westschweizer Schiedsurkunden, bearb. v.
Usteri, E., 1955; Kopp, M., Die Geltung des Mehrheitsprinzips in
eidgenössischen Angelegenheiten, 1959; Büttner, H., Staufer und Zähringer im
politischen Kräftespiel, 1961; Fritzsche, H., Der schweizerische Juristenverein
1861-1960, 1961; Hauser, A., Schweizerische Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
1961; Sonderegger, S., Die schweizerdeutsche Mundartforschung 1800 bis 1959,
1962; Lei, H., Der thurgauische Gerichtsherrenstand im 18. Jahrhundert, 1962;
Brand, E., Eidgenössische Gerichtsbarkeit – Von der Gründung des Bundesstaats
bis zur Gegenwart, 1962; Schmid, B., Die Gerichtsherrschaft Maur, 1963; Caroni,
P., Le origini del dualismo comunale svizzero, 1964; Stettler, B., Studien zur
Geschichte des oberen Aareraumes im Früh- und Hochmittelalter, 1964; Gmür, R.,
Das schweizerische Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch, 1965; Peter, H., Vom Einfluss der deutschen Zivilrechtswissenschaft,
FS K. Bader 1965, 321; Guldener, M., Über die Herkunft des schweizerischen
Zivilprozessrechts, 1966; Weymuth, H., Erscheinungsformen und Bedeutung der
extramuralen Rechtsbereiche nordschweizerischer Städte, 1967; Tschudi, A.,
Chronicon Helveticum 1ff., bearb. v. Stadler, P. u. a., 1968ff.; Carlen, L.,
Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968, 2. A. 1978, 3. A. 1988; Wernli, F., Die
Talgenossenschaften der Innerschweiz, 1968; Renner, F., Der
Verfassungsbegriff im staatsrechtlichen Denken der Schweiz im 19. und 20.
Jahrhundert, 1968; Schweizerisches Privatrecht, Bd. 1 hg. v. Gutzwiller, M.,
1969 (Elsener, F., Geschichtliche Grundlegung, 1-237 S.); Liver, P.,
Abhandlungen zur schweizerischen und bündnerischen Rechtsgeschichte, 1970;
Meyer, B., Die Bildung der Eidgenossenschaft im 14. Jahrhundert, 1972; Fulda,
J., Zur Entstehung der Stadtverfassung von Maienfeld, 1972; Handbuch der
Schweizer Geschichte, Bd. 1f. 1972ff.; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,61,523,972, 2,2,440, 3,2,1833,2755, 3,3,3084,3618,3677,3777,3875,4046,4189;
Im Hof, U., Geschichte der Schweiz, 1974, 2. A. 1976, 3. A. 1980, 4. A. 1987,
5. A. 1991. 6. A. 1997, 7. A. 2001, 8. A. 2007; Elsener, F., Die Schweizer
Rechtsschulen, 1975; Dubler, A. u. a., Wohlen, 1975; Die Murtenschlacht, 1976;
Carlen, L., Österreichische Einflüsse auf das Recht in der Schweiz, 1977;
Bickel, A., Die Herren von Hallwil, 1978; Peyer, H., Verfassungsgeschichte der
alten Schweiz, 1978, Neudruck 1980; Ein Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v.
Kohler, P. u. a., 1981; Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht, hg. v.
Peter, H. u. a., 1982; Schultz, H., Vierzig Jahre schweizerisches
Strafgesetzbuch, Schweiz. Z. f. Strafrecht 99 (1982); Schnyder, B., Siebzig
Jahre schweizerisches Zivilgesetzbuch, 1983; Das Obligationenrecht 1883-1983,
hg. v. Caroni, P., 1984; Caroni, P., Rechtseinheit, 1986; Tschudi, H.,
Geschichte des schweizerischen Arbeitsrechts, 1987; Drack, W. u. a., Die Römer
in der Schweiz, 1988; Schwander, M., Schweiz, 1991; Furrer, N., Glossarium
Helvetiae Historicum, Ortsnamen, 1991; Dubler, A., Das Recht der Landschaft
Emmental, 1991; Kraus, D./Pahud de Mortanges, R., Bibliographie des
schweizerischen Staatskirchenrechts, 1991; Steppacher, R., Die Berücksichtigung
der bäuerlichen Postulate bei der Entstehung des ZGB, 1992; Dubler, A./Häusler,
F., Aus der Geschichte des Grenzraums Emmental-Entlebuch, 1992, Kölz, A.,
Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, Bd. 1 1992, Bd. 2 2004;
Quellenbuch zur neueren schweizerischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Kölz,
A., 1992; Baum, W., Reichs- und Territorialgewalt (1273-1437), 1994; Delfosse,
M., Emilie Kempin-Spyri (1853-1901), 1994; Böning, H., Der Traum von Freiheit
und Gleichheit, 1998; Kästli, T., Die Schweiz, 1998; Bergier, J., Die Schweiz
in Europa, 1998; Blickle, P., Ordnung schaffen, HZ 268 (1998), 121; Werkstatt
Bundesverfassung, zusammengestellt v. Arlettaz, S., 1998; Bradke, S., 75 Jahre
Zollvertrag Schweiz-Liechtenstein, 1998; Hettling, M. u. a., Eine kleine
Geschichte der Schweiz, 1998; Rossi, P., Cours d’histoire suisse (1831-1832),
2000; Handels- und obligationenrechtliche Materialien, hg. v. Fasel, U., 2000;
Die Schweiz und die Flüchtlinge zur Zeit des Nationalsozialismus, hg. v.
unabhängiger Expertenkommission, 2001; Hofer, W./Reginbogin, R., Hitler, der
Westen und die Schweiz, 2001; Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 1ff.
2002ff. (Band 13 Vio – Zyr, insgesamt 36000 Lwmmata); Bonaparte et la Suisse,
hg. v. Monnier, V., 2002; Fasel, U., Handels- und obligationenrechtliche
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2003; Fasel, U., Bahnbrecher Munzinger, 2003; Die Rechtsquellen der Stadt Biel,
bearb. v. Bloesch, P., 2003; Die Erfindung der Demokratie in der Schweiz, hg.
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v. Morerod, J. u. a., 2004; Das Recht der Stadt Thun, bearb. v. Dubler, A.,
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Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten, 2004; Maissen, T., Verweigerte
Erinnerung, 2005; Gees, T., Die Schweiz im Europäisierungsprozess, 2006; Ein
Bruderkrieg macht Geschichte, hg. v. Niederhäuser, P. u. a., 2006; Piller, O.,
Die soziale Schweiz, 2006; Zbinden, M., Der Assoziationsversuch der Schweiz mit
der EWG 1961-1963, 2006; Geschichte der Sozialversicherungen. L’histoire des
assurances sociales, hg. v. Schweizerisches Bundesarchiv, 2007; Maissen, T.,
Die Geburt der Republic, 2007; Mesmer, B., Staatsbürgerinnen ohne Stimmrecht,
2007; Reich, D., Direkte Demokratie in der Krise, 2007; Saleski, K., Theorie
und Praxis des Rechts, 2007; Gschwend, L., Die Sammlung schweizerischer
Rechtsquellen, Zs. f. schweizerisches Recht 2007, 435ff.; Marchal, G.,
Schweizer Gebrauchsgeschichte, 2. A. 2007; Head, R., Jentasch’s Axe, 2008;
Marquardt, B., Die alte Eidgenossenschaft und das Heilige Römische Reich
(1350-1798), 2008; Demokratisierungsprozesse in der Schweiz, hg. v. Graber, R.,
2008; Pichonnaz, P., Les fondements romains du droit privé, 2008; Sablonier,
R., Gründungszeit ohne Eidgenossen, 2008,
3. A. 2008; Carlen, L., Goms und Gommer, 2009; Kriegsverbrecherprozesse
in der Schweiz, hg. v. Ziegler, A. u. a., 2009; Duss, V., Gericht, Gesetz und
Grundsatz, 2009; Schürer, S., Die Verfassung im Zeichen historischer
Gerechtigkeit, 2009; Seferovic, G., Das schweizerische Bundesgericht 1848-1874,
2010 Bühler, T., Schweizerische Rechtsquellen und schweizerische
Verfassungsgeschichte nach einer Vorlesung von Ulrich Stutz (1868-1932) (!),
2010; Kley, A., Geschichte des öffentlichen Rechts der Schweiz, 2011;
Kradolfer, M., Justitias „Emancipation“, 2011 (mit einer Tabelle der kantonalen
Gerichte 1840); Engi, L., Staatsdenker. 15 bedeutende Schweizer Juristen und
Politiker im Porträt, 2011; Zangger, A., Koloniale Schweiz, 2011; Rohner, G.,
Die Wirksamkeit von Volksinitiativen im Bund 1848-2010, 2012; Die Geschichte
der Schweiz, hg. v.Kreis, G., 2013Weber, K., Umstrittene Repräsentation der
Schweiz, 2014; Küffer, R., Eine liberale Kritik am Notrecht, 2014; Kley, A.,
Von Staqmpa nach Zürich, 2014; Kellenberger, C., Wo liegt die Schweiz?, 2014;
Aerschmann, S., Der ideale Richter – Schweizer Bundesrichter in der medialen
Öffentlichkeit, 2014; Fasel, U., Schweizerische Rechtsgeschichte aus Eugen
Hubers Feder, 2015; Schwizer, L., Ernst Brenners Einfluss auf die
Rechtseinheit, 2015
Schwerin →Mecklenburg
Lit.: Grohmann, W., Das Kanzleiwesen der Grafen von
Schwerin. Diss. phil. Rostock 1928; Das Schweriner Stadtbuch, hg. v. Poeck, D.,
2004
Schwert ist seit dem Altertum eine (in der
Osttürkei erstmals an dem Ende des 4. vorchristlichen Jahrtausends nachgewiesene)
Stichwaffe und Hiebwaffe aus Metall, die auch im Recht tatsächlich
(Richtschwert) und symbolisch (z. B. bei →Investitur, →Zweischwerterlehre,
→Schwertmage) verwendet wird, wobei die Verbindung von iustitia und
Schwert in Darstellungen erst seit dem 13. Jahrhundert belegt ist.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte,
1988; Faszination Schwert – Große Sonderausstellung im Landesmuseum Württemberg
13. Oktober 2018 – 28. April 2019 Altes Schloss Stuttgart, 2018
Schwertbrüderorden ist der 1202 in Livland gestiftete
kleine Ritterorden, der 1237 mit dem →Deutschen Orden verschmolzen wird.
Lit.: Bunge, G. v., Der Orden der Schwertbrüder, 1875;
Benninghoven, F., Der Orden der Schwertbrüder, 1965; Benninghoven, F., Zur
Rolle des Schwertbrüderordens, ZOF 41 (1992)
Schwertleite (F.) ist der ältere ritterliche
Mannbarkeitsritus, der später durch den Ritterschlag ersetzt wird.
Lit.: Erben, W., Schwertleite und Ritterschlag,
Zeitschrift für historische Waffenkunde 8 (1919)
Schwertmage ist der durch das →Schwert
versinnbildlichte männliche Verwandte (Mage) im deutschen Mittelalter.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 88;
Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA 77 (1960), 1
Schwur ist die Handlung und das Ergebnis der Leistung
eines Eides.
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Schwurfingerdeutung und Schwurgebärde,
Zeitschrift für schweizerisches Recht 39 (1920); Fritze, W., Die fränkische
Schwurfreundschaft der Merowingerzeit, ZRG GA 71 (1954), 74
Schwurgericht ist die mit drei Richtern
einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (bis 30. 9. 1972
Geschworenen) besetzte Strafkammer bei bestimmten Strafsachen (z. B. Mord), im
älteren und ausländischen Recht das mit (1 bzw.) 3 Richter(n) und 12
Geschworenen besetzte Gericht, bei dem die Geschworenen über die Frage der
Schuld und der oder die Richter über die Frage der Strafe entscheiden. Das S.
wird im linksrheinischen Deutschland 1798 unter dem Einfluss Frankreichs, im
übrigen Deutschland meist nach 1848 (Westphalen 1809, Kurhessen 1848)
eingeführt. 1877/1879 wird dies reichseinheitlich geregelt (1893 im Deutschen
Reich 140 Schwurgerichte). Am 4. 1. 1924 wird das ältere S. aus finanziellen
Gründen durch das jüngere, mit Schöffen besetzte S. ersetzt (Emmingersche
Justizreform, lex Emminger, in Bayern durch Verordnung vom 14. 7. 1948 bis 1.
10. 1950 nochmals kurzfristig wiederbelebt). Eine unmittelbare Kontinuität des
deutschen Schwurgerichts zu dem in karolingischer Zeit entstandenen
Schöffengericht besteht nicht. Brunner leitet das S. von den Zeugen der
fränkischen Zeit her, die der Richter zur Rüge bewegen kann. Vermutlich ist das
spätantiken Vorläufern folgende fränkische Untersuchungsverfahren über
Grundstücksverhältnisse über die Normandie nach England gelangt, wo es König
Heinrich II. (1154-1189) für Güterstreitigkeiten allgemein eröffnet. Danach
soll der Sheriff jeweils 12 Nachbarn auswählen, vereidigen und befragen. 1166
wird dies auf Verfahren wegen Unrechtstaten übertragen.
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler,
DRG 171, 202, 203, 234; Brunner, H., Die Entstehung der Schwurgerichte, 1872,
Neudruck 1967; Plucknett, T., A Concise History of the Common
Law, 1929, 2. A. 1936, 5. A. 1956; Schwinge, E., Der Kampf um die
Schwurgerichte, 1926, Neudruck, 1970; Kern, E., Geschichte des
Gerichtsverfassungsrechts, 1959, 114; Hahn, W., Die Entwicklung der Laiengerichtsbarkeit
im Großherzogtum Baden, 1974; Böttges, W., Die Laienbeteiligung in der Strafrechtspflege,
Diss. jur. Bonn 1979; Schubert, W., Die deutsche Gerichtsverfassung, 1981, 205;
Reimann, M., Der Hochverratsprozess gegen Gustav Struve und Karl Blind. Der
erste Schwurgerichtsfall in Baden, 1985; Landau, P., Schwurgerichte und
Schöffengerichte, (in) The Trial Jury, hg. v. Schioppa, A., 1987, 241;
Caenegem, R. van, The Birth of the English Common Law, 1973, 2. A. 1988;
Reuber, I., Der Kölner Mordfall Fonk von 1816, 2002; Koch, A., Die Rückkehr der
„Volksgerichte“, ZRG GA 122 (2005), 242; Pense, T., Das spanische
Schwurgericht, 2006; Braun, M., Die Entwicklung der Schwurgerichtsfrage in
Kurhessen bis zum Jahre 1851, 2011
Schwyz, um 730 Ort einer Kirche, ist der
für die →Schweiz namengebende Urkanton.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Reichlin, M., Die
schwyzerische Oberallmende, 1908; Steiner, H., Das eheliche Güterrecht des
Kantons Schwyz, 1910; Styger, D., Die Beisassen des Landes Schwyz, 1914;
Sidler, R., Die schwyzerische Unterallmeindkorporation, Diss. jur. Zürich
1956; Riggenbach, A., Der Marchenstreit zwischen Schwyz und Einsiedeln und die
Entstehung der Eidgenossenschaft, Diss. phil. Zürich 1965; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Carlen, L., Rechtsgeschichte der Schweiz, 1968,
2. A. 1978, 3. A. 1988; Wiget, J., Wasser und Wacht, 1988; Schwyz, 1991;
Fassbind, J., Schwyer Geschichte, hg. v. Detting, A., 2004; Adler, B., Die
Entstehung der direkten Demokratie, 2006; Ausflug in die Vergangenheit –
Archäologische Streifzüge durch die Urschweiz, 2015
Scire leges non est verba eorum tenere
sed vim ac potestatem
(lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre
Macht und ihr Vermögen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Celsus, um 70-um 140, Digesten 1, 3, 17)
scultetus (lat.-afrk. [M.]) →Schultheiß
Seabra, António Luís Visconde de
(1798-1895), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Coimbra Richter,
Rechtslehrer und liberaler Rechtspolitiker. Er entwirft den 1867 in Kraft
gesetzten Código civil portugues.
Lit.: Dias Ferreira, J., Elogio histórico do Visconde
de Seabra, 1895; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973
Seckel, Emil (Neuenheim bei Heidelberg
10. 1. 1864-Todtmoos 26. 4. 1924), Schwiegersohn Hinschius’, wird 1898
Professor in Berlin.
Lit.: Seckel, E., Paläographie der juristischen
Handschriften des 12. bis 15. Jahrhunderts, ZRG RA 45 (1925), 1; Genzmer, E.,
Emil Seckel, ZRG RA 46 (1926), 216
Seckendorff, Veit Ludwig von (Herzogenaurach
20. 12. 1626-Halle/Saale 18. 12. 1692), aus fränkischem Adel, wird nach dem
Studium von Philosophie, Geschichte und Recht in Straßburg Rat und Kanzler in
Sachsen-Gotha und 1665 in Sachsen-Naumburg-Zeitz. Sein Hauptwerk ist der
christlich idealisierende Teutsche Fürstenstaat (1656), der sich teilweise an
den Fürsten, teilweise an dessen Amtsträger wendet.
Lit.: Seckendorff, V., Teutscher Fürstenstaat, 1656,
Neudruck 1972, 1976; Schmelzeisen, G., Der verfassungsrechtliche Grundriss in
Veit Ludwig von Seckendorffs „Teutschem Fürstenstaat“, ZRG 87 (1970), 190;
Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v. Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987,
3. A. 1995
Securitas (lat. F.,
Sicherheit) ist im spätantiken römischen Recht die Quittung.
Lit.: Kaser § 53 I 1; Köbler, DRG 62
SED ist die am 21. 4. 1946 aus zwangsweiser Vereinigung
von Sozialdemokratischer Partei Deutschlands und Kommunistischer Partei
Deutschlands zwecks Ausschaltung der Sozialdemokratie hervorgehende Sozialistische
Einheitspartei Deutschlands in der sowjetischen besetzten Zone des Deutschen
Reiches, die in der Deutschen Demokratischen Republik die Politik
entscheidend bestimmt und sich nach deren Scheitern am Ende der Deutschen
Demokratischen Republik (1989) in Partei des demokratischen Sozialismus (PDS)
umbenennt.
Lit.: Köbler, DRG 245; Kroeschell, 20. Jh.; Dokumente
zur Geschichte der SED, hg. v. Müller, E. u. a., Bd. 1ff. 2. A. 1981ff.; Das
Ende der SED, hg. v. Hertle, H. u. a., 1997; Die SED, hg. v. Herbst, A. u. a.,
1997; Schröder, K., Der SED-Staat, 1998; Anatomie der Parteizentrale, hg. v.
Wilke, M., 1998; Die totalitäre Herrschaft der SED, hg. v. Friedrich, W., 1998;
Schroeder, K., Der SED-Staat, 1998; Malycha, A., Die SED, 1999; Hört die
Signale, hg. v. Hübsch, R., 2002; Großbölting, T., SED-Diktatur und
Gesellschaft, 2002; Giese, D., Die SED und ihre Armee, 2002; Amos, H., Politik
und Organisation der SED-Zentrale 1949-1963, 2003; Baron, U., Kalter Krieg und
heißer Frieden, 2003; Die ersten und zweiten Sekretäre der SED, hg. v. Best,
H./Mestrup, H., 2003; Niemann, M., Die Sekretäre der SED-Bezirksleitungen
1952-1989, 2007; Malycha, A. u. a., Die SED, 2009; Amos, H., Die
Vertriebenenpolitik der SED 1949-1990, 2009; SED-Kader, hg. v. Niemann, M. u.
a., 2010; Pohlmann, T., Die Ersten im Kreis, 2017
Sedan ist von 1601 bis 1681 Sitz einer Universität.
Seedarlehen →fenus (N.) nauticum (lat.)
Lit.: Schuster, S., Das Seedarlehen in den
Gerichtsreden des Demosthenes, 2005
Seelbuch (N.) Totenbuch
Lit.: Ziller, H., Private Bücher des Spätmittelalters,
1971
Seelgerät ist im mittelalterlichen Recht die
zum Seelenheil (lat. salus N. animae) gestiftete
Sache. Die Schaffung geschieht anfangs durch Gabe, seit dem Hochmittelalter
auch durch →Testament.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 89; Mayer, E.,
Seelgerät und Besthaupt, ZRG GA 38 (1917), 301; Bruck, E., Totenteil und
Seelgerät im griechischen Recht, 1926; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v.
Herzog, M. u. a., 2007
Seelteil →Freiteil
Lit.: Schultze, A., Augustin und der Seelteil des
germanischen Erbrechts, 1928; Schultze, A., Nachträge zu „Augustin und der
Seelteil“ S. 185ff., ZRG GA 50 (1930), 377
Seerecht ist das die See betreffende Recht.
Es ist ein Teil des Völkerrechts, soweit die See nicht zum Hoheitsgebiet eines
einzelnen Staates zählt. Bedeutsam ist insbesondere das Seehandelsrecht als
Sonderprivatrecht der Seeschifffahrt. Dieses erscheint bereits im (lat.)
→Codex (M.) Hammurapi (1728-1686 v. Chr.). Weit verbreitet ist im
Altertum das nach der Insel Rhodos benannte griechische Seehandelsrecht (lat.
lex F.
Rhodia [de iactu], rhodisches Gesetz über den Wurf [von Gütern bei Gefahr in
die See]), das die Römer übernehmen, so dass es im Osten bis in das 15. Jh.
fortwirkt. Im Westen nimmt das S. des Mittelmeers seinen Ausgang von Amalfi
(lat. Tabula [F.] de Amalfa, 12. Jh.), Pisa (lat. Constitutum [N.] usus, 12.
Jh.), Venedig (1229ff.) und Genua (E. 13. Jh.). Eine private Rechtssammlung in
Barcelona um 1350 (1348) ist das →Consolat del Mar, das bis ins 19. Jh.
den Mittelmeerraum beherrscht. Für das nordwesteuropäische Gebiet sind die
→Rôles d’ →Oléron (Mitte 13. Jh.s) besonders wichtig, deren
flämische Übersetzung →Vonnisse van Damme genannt wird. Diese bildet
zusammen mit der in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s in Staveren oder Amsterdam
entstandenen →Ordinancie die Grundlage für die im 15. Jh. verfasste
Sammlung Waterrecht. Von den deutschen Seehandelsstädten wirken vor allem
Hamburg und Lübeck und ihre Tätigkeit in der Hanse prägend. Im 16. und 17. Jh.
werden in den Niederlanden (1551ff., um 1700 etwa 50000 Seefahrer), in Dänemark
(1561), Hamburg (1603), der Hanse (1614) und Schweden (1667) bedeutsame
Regelungen erlassen, an die sich allmählich eine beachtliche wissenschaftliche
Literatur anschließt (→Stracca, →Grotius, →Vinnius).→Preußen
schafft 1727 ein 10 Kapitel mit 361 Artikeln umfassendes Seegesetz, dessen
Inhalt in das →Allgemeine Landrecht (1794) Eingang findet. Frankreichs
→Ordonnance de la marine (1681) erhält der →Code de commerce (1807)
aufrecht, der sich auf Griechenland (1835), Rumänien (1863), die Türkei (1864),
Spanien (1829), Portugal (1833), die Niederlande (1838), Belgien (1879) und
Italien vollständig oder teilweise auswirkt. Die deutschen Staaten vereinheitlichen
ihr S. im →Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) bzw. im
Handelsgesetzbuch (1897/1900).
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957, 335; Lewis, W., Das deutsche Seerecht, 2. A. 1883,
Neudruck 2013; Lewis, W./Boyens, E., Das deutsche Seerecht 1897, Neudruck 2013;
Rolin, H., L’abordage, 1899; Die altniederländischen Seerechte, hg. v. Telting,
A., 1907; Sammlung älterer Seerechtsquellen, hg. v. Zeller, H., Heft 1ff.
1907ff.; Seerechtliche Forschungen, hg. v. Zeller, H., Heft 1 1915; Perels, L.
El libro del consulado de mar, Revista juridica de Cataluña 23 (1917); Perels,
L., Orden judicial del consulado de mar de Barcelona, Revista juridica de
Cataluña 25 (1919); Pappenheim, M., Zur Geschichte des Seefrachtvertrags, ZRG
GA 51 (1931), 175; Zeno, R., Documenti per la storia del diritto marittimo,
1936; Wüstendörfer, H., Neuzeitliches Seehandelsrecht, 1947; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,848, 2,2,675; Lau, G., Das hamburgische
Seehandelsrecht im 18. Jahrhundert, Diss. jur. Hamburg 1975; Landwehr, G., Die
hanseatischen Seerechte, (in) 1667 ars sjölag, hg. v. Institutet för
rättshistorisk forskning, 1984, 75; Frentz, E., Das hamburgische
Admiralitätsgericht (1623-1811), 1985; Landwehr, G., Die Haverei in den
mittelalterlichen deutschen Seerechtsquellen, 1985; Landwehr, G., Das
preußische Seerecht vom Jahre 1727, ZNR 8 (1986), 113; Landwehr, G., Die
Bedeutung des lübischen Seerechts, (in) Schiffe und Seefahrt, hg. v. Bei der
Wieden, 1986, 129; Schulz, R., Die Entstehung des Seerechts des Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuches, 1987; Krieger, K., Die Anfänge des Seerechts,
(in) Untersuchungen zu Handel und Verkehr, Bd. 4 1987, 246; Landwehr, G.,
Seerecht, HRG Bd. 4 1989; Osten, W., Das schwedische Seerecht, 1992; Ziegler,
K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Decken, J. v. d., Das
Seearbeitsrecht im Hamburger Stadtrecht, 1995; Landwehr, G., Prinzipien der
Risikotragung beim Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u.
a., 1997; Rademacher, M., Die Geschichte des Hafen- und Schifffahrtsrechts in
Hamburg, Bd. 4 1999 (Selbstverlag); Seerecht im Hanseraum des 15. Jahrhunderts,
hg. v. Jahnke, C. u. a., 2003; Landwehr, G., Das Seerecht der Hanse, 2003;
O’Sullivan, C., Die Ahndung von Rechtsbrüchen
der Seeleute, 2005; Schweitzer, J., Schiffer und Schiffsmann in den Rôles
d’Oléron, 2006; Ausschuss für Seerecht (1933-1942), hg. v. Schubert, W., 2012;
Law of the Sea, from Grotius to the International Tribunal for the Law of the
Sea, hg. v. Castillo, L. del, 2015
Seesen
Lit.: Tausend Jahre Seesen, hg. v. d. Stadt Seesen, 1974
Seeversicherung ist die Versicherung von Menschen
und Sachen gegen die bei Fahrt oder Beförderung auf See bestehenden besonderen
Gefahren. Sie erscheint erstmals 1319 und ist in Venedig bereits im 15. Jh. von
großer tatsächlicher Bedeutung.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Kiesselbach, A., Die wirtschafts- und rechtsgeschichtliche
Entwickelung der Seeversicherung in Hamburg, 1901; Hammacher, W., Die
Grundzüge des allgemeinen Seeversicherungsrechts, Diss. jur. Bonn 1983;
Nehlsen-von Stryk, K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Go, S., Marine
Insurance in the Netherlands 1600-1870, 2009
Sefarde (M.) Jude im mittelalterlichen
Spanien
seisin (F.) Gewere
Sekundogenitur (F.) Zweitgeburt
Selbständiger ist, wer nicht in einer
(beruflichen) Abhängigkeit steht. In der arbeitsteiligen Wirtschaft wird die
Zahl der Selbständigen (Unternehmer) immer geringer. Möglicherweise erzwingt
die durch hohe Lohnkosten und Rationalisierungsdruck bewirkte
Arbeitslosigkeit in der Zukunft wieder mehr Selbständigkeit.
Lit.: Köbler, DRG 225, 252
Selbstbedienung ist die eigene Ausführung einer
(bisher) einem andern zustehenden Angelegenheit. Sie kann zu Kostenvorteilen
führen. Sie kann (z. B. bei Politik und im öffentlichen Dienst) aber auch
sinnvolle Kontrollmechanismen umgehen.
Lit.: Langer, L., Revolution im Einzelhandel, 2013
Selbstbestimmung ist die ausschließliche
Entscheidung des Betroffenen über sich selbst. Sie entwickelt sich dort, wo
übermäßige Fremdbestimmung aufgeklärtes Freiheitsstreben erwachen lässt. Das
ist seit dem 18. Jh. allgemein und seit dem 19. Jh. im überindividuellen
Bereich der Fall.
Lit.: Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit,
1952, 2. A. 1967; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007;
Elsner, B., Die Bedeutung des Volkes im Völkerrecht, 2000; Mett, F., Das
Konzept des Selbstbestimmungsrechts der Völker, 2004; Fisch, J., Adolf Hitler
und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, HZ 290 (2010), 93; Fisch, A., Das
Selbstbestimmungsrecht der Völker, 2010; Die Verteilung der Welt, hg. v. Fisch,
J., 2011
Selbsthilfe (Wort 1678) ist die Durchsetzung oder Sicherung
eines Anspruches durch eigenes Handeln. Die S. ist vor der Entwicklung des
staatlichen Durchsetzungsmonopoles selbverständlich (→Fehde). Schon im
römischen Altertum ist sie eingeschränkt. Seit dem Frühmittelalter wird die S.
zurückgedrängt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) hält sie zwar noch für
grundsätzlich zulässig, bindet sie aber an enge Voraussetzungen und gewährt
ihr nur geringe Möglichkeiten (§ 229 BGB).
Lit.: Kaser § 36 II 5; Söllner § 8; Hübner;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 18, 92, 166, 177, 208; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 54, Neudruck 1964;
Adler-Rudel, S., Jüdische Selbsthilfe, 1974; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1 1985, 277, 287; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Selbstmord (Selbsttötung) ist die gewaltsame
Beendung des eigenen Lebens. Das römische Recht steht dem S. grundsätzlich
ziemlich gleichgültig gegenüber, gibt aber den zunächst üblichen Abbruch eines
Strafverfahrens nach S. im 3. Jh. n. Chr. aus finanziellen Erwägungen zu Gunsten
der Konfiskation des Vermögens von Angeklagten auf. Von der christlichen Kirche
wird S. vom 6. Jh. bis in das 20. Jh. als Todsünde dadurch bekämpft, dass (noch
1917) die Beerdigung des Selbstmörders in christlichen Formen ausgeschlossen
wird. Zeitweise sprechen sich auch weltliche Juristen und territoriale
Bestimmungen für eine Strafbarkeit des Selbstmords aus (Pufendorf, Thomasius,
Wolff), doch werden nach ersten liberalen Stimmen in der Renaissance weltliche
Rechtsfolgen des Selbstmords unter dem Einfluss der Aufklärung in Preußen 1751
und in Frankreich 1790 von oben her aufgegeben, weil der Selbstmörder als krank
angesehen wird. Die Mitwirkung Dritter ist an einzelnen Orten zu einzelnen
Zeiten tatsächlich strafbar.
Lit.: Bernstein, O., Die Bestrafung der Selbstmörder,
1907; Masi, G., Il suicidio nel diritto comune, (in) Il diritto ecclesiastico,
63 (1952), 497; Dieselhorst, J., Die Bestrafung der Selbstmörder im Territorium
der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Vereins f. Gesch. der Stadt Nürnberg 44 (1953),
58; Faberow, N., Bibliography of suicide, 1972; Wacke, A., Der Selbstmord im
römischen Recht, ZRG RA 97 (1980), 26; Ehrlich, J., Suicide in the Roman
Empire, 1986; Nestmeyer, F., Freitod, 1998; Murray, A., Suicide in the Middle
Ages, 1998ff.; Schrage, E., Suicide in Canon Law History, Legal History 21
(1999), 57; Lind, V., Selbstmord in der frühen Neuzeit, 1999; Mischler, G., Von
der Freiheit, das Leben zu lassen, 2000; Ahrens, J., Selbstmord, 2001; Baumann,
U., Vom Recht auf den eigenen Tod, 2001; Bähr, A., Der Richter im Ich, 2002;
Schreiner, J., Jenseits vom Glück. Suizid, Melancholie und Hypochondrie in
deutschsprachigen Texten des späten 18. Jahrhunderts, 2003; Hofmann, D., Suizid
in der Spätantike, 2007; Pfannkuchen, K., Selbstmord und Sanktionen, 2008;
Goeschel, C., Suicide in Nazi Germany, 2009; Frantzen, M., Mors voluntaria in
reatu, 2012; Wiler, K., Die Beurteilung der Selbsttötung, 2013; Lahann, B., 18
berühmte Dichter und Maler, die sich das Leben nahmen, 2014; Dietrich, J., Der
Tod von eigener Hand,- Studien zum Suizid im Alten Testament, 2016; Schweig,
N., Suizid und Männlichkeit, 2016; Liebrandt, H., Das Recht mich zu richten,
das spreche ich ihnen ab. Der Selbstmord der nationalsozialistischen Elite
1944/1945, 2017
Selbstverwaltung ist die eigenverantwortliche
Wahrnehmung überlassener oder zugewiesener eigener öffentlicher Aufgaben durch
unterstaatliche Träger öffentlicher Verwaltung. S. ist selbverständlich. Sie
wird zu einer politischen Frage seit der frühen Neuzeit, in welcher der erstarkende
absolute Flächenstaat alle Entscheidungen zentralisiert. In Abwehr dieser bürokratisch-planstaatlichen
Entwicklung setzen Aufklärung und Liberalismus seit 1808 in Preußen die
kommunale S. durch (Österreich provisorisches Gemeindegesetz 1849, Reichsgemeindesgesetz
1862, autonomer Wirkungsbereich und übertragener staatlicher Wirkungsbereich).
Dem folgen eine berufsständische S. (Handwerkskammer u. s. w.) und seit 1883
eine sozialversicherungsrechtliche S. (z. B. Krankenversicherung) nach.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197, 258; Gneist,
R. v., Geschichte des Selfgovernment in England, 1863; Schelb, W.,
Staatsverwaltung und Selbstverwaltung, 1911; Becker, E., Gemeindliche
Selbstverwaltung, 1941; Fischer, W., Unternehmerschaft, Selbstverwaltung und
Staat, 1964; Heffter, H., Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert,
1950, 2. A. 1969; Graf, W., Die Selbstverwaltung der fricktalischen Gemeinden
im 18. Jahrhundert, 1967; Matzerath, H., Nationalsozialismus und kommunale Selbstverwaltung,
1970; Croon, H./Hofmann, W./Unruh, G. v., Kommunale Selbstverwaltung im
Zeitalter der Industrialisierung, 1971; Schwab, D., Die „Selbstverwaltungsidee“
des Freiherrn von Stein, 1979; Hendler, R. Selbstverwaltung als
Ordnungsprinzip, 430; Rössler, L., Die Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, Diss. jur. Kiel 1985; Weiß, J., Die Integration der Gemeinden
in den modernen bayerischen Staat, 1986; Gubitzer, L., Geschichte der
Selbstverwaltung, 1989; Treffer, C., Zur Entwicklung der kommunalen
Selbstverwaltung, Der Staat, 1996, 251; Kommunale Selbstverwaltung, hg. v.
Birke, A., 1996; Droste, W., Die Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung,
Diss. jur. Bonn 1999; Selbstverwaltung in der Geschichte Europas in Mittelalter
und Neuzeit, hg. v. Neuhaus, H., 2010; Arend, R., Bürger und kommunale
Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen seit 1945, 2010; Will, M.,
Selbstverwaltung in der Wirtschaft, 2010; Selbstregulierung im 19. Jahrhundert,
hg. v. Colin, P. u. a., 2011
Selden, John (Selvington/Sussex 16. 12.
1584-Whitefriars 30. 11. 1654), Bauernsohn, wird nach dem Studium in Oxford und
der Ausbildung in Clifford’s Inn (1603) bzw. in Inner Temple (1604) 1612 Rechtspraktiker
(barrister), Rechtspolitiker und Rechtswissenschaftler. Bereits 1606
verfasst er eine Darstellung der angelsächsischen Verwaltung, 1610 eine Übersicht
über die englische Rechtsentwicklung bis zu König Heinrich II. 1617 wird er mit
(lat.) De Diis Syriis (Über syrische Götter) als Orientalist bekannt und widmet
sich in der Folge vielfach dem außereuropäischen, altjüdischen Recht. 1618 (?)
antwortet er auf Hugo Grotius’ (lat.) Mare liberum (Freies Meer) mit einem
(lat.) Mare (N.) clausum (Geschlossenes Meer), in dessen Gefolge englische
Kriegsschiffe die holländische Heringsfischerei in von England beanspruchten
Gewässern von Abgaben abhängig machen. Im Gedenken an S. wird 1887 in England
von Frederic Maitland die Selden Society als Gesellschaft zur Pflege der
englischen Rechtsgeschichte gegründet.
Lit.: Braun, R., John Selden, Diss. jur. Würzburg,
1943 masch.schr.; Klee, H., Hugo Grotius und John Selden, 1946; Fletcher, E.,
John Selden, 1969; Berkovitz, D., John Selden’s Formative Years, 1988
Seldschuke ist der Angehörige einer von
Seldschuk (um 1000) gegründeten, von 1040 bis 1157 bedeutsamen Herrscherfamilie
der →Türken.
Semel heres semper heres (lat.). Einmal Erbe immer Erbe.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4
Senat ist im altrömischen Recht die neben
König bzw. Konsuln stehende Versammlung der Alten (lat. M.Pl.
senes) oder Väter (lat. M.Pl. patres) der
patrizischen Geschlechterverbände. Diesem S. gehören allmählich alle
ehemaligen Amtsträger (z. B. Konsuln, Prätoren) an (anfangs 300 Mitglieder,
später 600). Sein Ratschlag, der in wichtigeren Angelegenheiten einzuholen
ist, erlangt praktische Gesetzeskraft (lat. N.
senatusconsultum), so dass die Leitung Roms in der Republik im Grunde bei dem
S. liegt. Seit dem Prinzipat verkümmert der die Aufgaben der Volksversammlungen
übernehmende S. zum Stadtrat Roms (bzw. Konstantinopels). In der frühen
Neuzeit wird S. zur Bezeichnung des Spruchkörpers eines Obergerichts, eines
politischen Kollegialorgans (z. B. zweite Kammer, in Bayern [60 Senatoren],
nach Volksentscheid zum 1. 1. 2000 aufgehoben, Oberhaus der Aprilverfassung
Österreichs 1848, Vereinigte Staaten von Amerika, Frankreich, Italien) oder
eines Leitungsgremiums einer Hochschule.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 15; Dulckeit/Schwarz/Waldstein
§ 6; Köbler, DRG 18, 32, 55, 153; Beck, H., Senat und Volk von Konstantinopel,
1966; Talbert, R., The Senate, 1984; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte,
Bd. 1 1988; Arccaria, F., Senatus censuit, 1992; Senatus populusque Romanus,
hg. v. Vaahtera, J., 1993; Der bayerische Senat, bearb. v. Schmöger, H., 1998;
Senatores populi Romani, hg. v. Eck, W. u. a., 2005; Zmeskal, K., adfinitas,
2009; Maurizi, L., Il cursus honorum senatorio, 2013 (auf der Grundlage von 422
Inschriften)
Senatusconsultum (lat. N.)
ist der Senatsbeschluss auf Anfrage eines Magistrats, der im römischen Recht
praktisch Gesetzeskraft erlangt. Er ist meist nach dem Antragsteller benannt.
Lit.: Kaser § 2 II 2a; Söllner §§ 4, 6, 14, 15;
Köbler, DRG 18, 31
Senatusconsultum Claudianum (54 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, nach dem die Römerin versklavt wird, die gegen den Willen des
Herrn mit einem Sklaven geschlechtlich verkehrt.
Lit.: Kaser § 15 II 3
Senatusconsultum Iuventianum (129 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, wonach ein gutgläubiger Erbschaftsbesitzer nur herauszugeben
hat, worum er bereichert ist.
Lit.: Kaser § 75 I 3b, 6c; Köbler, DRG 37
Senatusconsultum Macedonianum (2. Hälfte 1. Jh. n. Chr.) ist der
nach einem Haussohn Macedo benannte römischer Senatsbeschluss, der Gelddarlehen
an Haussöhne verbietet, um zu verhindern, dass ein von Gläubigern bedrängter
Haussohn (z. B. Macedo) seinen Vater tötet, um seine Schulden mit dann vom
Vater geerbtem Geld zu tilgen.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Söllner § 15; Wacke, A., Das
Verbot der Darlehensgewährung, ZRG RA 112 (1995), 239
Senatusconsultum Neronianum (54-68 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, nach dem ein Legat, das in dem vom Erblasser gewählten Typus
unwirksam ist, in einer der anderen Arten von Vermächtnis aufrechterhalten
wird, wenn sein Inhalt dies zulässt.
Lit.: Kaser § 76 II 4a
Senatusconsultum Orfitianum (178 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, der den Kindern ein Erbrecht nach dem Tod der Mutter vor den
Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Tertullianum (117-138 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, welcher der Mutter, die das (lat.) →ius (N.) liberorum
(Recht der Kinder) hat, ein Erbrecht am Nachlass eines Kindes hinter den (lat. M.Pl.)
sui (Seinen), dem Vater und den vatersblütigen Brüdern und gemeinsam mit den
vatersblütigen Schwestern vor allen übrigen Agnaten gewährt.
Lit.: Kaser § 66 IV, VI; Söllner § 15; Köbler, DRG 38;
Meinhart, M., Die Senatsconsulta Tertullianum und Orfitianum, 1967
Senatusconsultum Trebellianum (56/57 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, der den fideikommissarischen Nachfolger eines Erben so stellt,
dass die dem Erben und gegen den Erben möglichen Klagen dem Nachfolger und
gegen den Nachfolger unmittelbar als (lat.) →actiones (F.Pl.) utiles
erteilt werden.
Lit.: Kaser § 78 II 2
Senatusconsultum ultimum ist der römische Senatsbeschluss, in dem die
Konsuln aufgefordert werden, bei einem Aufstand zur Wiederherstellung der
Ordnung auch außerordentliche Mittel anzuwenden (erstmals 121 v. Chr.
angewendet).
Senatusconsultum Vellaeanum (46 n. Chr.) ist der römische
Senatsbeschluss, der Frauen verbietet, im Interesse Dritter Verbindlichkeiten
(z. B. Bürgschaften) einzugehen.
Lit.: Kaser § 57 V; Söllner § 15; Köbler, DRG 44;
Medicus, D., Zur Geschichte des Senatusconsultum Velleianum, 1957; Lehner, O.,
Senatus consultum Velleianum – die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur, ZRG
GA 105 (1988), 270
Senckenberg, Heinrich Christian (Frankfurt am
Main 1704-Wien 30. 6. 1768), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Gießen,
Halle, Leipzig, Gießen und Göttingen 1736 ordentlicher Professor in Göttingen,
1738 in Gießen und 1751 Reichshofrat. Zu seinen rechtsgeschichtlichen
Arbeiten zählen wichtige Quellensammlungen (z. B. Neue und vollständige
Sammlung der Reichsabschiede, 1747ff.).
Lit.: Kriegk, G., Die Brüder Senckenberg, 1869;
Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd.
1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978
Send (M.) →Sendgericht
Sendeve (1297) (Sendvermögen) ist eine
spätmittelalterliche nördliche →Handelsgesellschaft, bei der Gut, das
der Geber einem anderen Kaufmann gegen Vergütung, Gewinnanteil oder sonstige
Gegenleistung (mit)gibt, allein auf Gewinn und Gefahr des Gebers reist. Das
Sendevegeschäft steht der →Kommission nahe.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Goldschmidt, L., Goldschmidt,
L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des
Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957,¸Rehme, P., Geschichte des
Handelsrechts, 1913; Ebel, W., Lübisches Kaufmannsrecht, 1951, 83
Sendgericht (zu lat. [M.] synodus) ist das im
Frühmittelalter aus dem Bischof als Richter und aus Sendschöffen als Urteilern
gebildete kirchliche Gericht für die Rüge und Verhandlung aller unrechten
Taten, die nach christlicher Ansicht Sünde sind. Das S. geht seit dem 11. Jh.
vom Bischof auf die Pfarrer über. Seit dem 12. Jh. wird es allmählich durch den
kirchlichen Einzelrichter eingeschränkt, im 17. Jh. endgültig beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 115; Koeniger,
A., Die Sendgerichte in Deutschland, 1907; Koeniger, A., Quellen zur Geschichte
der Sendgerichte in Deutschland, 1910; Kohl, W., Das Laiensendgericht in der
mittelalterlichen Stadt Speyer, 1950; Niederhöfer, K., Die Rezeption des
römischen Rechtes in der Reichsstadt Speyer, 1949; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Kerff, F., Libri paenitentiales, ZRG KA 75
(1989) 23; Spieß, P., Rüge und Einung, 1988; Becker, I., Geistliche Parteien
und die Rechtsprechung im Bistum Konstanz, 1998; Lauterbach, K., Sendgericht,
Missat und Feme im Werk des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs, ZRG GA
118 (2001), 185
Seneschall (lat.-afrk. senescalcus) ist im
fränkischen Reich der für die Verpflegung zuständige Truchsess (Altknecht). In
Frankreich besteht das Amt am Königshof bis 1191.
Lit.: Köbler, DRG 83; Schubert, P., Die
Reichshofämter, MIÖG 34 (1913), 427; Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt,
Diss. phil. Frankfurt am Main 1970; Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
senex (lat. M.)
Alter, senes (M.Pl.) Senat
senior (lat. M.)
Älterer, Herr
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Ehrismann, G.,
Die Wörter für Herr im Althochdeutschen, Z. f. d. W. 7 (1905), 173
sententia (lat. F.)
Satz, Urteil
Lit.: Kaser § 84 II
Sententiae (F.) Pauli (lat.) (Urteile des Paulus) ist
der Neme eines Auszugs aus echten Schriften des →Paulus vom Ende des 3.
Jh.s.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 52
separatio (lat. [F.]) Trennung (z. B. quoad torum et
mensam, von Tisch und Bett)
Separatio (F.) bonorum (lat.) ist die Gütertrennung
zwischen Nachlass des Erblassers und Vermögen des Erben, die im klassischen
römischen Recht zwecks Haftungsbeschränkung nur ausnahmsweise erreicht werden
kann. →Erbenhaftung
Lit.: Kaser § 74 II, 1, 2; Köbler, DRG 37
Sequester (lat. M.)
ist im römischen Recht der Verwahrer (Fremdbesitzer) einer im Rechtsstreit
befangenen Sache. Er hat Interdiktenbesitz. Von ihm kann die siegreiche Partei
Herausgabe der Streitsache aus der Sequestration verlangen.
Lit.: Kaser §§ 19 IV 2d, 39 III 3
Serbien ist das von Morava und Vardar
entwässerte südwesteuropäische Gebiet, in das während der oströmischen
Herrschaft seit dem 5./6. oder 7. Jh. →Slawen einwandern. Um 1180 wird es
von Ostrom bzw. Byzanz unabhängig und 1217 unter päpstlicher Krönung Stefans
des Erstgekrönten Königreich, in dem Stephan Dušan 1349 ein wichtiges Gesetz
schafft. Nach der Schlacht auf dem Amselfeld (1389) wird es von den Osmanen
(Türken) abhängig und 1459 Teil des osmanischen Reiches. 1838 wird S. autonom,
1878 durch den Berliner Kongress unabhängig. 1918 wird es Teil
→Jugoslawiens, von dem sich 1991 selbständige Einheiten ablösen (z. B. Slowenien,
Kroatien, Bosnien-Herzegowina). Sein Recht ist demnach nacheinander römisch,
slawisch, türkisch, sozialistisch und westlich geprägt. Das Leben der im (18.
bzw.) 19. Jh. in die Vojvodina nordwestlich Belgrads eingewanderten
Deutschen (Donauschwaben, 1722-1726, 1763-1772, 1782-1786 ursprünglich
100000-120000, 1921 330000) endet 1944/1945 mit Flucht, Enteignung,
Vertreibung und Mord (vor allem in Jugoslawien) (um 2009 noch rund 3000
Angehörige).
Lit.: Temperley, H., History of Serbia, 1917, Neudruck
1970; Dolenc, M., Dušanov zakonik (Das Gesetzbuch Dušans), 1925; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,5,332; Cirkovic, S., I serbi, 1992; Calic, M.,
Sozialgeschichte Serbiens, 1994; Jäger, F., Bosniaken, Kroaten, Serben, 2001;
Tomić, Y., La Serbie du prince, 2003; Sundhaussen, H., Geschichte Serbiens
19.-21. Jahrhundert, 2007; Schanes, D., Serbien im ersten Weltkrieg, 2011;
Hausleitner, M., Die Donauschwaben 1868.1948, 2014; Paths to Belongings, hg. v.
Docea, V., 2016
Sergeevic, Vasilij Ivanovic (1832-1910) wird
nach dem Rechtsstudium 1871 Professor in Moskau und 1872 in Sankt Petersburg.
Mit Aufgaben und Methoden der Staatswissenschaften begründet er 1871 ausgehend
von der historischen Schule und vom deutschen Positivismus das russische
Staatsrecht. Von 1883 an legt er rechtsvergleichend geprägte Forschungen zur
Geschichte des russischen Rechtes und russische Rechtsaltertümer (1890ff.) vor.
Lit.: Grothusen, K., Die historische Rechtsschule
Russlands, 1961
servitium (lat. N.)
Dienst, Leistung
Lit.: Heusinger, B., Servitium regis, 1922; Taxae pro
communibus servitiis, hg. v. Hoberg, H., 1949; Brühl, C., Fodrum, gistum,
servitium regis, 1968; Metz, W., Das servitium regis, 1978; Göldel, C.,
Servitium regis, 1997
Servitus (lat. F.)
ist schon im altrömischen Recht die →Dienstbarkeit (lat. N.
iter [Pfad], [M.] actus [Trift], [F.] via [Weg], [M.] aquaeductus [Wasserleitung]).
Sie betrifft zunächst das Feld, dann auch das Gebäude. Ein Personalservitut
ist der →Nießbrauch. Als s. iuris Germanici (deutschrechtliche Dienstbarkeit)
versteht die frühe Neuzeit die ein Tun beinhaltende Dienstbarkeit.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 1, 22 II, 28; Köbler, DRG
26, 41, 61; Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1956; Lee, J., Die servitus, Diss. jur. Bonn 1998
Servitut (1513) →servitus, →Dienstbarkeit
Lit.: Bund, E., Begriff und Einteilung der Servituten,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1956; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Servius Sulpicius Rufus (um 106-43 v. Chr.)
ist der römische, 51 v. Chr. das Konsulat bekleidende Rechtskundiger. Ihm
werden 180 (lat. M.Pl.)
libri (Bücher) zugeschrieben. Unter ihnen befindet sich der erste Kommentar zum
prätorischen Edikt. Möglicherweise begründet er eine eigene
klassisch-institutionelle Richtung der römischen Jurisprudenz.
Lit.: Söllner §§ 11, 15; Vernay, E., Servius et son
école, 1909; Kunkel, W., Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen,
2. A. 1967; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988, 602
Servus (lat. M.)
ist im römischen Recht der →Sklave. Er ist aus dem (römischen) Recht
ausgeschlossen. S. wird man durch Geburt, Kriegsgefangenschaft und Veräußerung
ins Ausland. Der s. untersteht der Hausgewalt seines Herrn und wird im
klassischen römischen Recht meist wie eine (körperliche) Sache (res corporalis)
behandelt. Sein Herr kann ihm aber ein Sondergut (lat. N.
→peculium) einräumen, mit dem er zwar nicht rechtlich, wohl aber
tatsächlich wirtschaften kann. Frei wird der s. durch Freilassung. In den
lateinischen Quellen des Frühmittelalters ist s. der →Unfreie.
Lit.: Kaser § 15; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 21,
35; Köbler, LAW; Die Grundherrschaft im frühen Mittelalter, hg. v. Verhulst,
A., 1985
sessio (lat. F.)
Sitzung, Sitzen, Besitzergreifung
Setzung →Rechtssetzung, Gesetz
Seuche ist die eine größere Zahl von
Menschen erfassende übertragbare Krankheit. Gegen die S. richten sich schon im
Frühmittelalter einzelne Rechtsvorschriften. Seit der frühen Neuzeit ergehen
umfassende Seuchenordnungen bzw. Seuchengesetze.
Lit.: Hecker, J., Die großen Volkskrankheiten des
Mittelalters, 1865; Deichert, H., Geschichte des Medizinalwesens, 1908; Lesky,
E., Österreichisches Gesundheitswesen, 1959; Fischer, A., Geschichte des
deutschen Gesundheitswesens, Bd. 1f. 1933, Neudruck 1965; Winkle, S., Geißeln
der Menschheit, 1997; Vasold, M., Grippe, Pest und Cholera, 2008 (Taschenbuch
2015)
Sevilla am Guadalquivir wird als iberisches
Hispalis 45 v. Chr. von Caesar zur (lat. F.)
colonia erhoben (Colonia Iulia Romula). Über Vandalen, Sweben und Westgoten
kommt es 712 an die Araber. 1248 wird es vom König von Kastilien und Leon
erobert. 1502 erhält es eine Universität.
Lit.: Ladera Quesada, M., Historia de Sevilla, 1988;
Deimann, W., Christen, Juden und Muslime im mittelalterlichen Sevilla, 2012
Sexualdelikt →Sittlichkeitsverbrechen
Lit.: Balthasar, S., Die Tatbestände der
Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001; Beck, B., Wehrmacht und sexuelle
Gewalt, 2004; Lehmann, P., La répression des délits sexuels dans les Etats
savoyards, 2006; Brüggemann, J., Entwicklung und Wandel des Sexualstrafrechts
in der Geschichte unseres StGB, 2012
Sexualität (F.) Geschlechtlichkeit
Lit.: Payer, P., Sex and the Penitentials, 1984;
Brundage, J., Law, Sex and Christian Society, 1987; Breit, S., Leichtfertigkeit
und ländliche Gesellschaft, 1991; Maiwald, S./Mischler, G., Sexualität unter
dem Hakenkreuz, 1999; Lutterbach, H., Sexualität im Mittelalter, 1997;
Burghartz, S., Zeiten der Reinheit – Orte der Unzucht, 1999; Taeger, A., Intime
Machtverhältnisse. Moralstrafrecht und administrative Kontrolle der
Sexualität im ausgehenden Ancien Régime, 1999; Schnell, R., Sexualität und
Emotionalität in der vormodernen Ehe, 2002; Karras, R., Sexualität im
Mittelalter, 2006; Clarke, J., Ars Erotica. Sexualität und ihre Bilder im
antiken Rom, 2009; Podlech, A., Sex, Erotik, Liebe, 2007; Wheeler, L., How Sex
Becam a Civil Liberty, 2012; Dabhoiwala, F., Lust und Freiheit – Die Geschichte
der ersten sexuellen Revolution, 2014; Ahlers, C., Himmel auf Erden und Höllei
m Kopf – Was Sexualität für und bedeutet, 2015; Angenendt, A., Ehe, Liebe und
Sexualität im Christentum, 2015; Martin, R., Alles begann mit Sex, 2016; König,
W., Das Kondom, 2016; Lindinger, M., Die Hauptstadt ds Sex, 2016
Seyler Raphael
Lit.: Roth, W., Raphael Seyler (1535-1573), ZRG GA 21 (1900), 218
Sheffield wird im →Domesday Book (1086)
erstmals erwähnt. 1297 erhält es Stadtrecht. 1905 wird eine Universität
eingerichtet.
Lit.: Hunter, J., Hallamshire, 1869
sheriff (M.) (um 1000) königlicher
Verwalter, Graf
Lit.: Morris, W., The Medieval English sheriff, 1927;
Gorski, R., The Fourteenth-Century Sheriff, 2003
Sichard, Johannes (Tauberbischofsheim
1499-Tübingen 1552), Gastwirtssohn, wird nach dem Studium der freien Künste in
Ingolstadt Lehrer in München und 1521 in Freiburg im Breisgau sowie 1524 ordentlicher
Professor des Rechtes in Basel. Er veröffentlicht 24 Bände mit 113 meist
unbekannten teilweise auch juristischen Texten (z. B. 1528 →Lex Romana
Visigothorum, 1530 →Lex Alamannorum, →Lex Baiuvariorum und
→Lex Francorum). Nach einer fünfjährigen Unterbrechung wird er 1535
Professor in Tübingen, wo er das italienische gelehrte Recht in praktischer
Anwendung weitergibt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Kisch, G., Johannes Sichardus,
1952; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961; Burmeister, K., Das
Studium der Rechte, 1974
Sicherheit ist Freiheit von Gefährdungen. Die
S. ist in der frühen Neuzeit Aufgabe der →Polizei. 1882 beschränkt das
sog. →Kreuzbergurteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts die
Polizei auf den Schutz von Sicherheit und Ordnung. Im Nationalsozialismus
(1933-1945) wird die S. teilweise missbraucht (z. B. Schutzhaft).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 198;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 831; Göring, H., Die Rechtssicherheit
als Grundlage der Volksgemeinschaft, 1935; Ogris, W., Die persönlichen
Sicherheiten im Spätmittelalter, ZRG GA 82 (1965), 140; Siemann, W.,
Deutschlands Ruhe, Sicherheit und Ordnung, 1980; Metz, K., Industrialisierung
und soziale Sicherheit, 1988; Repräsentation von Kriminalität und öffentlicher
Sicherheit, hg. v. Härter, K. u. a. 2009; Scheiper, S., Innere Sicherheit,
2010; Sicherheit in der frühen Neuzeit, hg. v. Kampmann, C. u. a., 2013
Sicherheitsleistung (1756, lat. F.
cautio) ist die in bestimmten Fällen zur Sicherung eines bestimmten Verhaltens
zu erbringende Leistung. Die S. steht in einem gewissen Zusammenhang mit
privatrechtlichen Sicherungen (z. B. Pfand, Einlager, Geisel, Arrest,
Schuldhaft, Versicherung). Als allgemeinere Rechtseinrichtung entwickelt sie
die frühe Neuzeit.
Lit.: Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sicherungsverwahrung →Maßregeln der Sicherung und
Besserung
Lit.: Schewe, J., Die Geschichte der Sicherungsverwahrung,
Diss. jur. Kiel 1999; Promnitz, C.,
Besserung und Sicherung, 2016; Wagner-Kern, M., Präventive Sicherheitsordnung –
Zur Historisierung der Sicherungsverwahrung, 2016
Sicherungsübereignung ist die zur Sicherung des
Erwerbers vorgenommene Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache
an diesen. Sie ist bereits dem altrömischen Recht als (lat. F.)
fiducia bekannt, wobei die Sache nach Erreichung des Sicherungszweckes
zurückzuübereignen ist. Im 19. Jh. wird die S. nicht in das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen, aber auch zwecks Ermöglichung der
Befriedigung der Kreditbedürfnisse der kleinen Leute bewusst nicht ausgeschlossen.
Sie setzt sich bei wertvolleren Sachen im 20. Jh. gegenüber dem Faustpfand
weitgehend durch, weil sie den Besitz beim Schuldner belässt, so dass dieser
die Sache trotz S. nutzen kann. In Österreich ist die Bedeutung gering, weil
der oberste Gerichtshof seit 1918 für die Bestellung dieselbe Publizität
fordert wie für die Pfandrechtsbestellung.
Lit.: Kaser § 31 I 2; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 26, 41, 213, 240, 269; Schubert, W., Die Entstehung der
Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Hromadka, W.,
Die Entwicklung des Faustpfandprinzips, 1971; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Luig, K., Richter secundum, praeter oder contra
legem?, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 383; Drexler,
M., Die Anerkennung der Sicherungsübereignung im 19. Jahrhundert und ihr
Einfluss auf aktuelle Probleme, Diss. jur. Düsseldorf, 2002
Siebenbürgen im Karpatenbogen kommt über Römer,
Ostgoten und Petschenegen im 9. Jh. an die →Ungarn. Im 12. Jh. ruft der
ungarische König deutsche Siedler (→Sachsen) ins Land, die mit
umfassenden Freiheiten ausgestattet werden (erste Erwähnung der selbständigen
Propstei der deutschen Siedler in Hermannstadt 1191). Seit 1481 gilt die 1453
in Nürnberg oder Wien entstandene, von dem Richter Thomas Altenberger in
Hermannstadt eingeführte Handschrift des Schwabenspiegels, Magdeburger und
Iglauer Rechtes als bedeutendste Rechtsquelle der sächsischen Gemeinschaft aus
S. Nach 1517 dringt die Reformation ein. Seit 1526 ist der Fürst von S.
zwischen Habsburg und den Türken nahezu unabhängig. 1583 gewährt er ein bis
1867 gültiges Landrecht. 1691 kommt S. an →Habsburg (1765 Großfürstentum,
1848 Kronland). 1867 wird S. an Ungarn angegliedert. Am 8. 1. 1919 schließt es
sich →Rumänien an. Unter der Herrschaft des Sozialismus in der zweiten
Hälfte des 20. Jh.s wird das siebenbürgische Deutschtum weitgehend beseitigt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Herrmann, G. v.,
Das alte Kronstadt, 1802, Neudruck 2009; Urkundenbuch zur Geschichte der
Deutschen in Siebenbürgen, hg. v. Zimmermann, F. u. a., 1892ff., Neudruck 2007;
Müller, G., Die ursprüngliche Rechtslage der Rumänen im Siebenbürger
Sachsenlande, 1912; Müller, G., Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate
vor dem Jahre 1848, 1914, Neuauflage 1922; Müller, G., Die Türkenherrschaft in
Siebenbürgen, 1922; Müller, G., Die sächsische Nationsuniversität in
Siebenbürgen, 1928; Müller,
G., Die Gräven des Siebenbürgener Sachsenlandes, Archiv des Vereins für
siebenbürgische Landeskunde 6 (1931); Meyer, G., Ist das Andreanum vom Jahre
1224 eine Fälschung? 1935; Müller, G., Stühle und Distrikte als Unterteilungen
der siebenbürgisch-deutschen Nationsuniversität 1141-1876, 1941; Das
Eigen-Landrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583, hg. v. Laufs, A., 1973;
Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975, gesammelt v. Wagner,
E., 1976; Philippi, M., Die Bürger von Kronstadt, 1986; Horedt, K., Das frühmittelalterliche
Siebenbürgen, 1988; Codicele Altenberger, hg. v. Constantinescu, R., 1988;
Köpeczi, B., Kurze Geschichte Siebenbürgens, 1990; Gündisch, K., Das Patriziat
siebenbürgischer Städte im Mittelalter, 1993; Arens, M., Habsburg und
Siebenbürgen 1600-1605, 2001; Roth, H., Kleine Geschichte Siebenbürgens, 2. A.
2003, 3. A. 2007, 4. A. 2012; Mitu, S., Die ethnische Identität der
Siebenbürger Rumänen, 2003; Volkmer, G., Die siebenbürgische Frage, 2004; Roth,
H., Hermannstadt, 2006; Siebenbürgisch-sächsisches Wörterbuch, Bd. 9 2006;
Moldt, D., Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Die
evangelichen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 24 Das Fürstentum
Siebenbürgen, bearb. v. Armgart, M., 2012; Generalprobe Burzenland, hg. v.
Gündisch, K., 2013
Siebenhardenbeliebung ist die von 1426 stammende
nordfriesische Rechtsquelle, die 1572 durch das von Herzog Johann erlassene
Nordstrander Landrecht die formelle Geltung verloren hat.
Lit.: Pappenheim, M., Die Siebenhardenbeliebung, 1926;
Carstens, W., Zur Entstehungsgeschichte der nordfriesischen
Siebenhardenbeliebung, Zeitschrift der Gesellschaft für schleswig-holsteinische
Geschichte 65, 368; Hartz, O., Die Rechtssätze der Siebenhardenbeliebung von
1426, ZRG GA 60 (1940), 300; Carstens, W., Die Siebenhardenbeliebung, ZRG GA
62 (1942), 358; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A.
1960, 141
Siedlung ist die menschliche Niederlassung von
gewissem Umfang und gewisser Dauer. Sie beginnt mit der Sesshaftwerdung des
Menschen (Weiler, Dorf, Stadt) (etwa um 9500 v. Chr. in der Südosttürkei
Tempelanlage Göbekli
Tepe, etwa 6800 v. Chr. Stadt Çatal Höyük in Kleinasien). Bis zum Ende des 2. Jt. n. Chr. erreichen
einzelne Siedlungen (Metropolregionen) eine Einwohnerzahl von bis zu 35
Millionen Bewohner (Tokio, Seoul, Mexiko, New York, Mumbai, Sao Paulo, Manila,
Jakarta, Delhi, Kairo, Istanbul, Schanghai, Kansai, Kolkata, Moskau, Buenos
Aires, Los Angeles, Dhaka, London, Lagos u. s. w.).
Lit.: Kirbis, W., Siedlungs- und Flurformen germanischer Länder, 1952;
Fischer, H., Die Siedlungsverlegung, 1952; Timm, A., Studien zur Siedlungs-
und Agrargeschichte Mitteldeutschlands, 1956; Borsdorf, A. u. a., Allgemeine
Siedlungsgeographie, 2010; 4000 Jahre Pfahlbauten, hg. Archäologisches
Landesmuseum Baden-Württemberg, 2016
Siegel ist ein eine Person verkörperndes,
durch Abdruck in einem weicheren Stoff wirkendes Zeichen zur Kennzeichnung
eines Schriftstücks. Das S. ist seit den ersten Hochkulturen bekannt. Bereits
im 8. Jh. v. Chr. wird es als Stempel verwendet. Seit dem Frühmittelalter wird
in der →Königsurkunde, mit der vor allem Einzelrechte verliehen werden,
die Unterschrift durch das S. ersetzt und werden Zeugen aufgenommen. Im
zweiten Viertel des 12. Jh.s erscheint in Schwaben auch die Siegelurkunde
anderer Aussteller. Seit Ende des 12. Jh.s wird selbst bei Privaturkunden das
S. (siegelfähiger Personen) üblich. Die älteste Form ist der schon im Altertum
nachweisbare Siegelring.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105; Posse,
O., Die Siegel des Adels der Wettiner Lande, 1908ff.; Ewald, W., Siegelkunde,
1914; Die Siegel der Markgrafen von Brandenburg aus dem Hause Wittelsbach
1323-1373, bearb. v. Bier, H., 1933; Goerlitz, T., Die Magdeburger Schöffensiegel,
ZRG GA 63 (1943), 327; Blaschke, K., Siegel und Wappen in Sachsen, 1960; Frenz,
T., Papsturkunden, 1986; Dalas, M., Corpus des sceaux, Bd. 2 1991; Weiß, P.,
Frühe Siegelurkunden in Schwaben, 1997; Steiner, R., Die Entwicklung der
bayerischen Bischofssiegel, 1998; Stieldorf, A., Rheinische Frauensiegel, 1999;
Stieldorf, A., Siegelkunde, 2004; Hattenhauer, H., Sigillum facultatis
juridicae, 2005; Siegel und Siegler, hg. v. Ludwig, C., 2005;;Marnetté-Kühl,
B., Mittelalterliche Siegel der Urkundenfonds Marienberg und Mariental, 2006; Das Siegel, hg. v.
Signori, G., 2007; Die Bildlichkeit korporativer Siegel, hg. v. Späth, M.,
2009; Zehetmayr, R., Urkunde und Adel, 2010; Diederich, T., Siegelkunde, 2012
Siegel, Heinrich (Ladenburg/Baden 13. 4.
1830-Wien 4. 6. 1899), Generalstabsarztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Heidelberg, Bonn und Gießen sowie der Promotion (1852) und Habilitation (1853)
in Gießen 1858 Professor in Wien. Er begründet die Sammlung österreichischer
Weistümer und erkennt das einseitige Versprechen als Verpflichtungsgrund.
Monographien behandeln Erbrecht und Gerichtsverfahren.
Lit.: Luschin von Ebengreuth, A., Heinrich Siegel, ZRG
GA 20 (1899), VII; Wretschko, A. v., Heinrich Siegel, 1900; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978
Siegerland
Lit.: Petri, F. u. a., Das Siegerland, 1955
Sielrecht (Schleusenrecht)
Lit.: Michaelis, F., De iure cataractarum, 1696; Logemann, C., Die
geschichtliche Entwicklung des besonderen Sielrechts in Oldenburg, 1959
Siena
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007; Denley, P., Commune and Studio in Late medieval and
Renaissance Siena, 2006; Denley, P., Teachers and Schools in Siena 1357-1500,
2007
Siete Partidas (Sieben Teile) ist der 1256-1265
in Spanien entstandene siebenteilige Rechtstext. Die S. P. werden unter König
Alfons X. von Kastilien-Leon erarbeitet und nach mehrfachen Veränderungen
(1265, 1290-1295, um 1300) 1348 unter König Alfons XI. als (span.) Libro (M.)
del fuero de las leyes (Buch des Rechtes der Gesetze) mit subsidiärer Geltung
in Kraft gesetzt. Sie gliedern sich in sieben Teile (Rechtsquellen und
Kirchenrecht, politisches Recht bzw. Verwaltungsrecht und Kriegsrecht,
Gerichtsverfassung bzw. Verfahrensrecht und Königsrecht, Familienrecht und
Lehnsrecht, Schuldrecht, Erbrecht, Strafrecht und Strafverfahrensrecht) mit
fast 2600 Stücken (Gesetzen). Quellen sind das (lat.) →ius (N.) commune
(gemeine Recht), die Glosse des Accursius, Summen des Azo und des Odofredus,
das Decretum Gratians, der Liber extra, Summen des Hostiensis, Tancredus und
des Raymundus de Penyafort, das Speculum des Durantis, die libri feudorum, der
kastilische Fuero juzgo, die →Rôles d’Oleron, Magister Jacobos Doctrinal
de las leyes, Bibel, Kirchenväter, Aristoteles, Seneca, Boethius und Texte
orientalischer Tradition. Der Name S. P. wird im 16. Jh. üblich.
Lit.: Las siete partidas, hg. v. d. Königlichen
Akademie der Geschichte, Bd. 1ff. 1807, Neudruck 1972; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff; Craddock, J., The Legislative Works of Alfonso el Sabio, 1986;
Scheppach, M., Las Siete Partidas, 1991; Las Siete Partidas, Título II de los
casamientos, hg. v. Ramos Anderson, P., 2009 (8 Handschriften)
Sigismund (Nürnberg 15. 2. 1368-Znaim 9. 12.
1437, 1378-1388 Markgraf Brandenburgs, 1387 König Ungarns, 1411 König des
Heiligen römischen Reiches, 1419 König Böhmens, 1433 Kaiser)
Lit.: Regesta Imperii 11, hg. v. Altmann, W. 1900
(insgesamt ca. 23000 Regesten), Regesta Imperii – XI Regesten Kaiser Sigismunds
(1410-1437), Bd. 1ff. 2012ff. (vielleicht 75000 Regesten zu erwarten); Kaiser
Sigismund (1368-1437) hg. v. Hruza, K. u. a., 2012
Signet →Notarsignet
Signoria (F.) autokratische Herrschaftsform
in Italien im Spätmittelalter
Lit.: Mallet, M., Signori e mercenari, 1983
Silent leges inter armas (lat.). Wenn die Waffen sprechen,
schweigen die Gesetze.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cicero, 106-43 v. Chr., Rede für Milo §11)
Silleiner Rechtsbuch ist das auf
magdeburgisch-schlesische Quellen (Sachsenspiegel, sächsisches Weichbildrecht
u. a.) zurückgehende, 1378 von Nikolaus de Laconia (Lukove/Kreis Altsohl) in
einem deutschsprachigen Teil geschaffene, 1473 im landrechtlichen Teil in das
sich durchsetzende (Alttschechische bzw.) Altslowakische übersetzte, bedeutendste
Rechtsbuch der Slowakei (für die einst zu Ungarn gehörige Stadt Sillein).
Lit.: Rauscher, R., Das Silleiner Rechtsbuch aus dem
Jahre 1378, 1933 (z. T. tschechisch bzw. slowakisch); Piirainen, I., Das
Stadtrechtsbuch von Sillein, 1972; Papsonová, M., Das Magdeburger Recht und das
Silleiner Rechtsbuch, 2003
Silvesterpatent ist der Name der beiden Urkunden
vom 31. 12. 1851, mit denen der Kaiser von →Österreich die von ihm am 4.
3. 1849 gewährte →Verfassung als unangemessen und unausführbar aufhebt
und das Grundrechtspatent des Jahres 1849 beseitigt und damit Österreich zum
→Neoabsolutismus führt (u. a. durch ein Kabinettschreiben auch
Geschworenengerichte abgeschafft, Trennung von Verwaltung und Justiz
aufgegeben).
Lit.: Köbler, DRG 193; Baltl/Kocher
Simonie ist nach Apostelgeschichte 8,18 der
von Simon Magus abgeleitete Handel mit geistlichen Sachen. Die S. breitet sich
in der Kirche seit dem 4. Jh. n. Chr. aus. In der Mitte des 11. Jh.s wird sie
von der kirchlichen Reformbewegung entschieden bekämpft.
→Investiturstreit
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Drehmann, J., Papst Leo IX.
und die Simonie, 1908; Meier-Welcker, H., Die Simonie im frühen Mittelalter,
ZKG 64 (1952/3), 61; Weitzel, J., Begriff und Erscheinungsformen der Simonie,
1967; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Lynch, H.,
Simoniacal Entry, 1976; Münsch, O., Ein Streitschriftenfragment zur Simonie, DA
62 (2006), 619
Simson, Eduard (Königsberg/Preußen 10.
10. 1810-1899), Kaufmannssohn, 1823 evangelisch, wird nach dem Rechtsstudium
in Königsberg 1828 mit (lat.) venia (F.) legendi (Lehrbefugnis) promoviert,
1833 zum außerordentlichen Professor und 1836 zum ordentlichen Professor
ernannt. Seit 1834 wirkt er auch als Richter (zunächst am Tribunalsgericht in
Königsberg), seit 1848 als liberaler Rechtspolitiker (Präsident der
Nationalversammlung, Präsident des Erfurter Unionsreichstags, Präsident des
Zollparlaments, Präsident des Reichstags). 1879 wird er als bisheriger
Präsident des Appellationsgerichts in Frankfurt an der Oder (bis 1891)
Präsident des →Reichsgerichts. Seine jüdische Herkunft beeinträchtigt
sein berufliches und politisches Wirken nicht erkennbar. Seine Einordnung in
eine wissenschaftliche Strömung ist mangels Publikationstätigkeit schwierig.
Lit.: Simson, B. v., Eduard von Simson, 1900;
Meinhardt, G., Eduard von Simson, 1981; Schubert, W., Die Aufhebung des
Berliner Obertribunals, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler,
G., 1987, 419; Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u.
a., 1993, 101; Eduard von Simson, hg. v. Kern, B. u. a., 2001
Simultaneum (N.) Gleichzeitigkeit (der
katholischen und protestantischen Konfession)
Lit.: Schäfer, C., Das Simultaneum, 1995
Singularsukzession (F.) Einzelnachfolge
Lit.: Kuntze, J., Die Obligation und die Singularsuccession,
1856
Sinti (oder Roma) ist die Bezeichnung für die früher
als →Zigeuner benannten Angehörigen einer Volksgruppe. Der Name S.
leitet sich vermutlich von der indischen Provinz Sind und dem Fluss Sindhu ab.
Die S. verstehen sich als Teil der Roma und bilden deren älteste im deutschen
Sprachraum nachweisbare Gruppe.
Lit.: Reemtsma, K., Sinti und Roma, 1996; Sinti und
Roma in der deutschsprachigen Gesellschaft und Literatur, hg. v. Tebbutt, S.,
2001; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten Reich, 2001; Weyrauch, W., Das
Recht der Roma und Sinti, 2002; Rieger, B., Roma und Sinti in Österreich nach
1945, 2003
Sinzheimer, Hugo Daniel (Worms 12. 4.
1875-Overveen/Holland 16. 9. 1945), Kleiderfabrikantensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in München, Freiburg im Breisgau, Berlin und Marburg 1903
Rechtsanwalt. 1916 tritt er der sozialdemokratischen Partei bei. 1920 wird er
Honorarprofessor in Frankfurt am Main. 1921 verfasst er Grundzüge des Arbeitsrechts.
1937 wird er ausgebürgert.
Lit.: Köbler, DRG 215; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker
der Rechtswissenschaft, 1938 bzw. Neudruck 1953 (Stahl, Levin Goldschmidt,
Heinrich Dernburg, Unger, Lenel, Wilda, Glaser, Laband, Georg Jellinek,
Ehrlich, Lotmar, Eduard von Simson, zusätzlich besonders erwähnt Heinrich von
Friedberg, Friedrich Stein, Staub, Haber, Heinitz, Landsberg, Ehrenberg, Rosin,
Gradenwitz); Knorre, S., Soziale Selbstbestimmung, 1991; Deutsche Juristen
jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 615; Kubo, K., Hugo
Sinzheimer, 1995; Brühwiler, J. Philipp Lotmar und Hugo Sinzheimer, (in)
Forschungsband Philipp Lotmar, hg. v. Caroni, P., 2003, 117; Blanke, S.,
Soziales Recht oder kollektive Privatautonomie?, 2005
Sippe ist im älteren deutschen Recht der
um einen Stammvater bestehende Familienverband. Die rechtliche Stellung der
S. im Frühmittelalter ist streitig. Es ist fraglich, ob der S. jemals
besondere öffentlich-rechtliche Aufgaben zukommen.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 71,
72; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen Rechten, ZRG 2 (1882),
1; Phillpotts, B., Kindred and Clan, 1913; Lappe, J., Die Sippen Koerdt und
Linnhoff, 1938; Genzmer, F., Die germanische Sippe als Rechtsgebilde, ZRG GA 67
(1950), 34; Haff, K., Der umstrittene Sippebegriff und die Siedlungsprobleme,
ZRG GA 70 (1953), 30; Kroeschell, K., Die Sippe im germanischen Recht, ZRG GA
77 (1960), 1 (Antrittsvorlesung); Steuer, H., Frühgeschichtliche
Sozialstrukturen in Mitteleuropa,1972; Wiebrock, L., Die Sippe bei den
Germanen, Diss. jur. Marburg 1979; Murray, A., Germanic Kinship Structures,
1983; Goody, D., Weidemann, M., Geschichte der Sippenhaftung, 2002
Sippenhaft ist die Anwendung von Maßnahmen
gegenüber Angehörigen oder sonstigen Nahepersonen eines Bekämpften oder
Verfolgten. Die im Nationalsozialismus geforderte und verwendete S. ist im
Rechtsstaat unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Weidemann, M., Geschichte der
Sippenhaftung, 2002; Maihold, H., Die Sippenhaft, Mediaevistik 18 (2005)
Sitte ist der in der Gesellschaft geübte
Brauch. Zwischen S. und Recht bestehen stets Wechselwirkungen. Insbesondere
kann S. zu Recht werden.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2, 23 I 1, 58 I, II, 1, 60 I 2;
Hübner; Köbler, DRG; Hildebrand, R., Recht und Sitte auf den verschiedenen
wirtschaftlichen Kulturstufen, 1896; Hävernick, W., „Schläge“ als Strafe, 1970;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 863
Sitten (Diözese)
Lit.: Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges Heil, 1992
Sittenwidrigkeit ist der Verstoß eines Verhaltens
gegen die guten Sitten (lat. boni mores M.Pl.).
Im römischen Recht werden gegen das gute Herkommen der Vorfahren verstoßende
Geschäfte von den Rechtskundigen und den Kaisern unterdrückt. Dies wird
verrechtlicht in der frühen Neuzeit wieder aufgegriffen.
Lit.: Kaser §§ 3 I 2b, 9 II 2, 10 I 1e, 34 I 2b;
Hübner; Köbler, DRG 164; Schmidt, H., Die Lehre von der Sittenwidrigkeit, 1973;
Wanner, J., Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte, 1996; Karow, O., Die
Sittenwidrigkeit von Verfügungen von Todes wegen, 1997; Falk, U., Zur
Sittenwidrigkeit von Testamenten, (in) Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine
Richter, 2000, 451; Herzog, A., Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, 2001; Ruff, H.,
Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der späten Kaiserzeit, 2007
sittlich (Wort um 790 belegt, Sittlichkeit 1510), den
Sitten entsprechend
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Sittlichkeitsverbrechen (Sexualdelikt) ist das die
Sittlichkeit verletztende Verbrechen, vor allem die Straftat gegen die
sexuelle Selbstbestimmung. Nach Tacitus werden bei den Germanen bestimmte Sittlichkeitsverbrechen
mit dem Versenken im Moor verfolgt. Im Mittelalter wendet sich vor allem die
Kirche gegen das S. Besondere Fälle sind Ehebruch, Inzest, Vergewaltigung,
Prostitution, Zuhälterei und Homosexualität. In der zweiten Hälfte des 20.
Jh.s wird im Gefolge der Aufklärung die Verfolgung der S. durch liberale
Vorstellungen teilweise zurückgedrängt (z. B. Homosexualität, anders
Kinderpornographie).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Quanter, R., Die Sittlichkeitsverbrechen, 6.
A. 1911, 1925, Neudruck 2003; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters,
Bd. 2 1935, Neudruck 1964; Schroeder, F., Reform des Sexualstrafrechts, 1971;
Rees, W., Die Strafgewalt der Kirche, 1993; Hommen, T., Sittlichkeitsverbrechen,
1999; Taeger, A., Intime Machtverhältnisse, 1999; Kraus, K., Sittlichkeit und
Kriminalität, neu hg. 2004; Günther, B., Die Behandlung der
Sittlichkeitsdelikte in den Policeyordnungen, 2004
Sizilien ist die Insel am Fuß Italiens. S.
wird zuerst von Griechen beeinflusst, dann aber 228/227 von den Römern erobert.
In der Völkerwanderungszeit kämpfen Germanen und Byzanz um die Vorherrschaft.
Seit 827 dringen Araber ein, seit 1061 Normannen. 1130 wird S. Teil eines
besonderen von Gegenpapst Anaklet II. geschützten, 1139 →Neapel einnehmenden
unteritalienischen Königreichs der Normannen. Dieses gelangt über die Heirat
Heinrichs VI. mit der Erbtochter Konstanze 1186 an das →deutsche Reich
(Friedrich II.), 1266/1268 aber durch den Papst an →Anjou und nach der
sizilianischen Vesper (1282) unter Abtrennung von Neapel über eine staufische
Erbtochter an Aragon (Spanien). 1713/1714 kommt S. von Spanien an Piemont, 1735
Neapel-S. an die Bourbonen, 1860 an Sardinien-Piemont und damit 1861 an das
neue Königreich →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Constitutiones
regni Siciliae, 1475, Neudruck 1973; Gregorio, R., Introduzione allo studio del
diritto pubblico siciliano, 1794, Neudruck 1971; Giuffrida, V., La genesi delle
consuetudine giuridiche delle città di Sicilia, 1901; Niese, H., Die
Gesetzgebung der normannischen Dynastie im regnum Siciliae, 1910; Hofmann, M.,
Die Stellung des Königs von Sizilien nach den Assisen von Ariano (1140), 1915;
Cohn, W., Das Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Sthamer, E.,
Original und Register in der sizilischen Verwaltung, 1929 (SB Berlin); Sthamer,
E., Studien über die sizilischen Register, 1930 (SB Berlin); Heupel, W., Der
sizilische Großhof unter Kaiser Friedrich II., 1940; Colliva, P., Ricerche sul
principio di legalità nell’amministrazione del regno di Sicilia, 1964;
Caravale, M., Il regno normanno di Sicilia, 1966; Finley, M./Mack Smith, D., A
history of Sicily, 1968; Schminck, C., Crimen laesae maiestatis, 1969;
Malinowska-Kwiatkowska, I., Prawo prywatne w ustawodawstwie Królestwa Sycylii
1140-1231 (Das Privatrecht in der Gesetzgebung des Königreichs Sizilien
1140-1231), 1973; Die Konstitutionen Friedrichs II. von Hohenstaufen für sein
Königreich Sizilien, hg. v. Conrad, H. u. a., 1973; Gallas, K., Sizilien, 7. A.
1984; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,97, 3,1,233, 3,2,2359, 3,3,3218;
Tancredi et Willelmi III. regum diplomata, hg. v. Zielinski, H., 1982;
Constantiae imperatricis et reginae Siciliae diplomata (1195-1198), hg. v.
Kölzer, T., 1983 (57 Stücke, 7 Fälschungen, 73 Deperdita); Rogerii II. regis
(1107-1151) diplomata latina, hg. v. Brühl, C., 1987 (100 Urkunden, 91
Deperdita); Pispisa, E., Regnum Siciliae, 1988; Takayama, H., The
Administration of the Norman Kingdom of Sicily, 1993; Baaken, G., Das sizilische
Königtum Kaiser Heinrichs VI., ZRG GA 112 (1995), 202; Baaken, G., Ius imperii
ad regnum, 1993; Rill, B., Sizilien im Mittelalter, 1995; Backman, R., The
Decline and Fall of Medieval Sicily, 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer,
T., 1996; Finley, M. u. a., Geschichte Siziliens, 1998; Mirto, C., Il regno
dell’isola di Sicilia e delle isole adiacenti, 2000; Pasciuta, B., In Regia
Curia civiliter convenire, 2003; Friedl, C., Studien zur Beamtenschaft Kaiser
Friedrichs II. im Königreich Sizilien (1220-1250), 2005; Kunz, H., Sicilia,
2006; Zambon, E., Tradition and Innovation, 2008; Reinhardt, V./Sommer, M.,
Sizilien, 2010; Zwischen Ideal und Wirklichkeit, hg. v. Engels, D. u. a., 2010;
Chiarelli, L., A History of Muslim Sicily, 2011; Nef, A., Conquérir et
gouverner la Sicile islamique, 2011; Wihoda, M., Die sizilischen Goldenen
Bullen von 1212, 2012; Secord, S., Where three worls met, 2017
Skandal ist das öffentliche Ärgernis
erregende Ereignis. Die erhöhte Bedeutung des Skandals im 19. Jh. beruht vor allem
auf der Pressefreiheit. Allgemeine Auswirkungen sind im Zweifel selten (evtl.
Amtsverlust).
Lit.: Bösch, F., Öffentliche Geheimisse, 2009; Kepplinger,
H., Die Mechanismen der Skandalisierung, 2012
Skandinavien ist die zusammenfassende Bezeichnung
für die →Norwegen und →Schweden bildende Halbinsel, zu der im
weiteren Sinn auch →Dänemark und →Finnland gezählt werden.
Lit.: Tunberg, S., Studier rörande Skandinaviens
äldsta politiska indelning, 1911, Dethlefsen, O., Die nordische
Einheitsbewegung, 1941; Vehse, O., Nordische Staatengründer, 1943; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,1,61, 2,2,501, 4,4,21; Scandinavian biographical
archive, 1989; Sawyer, B./Sawyer, P., Medieval Scandinavia, 1993; Zernack, J.,
Bibliographie der deutschsprachigen Sagaübersetzungen, 1997; See, K. v.,
Europa und der Norden im Mittelalter, 1999; Kaufhold, M., Europas Norden im
Mittelalter, 2001; Waßenhoven, D., Skandinavier unterwegs in Europa
(1000-1250), 2006 (572 und 307?); Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 984; Giese, S.,
Studenten aus Mitternacht, 2008; Stampehl, J., Vereinigte Staaten des Nordens,
2011; Bagge, S., Cross & Scepter, 2014; Scheel, R., Skandinavoen und
Byzanz, 2015; Rock, C., Herrscherwechsel im spätmittelalterlichen Skandinavien,
2016
Skanske Lov →nordisches Recht, Schonen
Sklave ist der einem Menschen (oder auch
einem Personenverband z. B. Stadt) vollständig gehörende andere Mensch. S. wird
man hauptsächlich durch Unterwerfung und Geburt. Der (dem [lat.] ius gentium
zugerechnete, in seiner Legitmität nie angezweifelte) römische S. ist
→servus. Es ist streitig, ob der Unfreie des Mittelalters und der Neuzeit
als S. bezeichnet werden darf, doch könnten aus dem frühmittelalterlichen
Europa als wichtigstes Ausfuhrgut Menschen in den islamischen
Herrschaftsbereich verbracht worden sein(, jedenfalls soll es zwischen 1530 und
1780 mehr als eine Million europäischer Sklaven in Nordafrika gegeben haben).
Vielleicht werden im arabischen Sklavenhandel zwischen dem 7. und 20. Jh. 17
Millionen Opfer aus Afrika (z. B. auch nach Indien) verschleppt. Das Naturrecht
des 17. Jh. lässt Sklaverei in unterschiedlich vielen Fällen zu. Sehr ähnliche
Verhältnisse wie im Altertum treten erst wieder in den neuzeitlichen Kolonien
(z. B. Amerika, wohin unter Beteiligung afrikanischer Häuptlinge
schätzungsweise 40000 (vor allem portugiesische) Sklavenschiffstransporte mit
möglicherweise 12,5 Millionen Sklaven aus Afrika erfolgen, davon 10,7 Millionen
überlebend) auf. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch Österreichs (1811)
schließt Sklaverei in § 16 ABGB aus. 1834 wird die Sklaverei im britischen
Empire aufgehoben. 1839 wendet sich die katholische Kirche gegen die
Sklaverei. Nach einem Gesetz vom 9. 3. 1857 werden Sklaven, sobald sie Preußen
betreten, frei. 1865 schafft das 13. Amendment der Verfassung die Sklaverei in
den Vereinigten Staaten von Amerika ab.
Lit.: Kaser §§ 15, 33, 49, 50, 82; Söllner §§ 4, 8, 9,
10, 12, 14, 15, 18, 20; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 16, 17, 21, 28, 35, 51,
57, 78; Verlinden, C., L’Esclavage, 1955; Rothenhöfer, D., Untersuchungen zur
Sklaverei, Diss. phil. Tübingen 1967; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Erler,
A., Der Loskauf Gefangener, 1978; Erler, A., Ältere Ansätze zur Überwindung der
Sklaverei, 1978; Wilde-Stockmeyer, M., Sklaverei auf Island, 1978; Rudt de
Collenberg, W., Esclavage et rançons des chrétiens en méditerranée (1570-1600),
1987; Karras, R., Slavery and Society, 1988; Genovese, E., Within the
Plantation Household, 1988; Bonnassie, P., From Slavery to Feudalism, 1991;
Sklaven und Freigelassene, hg. v. Eck, W. u. a., 1993; Kolchin, P., American
Slavery 1619-1877, 1993;Grieser, H., Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen
Gallien, 1997; Haenger, P., Sklaverei und Sklavenemanzipation an der Goldküste,
1997; Klees, H., Sklavenleben im klassischen Griechenland, 1998; Corpus der
römischen Rechtsquellen zur Sklaverei, hg. v. Rainer, M. u. a., Teil 1ff.
1999ff. (z. B. Ansprüche aus Delikten am Sklaven, bearb. v. Harke, J., 2013);
Klein, H., The Atlantic Slave Trade, 1999; Eltis, D./Behrendt, D./Richardson,
D. u. a., The Transatlantic Slave Trade, 1999; Voigt, J., Die Abschaffung des
transatlantischen europäischen Sklavenhandels im Völkerrecht, 2000; Deißler,
J., Antike Sklaverei und deutsche Aufklärung, 2000; Schumacher, L., Sklaverei
in der Antike, 2001; Bibliographie zur antiken Sklaverei, hg. v. Bellen, H. u.
a., neu bearb. v. Schäfer, D., 2003; Hammer, C., A Large-Scale Slave Society of
the Early Middle Ages, 2002; Weiler, I., Die Beendigung des Sklavenstatus im
Altertum, 2003; Weiß, A., Sklave der Stadt, 2004; Delacampagne, C., Die
Geschichte der Sklaverei, 2004; Christian Slaves, Muslim Masters, 2004; Hochschild,
A., Bury the chains, 2005; Hall, G., Slavery and African Ethnicities in the
Americas, 2005; Esclavage antique et discriminations socio-culturelles, hg. v.
Anastasiadis, C. u. a., 2005; Knoch, S., Sklavenfürsorge im römischen Reich,
2006; Sklaverei und Freilassung im römischen Recht, hg. v. Finkenauer, T.,
2006; Smith, S., Slavery, Family and Gentry Capitalism in the British Atlantic,
2006; Menschenraub, Menschenhandel und Sklaverei in antiker und moderner
Perspektive, hg. v. Heinen, H., 2008; Franke, B., Sklaverei und Unfreiheit im
Naturrecht des 17. Jahrhunderts, 2009; Herrmann-Otto, E., Sklaverei und
Freilassung in der griechisch-römischen Welt, 2009; Flaig, E., Weltgeschichte
der Sklaverei, 2009; Drescher, S., Abolition. A History of Slavery, 2009; Handwörterbuch
der antiken Sklaverei, hg. v. Heinen, H., 2009ff.; Milton, G., Weißes Gold,
2010; Brodersen, K., Ich bin Spartacus, 2010; Antike Sklaverei, hg. v. Heinen,
H., 2010; Finkenauer, T., Die Rechtsetzung Marc Aurels zur Sklaverei, 2010;
N’Diaye, T., Der verschleierte Völkermord, 2010; Joshel, S., Slavery in the
Roman World, 2010; The Oxford Handbook of Slavery in the Americas, hg. v.
Paquette, R. u. a., 2010; Hamann, E., Die Begründung des Sklavenstatus bei den
Postglossatoren, 2011; The Cambridge World History of Slavery, Bd. 1ff. hg. v.
Bradley, K. u. a., 2011ff.; The End of Slavery in Afrika and the Americas, hg.
v. Schmieder, U. u. a., 2011; Reading Ancient Slavery, hg. v. Alston, R. u. a.,
2011; Dyer, J., Natural Law and the Antislavery Constitutional Tradition, 2012;
The Legal Understanding of Slavery, hg. v. Allain, J., 2012; Handwörterbuch der
antiken Sklaverei, hg. v. Heinzen, H., 2012 (CD-ROM mit Einfühungsheft);
Thornton, J., A Cultural History of the Atlantic World 1250-1820, 2012; Zeuske,
M., Die Geschichte der Amistad, 2012; Kindersklaven, hg. v. Heinen, H., 2012;
The Legal Understanding of Slavery, hg. v. Allain, J., 2012; Grieshaber, C.,
Frühe Abolitionisten, 2012; Heinemeyer, S. Der Freikauf des Sklaven mit eigenem
Geld, 2013; Zeuske, M., Handbuch der Geschichte der Sklaverei, 2013;
Priesching, N., Sklaverei in der Neuzeit, 2014; Sautter, U., Sklaverei in
Amerika, 2014; Black, J., The Atlantic Slave trade in World History, 2015;
Antike Sklaverei zwischen Verdammung und Beschönigung, hg. v. Schmitz, W.,
2016; Amiri, B., Esclaves et affranchis des Germanies – Mémoire en fragments,
2016; Zeuske, M., Sklaven und Tabak in der atlantischen Weltgeschite, HZ 303
(2016), 315; Voss, K., Sklaven als Ware und Kapital, 2016; Cheney, P., Cul de Sac – Patrimony, Capitalism
and Slavery in French Saint Domingue, 2017: Waldstreicher, D./Mason, M., John
Quincy Adams and the Politics of Slavery, 2017
Skonto (M.) Preisnachlass
Lit.: Prausnitz, O., Die Geschichte der Forderungsverrechnung, 1928
Skythe ist der Angehörige eines iranischen,
im Altertum nach Westen vordringenden Steppenvolks.
Lit.: Rolle, R., Die Welt der Skythen, 1980;
Parzinger, H., Die Skythen, 2004; Skythen in der lateinischen Literatur, hg. v.
Gerstacker, A. u. a., 2014
Slawe (1. H. 6. Jh.) ist der Angehörige
eines slawisch sprechenden Volkes (z. B. Russe, Ukrainer, Pole, Tscheche,
Slowake, Slowene, Serbe, Kroate, Bulgare). Die zur indogermanischen
Völkergruppe zählenden Slawen erscheinen in der Völkerwanderung und besiedeln
von den Germanen freigegebene Gebiete in Ostmitteleuropa. Sie werden
überwiegend von →Byzanz (Kyrill, Methodos) aus christianisiert. Sie
bilden verschiedene Reiche (→Polen, →Russland u. s. w.). Ein Panslawismus wird im 19. Jh.
sichtbar. Er führt 1918 zur Lösung kleinerer Staaten von →Österreich
(→Tschechoslowakei, →Jugoslawien). Ein gemeinslawisches Recht ist
nicht bekannt. Erst im 20. Jh. entwickelt sich unter dem Druck der Sowjetunion
eine gewisse Einheitlichkeit sozialistischen Rechtes.
Lit.: Köbler, DRG 76, 93; Kroeschell, DRG 1; Helmolds
Slawenchronik, 3. A. bearb. v. Schmeidler, B., 1937; Kahl, H., Slawen und
Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des 12. Jahrhunderts, 1964;
Zernack, K., Die burgstädtischen Volksversammlungen bei den Ost- und
Westslawen, 1967; Ludat, H., Deutsch-slawische Frühzeit, 1969; Ludat, H., An
Elbe und Oder um das Jahr 1000, 1971; Ernst, R., Die Nordwestslawen und das
fränkische Reich, 1976; Ludat, H., Slaven und Deutsche im Mittelalter, 1982;
Herrmann, J., Slawen, 2. A. 1985; Welt der Slawen, hg. v. Herrmann, J., 1986;
Conte, F., Les slaves, 1986; Goehrke, C., Frühzeit des Ostslaventums, 1992;
Golab, Z., The Origins of the Slavs, 1992; Kunstmann, H., Die Slaven, 1996;
Struktur und Wandel im Früh- und Hochmittelalter, hg. v. Lübke, C., 1998;
Garzaniti, M., Die altslavische Version der Evangelien, 2001; Panzer, B.,
Quellen zur slavischen Ethnogenese, 2002; Dulinicz, M., Frühe Slawen im Gebiet
zwischen unterer Weichsel und Elbe, 2006; Wünsch, T., Deutsche und Slawen im
Mittelalter, 2008; Die Slaven und Europa, hg. v. Ressel, G. u. a., 2008;
Boroń, P., Kniaziowie, królowie, carowie, 2010 (etwa 600 slawische
Herrscher); Lehnwörter im Slawischen, hg. v. Kelih, E. u. a., 2015;
Matasović, R., Slavic Nominal Word-Formation. Proto-Indo-European Origins
and Historiccal Development, 2015
Slawonien ist das östliche Teilgebiet
→Kroatiens zwischen Save und Drau.
Lit.: Goldstein, I., Hrvatske rani srednji vijek, 1995
Slowakei ist der mitteleuropäische, zwischen
Tschechei, Polen, Ukraine, Ungarn und Österreich gelegene Staat. Seit dem 10.
Jh. gehört das Gebiet der S. zu Ungarn, das die Bewohner seit 1867 ungarisiert.
Römisches Recht dringt nicht vor dem 17./18. Jh. ein (1634 westslowakische
Universität Tyrnau/Trnava). Am 28. 10. 1918 wird die S. Teil der Tschechoslowakei,
von der sie sich 1993 trennt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Die juristische
Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum Jahre 1848, 1968; Dejiny Slovenska,
1986; Schönfeld, R. Slowakei, 2000; Schuster, R., Im Strudel der Geschichte
2001; Tönsmeyer, T., Das Deutsche Reich und die Slowakei 1939-1945, 2003; Die
unbekannte Minderheit, hg. v. Hrabovec, E. u. a., 2005; Šindelárová, L., Finale
der Vernichtung - Die Einsatzgruppe H in der Slowakei 1944/45, 2013; The Land
Between - A History of Slovenia, hg. v. Luthar, O., 2. A. 2013
Slowenien ist der mitteleuropäische, von
Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien begrenzte Staat. Das Gebiet Sloweniens
löst sich 1918 aus der Herrschaft →Österreichs und geht danach in
Jugoslawien auf. Am 26. 6. 1991 spaltet es sich von dort ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Mal, J., Probleme
aus der Frühgeschichte der Slowenen, 1939; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 3,5,330; Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968; Als
Mitteleuropa zerbrach, hg. v. Karner, S. u. a., 1990; Bär, S., Der Zerfall
Jugoslawiens, 1995; Rehder, P., Slowenien, 1999; Karner, S., Slowenien und
seine Deutschen, 2000; Griesser-Pečar, T., Das zerrissene Slowenien
1941-1946, 2003; Blumenwitz, D., Okkupation und Revolution in Slowenien
(1941-1946), 2005; The Land Between, hg. v. Luthar, O., 2008
Smend, Rudolf (Basel 15. 1. 1882-Göttingen 5. 7. 1975),
Theologieprofessorensohn, wird nach dem Studium von Recht, Philosophie und
Geschichte in Göttingen Professor in Greifswald (1909), Tübingen (1911), Bonn
(1915), Berlin (1922) und Göttingen (1935). 1911 veröffentlicht er eine
bedeutsame Untersuchung über das →Reichskammergericht. Sein Hauptwerk
über Verfassung und Verfassungsrecht (1928) gründet sich auf die Idee der
Integration als des sinnhaften Ineinanders geistiger Vorgänge.
Lit.: Festschrift für Rudolf Smend, 1952; Campenhausen,
A., Frhr. v., Zum Tode von Rudolf Smend, JZ 1975, 621; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche
Richtung“ in der Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Notthoff, T.,
Der Staat als geistige Wirklichkeit, 2008
Smith, Adam (Kilkaldy 1723-1790) wird nach dem Studium von
Griechisch, Logik, Metaphysik, Theologie, Mathematik und Philosophie in
Glasgow und Oxford 1751 Professor für Logik und 1752 für Moralphilosophie in
Glasgow, der 1759 durch ein Werk über die Theorie der ethischen Gefühle
hervortritt. Nach einer Bildungsreise durch Frankreich (1764-1766)
veröffentlicht er als Teil eines philosophischen Wissenschaftsprojekts in
Ablehnung des Merkantilismus 1776 (engl.) Inquiry into the Nature and the
Causes of Wealth of Nations (Untersuchung über die Art und die Gründe des
Reichtums der Völker), in der er nach einer längeren Entwicklung, in welcher
derWettbewerb zunehmend bedeutsam wird und eine moralphilosophische Überprüfung
wirtschaftlichen Handelns zurücktritt, die Freiheit des Einzelnen bzw. die
Eigenliebe, welche die lebengefährliche Kontingenz des ökonomischen Tausches zu
einem beherrschbaren Risiko werden lässt, als den Grund des Wohlstands aller
ermittelt. Damit begründet er als Klassiker der Volkswirtschaft den
→Liberalismus. Sein ungedruckter literarischer Nachlass wird 1790
weitgehend verbrannt.
Lit.: Köbler, DRG 134; Smith, A., The Theory of Moral
Sentiments, 1759; Brühlmaier, D., Die Rechts- und Staatslehre von Adam Smith,
1987; Raphael, D., Adam Smith, 1991; Ross, I., The Life of Adam Smith, 1995;
Klaiber, W., Rechtsphilosophie und Handlungstheorie, 1997; Ross, I., Adam
Smith, 1998; Smith, A., Untersuchung über Wesen und Ursachen des Reichtums, hg.
v. Streissler, E., 1999; Ballestrem, K. Graf, Adam Smith, 2001;Phillipson, N.,
Adam Smith, 2010; Smith, A., Untersuchung
über Wesen und Ursachen des Reichtums der Völker, hg. v. Streissler, E., 2012;
Ronge, B., Das Adam-Smith-Projekt, 2015; Isenmann, M., Die langsame Entstehung
eines ökonomischen Systems, HZ 307 (2018) 655
Societas (lat. F.)
ist im römischen Recht die →Gesellschaft. Die privatrechtliche s. ist im
klassischen römischen Recht ein der Erbengemeinschaft nachgebildeter Konsensualkontrakt
der Gesellschafter. In der frühen Neuzeit wird s. auch für die menschliche
Gesellschaft insgesamt verwendet. Das römische Recht der s. wird aufgenommen,
im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) aber durch den Gedanken der
→Gesamthand abgeändert.
Lit.: Kaser §§ 38 II 1d, 43 I; Söllner § 9; Köbler,
DRG 47, 64, 146, 161; Wieacker, F., Societas, 1936; Hingst, K., Die societas
leonina, 2003; Meissel, F., Societas, 2004; Mehr, R., Societas und universitas,
2008; Jongh, J., Tussen societas en universitas, 2014
Socinus, Bartholomäus ist ein 1436 in Siena geborener, in Siena und Bologna
ausgebildeter, in Siena, Ferrara, Pisa, Bologna, Padua und vielleicht Bologna
lehrender in Siena 1507 verstorbener Jurist (commentaria, lecturae, consilia).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 860
Sociological jurisprudence (engl.) ist die auf Grund der
europäischen Entwicklung der Soziologie bewusst soziologische Erkenntnisse
berücksichtigende, im 20. Jh. in den Vereinigten Staaten entwickelte Form der
Rechtswissenschaft.
Lit.: Reich, N., Sociological jurisprudence und legal
realism im Rechtsdenken Amerikas, 1967
socius (lat. M.)
Genosse, Gesellschafter
Södermannalagh ist das Recht der schwedischen
Landschaft im Südosten →Schwedens am Ende des 13. Jh.s (1280 ?, 1300 ?).
Lit.: Hafström, G., Den svenska rättskällornas
historia, 1978
Sodomie ist vor allem der Geschlechtsverkehr zwischen
Mensch und Tier. Das Alte Testament lehnt die S. streng ab. Die christliche
Kirche folgt dem. Auch ein Teil der frühmittelalterlichen Volksrechte wendet
sich wohl unter kirchlichem Einfluss gegen die S. (Geldbuße, Kastration, Tötung).
Seit der Constitutio Criminalis Carolina (1532) umfasst die S. zusätzliche Begehungsformen.
Die Aufklärung lehnt die Strafbarkeit der S. ab. Nach dem Vorbild des Code
pénal Frankreichs von 1791 schaffen die von Frankreich beeinflussten Staaten
die S. allmählich ab (anders Russland, Österreich, Ungarn, Schweiz, England,
Skandinavien). Nach dem Strafgesetzbuch Bayerns von 1813 ist die S. keine
Straftat mehr. In Deutschland wird die Strafbarkeit am 25. 6. 1969 aufgehoben.
Am Beginn des 21. Jh.s ist die S. nur noch in England, Wales und Nordirland
(sowie theoretisch in einigen Kantonen der Schweiz) strafbar.
Lit.: Guggenbühl, D., Mit Tieren und Teufeln, 2002; Hehenberger, S.,
Unkeusch wider die Natur, 2005; Lang, D., Sodomie und Strafrecht, 2009
Soest in Westfalen entwickelt sich im
frühen 12. Jh. zur Stadt, deren Recht im Stadtrecht vom Medebach (1165)
erstmals fassbar wird und die seit dem 13. Jh. ihr Recht aufzeichnet (alte
Kuhhaut 1225/1226, neue Kuhhaut 1281/1282, alte Schrae 1367, neue Schrae 1531)
und verbreitet (9 Tochterstädte?, 62 loser zugeordnete Enkelstädte?).
Lit.: Brünneck, W. v., Zum Verständnis des Titel 1 der
Soester Gerichtsordnung, ZRG GA 32 (1911), 332; Brünneck, W., Geschichte der
Soester Gerichtsverfassung, ZRG GA 33 (1912), 1; Ebel, W., Die alte und die
neue Soester Schrae, ZRG GA 70 (1953), 105; Das älteste Bürgerbuch der Stadt
Soest 1302-1449, hg. v. Rothert, H., 1958; Welt, K., Das alte Soester
Stadtrecht, 1960; Diekmann, K., Die Herrschaft der Stadt Soest über ihre Börde,
1962; Stech, A., Die Soester Stadtrechtsfamilie, Diss. jur. Göttingen 1965;
Knickenberg, H., Die Soester Statuten von 1790, 1967; Soester Recht v. Deus,
W., 1969f.; Toeversichtsbriefe für Soest, bearb. v. Dösseler, E., 1969; Die
Miniaturen des Soester Nequambuches von 1315, hg. v. Wilkes, W., 1975; Ebel,
W., Rechtsgeschichtliches aus Niedersachsen, 1978, 89; Schöne, T., Das Soester
Stadtrecht, 1998; Die Stadt Soest, 2000; Dusil, S., Die Soester Stadtrechtsfamilie,
2007
Sofia an der Witoscha erscheint im 8./7.
Jh. als Siedlung der Thraker. Als Sordica wird es unter den Römern Provinzhauptstadt.
1382 wird es von den Osmanen (Türken) erobert. Im 1877/1878 von der Türkei
gelösten Bulgarien erhält es 1888 eine Universität.
Lit.: Serdika - Sredez - Sofia, 1976
Sohm, Rudolph (Rostock 29. 10. 1841-Leipzig 16. 5. 1917),
Rechtsanwaltssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Rostock, Berlin und
Heidelberg 1870 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1870 ordentlicher
Professor in Freiburg im Breisgau, Straßburg (1872) und Leipzig (1887). 1884
veröffentlicht er Institutionen des römischen Rechtes, 1888 einen Grundriss
der Kirchengeschichte und 1892 ein Kirchenrecht, wobei er die Ansicht
vertritt, dass das Wesen der Kirche mit dem Wesen von Recht in Widerspruch
stehe.
Lit.: Sohm, R., Die fränkische Reichs- und
Gerichtsverfassung, 1871; Sohm, R., Autobiographie, DJZ 14 (1909), 1017;
Festgabe für Rudolph Sohm, 1914; Fehr, H., Rudolph Sohm, ZRG GA 38 (1917), LIX;
Stutz, U., Nachruf, ZRG GA 38 (1917), 457; Barion, H., Rudolph Sohm und die
Grundlegung des Kirchenrechts, 1931; Bühler, A., Kirche und Staat bei Rudolph
Sohm, 1965; Böckenförde, W., Das Rechtsverständnis der neueren Kanonistik,
Diss. jur. Münster 1969
Solange I ist der einprägsame Name des Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 29. 5. 1974, nach dem das Gericht
Gemeinschaftsrecht der europäischen Gemeinschaften an den Grundrechten
Deutschlands prüfen kann, solange die europäischen Gemeinschaften keinen den
deutschen Grundrechten gleichwertigen Grundrechtsschutz haben. Nach der
Entwicklung eines wirksamen Grundrechtsschutzes in den europäischen Gemeinschaften
nimmt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung durch Entscheidung vom
22. 10. 1986 (Solange II) zurück.
Soldat ist der besoldete Krieger bzw. der,
welcher auf Grund einer Verpflichtung in einem Wehrdienstverhältnis steht. Für
den Soldaten kann besonderes Recht gelten. Schon das römische Recht kennt ein
eigenes Soldatentestament.
Lit.: Kaser § 67 I 2c; Rogg, M., Landsknechte und
Reisläufer – Bilder vom Soldaten, 2002; Rechenberg, F. v., Die außerdienstliche
Wohlverhaltenspflicht des Soldaten, 2004; Kutz, M., Deutsche Soldaten, 2006;
Kroll, S., Soldaten im 18. Jahrhundert, 2006; Schmetterer, C., Die rechtliche
Stellung römischer Soldaten im Prinzipat, 2012; Hitz, B., Kämpfen um Sold,
2015; Zivilisten und Soldaten, hg. v. Becker, F., 2015
Söldner ist der gegen Sold (zu lat. [M.]
solidus) kämpfende Krieger. Er tritt außer im Altertum insbesondere im spätmittelalterlichen
Italien sowie im Hundertjährigen Krieg zwischen Frankreich und England hervor.
Die im 18. Jh. eingeführte Wehrpflicht verdrängt ihn wieder.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Fehr, H., Vom Lehnsheer zum
Söldnerheer, ZRG GA 36 (1915), 455; Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Hermann, C., Deutsche Militärgeschichte, 1968; Baumann,
R., Das Söldnerwesen, 1978; Contamine, P., La Guerre au Moyen Age, 3. A. 1992;
Burschel, P., Söldner, 1994; Tresp, U., Söldner aus Böhmen, 2004; Trundle, M.,
Greek Mercenaries, 2004; Huntebrinker, J., Fromme Knechte und Garteteufel, 2010
solicitor (M.) außergerichtlich tätiger
Anwalt in England
Solidus ist eine römische, im Frühmittelalter
als Rechnungseinheit fortgeführte Münze.
Lit.: Köbler, DRG 77, 91; Köbler, LAW; Grierson, P.,
Coins of Medieval Europe, 1991
Sollizitieren (das Gericht [Reichskammergericht,
Reichshofrat] um Tätigwerden) bitten, erinnern
Lit.: Fuchs, B., Die Sollicitatur am Reichskammergericht,
2002
Solms ist seit dem Hochmittelalter (1129)
die von Hohensolms ausgehende Grafschaft im Bereich der mittleren Lahn in
Hessen, die 1806 in Hessen aufgeht. 1571 erarbeitet der Frankfurter
Stadtsyndikus Johann →Fichard auf der Grundlage eines Entwurfs des
Sekretärs Gerhard Terhell und unter Verwendung zahlreicher Quellen (Mainz
1534, Württemberg 1555, Trier 1537, Köln 1538, Nürnberg 1564, Freiburg 1520,
Worms 1499) das sog. Solmser Landrecht (Gerichtsordnung und Landrecht). Es ist
eine stark romanisierende Reformation in schlichter Sprache und mit klarem
Aufbau.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Kroeschell, DRG 2;
Deren Graveschafft Solms und Herrschaft Mintzenberg Gerichtsordnung, 1571;
Fuchs, C., Über die Quellen des Solmser Landrechts, Z. f. dt. Recht 17 (1857),
292; Welkoborsky, G., Das Solmser Landrecht, Archiv f. hess. Gesch. N.F. 30
(1967/8), 1; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess nach der Solmser
Gerichtsordnung, Diss. jur. Göttingen 1972; Demandt, K., Geschichte des Landes
Hessen, 1959, 2. A. 1980
Solon (Athen um 640-560) ist ein
bedeutender griechischer Gesetzgeber (594) und Staatsmann.
Lit.: Söllner § 7; Köbler, DRG 17; Ruschenbusch, E.,
Solonos nomoi, 1966, Neudruck 1983; Biscardi, A., Diritto greco antico, 1982;
Triantaphyllopoulos, J., Das Rechtsdenken der Griechen, 1985; Holz, H., Die
solonische Gesetzgebung, (in) Philosophie des Rechts, 1992, 103; Tsigarida, I.,
Solon – Begründer der Demokratie?, 2006; Solon of Athens, hg. v. Blok, J. u.
a., 2006; Ruschenbusch, E., Solon - Das Gesetzeswerk - Fragmente, 2010
(Übersetzung der 93 Fragmente, unvollendet); Schubert, C., Solon, 2012;
Ruschenbusch, E., Solon Das Gesetzeswerk – Fragmente – Übersetzung und
Kommentar von Bringmann, K., 2. A. 2014
Solothurn (Salodurum) ist die Siedlung an der
mittleren Aare, die über Kelten, Römer und Burgund 1218 Reichsstadt wird. 1353
wird S. zugewandter Ort der Eidgenossenschaft der →Schweiz, 1481
Mitglied.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Meyer, K., Solothurnische
Verfassungszustände zur Zeit des Patriziates, 1921; Amiet, B., Die
solothurnische Territorialpolitik von 1344-1532, Diss. phil Basel 1929;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert und das solothurnische
Zivilgesetzbuch von 1841-1847, 1948; Die Rechtsquellen des Kantons Bern, hg. v.
Studer, C. u. a., Bd. 1 1949; Solothurner Urkundenbuch, bearb. v. Kocher, A.,
Bd. 1 1952; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,457; Walliser,
P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Solothurn, 1990; Wey, M., Die Forstgesetzgebung
im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813), 1991; Freddi, S.,
St. Ursus in Solothurn, 2013
solsadire (lat.-afrk.) die Sonne untergehen
lassen, Frist bis Sonnenuntergang setzen
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867
Solutio (lat. F.)
ist im römischen Recht die Leistung bzw. Erfüllung. Ihr geht im altrömischen
Recht das förmliche Enthaftungsgeschäft der (lat.) s. per aes et libram
(Lösung durch Erz und Waage) voraus.
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 I 3, 32 II 3b, 52 II, 53 I;
Köbler, DRG 27, 43, 62; Laborenz, M., Solutio als causa, 2014
Somatén (M.) Landwehr
Lit.: March, J., El Somatén, 1923
Somme rural ist das wohl kurz vor 1396 von
Jehan →Boutillier (Jean le Boutillier) kompilatorisch verfasste
→Rechtsbuch, dessen Aufbau sich grundsätzlich an den Verfahrensgang
anlehnt. Es legt hauptsächlich die coutumes (Gewohnheiten) von Tournai,
Tournaisis und Vermandois zugrunde, bezieht aber auch die coutumes von
Normandie, Picardie, Artois, Flandern, Cambrésis, Champagne und Paris mit ein.
Vor allem im Sachenrecht und im Schuldrecht wird römisches Recht verwertet.
Hinzu kommt auch kirchliches Recht. Neben der Rechtsliteratur fließt in beachtlichem
Umfang die eigene Erfahrung des Verfassers ein.
Lit.: Dievoet, G. van, Jehan Boutillier en de Somme
rural, 1951; Coutumes du Tournaisis, hg. v. Dievoet, G. van, 2006
Sondererbfolge ist die →Erbfolge eines von
mehreren Erben in einen einzelnen Gegenstand z. B. in Gerade und Heergewäte im
Mittelalter, in Fürstengut oder Adelsgut, in Erbhöfe oder in
Gesellschaftsanteile im 20. Jh. Die S. steht in Gegensatz zur grundsätzlichen,
dem Gleichheitssatz folgenden Gesamtrechtsnachfolge.
Lit.: Köbler, DRG 73, 123, 162, 210, 269
Sondergericht ist das im Rechtsstaat unzulässige
besondere Gericht (z. B. zwischen 1933 und 1945 im Deutschen Reich).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Schimmler,
B., Recht ohne Gerechtigkeit, 1984; Wüllenweber, H., Sondergerichte im dritten
Reich, 1990; Blumberg-Ebel, A., Sondergerichtsbarkeit und „politischer
Katholizismus“ im dritten Reich, 1990; Oehler, C., Die Rechtsprechung des
Sondergerichts Mannheim, 1997; Weckbecker, G., Zwischen Freispruch und Todesstrafe,
1998; Keldungs, K., Das Duisburger Sondergericht, 1998; Roeser, F., Das
Sondergericht Essen, 2000; Lahrtz, J., Nationalsozialistische
Sondergerichtsbarkeit in Sachsen, 2003; … eifrigster Diener und Schützer des
Rechts, hg. v. Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, 2007
Sonderrecht ist das nicht allgemein, sondern
nur für besondere Fälle geltende Recht. Es steht im Widerspruch zum
Gleichheitsgrundsatz. Von daher verliert es seit der französischen Revolution
(1789) an Bedeutung.
Lit.: Duve, T., Sonderrecht in der frühen Neuzeit,
2008
Sonnenfels (Perlin), Joseph v. (Mikulov bzw.
Nikol(au)sburg/Tschechien 1732/1733-Wien 25. 4. 1817), am 18. 9. 1735 mit Vater
und Bruder katholisch getaufter Jude, wird nach dem Studium der Philosophie und
des Rechtes in Wien (Martini, Riegger) 1758 Adjunkt bzw. Kanzleiangestellter,
1761 Rechnungsführer und 1763 Professor für politische Wissenschaft
(Kameralwissenschaft) in Wien. 1765 veröffentlicht er Grundsätze der Polizey,
Handlung und Finanz (bis 1845/1848 grundlegend). Er wendet sich aufgeklärt
gegen die Folter (1771) und die Todesstrafe.
Lit.: Köbler, DRG 152; Osterloh, K., Joseph von
Sonnenfels, 1970; Lindner, D., Der Mann ohne Vorurteil, 1983; Joseph von
Sonnenfels, hg. v. Reinalter, H., 1988; Sonnenfels, J. v., Grundsätze der
Polizey, hg. v. Ogris, W., 2003; Karstens, S., Lehrer - Schriftsteller -
Staatsreformer, 2011
Sonnenfrist setzen →solsadire
Sonntag ist der auf Grund jüdischer
Überlieferungen vom Christentum geheiligte siebente Wochentag, der durch
staatliches Recht grundsätzlich arbeitsfrei ist.
Lit.: Der Tag des Herrn, hg. v. Weiler, R., 1998;
Schiepek, H., Der Sonntag, 2003, 2. A. 2009; Grube, A., Der Sonntag, 2003;
Bürkle, M., Die Entwicklung des Sonn- und Feiertagsschutzes in Baden, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 2003
Souveränität (Wort 12. Jh.) ist
die im Absolutismus der frühen Neuzeit (aus superanum [lat. N.] imperium,
darüber befindliche Gewalt, Herrschaft, Reich) entwickelte höchste und
unbeschränkte Staatsgewalt (→Bodin [1530-1596] 1566). Nach Jean Jacques
Rousseau (1762) steht die S. dem Volk zu (Volkssouveränität). In der Gegenwart
bedeutet S. eines Staates dessen Freiheit und Unabhängigkeit nach außen und
innen (Abwehr der Einmischung in innere Angelegenheiten). Im Staatenbund hält
der Mitgliedstaat an seiner S. so umfassend wie möglich fest. Die
Internationalisierung des Rechtes und die Schaffung supranationaler Gebilde
drängen die nationale S. zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 149;
Kelsen, H., Das Problem der Souveränität, 2. A. 1928; Stengel, E., Kaisertitel
und Souveränitätsidee, DA 3 (1939); Hennis, W., Das Problem der Souveränität,
1951, m. e. Vorwort v. Starck, C., 2003; David, M., La souveraineté, 1954;
Streifthau, K., Die Souveränität des Parlaments, 1963; Dennert, J., Ursprung
und Begriff der Souveränität, 1964; Schefold, D., Volkssouveränität, 1966;
Volkssouveränität und Staatssouveränität, hg. v. Kurz, H., 1970; Quaritsch,
H., Staat und Souveränität 1, 1970; Mommsen, K., Auf dem Wege zur
Staatssouveränität, 1970; Quint, W., Souveränitätsbegriff, 1971; Willoweit,
D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hinsley, F., Sovereignty, 2.
A. 1986; Quaritsch, H., Souveränität, 1986; Pennington, K., The Prince and the
Law, 1993; Stolleis, M., Die Idee des souveränen Staates, (in) Entstehung und
Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, 1993, 53; Adamova, K., Souveränität
und Gesamtstaat, ZRG 119 (2002), 157; Rosin, N., Souveränität zwischen Macht
und Recht, 2003; Schliesky, U., Souveränität und Legitimität von
Herrschaftsgewalt, 2004; Grimm, D., Souveränität, 2009; Souveränität, hg. v.
Salzborn, S. u. a., 2010; Jansen, S., Die Souveränität der Gliedstaaten im
Deutschen Bund, 2014; Debatten um die Souveränität, hg. v. Philipp, M., 2015;
Lambertz-Pollan, R., Auf dem Weg zu Souveränität und Westintegration
(1948-1955) – Der Beitrag des Völkerrechtlers und Diplomaten WilhelmGrewe, 2016
Sowchose (F.) landwirtschaftlicher Staatsbetrieb der
Sowjetunion
sowjet (russ.) Rat (Selbstverwaltungsorgan
der Arbeiter, Bauern und Soldaten der Sowjetunion seit 1917)
Sowjetische Besatzungszone ist die im Osten gelegene
Besatzungszone der Sowjetunion im Deutschen Reich seit 1945 (mit rund 4
Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen), für die am 6. 6. 1945 die sowjetische
Militäradministration errichtet wird (Ende 1945 fast 64000 Planstellen, 17.
11. 1949 aufgelöst). →Deutsche Demokratische Republik
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Blomeyer, A., Die Entwicklung
des Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, 1950; Staritz, D., Die
Gründung der DDR, 1985; Weißbuch über die „Demokratische Bodenreform“, hg. v.
Kruse, J. v., 1988; SBZ-Handbuch, hg. v. Broszat, M. u. a., 1990; Hauschild,
I., Von der Sowjetzone zur DDR, 1996; Naimark, N., Die Russen in Deutschland,
1997; Wiedergutmachungsverbot, hg. v. Sobotka, B., 1998; Sowjetische
Speziallager in Deutschland 1945-1950, hg. v. Mironenko, S. u. a., 1998;
Sowjetisierung und Eigenständigkeit in der SBZ/DDR, hg. v. Lemke, M., 1999;
Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Das letzte Jahr der SBZ,
hg. v. Hoffmann, D. u. a., 2000; Hajna, K., Die Landtagswahlen 1946 in der SBZ,
2000; Schweisfurth, T., SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949,
2000; Mollnau, M., Die Bodenrechtsentwicklung in der SBZ/DDR, 2001; Kowalczuk,
I./Wolle, S., Roter Stern über Deutschland, 2001; Baus, R., Die
Christlich-Demokratische Union Deutschlands, 2001; Madaus, U., Allianz des
Schweigens, 2002; SMAD-Handbuch. Die sowjetische Militäradministration in
Deutschland 1945-1949, hg. v. Möller, H. u. a., 2009
Sowjetunion ist der seit der Oktoberrevolution
1917 aus →Russland entstandene Staat (Union der sozialistischen Sowjetrepubliken,
UdSSR, 30. 12. 1922-8. 12. 1991). Er wird von der Kommunistischen Partei
totalitär geführt. Im Friedensvertrag von Brest-Litowsk (3. 3. 1918) mit dem
Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, dem Osmanischen Reich und Bulgarien
verliert Russland seine polnischen und baltischen Gebiete, Finnland und die
Ukraine, doch wird der Vertrag am 11. 11. 1918 für ungültig erklärt. Die
Wirtschaft wird verstaatlicht (7 Millionen Opfer der Zwangskollektivierung),
das Recht unter Abschaffung des privaten Eigentums sozialistisch gestaltet
(Eherecht, Familienrecht, Vormundschaftsrecht 16. 9. 1918, Arbeitsrecht 22.
10./4. 11. 1918). Am 22. 5. 1922 erlaubt eine besondere Deklaration über die
Grundsätze des Vermögensrechts privatwirtschaftliches Handeln im Rahmen des
sozialistischen Wirtschaftssystems. In der Folge wird das Zivilgesetzbuch
Russlands vom 31. 10. 1922 weithin maßgebend (Recht der beweglichen Sachen).
Infolge der Teilnahme am zweiten Weltkrieg (8,6 Millionen Gefallene) wird die
S. Weltmacht (mit 22,4 Milliarden Quadratkilometern größter Staat der
Neuzeit). 1956 und 1964 wird die Alterssicherung durch Rentenversorgung
geschaffen. Am 8. 12. 1961 erlässt die S. Grundlagengesetze zum Zivilrecht
und Zivilprozessrecht, 1968 zum Ehe- und Familienrecht sowie 1970 zum
Arbeitsrecht. Unter Michael Gorbatschow kommt es seit etwa 1985 zur
Liberalisierung (Glasnost, Perestroika). 1991 geht die aus 15 Unionsrepubliken
(mit 286 Millionen Einwohnern) bestehende S. in der losen Gemeinschaft
unabhängiger Staaten (GUS) auf. Russland verselbständigt sich als Folge der
Abspaltung zahlreicher selbständiger Staaten wieder.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951;
Rauch, G. v., Geschichte des bolschewistischen Russland, 1955; Istorija
gosudarstva i prava SSSR (Staats- und Rechtsgeschichte der Sowjetunion), Teil
1, verfasst v. einem Autorenkollektiv unter Leitung v. Sofronenko, K., 1967;
Peter, V., Sozialistisches Zivilrecht, 1975; Beletzki, Die Politik der
Sowjetunion in den deutschen Angelegenheiten, 1977; Pfaff, D., Die Entwicklung
der sowjetischen Rechtslehre, 1986; Fincke, M., Handbuch der Sowjetverfassung, 1983;
Geilke, G., Einführung in das Sowjetrecht, 2. A. 1983; Ruffmann, K.,
Sowjetrussland, 10. A. 1984; Altrichter, H., Kleine Geschichte der
Sowjetunion, 1993; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998; Adomeit,
A., Imperial Overstretch, 1998; Heinzig, H., Die Sowjetunion und das
kommunistische China, 1998; Hildermeier, M., Geschichte der Sowjetunion, 1998;
Foitzik, J., Sowjetische Militäradministration, 1999; Luks, L., Geschichte
Russlands und der Sowjetunion, 2000; Altrichter, H., Kleine Geschichte der
Sowjetunion 1917-1991, 3. A. 2001; Kernig, C., Lenins Reich in Trümmern, 2000;
Wolkogonow, D., Die sieben Führer, 2001; Schreyer, H., Das zentrale staatliche
Archivwesen, 2003; Applebaum, A., Der Gulag, 2003; Overy, R., Russlands Krieg
1941-1945, 2003; Sowjetische Militärtribunale, hg. v. Hilger, A. u. a., 2003;
Terrorjustiz und Terrororgane in der Stalin-Zeit, hg. v. Lobkowicz, N. u. a.,
2004; Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004; Die UdSSR und
die deutsche Frage 1941-1948, hg. v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff. 2004; Loth, W.,
Die Sowjetunion und die deutsche Frage, 2007; Satjukow, S., Besatzer. Die
Russen in Deutschland 1945-1994, 2008; Creuzberger, S., Stalin, 2009;
Dönninghaus, V., Minderheiten in Bedrängnis, 2009; Dalos, G., Gorbatschow,
2011; Michail Gorbatschow und die deutsche Frage, hg. v. Galkin, A. u. a.,
2011; Zuber, J., Krise und Zerfall einer Weltmacht, 2011; Dalos, G., Lebt wohl
Genossen, 2011; Baberowski, J., Verbrannte Erde, 2012; Die UdSSR und die
deutsche Frage 1941-1949 - Dokumente, hg. v. Laufer, J. u. a., Bd. 1ff.
2004ff.; Deutsche Besatzungsherrschaft in der UdSSR, hg. v. Angrick, A. u. a.,
2013; Gorbatschow, M., Alles zu seiner Zeit - Mein Leben, 2013; Mücke, L., Die
allgemeine Altersrentenversorgung in der UdSSR 1956-1972, 2013; Lozo, I., Der
Putsch gegen Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion, 2014; Der Kreml und die
„Wende“ 1989, hg. v. Karner, S. u. a., 2014; Bedrohte Ordnungen 2 Goldenes
Zeitalter der Stagnation, hg. v. Belge, B. u. a., 2014; Kindler, R., Stalins
Nomaden, 2015; Rolsko, P., Gralshüter eies untergehenden Systems – Zensur der
Massenmedien in der ZdSST 1981-1991, 2015; Ruchniewicz, M., Das Ende der
Bauernwlt – Die Sowjetisierung des westweißrussischen Dorfes 1944-1953, 2015;
Becker, A., Mythos Stalin, 2015; Finn, P. u. a., Die Affäre Schiwago, 2016;
Teichmann, C., Macht der Unordnung – Stalins Herrschaft in Zentralasien
1920-1950, 2016
Sozialbindung ist die Einschränkung (Bindung)
eines Rechtes (z. B. des Eigentums) aus sozialen Gründen im 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Lehmann, J., Sachherrschaft
und Sozialbindung, 2004
Sozialdarwinismus (M.) Übertragung des Grundsatzes der
natürlichen Auslese auf die menschliche Gesellschaft am Ende des 19. Jh.s,
Rassenlehre unter Ablehnung von Sozialpolitk
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die aus dem frühen
→Sozialismus erwachsende deutsche →Partei. Ihr gehen der
Allgemeine Deutsche Arbeiterverein Lassalles (1863) und die Sozialdemokratische
Arbeiterpartei Liebknechts und Bebels (1869) voraus, die sich 1875 zur
Sozialistischen Arbeiterpartei vereinigen. 1878 werden die Sozialisten
verboten, 1890 aber als S. P. D. mit marxistischem Erfurter Programm Kautskys
(1891) wieder zugelassen. Mit dem Godesberger Programm von 1959, das den
Sozialismus als Weltanschauung aufgibt, wird die S. P. D. in Deutschland regierungsfähig
(1969 bis 1982, 1998 bis 2005).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177; Brügel, L.,
Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, Bd. 1ff. 1922ff.; Heidegger,
H., Die deutsche Sozialdemokratie, 2. A. 1968; Martiny, M., Integration
oder Konfrontation?, 1976; Sozialdemokratie und Zivilrechtskodifikation, hg.
v. Vormbaum, T., 1977; Rovan, J., Geschichte der deutschen Sozialdemokratie,
1980; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und sozialdemokratische
Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Steinbach, P.,
Sozialdemokratie und Verfassungsverständnis, 1983; Pyta, W., Gegen Hitler und
für die Republik, 1989; Schröder, W., Sozialdemokratische Parlamentarier, 1995;
Morré, J., Speziallager des NKWD, 1997; Die Sozialdemokratie und die
Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuches, hg. v. Vormbaum, T., 2. A. 1997;
Welskopp, T., Das Banner der Brüderlichkeit, 2000; Wondratsch, H.,
Sozialdemokratie – Frau – Familie, 2002; Ramuschkat, D., Die SPD und der
europäische Einigungsprozess, 2003; Czitrich-Stahl, H., Arthur Stadthagen,
2012; Philipps, R., Sozialdemokratie, 68-er Bewegung und gesellschaftlicher
Wandel 1959-1969, 2012; Müller, M., Die SPD und die Vertriebenenverbände
1949-1977, 2012; Reinhardt, Gesellschaftspolitische Ordnungsvorstellungen der
SPD-Flügel seit 1945, 2014; SPD und Parlamentarismus, hg. v. Lehnert, D., 2015;
Krell, C., Vordenkerinnen und Vordenker der sozialen Demokratie – 49 Porträts,
2015; Eppler, E., Links leben, 2015; Helmut Schmidt – Macht und Eleganzm hg.v.
Altenbockum, J. v., 2015; Rote Fahne, bunde Bänder – Korporierte
Sozialdemokraten von Lassalle bis heute, hg. v. Blänkner, M. u. a., 2016
Sozialdisziplinierung ist (nach Gerhard Oestreich) die mehr oder
weniger gewaltsame Lenkung der Bevölkerung zur Durchsetzung politischer Ziele
seit der frühen Neuzeit.
Soziale Frage ist die aus der liberalen Industrialisierung
erwachsende Gegenüberstellung von vielen besitzlosen Proletariern
(Arbeitern, vierter Stand) und wenigen reichen Kapitalisten (Bürgern). Ihre
Lösung sieht der liberale Staat des frühen 19. Jh.s nicht als seine Aufgabe an,
weshalb Selbsthilfeeinrichtungen statt seiner handeln (Gewerkschaft, Genossenschaft,
Partei). Unter dem tatsächlichen Druck sozialistischer Parteien sieht sich
Bismarck 1881ff. zu sozialer Gesetzgebung (→Sozialversicherung)
veranlasst.
Lit.: Köbler, DRG 177; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung
und sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94;
Ritter, G., Sozialpolitik im deutschen Kaiserreich, HZ 282 (2006), 97; Zech,
H., Die soziale Frage im Konkursrecht, 2012
Soziale Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft der
zweiten Hälfte des 19. Jh.s, die sozialen Ausgleich der durch übermäßige
Ausnutzung von Freiheit entstandenen gesellschaftlichen Probleme versucht (z.
B. Wohngeld für sozial schwache Mieter). In Deutschland beruht sie auf dem am
24. 6. 1948 vom alliierten Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz über
Leitsätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Soziale Marktwirtschaft,
1997; Soll und Haben, hg. v. Nörr, K. u. a., 1999
Sozialgericht ist nach älteren Vorläufern (1884
Schiedsgericht für Streitigkeiten aus der Unfallversicherung, 1900 Schiedsgericht
für Arbeiterversicherung, 1911 verwaltungsinterner Rechtsschutz durch Versicherungsamt,
Oberversicherungsamt und Reichsversicherungsamt) in der Bundesrepublik
Deutschland das für die Entscheidung über sozialrechtliche Streitigkeiten
zuständige Gericht (Sozialgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953).
Lit.: Köbler, DRG 262; Meyer-Ladewig, J.,
Sozialgerichtsgesetz, 1977, 5. A. 1993, 8. A. 2005
Sozialgeschichte ist die Geschichte der Gesellschaft
bzw. der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die S. dient dem Verständnis der
Rechtsgeschichte. Gesellschaft und Recht beeinflussen sich jeweils gegenseitig.
Lit.: Köbler, DRG 9; Dopsch, A., Wirtschaftliche und
soziale Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Dopsch, A.,
Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Bauern, 1930; Dopsch, A.,
Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft, 1930; Brunner, O., Neue Wege der
Sozialgeschichte, 1956 (Vorträge und Aufsätze), 1956; Lütge, F., Deutsche Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte, 1966; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen
Sozialpolitik 1867 bis 1914, begründet v. Rassow, P. u. a., Bd. 1ff.
1966ff.Aubin, H./Zorn, W., Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte,
Bd. 1ff. 1971ff.; Henning, F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff.; Alföldy, G., Römische Sozialgeschichte, 1975, 3. A. 1984, 4. A. 2011;
Müller, M., Säkularisation und Grundbesitz, 1980; Kantzow, W., Sozialgeschichte
der deutschen Städte und ihres Boden- und Baurechts bis 1918, 1980; Handbuch
der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd.
1ff. 1980ff.; Boelcke, W., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 1987; Wehler, H.,
Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff., z. T. 3. A. 1996ff.;
Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd.
1ff. 1991ff.; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867
bis 1914; Bibliographie zur römischen Sozialgeschichte, hg. v. Krause, J. u.
a., Bd. 1f. 1992ff.; Frerich, J./Frey, M., Handbuch der Geschichte der
Sozialpolitik, Bd. 1ff. 1993; Wehler, H., Bibliographie zur neueren deutschen
Sozialgeschichte, 1993; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke, J.
u. a., 1994; Borgolte, M., Sozialgeschichte des Mittelalters, 1996; Ritter,
G., Sozialpolitik im Zeitalter Bismarcks, HZ 265 (1997), 682; Hering,
S./Münchmeier, R., Geschichte der Sozialarbeit, 1999; Perspektiven der
Gesellschaftsgeschichte, hg. v. Nolte, P. u. a., 2000; Roth, G., Die Institution
der kommunalen Sozialverwaltung, 1999; Europäische Sozialgeschichte, hg. v.
Dipper, C. u. a., 2000; Willett, O., Sozialgeschichte Erlanger Professoren,
2001; Sozialer Aufstieg, hg. v. Schulz, G., 2002; Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, hg. v. Schulz, G. u. a., 2003; Minderwertig und asozial,
hg. v. Sedlaczek, D. u. a., 2005; Devroey, J., Puissants et misérables, 2006;
Kaelble, H., Sozialgeschichte Europas 1945 bis zur Gegenwart, 2007; Schildt,
A., Die Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland bis 1989/90, 2007;
Wehler, H., Die neue Umverteilung, 2013; Perspectives on European Economic and
Social History, hg. v. Hesse u. a., 2014; Lepsius, M., Soziale Schichtung in
der industriellen Gesellschaft, aus dem Nachlass veröffentlichte Habilitationsschrift,
2015; Nolte, P., Hans-Ulrich Wehler, 2015; Vasold, M., Hunger, Rauchen,
Ungeziefer, 2016
Sozialgesetzbuch ist in der Bundesrepublik
Deutschland das die →Reichsversicherungsordnung von 1911 seit (1969
bzw.) 1. 1. 1976 allmählich ablösende, in einzelnen Büchern in Kraft tretende
Gesetzbuch (SGB I Allgemeiner Teil 1976, SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende
2004, SGB III Arbeitsförderung 1997, SBG IV Sozialversicherung Gemeinsame
Vorschriften 1977, SBG V Gesetzliche Krankenversicherung 1989, SGB VI
Gesetzliche Rentenversicherung 1992, SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung
1996, SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe 1991, SGB IX Rehabilitation und Teilhabe
behinderter Menschen 2001, SGB X Verwaltungsverfahren 1980, SGB XI Soziale
Pflegeversicherung 1995, XII Sozialhilfe 2005).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 261; 25 Jahre
Sozialgesetzbuch, 1995
Sozialgesetzgebung ist die in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s
einsetzende Gesetzgebung in sozialen Angelegenheiten.
Lit.: Borgmeyer, W., Das wilhelminische Kaiserreich – ein
Ausbeuterstaat?, 1994; Quellensammlung zur Geschichte der deutschen
Sozialpolitik 1867 bis 1914, begr. v. Rassow, P. u. a., hg. v. Henning, H. u.
a., 1982ff., Abt. 1, 8, 2006
Sozialhilfe ist in der Bundesrepublik Deutschland
die durch Gesetz vom 30. 6. 1961 zum 1. Juni 1962 geregelte allgemeine Unterstützung sozial
Schwacher. Durch das Gesetz werden die älteren Reichsgrundsätze über
Voraussetzung, Art und Maß öffentlicher Fürsorge vom 2. 12. 1924 im
Wesentlichen übernommen. 2005 geht das Bundessozialhilfegesetz in den Büchern
II und XII des Sozialgesetzbuchs auf.
Lit.: Köbler, DRG 261; Föcking, F., Fürsorge im Wirtschaftsboom,
2007; 50 Jahre Sozialhilfe, hg. v. Fahlbusch, J., 2012
Sozialisierung (F.) Vergesellschaftung
Lit.: Goldschmidt, H., Eigentum und Eigentumsteilrechte
in ihrem Verhältnis zur Sozialisierung, 1920; Brückner, M., Sozialisierung in
Deutschland, 2013
Sozialismus ist die im 19. Jh. ausgebildete
Gesellschaftslehre, die sich statt am individuellen Wohl des Einzelnen am
Gesamtwohl der Allgemeinheit ausrichtet. Angestrebt wird der S. vor allem von
sozialistischen oder sozialdemokratischen Parteien. Der nach 1917 in der
→Sowjetunion bzw. nach 1945 in anderen sozialistischen Staaten
verwirklichte S. erreicht eine tatsächliche Verbesserung der gesellschaftlichen
Verhältnisse nur in bescheidenem Umfang.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 177, 179, 226;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 923; Huber, E., Die Gestalt des
deutschen Sozialismus, 1934; Ramm, T., Die großen Sozialisten, 1955;
Markovits, I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich,
N., Sozialismus und Zivilrecht, 1972; Reich, N./Reichel, H., Einführung in das
sozialistische Recht, 1975, 1; Horner, H., Anton Menger, 1977; Dowe, D.,
Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 3. A. 1981;
Kühne, D., Der marxistisch-sozialistische Rechtsbegriff, 1985; Petev, V.,
Kritik der marxistisch-sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie, 1989;
Klassiker des Sozialismus, hg. v. Euchner, W., Bd. 1f. 1991; Heis, R., Das
Recht im frühen Sozialismus, Diss. jur. Innsbruck 1995; Recht im Sozialismus,
hg. v. Bender, G. u. a., Bd. 1ff. 1999; Euchner, W. u. a. Geschichte der
sozialen Ideen in Deutschland, 2000; Der Munizipalsozialismus in Europa, hg. v.
Kühl, U., 2001; Kohlmann, J., Der Marsch zu den Gräbern von Karl und Rosa,
2004; Zur Physiognomie sozialistischer Wirtschaftsreformen, hg. v. Boyer, C.,
2007; Leidinger, H. u. a., Sozialismus, 2008; Fehlberg, F., Protestantismus und
nationaler Sozialismus, 2012; Schultz, H., Europäischer Sozialismus, 2014; Faik,
J., Verteilung und Umverteilung von Wohlstand, 2015; Honneth, A.,m Die Idee
des Sozialimus, 2015
Sozialistengesetz ist das seit 21. 10. 1878 die
sozialistischen Parteien verbietende Gesetz des Deutschen Reiches, das 1890
wegen Erfolglosigkeit nicht weiter verlängert wird.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 172, 177;
Schümer, G., Die Entstehungsgeschichte des Sozialistengesetzes, Diss. phil.
Göttingen 1930; Hellfaier, K., Die deutsche Sozialdemokratie während des
Sozialistengesetzes, 1958; Maaß, R., Entstehung, Hintergrund und Wirkung des
Sozialistengesetzes, JuS 1990, 702; Maaß, R., Die Generalklausel des
Sozialistengesetzes, 1990; Frerich, J., Handbuch der Geschichte der
Sozialpolitik, Bd. 1ff 1993ff., z. T. 2. A. 1996; Weißmann, K., Der nationale
Sozialismus, 1998; Einhundertfünfundzwanzig (125) Jahre Sozialistengesetz, hg.
v. Beutin, H. u. a., 2004; Resch, S., Das Sozialistengesetz in Bayern
1878-1890, 2012
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands →SED
sozialistisches Recht →Sozialismus
Lit.: Markovits, J., Sozialistisches und bürgerliches
Zivilrechtsdenken, 1960; Löbbe, J., Sozialistische Rechtsanwendung, 1998
Sozialliberalismus ist die seit der Mitte des 19. Jh.
entstehende sozial abgemilderte Form des Liberalismus.
Lit.: Sozialliberalismus in Europa, hg. v. Lehnert,
D., 2012
Sozialpartnerschaft ist die verständnisvolle
Zusammenarbeit von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften vor allem im 20.
Jh. (auf Kosten der Allgemeinheit).
Lit.: Historische Wurzeln der Sozialpartnerschaft, hg.
v. Stourzh, G. u. a., 1986
Sozialrecht ist das Recht des Ausgleichs individueller
Güterdifferenzen durch Leistungen eines Trägers öffentlicher Verwaltung. Es
entsteht nach vereinzelten älteren Vorformen und frühen Einzelzügen (Preußen
1845 Gewerbeordnung mit der Möglichkeit der Gemeinden, durch Satzung
Unterstützungskassen für Fabrikarbeiter zu erzwingen) seit dem späten 19. Jh.
Es ist im weiten Umfang Sozialversicherungsrecht. Frühe wissenschaftliche
Vertreter sind Heinrich Rosin, Erwin Jacobi, Lutz Richter, Fritz Stier-Somlo,
Walter Kaskel, Alfred Manes, frühe Praktiker Hermann Dersch, Hermann Schulz und
Friedrich Kleeis und frühe Institutionen Institute in Freiburg im Breisgau,
Leipzig und Frankfurt am Main. Seit 1976 entsteht ein Sozialgesetzbuch.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 260; Gurvich, G.,
L’idée du droit social, 1932; Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, hg. v.
Stolleis, M., 1976; Pfeiffer-Munz, S., Soziales Recht ist deutsches Recht,
1978; Spindler, H., Von der Genossenschaft zur Betriebsgenossenschaft, 1982;
Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte,
hg. v. Köbler, G., 1987, 281; Scherner, K., Sozialrechtsgeschichte, ZNR 1996,
102; Mikešič, I., Sozialrecht als wissenschaftliche Disziplin - Die
Anfänge 1918-1933, 2002; Sopp, A., Drittstaatsangehörige und Sozialrecht, 2007;
Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Otto, M., Von der
Eigenkirche zum volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965), 2008
Sozialstaat ist der auf Ausgleich sozialer
Ungerechtigkeit verpflichtete Staat. Er entsteht seit dem ersten Weltkrieg.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 252;
Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, hg. v. Forsthoff, E., 1968;
Böckenförde, E., Die Bedeutung der Unterscheidung vom Staat und Gesellschaft,
FG W. Hefermehl, 1972, 11; Landwehr, G., Staatszweck und Staatstätigkeit in
Preußen, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 249;
Ritter, G., Der Sozialstaat, 1989, 3. A. 2010; Koslowski, S., Die Geburt des
Sozialstaats, 1989; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Eichenhofer,
E., Geschichte des Sozialstaats in Europa, 2007; Sozialstaat Deutschland, hg.
v. Becker, U., 2010; Hockerts, H., Der deutsche Sozialstaat, 2011; Stolleis,
M., History of Social Law in Germany, 2013; Thurn, J., Welcher Sozialstaat?,
2014; Kott, S., Sozialstaat und Gesellschaft – Das deutsche Kaiserreich in
Europa, 2014
Sozialversicherung ist die im Grundsatz auf dem
Prinzip von Leistung und Gegenleistung aufbauende, durch die Kaiserliche
Botschaft vom 17. 11. 1881 im Deutschen Reich eingeleitete Einrichtung, die
auf die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren
Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit abzielt. Sie umfasst
Krankheit (15. 6. 1883), Unfall (6. 7. 1884, vgl. dazu ein Arbeitgeberhaftungsgesetz
in Großbritannien von 1880), Alter und Invalidität (22. 6. 1889), Arbeitslosigkeit
(Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1927) (1911
Reichsversicherungsordnung, Angestelltenversicherungsgesetz, 1923 Reichsknappschaft)
sowie Pflege (1995). 1934 wird von S. gesprochen. Rentner werden in die gesetzliche
Krankenversicherung, Selbständige in die S. insgesamt aufgenommen. 1975 werden
Studenten und Behinderte in die S. einbezogen. In der Deutschen Demokratischen
Republik wird die Trennung zwischen Arbeitern und Angestellten beseitigt und
die S. vereinheitlicht und zentralisiert, doch wird 1990 mit der Herstellung
deutscher Einheit das Recht der Bundesrepublik auf die neuen Bundesländer
übertragen. Träger der S. sind Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Berufsgenossenschaft,
Krankenkasse). Die im Grunde unsolide Finanzierung der S. bedroht bei
ungünstiger Bevölkerungsentwicklung ihre Zahlungsfähigkeit.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 177, 182, 183,
260, 261; Vogel, W., Bismarcks Arbeiterversicherung, 1951; Peters, H., Die
Geschichte der Sozialversicherung, 1959, 2. A. 1973, 3. A. 1978; Fröhlich, S.,
Die soziale Sicherung bei Zünften, 1976; Ullmann, H., Industrielle Interessen
und die Entstehung der deutschen Sozialversicherung, HZ 229 (1979), 574; Ruß,
W., Die Sozialversicherung in der DDR, 1979; Bedingungen für die Entstehung und
Entwicklung von Sozialversicherung, hg. v. Tacher, H., 1979; Bogs, W., Die
Sozialversicherung, 1980; Benöhr, H., Verfassungsfragen der Sozialversicherung,
ZRG GA 97 (1980), 94; Benöhr, H., Soziale Frage, Sozialversicherung und
sozialdemokratische Reichstagsfraktion (1881-1889), ZRG GA 98 (1981), 94; Ein
Jahrhundert Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1981; Ritter, G.,
Sozialversicherung in Deutschland und England, 1983; Beiträge zu Geschichte und
aktueller Situation der Sozialversicherung, hg. v. Köhler, P. u. a., 1983;
Hofmeister, H., Die ersten Sozialversicherungsgesetze, Z. f. Arbeitsrecht und
Sozialrecht 22 (1987), 184; Leopold, D., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 1999; Ausschuss für die Reform der Sozialversicherung/für
Sozialversicherung (1934-1944). Versorgungswerk und Gesundheitswerk des
deutschen Volkes (1940-1942), hg. und mit einer Einleitung versehen v.
Schubert, W., 2000; Haerendel, U., Die Anfänge der gesetzlichen Rentenversicherung,
2001; Von der Barmherzigkeit zur Sozialversicherung, hg. v. Gilomen, H. u. a.,
2002; Metzler, G., Der deutsche Sozialstaat, 2003; Glootz, T., Alterssicherung
im europäischen Wohlfahrtsstaat, 2005; Metz, K., Die Geschichte der sozialen
Sicherheit, 2008; Scheubel, B., Bismarck’s Institutions, 2013
Soziologie (F.) Gesellschaftswissenschaft
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5 1984, 997;
Dombeck, B., Das Verhältnis der Tübinger Schule zur Deutschen Rechtssoziologie,
1969; Landau, P., Rechtsgeschichte und Soziologie, VSWG 61 (1974), 145;
Historische Soziologie der Rechtswissenschaft, hg. v. Heyen, E., 1986; Bahrdt,
H., Schlüsselbegriffe der Soziologie, 7. A. 1994; Korte, H., Einführung in die
Geschichte der Soziologie, 7. A. 2004; Kruse, V., Geschichte der Soziologie,
2008, 2. A. 2012; Gerhardt, U., Soziologie im zwanzigsten Jahrhundert, 2009;
Lenger, F., Sozialwissenschaft um 1900, 2009; Popitz, H., Allgemeine
soziologische Theorie, hg. v. Dreher, J. u. a., 2011; Lorenz, A., Klassiker der
Soziologie, 2015 (Marx bis Simmel); Schluchter, W., May Webers späte
Soziologie, 2015
Spangericht
Lit.: Schmid, N., Die appenzell-innerrhodischen Spangerichte, Diss.
jur. Zürich 1961
Spanien ist der im Südwesten Europas am
westlichen Rand des Mittelmeers gelegene, zum 1. 1. 1986 den Europäischen
Gemeinschaften beigetretene Staat. Noch in der Steinzeit wird es von Afrika
her durch die Iberer besiedelt. Im Ringen zwischen Puniern (Karthagern) und
Römern setzen sich die Römer 201 v. Chr. durch. In der Völkerwanderung erobern
die Westgoten (475) bis 531 das Gebiet. Es gilt für die Goten, deren Zahl sich
auf höchstens fünf von Hundert der Bevölkerung beläuft, die (lat.) →Lex
(F.) Visigothorum (Recht bzw. Gesetz der Westgoten, für die Romanen die (lat.) →Lex
(F.) Romana Visigothorum (römisches Recht bzw. Gesetz der Westgoten, um 506 n.
Chr.). Im Streit um die Nachfolge im Königtum wendet sich ein Streitteil an die
nordafrikanischen Mauren (→Araber), die 711 bei Jerez de la Frontera den
Sieg erringen und seit 714 ein Emirat des Kalifats von Damaskus (929 Kalifat
von Cordoba) bilden. Wenig später beginnt von dem niemals von Mauren eroberten
Nordwesten, in den sich Teile des westgotischen Adels flüchten, von Asturien,
Navarra und Katalonien aus die christliche Rückeroberung (span. →reconquista),
die 1492 mit der Gewinnung Granadas durch Kastilien endet. Das Recht wird in
sog. →Fueros aufgezeichnet. Wohl seit dem am 20. 12. 1433 von König
Johann II. in Medina del Campo promulgierten Ordenamiento real beginnen königliche
Versuche der Rechtsvereinheitlichung in Kastilien. Ein besonders bedeutsames
Rechtsbuch sind die →Siete Partidas. Durch Heirat werden 1469 Kastilien
und Aragon (Katalonien) in Personalunion vereinigt. Mit der Entdeckung der
Neuen Welt (1492) erwirbt S., dessen Königin Christoph Kolumbus drei Schiffe
zur Verfügung stellt, Kolonien, wird europäische Großmacht und vertreibt
gleichzeitig die Juden. 1516 verbindet der Sohn Philipps des Schönen von
Burgund (und Enkel Kaiser Maximilians) und Johannas der Wahnsinnigen sein
spanisches Erbe mit den habsburgischen Gütern und wird als →Karl V. 1519
König (bzw. Kaiser) des Heiligen römischen Reich , doch wird innerhalb
Habsburgs schon 1521/1522/1526 wieder in zwei Linien (Spanien und Österreich)
geteilt, wobei die über Maria von Burgund an Habsburg gelangten Niederlande an
die spanische Linie gegeben werden, von deren Herrschaft sich der Norden in
einem langen Freiheitskampf löst. 1561 wird Madrid Hauptstadt Spaniens. Wenig
später (1588 Sieg Englands über die spanische Flotte) tritt S. hinter England
und Frankreich zurück. Beim Aussterben der spanischen Linie des habsburgischen
Hauses (Karl II. 1700/1701) gelangt S. in einem Erbfolgekrieg an die
→Bourbonen, doch erhält Habsburg Güter in Italien (Lombardei) und in den
(südlichen) Niederlanden (Belgien). Von den Bourbonen versucht Philipp V. den
Aufbau eines einheitlichen Staates nach dem Vorbild Frankreichs unter
(teilweise gelungener) Aufhebung der regionalen Rechte und Einteilung des
Landes in Provinzen (Navarra und das Baskenland behalten ihre Sonderrechte).
Die Verfassung von Cadiz von 1812 und die Verfasung vom 30. 6. 1876 verstärken
diese Entwicklung noch. Von 1873 bis 1875 wird S. erstmals Republik, von 1931
bis 1936/1939 zum zweitenmal. Das spanische Recht wird im 19. Jh. nach
französischem Vorbild in Gesetzbüchern geregelt (liberaler Codigo penal von
1822 von kurzer Dauer aber bedeutsamen Auswirkungen auf Lateinamerika, Codigo
de comercio 1829, Codigo penal 1848, Codigo civil 1888/1889, primäre Geltung
nur bezüglich allgemeiner Bestimmungen und Eherecht, im Übrigen subsidiäre
Geltung gegenüber den partikularen Rechten bzw. Foralrechten Aragóns, der
Balearen, Vizcayas, Katalaniens, Galiziens, Navarras, Álavas und der
Estremadura [fuero de Baylío]). Von 1936 bis 1977 wird S. von der 1933 von J.
A. Primo de Rivera gegründeten, vom Faschismus Italiens beeinflussten Partei
Falange unter General Francisco Franco [† 1975) beherrscht (Juli 1936
Militärputsch gegen die Regierung, Bürgerkrieg, 1939 Sieg der Nationalkonservativen
über Republikaner). Danach beginnt unter dem König eine Demokratisierung
(1978 konstitutionelle Monarchie) Spanien wird Mitglied der nordatlantischen
Verteidigungsorganisation und der Europäischen Gemeinschaften (1. 1. 1986). 1995
wird ein neues Strafgesetzbuch geschaffen.
Lit.: Hinojosa, E. de, El régimen señorial, 1905;
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der spanischen Rechtsquellen, 1923; Mayer, E., El antiguo derecho de
obligaciones, 1926; Mayer, E., Historia de las instituciones sociales y
politicas de España y Portugal, Bd. 1f. 1925f.; Riaza, R., El derecho Romano y
el derecho nacional en Castilla, 1929; Pérez, J., Fuentes de derecho historico
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Riaza, R./García Gallo, A., Manual de historia del derecho Español, 1935;
Altspanisch-gotische Rechte, hg. v. Wohlhaupter, E., 1936; Sánchez-Albornoz,
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Erbrecht der sogenannten Foralrechtsgebiete Spaniens, 1966; Löber, B., Das
spanische Gesellschaftsrecht im 16. Jahrhundert, Diss. jur. Freiburg im
Breisgau 1967; Kleffens, E. von, Hispanic Law, 1968; Islamische Geschichte
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derecho, 2004; Collins, R., Visigothic Spain, 2004; Straub, E., Das spanische
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the Spanish Monarchy 1640-1665, 2016; Claas, M., Der Aufstieg der Falange
Española, 2017
Sparkasse ist das Unternehmen, das Spardarlehen
annimmt und verwaltet sowie andere Bankgeschäfte betreibt. Die S. erscheint als
Idee in Frankreich 1611. Nach ähnlichen Vorläufern (Salem 1749 Waisenkasse)
wird sie am Ende des 18. Jh.s im Heiligen römischen Reich eingerichtet (Hamburg
1778, Oldenburg 1786, Kiel 1796). Gesetzliche Regeln werden seit 1838 erlassen
(Preußen). Seit dem Ende des 19. Jh.s erfolgen Zusammenschlüsse der mehreren
hundert Sparkassen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Malchus, C. v., Die Sparkassen
in Europa, 1838; Trende, A., Geschichte der deutschen Sparkassen, 1957; Huter,
F., Geschichte der Sparkasse der Stadt Innsbruck 1822-1958, 1962; Wysocki, J.,
Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der deutschen Sparkassen,
1980; Weber, W., Die Entwicklung der Sparkassen, 1985; Pohl, H., Die
rheinischen Sparkassen, 2001
Sparta
Lit.: Clauss, M., Sparta, 1983; Cartledge,
P./Spawforth, A., Hellenistic and Roman Sparta, 1992; Link, S., Der Kosmos
Sparta, 1994; Thommen, L., Lake daimonion politeia, 1996; Baltrusch, E.,
Sparta, 1998; Meier, M., Aristokraten und Damoden, 1998; Sparta, hg. v.
Hodkinson, S. u. a., 1999; Dreher, M., Athen und Sparta, 2001; Schulz, R.,
Athen und Sparta, 2003, 3. A. 2010, 4. A. 2011; Thommen, L., Sparta, 2003,
Luther, A., Könige und Ephoren, 2004; Welwei, K., Sparta, 2004; Das frühe
Sparta, hg. v. Luther, A. u. a., 2006>; Ducat, J., Spartan Education, 2006;
Giannopoulos, S., Griechischer Stadtstaat und hegemoniale Monarchie, 2011;
Bernhardt, R., Sparta und die Genese des politischen Freiheitsbegriffs, HZ 298
(2014), 197; Thommen, L., Die Wirtschaft Spartas, 2014; Blank, T., Logos und
Praxis, 2014; Das antike Sparta, hg. v. Pothou, V./Powell, A., 2017
Spätantike ist das ausgehende Altertum vom 3.
bis zum 6. Jh. Umstritten ist das Fortleben antiker Einrichtungen im →Mittelalter.
→Kontinuität
Lit.: Köbler, DRG 50; Seeck, O., Geschichte des
Untergangs der antiken Welt, 4. A. 1921, Neudruck 2000; Martin, J., Spätantike
und Völkerwanderung, 3. A. 1995; Demandt, A., Geschichte der Spätantike, 1998,
2. A. 2008; Henning, D., Periclitans res publica, 1999; Laniado, A., Recherches
sur les notables municipaux dans l’empire protobyzantin, 2002; Le
trasformazioni delle élites in età tardoantica, hg. v. Testa, R. L., 2006;
Dinzelbacher, P. u. a., Europa in der Spätantike 300-600, 2007; König, I., Die
Spätantike, 2007; The Oxford Handbook of Late Antiquity, hg. v. Johnson, S.,
2012; Pfelschifter, R., Die Spätantike, 2014; Meier, M., Spätantike, HZ 304
(2017) 686
Spätmittelalter ist das ausgehende Mittelalter vom
13. Jh. (Interregnum 1254-1273) bis zum 15. Jh. (Entdeckung der Neuen Welt
1492).
Lit.: Köbler, DRG 93; Das 14. Jahrhundert, hg. v.
Buckl, W., 1995; Meuthen, E., Das 15. Jahrhundert, 3. A. 1996, 5. A. 2012;
Dirlmeier, U. u. a., Europa im Spätmittelalter 1215-1378, 2003; Signori, G.,
Das 13. Jahrhundert, 2007; Schneidmüller, B., Grenzerfahrung und monarchische
Ordnung, 2011
SPD (→Sozialdemokratische Partei Deutschlands)
species (lat. [F.]) Art in Gegensatz zu genus (lat.
[N.]) Gattung
specificatio (lat. [F.]) Verarbeitung
speculum (N.) Spiegel (als Buchtitel z. B.
schon Speculum quis ignorat Augustinus‘ 354-430, Radulfi Ardentis speculum
universale wohl zwischen 1193 und 1215 an unbeknntem Ort)
Lit.: Grabes, H., Speculum, 1973; Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 415; Radulfi
Ardentis Speculum universale, hg. v. Heimann, C. u. a., 2011
Speculum (N.) iudiciale (lat., Gerichtsspiegel) ist das
zwischen 1276 und 1290 entstandene Rechtsbuch des französischen Geistlichen
und Modeneser Rechtslehrers Wilhelm →Durantis’ (um 1237-1296), das unter
Einbeziehung der Verfahrenswirklichkeit die gesamte geistliche
Gerichtsbarkeit ausführlich darstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 107; Durantis,
W., Speculum iudiciale, 1574, Neudruck 1975
Spedition ist die gewerbsmäßige Übernahme
der Besorgung von Güterversendungen durch Frachtführer oder Verfrachter von
Seeschiffen für Rechnung eines anderen in eigenem Namen. Sie entsteht im
Spätmittelalter. Im frühen 20. Jh. entwickeln die Spediteure erste allgemeine
Spediteurbedingungen (Berlin 1919).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 238; Rehme, P.,
Geschichte des Handelsrechts, 1913
Spee (Spee von Langenfeld), Friedrich von (Kaiserswerth 25.
2. 1591-Trier 7. 8. 1635) wird nach dem Studium der Theologie 1610 Jesuit. 1631
veröffentlicht er die (lat.) Cautio (F.) criminalis contra sagas
(Strafrechtliche Vorsicht gegenüber Hexen, Rechtliches Bedenken wegen der
Hexenprozesse), in der er sich gegen Verfahrensunrecht im →Hexenprozess
und damit vor allem die →Folter wendet. Allgemeinere Auswirkungen hat
sein Werk erst im 18. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 107; Spee, F. v., Cautio Criminalis,
deutsche Ausgabe v. Ritter, J. 1939; Zwetsloot, H., Friedrich Spee und die
Hexenprozesse, 1954; Rosenfeld, E., Friedrich Spee von Langenfeld, 1958;
Geilen, H., Die Auswirkungen der Cautio criminalis, Diss. jur. Bonn 1963;
Ritter, J., Friedrich von Spee, 1977; Sellert, W., Friedrich Spee von
Langenfeld, NJW 39 (1986), 1222; Waider, H., Miszellen über Friedrich von Spee,
FS der Rechtswissenschaftlichen Fakultät Köln, 1988, 531; Friedrich Spee, hg.
v. Franz, G., 1995; Spee, F. v., Cautio criminalis, übertragen v. Ritter, J.,
1939, 6. A. 2000
Speer
Lit.: Funk, W., Speer, Pfandschaub, Kreuz und Fahne, ZRG GA 65 (1947),
297
Spencer, Herbert (Derby 27. 4.
1820-Brighton 8. 12. 1903) ist der liberale englische Philosoph, der das
Grundprinzip universalen Geschehens in der Entwicklung zu immer besseren Formen
sieht.
Lit.: Köbler, DRG 179
Speranskij, Michail Michailovic (Tscherkutino/Wladimir
1772-St. Petersburg 23. 2. 1839) legt als engster Vertrauter des Zaren für
→Russland 1808/1809 ohne durchgreifenden Erfolg einen Vorschlag zur
Änderung der Herrschaftsverhältnisse nach englischem Vorbild vor (1810
Reichsrat). Er erreicht nach zwischenzeitlicher Verbannung nach Sibirien
(1812) die Schaffung der Gesetze des russischen Reiches (Polnoe sobranie
zakonov Rossijskoj Imperii bis 1828/1830) und die Zusammenfassung aller
geltenden russischen Gesetze (Svod zakonov 1832, 15 Bände mit 60000 Artikeln).
Damit schafft er eine wichtige Grundlage für die russische Rechtsentwicklung.
Lit.: Raeff, M., Michail Speranskij, 1957
Speyer am Rhein (kelt. Noviomagus), der
Hauptort der germanischen Nemeter, wird 614 als Bischofssitz bezeugt. Seit 1294
ist der von den →Saliern durch Privilegien ausgezeichnete Ort
→Reichsstadt. Von 1526/1527 bis 1689 beherbergt S. das
→Reichskammergericht, in der Gegenwart eine (deutsche) Verwaltungshochschule
mit Professoren der Rechtswissenschaft.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Harster, T., Das
Strafrecht, 1900; Wagner, G., Münzwesen und Hausgenossen in Speyer, 1931;
Seidel, L., Die Finanzwirtschaft der freien Reichsstadt Speyer, Diss. rer. pol.
Frankfurt am Main 1956; Voltmer, E., Reichsstadt und Herrschaft, 1981; Fouquet,
G., Das Speyerer Domkapitel, 1987; Meier, M./Welwei, K., Interpolationen in
einem Speyerer Judenprivileg?, ZRG GA 112 (1995), 408; Neumann, H., Sozialdisziplinierung
in der Reichsstadt Speyer, 1997; Ammerich, H., Kleine Geschichte der Stadt
Speyer, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10
bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (3386 Nummern); Päffgen, B., Die Speyerer
Bischofsgräber, 2010; Hattenhauer, H., Der Speyerer Freiheitsrief vom 7./14.
August 1111, Archiv für mittelrheinische KG 63 (2011), 39; Reidinger, E., 1027
– Gründung des Speyerer Domes, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 63
(201), 9 (konstruiert?); Bürger, Kleriker, Juristen – Speyer um 1400 im Spiegel
seiner Trachten, hg. v. Andermann, K., 2014; Das Reichskammergericht und
Speyer, hg. v. Kemper, J., 2014; Speyer als Hauptstadt des Reiches, hg. v.
Baumann, A. u. a., 2016; Blum, D., Multikonfesionalität im Alltag – Speyer,
2016; Baumann, A., Visitationen am Reichskammergericht - Speyer als politischer
und juristischer Aktionsraum des Reiches (1529-1588), 2018
Spezialexekution (F.) Einzelvollstreckung
Lit.: Kaser §§ 85 I, 87 I; Köbler, DRG 34
Spezialität (F.) Bezug eines dinglichen Rechtes auf
jeweils eine spezielle, individuell bestimmte Sache (körperlichen Gegenstand,
anders z. B. Generalhypothek des römischen Rechtes)
Spezialprävention ist die Verhütung von Straftaten
durch Abschreckung gegenüber einem einzelnen Straftäter. Sie ist ein
→Strafzweck (von →Grolman 1775-1829, von →Liszt 1882).
Lit.: Köbler, DRG 204, 269
Spezieskauf (M.) Stückkauf im Gegensatz zum Genuskauf
(Gattungskauf)
Sphragistik (F.) Siegelkunde
Lit.: Köbler, DRG 3
Spiegel ist die das einfallende Licht zurückwerfende Fläche,
die glatt genug ist, dass das Licht nach dem Reflexionsgesetz seine
Parallelität behält und ein Abbild entstehen kann. Ein natürlicher Spiegel ist
die ruhende Wasseroberfläche, erster künstlicher Spiel wohl die flache Schale
mit Wasser, der in der Kupfersteinzeit oder Bronzezeit (Mesopotamien um 3000 v.
Chr.) der Metallspiegel und um die Zeitenwende (Plinius) der Glasspiegel
folgen. In dem 13. Jahrhundert wird auf das Wissen in Spiegel erfasst. →speculum,
Sachsenspiegel, Deutschenspiegel, Schwabenspiegel, Fürstenspiegel,
Ritterspiegel, Klagspiegel, Laienspiegel
Lit.: Trusen, W., Die Rechtsspiegel und das
Kaiserrecht, ZRG GA 102 81985), 13; Lohrmann, D., Europas Hoffnung auf den
Brennspiegel im 13. Jahrhundert, HZ 304 (2017) 601 (stärker in den Bereich des
praktischen Nutzens fiel an dem Ende des 13. Jahrhunderts die Erfindung der
Brille)
Spiegelnde Strafe ist die Strafe, die in ihrer
Ausführung erkennbaren Bezug auf die ausgeführte Straftat nimmt (z. B. Abschlagen
der Schwurhand oder Abschneiden der Zunge des Meineidigen, Verbrennen des
Brandstifters). Ihre Herkunft ist ungewiss, ihre wirkliche Bedeutung gering.
→Talion
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964
Spiel (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
die allein aus Freude und ohne ernsthafte praktische Zielsetzung erfolgende
Tätigkeit. Rechtlich ist S. ein Vertrag, bei dem sich die Beteiligten eine
Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen versprechen, um sich zu unterhalten
und möglicherweise Gewinn zu erzielen. Bereits Tacitus berichtet vom mit
höchstem Einsatz und Gefahr für Gut und Freiheit betriebenen Würfelspiel der
Germanen. Das römische Recht unterscheidet zwischen erlaubtem und unerlaubtem
S. Mit der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird die
Forderung aus S. klaglos gestellt. Die Obrigkeit verbietet seit dem
Spätmittelalter teils das S. unter Ordnungsgesichtspunkten, teils lässt sie es
zwecks Erzielung von Einkünften (Steuern, Abgaben) unter Aufsicht zu
(Spielbank, Spielcasino).
Lit.: Hübner § 87 II; Schuster, H., Das Spiel, 1878;
Wohlhaupter, E., Zur Rechtsgeschichte des Spieles in Spanien, Spanische
Forschungen 3 (1931), 92; Hartung, W., Die Spielleute, 1982; Endrei, W., Spiel
und Unterhaltung im alten Europa, 1986; Duderstadt, D., Spiel, Wette und
Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB) in der Rechtsprechung des Reichsgerichts,
2007; Volles Risiko! Glücksspiel von der Antike bis heute, 2008; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Lacina, H., Die Spielleute nach spätmittelalterlichen deutschen Rechtsquellen,
2010; Stauß, T., Frühe Spielwelten, 2014
Spießbürger ist der nur mit dem eigenen Spieß
bewaffnete einfache →Bürger.
Spießrecht
Lit.: Bonin, B. v., Das Spießrecht in der Theorie des 17. und 18.
Jahrhunderts, ZRG GA 25 (1904), 52
Spießrutenlaufen ist das Laufen eines Menschen (z.
B. Fahnenflüchtigen) zwischen zwei Reihen von mit Spießen oder spitzen Ruten
bewaffneten Menschen zwecks Demütigung oder Züchtigung. Es ist im Altertum wie
in der frühen Neuzeit bekannt. Es führt als Folge des menschlichen Wesens
vielfach zum Tod des Läufers.
Lit.: Franz, G., Ursprung und Brauchtum der
Landsknechte, MIÖG 61 (1953), 79; Möller, H., Das Regiment der Landsknechte,
1976
Spindel (F.) Spinngerät
Spindelmage (F.) weibliche Verwandte
Lit.: Hübner §§ 106, 11; Kroeschell, DRG 1; Schröder,
R., Über die Bezeichnung der Spindelmagen, ZRG GA 4 (1883), 1
Spinoza, Benedictus (Baruch) de (Amsterdam
24. 11. 1632-Den Haag 21. 2. 1677), portugiesisch-jüdischer Kaufmannssohn,
wird nach der geistigen Lösung vom Judentum (1656) Linsenschleifer und
Philosoph. Er geht von der Identität Gottes mit der Natur aus, lässt den
Menschen glückselig sein, der allein nach der Notwendigkeit seiner vernünftigen
Natur lebt, hält die Demokratie für den besten Staatszustand und stellt das
Naturrecht nach geometrischer Methode dar. Am Ende des 18. Jh.s werden diese
Vorstellungen vielfach aufgegriffen.
Lit.: Dunin Borkowski, S. v., Spinoza, Bd. 1ff. 1933;
Steffen, H., Recht und Staat im System Spinozas, 1968; Hong, H., Spinoza und
die deutsche Philosophie, 1988; Senn, M., Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft,
1991; Ethik, Recht und Politik bei Spinoza, hg. v. Senn, M. u. a., 2001; Senn,
M., Vom Recht der großen und kleinen Fische, (in) Recht, Moral und Faktizität,
2008, 201; Naturalismus und Demokratie, hg. v. Bartuschat, W. u. a., 2014
Spionage
Lit.: Thiemrodt, I., Strafjustiz und DDR-Spionage, 2000; Strafjustiz
und DDR-Unrecht, hg. v. Marxen, K. u. a., Bd. 4 Spionage, 2004, Neudruck 2012
spiritualis (lat.) geistlich (in Gegensatz zu
[lat.] temporalis, zeitlich bzw. weltlich)
Spital (zu lat. hospitalis) oder Hospital
ist das Haus zur Beherbergung von Fremden, Kranken, Alten und Armen. Es
entsteht im ausgehenden Altertum. Im Mittelalter geht das S. zunächst auf die
Kirche zurück (Abtei, Kloster, Domspital). Seit dem Hochmittelalter kommen
ritterliche und andere Orden, seit dem ausgehenden Mittelalter auch reiche Bürger
als Gründer hinzu (z. B. Johann Twente 1339 in Osnabrück). Das S. wird als
eigene Verbandsperson eingeordnet. In der Renaissance entsteht im Hospital
eine hauptberufliche Betreuung für Patienten auf dem jeweiligen medizinischen
Wissensstand. Seit dem 18. Jh. wird das allgemeine S. durch besondere Einrichtungen
(z. B. Krankenhaus) abgelöst.
Lit.: Reicke, S., Das deutsche Spital und sein Recht,
Bd. 1f. 1932, Neudruck 1970; Imbert, J., Les hopitaux en droit canonique, 1947;
Nasalli Rocca, E., Il diritto ospedaliero, 1956; Tierney, B., Medieval poor
law, 1959; Berger, W., Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg, 1972; Wendehorst,
A., Das Juliusspital in Würzburg, 1976; Kolb, P., Die Juliusspital-Stiftung zu
Rothenfels, 1985; Jetter, D., Das europäische Hospital, 1986; Macht der
Barmherzigkeit. Lebenswelt Spital, hg. v. Schmauder, A., 2000; Funktions- und
Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Matheus, M., 2003;
Drossbach, G., Christliche caritas als Rechtsinstitut, 2004; Watzka, C., Vom
Hospital zum Krankenhaus, 2005; Pauly, M., Peregrinorum, pauperum ac aliorum
transeuntium receptaculum, 2007 (528 Hospitäler in 353 Orten); Sozialgeschichte
mittelalterlicher Hospitäler, hg. v. Bulst, N. u. a., 2007; Hospitäler in
Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. Drossbach, G., 2007; Hensel-Grobe, M.,
Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues, 2007; Europäisches Spitalwesen, hg. v.
Scheutz, M. u. a., 2008; Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in
Mittelalter und früher Neuzeit, hg. v. v. Scheutz, M. u. a., 2010; Spitzer, I.,
Kirchliches Spitalwesen in Österreich, 2010; Wirtz, T., Hospital und Hypothek,
2013; Henderson, J., Das Spital im Florenz der Renaissance, 2014; Quellen zur
Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500-1650, bearb. v. Bergerhausen, H.,
2014; Scheutz, M., u. a., Spital als Lebensform, 2015
Split (Aspalathos) an der Adria entsteht
um einen von Kaiser Diokletian im späten 3. Jh. n. Chr. errichteten Palast. Im
6. Jh. wird es Sitz eines Erzbischofs. 1396 erhält es eine Universität, die
1974 erneuert wird. Über Venedig (1420-1497) kommt es an Österreich, 1918 zu
Jugoslawien.
Lit.: Steindorff, L., Die dalmatischen Städte, 1984;
Dusa, J., The Medieval Dalmatian Episcopal Cities, 1991
Spolienrecht →ius spolii
Lit.: Prochnow, F., Das Spolienrecht, 1919; Kaps, J.,
Das Testamentsrecht, 1958; Schrader, E., Bemerkungen zum Spolien- und
Regalienrecht der deutschen Könige im Mittelalter, ZRG GA 84 (1967), 128
Sponsalia (lat. N.Pl.)
ist seit dem altrömischen Recht das →Verlöbnis. Später wird unter (lat.)
sponsalia de futuro (bezüglich der Zukunft) das Verlöbnis, unter sponsalia de
praesenti (bezüglich der Gegenwart) die Eheschließung verstanden
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22
Sponsio (lat. F.)
ist seit dem altrömischen Recht das Versprechen (Gelöbnis) oder die daraus
entstehende Verpflichtung. Von hier aus wird die s. eine der drei Formen der
→Bürgschaft. Auf ein Vertragsangebot (lat.) spondesne (versprichst du?)
wird die Antwort (lat.) spondeo (ich verspreche) gegeben.
Lit.: Kaser §§ 7 III, 32 II, 57 II, 58 III; Söllner §§
8, 9, 18, 24; Köbler, DRG 27, 44, 63
Sport ist die um ihrer selbst willen, zur Stärkung der
Gesundheit oder aus Interesse am körperlichen Wettkampf ausgeübte körperliche
Tätigkeit. Der S. ist bereits im Altertum bedeutsam (z. B. Olympia). Im Ersten
Weltkrieg setzt sich die aus England stammende Sportidee gegen das deutsche
Turnen durch. Wirtschaftliches Gewicht erlangt der S. seit der Professionalisierung
in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s, mit der er auch stärker verrechtlicht wird.
Lit.: Decker, W., Sport in der griechischen Antike, 1995, 2. A. 1012;
Newby, Z., Greek Athletics in the Roman World, 2005; Oswald, R.,
„Fußball-Volksgemeinschaft“, 2008; Tauber, P., Vom Schützengraben auf den
grünen Rasen, 2008; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland, Wir gegen uns - Sport im geteilten Deutschland, 2010; Hilpert, H.,
Die Geschichte des Sportrechts, 2012; Geschichte des Fußballs in Deutschland
und in Europa seit 1954, hg. v. Pyta, W., 2013; Bahro, B., Der SS-Sport, 2013;
Jaser, C., Agonale Ökonomien – Städtische Sportkulturen des 15. Jahrhunderts am
Beispiel der Florentiner Palio-Pferderennen, HZ 298 (2013), 593; Baratella, N.,
Das kämpferische Subjekt, 2015; Sport ist …, hg. v. Loureda, Ó., 2016
Sprache ist die in Zeit und Raum unterschiedliche
lautliche Gestalt menschlicher Gedanken, wobei das durchschnittliche
Wortschatzwissen der Gegenwart rund 50000 Einheiten umfasst, semantisch einfach,
aber stark vernetzt und zwischen lautlichem Ausdruck und Inhalt (Bedeutung)
nur lose verbunden ist. Das →Recht kann am ehesten über Sprache wirken.
Die an sich vergängliche Sprache kann durch →Schrift und andere
Aufzeichnungen verhältnismäßig dauerhaft gemacht werden. In der Welt bestehen
2000 rund 6500 verschiedene Sprachen (davon 1100 von den 10 Millionen
Bewohnern Neuguineas), von denen etwa 50 nur mehr einen einzigen Sprecher haben,
so dass alle zwei Wochen eine Sprache ausstirbt, während die (2015) zwölf
größten Sprachen wie (Mandarin-)Chinesisch 875 Millionen Sprecher, Hindi,
Englisch, Spanisch, Arabisch, Portugiesisch, Bengalisch, Russisch, Französisch,
Japanisch, Deutsch und Koreanisch insgesamt 3,2 Milliarden Muttersprachler und
mehr als 5,3 Milliarden Sprecher insgesamt haben (Weltsprachen Englisch,
Spanisch, Französisch, Arabisch, Portugiesisch, international bedeutsame
Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Chinesisch, Arabisch, Russisch,
Deutsch, 3,05 Milliarden Sprecher einer indogermanischen Sprache, Sprachfamilie
Niger-Kongo mit rund 1460 Einzelsprachen, Austronesisch mit rund 1150, mehr als
3000 Sprachen zusammen auf insgesamt 15 Millionen Menschen beschränkt, Baskisch
mit bis zu 33000 möglichen Verbformen).
Lit.: Köbler, DRG 9; Köbler, LAW; Köbler, WAS;
Günther, L. Recht und Sprache, 1898; Kalb, W., Wegweiser in die römische
Rechtssprache, 1912, Neudruck 1961; Günther, L., Die deutsche Gaunersprache,
1919; Zaunmüller, W., Bibliographisches Handbuch der Sprachwörterbücher, 1958
(5500 Wörterbücher zwischen 1460 und 1958 in mehr als 500 Sprachen); Löfstedt,
B., Studien über die Sprache der langobardischen Gesetze, 1961; Sonderegger,
S., Die Sprache des Rechts im Germanischen, Schweiz. Monatshefte 42 (1962),
259; Schmitt, L., Entstehung und Struktur der neuhochdeutschen Schriftsprache,
Bd. 1 1966; Baier, D., Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Wörterbuch
der mittelhochdeutschen Urkundensprache, Bd. 1ff. 1986ff.; Vollmann-Profe, G.,
Wiederbeginn volkssprachiger Schriftlichkeit, 1986; Sprache und Recht (FS
Schmidt-Wiegand, Ruth), hg. v. Hauck, K. u. a., 1986; Hattenhauer, H., Zur
Geschichte der deutschen Rechts- und Gesetzessprache, 1987; Germanische Rest-
und Trümmersprachen, hg. v. Beck, H., 1989; Sprache, Recht, Geschichte, hg. v.
Eckert, J. u. a., 1991; Stammesrecht und
Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991; Lyons, J., Die
Sprache, 4. A. 1992; Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenschaft des
18. Jahrhunderts, hg. v. Brekle, H., Bd. 1ff. 1992ff.; Beiträge zum
Sprachkontakt und zu den Urkundensprachen zwischen Maas und Rhein, hg. v.
Gärtner, K. u. a., 1995; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995;
Lyons, J., Einführung in die moderne Linguistik, 8. A. 1995; Schmidt, W.,
Geschichte der deutschen Sprache, 9. A. 2004; Lexicon grammaticorum, hg. v.
Stammerjohann, H., 1996; Bodmer, F., Die Sprachen der Welt, 1997; Görgen, A.,
Rechtsgrenzen folgen Sprachgrenzen, ZRG GA 115 (1998), 388; Recht und Sprache
in der deutschen Aufklärung, hg. v. Kronauer, U. u. a., 2001; Lohaus, M., Recht
und Sprache in Österreich und Deutschland, 2000; Crystal, D., Language Death,
2000; Haarmann, H., Kleines Lexikon der Sprachen, 2001; Haarmann, H., Lexikon
der untergegangenen Sprachen, 2002; Görgen, A., Rechtssprache in der frühen
Neuzeit, 2002; Geschichte der deutschen Sprache, bearb. v. Langner, H. u. a.,
9. A. 2004; Kuckenburg, M., Wer sprach das erste Wort?, 2004, 2. A. 2010, 3. A.
2016; Deisler, D., Die entnazifizierte Sprache, 2. A. 2006; Bergmann, R. u. a.,
Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft, 5. A. 2010; Appenzeller, G.,
Das Niedersächsische Wörterbuch, 2011, http://www.koeblergerhard.de/wikiling;
Sprache - Recht - Gesellschaft, hg. v. Bäcker, C. u. a., 2012; Sprache(n) als
europäisches Kulturgut, hg. v. Schmidt-Hahn, C., 2012; Sprache und Recht –
Kolumnen aus der österreichischen Juristenzeitung, 2014; Stockhammer, Robert,
Grammatik, 2014; Evans, N., Wenn Sprachen sterben, 2014; Oßwald, K., Grundzüge
einer Frequenzanalyse des althochdeutschen Wortschatzes, 2015; Kausen, E., Die
Sprachfamilien der Welt, Bd. 1f. 2015; Schmid, H., Historische deutsche
Fachsprachen, 2015; Luth, J., Semantische Kämpfe im Recht, 2015; Wunderlich,
D., Sprachen der Welt, 2015; Metzler Lexikon Sprache, hg. v. Glück, H., 2016
(rund 5000) Einträge); Ernst Kausen erzählt die Sprachen der Welt, 2016 (4 CD);
Breitling, A., Weltgestaltung durch Sprache, 2017
Sprichwort →Rechtssprichwort
Lit.: Röhrich, L./Mieder, W., Sprichwort, 1977;
Thesaurus proverbiorum medii aevi, begr. v. Singer, S., Bd. 1ff. Bd. 6
(heilig-Kerker) 1998
Spruch (M.) Urteil
Spruchkollegium ist das für ein Urteil zuständige
Kollegium (z. B. juristische Fakultät seit dem 14. Jh., verstärkt im Rahmen
der →Aktenversendung vom 16. bis 19. Jh.).
Lit.: Buchda, G., Die Spruchtätigkeit der hallischen
Juristenfakultät, ZRG GA 62 (1942).; Klugkist, E., Die Göttinger
Juristenfakultät, Diss. jur. Göttingen 1951 masch.schr.; Haalck, J., Die
Rostocker Juristenfakultät, (in) Wiss. Z. d. Univ. Rostock 8 (1958/9); Haalck,
J., Zur Spruchpraxis der Juristenfakultät Frankfurt (Oder), FS R. Lehmann,
1958; Jammers, A., Die Heidelberger Juristenfakultät, 1969; Weiß, R., Aus der
Spruchtätigkeit der alten Juristenfakultät zu Kiel, Diss. jur. Kiel 1965;
Schott, C., Rat und Spruch der Juristenfakultät Freiburg im Breisgau, 1965;
Pätzold, G., Die Marburger Juristenfakultät, 1966; Gehring, H., Das Lehrzuchtverfahren
in der evangelischen Kirche, Diss. jur. Göttingen, 1968, Schikora, A., Die
Spruchpraxis an der Juristenfakultät zu Helmstedt, 1972; Schildt, B., Die
Spruchtätigkeit der hallischen Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg
1980 masch.schr.; Lück, H., Die Spruchtätigkeit der Wittenberger
Juristenfakultät, Diss. jur. Halle-Wittenberg 1982 masch.schr.
Spurfolge ist die Verfolgung der Spuren eines
Diebes im älteren Recht. Im fränkischen Recht ist S. nur in einer Frist von 3
Nächten zulässig. Die S. erlaubt, wenn die Spur in ein Haus führt, dessen
Durchsuchung.
Lit.: Söllner § 8; Kroeschell, DRG 1; Rauch, K.,
Spurfolge und Anefang, 1908; Goldmann, E., Tertia manus und Intertiation, ZRG
GA 39 (1918), 145, 40 (1919), 199; Rauch, K., Spurfolge und Dritthandverfahren,
ZRG GA 68 (1951), 1; Vec. M., Die Spur des Täters, 2002
SS (Schutzstaffel) (1925 von Adolf Hitler nach seiner
Haftentlassung für Freiwillige begründet, anfangs unter SA-Führung, 1929 280
Mann stark, Heinrich Himmler unterstellt, Ende 1930 3000-4000, zeitweilig
400000, 1939 mehr als 200000 Mitglieder, etwa 90 Prozent allgemeine SS,
herkunftsmäßig gut der Gesamtbevölkerung entsprechend und 1945 dementsprechend
leicht eingegliedert, geschätzt 400000 Deutsche, 500000 Volksdeutsche und
Ausländer in der Waffen-SS)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kogon, E., Der SS-Staat,
1946; Wegner, B., Hitlers Politische Soldaten, 6. A. 1999; Schulte, J.,
Zwangsarbeit und Vernichtung – Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Syndor,
C., Soldaten des Todes, 2002; Dierker, W., Himmlers Glaubenskrieger, 2003; Die
SS, hg. v. Smelser, R. u. a., 2. A. 2003; Schwan, H./Heindrichs, H., Der
SS-Mann – Josef Blösche, 2003; Kaienburg, H., Die Wirtschaft der SS, 2003;
Bidigarai Diehl, P., Macht – Mythos – Utopie, 2004; Cüppers, M., Wegbereiter
der Shoa, 2005; Schneider, C., Die SS und „das Recht“, 2005; Longerich, P.,
Heinrich Himmler, 2008; Die SS, Himmler und die Wewelsburg, hg. v. Schulte, J.,
2009; Rohrkamp, R., Weltanschaulich gefestigte Kämpfer, 2010; Rothländer, C.,
Die Anfänge der Wiener SS, 2012; Hein, B., Elite für Volk und Führer?, 2012;
The Waffen-SS A European History, hg. v. Böhler, J. u. a., 2017Kuppel, D., „Das
Echo unserer Taten“, 2019
Staat ist die auf Dauer berechnete Zusammenfassung
einer Anzahl von Menschen (Staatsvolk) auf einem bestimmten Teil der
Erdoberfläche (Staatsgebiet) unter Regelung aller für deren gemeinschaftliches
Leben notwendigen Belange durch einen innerhalb der Gemeinschaft obersten
Willensträger (Staatsgewalt), sofern sich die von diesem Willensträger
aufgestellte Ordnung tatsächlich durchgesetzt hat und keinem völkerrechtswidrigen
Zweck dient. Als S. wird bereits der Stadtstaat des Altertums eingeordnet
(Athen, Rom). Im Übrigen entsteht der S. wohl erst seit dem Spätmittelalter. Er
erzielt Einkünfte zunächst vor allem aus seinen Gütern, dann zunehmend auch
durch Steuern. Er ist Verbandsperson bzw. seit dem 19. Jh. →juristische
Person des öffentlichen Rechtes. Durch Verdichtung der Herrschaft steigert der
→Souveränität beanspruchende S. seine Machtausübung in der frühen Neuzeit
zum →Absolutismus. Hiergegen wenden sich aufgeklärte Philosophen, deren
Gedanken seit der →französischen Revolution zum (theoretischen) Übergang
der Staatsgewalt auf das Volk (→Volkssouveränität) und zur Teilung der
Staatsgewalt unter verschiedenen Staatsorganen (→Gewaltenteilung)
führen. Dennoch wächst die Macht des von Wilhelm Albrecht 1837 erstmals als
juristische Person eingeordneten Staates und die Gefahr ihres Missbrauches
durch jeweilige Amtsträger unaufhörlich. Die formelle →Verfassung (1776)
vermag sie nicht in jedem Fall zuverlässig zu begrenzen. Die beste Sicherheit
bietet die allgemeine Anerkennung inhaltlich rechtstreuer Gesinnung. Dies ist
um so wichtiger, je mehr sich der S. aufbläht (im Deutschen Reich 1925 fast
2000000 Beschäftigte = 5,6 Prozent aller Erwerbstätigen, 8,4 % der abhängigen
Erwerbstätigen, Anteil der gesamten öffentlichen Wirtschaft am Volkseinkommen
rund 10 Prozent). Zwischen 1800 und 2000 erhöht der Staat seinen Anspruch auf
das Gesamteinkommen von etwa einem Zehntel auf etwa die Hälfte, wobei um 1800
zwei Drittel der Staatseinkünfte für Verteidigung und Innvenverwaltung ausgegeben
werden, um 2000 für Infrastruktur, Bildung und Soziales.
Lit.: Kaser § 17 II 1a; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 111, 136, 140, 176, 248; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 1; Huber, M., Die Staatensuccession, 1898, Neudruck
2013; Redslob, R., Die Staatstheorien der französischen Nationalversammlung von
1789, 1912; Below, G. v., Der deutsche Staat des Mittelalters, 1914; Fehr, H.,
Die Staatsauffassung Eikes von Repgow 37 (1916), 131; Fleiner, F., Entstehung
und Wandlung moderner Staatstheorien in der Schweiz, 1916; Keutgen, F., Der
deutsche Staat des Mittelalters, 1918; Der deutsche Staatsgedanke,
zusammengestellt v. Joachimsen, P., 1921, Neudruck 1967; Goebel, J., The
equality of States, 1923; Weimann, K., Der Staat des deutschen Mittelalters,
1925; Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat
und Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Schulte, A., Der deutsche Staat, 1933;
Mayer, T., Die Entstehung des „modernen“ Staates im Mittelalter und die freien
Bauern, ZRG GA 57 (1937), 210; Waas, A., Herrschaft und Staat im deutschen
Frühmittelalter, 1938; Mitteis, H., Der Staat des hohen Mittelalters, 1940, 11.
A. 1987; Stolz, O., Das Wesen des Staates im deutschen Mittelalter, ZRG GA 61
(1941), 234; Jantke, C., Preußen, Friedrich der Große und Goethe in der
Geschichte des deutschen Staatsgedankens, 1941; Lemke, W., Entwicklung des deutschen
Staatsgedankens bei Friedrich Nietzsche, 1941; Heydte, F. Frhr. v. d., Die
Geburtsstunde des souveränen Staates, 1952; Vaccari, P., Stato e classi nel
paesi Europei, 1957; Häfelin, U., Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959;
Brunner, O., Land und Herrschaft, 5. A. 1965; Suerbaum, W., Vom antiken zum
frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, 2. A. 1970; Hofmann, H., Adelige Herrschaft und souveräner
Staat, 1962; Kudrna,
J., Stát a společnost na úsvitě italské renesance (Staat und
Gesellschaft am Vorabend der italienischen Renaissance), 1964; Willi, H., Die
Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964 (Diss. jur. Bern 1954); Willi,
H., Die Staatsauffassung Edmund Burkes (1729-1797), 1964; Koerber, E. v., Die
Staatstheorie des Erasmus von Rotterdam, 1967; Hauser, S., Untersuchungen zum
semantischen Feld der Staatsbegriffe, Diss. phil. Zürich 1967; Entrèves, A.
Passerin d’, The Notion of the State, 1967; Mager, W., Zur Entstehung des
modernen Staatsbegriffs, 1968; Broszat, M., Der Staat Hitlers, 11. A. 1986;
Weinacht, P., Staat, 1968; Quaritsch, H., Staat und Souveränität 1, 1970;
Conrad, H., Der deutsche Staat, 2. A. 1974; Hanisch, W., Der deutsche Staat
König Wenzels, ZRG GA 92 (1975), 21; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Strayer, J., Die mittelalterlichen Grundlagen des
modernen Staates, 1975; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995;
Struve,
T., Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter, 1978;
Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Ogris, W., Recht
und Staat bei Maria Theresia, ZRG GA 98 (1981), 1; Adomeit, K., Antike Denker
über den Staat, 1982; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch, J., 1982;
Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, 1984;
Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Stollberg-Rilinger, B., Der Staat als
Maschine, 1986; Grimm, D., Recht und Staat der bürgerlichen Gesellschaft, 1987;
Renaissance du pouvoir législatif et génèse de l´État, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1988; Breuer, Der archaische Staat, 1990; Stichweh, R., Der frühmoderne Staat,
1991; Conquest and Coalescence, hg. v. Greengrass, M., 1991; Demel, W., Vom
aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, 1993, 2. A.
2010; Schulze, H., Staat und Nation, 1994; Staatsaufgaben, hg. v. Grimm, D.,
1994; Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 10. A. 2003; Demandt, A.,
Antike Staatsformen, 1995; Truhart. P., Historical Dictionary of States -
Lexikon der historischen Staatsnamen, 1995; Zippelius, R., Staat und Kirche,
1997; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herzog, R., Staaten der Frühzeit, 2.
A. 1998; Hillgruber, C., Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft,
1998; Leuthäusser, W., Die Entwicklung staatlich organisierter Herrschaft,
1998; Staatliche Vereinigung, hg. v. Brauneder, W., 1998; Jost, E., Staatsschutzgesetzgebung,
1998; Identità territoriali e cultura politica nella età moderna. Territoriale
Identität und politische Kultur in der frühen Neuzeit, hg. v. Bellabarba, M. u.
a., 2000; Reinhard, W., Verstaatlichung der Welt?, 1999; Kersting, W., Platons
„Staat“, 1999; Demandt, A., Der Idealstaat, 2000; Kahl, W., Die Staatsaufsicht,
2000; Uhlenbrock, H., Der Staat als juristische Person, 2000; Di Fabio, U., Der
Verfassungsstaat in der Weltgesellschaft, 2001; Schulz, G., Europa und der
Globus – Staaten und Imperien seit der Antike, 2001; Giannios, S., Das Werden
des Palästinenserstaats, 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe?, 2002; Roth, K., Genealogie des Staates, 2003; Maitland, F.,
State, Trust and Corporation, ed. by Runciman, D. u. a., 2003; Staatsformen,
hg. v. Gallus, A. u. a., 2004, 2. A. 2007; Schulze, H., Staat und Nation in der
europäischen Geschichte, 2004; Staatsformen, hg. v. Gallus, A. u. a., 2004; Das
Wissen des Staates, hg. v. Collin, P. u. a., 2004; Rösler, J., Der Ursprung des
Staates, 2004; Staatsbildung als kultureller Prozess, hg. v. Asch, R. u. a.,
2005; Figurationen des Staates, hg. v. Chatriot, A. u. a., 2005; Statehood
before and beyond Ethnicity, hg. v. Eriksonas, L. u. a., 2005; Zusammengesetzte
Staatlichkeit in der europäischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Becker, H.,
2006; Vom Feld, I., Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Politeia -
staatliche Verfasstheit bei Platon, hg. v. Nitschke, P., 2008; Der
frühmittelalterliche Staat, hg. v. Pohl, W., 2009; Blanke-Kießling, U., …
dieser Staat ist nicht mein Staat … 2009 (Tucholsky)Lei, Y., Auf der Suche nach
dem modernen Staat, 2010; Handbuch Staatsdenker, hg. v. Voigt, R. u. a., 2010;
Demel, W., Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus,
1993, 2. A. 2010; Marquardt, B., Universalgeschichte des Staates, 2009; John
Stuart Mill und der sozialliberale Staatsbegriff, hg. v. Höntzsch, F., 2011;
Globale Rivalitäten, hg. v. Birnk, T. ten, 2011; Pauka, M., Kultur, Fortschritt
und Reziprozität, 2012; Heimbeck, L., Die Abwicklung von Staatsbankrotten im
Völkerrecht, 2013; Staat und Ordnung im konservativen Denken, hg. v. Großgeim,
M. u. a., 2013; The Oxford Handbook of the State in the Ancient Near East and
Mediterranean, hg. v. Bang, P. u. a., 2013; Breuer, S., Der charismatische
Staat, 2014; Der moderne Staat und le doux commerce – Politik, Ökonomie und
politische Beziehungen im politischen Denken der Aufklärung, hg. v. Asbach, O.,
2014; Weinacht, P., Staat- Staatsräson – Staatsbürger, 2014; Siep, L., Der
Staat als irdischer Gott, 2015; Hirsch/Kannankulam/Wissel, Der Staat der
bürgerlichen Gesellschaft, 2015; Dillon, C., Dachau & the SS – A Schooling
in Violence, 2015; Hein, S., Die SS, 2015; Staatsdenken – Zum Stand der
Staatstheorie heute, hg. v. Voigt, R., 2016; Vom Vorrücken des Staates in die
Fläche, hg. v. Ganzenmüller, J u. a., 2016; Lehnhardt, J., Die Waffen-SS, 2017;
Gespräche über den Staat, hg. v. Schliesky, Utz, 2017.
Staatenbund ist der vertraglich vereinbarte
Bund mehrerer souverän bleibender Staaten (z. B. Vereinigte →Niederlande
1579-1795, →Rheinbund 1806-1813, →Deutscher Bund 1815,
→Schweiz 1815-1848, Staatengemeinschaft oder Staatenverbund
→Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union 1952 bzw. 1993). Der
S. ist kein Staat und kein Völkerrechtssubjekt. Rechtssätze (des Staatenbunds)
erlangen in den Staaten grundsätzlich nur durch Umsetzung (Transformation)
Geltung.
Lit.: Ebers, G., Die Lehre vom Staatenbunde, 1910,
Neudruck 1966; Politz, C., Die Verfassung des deutschen Staatenbundes, Bd. 1f.
1847; Müller-Kinet, H., Die höchste Gerichtsbarkeit im deutschen Staatenbund,
1975; Kuschnick, M., Integration in Staatenverbindungen, 1999
Staatenhaus ist die Vertretung der Staaten in
der Verfassung des geplanten →Deutschen Reiches von 1848. Das S. besteht
aus 192 von den Regierungen und den Parlamenten der Einzelstaaten ausgewählten
Mitgliedern.
Lit.: Köbler, DRG 194
Staatsangehörigkeit ist die Mitgliedschaft eines
Menschen in einem Staat. Sie erscheint nach älteren frühneuzeitlichen
Vorläufern in Frankreich 1791, im Heiligen römischen Reich nach 1800. Seitdem wird sie im Gefolge des
Code Napoléon (Art. 9-21) (1804) Frankreichs meist gesetzlich besonders
geregelt (z. B. [§§ 28ff. ABGB Österreichs von 1811,] Preußen 1842, Deutsches
Reich 1870, 1913 Übergang vom Territorialgrundsatz zum Abstammungsprinzip, am
Beginn des 21. Jh.s aus Mangel an Beitragszahlern zur Sozialversicherung für
Zuwanderer gelockert).
Lit.: Zenthöfer, E., Zur Geschichte des Begriffs der
Staatsangehörigkeit, Diss. jur. Königsberg 1938; Vanel, M., Histoire de la
nationalité française, 1945; Grawert, R., Staat und Staatsangehörigkeit, 1973;
Hecker, H., Staatsangehörigkeit im Code Napoléon, 1980; Gosewinkel, D., Die
Staatsangehörigkeit als Institution des Nationalstaats, (in) Offene
Staatlichkeit, 1995; Ernst, A., Das Staatsangehörigkeitsrecht, Diss. jur.
Münster 1999; Gosewinkel, D., Einbürgern und ausschließen, 2001, 2. A. 2004;
Trevisiol, O., Die Einbürgerungspraxis im deutschen Reich 1871-1945, 2006
Staatsanwalt ist der Vertreter des Staates in
der Strafanklage. Der auch die ausführende Staatsgewalt gegenüber der
unabhängig werdenden Gerichtsbarkeit stärkende S. findet sich nach französischem
Vorbild (procurator des Königs als Vertreter der königlichen Interessen [z. B.
Einziehung von Geldbußen] vor Gericht 14. Jh., →ordonnance de
Villers-Cotterets von 1539, ab Ordonnanz von 1670 beherrschende Stellung im
Strafverfahren, öffentliche Partei zur Vertretung öffentlicher Interessen und
zur Kontrolle der Richter, ministère public [Dienststelle für öffentliche
Angelegenheiten], nach 1789 an Stelle der königlichen Prokuratoren vom König
ernannte, königliche Kommissare als Gesetzeswächter im Verfahren einerseits
und vom Volk gewählte öffentliche Ankläger am Gerichtshof andererseits,
Aufhebung dieser Zweiteilung durch die Jakobiner, erneute Trennung beider
Funktionen nach dem Sturz Robespierres, mit der Verfassung vom Dezember 1799
endgültige Aufhebung der Trennung von Anklagefunktion und Gesetzeswächteramt
und Verschwinden des öffentlichen Anklägers und damit Eröffnung der modernen
Staatsanwaltschaft, ministère de public 1808) seit 1810 im linksrheinischen
Rheinland. Es folgen Baden 1831/1832 (je ein Staatsanwalt bei den vier
badischen Regierungskreisen Seekreis, Oberrheinkreis, Mittelrheinkreis und
Unterrheinkreis in Meersburg, Freiburg im Breisgau, Rastatt und Mannheim),
Hannover 1841 (öffentlicher Anwalt, Kriminalfiskal Vertreter des
öffentlichen Strafverfolgungsinteresses, 1849 provisorische Staatsanwaltschaft),
Württemberg 1843 und Preußen (1. 1.) 1846 unter teilweiser Beschränkung auf
bestimmte Verfahren wie etwa Pressevergehen, 1877/1879 das Deutsche Reich
(1893 Oberreichsanwalt, 4 Reichsanwälte am Reichsgericht, 54 Staatsanwälte bei
den Oberlandesgerichten, 542 Staatsanwälte bei den Landgerichten). Das
ursprünglich für den S. geltende →Legalitätsprinzip weicht seitdem
zunehmend dem →Opportunitätsprinzip.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 202, 203, 228,
235; Sundelin, P., Die Staatsanwaltschaft in Deutschland, 1860; Elling, E., Die
Einführung der Staatsanwaltschaft, 1911, Neudruck 1977; Carsten, E., Die
Geschichte der Staatsanwaltschaft, 1932, Neudruck 1971, Carsten, E./Rautenberg,
E., Die Geschichte der Staatsanwaltschaft, 2. A. 2012, 3. A. 2015; Sättler, A.,
Die Entwicklung der französischen Staatsanwaltschaft, Diss. jur. Mainz 1956;
Schuhmacher, U., Staatsanwaltschaft und Gericht im Dritten Reich, 1985; Biebl,
W., Zur Geschichte der Staatsanwaltschaft, Bay. VwBll. 1992; Wohlers, W.,
Entstehung und Funktion der Staatsanwaltschaft, 1994; Knollmann, J., Die
Einführung der Staatsanwaltschaft, 1994; Festgabe 150 Jahre Staatsanwaltschaft
Berlin, hg. v. d. Senatsverwaltung für Justiz, 1997; Collin, P., „Wächter der
Gesetze“ oder „Organ der Staatsregierung“? Konzipierung, Einrichtung und Anleitung
der Staatsanwaltschaft, 2000; Staatsanwaltschaft, hg. v. Durand, B., 2005; Wulff-Kuckelsberg,
S., Procureurs, 2005; Lacher, A., Friedrich Oskar von Schwarze (30. 09.
1816-17. 01. 1896), Diss. jur. Würzburg 2008; Kneip, W., Die Staatsanwaltschaft
Mannheim im 19. Jahrhundert, 2010; Pragst, R-. Auf Bewährung, 2011;
Staatsanwaltschaftsrecht (1934-1982) eingeleitet und hg. v. Schubert, W., 2013 Baden 1831/1832, Hannover
1841, Württemberg 1843; Wilke, M., Staatsanwälte als Anwälte des Staates?,
2016; Bichat, T., Die Staatsanwaltschaft als rechts- und kriminalpolitische
Steuerungsinstanz im NS-Regime, 2016 (Sondergericht Köln); Kleinknecht, O., Im
Sturm der Zeiten – Aus den Erinnerungen eines württembergischen Staatsanwalts
1929 bis 1949, 2016; Vurgun, O., Sie staatsanwaltschaft beim Sondergericht
Aachen, 2017
Staatsaufsicht
Lit.: Kahl, W., Die Staatsaufsicht, 2000
Staatsbürger ist das bewusst als Bürger mit
Teilhaberecht am Staat (Staatsangehörigkeit) verstandene Mitglied eines
Staates. Der S. wird zwischen 1770 und 1789 allgemein anerkannt (in Österreich
1811 in den §§ 28ff. ABGB geregelt, 1849 einheitlich, Heimatrecht in einer Gemeinde,
1867 für Cisleithanien und Transleithanien getrennt, 1920 Bundesstaatsbürgerschaft
und Landesstaatsbürgerschaft, 1938 deutsche Staatsbürgerschaft, 1945
Bundesstaatsbürgerschaft und Landesstaatsbürgerschaft ohne besonderes Heimatrecht,
1988 einheitliche Staatsbürgerschaft Österreichs). 1919 werden im Deutschen
Reich die S. einander gleichgestellt.
Lit.: Köbler, G., Civis und ius civile, Diss. jur.
Göttingen 1964; Weinacht, P., Staatsbürger, Der Staat 8 (1969), 41; Bürger und
Bürgerlichkeit, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Reiter, I., Ausgewiesen, abgeschoben,
2000; Gosewinkel, D., Einbürgern und Ausschließen, 2001; Pütter, N., Teilnahme
und Staatsbürgertum, 2001; Fahrmeir, A., Citizenship, 2007; Fahrmeir, A., Die
moderne Staatsbürgerschaft und ihre Grenzen, HZ 286 (2008), 641; Gironda, V.,
Die Politik der Staatsbürgerschaft, 2010; Staatsbürgerschaft und Teilhabe, hg.
v. Boeckh, K. u. a., 2014
Staatsgebiet →Staat
Lit.: Stengel, E., Regnum und imperium, 1930
Staatsgerichtshof ist im 19. Jh. das Verfassungsgericht
(→Verfassungsgerichtsbarkeit) einzelner Staaten vor allem für Anklagen
gegen oberste Verwaltungsorgane wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung
(Württemberg 1819, Sachsen 1831, Bayern 1848, Kremsierer Entwurf Österreichs,
Märzverfassung Österreichs 1849, aber nicht verwirklicht und 1851 formell
wieder beseitigt, durch Gesetz vom 25. 7. 1867 wieder eingeführt, aber nie verwendet,
3. 4. 1919 Verfassungsgerichtshof [1921, 1923 und 1985 staatsgerichtliche
Verfahren durchgeführt] Sachsen-Weimar-Eisenach 1850, Oldenburg 1852, Baden
1868), 1921 für das Deutsche Reich. Im Mittelpunkt der Tätigkeit der Staatsgerichtshöfe
steht vor allem die →Ministeranklage. Nach 1945 gehen die meisten
Länder zu einem →Verfassungsgericht über.
Lit.: Scheel, M., Die Staatsgerichtshöfe der deutschen
Länder, Diss. jur. Leipzig 1931; Grund, H., Preußenschlag und
Staatsgerichtshof, 1976; Wehler, W., Der Staatsgerichtshof für das Deutsche
Reich, Diss. jur. Bonn 1979; Vetter, J., Die Bundesstaatlichkeit, 1980;
Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. v. Starck, C. u. a., 1983; Hueck, I.,
Der Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik, 1996
Staatsgewalt →Staat
Lit.: Wolzendorff, K., Staatsrecht und Naturrecht,
1916; Wenger, L., Hausgewalt und Staatsgewalt im römischen Altertum, 1942;
Mitteis, H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972;
Lieberwirth, R., Die historische Entwicklung der Theorie vom vertraglichen
Ursprung des Staates, SB. d. sächs. Akad. d. Wiss. 118, 2, 1977; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1978; Koch, B., Rechtsbegriff und
Widerstandsrecht, 1985; Reinhard, W., Geschichte der Staatsgewalt, 1999;
Weber-Fas, R., Über die Staatsgewalt, 2000; Gerstenberger, H., Die subjektlose
Gewalt, 2. A. 2006
Staatsgrundgesetz ist die Bezeichnung für ein die
Verfassung des Staates grundlegend bestimmendes Gesetz (z. B. Österreich 20.
10. 1860, 21. 12. 1867). Die 5 bzw. 6 österreichischen Staatsgrundgesetze vom
21. 12. 1867 (→Dezemberverfassung) betreffen die Reichsvertretung, die
allgemeinen Rechte der Staatsbürger, die Einsetzung eines Reichsgerichts,
die richterliche Gewalt und die Ausübung der Regierungsgewalt und Vollzugsgewalt.
Lit.: Köbler, DRG 193, 231; Baltl/Kocher; Bauer, D.,
Sprache und Recht im alten Österreich, 1983; Krech, J., Das
schleswig-holsteinische Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848, 1985
Staatshaftung ist die Haftung des Staates für den
durch staatliches Verhalten entstandenen Schaden. Sie beruht auf der bereits im
18. Jh. allgemein anerkannten Haftung des →Beamten für eine Verletzung
seiner Amtspflichten (Amtshaftung, Vorgänger Syndikatsklage gegen einen
Richter z. B. in der Reichskammergerichtsordnung von 1555) und der Haftung des
Staates als juristischer Person für ein Verhalten seiner Organe. Nach der
Mandatstheorie kann dabei wegen Überschreitung des Mandats rechtswidriges
Verhalten des Beamten dem Fürsten oder Staat nicht zugerechnet werden. Das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) setzt die Haftung des Beamten für schuldhafte
Amtspflichtverletzungen fest, das preußische Beamtenhaftungsgesetz (1909)
und das Reichsbeamtenhaftungsgesetz von 1910 lassen zum Schutz des Beamten
den Staat eintreten (in Sachsen-Altenburg bereits 1831, in
Sachsen-Coburg-Gotha bereits 1852, in Bayern 1899). Art. 131 WRV und Art. 34 GG
knüpfen an die Beamtenhaftung des § 839 BGB an, leiten die Haftung aber auf den
Staat über. Der Europäische Gerichtshof bejaht die Haftung des Staates für
europarechtswidriges Verhalten der Gesetzgebung, Ausführung und Rechtsprechung
(z. B. des Parlaments, der Verwaltung und des Verwaltungsgerichtshofs Österreichs).
Lit.: Köbler, DRG 259; Loening, E., Die Haftung des
Staates aus rechtswidrigen Handlungen seiner Beamten, 1879; Heidenhain, M.,
Amtshaftung und Entschädigung, 1965; Kohl, J., Die Lehre von der
Unrechtsfähigkeit des Staates, 1977; Henne, T., Verwaltungsrechtsschutz im
Justizstaat; Pfab, S., Staatshaftung in Deutschland, 1997; Ossenbühl, F.,
Staatshaftung, 5. A. 1998; Grzeszick, B., Rechte und Ansprüche, 2002;
Bertelmann, H., Die Europäisierung des Staatshaftungsrechts, 2005; Thompson,
D., Krieg ohne Schaden, 2015
Staatshaushalt →Haushalt
Lit.: Köbler, DRG 225, 251; Riedel, A., Der
brandenburg-preußische Staatshaushalt, 1866; Schmelzle, H., Der Staatshaushalt
des Herzogtums Bayern, 1900; Friauf, P., Der Staatshaushaltsplan, 1968; Müller,
P., Theorie und Praxis des Staatshaushaltsplans im 19. Jahrhundert, 1989;
Ullmann, H., Der deutsche Steuerstaat, 2005; Schirmer, U., Kursächsische
Staatsfinanzen (1456-1656), 2006
Staatskanzler ist in Österreich im 18. und 19. Jh. die
Amtsbezeichnung der Fürsten Kaunitz und Metternich als Leiter der Haus-, Hof-
und Staatskanzlei und von 1918 bis 1919 sowie 1945 Karl Renners.
Staatskirche ist die in einem Staat allein anerkannte
Kirche (z. B. Rom in der Spätantike, evangelische Länder des Heiligen
römischen Reiches, Großbritannien, Schweden, Spanien).
Lit.: Barceló, P., Constantius II. und seine Zeit. Die
Anfänge des Staatskirchentums, 2004
Staatskirchenrecht ist das staatliche, die Kirche
betreffende Recht. Das Wort ist erstmals im Motivenbericht zum Katholikengesetz
Österreichs 1874 verwendet. Es umfasst sachlich die Gesamtheit der staatlichen
Rechtssätze betreffend die Kirche bzw. die Religion.
Lit.: Heckel, M., Staat und Kirche, 1968; Seifert, E.,
Paul Joseph Riegger, 1973; Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, hg. v. Huber,
E. u. a., Bd. 1 1973; Winter, J., Die Wissenschaft vom Staatskirchenrecht im
Dritten Reich, 1979; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Staat und Kirche im
20. Jahrhundert, hg. v. Huber, E. u. a., Bd. 1ff. 1980ff.; Ortloff, C., Das
staatskirchenrechtliche System Wilhelm Traugott Krugs, 1998; Schneider, B.,
Ius reformandi, 2001; Ochsenfahrt, V., Die staatskirchenrechtliche Stellung
des katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, 2007; Heckel, M.,
Vom Religionskonflikt zur Ausgleichsordnung, 2007; 100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht,
hg. v. Heinig, H. u. a., 2012
Staatslehre ist der seit dem Ende des 18. Jh.s
entstehende Zweig der Rechtswissenschaft, der sich mit dem Wesen des Staates
als solchem befasst.
Lit.: Maier, H., Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre,
Neudruck 2009; Deutsche Rechtswissenschaft und Staatslehre im Spiegel der
italienischen Rechtskultur, hg. v. Schulze, R., 1990; Staatslehrer der frühen
Neuzeit, hg. v. Hammerstein, N., 1995; Trott zu Solz, L. v., Hans Peters und
der Kreisauer Kreis, 1997; Badura, P., Die Methoden der neueren allgemeinen
Staatslehre, 2. A. 1998; Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003; Rüdiger, A.,
Staatslehre und Staatsbildung, 2005; Reformierte Staatslehre in der frühen
Neuzeit, hg. v. Wall, H. de, 2014
Staatsnotstand ist die außerordentliche Gefahr für
den Bestand eines Staates. Für diesen Fall enthält das Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland seit 1968 eine Notstandsverfassung.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Ballreich, H. u. a., Das
Staatsnotrecht, 1955; Schüler-Springorum, H., Notstand im Völkerrecht, Diss.
jur. Marburg 1956 masch.schr.; Der Staatsnotstand, hg. v. Fraenkel, E., 1965;
Boldt, H., Rechtsstaat und Ausnahmezustand, 1967; Radke, K., Der Staatsnotstand
im modernen Friedensvölkerrecht, 1988; Casanova, A., Legale oder legitime Diktatur?,
2006; Rose, M., Schleiermachers Staatslehre, 2012
Staatsoberhaupt ist das an der Spitze eines Staates stehende
Staatsorgan (z. B. König, Präsident).
Lit.: Bouveret, M., Die Stellung des Staatsoberhauptes in der
parlamentarischen Diskussion und Staatsrechtslehre von 1848 bis 1918, 2003
Staatspolizei →geheime Staatspolizei
Staatsraison ist die zur Förderung des
Staatswohles erforderliche Klugheit. Die S. wird in Italien im 16. Jh.
aufgegriffen. Seit der Mitte des 18. Jh.s wird sie wegen der Nähe von Staat und
Fürst oder Staat und Partei auch kritisch gesehen.
Lit.: Meinecke, F., Die Idee der Staatsraison, 4. A.
1976; Friedrich, C., Die Staatsraison im Verfassungsstaat, 1961; Stolleis, M.,
Staatsraison, 1972; Staatsraison, hg. v. Schnur, R., 1975; Lutz, H., Ragione di
Stato, 2. A. 1976; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Thuau, E., Raison d’État, 1966; Weinacht, P., Staat, 1968; Munkler, H., Im
Namen des Staates, 1987; Voß, W., Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in)
Libertas, 1991, 301; Tieck, K., Staatsräson und Eigennutz, 1998; Staatsräson in
Deutschland, hg. v. Heydemann, G. u. a., 2003; Raison(s) d’Etat(s) en Europe,
hg. v. Krulic, B., 2010
Staatsrat ist das der Staatsleitung dienende
Beratungsorgan (z. B. Österreich 10. 12. 1760-4. 4. 1848 [1851-26. 2. 1861
Reichsrat, 26. 2. 1861-12. 6. 1868 Reichsrat, 1918-März 1919], 1934, Preußen
1808-1817, 1921-1933 [etwa 80 Mitglieder]). In der →Deutschen Demokratischen
Republik ist der S. ab 12. 9. 1960 Leitungsorgan.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.;
Baltl/Kocher; Hoch, C., Frhr. v., Der österreichische Staatsrat (1760-1848),
1879, Neudruck 1972; Hintze, O., Der österreichische Staatsrat im 16. und 17.
Jahrhundert, ZRG GA 8 (1887), 137; Schneider, H., Der preußische Staatsrat,
1952; Francksen, M., Die Institution des Staatsrates in den deutschen Staaten,
ZNR 7 (1985), 19; Bayer, H., Der Staatsrat des Freistaates Preußen, 1992;
Michel, K., Der Staatsrat, 1998; Wrage, M., Der Staatsrat im Königreich
Hannover 1839-1866, 2001; Der preußische Staatsrat 1921-1933, bearb. v. Lilla,
J., 2005
Staatsrecht ist das den Staat im allgemeinen
betreffende Recht. Dem S. geht die Reichspublizistik (Reichsstaatsrechtslehre)
voraus, die sich mit der materiellen Verfassung des Heiligen römischen Reiches
befasst (z. B. Theodor Reinkingk 1590-1664, Johannes Limnaeus 1592-1663,
Christoph Besold 1577-1638, Hermann Conring 1606-1661, Samuel Pufendorf
1632-1694, Gottfried Wilhelm Leibniz 1646-1716, Christian Thomasius 1655-1728,
Johann Jakob Moser 1701-1785 und Johann Stephan Pütter 1725-1807). Das S.
entwickelt sich mit dem Konstitutionalismus und der Trennung von Staat und
Gesellschaft im Laufe des 19. Jh.s aus dem →öffentlichen Recht. Dabei
strebt das 19. Jh. (Paul Laband) vor allem nach Verwissenschaftlichung. Als
demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik werden Hugo Preuß,
Gerhard Anschütz, Richard Thoma, Hans Kelsen und Hermann Heller hervorgehoben.
Um 1950 gibt es in Deutschland etwa 80 Hochschullehrer des Staatsrechts.
Lit.: Kaser §§ 2 II 1, 3 II, 17 II; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 143; Moser, J., Teutsches Staatsrecht, Teil 1ff. 1737ff., Neudruck
1968; Pütter, J., Litteratur des teutschen Staatsrechtes, Bd. 1ff. 1776ff.,
Neudruck 1965; Kreittmayr, W. Frhr. v., Grundriss des allgemeinen deutsch- und
bayerischen Staatsrechts, 1768; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Laband, P., Das Staatsrecht des deutschen Reiches, 1887, Bd.
1ff. 5. A. 1911ff., Neudruck 1964; Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff.
z. T. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Deutsches Staatsrecht, hg. v. Haenel, A. u.
a., 1892, 2. A. 2013; Mommsen, T., Abriss des römischen Staatsrechts, 1893,
Neudruck 2013, 2. A. 1907, Neudruck 2013; Böckenförde, E., Gesetz und
gesetzgebende Gewalt, 1958; Hoke, R., Die Reichsstaatsrechtslehre des Johannes
Limnaeus, 1968; Das Staatsrecht des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, hg. v. Wagner, W., 1968; Oertzen, P. v., Die soziale Funktion des
staatsrechtlichen Positivismus, 1974; Hoke, R., Die Emanzipation der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, Der Staat 15 (1976), 211; Wyduckel, D., Ius publicum,
1984; Rennert, K., Die „geisteswissenschaftliche Richtung“ in der
Staatsrechtslehre der Weimarer Republik, 1987; Ridder, H., Verfassungsrecht
oder Staatsrecht, Bll. f. dt. u. internat. Politik 1988, 220; Stolleis, M.,
Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff. 1988ff.; Pauly, W., Der
Methodenwandel im deutschen Spätkonstitutionalismus, 1993; Bülow, B. v., Die
Staatsrechtslehre der Nachkriegszeit, 1996; Rainer, M., Einführung in das
römische Staatsrecht, 1997; Friedrich, M., Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 1997; Becker, L., Schritte auf einer abschüssigen
Bahn, 1999; Stern, K., Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5 Die
geschichtlichen Grundlagen, 2000; Schmidt, J., Konservative Staatsrechtslehre
und Friedenspolitik, 2001; Dreier, H./Pauly, W., Die deutsche Staatsrechtslehre
in der Zeit des Nationalsozialismus, 2001; Handbuch des Staatsrechts, hg. v.
Isensee, J. u. a., 3. A. 2003; Unruh, P., Weimarer Staatsrechtslehre und
Grundgesetz, 2004; Frieder, G., Denken vom Staat her, 2004; Kremer, C., Die
Willensmacht des Staates - Die gemeindeutsche Staatsrechtslehre des Carl
Friedrich von Gerber, 2008; Kuriki, H., Beiträge zur Geschichte der deutschen
Staatsrechtswissenschaft, 2009; Gottwald, D., Fürstenrecht und Staatsrecht im
19. Jahrhundert, 2009; Die Weimarer Staatsrechtsdebatte, hg. v. Gangl, M.,
2011; Ishikawa, T., Deutschsprachige Staatsrechtslehrer, 2012; Schulze-Fielitz,
H., Staatsrechtslehre als Mikrokosmos, 2013; Staatsrechtslehrer des 20.
Jahrhunderts, hg. v. Häberle, P. u. a., 2015; Schönberger, C., Der „German
Approach, 2015; Dreier, H., Staatsrecht in Demokratie und Diktatur – Studien
zur Weimarer Republik und zum Nationalsozialismus, hg. v. Jestaedt, M. u. a.,
2016
Staatsregierung ist die politische Leitungsgewalt des
Staates (z. B. Deutschösterreich 1918, Österreich 1945, Bayern).
Staatsschutz
Lit.: Staatsschutz, hg. v. Willoweit, D., 1994; Passek, I., Die
erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberlandesgerichte in
Staatsschutzstrafsachen, 2003
Staatssekretär
Lit.: Hefty, J., Die parlamentarischen Staatssekretäre im Bund, 2005
Staatsvertrag ist der unter Staaten abgeschlossene Vertrag
(z. B. Friedensvertrag, S. betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen
und demokratischen Österreichs mit den Alliierten vom 15. 5. 1955, in Kraft am
27. 7. 1955, einzelne Bestimmungen 1990 einverständlich für obsolet erklärt).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StaatsvertragOesterreich1955.htm;
Fünfzig Jahre Staatsvertrag und Neutralität, hg. v. Olechowski, T., 2006
Staatswissenschaft ist die Wissenschaft von der
Entstehung und dem Wesen des Staates. Sie spielt im 19. Jahrhundert eine
bedeutende Rolle. Danach ist die Verbindung von S. und Rechtswissenschaft
überwiegend wieder aufgegeben.
Lit.: Schuppert, G., Staatswissenschaft, 2003
Staatsziel ist das von einem Staat angestrebte politische
Ziel (z. B. Umweltschutz). Staatszielbestimmungen begründen grundsätzlich
keine einklagbaren Ansprüche Einzelner.
Stab ist das lange dünne gerade Holzstück, das als
Rechtssymbol für Gewalt verwendet werden kann. Seit 1499 ist bezeugt, dass der
Richter über den Angeklagten den Stab bricht. Beim Stabwurf versinnbildlicht
der S. den zu übertragenden Gegenstand (z. B. Grundstück).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Moeller, E. v., Die
Rechtssitte des Stabbrechens, ZRG GA 21 (1900), 27; Amira, K. v., Der Stab in
der germanischen Rechtssymbolik, 1909; Liebermann, F., Zum Stabbrechen des
Richters, ZRG GA 41 (1920), 382; Lauffer, O., Der Büttelstab, ZRG GA 61 (1941),
252; Kocher, G., Richter und Stabübergabe im Verfahren der Weistümer, 1971;
Vorbrodt, G./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter und Stäbe, Bd. 1f. 1971;
Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Töbelmann, P., Stäbe der Macht, 2011
Stade
Lit.: Das Stader Stadtrecht vom Jahre 1279, 1950; Weise, E., Geschichte
des niedersächsischen Staatsarchivs in Stade, 1964; Ellermeyer, J., Stade
1300-1399, 1975
Stadt ist die umfangreichere, gewerbliche
Tätigkeit beherbergende, meist durch eine Mauer befestigte Siedlung mit
besonderem Stadtrecht. Die S. ist bereits dem Altertum bekannt (z. B. Çatal
Höyük in Kleinasien, etwa 6800 v. Chr., Eridu, Uruk, Athen, Rom, im römischen
Weltreich vielleicht 2000 Städte). Im Mittelalter entsteht sie vielfach auf
römischer Grundlage (Römerstadt wie Köln, Bonn, Trier, Main, Basel, Zürich,
Regensburg, Passau, Wels, Wien) wohl im 11. Jh. auf der Suche nach besseren
Lebensbedingungen unter Förderung durch den Stadtherrn (in Kenntnis von Städten
des Altertums neu) im Ausbau vorhandener Siedlungen oder vielleicht auch durch
bewusste Gründung (Gründungsstadt z. B. Freiburg im Breisgau, Zunahme
städtischer Siedlungen seit der Mitte des 12. Jh.). Reichsunmittelbar ist die
→Reichsstadt. In der frühen Neuzeit bezieht der Landesherr die Stadt
stärker in das Land ein und verwendet sie als örtliche Verwaltungseinheit. Seit
dem 19. Jh. tritt die S. trotz wirtschaftlichen Vorrangs rechtlich hinter der
→Gemeinde zurück (z. B. Österreich 1849), so dass die Bezeichnung S.
ihre rechtliche Bedeutung verliert.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 78, 96, 98,
110, 111, 113, 120, 138, 149, 152, 195; Keutgen, F., Untersuchungen über den
Ursprung der deutschen Stadtverfassung, 1895; Rietschel, S., Markt und Stadt,
1897; Liesegang, E., Niederrheinisches Städtewesen, 1897; Hegel, K., Die
Entstehung des deutschen Städtewesens, 1898; Wild, E., Verfassungsgeschichte
der Stadt Wil, 1904; Kretzschmar, J., Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht,
1905; Siegburg, bearb. v. Lau, F., 1907; Lahusen, J., Zur Entstehung der Verfassung
bairisch-österreichischer Städte, 1908; Lappe, J., Die Sondergemeinden der
Stadt Lünen, 1909; Merz, W., Die Stadt Aarau, 1909; Quellen zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte (Blankenberg, Deutz, Neuß),
1911; Below, G. v., Territorium und Stadt, 1900, 2. A. 1923; Schmoller, G.,
Deutsches Städtewesen, 1922; Sander, P., Geschichte des deutschen Städtewesens,
1922; Niedersächsischer Städteatlas, 1922ff.; Groß, L., Stadt und Markt im
späteren Mittelalter, ZRG GA 45 (1925), 65; Geisler, W., Die deutsche Stadt,
1924; Dörries, H., Die Städte im oberen Leinetal, 1925; Pirenne, H., Les villes
du moyen-âge, 1927; Rütimeyer, E., Stadtherr und Stadtbürgerschaft in den
rheinischen Bischofsstädten, 1928; Knöpp, F., Die Stellung Friedrichs II. und
seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten, 1928, Neudruck 1965; Dörries, H.,
Entstehung und Formenbildung der niedersächsischen Stadt, 1929; Beyerle, F.,
Zur Typenfrage in der Stadtverfassung, ZRG GA 50 (1930), 1; Weller, K,. Die
staufische Städtegründung in Schwaben, Württembergische Vierteljahreshefte
für Landesgeschichte N. F. 36 (1930), 145; Hamm, E., Die Städtegründungen der
Herzöge, 1932; Lappe, J., Stadtgründung und Stadtverfassung im Gebiete der
Einzelhöfe (Werne im Münsterlande), Zeitschrift für vaterländische Geschichte
und Altertumskunde 89 (1932), 1; Flach, W., Verfassungsgeschichte einer
grundherrlichen Stadt – Berga a. d. Elster, 1934; Loehr, M., Leoben, 1934;
Rudolph, H., Stadt und Staat im römischen Italien, 1935; Goerlitz, T., Die
Haftung des Bürgers und Einwohners für Schulden der Stadt und ihrer Bewohner
nach Magdeburger Recht, ZRG GA 56 1936), 150; Frölich, K., Zur Verfassungstopographie
der deutschen Städte des Mittelalters, ZRG GA 58 (1938), 275; Pirenne, H., Les
villes, 1939; Deutsches Städtebuch, hg. v. Keyser, E., Bd. 1ff. 1939ff.;
Ganshof, F., Over stadsontwikkeling, 1941; Dahm, G., Untersuchungen zur
Verfassungs- und Strafrechtsgeschichte der italienischen Stadt, 1941; Planitz,
H., Frühgeschichte der deutschen Stadt, ZRG GA 63 (1943), 1; Planitz, H., Die
deutsche Stadtgemeinde, ZRG GA 64 (1944), 1; Fischer, H., Doppelstadt und
Stadtverlegung, ZRG GA 66 (1948), 236; Quellen zur älteren Geschichte des
Städtewesens in Mitteldeutschland, hg. v. Institut f. dt. Landes- und Volksgesch.
an der Univ. Leipzig, Bd. 1, 2 1949; Vollmer, G., Die Stadtentstehung am
unteren Niederrhein, 1952; Ennen, E., Frühgeschichte der europäischen Stadt,
1953; Städtewesen und Bürgertum, hg. v. Brandt, A. v. u. a., 1953; La ville,
1954; Ludat, H., Vorstufen und Entstehung des Städtewesens in Osteuropa, 1955;
Naujoks, E., Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958;
Schildhauer, J., Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen in den
Hansestädten, 1958; Mauersberg, H., Wirtschafts- und Sozialgeschichte zentraleuropäischer
Städte, 1960; Scheper, B., Anfänge und Formen bürgerlicher Institutionen
norddeutscher Hansestädte, Diss. phil. Kiel 1960; Haase, C., Die Entstehung
der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963; Bärmann, J., Die Städtegründungen
Heinrichs des Löwen, 1961; Diestelkamp, B., Die Städteprivilegien Herzog Ottos
des Kindes, 1961; Müller, W., Die heilige Stadt, 1961; Die Städte Mitteleuropas
im 12. und 13. Jahrhundert, 1963; Untersuchungen zur gesellschaftlichen
Struktur der mittelalterlichen Städte in Europa, 1966; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967; Drollinger, K., Kleine
Städte Südwestdeutschlands, 1968; Die Stadt des Mittelalters, hg. v. Haase, C.,
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Städtegeschichte Deutschlands, hg. v. Keyser, E., 1969; Verwaltung und
Gesellschaft in der südwestdeutschen Stadt des 17. und 18. Jahrhunderts, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1969; Die Stadt des Mittelalters 1ff., Begriff, Entstehung
und Ausbreitung, Recht und Verfassung, Wirtschaft und Gesellschaft, hg. v.
Haase, C., 1969ff.; Städtische Mittelschichten, hg. v. Maschke, E./Sydow, J.,
1972; Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, C., 1972; Vor- und
Frühformen der europäischen Stadt, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973; Die Stadt am
Ausgang des Mittelalters, hg. v. Rausch, W., 1974; Stadt und Umland, hg. v.
Maschke, E. u. a., 1974; Vor- und Frühformen der europäischen Stadt im
Mittelalter, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1974, z. T. 2. A. 1975; Ennen, E., Die
europäische Stadt des Mittelalters, 4. A. 1987; Planitz, H., Die deutsche Stadt
im Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Fritze, K., Bürger und Bauer zur Hansezeit,
1976; Bischofs- und Kathedralstädte, hg. v. Petri, F., 1976; Schwineköper, B.,
Königtum und Städte bis zum Ende des Investiturstreits, 1977; Die
mittelalterliche Städtebildung im südöstlichen Europa, hg. v. Stoob, H., 1977;
Hall, T., Mittelalterliche Stadtgrundrisse, 1978; Die Stadt, hg. v. Stoob, H.,
1979; Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung,
hg. v. Meynen, E., 1979; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980; Die
Stadt an der Schwelle zur Neuzeit, hg. v. Rausch, W., 1980; Quellen zur
Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittel- und oberdeutscher Städte im
Spätmittelalter, übers. v. Möncke, G., 1982; Mitterauer, M., Markt und Stadt,
1980; Beiträge zum hochmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp, B.,
1982; Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewesen, hg. v. Diestelkamp,
B., 1982; Stadt und Herrschaft, hg. v. Vittinghoff, F., 1982; Stadt und
wirtschaftliche Selbstverwaltung, hg. v. Kirchgässner, B. u. a., 1987;
Urkunden zur Geschichte des Städtewesens in Mittel- und Niederdeutschland
bis 1350, hg. v. Stoob, H., 1985; Bibliographie zur deutschen historischen
Städteforschung 1, hg. v. Stoob, H., 1986; Stadtkernforschung, hg. v. Jäger,
H., 1987; Modelli di città, hg. v. P. Rossi, 1987; Isenmann, E., Die deutsche
Stadt im Spätmittelalter, 1988; Kießling, R., Die Stadt und ihr Land, 1989;
Grundherrschaft und Stadtentstehung am Niederrhein, hg. v. Fink, K. u. a.,
1989; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt, hg. v.
Stolleis, M., 1991; Schroeder, K., Das alte Reich und seine Städte, 1991;
Stadtkern und Stadtteile, hg. v. Kirchgässner, B. u. a. 1991; Schilling, H.,
Die Stadt in der frühen Neuzeit, 1991; Stadtadel und Bürgertum in den
italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, hg. v. Elze, R. u. a.
1991; The City in the Late Antiquity, hg. v. Rich, J., 1992; Engel, E., Die
deutsche Stadt des Mittelalters, 1993; Schilling, H., Die Stadt in der frühen
Neuzeit, 1993; Residenzen des Rechts, hg. v. Kirchgässner, B./Becht, H., 1993;
Stadt und Bürgertum im Übergang von der traditionalen zur modernen
Gesellschaft, hg. v. Gall, L., 1993; Boockmann, H., Die Stadt im späten
Mittelalter, 3. A. 1994; Gerteis, K., Die deutschen Städte in der frühen
Neuzeit, 2. A. 1994; Denkmäler des Amberger Stadtrechts, bearb. v. Laschinger,
J., Bd. 1ff. 1994ff.; Roux, S., Le monde des villes, 1994; Shofield, J./Vince,
A., Medieval Towns, 1994; Meier, U., Mensch und Bürger, 1994; Landesherrliche
Städte in Südwestdeutschland, hg. v. Treffeisen, J. u. a., 1994; Die Stadt
(Kalkar) im Mittelalter, hg. v. Kaldewei, G., 1994; Deidesheim, hg. v.
Andermann, K. u. a., 1995; Anfänge des Städtewesens an Schelde, Maas und Rhein
bis zum Jahre 1000, hg. v. Verhulst, A., 1996; Vetter, K., Zwischen Dorf und
Stadt – Die Mediatstädte des kurmärkischen Kreises Lebus, 1996; Stadt und Verkehr
im Industriezeitalter, hg. v. Matzerath, H., 1996; Eberhard, I., Van des stades
wegene utgegeven unde betalt, 1996; Klotz, H., Die Entdeckung von Çatal Höyük,
1998; Die Frühgeschichte der europäischen Stadt im 11. Jahrhundert, hg. v.
Jarnut, J. u. a., 1998; Hirschmann, F., Stadtplanung, Bauprojekte und
Großbaustellen im 10. und 11. Jahrhundert, 1998; Mitteleuropäisches
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1999; Nissen, H., Geschichte Altvorderasiens, 1999; Knittler, H., Die
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und Staat, 2000; Quellen zur Verfassungsgeschichte der deutschen Stadt, ausgew.
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Kannowski, B., Bürgerkämpfe und Friedebriefe, 2001; Happ, S., Stadtwerdung am
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2002; Happ, S., Stadtwerdung am Mittelrhein, 2002; Die vormoderne Stadt, hg. v.
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Region, hg. v. Duchhardt, H. u. a., 2005; Die urbanen Zentren des hohen und
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20. Jahrhundert, hg. v. Lenger, F., 2005; Opll, F., Das Werden der
mittelalterlichen Stadt, HZ 280 (2005), 561; Engel, E./Jacob, F., Städtisches
Leben im Mittelalter, 2006; Müller, A., Modernisierung in der Stadtverwaltung,
2006; Imagining the City, hg. v. Emden, C. u. a., Bd. 1f. 2006; Städte im
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Irsigler, F. u. a., 2007; Who ran the cities?, hg. v. Roth, R. u. a., 2007; Was
machte im Mittelalter zur Stadt?, hg. v. Jäschke, K u. a., 2007; Turnau, V.,
Unruhehäufungen und ihre Zusammenhänge in Städten des Reiches zu Beginn des 14.
Jahrhunderts, 2007; Repräsentationen der4 mittelalterlichen Stadt, 2008;
Urbanisierung und Urbanität, hg. v. Flachenecker, H. u. a., 2008; Hirschmann,
F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Urban Space, hg. v. Classen, A., 2009; Schmieder, F., Die mittelalterliche Stadt,
2. A. 2009, 3. A. 2012; Hirschmann, F., Die Stadt im Mittelalter, 2009; Die
Urbanisierung Europas von der Antike bis in die Moderne, hg. v. Fouquet, G. u.
a., 2009; Städte im europäischen Raum, hg. v. Roth, R., 2009; Stadtgestalt und
Öffentlichkeit, hg. v. Albrecht, S., 2010; Europäische Städte im Mittelalter,
hg. v. Opll, F. u. a., 2010; Lau, T., Unruhige Städte, 2010; Die Macht der
Städte, hg. v. Gehler, M., 2010; Hergemöller, B./Clarius, N., Glossar zur
Geschichte der mittelalterlichen Stadt, 2011; Hirschmann, F., Die Anfänge des
Städtewesens in Mitteleuropa - Die Bischofssitze des Reiches bis ins 12.
Jahrhundert, Bad. 1ff. 2011f.; Stadtgründung und Stadtwerdung, hg. v. Opll, F.
u. a., 2011; Hirschmann, F., Die Anfänge des Städtewesens in Mitteleuropa – Die
Bischofssitze des Reiches bis in das 12. Jahrhundert, 2011;Städtische
Wirtschaft im Mittelalter, hg. v. Holbach, R., 2011; Isenmann, E., Die deutsche
Stadt im Mittelalter 1150-1150, 2012, 2. A. 2014; Blaschke, K-. Von der
Kaufmannssiedlung zur Stadt, ZHR 294
(2012) 653; Bild und Wahrnehmung der Stadt, hg. v. Johanek, P., 2012; Orte der
Stadt im Wandel, hg. v. Morscher, L. u. a., 2013; Blaschke. K., Nikolaikirchen
und Stadtentstehung in Europa, 2013; Mittler zwischen Herrschaft und Gemeinde .
Die Rolle von Funktions- und Führungsgruppen in der mittelalterlichen
Urbanisierung Zentraleuropas, hg. v. Gruber, E. u. a., 2013; Wandel der Stadt
um 1200, hg. v. Igel, K. u. a., 2013; Blaschke, K./Jäschke, U., Nikolaikirchen
und Stadtentstehung in Europa, 2013; Stadt und Demokratie, hg. v. Bräunche, E.
u. a., 2014; Dilcher, G., Zu Stand und Aufgaben der Stadtgechichtsforschung,
ZRG 131 (2014), 434; Autostädte im 20. Jahrhundert, hg. v. Heßler, M. u. a.,
2014; Gelebte Normen im urbanen Raum?, hg. v. Brand, H. u. a., 2014; Schott,
D., Europäische Urbanisierung (1000-2000). 2014; Rau, S., Räume der Stadt _
Eine Geschichte Lyons 1300-1800, 2014; Biller, T., Die mittelalterlichen
Stadtbefestigungen im deutschsprahigen Raum, 2016; Hanson, J., An Urban
Geography of the Roman World, 2016 (will die Städte des imperium Romanum
möglichst vollständig erfassen, erstaunlich geringer Erkenntnisfortschritt)
Stadtbuch ist das von einer →Stadt für
die Aufzeichnung wichtiger rechtlicher Geschehnisse geführte Buch. Es
erscheint seit dem 13. Jh. Mit zunehmender Verschriftlichung treten mehrere
besondere Bücher nebeneinander.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 105, 125; Das
Lübecker Oberstadtbuch, hg. v. Rehme, P., 1895; Zeller-Werdmüller, H., Die
Zürcher Stadtbücher, 1899; Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15.
Jahrhunderts, hg. v. Nabholz, H., Bd. 3 1906; Rehme, P., Über die Breslauer
Stadtbücher, 1909; Beyerle, K., Die deutschen Stadtbücher, Dt. Geschichtsbll.
11 (1910), 145; Rehme, P., Stadtbuchstudien, ZRG GA 37 (1916), 1; Stowasser,
O., Das Stadtbuch von Waidhofen, Jahrbuch des Vereins für Landeskunde von
Niederösterreich, 1916; Das älteste Böhmisch Kaunitzer Stadtbuch, 1915; Die
sogenannten Sobielaw’schen Rechte, hg. v. Schranil, R., 1916: Rehme, P., Über
Kieler Stadtbücher des Mittelalters, ZRG GA 38 (1917), 164; Schubert, F., Das
älteste Glatzer Stadtbuch (1316-1412), ZRG GA 45 (1925), 250; Rehme, P.,
Stadtbücher des Mittelalters, FS V. Ehrenberg, 1927, 173; Das Mindener
Stadtbuch, hg. v. Krieg, M., 1931; Rehme, P., Neues über die Stralsunder
Stadtbücher, ZRG GA 58 (1938), 674; Buyken,
T./Conrad, H., Die ältesten Stadtbücher von Koblenz, ZRG GA 59 (1939), 165; Das
Stadtbuch von Dux 1389, bearb. v. Kochmann, K., 1941; Schmid, H., Dalmatinische
Stadtbücher, Kosov Zbornik-Festschrift (Laibach) 1953, 330; Triller, A./Schön,
B., Stadtbuch von Dinslaken, 1959; Das Stadtbuch von Anklam, hg.
v. Bruinier, J., Bd. 1ff. 1960ff.; Nový,
R., Libri civitatum Bohemiae, 1963; Das älteste Rostocker
Stadtbuch, hg. v. Thierfelder, H., 1967; Das Stadtrecht von Schaffhausen, Bd. 2
Das Stadtbuch von 1385, bearb. v. Schib, L., 1967; Das älteste Stadtbuch von
Coburg, bearb. v. Andrian-Werburg, K. Frhr. v., 1977; Das Stadtbuch von Karpfen
(Krupina), hg. v. Grothausmann, K., 1977; Hemann, F., Das Rietberger Stadtbuch,
1994; Stadtbücher als namenkundliche Quellen, hg. v. Debus, F.; 2000; Die
Weimarer Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Haus- und Familienbücher in
der städtischen Gesellschaft, hg. v. Studt, B., 2006
Stadtbürger →Bürger
Städtebund ist der vertragliche Zusammenschluss
von Städten zu gemeinsamem Handeln wie etwa der Sicherung des Handels (z. B.
lombardische Liga 1167, rheinischer Städtebund 1254/1256, schwäbischer
Städtebund 1376/1381, →Hanse).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 97, 121;
Füchtner, J., Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390, 1970;
Mägdefrau, W., Der Thüringer Städtebund im Mittelalter, 1977; Kommunale
Bündnisse, hg. v. Maurer, H., 1987; Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v.
Kirchgäßner, B. u. a., 1994; Stoob, H., Die Hanse, 1995; Distler, E.,
Städtebünde im deutschen Spätmittelalter, 2006; Städtebünde – Städtetage, hg. v.
Felten, F., 2006
Städteordnung ist das das Stadtrecht regelnde
Gesetz des 19. Jh.s (z. B. das preußische Gesetz vom 19. 11. 1808, das den
Städten die →Selbstverwaltung erneuert).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 197;
Städteordnungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Naunin, H., 1984; Wex, N.,
Staatliche Bürokratie und städtische Autonomie, 1997
Stadtgericht ist das in der →Stadt für die
gerichtlichen Angelegenheiten zuständige →Gericht, dem anfangs meist der
Stadtherr vorsitzt.
Lit.: Torggler, K., Stadtrecht und Stadtgericht in
Klagenfurt, 1937; Bühler, T., Andreas Heusler und die Revision der Basler
Stadtgerichtsordnung, 1963; Christ, B., Die Basler Stadtgerichtsordnung von
1719, Diss. jur. Basel 1968; Drüppel, H., Iudex civitatis, 1981; Spieß, P., Die
Konkurrenz zwischen „städtischer“ und „stadtherrlicher“ Strafgerichtsbarkeit im
13. und 14. Jahrhundert, ZRG GA 98 (1981), 291
Stadthagen
Lit.: Die Eheberedungen des Amts Stadthagen im Staatsarchiv Bückeburg,
bearb. v. Sturm-Heumann, M., Teil 1ff. 2004ff.
Stadtherr →Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 111; Stadt und
Stadtherr im 14. Jahrhundert, hg. v. Rausch, W., 1972
Stadtkommune →Stadt
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Dilcher, G., Die
Entstehung der lombardischen Stadtkommune, 1967
Stadtluft macht frei ist das Rechtssprichwort des 19.
Jh.s, das zum Ausdruck bringen will, dass ein Herr einen in die Stadt
geflohenen Unfreien nicht zurückholen kann, wenn er nicht binnen eines Jahres,
sechs Wochen und drei Tagen klagt (z. B. Altenburg 1256). Urbare und
Neubürgerlisten stützen die Vermutung umfangreicher Landflucht im Hochmittelalter
allerdings anscheinend nicht. Zur Abwehr der Landflucht wird gleichwohl die
→Leibeigenschaft entwickelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Brunner, H., Luft macht frei,
FG O. Gierke, 1901, 1; Schütze, P., Die Entstehung des Rechtssatzes Stadtluft
macht frei, 1903; Mitteis, H., Über den Rechtsgrund des Satzes „Stadtluft macht
frei“, FS E. Stengel, 1952, 342; Kroeschell, K., Weichbild, 1960, 75; Gellinek,
C., Stadtluft macht frei?, ZRG GA 106 (1989), 306; Haase, R., Anmerkungen zum
Satz „Stadtluft macht frei“, ZRG GA 106 (1989), 311; Stamm, V., Gab es eine
bäuerliche Landflucht im Hochmittelalter?, HZ 276 (2003), 305; Schwarz, J.,
Stadtluft macht frei, 2008
Stadtmauer →Stadt
Stadtrat →Rat, Stadt
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Stadtrecht ist das besondere Recht einer
Stadt. Es entsteht nach römischem Vorbild im Mittelalter am Ende des 11. Jh.s
(lat. ius N.
civile). Am Beginn steht das →Privileg eines Herrn (z. B. Freiburg im
Breisgau 1120?), das von der Gewohnheit ergänzt wird. Spätestens im 13. Jh.
kommt die →Satzung von Seiten meist des Rates hinzu. Festgehalten wird
das S. oft im →Stadtbuch. Der Stadtherr kann das S. einer Stadt an eine
andere übertragen (Stadtrechtsfamilie z. B. Wien, Frankfurt am Main, Lübeck,
Magdeburg). Eine Stadt kann auch einer anderen ihr S. mitteilen. Mit der
Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter dringt dieses über
Stadtrechtsreformationen (z. B. Nürnberg 1479/1484, Worms 1499, Frankfurt 1509,
Freiburg 1520, Pettau/Slowenien 1513, Bern 1539, Zwickau 1539) auch in das S.
ein. In der Neuzeit greift der Landesherr vielfach vereinheitlichend ein. Auch
in der Gegenwart gibt es auf der Ebene der Selbstverwaltung besonderes S.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 98, 101, 104,
120; Deutsche Stadtrechte des Mittelalters, hg. v. Gaupp, T., 1851f., Neudruck
1966; Gengler, H., Codex iuris municipalis, 1863, Neudruck 1968; Meyer, C., Das
Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436, ZRG GA 19 (1998), 152; Oberrheinische
Stadtrechte, hg. v. d. badischen historischen Kommission, 1895ff.; Urkunden zur
städtischen Verfassungsgeschichte, hg. v. Keutgen, F., 1901, Neudruck 1965;
Lippstadt, bearb. v. Overmann, A., 1901; Kretzschmar, J., Die Entstehung von
Stadt und Stadtrecht, 1905; Zehntbauer, R., Die Stadtrechte von Freiburg im
Üchtland und Arconciel-Illens, 1906; Merz, W., Die Stadtrechte von Bremgarten
und Lenzburg, 1909; Kogler, F., Beiträge zur Stadtrechtsgeschichte Kufsteins,
1912; Haff, K., Studien zum Waadtländer Stadtrecht, 1918; Torggler, K.,
Stadtrecht und Stadtgericht in Klagenfurt, 1937; Thieme, H., Staufische
Stadtrechte im Elsass, ZRG GA 58 (1938), 654; Haff, K., Übereinstimmungen im
Stadtrechte von Schleswig (Haithabu) und in dem Bjärköa-Ret, ZRG GA 59 (1939),
277; Schubart-Fikentscher, G., Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in
Europa, 1942; Ebel, W., Der Bürgereid, 1958; Diestelkamp, B., Die
Städteprivilegien Ottos des Kindes, 1961; Diestelkamp, B., Welfische
Stadtgründungen und Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164;
Köbler, G., Zur Entstehung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG GA 86 (1969),
177; Die Gesetze der Stadt Frankfurt am Main im Mittelalter, 1969; Köbler, G.,
Stadtrecht und Bürgereinung bei Notker von St. Gallen, 1974; Lockert, M., Die
niedersächsischen Stadtrechte zwischen Aller und Weser, 1979; Dilcher, G.,
„Hell, verständig für die Gegenwart sorgend, die Zukunft bedenkend“, ZRG GA 106
(1989), 12; Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt,
hg. v. Stolleis, M., 1991; Kersting, W., Das Otterndorfer ostfälisch-sächsische
Stadtrecht, ZRG GA 109 (1992), 374; Quellen zur Verfassungsgeschichte der
deutschen Stadt im Mittelalter, hg. v. Hergemöller, B., 2000; Moldt, D.,
Deutsche Stadtrechte im mittelalterlichen Siebenbürgen, 2008; Cox, J., Hebbende
privilege van stede, 2011
Stadtrechtsbuch ist das →Rechtsbuch einer
→Stadt (z. B. Reichsrechtsbuch von Mühlhausen in Thüringen von etwa 1230
oder Rechtsbuch von Görlitz, Breslau, Magdeburg, Danzig, Posen, Zwickau,
Meißen, Elbing, Eisenach, Liegnitz, Freising, Wien, Ofen, Neumarkt, Löwenberg,
Berlin, Sillein, Glogau, Salzwedel, Saalfeld, Pressburg, Freiberg,
Frankenberg u. s. w.)
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Planitz, H., Das Zwickauer
Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990
Stadtrichter →Stadtgericht
Stadtschreiber →Schreiber
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Arnecke, F., Die
Hildesheimer Stadtschreiber, Diss. phil. Marburg 1913; Schulze, A., Das
deutsche Stadtschreiberamt, Diss. phil. Jena 1921; Steinberg, S., Die Goslarer
Stadtschreiber, 1933; Burger, G., Die südwestdeutschen Stadtschreiber, 1960;
Elsener, F., Notare und Stadtschreiber, 1962; Schmied, H., Der Ratsschreiber,
1979; Kintzinger, M., Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig, 1990;
Stephan Roth (1492-1546) - Stadtschreiber in Zwickau, hg. v. Metzler, R., 2008
Stadtschultheiß →Schultheiß
Stadtstaat (z. B. Athen, Rom, Florenz,
Venedig, Bern, Nürnberg, Hamburg, Bremen)
Lit.: Söllner § 4; Clarke, M., The Medieval City
State, 1931; Waley, D., Die italienischen Stadtstaaten, 1969; Gmür, R., Der
alte bernische Stadtstaat, ZRG GA 112 (1995), 366; City States, hg. v. Molho,
A. u. a., 1991
Stadtverordnetenversammlung ist die Versammlung der von den
Bürgern gewählten Vertreter als gesetzgebendes und allgemein ausführendes
Organ (Preußen 1808).
Lit.: Köbler, DRG 197; Pahlmann, M., Anfänge des städtischen
Parlamentarismus, 1997
Staffel (F.) Stufe, Gerichtsstein
Stahl (Jolson), Friedrich Julius (München
16. 1. 1802-Bad Brückenau 10. 8. 1861), Kaufmannssohn, 1819 vom Judentum zum
Protestantismus übergetreten, wird nach dem Rechtsstudium in Würzburg, Heidelberg
und Erlangen 1832 außerordentlicher Professor in Erlangen, dann ordentlicher
Professor in Würzburg, 1834 in Erlangen und 1840 in Berlin. Sein Hauptwerk
(1830ff.) ist eine zweibändige Philosophie des Rechtes, die sich gegen das
→Naturrecht richtet. Politisch lehnt er die Volkssouveränität ab.
Lit.: Maser, G., Friedrich Julius Stahl, 1930;
Wiegand, C., Über Friedrich Julius Stahl, 1981; Deutsche Juristen jüdischer
Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 59; Müller, J., Die Staatslehre
Friedrich Julius Stahls, 1999
Stair, James Dalrymple (1619-1695) wird nach dem Studium
der Philosophie in Glasgow Professor, 1648 Anwalt und 1657 Richter. 1681 muss
er bis 1688 wegen antikatholischer Haltung nach Holland fliehen, wo er wichtige
Entscheidungen seines Gerichtes veröffentlicht. Gleichzeitig begründet er mit
seinen römischrechtlich-naturrechtlich in vier Bücher (Personen und Familie,
Obligationen, Sachen, Erbe und Verfahren) geteilten Institutions of the Law of
Scotland (1681) die Rechtswissenschaft in →Schottland.
Lit.: Stair, hg. v. Walker, D., 1981; Walker, D., The
Scottish Jurists, 1985, 106
Stal
Lit.: Siebs, B., Stal – Roland – Rosengarten, ZRG GA 76 (1959), 246
Stalin (Dschugaschwili), Josef Wissarionowitsch
(Gori/Georgien 21. 12. 1879-Moskau 5. 3. 1953) ist von 1924 bis 1953
diktatorischer Führer der →Sowjetunion, der maßgeblich das
sozialistische Recht mitgestaltet.
Lit.: Marie, J., Staline, 1967, Neudruck 2001;
Deutscher, I., Stalin, 1979; Stalinismus vor dem zweiten Weltkrieg, hg. v. Hildermeier,
M., 1998; Lustiger, A., Rotbuch - Stalin und die Juden, 1998; Boeckh, K.,
Völlig normal, HZ 278 (2004), 55; Baberowski, J., Der rote Terror, 2003;
Kellmann, K., Stalin, 2005; Stalinismus in der sowjetischen Provinz, hg. v.
Binner, R. u. a., 2009; Dahlke, S., Individuum und Herrschaft im
Stalinismus, 2010; Baberowski, J., Verbrannte Erde - Stalins Herrschaft der
Gewalt, 2012; Wettig, G., Die Stalin-Note, 2015 (nur Propaganda Stalins);
Fitzpatrick, S., Stalins Mannschaft, 2017 (Beria, Molotov, Orshonikidse,
Andreev)
Stalking ist das gewollte und wiederholte belästigende
Verfolgen eines Menschen durch einen Menschen, das von den Vereinigten Staaten
von Amerika ausgehend seit etwa 2000 in verschiedenen Staaten strafbar ist
(Deutschland § 238 StGB 31. Juli 2007 Nachstellung).
Lit.: Helmke, N., Der Normsetzungsprozess des Stalkings, 2011
Stamm ist der zwischen Wurzel und Zweigen
befindliche Teil eines Baumes. Ein selbständiger Teil der Germanen (z. B.
Franken, Alemannen, Bayern, Sachsen) wird ebenso als S. bezeichnet wie die Abkömmlinge
eines Abkömmlings.
Lit.: Merk, W., Die deutschen Stämme in der
Rechtsgeschichte, ZRG GA 58 (1938), 1; Hugelmann, K., Stämme, Nation und
Nationalstaat, 1955; Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung, 1961; Giese,
W., Der Stamm der Sachsen, 1979
Stammesherzogtum ist das im Frühmittelalter aus
einem Volk bzw. →Stamm gebildete →Herzogtum (z. B. Franken,
Alemannen, Bayern, Sachsen) im Gegensatz zum Territorialherzogtum im
Hochmittelalter (z. B. Österreich, Bayern, Westfalen, Sachsen). Das ältere S.
besteht in merowingischer Zeit (Bayern bis 788), das jüngere S. im 10. Jh.
Lit.: Köbler, DRG 83; Läwen, G., Stammesherzog und
Stammesherzogtum, 1935; Stingl, H., Die Entstehung der deutschen
Stammesherzogtümer, 1974; Goetz, H., „Dux“ und „ducatus“, 1977; Hartmann, P.,
Bayerns Weg in die Gegenwart, 1989
Stammesrecht→Volksrecht
Lit.:
Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper, D. u. a., 1991
Stammgut ist das auf Grund Hausgesetzes oder Gewohnheitsrechts
in einer Adelsfamilie gebundene und damit unveräußerliche und grundsätzlich
unteilbare Gut. Es wurde 1938/1939 aufgelöst und dabei vielfach in eine
Stiftung überführt.
Stammler, Rudolf (Alsfeld 19. 2.
1856-Wernigerode 25. 6. 1938), Richterssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Gießen und Leipzig (Binding, Windscheid, Sohm) 1882 außerordentlicher Professor
in Leipzig, 1884 ordentlicher Professor in Gießen, Halle (1885) und Berlin
(1916). Außer als Romanist wirkt er vor allem als neukantianischer
Rechtsphilosoph. Von 1928 bis 1932 legt er das zweibändige Lehrwerk „Deutsches
Rechtsleben in alter und neuer Zeit“ vor.
Lit.: Schwerin, C. Frhr. v., Nachruf, ZRG GA 59
(1939), 662
Stand (1417) ist die Stellung oder Würde innerhalb einer Gemeinschaft.
Vom Altertum bis in das 19. Jh. gliedert sich die Gesellschaft in
verschiedene Stände. In Rom werden dabei anfangs Patrizier, Plebejer und
Sklaven (lat. M.Pl.
servi) unterschieden. Später entsteht aus landflüchtenden Kleinbauern ein
Proletariat. In klassischer römischer Zeit treten Amtsadel und Geldadel
einander gegenüber, in spätantiker Zeit (lat. M.Pl.)
honestiores (Ehrbarere) und humiliores (Niederere). Für die Germanen ist das
Bestehen von Ständen streitig. Im Frühmittelalter werden →Freie (lat. M.Pl.
liberi) und Unfreie sowie spätestens in karolingischer Zeit auch →Adlige
(lat. M.Pl.
nobiles) sichtbar. Im Hochmittelalter wird diese geburtsständische Gliederung
durch die berufsständische Einteilung in →Ritter (lat. M.Pl.
milites), →Bürger (lat. M.Pl. cives,
burgenses, urbani) und →Bauern (lat. M.Pl.
rustici) überlagert. Der S. wirkt sich besonders auf Eheschließung
(→Ebenbürtigkeit), →Wergeld und Gerichtsbarkeit (Pairsgericht)
aus. Seit der französischen Revolution (1789) setzt sich der von dem dritten
Stand (Bürger) vertretene, aufgeklärte Grundsatz der →Gleichheit durch
(1918). Hinsichtlich der Herrschaft im Land oder Reich gibt es daneben vom 13.
bis 19. Jh. →Landstände und →Reichsstände.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 17, 120,
132, 135, 140, 148, 160; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 155;
Brunner, H., Ständerechtliche Probleme, ZRG GA 23 (1902), 193; Lintzel, M., Die
Stände der deutschen Volksrechte, 1933; Gwinner, H., Der Einfluss des Standes
im gemeinen Strafrecht, 1934; Heck, P., Blut und Stand im altsächsischen Recht,
1935; Heck, P., Untersuchungen zur altsächsischen Standesgliederung, 1936;
Uffenorde, H., Über die ständischen Ideen bei Freiherrn vom Stein und Bismarck,
1938; Heck, P., Drei Studien zur Ständegeschichte (Hofleute, Häuptlinge,
fränkische Gemeinfreiheit), 1939; Jantke, C., Der vierte Stand, 1955; Truffer,
H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und zürcherischen Strafrecht, 1960;
Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter, hg. v.
Franz, G., 1967; Frank, K. v., Standeserhebungen und Gnadenakte, Bd. 1ff.
1967ff.; Köbler, G., Zur Lehre von den Ständen in fränkischer Zeit, ZRG 89
(1972), 171; Herrschaftsstruktur und Ständebildung, 1973; Reuter, H., Die
Lehre vom Ritterstand, 2. A. 1974; Herrschaft und Stand, hg. v. Fleckenstein,
J., 2. A. 1979; Lutz, G., Wer war der gemeine Mann?, 1979; Duby, G., Die drei
Ordnungen, 1981; Blickle, P., Studien zur geschichtlichen Bedeutung des
deutschen Bauernstandes, 1989; Sozialer Wandel im Mittelalter, hg. v. Miethke,
J. u. a., 1994; Stände und Landesherrschaft in Ostmitteleuropa, hg. v.
Weczerka, H., 1995; Meyer, T., Stand und Klasse, 1997; Herrschaft und Stände in
ausgewählten Territorien Norddeutschlands, hg. v. Opitz, E., 2001; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Standarte →Fahne
Standesbeamter ist der gemeindliche Beamte, der
vor allem die staatlichen Aufgaben der →Eheschließung und Führung der
Personenstandsbücher ausführt. Nach französischem Vorbild (officier civil
1787/1792) wird ein S. 1809 in Baden und 1875 im Deutschen Reich geschaffen.
Lit.: Köbler, DRG 209
Standeserhöhung ist die Erteilung des →Adels
durch Urkunde (seit 1346, →Briefadel).
Standesherr ist im 19. Jh. der Angehörige eines
der etwa 80 1803/1806 mediatisierten, ehemals reichsunmittelbaren
Adelshäuser. Ihm werden 1815 geringe Vorrechte gesichert, die zwischen 1848
und 1918 aber weitgehend verschwinden.
Lit.: Gollwitzer, H., Die Standesherren, 1957, 2. A.
1964; Neth, U., Standesherren und liberale Bewegung, 1970; Schier, R.,
Standesherren, 1977; Eltz, E., Die Modernisierung einer Standesherrschaft,
1980; Furtwängler, M., Die Standesherren in Baden, 1996; Pezold, U. v., Adelige
Standesherrschaft im Vormärz, 2003
Ständestaat ist der durch die Teilhabe von
Ständen an der Herrschaft gekennzeichnete Staat des 13. bis 19. Jh.s. Zwischen
1934 und 1938 versteht sich →Österreich nochmals als S. →Landstand,
→Reichsstand
Lit.: Christern, H., Deutscher Ständestaat und
englischer Parlamentarismus, 1939; Ständische Vertretungen in Europa im 17. und
18. Jahrhundert, hg. v. Gerhard, D., 1969; Helbig, H., Der wettinische
Ständestaat, 2. A. 1980; Städte und Ständestaat, hg. v. Töpfer, B., 1980;
Kluge, U., Der österreichische Ständestaat, 1934-1938, 1984; Reichert, F.,
Landesherrschaft, Adel und Vogtei, 1985
Standgericht ist das im Stehen bzw. sofort
abgehaltene Gericht im Heereswesen. Es findet sich bereits im römischen
Altertum. In der frühen Neuzeit ist es sehr verbreitet. Das S. urteilt meistens
nach dem besonderen Standrecht.
Lit.: Molitor, I. v., Die Kriegsrechte, 1855; Bothe,
F., Der preußische Militärprozess, 1874; Bonin, B. v., Grundzüge der Rechtsverfassung
in den deutschen Heeren, 1904
Ständiger internationaler Gerichtshof ist der 1919 in der Satzung des Völkerbunds
vorgesehene, 1922 in Den Haag in den Niederlanden eingerichtete völkerrechtliche
Gerichtshof, der 1945 im Internationalen Gerichtshof aufgeht
Standrecht →Standgericht
Stang, Friedrich (1867-1941), Ministerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium 1890 Anwalt und 1897 Universitätsprofessor. Nach einem Aufenthalt
in Deutschland versucht er eine Darstellung des gesamten norwegischen Privatrechts.
In der Rechtspolitik setzt er sich erfolgreich für den Erlass verschiedener
Einzelgesetze (1907 Kaufgesetz, 1918 Abzahlungsgesetz, 1930 Versicherungsabzahlungsgesetz)
ein.
Lit.: Solem, E., Frederik Stang, Tidsskrift for
Rettsvidenskap, 1942, 1
Stapelholm (östlich von Friedrichstadt) ist
der seit 1232 zu Schleswig gehörende Ort der am 27. 1. 1623 unter Herzog
Friedrich III. von Schleswig-Gottorp geschaffenen Stapelholmer Konstitution
(Landesordnung) der durch weitgehende Selbstverwaltung unter einem Landvogt
gekennzeichneten Landschaft zwischen unterer Eider, Treene und Alten
Schleswig.
Lit.: Stegmann, D., Die Stapelholmer Konstitution von
1623, Diss. jur. Kiel 1967; Polizei- und Landesordnungen, hg. v. Kunkel, W. u.
a., 1968
Stapelrecht ist seit dem Hochmittelalter das
Recht eines Ortes, von Kaufleuten zu verlangen, ihre Waren am Ort zum Verkauf
aufzustellen (zu stapeln).
Lit.: Hafemann, M., Das Stapelrecht, 1910, Neudruck
2013; Gönnenwein, O., Das Stapel- und Niederlagsrecht, 1939
Stasi (F.) Staatssicherheitsdienst der
→Deutschen Demokratischen Republik mit schätzungsweise (189000 bis)
109000 informellen Mitarbeitern und zuletzt 91015 hauptamtlichen Mitarbeitern
Lit.: Kühn, D., Das gesamtdeutsche Institut im Visier
der Staatssicherheit, 2001; Krämer, J. u. a., Leben hinter Mauern –
Arbeitsalltag und Privatleben hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für
Staatssicherheit der DDR, 2014
Statistik ist die zahlenmäßige Erfassung
häufiger oder massenhafter Gegebenheiten. Sie erfolgt in wissenschaftlicher
Weise erst seit dem 19. Jh. (Preußen statistisches Büro 1805/1810, führender
Direktor Ernst Engel 1860-1882)
Lit.: Bevölkerungsstatistik an der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit, hg. v. Andermann, K. u. a., 1990; Grundlagen der
historischen Statistik von Deutschland, hg. v. Fischer, W., 1991; Melchers, A.,
Kriminalstatistik im 19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt 1992; Reinke, H.,
Die Liaison des Strafrechts mit der Statistik, ZNR 1992, 169; Pfister, C.,
Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie 1500-1800, 1994;
Rothenbacher, F., Historische Haushalts- und Familienstatistik, 1997; Weber,
D., Die sächsische Statistik im 19. Jahrhundert, 2003; Schneider, M.,
Wissensproduktion im Staat, 2013; Behrisch, L., Die Berechnung der
Glückseligkeit, 2015
Stat pro ratione voluntas (lat.). Der Wille steht für die
Begründung.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Juvenal, um 67-um 140, Satiren 6, 223)
Statthalter ist der Vertreter eines Herrschers
(z. B. 1490 in Tirol in den →Maximilianischen Verwaltungsreformen,
1849-1918 in Österreich die Leiter der zentralstaatlichen Behörden auf Landesebene
im Gegensatz zur autonomen Landesverwaltung durch Landesausschüsse unter
Leitung von Landeshauptmännern.
Lit.: Köbler, DRG 151; Baltl/Kocher; Mommsen, T.,
Römisches Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Jördens, A.,
Statthalterliche Verwaltung in der römischen Kaiserzeit - Studien zum
praefectus Aegypti, 2009
status (lat. M.)
→Stand, Zustand (z. B. status libertatis [Freiheit], status civitatis
[Stellung als Bürger] und status familiae [Stellung in der Familie]
Lit.: Kaser § 13 I; Breuer, S., Stand und status, 1996
Statut ist das gesetzte Recht bzw. die im
internationalen Privatrecht anwendbare Rechtsordnung. Statuten finden sich um
1140 in Oberitalien (Piacenza, Pisa, Como), wo sie seit der Mitte des 13. Jh.s
ausführliche Zusammenfassungen erfahren. Im Verhältnis zum →gemeinen
Recht gewähren die Juristen des 14. Jh.s den besonderen Statuten Vorrang. Weil
die Statuten aber eng auszulegen sind (lat. statuta N.Pl.
sunt stricte interpretanda), gewinnt in der frühen Neuzeit das gemeine Recht
tatsächlich die Vermutung der Geltung für sich.
Lit.: Köbler, DRG 104, 107, 137; Kamptz, K. v., Die
Provinzial- und statutarischen Rechte der preußischen Monarchie, Bd. 1ff.
1826ff.; Neumeyer, K., Statutenkollision und persönliche Rechte, ZRG GA 39
(1918), 314; Bahmann, O., Die Statuten der Stadt Ölsnitz im Vogtland aus den
Jahren 1604 und 1687, 1938; Thieme, H., Statutarrecht und Rezeption, FS G.
Kisch, 1955, 69; Ebel, W., Geschichte der Gesetzgebung, 2. A. 1958, Neudruck
1988; Herrmann, G., Johann Nikolaus Hert und die deutsche Statutenlehre, 1963;
Lorenz, E., Das Dotalstatut, 1965; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Nörr, K., Zur Stellung des Richters, 1967; Ebel, F.,
Statutum und ius fori, ZRG GA 93 (1976), 100; Wiegand, W., Studien zur
Rechtsanwendungslehre, 1977; Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen
Statt Fryburg, hg. v. Köbler, G., 1986; Keller, H., Oberitalienische Statuten,
Frühmittelalterliche Studien 22 (1988), 286; Statuten, Städte und
Territorien, 1992; Köbler, G., Etymologisches Rechtswörterbuch, 1995; Driever,
R., Obrigkeitliche Normierung sozialer Wirklichkeit, 2000; Von der Norm zur
Ordnung - Statuten, hg. v. Drossbach, G., 2009
Statuta sunt stricte interpretanda (lat.). →Statuten sind eng
auszulegen.
Lit.: Trusen, W., Römisches und partikuläres Recht, FS
H. Lange, 1970, 97; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Hochmittelalter); Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre der
Rezeptionszeit, 1977
Statutarstadt ist in Österreich die durch eigenes Stadtrecht
(Statut) ausgezeichnete, keiner Bezirkshauptmannschaft unterstehende Stadt ([16.
Jh. Eisenstadt, Rust,] 1850 Wien, Klagenfurt, insgesamt 15).
Statute law ist das vom König und dem
Parlament vor allem im 13., 16./17. und 19. Jh. gesetzte Recht in England im Gegensatz
zum common law (Richterrecht).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Statutum (N.) in favorem principum (lat.) ist die wissenschaftliche
Bezeichnung des 19. Jh.s für das bestätigende Privileg Kaiser Friedrichs II.
vom Mai 1232 (in sechs Ausfertigungen überliefert) bzw./und das Privileg König
Heinrichs (VII.) vom 1. 5. 1231 (in vier Ausfertigungen erhalten), in dem den
Fürsten die rechtstatsächlich inzwischen erlangten Rechte zugesichert werden
(z. B. Gewährleistung der Nichtanlage neuer Reichsstädte und Reichsburgen, Gewährleistung
der landesherrlichen Gerichtsbarkeit, Gewährleistung von Abgaben).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101;
Klingelhöfer, E., Die Reichsgesetze, 1955; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A.
1982; Kaiser und Reich, hg. v. Buschmann, A., 1984; Engels, O., Die Staufer, 6.
A. 1994, 8. A. 2005
Staub, Samuel (bzw. ab etwa 1882) Hermann (Nikolai/Oberschlesien
21. 3. 1856-Berlin 2. 9. 1904), Sohn eines jüdischen Kaufmanns, wird nach dem
Rechtsstudium in Breslau, Leipzig (Windscheid, Wächter, Binding, Wach), Berlin
(Goldschmidt) Rechtsanwalt. Er tritt danach vor allem als Kommentator des
Handelsrechts (seit 1893) und als „Entdecker“ der sog. →positiven Forderungsverletzung
oder positiven Vertragsverletzung (1902) hervor.
Lit.: Köbler, DRG 241; Deutsche Juristen jüdischer
Abstammung, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 385; Anwalt - Kommentator - Entdecker - Festschrift
für Hermann Staub, hg. v. Henne, T. u. a., 2006
Staufer ist der Angehörige des in der
ersten Hälfte des 11. Jh.s erkennbaren schwäbischen Geschlechts, das 1079 das
Herzogtum Schwaben und 1138 (wegen der 1079 erfolgten Heiratsverbindung mit den
→Saliern) (bis 1254) das deutsche Königtum (Konrad III. 1138-1152, Friedrich
I. Barbarossa 1152-1190, Heinrich VI. 1169-1197, Philipp von Schwaben
1198-1208, Friedrich II. 1212-1250, Konrad IV. 1237-1254) hält und 1268 im
Mannesstamm ausstirbt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Cohn, W., Das
Zeitalter der Hohenstaufen in Sizilien, 1925; Franzel, E., König Heinrich VII.
von Hohenstaufen, 1929; Sthamer, E., Bruchstücke mittelalterlicher Enquêten aus
Unteritalien, 1933 (SB preußische Akademie); Mitteis, H., Zur staufischen Verfassungsgeschichte,
ZRG GA 65 (1947), 316; Bosl, K., Die Reichsministerialen, Bd. 1f. 1950f., Neudruck
1968f.; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241, ZRG GA 70 (1953), 64; Metz, W.,
Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Haverkamp, A., Herrschaftsformen der
Frühstaufer in Italien, Bd. 1f. 1970f.; Appelt, H., Privilegium minus, 2. A.
1976; Stupor mundi, hg. v. Wolf, G., 2. A. 1982; Engels, O., Stauferstudien,
1988 (Aufsätze); Hauser, S., Staufische Lehnspolitik, 1998; Engels, O., Die
Staufer, 8. A. 2005, 9. A. 2010; Von Schwaben bis Jerusalem, hg. v. Lorenz, S.
u. a., 1995; Die Staufer im Süden, hg. v. Kölzer, T., 1996; Hechberger, W.,
Staufer und Welfen, 1996; Die Staufer, 2000; Stauferreich im Wandel, hg. v.
Weinfurter, S., 2002; Meyer, B., Kastilien, die Staufer und das Imperium, 2002;
Schütte, B., König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof,
2002; Haverkamp, A., Zwölftes Jahrhundert 1125-1198, 2003; Weller, T., Die
Heiratspolitik, 2004; Busch, J., Administratio in der frühen Stauferzeit, ZRG
GA 122 (2005), 42; Grafen, Herzöge, Könige, hg. v. Seibert, H. u. a., 2005;
Bedürftig, F., Die Staufer, 2006; Görich, K., Die Staufer, 2006; Staufer &
Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a., 2009; Verwandlungen des Stauferreichs, hg.
v. Schneidmüller, B. u. a., 2009; Die Staufer und Italien, hg. v. Wieczorek, A.
u. a., 2010; Akermann, M., Die Staufer, 2010; Kaiser- und Königsurkunden der
Staufer (1138-1268), hg. v. Koch, W. u. a., 2010; Staufisches Kaisertum im 12.
Jahrhundert, hg. v. Burkhardt, S. u. a., 2010; Konrad IV., red. v. Ruess, K.,
2012; Die Urkunden Manfreds, bearb. v. Friedl, C., 2013; Die Staufer und
Byzanz, red. v. Ruess, K., 2013; Keupp, J./Gramsch, R., Die Staufer, 2015; Eom
1312 – Die Kaiserkrönung Heinrichs VII., hg. v. Penth, S. u. a., 2015
Staupenschlag
Lit.: Breithaupt, W., Die Strafe des Staupenschlags, 1938
Steckbrief ist das in der frühen Neuzeit
erscheinende, schriftlich an alle Behörden ergehende Ersuchen, eine flüchtige
oder sich verbergende Person festzunehmen und sie der nach ihr fahndenden
Behörde zu übergeben.
Lit.: Biedermann, Über Steckbriefe, Archiv f.
Criminalrecht 3 (1800), 274; Blauert, A./Wiebel, E., Gauner- und Diebslisten,
2001; Groebner, V., Der Schein der Person, 2004
Steiermark ist das im 8. Jh. von Bayern
besiedelte, im 12. Jh. unter den seit 1122 herrschenden Traungauern von Kärnten
gelöste, 1180 zum Herzogtum (zu Steyr als dem in Oberösterreich gelegenen
Hauptort des Traungaus) erhobene und 1186/1192 durch die →Georgenberger
Handfeste an die Babenberger bzw. den Herzog von →Österreich gelangte
südöstliche Grenzgebiet (karantanische →Mark, Gebiet an der mittleren
Mur) des deutschen Reiches. 1919 fällt die südliche Untersteiermark mit
Marburg/Maribor an Jugoslawien. Das Bundesland S. Österreichs wird von 1939
bis 1945 mit dem südlichen Burgenland zum Reichsgau S. und steht nach Wiederherstellung
bis 1955 unter Besatzung Großbritanniens.
Lit.: Köbler, DRG 94, 95, 220; Siegenfeld, A. v., Das
Landeswappen der Steiermark, 1900; Steirischer Wortschatz, hg. v. Unger, T. u.
a., 1903, Neudruck 2009; Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg.
v. Dopsch, A., 1910; Rauch, K., Die Erwerbung des Herzogtums Steiermark durch
die Babenberger, ZRG GA 38 (1917), 269; Mensi, F. Frhr. v., Geschichte der
direkten Steuern in Steiermark, 1921; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht
und dessen Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Mell, A., Grundriss der
Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, 1929; Seuffert, B., Drei Register aus
den Jahren 1478 bis 1519, 1934; Rauch, K., Die Übertragung der steirischen
Allode an das österreichische Herzogsgeschlecht der Babenberger, ZRG GA 58
(1938), 448; Lang, A., Die Salzburger Lehen in Steiermark, 1937; Baltl, H.,
Die ländliche Gerichtsverfassung Steiermarks, 1951; Die ältesten steirischen
Landtagsakten 1396-1519, Teil 1 f. bearb. v. Seuffert, B. u. a., 1953ff.;
Baltl, H., Rechtsarchäologie des Landes Steiermark, 1957; Ebner, H., Beiträge
zur Burgen- und Herrschaftsgeschichte sowie zur Genealogie obersteirischer
Adelsfamilien, 1974; Regesten des Herzogtums Steiermark, hg. v. Härtel, R., Bd.
1f. 1976ff.; Brauneder, W., Die Anfänge der Gesetzgebung, Z. d. hist. Ver. d.
Steiermark 68 (1977), 165; Woisetschläger, K., Steiermark, 1982; Karner, S.,
Die Steiermark im Dritten Reich (1938-1945), 1985; Österreichisches Städtebuch.
Die Städte der Steiermark, Bd. 1 1990; 800 Jahre Steiermark und Österreich, hg.
v. Pickl, O., 1992; Breitegger, H., Die großen Kriminalfälle der Steiermark,
2000; Karner, S., Die Steiermark im 20. Jahrhundert, 2000; Binder,
D./Ableitinger, A., Steiermark, 2001; Baltl, H., Die Steiermark im
Frühmittelalter, 2004; Wesener, G., Eine steirische Erbrechtsordnung, Zs. d.
hist. Vereins für Steiermark 95 (2004), 235; Heppner, H. u. a., Steiermark,
2006; NS-Herrschaft in der Steiermark, hg. v. Halbrainer, H. u. a., 2012; Moll,
M., Die Steiermark im ersten Weltkrieg, 2014; Halbrainer, H., Sei nicht böse
dass ich im Kerker sterben muss, 2014; Urgeschichte und Römerzeit in der
Steiermark, hg. v. Hebert, B., 2015; Halbrainer, H. u. a., Nationalsozialismus
in der Steiermark, 2015; Bundesland und Reichsgau, hg. v. Ableitinger, A., 2016
Stein ist der harte, nichtmetallische
Bestandteil der Materie, der im einzelnen Stück als Rechtssymbol verwendet
werden kann (z. B. Grenzstein, Kreuzstein).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Funk, W., Alte deutsche Rechtsmale,
1940; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Stein, Karl Freiherr vom und zum (Nassau 22. 10.
1757-Cappenberg 24. 6. 1831), Geheimratssohn, wird nach dem Studium des
Rechtes und der Staatswissenschaft in Göttingen preußischer Beamter. 1807/1808
reformiert er nach der Niederlage gegen Frankreich die Verwaltung
→Preußens (Bauernbefreiung, Fachressorts, Selbstverwaltung,
Gewerbefreiheit, Wehrpflicht).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 167, 174, 192,
211; Lappe, J., Freiherr vom Stein als Gutsherr auf Kappenberg, 1920;
Botzenhart, E., Die Staats- und Reformidee des Freiherrn vom Stein, 1927;
Raumer, K. v., Was bedeutet uns Stein heute?, 1958; Gembruch, W., Freiherr vom
Stein im Zeitalter der Restauration, 1960; Schwab, D., Die
„Selbstverwaltungsidee“ des Freiherrn vom Stein, 1971; Hubatsch, W.,
Stein-Studien, 1975; Hubatsch, W., Die Stein-Hardenbergschen Reformen, 1977;
Duchhardt, H., Stein, 2007; Fenske, H., Freiherr vom Stein, 2012
Stein, Lorenz (Borby bei Eckernförde 15. 11. 1815
unehelicher Sohn der Anna Juliana Elisabeth Stein geb. Helms und des Offiziers
Lorenz Jacob von Wasmer-Weidlingau bei Wien 23. 9. 1890) wird nach dem
Rechtsstudium in Kiel 1845 außerordentlicher Professor der Staatswissenschaften
und nach Amtsenthebung (1852) in Wien 1855 Professor für politische Ökonomie.
In weitgespannten Schriften fördert er die Entwicklung der Verwaltungslehre
(1865ff.). Dem über den Klassen stehenden König stellt er die Aufgabe, durch staatliche
Leistung die im Liberalismus eingetretenen gesellschaftlichen Missstände zu
beseitigen.
Lit.: Schmidt, W., Lorenz von Stein, 1956; Staat und
Gesellschaft, hg. v. Schnur, R., 1978; Heilmann, M., Lorenz von Stein, 1984;
Wissenschaft und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E.,
1984; Lorenz von Stein, hg. v. Mutius, A. v., 1991; Koslowski, S., Zur
Philosophie von Wirtschaft und Recht, 2005; Blasius, D., Lorenz vom Stein,
2007; Lorenz von Stein und die rechtliche Regelung der Wirklichkeit, hg. v.
Brüning, C. u. a., 2015
Stein-Hardenbergsche Reformen →Stein, Hardenberg
Steinigung ist die im Altertum (Judentum) und
später im Islam (z. B. Iran, Afghanistan, Nigeria, Indonesien) verbreitete
Tötung eines Menschen (meist Frauen z. B. wegen Ehebruchs) durch Bewerfen mit
Steinen.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; Quanter, R., Die Leibes- und Lebensstrafen, 2. A. 1906
Steinkreuz ist das aus Stein geschaffene
Kreuz. Es erscheint im Mittelalter als sichtbares Zeugnis eines einzelnen
rechtlich bedeutsamen Geschehens.
Lit.: Kuhfahl, G., Die alten Steinkreuze in Sachsen,
1936; Dreyhausen, W. v., Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau,
1940; Losch, B., Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Steinzeit (Lithikum) (Bezeichnung 1836 von Chriswtian
Jürgensen Thomsen eigeführt) ist
die Zeit in der Geschichte des Menschen, in der dieser hauptsächlich Werkzeuge
aus Stein verwendet. Sie beginnt mit dem Frühmenschen und ältesten gefundenen
Werkzeugen in Afrika vor etwa 2,6 Millionen Jahren (Altsteinzeit bzw.
Paläolithikum). In ihrem letzten Abschnitt (Jungsteinzeit bzw. Neolithikum)
erfolgt evolutionär (nicht revolutionär) der Übergng zu einer sesshaften Lebensweise
mittels Ackerbau und Viehzucht sowie vielleicht der Gefäßherstellung. Die S.
wird durch die Erfindung und Benutzung von Metallwerkzeugen beendet (Kupferzeit,
in Mitteleuropa um etwa 2200 v. Chr.) Bronzezeit, Eisenzeit). Rechtsgeschichtliche
Erkenntnisse aus der S. sind wegen der Unkörperlichkeit des Rechtes gering und
unsicher.
Lit.: Schulz, W., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutschlands,
1939; Eckhardt, K., Altsteinzeitliche Justizpflege, ZRG GA 60 (1940), 252;
Müller-Beck, H., Die Steinzeit, 1998; Hoffmann, E., Lexikon der Steinzeit,
1999; Altsteinzeit von A-Z, hg. v. Fiedler, L., 2010; Revolution Jungsteinzeit,
hg. v. Otten, T. u. a., 2015
Stellionatus (lat. [M.] Bereicherung durch
falschen Eid) ist im klassischen römischen Recht der Straftatbestand, der als
Vorläufer des →Betrugs bis in das 19. Jh. fortwirkt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; Hupe, E., Falsum, fraus und stellionatus, Diss. jur. Marburg
1967; Schaffstein, F., Das Delikt des stellionatus, FS F. Wieacker, hg. v.
Behrends, O., 1978, 281
Stellvertretung (Wort 1799, Stellvertreter 1695,
Vertretung) ist das rechtsgeschäftliche Handeln einer Person (Vertreter) für
eine andere (Vertretenen). Die S. kann mittelbar oder unmittelbar erfolgen. Das
römische Recht schließt die S. aus, kennt aber in der Rechtswirklichkeit
andere Wege, um die Ziele der S. zu erreichen (z. B. →peculium des
Sklaven). Im Mittelalter entwickelt sich die S. aus der Vertretung vor Gericht,
nach der im Spätmittelalter die Bevollmächtigung von Angestellten bedeutender
Kaufleute üblich wird.
Lit.: Kaser §§ 1 II 3, 11; Söllner § 18; Hübner;
Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 208; Buchka, H., Die Lehre von der
Stellvertretung, 1852; Fränkel, R., Die Grundsätze der Stellvertretung, Z. f.
vergleich. Rechtswiss. 27 (1912), 289; Würdinger, H., Geschichte der
Stellvertretung (agency) in England, 1933; Müller, U., Die Entwicklung der
direkten Stellvertretung, 1969; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Luig, K., Savignys Lehre von der Stellvertretung, Ius
commune 8 (1979), 60; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 423;
Hölzl, F., Savignys Lehre, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 211;
Schmoeckel, M., Von der Vertragsfreiheit zu typisierten Rechtspflichten, (in)
Das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 77; Hölzl, F., Friedrich
Carl von Savignys Lehre von der Stellvertretung, 2002; Heckmann, M.,
Stellvertreter, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Signori, G., Der Stellvertreter, ZRG GA 132
(2015), 1; Ellsperger, R., Zum Verhältnis von unmittelbarer und mittelbarer
Stellvertretung, 2016
Stempel ist das bereits dem Altertum
bekannte, dem Abdruck von Zeichen auf Überlieferungsträgern dienende Gerät.
Der S. entsteht vielleicht durch die Verallgemeinerung des →Siegels.
Seit 1624 (Niederlande) erhebt der Staat für die Stempelung von öffentlichem
Schriftgut eine Steuer (Stempelsteuer), die in Deutschland später wieder
aufgegeben wird.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, G., Stempelrecht, 1778
Stendal in der Altmark ist die um 1160 von
Albrecht dem Bären gegründete Stadt. In S. entsteht im 15. Jh. unter Verwendung
zahlreicher Schriften die (altmärkische oder) →Stendaler Glosse des
Sachsenspiegels.
Lit.: Ein Stendaler Urteilsbuch, hg. v. Behrendt, J.,
1868; Sachs, H., Stendal, 1967; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 74
Stendaler Glosse (altmärkische Glosse) ist eine im
15. Jh. (vor 1410) in →Stendal teils deutsch und teils lateinisch
verfasste Glosse interlinearer und marginaler Glossatur zum lateinischen und
mittelniederdeutschen Text des →Sachsenspiegels (1221-1224), zur
petrinischen Glosse, zum Magdeburger Weichbild in 6 Büchern und ansatzweise zum
Richtsteig Lehnrechts unter Benutzung der Glossa ordinaria zum römischen Recht,
zahlreicher Juristenschriften, der Lombarda, der Bibel, der Kirchenväter,
klassisch lateinischer Autoren, der buchschen Glosse, Magdeburger
Schöffensprüche und märkischer Gewohnheiten.
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 74
Stephanskrone (Krone Stephans I. von
→Ungarn [997-1038], Länder der S. sind die jenseits der Leitha liegenden
Länder Habsburgs)
Stephanus ist ein vermutlich in Beirut im 6. Jahrhundert
wirkender Rechtskundiger.
Lit.: De Jong, H., Stephanus en zijn digestenonderwijs, 2008
Stephanus Tornacensis (Stephan von Tournai) (Orléans 18.
2. 1128-Tournai 11. 9. 1203) wird nach dem Theologiestudium in Paris und dem
Rechtsstudium in Bologna (Rufinus, Bulgarus) Lehrer in Chartres, 1167 Abt in
Orléans und 1192 Bischof von Tournai. Zwischen 1166 und 1169 verfasst er seine
(lat.) Summa (F.) decreti (Dekretsumme). Sie überragt ihre zugrundeliegenden
Vorläufer durch tiefere Durchdringung des Stoffes.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Kalb, H., Studien zur Summa, 1983; Weigand, R., Studien zum
kanonistischen Werk Stephans von Tournai, ZRG KA 72 (1986), 349
Sterbefall ist der Tod eines Menschen. An ihn
knüpfen sich seit dem Mittelalter grundherrschaftliche Abgaben (z. B.
→Besthaupt). Diese werden spätestens im 19. Jh.
beseitigt.→Erbschaftsteuer
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2
Sterilisation (F.) Unfruchtbarmachung,
Keimfreimachung (zwischen 1933 und 1945 etwa 360000 Menschen im Deutschen
Reich)
Lit.: Tümmers, H., Anerkennungskämpfe - Die
Nachgeschichte, 2011Ruckert, F., Zwangssterilisationen im Dritten Reich
1933-1945, 2012
Steuer ist die einmalige oder laufende
Geldleistung, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung
darstellt und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von
Einkünften allen auferlegt wird, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das
Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Sie ist als Grundsteuer (lat. N.
stipendium), personale Vermögensteuer (lat. tributum N.
capitis, Kopfsteuer) oder Gewerbesteuer bereits dem klassischen römischen
Recht bekannt, das ihre Eintreibung durch Steuerpächter durchführt. Im
Mittelalter lebt der Herrscher im Wesentlichen zunächst von den Einkünften aus
seinen Gütern, doch entsteht die S. in Land und Stadt mit der Herrschaftsverdichtung
und dem Übergang zur Geldwirtschaft seit dem 13. Jh. (in Frankreich z. B. im
15. Jh. durchgesetzt). In der Neuzeit weitet sich die Besteuerung in den
Ländern durch →Steuerrecht stetig aus. In der Mitte des 19. Jh.s
überholen die Steuereinnahmen die sonstigen Staatseinkünfte. Insbesondere für
die Leistungsverwaltung werden zusätzliche Einnahmen durch die
Entscheidungsträger (Parlamente) zu Lasten der Betroffenen (steuerpflichtigen
Bürger) festgesetzt. Im Deutschen Reich beläuft sich 1913 der Steueraufwand
auf 2100000000 Mark (2,1 Milliarden für das Reich, 2,7 Milliarden für die
Einzelstaaten). Im 20. Jh. gelangt die Besteuerung mit Umverteilungszielen an
die zeitweise mittels Neuverschuldung zeitlich versetzten Grenzen der Belastbarkeit
der Steuerpflichtigen (Lohnsteuer, Einkommensteuer, Umsatzsteuer).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 32, 55, 83,
110, 111, 113, 149, 150, 152, 191, 196, 198, 233, 234, 259, 260; Köbler, WAS;
Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878; Lohmann, K., Das Reichssteuergesetz
von 1654, Diss. Bonn 1892/1893; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen in
Tirol, Tel 1 1901; Bittner, L., Die Geschichte der direkten Staatssteuern im
Erzstifte Salzburg, 1903; Dopsch, A., Steuerpflicht und Immunität im Herzogtum
Österreich, ZRG GA 26 (1905), 1; Schnettler, O., Ein
Steuerstreit, 1932; Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939, 2. A. 1963;
Schräder, B., Die Besteuerung des Bauerntums in der Reichsgrafschaft Bentheim,
1941; Partsch, G., Die Steuern des Habsburger Urbars (1303-1308), 1946; Mitchell,
S., Taxation in Medieval England, 1951; Kirchner, G., Die Steuerliste von 1241,
ZRG GA 70 (1953), 64; Gerhard, H., Das Steuerwesen der Grafschaft Saarbrücken,
1960; Lunt, W., Papal Revenues, 2. A. 1965; Wachenhausen, M., Staatsausgabe
und öffentliches Interesse in den Steuerrechtfertigungslehren des
naturrechtlichen Rationalismus, 1972; Merzbacher, F., Das Wesen der Steuer, FS
H. Paulick, 1973, 255; Schulze, W., Reichstage und Reichssteuern im späten 16.
Jahrhundert, ZHF 2 (1975), 43; Steitz, W., Die Realbesteuerung der
Landwirtschaft, 1976; Jenetzky, J., System und Entwicklung des materiellen
Steuerrechts, 1978; Schuler, P., Reichssteuern und Landstände, Schauinsland 97
(1978), 39; Hartmann, P., Das Steuersystem der europäischen Staaten, 1979;
Isenmann, E., Reichsfinanzen und Reichssteuern im 15. Jahrhundert, ZHF 7
(1980), 1; Franke, S., Entwicklung und Begründung der Einkommensbesteuerung,
1981; Stolleis, M., Pecunia nervus rerum, 1983; Linzbach, P., Der Werdegang der
preußischen Einkommensteuer, 1984; Wild, W., Steuern und Reichsstandschaft,
1983; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 1986, 3. A. 1992; Pausch,
A./Pausch, J., Kleine Weltgeschichte der Steuerobrigkeit, 1989; Brown, A., The
Governance of Late Medieval England, 1989; Schomburg, W., Lexikon der deutschen
Steuer- und Zollgeschichte, 1992; Lieb, R., Direkte Steuerprogression, 1992;
Mußgnug, D., Die Reichsfluchtsteuer 1931-1953, 1993; Steuern, Abgaben und
Dienste, hg. v. Schremmer, E., 1994; Schremmer, E., Steuern und Staatsfinanzen,
1994; Voß, R., Steuern im Dritten Reich, 1995; Schwennicke, A., „Ohne Steuer
kein Staat“, 1996; Kumpf, J., 5000 Jahre Steuern und Zölle, 1996; Amend, A.,
Von der Kunst, eine Steuerfrage aus einer Parteifrage in eine Finanzfrage zu
verwandeln, 1997; Thier, A., Steuergesetzgebung und Verfassung in der
konstitutionellen Monarchie, 1999; Hackl, B., Die theresianische Steuerrektifikation,
1999; Mathiak, W., Zwischen Kopfsteuer und Einkommensteuer, 1999; Hackenberg,
M., Die Verpachtung von Zöllen und Steuern, 2002; Schremmer, E., Warum die
württembergischen Ertragsteuern von 1821 und die sächsische Einkommensteuer
von 1874/78 so interessant sind, 2002; Schauer, R., Die Steuergesetzgebung des
Nationalsozialismus, 2003; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer-
und Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Ullmann,
H., Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen, 2005;
Johann, U., Die Steuergesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland von 1983
bis 1998, 2006; Kersting, G., Steuerwiderstand und Steuerkultur. Der Kampf
gegen das Umgeld im Königreich Württemberg (1819-1871), 2006; Günther, S.,
Vectigalia nervos esse rei publicae, 2008; Baßler, J., Steuerliche
Gewinnabgrenzung im Europäischen Binnenmarkt, 2012; Sahm, R., Von der
Aufruhrsteuer bis zum Zehnten, 2014; Steuern im historischen Kontext, hg. v.
Seer, R., 2014; Steueroasen im Visier, hg. v. Macho, R., 2015; Meinzer, M.,
Steueroase Deutschland, 2015; 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland
1918-2018, hg. v. Drüen, K. u. a., 2018 (Sammelband)
Steuerbewilligung ist die notwendige Zustimmung der
→Landstände zur Steuererhebung durch den Landesherrn.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3
Steuerrecht ist die Gesamtheit der die
→Steuer betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Högemann, W., Das deutsche Steuerrecht unter dem
Einfluss des Nationalsozialismus, Diss. jur. Münster 1993; Schmoeckel, M.,
Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Bräunig, C., Herbert Dorn 1887-1957) –
Pionier und Wegbereiter im internationalen Steuerrecht, 2016
Steuerstrafrecht ist die Gesamtheit der
Straftatbestände betreffenden Rechtssätze des →Steuerrechts. Das S.
gewinnt mit der Vermehrung der Steuerlast zunehmende Bedeutung.
Lit.: Erler, A., Bürgerrecht und Steuerpflicht, 1939,
2. A. 1963; Lammerding, J. u. a., Steuerstrafrecht, 6. A. 1993; Poggemann, M.,
Schuld und Strafe, 1997; Otte, L., Schwarzgeld, 2015
Steward →Stuart
Steyr →Landlauf von Steyr
Stiernhöök, Johann Olafson (1596-1675) wird
nach dem Rechtsstudium in Uppsala, Leipzig, Jena, Wittenberg und Rostock 1630
Hofgerichtsassessor und 1640 Professor in Turku. 1674 veröffentlicht er eine
Darstellung des schwedischen, nicht von der Rezeption erfassten Rechtes (De
iure Sveonum et Gothorum, Vom Recht der Schweden und Göten).
Lit.: Stiernhöök, J., De iure Sveonum et Gothorum
vetusto, 1672, Neudruck 1962; Jägerskiöld, Johann Stiernhöök, Rättshistorisk
Studien 4 (1974), 117; Johan Olofsson Stiernhöök, hg. v. Modéer, K., 1996
Stift ist das Kollegium kanonisch
lebender Kleriker in einer Kirche. Es entsteht im Frühmittelalter. Seit dem
Hochmittelalter ist es Verbandsperson.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schäfer, K.,
Pfarrkirche und Stift, 1903; Heckel, J., Die evangelischen Dom- und
Kollegiatstifter Preußens, 1924, Neudruck 1964; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Schieffer, R., Die Entstehung von
Domkapiteln, 1976; Lill, R., Stifts- und Abteikirchen, 1987; Studien zum
weltlichen Kollegiatstift, hg. v. Crusius, I., 1995; Hankel, H., Die
reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte, 1996; Wagner, W.,
Universitätsstift und Kollegium, 1999; Studien zum Kanonissenstift, hg. v.
Crusius, I., 2001; Die Stiftskirche in Südwestdeutschland, hg. v. Lorenz, S. u.
a., 2003; Dom- und Kollegiatstifte in der Region Tirol – Südtirol – Trentino in
Mittelalter und Neuzeit, hg. v. Obermair, H. u. a., 2006; Stift und Wirtschaft,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2007; Adelige Damenstifte Oberschwabens in der frühen
Neuzeit, hg. v. Schiersner, D. u. a., 2011; Schiersner, D., Räume und
Identitäten, 2014
Stiftung (Wort um 950 belegt) ist die Widmung von Vermögen zu
einem bestimmten Zweck durch Rechtsgeschäft. Als ein zur Verfügung gestelltes,
in seinen Erträgen die Verfolgung bestimmter Zwecke wie Götterkult oder
Ahnenverehrung auf Dauer ermöglichendes Kapital geht die S. vielleicht bis etwa
3000 v. Chr. (Mesopotamien, Ägypten) zurück. Sie ist jedenfalls bereits dem
römischen Recht im Ansatz bekannt. Im Mittelalter fördert die Kirche die
mildtätige S. Aufklärung und Säkularisation stehen der S. feindlich gegenüber.
Als juristische Person wird die bis dahin meist nur als unselbständiger Anhang
einer Körperschaft (z. B. Kirche, Gemeinde) angesehene S. im 19. Jh. anerkannt
(Heise, G. A., Grundriss eines Systems des gemeinen Civilrechts, 2. A. 1816,
23). In das Bürgerliche Gesetzbuch von 1896/1900 findet sie nur zögernd
Eingang. (1881 eine Vorschrift, 1900 neun). Im ausgehenden 20 Jh. bietet die S.
nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika eine Möglichkeit der
Milderung der Härten hoher Erbschaftsteuern auf große Vermögen (z. B. dürfen
seit 2006 in der Schweiz 20 Prozent des Einkommens bzw. Gewinns als Spenden
steuersparend geltend gemacht werden). Als älteste noch bestehende deutsche
Stiftung gilt der in Lüneburg 1127 errichtete Hospitalfonds Sankt Bendikt
(evangelisches Stift in Sankt Goar zwar vielleicht in einem Vorläufer 765
errichtet, aber um 1525 aufgelöst, Hospitalstiftung in Wemding nicht 917,
sondern erst 1371 gegründet).
Lit.: Kaser § 17 III; Köbler, DRG 58, 121; Heimberger,
H., Die Veränderung des Stiftungszwecks, 1913; Reicke, S., Stiftungsbegriff und
Stiftungsrecht im Mittelalter, ZRG GA 53 (1933), 247; Pleimes, D., Die
Rechtsproblematik des Stiftungswesens, Diss. jur. Leipzig 1938; Pleimes, D.,
Weltliches Stiftungsrecht, 1938; Pleimes, D., Irrwege der Dogmatik im
Stiftungsrecht, 1954; Ebersbach, H., Die Stiftung des öffentlichen Rechts,
1961; Scheyhing, R., Zur Geschichte des Gymnasiums in Ellwangen, ZRG GA 79
(1962), 264; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts (Handbuch des
Stiftungsrechts 1), 1963; Stiftungen aus Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 1f.,
hg. v. Berndl, H. u. a. 1970f.; Ebersbach, H., Handbuch des deutschen
Stiftungsrechts, 1972; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R. u. a., 1977;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Eichler, H., Die Verfassung
der Körperschaft und Stiftung, 1986; Scheyhing, R., Die Gremp’sche Stiftung
1584-1984, ZRG GA 103 (1986), 254; Borgolte, M., Die Stiftungen des
Mittelalters, ZRG KA 105 (1988), 71; Mäzenatentum in Vergangenheit und
Gegenwart, hg. v. Becker, J., 1988; Deutsches Stiftungswesen, hg. v. Hauer, R.,
1989; Rexroth, F., Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992;
Borgolte, M., Totale Geschichte des Mittelalters?, 1993; Siems, H., Von den
piae causae zu den Xenodochien, (in) Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u.
a., 1998, 57; Lusiardi, R., Stiftung und religiöse Gesellschaft, 1999; Wagner,
W., Universitätsstift und Kollegium in Prag, Wien und Heidelberg, 1999;
Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten, hg. v. Borgolte, M., Bd. 1 2000;
Lusiardi, R., Stiftung und städtische Gesellschaft, 2000; Theisen, F., Mittelalterliches
Stiftungsrecht, 2002; Liermann, H., Geschichte des Stiftungsrechts, 2. A. 2002;
Alexander, L., Anstalten und Stiftungen. Verselbständigte Vermögensmassen im
römischen Recht, 2003; Klostermann, G., Das niederländische privatrechtliche
Stiftungsrecht, 2003; Schewe, M., Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von
Todes wegen, 2004; Scheller, B., Memoria an der Zeitenwende. Die Stiftungen
Jakob Fuggers, 2004; Stiftungen in Christentum, Judentum und Islam vor der
Moderne, hg. v. Borgolte, M., 2005; Schwarz, R., Das Stiftungswesen in der
sowjetischen Besatzungszone und in der Deutschen Demokratischen Republik,
2008; Kästner, K./Couzinet, D., Der Rechtsstatus kirchlicher Stiftungen
staatlichen Rechts des 19. Jahrhunderts, 2008; Steiner, M., Die Klöster und ihr
Wirken, 2009; Islamische Stiftungen zwischen juristischer Norm und sozialer
Praxis, hg. v. Meier, A. u. a., 2009; Borgolte, M., Stiftungen, (in) Stiftungen
3 (2009), 9; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Hahn, P., Die Stiftungssatzung, 2010; Lohse, T., Die Dauer der Stiftung,
2011; Werner, M., Stiftungsstadt und Bürgertum, 2011; Impekoven, H., Die
Alexander von Humboldt-Stiftung, 2011; Borgolte, M., Stiftung und Memoria. 2012
(Aufsätze); Moddelmog, C., Königliche Stiftungen des Mittelalters im
historischen Wandel, 2012; Bach, C., Bürgersinn und Unternehmergeist, 2014;
Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften, Bd. 1
Grundlagen, hg. v. Borgolte, M. 2014, Bd. 2 Das soziale System, 2014; Borgolte,
M., Fünftausend Jahre Stiftungen, HZ 301 (2015) 593; Johannsen, Imke, Stifter
und Stiftungen im frühneuzeitlichen Hamburg, 2019
Stille Gesellschaft ist die Beteiligung an einem
Geschäft ohne tätige Mitwirkung. Die s. G. ist eine nach außen nicht erkennbare
Innengesellschaft. Sie findet sich bereits im Hochmittelalter. Im Allgemeinen
Deutschen Handelsgesetzbuch (1861) wird die s. G. von der
→Kommanditgesellschaft geschieden.
Lit.: Köbler, DRG 127, 217; Goldschmidt, L., Handbuch
des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Rehme, P., Geschichte des Handelsrechts,
1913; Engler, C., Die Kommanditgesellschaft (KG) und die stille Gesellschaft
im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 1999
stillschweigend (Adj.) ohne ausdrückliche Willenserklärung
erfolgend, gesetzlich oder gewohnheitsrechtlich geltend (z. B. Pfandrecht des
Vermieters oder Verpächters)
stilus (M.) curiae (lat.) Schreibart eines Gerichts,
Gerichtsgebrauch
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae
am Reichshofrat, 1973; Berger, H., Die Entwicklung der zivilrechtlichen
Relation, Diss. jur. Frankfurt am Main 1976
Stimmrecht ist das Recht, an einer Abstimmung
einer Personenmehrheit teilzunehmen. Es gewinnt insbesondere im 19. Jh.
allgemeine Bedeutung.
Lit.: Vogel, B. u. a., Wahlen in Deutschland, 1971
Stintzing, Roderich von (Altona 8. 2.
1825-Südtirol 13. 9. 1883), Arztssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Jena,
Heidelberg, Kiel und Berlin 1848 Rechtsanwalt und 1854 ordentlicher Professor
in Basel, Erlangen (1857) und Bonn (1870). Nach langjährigen Vorbereitungen
veröffentlicht er 1880 die Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978;
Müllenbach, B., Zum 100. Todestag von Roderich von Stintzing, ZRG GA 101
(1984), 312
stipendium (lat. N.)
Steuer, Grundsteuer, Unterstützung
Lit.: Köbler, DRG 32; Adam, T., Stipendienstiftungen
und der Zugang zu höherer Bildung in Deutschland von 1800 bis 1960, 2008 (in
Preußen 1885 für 21 Prozent der Studierenden Zuwendungen verfügbar);
Stipendienstiftungen und Stipendiaten, hg. v. Merkel, G., 2008
Stipulatio (lat. F.)
ist bereits im altrömischen Recht das Versprechen. Es stellt eines der
wichtigsten Geschäfte überhaupt dar. Bei der Stipulation macht der eine ein
(mündliches, formgebundenes) Angebot (lat. centum mihi dari spondesne
[versprichst du, dass mir hundert gegeben werden?]), dem der andere zustimmt
(lat. spondeo [ich verspreche]). Die vielseitig (z. B. für ein Schenkungsversprechen,
die Haftung bei Verkauf oder eine Zinsabrede) verwendbare, einseitig verpflichtende
S. ist im klassischen römischen Recht →Verbalkontrakt (mit der actio ex
stipulatu einklagbar). Zu Gunsten eines Dritten ist die S. ausgeschlossen (lat.
alteri stipulari nemo potest, für einen Dritten kann niemand versprechen). Bei
der Aufnahme des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter wird der besondere
Wortformalismus nicht übernommen (usus modernus pandectarum, moderner Gebrauch
der Pandekten).
Lit.: Kaser §§ 6 III, 7 III, 8 I, 32 II, 33 I, IV, 38
II, 40 I, 41 VI, 58 III, 59 II; Söllner §§ 8, 9, 18, 24; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 19, 22, 27, 45, 164; Seuffert, L., Materialien zur Deutung von
stipulatio in mittelalterlichen Urkunden, ZRG GA 2 (1881), 115; Wolf, J.,
Causa stipulationis, 1970; Simon, D., Studien zur Praxis der
Stipulationsklausel, 1964; Wesener, G., Zum Weiterleben römischen Rechtes im Frühmittelalter (in) Cinquante anni della
Corte costituzionale della Repubblica italiana, 2006, 1751; Finkenauer, T., Stipulation
und Geschäftsgrundlage, ZRG RA 127 (2010), 305; Finkenauer, T., Vererblichkeit
und Drittwirkung der Stipulation im klassischen römischen Recht, 2010; Berg,
S., Die Stipulation in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2009
Stipulatio (F.) Aquiliana (lat.) ist die von Gaius Aquilius
Gallus (66 v. Chr.) geschaffene, den Geldwert aller gegenwärtig oder künftig
gerichtlich durchsetzbaren Rechte des Stipulanten in einer einzigen
Stipulation zusammenfassende Stipulation (Ausgleichsquittung).
Lit.: Kaser § 54 I 5; Köbler, DRG 29, 44; Sturm, F.,
Stipulatio Aquiliana, 1972
stipulatio (F.) duplae (lat.) Strafstipulation auf das
Doppelte (des Kaufpreises), falls die verkaufte und dem Käufer übergebene Sache
von einem besser Berechtigten herausverlangt wird (teilweise fingiert)
Lit.: Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 46
Stipulation (Versprechen) →stipulatio
Stobbe, Johann Ernst Otto (Königsberg 28.
6. 1831-Leipzig 19. 5. 1887) wird nach dem Studium von Philosophie und Rechtswissenschaft
in Königsberg, Leipzig und Göttingen (Merkel, Albrecht, Waitz) 1856 in
Königsberg außerordentlicher Professor und dann ordentlicher Professor, 1859 in
Breslau, 1872 in Leipzig. Er veröffentlicht 1860 die Geschichte der deutschen
Rechtsquellen (Neudruck 1965) und 1871 ein Handbuch des deutschen Privatrechts.
Lit.: Friedberg, E., Otto Stobbe, 1887; Stintzing,
R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff.
1880ff., Neudruck 1957, 1978; Scholze, B., Otto Stobbe, 2002
Stock (M.) Gefängnis, Pranger
Stockholm am Mälarsee erscheint 1252. Im 17.
Jh. wird es Hauptstadt Schwedens. Im 19. Jh. erhält es eine 1960 verfestigte
Universität.
Lit.: Dahlbäck, G., I medeltidens Stockholm, 1988;
Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Stockwerkseigentum ist das besondere Eigentum an einem
Teil eines Hauses. Im Gegensatz zum römischen Recht erscheint es im Mittelalter
vor allem in Süddeutschland seit dem 12. Jh., in Tirol seit dem 15. Jh. Seit
der Mitte des 19. Jh.s wird S, zurückgedrängt. Am Ende des 19. Jh.s wird seine
Neubildung als rechtlich unmöglich (lat. superficies solo cedit, der obere
Teil weicht dem Grund) ausgeschlossen (Österreich 1879, deutsches Reich 1900,
Schweiz 1907/1911). In der zweiten Hälfte des 20. Jh.s tritt das
Wohnungseigentum an seine Stelle.
Lit.: Kaser § 26 III 3; Hübner; Ackermann, F., Über Stockwerkseigentum,
Diss. jur. Göttingen 1891; Novak, F., Das Stockwerkseigentum im Wiener Rechte
des Mittelalters, ZRG GA 54 (1934), 89; Putzer, P., Zur Rechtsgeschichte des
Stockwerkseigentums, FS E. Hellbling, 1971, 581; Thümmel, H., Stockwerkseigentum
in Baden, Z. f. d. Notariat in Baden-Württemberg 50 (1984), 5; Rainer, J.,
Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Freundling, G.,
Echtes altes Stockwerkseigentum in Bayern, ZRG 116 (1999), 384; Kohl, G.,
Stockwerkseigentum 2007
Stolgebühr ist die nach dem Amtsgewand des
Geistlichen (Stola) bezeichnete Gebühr für eine kirchliche Handlung (z. B.
Taufe, Trauung, Begräbnis).
Lit.: Freudenberger, T., Der Kampf um die radikale
Abschaffung, Münchner Theol. Z. 1 (1950), 40; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
Stölzel, Adolf (Gotha 28. 6. 1831-Berlin
19. 4. 1919), Stadtsekretärs- und Amtsadvokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Marburg und Heidelberg 1860 Richter und 1887 Honorarprofessor. 1872 legt er
eine Untersuchung über die Entwicklung des gelehrten Richtertums in deutschen
Territorien vor, 1901 eine Untersuchung über die Entwicklung der gelehrten
Rechtsprechung.
Lit.: Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 40
(1919), 393
Störer (Wort 1312, Störung 1190) ist der durch ein
Verhalten oder einen Zustand andere Störende oder in ihren Rechten
Beeinträchtigende.
Lit.:
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Stracca, Benvenuto (Ancona 1509-1578),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Bologna Jurist in Ancona. Er
veröffentlicht 1553 den (lat.) Tractatus (M.) de mercatura seu mercatore (Abhandlung
vom Handel oder Kaufmann), der mit der Behandlung des Kaufmanns und seiner Geschäfte
die erste wissenschaftliche Darstellung des →Handelsrechts ist.
Lit.: Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts,
1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.)
1891, Neudruck 1957; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2, 1, 1977
Strafaussetzung zur Bewährung ist die im 20. Jh.
nach englischen Vorläufern (1778 Strafkolonien in Australien) nach amerikanischem
Vorbild (Massachusetts 1869, England 1887, Belgien 1888, Frankreich 1891,
bedingte Begnadigung Sachsen 1895) eingeführte Aussetzung der Vollstreckung
einer →Freiheitsstrafe unter der Bedingung, dass der Täter während einer
Bewährungszeit nicht erneut straffällig wird (Deutschland Reichsjugendgerichtsgesetz
1923, allgemein Bundesrepublik Deutschland 1953).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 236
Strafbefehl (Wort zuerst in Hannover) ist
die Entscheidung des Gerichts im besonderen Strafbefehlsverfahren der Strafprozessordnung
(§§ 407-412 StPO). Dem Strafbefehlsverfahren fehlen die in Preußen 1846 eingeführten
Grundsätze der Mündlichkeit, der Öffentlichkeit und des rechtlichen Gehörs
weitgehend, so dass es insofern den älteren Inquisitionsprozess fortführt.
Seine Bedeutung ist seit 1846 vor allem auch unter Kostengesichtspunkten
stetig gewachsen.
Lit.: Elobied, T., Die Entwicklung des Strafbefehlsverfahrens
von 1846 bis in die Gegenwart, 2010
Strafe ist das dem Täter einer Straftat
von der Allgemeinheit zuzufügende, das Opfer nicht entschädigende Übel. Im
altrömischen Recht werden Unrechtstaten überwiegend mit den Mitteln der
Hauszucht, des Kriegsrechts, der allgemeinen magistratischen Zuchtgewalt und
des Zivilverfahrens verfolgt und nur in einigen seltenen Fällen (Landesverrat,
Magistratsverletzung) mit einer öffentlichen Strafe (Enthauptung und
Vermögenseinziehung, später auch Geldstrafe) belegt. Demgegenüber dringt seit
dem 3. Jh. v. Chr. die öffentliche Unrechtsverfolgung allgemein durch. Strafen
sind danach Todesstrafe, Verbannung, Ausprügelung, Zwangsarbeit und Geldstrafe.
Justinian vereinigt alle Regelungen in den Büchern 47 und 48 der
→Digesten. Inwieweit die Germanen S. kennen, ist zweifelhaft (Aufhängen
bei Volksverrat, im Moor Versenken bei Unzucht). Im Frühmittelalter überwiegt
das →Kompositionensystem. Erst seit dem 11. Jh. erscheint die S. (wieder
allgemeiner) in →Landfrieden, setzt sich dann aber rasch durch. Sie ist
anscheinend bis in das 17. Jh. meist in Geld ablösbar. Bereits vor dem 12. Jh.
sind auch Ansätze eines kirchlichen Strafrechts erkennbar, die aber erst durch
die an das den Gegenstand noch an verschiedenen Stellen behandelnde Decretum
Gratians (um 1140) anschließende Kanonistik (Bernhard von Pavia [† 1213],
Compilatio prima Buch 5 de criminibus et poenis, Liber Extra Gregors IX. [um
1167-1241] - de poenis) systematisch ausgebaut werden, so dass etwa ab 1150
allmählich kirchliche Buße und kirchliche Strafe getrennt werden. Thomas von
Aquin legt in seiner auf Aristoteles aufbauenden Straftheorie die Strafe auf
die Sündenstrafe fest und trennt damit die eigentliche Strafe von strafenden
Maßnahmen mit anderen Zielen, wobei ihm die eigentliche Strafe ein Ausgleichen
einer freiwilligen Sünde durch ein unfreiwilliges Leiden ist. Eine allgemeinere
ausführliche Regelung bringt die →Constitutio Criminalis Carolina (1532).
Danach stehen Todesstrafen und Leibesstrafen im Mittelpunkt, doch tritt auch
die →Freiheitsstrafe schon auf. Für sie entwickelt sich seit dem 16. Jh.
der Erziehungsgedanke (→Zuchthaus). Wohl aus der spanischen Inquisition
und der spanischen Spätscholastik (Alfonso de Castro 1495-1558) stammt die einschränkende
Vorstellung des an den Straftäter gerichteten sittlichen Vorwurfs, die auch zur
Folge hat, dass schuldunabhängige Zwangsmaßnahmen unter Berufung auf ihre
Unverzichtbarkeit für das Wohl der Allgemeinheit zu einem neuartigen
Präventionsrecht neben dem eigentlichen Strafrecht zusammengefasst werden (Zweigleisigkeit).
Das Strafgesetzbuch Josephs II. für Österreich (Allgemeines Gesetzbuch über
Verbrechen und deren Bestrafung, 1787, Josephina) verbietet dem Richter
Auslegung und Analogie (lat. nulla poena sine lege, keine Strafe ohne Gesetz).
Im 19. Jh. wird die Resozialisierung des Straftäters in den Vordergrund
gerückt (→Liszt 1882). Die Todesstrafen und Leibesstrafen werden
überdacht und im 20. Jh. beseitigt. Die kurzzeitige Freiheitsstrafe wird in der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s durch die ökonomischer zu verwendende →Geldstrafe
ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 14, 20, 34, 56,
87, 91, 118, 119, 158, 204, 236, 264; Köbler, WAS; Kohler, J., Das Strafrecht
der italienischen Statuten, 1897; Allmann, I., Außerordentliche Strafe und
Instanzentbindung, Diss. jur. Göttingen 1903; Binding, K., Die Entstehung der
öffentlichen Strafe im germanisch-deutschen Recht, 1908 (Rede), e-book
2013Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922; His, R., Geschichte des
deutschen Strafrechts bis zur Karolina, 1928, Neudruck 1967; Levy, E., Die
römische Kapitalstrafe, 1931; Schindler, G., Verbrechen und Strafen im Recht
der Stadt Freiburg, 1937; Achter, V., Geburt der Strafe, 1951; Bianchi, H.,
Ethik des Strafens, 1966; Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970;
Polley, R., Die Lehre vom gerechten Strafmaß, 1972; Abdulmegid Kara, M., The
Philosophy of Punishment in Islamic Law, 1977; Gudian, G., Geldstrafrecht und
peinliche Strafe, FS A. Erler, 1977, 273; Nehlsen, H., Entstehung des
öffentlichen Strafrechts, FS H. Thieme, 1983, 3; Hattenhauer, H., Über Buße und
Strafe im Mittelalter, ZRG GA 100 (1983), 53; La Peine, 1989; Rees, W., Die
Strafgewalt der Kirche 1993; Holzhauer, H., Zum Strafgedanken im frühen
Mittelalter, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 179; Weitzel, J., Strafe und
Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Bader, K., Zum
Unrechtsausgleich und zur Strafe im Frühmittelalter, ZRG GA 112 (1995), 1;
Klementowski, M., Die Entstehung der Grundsätze der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit und der öffentlichen Strafe im deutschen Reich bis zum 14.
Jahrhundert, ZRG GA 113 (1996), 217; Wadle, E., Die peinliche Strafe, (in)
Träger und Instrumente des Friedens, 1996, 229; Martin, H., Verbrechen und
Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1996;
Schnabel-Schüle, H., Überwachen und Strafen im Territorialstaat, 1997; Reuß,
E., Berliner Justizgeschichte, 2000; Peters, J., Die Entwicklung von
Sanktionspraxis und Strafrechtsreform 1871 bis 1933, 2000; Gellinek, C., Was
heißt strafen?, ZRG GA 118 (2001), 385; Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter,
hg. v. Schlosser, H. u. a., 2002; Henselmeyer, U., Ratsherren und andere
Delinquenten, 2002; Maihold, H., Strafe für fremde Schuld?, 2003; Börsch, M.,
Damit Übeltaten nicht ungestraft bleiben, 2003; Thiel, S., Strafe und
Strafverfahren in der freien Reichsstadt Memmingen, Diss. jur. Würzburg 2003;
Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Maihold, H., Strafe für
fremde Schuld?, 2005; Kéry, L., Gottesfurcht und irdische Strafe, 2006;
Europäische Strafkolonien im 19. Jahrhundert, hg. v. Da Passano, M., 2006; Der
Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung, hg. v. Hilgendorf, E. u. a.,
2007; Emsley, C., Crime, Police and Penal Policy, 2007; Schauz, D., Strafen als
moralische Besserung, 2008; Rosenblum, W., Beyond the Prison Gates - Punishment
and welfare in Germany 1850-1933, 2008; Strafe und Strafrecht in den antiken
Welten, hg. v. Rollinger, R. u. a., 2012; Maiholde, H., Die Bildnis- und
Leichnamsstrafen im Kontext der Lehre von den crimina excerpta, ZRG GA 130
(2013), 78; Boes, M., Creime and Punishment in Early Modern Germany, 2013
(Frankfurt am Main); Capital and Corporal Punishment in Anglo-Saxon England,
hg. v. Gates, J. u. a., 2014; Shame between punishment and penance. The social
usages of shame in the middle ages and early modern times, hg. v. Sère, B. u.
a., 2013; Isernhinke, K., Das Strafgefangenlager Oberems, 2015; Maetschke, M.,
„Verdammung der Missethäter zur Bergarbeit“, 2016
Strafgesetz ist das Strafe betreffende Gesetz (z. B.
[Constitutio criminalis Bambergensis 1507, Constitutio criminalis Carolina
1532, Constitutio criminalis Theresiana 1768, Allgemeines Gesetzbuch über
Verbrechen und deren Bestrafung Josephs II. für die habsburgischen Erbländer
1787,] S. über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen Österreichs vom 3. 9.
1803, Anlage zum kaiserlichen Patent vom 3. 9. 1803, JGS 626, S. über
Verbrechen, Vergehen und Übertretungen Österreichs von 1852, Anlage zum
kaiserlichen Patent vom 27. 5. 1852).
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StrafgesetzbuchOesterreich1852.htm;
Kertai, B., Sicherheit, Risiko und Opferschutz – Anlässe der Strafgesetzgebung,
2014
Strafgesetzbuch ist das (älteren Gesetzen und
Verordnungen über Strafrecht und Strafverfahren wie z. B. (den
Halsgerichtsordnungen,) der Constitutio Criminalis Carolina von 1532, der Ordonnance
sur le fait de la justice von Villers-Cotterêts von 1539 in Frankreich oder den
Strafrechtsverordnungen vom 5. und 6. Juli 1570 in den spanischen Niederlanden
folgende,) das →Strafrecht kodifizierende Gesetzbuch (z. B. bayerischer
Codex iuris criminalis 1751, Constitutio Criminalis Theresiana 1768,
Constitutio Criminalis Josephina = Josefinisches Strafgesetzbuch 1787, Frankreich
Code pénal 1791, 1795, preußisches Allgemeines Landrecht 1794, Westgalizisches
S. 1796, Österreich 1803, Allgemeines Kriminalrecht für die preußischen Staaten
1805, Code pénal 1810, Bayern 1813, Oldenburg 1814, Sachsen Criminalgesetzbuch
1838, Württemberg 1839, Sachsen-Weimar 1839, Hannover 1840, Braunschweig 1840,
Sachsen-Altenburg 1841, Hessen 1841, Lippe-Detmold 1843, Sachsen-Meiningen
1844, Schwarzburg-Sondershausen 1845, Baden 1845, Nassau 1849, Preußen 1851 [,
Österreich 1852 Neuherausgabe], Sachsen 1855, 1868 revidiert, Deutsches Reich
1871 unter maßgeblichem Einfluss Preußens und geringem Einfluss Sachsens).
Das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches (liberales Reichsstrafgesetz mit
eher anitliberaler Novelle von 1876) wird nach zahlreichen Reformvorschlägen
(u. a. Entwurf Gustav Radbruchs von 1922) 1969 in seinem allge-meinen Teil
verändert (Einheitsstrafe, viele Geldstrafen nach Tagessätzen). Die
Übertretungen werden überwiegend zu Ordnungswidrigkeiten. 1973/1974 werden
die Sexualdelikte liberalisiert, 1976 wird die Wirtschaftskriminalität
erfasst, 1980 die Umweltkriminalität, 1986 die Computerkriminalität. In Österreich
wird das Strafgesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen vom
3. September 1803, neue Ausgabe zum 1. 9. 1852, durch das Bundesgesetz vom 23.
1. 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen
(Strafgesetzbuch) ersetzt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 182, 229;
Stenglein, M., Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher, Bd. 1ff. 1858; Berner,
A., Die Strafgesetzgebung in Deutschland, 1867, Neudruck 1978; Würtenberger,
T., Das System der Rechtsgüterordnung, 1933, Neudruck 1973; Maes, L., Die drei
großen europäischen Strafgesetzbücher, ZRG 94 (1977), 207; Schubert, G.,
Feuerbachs Entwurf zu einem Strafgesetzbuch, 1978; Schubert, W., Der Ausbau der
Rechtseinheit unter dem Norddeutschen Bund, FS R. Gmür, 1983, 149; Protokolle
der Kommission für die Reform des Strafgesetzbuches (1911-1913), hg. v.
Schubert, W., 1990; Entwürfe der Strafrechtskommission zu einem deutschen
Strafgesetzbuch und zu einem Einführungsgesetz (1911-1914), hg. v. Schubert,
W., 1990; Das Strafgesetzbuch, Sammlung der Änderungsgesetze und
Neubekanntmachungen, hg. v. Vormbaum, T. u. a., Bd. 1f. 1999; Brandt, C., Die Entstehung
des Code pénal von 1810 und sein Einfluss, 2002; Goltsche, F., Der Entwurf
eines allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches von 1922 (Entwurf Radbruch),
2010; StGB Historisch-synoptische Edition. 1871-2009, Bd. 1ff. 2010; Feuerbachs
Bayerisches Strafgesetzbuch, hg. v. Koch, A. u. a., 2013; Bargon, V., Die
Strafrechtsnovelle vom 26. Februar 1876, 2015; Timm, A., Der Entwurf eines
Strafgesetzbuches von 1962, 2016
Strafklage ist die auf Verurteilung zu einer Strafe
gerichtete Klage.
Lit.: Guthke, T., Die Herausbildung der Strafklage, 2009
Strafmündigkeit ist die altersbedingte
Strafbarkeit. Sie wird im Deutschen Reich 1923 von 12 auf 14 Jahre
heraufgesetzt. In Großbritannien liegt sie noch bei 10 Jahren.
Lit.: Köbler, DRG 236; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Dräger, W., Die
Strafmündigkeitsgrenzen, Diss. jur. Kiel 1992
Strafprozess ist das gerichtliche Verfahren, in
dem über das Vorliegen einer Straftat und die dafür zu verhängende Strafe
verhandelt wird. Es unterscheidet sich bereits im altrömischen Recht vom
Zivilverfahren, wobei in Rom ohne weiteres vom privaten Prozess in den
Strafprozess gewechselt wird. Im Hochmittelalter wird diese Unterscheidung im
12. Jh. erneut aufgegriffen, wobei Frankreich auf kirchlichen Wurzeln dem
Heiligen römischen Reich voranzugehen scheint und beispielsweise Johann von
Buch (um 1290-nach 1356) die Teilung der Klagen in peinliche, bürgerliche und
gemischte aufgreift. Dabei stehen →Akkusationsprozess und
→Inquisitionsprozess nebeneinander. Der von der nichtöffentlichen Untersuchung
samt →Folter gekennzeichnete, mehr und mehr vorherrschende Inquisitionsprozess
mit seinem →endlichen Rechtstag wird von der Aufklärung bekämpft und zu
Beginn des 19. Jh.s durch ein öffentliches rechtsstaatliches Verfahren
ersetzt (Frankreich 1808 Code d’instruction criminelle), in dem Untersuchung
(→Staatsanwalt) und Entscheidung (Richter) getrennt sind. In Österreich
wird dieser S. 1850 (bis 1853) und 1873 aufgenommen (Reform 2008).
Lit.: Söllner §§ 10, 17; Kroeschell, DRG 2; Köbler,
DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202, 235, 263; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, 1879, Neudruck 1973; Esmein, A., Histoire de la procédure
criminelle en France, 1882; Schoetensack, A., Der Strafprozess der Carolina,
Diss. jur. Heidelberg 1904; Bauchond, M., La justice criminelle du magistrat de
Valenciennes, 1904; Müller, K., Zur Geschichte des peinlichen Prozesses in
Schwaben im späteren Mittelalter, 1910; Schröder, R., Eine strafprozessualische
Verordnung des Königs Ruprecht, ZRG GA 34 (1913), 433; Schmidt, E., Fiskalat
und Strafprozess, 1921; Fels, H., Der Strafprozess der preußischen
Criminalordnung von 1805, Diss. jur. Bonn 1932; Schmidt, E., Inquisitionsprozess
und Rezeption, 1944; Amrhein, F., Die Entwicklung des hessischen
Strafprozessrechts im 18. und 19. Jahrhundert, Diss. jur. Würzburg 1955 (masch.
schr.); Schmidt, E., Deutsches Strafprozessrecht, 1967; Strafrecht,
Strafprozess und Rezeption, hg. v. Landau, P. u. a., 1984; Quellen zur Reform
des Straf- und Strafprozessrechts, hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988f.;
Hornhardt, G., Die Stunde der Justiz, ZRG GA 106 (1989), 239; Protokolle der
Kommission für die Reform des Strafprozesses (1903-1905), hg. v.
Reichsjustizamt 1905, neu hg. v. Schubert, W., 1991; Sellert, W., Borgerlike,
pinlike und misschede klage, (in) Überlieferung, Bewahrung, 1993, 321; Dülmen,
R. van, Theater des Schreckens, 4. A. 1995; Blusch, C., Das bayerische
Strafverfahrensrecht von 1813, 1997; Friedländer, H., Interessante
Kriminal-Prozesse, 1999 (CD-ROM); Ermann, J., Strafprozess, öffentliches
Interesse und private Strafverfolgung, 2000; Schmoeckel, M., Humanität und
Staatsraison, 2000; Nobis, F., Die Strafprozessgesetzgebung der späten Weimarer
Republik, 2000; Rudolph, H., Eine gelinde Regierungsart, 2001; Ignor, A.,
Geschichte des Strafprozesses in Deutschland 1532-1846, 2002; Langbein, J., The
Origins of Adversary Criminal Trial, 2003; Reuber, S., Der Kölner Mordfall Fonk
von 1816, 2002; Die Quellen sprechen lassen, hg. v. Emberger, G. u. a., 2009;
Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik 4 (2009), 466ff.
(Strafprozessrecht - 130 Jahre Strafprozessordnung); Savigny, F., Die Prinzipienfragen
in Beziehung auf eine neue Strafprozeß-Ordnung, hg. v. Schubert, W., 2011;
Ortmann, A., Machtvolle Verhandlungen – Zur Kulturgeschichte der deutschen
Strafjustiz 1879-1914, 2014
Strafprozessordnung ist das das Strafverfahren bzw.
den Strafprozess ordnende Gesetz. Eine solche S. stellt bereits die
→Constitutio Criminalis Carolina von 1532 dar, die auch Strafrecht
enthält. Auf den Strafprozess beschränkt sind aber die Strafprozessordnungen
der späteren Zeit (Code d’instruction criminelle Frankreich 1808, Baden 1844,
Preußen 1849, Österreich 1850/1853/23. 5. 1873 [RGBl. 1873, 119],
Strafprozessordnung des Deutschen Reiches 1877/1879).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 263, 264;
Entwürfe einer Strafprozessordnung, 1908, neu hg. v. Schubert, W., 1991;
Protokolle der Reichstagsverhandlungen, Bericht der 7. Kommission des
Reichstags (1910-1911) zur Beratung der Entwürfe einer Strafprozessordnung,
1910f., neu hg. v. Schubert, W., 1991; Schmidt, E., Einführung in die
Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Kleinheyer, H.,
Die Regensburger peinliche Gerichtsordnung, FS H. Krause, 1975, 110; Entstehung
und Quellen der Strafprozessordnung von 1877, hg. v. Schubert, W./Regge, J.,
1989; Bottenberg, F., Die hamburgische Strafprozessordnung von 1869, 1998
Strafprozessrecht →Strafprozess, Strafprozessordnung
Lit.: Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts,
hg. v. Schubert, W. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.
Strafrecht ist die Gesamtheit der Straftatbestände
mit →Strafe bzw. Strafandrohungen verknüpfenden Rechtssätze.
Öffentliches S. entwickelt sich erst mit der Festigung öffentlicher Herrschaft.
Die ersten Regeln entstehen wohl gewohnheitsrechtlich. Vermutlich früh werden
aber auch Bestimmungen bewusst gesetzt (z. B. Digesten, Landfriede). Eine
erste Zusammenfassung bieten die Bücher 47 und 48 der →Digesten, im
Spätmittelalter in Italien der Tractatus (M.) de maleficiis de Albertus
Gandinus (1299) sowie ab 1499 die Halsgerichtsordnungen, vor allem die
→Constitutio Criminalis Carolina (1532). Inhaltlich beginnt, ausgehend
von der allmählichen Unterscheidung von Buße und Strafe (Ansätze eines
kirchlichen Strafrechts vielleicht schon vor dem 12. Jh., systematischer Ausbau
seit dem Decretum Gratians [um 1140]) und der kirchlichen Beichte, die
spanische Spätscholastik und Naturrechtslehre des 16. Jh.s mit zunächst
moraltheologischen Begriffen die Individualisierung, Subjektivierung und Psychologisierung
des Strafrechts, welche nach praktischen Werken des 17. Jh.s (Carpzow,
Benedikt, Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium 1635) und 18.
Jh.s (Böhmer, Johann Samuel, Friedrich von, 1770) die Kriminalpsychologie
seit dem ausgehenden 18. Jh. mit säkularisierten Begriffen und empirischer
Methode weiterführt. Etwa seit dieser Zeit werden unter Abtrennung des
Strafprozessrechts besondere Strafgesetzbücher geschaffen (z. B. Frankreich
Code pénal 1810, Bayern 1813 Feuerbach, Sachsen 1838 Criminalgesetzbuch, 1855
Strafgesetzbuch, 1868 revidiert), in denen teilweise harte Strafen abgeschafft,
präventive Strafzwecke anerkannt und psychologische Befragung und richterliche
Ermessensspielräume eröffnet werden. Zu dieser Zeit wird bereits ein
allgemeiner Teil des Strafrechts entwickelt, der die allgemeinen Bestandteile
einer Straftat festlegt. Aufklärung und Liberalismus bemühen sich weiter um ein
rechtsstaatliches S. (1871 Reichsstrafgesetzbuch). Die rechtstatsächliche
Bedeutung des Strafrechts ist trotz aller seit dem späten 19. Jh. einsetzenden
Bemühungen um die Resozialisierung des Straftäters groß.
Lit.: Kaser § 2 II 1b; Söllner §§ 10, 17; Kroeschell,
DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 8, 138, 140, 158, 159; Wielant, F. (1441-1520), Corte
instructie in materie criminele, 1510, hg. v. Monballyu, J., 1995 (erste
umfassende Darstellung des Strafrechts und Strafprozessrechts nördlich der
Alpen); Wilda, W., Das Strafrecht der Germanen, 1842, Neudruck 1960; Liszt, F.,
Das deutsche Reichsstrafrecht, 1881, Lehrbuch des deutschen Strafrechts 1884,
26. A. 1932 (Schmidt, E.); Günther, L., Die Idee der Wiedervergeltung, 1889;
Stephen, J., A history of the criminal law of England, Bd. 1ff. 1883, Neudruck
1964; Friese, V., Das Strafrecht des Sachsenspiegels, 1898, Neudruck 1970;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Kantorowicz, H.,
Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, Bd. 1f. 1907ff.; Döring,
W., Feuerbachs Straftheorie, Neudruck 1958; Stahm, G., Das Strafrecht der Stadt
Dortmund, 1910; Heusler, A., Das Strafrecht der Isländersagas, 1911; Rau, F.,
Beiträge zum Kriminalrecht der freien Reichsstadt Frankfurt am Main im
Mittelalter, 1916; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f.
1920ff., Neudruck 1964; His, R., Geschichte des deutschen Strafrechts bis zur
Karolina, 1928; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930,
Neudruck 1973; Dahm, H., Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter,
1931; Skeil, J., Den norske strafferett, Bd. 1 1937; Goebel, J., Felony and
misdemeanor, 1937; Schubert, G., Der Einfluss des kirchlichen Rechtes auf das
weltliche Strafrecht der Frankenzeit, 1937; Koch, J., Die Strafrechtsbelehrung
des Volkes von der Rezeption bis zur Aufklärung, 1939; Maes, L., Vijf eeuwen
stedelijk strafrecht, 1947; Belling, D., Das Strafrecht des Schwabenspiegels,
Diss. jur. Tübingen 1949; Oehler, D., Wurzel, Wandel und Wert der
strafrechtlichen Legalordnung, 1950; Schaffstein, F., Die europäische
Strafrechtswissenschaft im Zeitalter des Humanismus, 1954; Caenegem, R.,
Geschiedenis van het strafrecht in Vlaanderen, 1954; Korsch, H., Das materielle
Strafrecht der Stadt Köln, 1958; Brahmst, C., Das hamburgische Strafrecht,
1958; Kunkel, W., Untersuchungen zur Entwicklung des römischen
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deutschen Strafrechtspflege, 1947, 2. A. 1951, 3. A. 1965; Hentig, H. v.
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Herrschaft Kißlegg, 1961; Guggenheim, T., Die Anfänge des strafrechtlichen
Unterrichts in Zürich, 1965; Lohse, E., Johann Michael Franz Birnbaum
(1792-1877) als Strafrechtslehrer, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966);
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Schlägern, Schimpf und Schande, 2012; Bitter, A. v., Das Strafrecht des
preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, 2013; Tat ohne Täter, hg. v.
Stiegler, B., 2013; Appel, K., Der Strafrechtler und Strafrechtsreformer
Wilhelm Kahl (1849-1932), 2014; Strafrecht und juristische Zeitgeschichte, hg.
v. Asholt, M., 2014; Strafrecht im Präventionsstaat, hg. v. Brunhöber, B.,
2014; Ruderich, D., Führungsaufsicht, 2014; Monballyu, J., Six Centuries of Criminal
Law – History of Criminal Law in the Southern Netherlands and Belgium
(1400-2000), 2014; Pieth, M., Strafrechtsgeschichte, 2015 (Schweiz); Vormbaum,
M., Das Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik, 2015; Holtzendorff,
L. v., Franz von Holtzendorff, 2015; Di Renzo Villata, G., Beccaria und die
Anderen – Zur Strafrechtswissenschaft der frühen Neuzeit, 2016; Ambos, K.,
Nationalsozialistisches Strafrecht, 2019
Straftheorie ist die Überlegung über den
→Strafzweck.
Lit.: Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907,
Neudruck 1958
Strafurteil
Lit.: Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche Erscheinungsbild des
preußischen Strafurteils, 1965
Strafvereitelung ist die Verhinderung der Bestrafung
eines Straftäters.
Lit.: Ebert, U., Die Strafvereitelung, ZRG GA 110
(1993), 1; Wolff, B., Begünstigung, Strafvereitelung und Hehlerei, 2002
Strafverfahren →Strafprozess
Lit.: Köbler, DRG 20, 34, 56, 117, 138, 156, 181, 202,
235, 263; Kleinheyer, G., Untersuchungsrecht und Entschädigungspflicht in der
Geschichte des Strafverfahrens, ZRG GA 108 (1991), 61; Weitzel, Strafe und
Strafverfahren in der Merowingerzeit, ZRG GA 111 (1994), 66; Schulz, L.,
Normiertes Misstrauen, 2001; Frenz, B., Frieden, Rechtsbruch und Sanktion in
deutschen Städten vor 1300, 2003; Hirte, M., Papst Innozenz III., das IV.
Lateranum und die Strafverfahren gegen Kleriker, 2005
Strafverteidiger ist der Rechtsanwalt im
Strafprozess. →Verteidiger
Lit.: Weißler, A., Geschichte der Rechtsanwaltschaft,
1905; Henschel, F., Die Strafverteidigung im Inquisitionsprozess, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1972; Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung,
1985; König, S., Vom Dienst am Recht, 1987; Geschichte des Deutsche
Strafverteidiger e. V. hg. v. Michaleke, R., 2014
Strafvollzug ist die Vollstreckung der
→Strafe. Der S. erfolgt seit dem Hochmittelalter durch den Richter und
den →Henker oder →Scharfrichter als seinen Vollstreckungsgehilfen.
Seit dem 16. Jh. wird das besondere →Zuchthaus eingerichtet. Im 19. Jh.
werden zunächst zwecks Verwaltungsvereinfachung besondere Strafanstalten für
Frauen errichtet, wobei Frauen insgesamt nur etwa 5 Prozent der Straftäter
ausmachen. Im 20. Jh. wird der S., ausgenommen die nationalsozialistische Zeit,
in der die Zahl der Inhaftierten (von 1928 rund 50000) bis 1944 auf rund 200000
steigt, mehr und mehr verrechtlicht (Deutschland 16. 3. 1976).
Lit.: Köbler, DRG 203, 265; Deutsches Gefangenenwesen,
hg. v. Bumke, E., 1928; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA
74 (1957), 119; Appenzeller, G., Strafvollzug und Gefängniswesen im Kanton
Solothurn, 1957; Gernhuber, J., Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74
(1957), 119; Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der deutschen
Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965; Hänsel-Hohenhausen, M., Strafvollzug im
Jahre 1848, ZRG GA 104 (1987), 283; Strafvollzug und Schuldproblematik, 1988;
Strafvollzug im Dritten Reich, hg. v. Jung, H. u. a., 1996; Walz, K., Soziale
Strafrechtspflege in Baden, 1999; Humaner Strafvollzug und politischer
Missbrauch, hg. v. Fricke, K., 1999; Krause, T., Geschichte des Strafvollzugs,
1999; Schenk, C., Bestrebungen zur einheitlichen Regelung des Strafvollzugs in
Deutschland, 2001; Brennpunkt Strafvollzug, hg. v. Baechtold, A., 2002;
Strafvollzug und Straffälligenhilfe in Europa, 2003; Riemer, L., Das Netzwerk
der Gefängnisfreunde, 2005; Beiträge zur Geschichte des Strafvollzuges und der
politischen Strafjustiz in Mecklenburg-Vorpommern, hg. v. Politische Memoriale
e. V., 2006; Vormbaum, T., Kriminologie- und Strafvollzugsgeschichte,
Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 221ff.; Leukel, S., Strafanstalt und
Geschlecht, 2010; Krüger, J., Systeme und Konzepte des progressiven
Strafvollzugs, 2011; Thiesen, S., Strafvollzug in Köln 1933-1945, 2011;
Friederich, M., John Howard und die Strafvollzugsreformen in Süddeutschland,
2013; Schreiter, F., Strafanstalt Waldheim, 2014
Strafzweck ist der von der →Strafe
verfolgte Zweck. Im Mittelalter scheinen Vergeltung und Unschädlichmachung die
hauptsächlichen Strafzwecke zu sein. Noch für →Kant im 18. Jh. (1797) und
→Binding im 19. Jh. bildet allein die Straftat, deren Unrecht durch
Vergeltung ausgeglichen werden muss, den Grund der Strafe (absolute
Straftheorie). Demgegenüber stellen die relativen Straftheorien das Interesse
der Allgemeinheit in den Vordergrund. Nach einer Ansicht geht es dabei um die
Abschreckung des Straftäters (→Spezialprävention, v. →Grolman
1775-1829), nach anderer Ansicht auch um die Abschreckung Dritter (→Generalprävention,
→Feuerbach 1775-1833). Nach Franz von →Liszt (1851-1919, Marburger
Programm 1882) ist der Täter für sein sozialschädliches Verhalten zu bestrafen,
weshalb die Spezialprävention nach Tätertypen unterschieden werden soll.
Augenblickstäter sollen einen Denkzettel für die Zukunft erhalten,
verbesserliche Zustandstäter sollen durch Resozialisierung wieder in die
Gesellschaft eingegliedert, unverbesserliche Zustandstäter sicher verwahrt
werden. Hiervon dringt der Resozialisierungsgedanke im 20. Jh. weiter vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 204, 264;
Döring, W., Feuerbachs Straftheorie, 1907, Neudruck 1958; Henrici, A., Die
Begründung des Strafrechts in der neueren deutschen Rechtsphilosophie, Diss.
jur. Zürich 1960; Seelmann, K., Zum Verhältnis von Strafzweck und Sanktionen,
Z. f. d. ges. StrafRWiss. 1989, 355; Telp, J., Ausmerzung und Verrat, 1999;
Bastelberger, M., Die Legitimität des Strafrechts und der moralische Staat,
2006; Stübinger, S., Das idealisierte Strafrecht, 2008; Strafzweck und Strafform,
hg. v. Schulze, R. u. a., 2008; Smirra, N., Die Entwicklung der Strafzwecklehre
in Frankreich, 2014
Stralsund ist die der Insel Rügen südlich
gegenüberliegende Hansestadt →lübischen Rechtes (1234), die ein
bedeutsames Stadtbuch überliefert.
Lit.: Ebeling, R., Das älteste Stralsunder Bürgerbuch
(1319 bis 1348), 1926; Rehme, P., Neues über Stralsunder Stadtbücher, ZRG GA 58
(1938), 674; Koeppen, H., Führende Stralsunder Ratsfamilien, 1938; Der
Stralsunder Liber memorialis, bearb. v. Schroeder, H., Bd. 1ff. 1964ff.;
Langer, H., Stralsund 1600-1630, 1970; Ewe, H., Geschichte der Stadt Stralsund,
2. A. 1985; Schubel, C., Die Rechtsfähigkeit korporativer Verbände, ZRG 116
(1999); Berwinkel, R., Weltliche Macht und geistlicher Anspruch, 2008; Brunner,
D., Stralsund, 2010
Strandrecht ist das Recht, sich das am Strand
angeschwemmte Gut anzueignen. Es wird im Laufe der Zeit eingeschränkt (u. a.
1874 Strandungsordnung).
Lit.: Kalthoff, H., Die rechtliche Behandlung des
Strandgutes im römischen Recht, Diss. jur. Rostock 1910; Ebeling, H., Die
Entwicklung des Strandrechts, Diss. jur. Frankfurt am Main 1931; Niitemaa, V.,
Das Strandrecht in Nordeuropa, 1955
Straßburg am Rhein, um 12 v. oder 16 n. Chr.
als römisches Argentorate gegründet, ist seit dem 4. Jh. Sitz eines Bischofs,
der 1146/1147 ein Stadtrecht gewährt, und die seit 1621 Sitz einer Universität
(1792/1793 vorübergehend aufgelöst). 1681 wird die Reichsstadt S. von
Frankreich besetzt. Mit dem Elsass ist sie von 1871 bis 1918 Teil des Deutschen
Reiches und wird auch während des zweiten Weltkriegs vom Deutschen Reich
besetzt und verwaltet (1941 Reichsuniversität mit Dulckeit, Dahm, Ernst Rudolf
Huber, Schaffstein, Nikisch, Adalbert Erler, Rufablehnung Wieackers).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Urkundenbuch der
Stadt Straßburg, hg. v. Wiegand, W., Bd. 1 1879; Winter, G., Geschichte des
Rates in Straßburg, 1878; Kiener, F., Studien zur Verfassung des Territoriums
der Bischöfe von Straßburg, 1912; Meyer, O., La régence épiscopale de Saverne,
1935; Festschrift für die Reichsuniversität Straßburg, hg. v. Schmidt, R.,
1941; Wittmer, C., Le livre de bourgeoisie, Bd. 1ff. 1948ff.; Streitberger, I.,
Der königliche Prätor von Straßburg, 1685 bis 1789, 1961; Wunder, G., Das
Straßburger Gebiet, 1965; Wunder, G., Das Straßburger Landgebiet, 1967;
Histoire de Strassbourg, hg. v. Livet, G. u. a., 1980ff.; Cornelissen, C. u.
a., Grenzstadt Straßburg, 1997; Schäfer, H., Juristische Lehre und Forschung,
1999; Egawa, Y., Stadtherrschaft und Gemeinde, 2007; Schlüter, B.,
Reichswissenschaft, 2004; Roscher, S., Die Kaiser-Wilhelms-Universität
Straßburg 1872-1902, 2006; Lutterbeck, K., Politische Ideengeschichte als
Geschichte administrativer Praxis, 2011; Sauerbrey, A., Die Straßburger Klöster
im 16. Jahrhundert, 2012
Straße ist der planmäßig angelegte, für
Fahrzeuge geeignete Verkehrsweg. Im römischen Altertum besteht ein vielfach
mittels großer Steinblöcke gepflastertes, natürliche Geländehindernisse überwindendes
hervorragendes Straßensystem mit einer Länge von rund 85000 Kilometern (z. B.
Via Appia, Via Claudia, Via Nova Traiana, Via Domitia). Nach dem Untergang
Westroms (476 n. Chr. bzw. dem Tode Theoderichs des Großen 526 n. Chr.)
verfällt es mangels ausreichender Pflege. Natürliche Hindernisse werden danach
eher umgangen. Im Mittelalter erscheinen einzelne rechtliche Bestimmungen für
Straßen erst im 13./14. Jh. Als Bezeichnung einzelner Straßen in Orten setzt
sich oberdeutsch gasse, niederdeutsch strate durch, doch wird seit dem 19. Jh.
Gasse weitgehend durch Straße ersetzt. Im absolutistischen Frankreich beginnt
der Bau geplanter Chausseen, dem im Heiligen römischen Reich nach 1712 gefolgt
wird. Seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts geht man zum systematischen
Straßenbau mit Überwachung und Reparatur über. Eine Verdichtung erfährt das
Straßenrecht seit dem 19. Jh. Seit 1840 leitet die Verwendung von Asphalt,
Bitumen und Beton den modernen Straßenbau ein. Ab 1870 wird das Fahrrad
(Niederrad 1877-1884), ab 1885 das Automobil zu einem wichtigen Fortbewegungsmittel,
dessen Gefahren gesetzliche Regelungen erfordern (Frankreich Radfahrrecht
1896, preußische Radfahrordnung 1899, Allgemeine [deutsche] Straßenverkehrsordnung
1926). In Deutschland gibt es (2001) 396345 verschiedene Staßennamen, wobei
von 1,2 Millionen Straßen 7630 Hauptstraße, 6988 Dorfstraße, 4979
Bahnhofstraße, 2248 Schillerstraße und 2172 Goethestraße heißen.
Lit.: Köbler, DRG 176; Kroeschell, DRG 1; Gasner, E.,
Zum deutschen Straßenwesen, 1889; Zeumer, K., Straßenzwang und Straßenregal,
ZRG GA 23 (1902), 101; Schrod, K., Reichsstraßen und Reichsverwaltung im
Königreich Italien (754-1197), 1931; Leguay, J., La rue, 1984; Szabó, T., Die
Entdeckung der Straße im 12. Jahrhundert, Studi in onore di C. Violante, 1994,
913; Lay, M., Die Geschichte der Straße, 1994; Auf den Römerstraßen ins
Mittelalter, hg. v. Burgard, F. u. a., 1997; Müller, U., Infrastrukturpolitik
in der Industrialisierung, 2000; Die Straße, hg. v. Jaritz, G., 2001; Rathmann,
M., Untersuchungen zu den Reichsstraßen in den westlichen Provinzen des
Imperium Romanum, 2003; Siedlung und Verkehr im römischen Reich, hg. v.
Frei-Stolba, R., 2004; Schubert, W., Die Anfänge eines modernen Verkehrsrechts
im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 195; Asholt, M., Straßenverkehrsstrafrecht,
2007; Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, hg. v.
Schwinges, R., 2007; Heuser, R., Namen der Mainzer Straßen und Örtlichkeiten,
2008; Die Welt der europäischen Straßen, hg. v. Szabo, T., 2009; Riedi, B., Die
Porten der Unteren Straße, 2009; Klee, M., Lebensadern des Imperiums, 2010; Die
moderne Straße, hg. v. Dienel, H u. a., 2010; Esch, A., Zwischen Antike und
Mittelalter. Der Verfall des römischen Straßensystems in Mittelitalien, 2011;
Die Vielschichtigkeit der Straße, hg.v. Holzner-Tobisch, K., 2012
Straubing
Lit.: Fraundorfer, W., Straubing, 1974; Forster, M., Die
Gerichtsverfassung und Zivilgerichtsbarkeit in Straubing, 1999; Retzer, M., Das
Patriziergeschlecht der Zeller von Straubing, 2007
Streik ist die gemeinsam und planmäßig
durchgeführte, auf ein bestimmtes Ziel gerichtete Arbeitseinstellung einer
verhältnismäßig großen Zahl von Arbeitnehmern. Der S. erscheint nach älteren
Vorläufern im 18. Jh. (z. B. in Nürnberg zwischen 1790 und 1800, Bayreuth 1800)
in England 1810 (Wort um 1850) und dringt von dort aus im 19. Jh. vor. Er
verliert seine Bedeutung, sobald die Arbeitsbedingungen (Lohnhöhen) unter
Kostengesichtspunkten nicht mehr verbessert werden können.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Kalbitz, R., Die
Arbeitskämpfe in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. jur. Bochum 1972;
Theorie und Geschichte des Streikrechts, hg. v. Germelmann, C., 1980; Streik,
hg. v. Tenfelde, K. u. a., 1981; Schulz, K., Handwerksgesellen und
Lohnarbeiter, 1985; Reith, R. u. a., Streikbewegungen deutscher
Handwerksgesellen im 18. Jahrhundert, 1992; Clasen, C., Streiks und Aufstände,
1993; Althaus, H., Rechtsnormen und Rechtswirklichkeit, 1997; Kittner, M.,
Arbeitskampf, 2005
Streitbefestigung →litis contestatio
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 117, 202
Streitgenossenschaft ist das Auftreten mehrerer Parteien
oder Beteiligter auf einer Seite eines Rechtsstreits. Eine S. kennt bereits das
römische Recht. Von dort aus wird sie auch im gelehrten Prozessrecht behandelt.
Lit.: Kisch, W., Begriff und Wirkungen der besonderen
Streitgenossenschaft, 1899; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae,
1973
stricti iuris (lat.) strengrechtlich, ohne
Entscheidungsspielraum für den Richter
Lit.: Köbler, DRG 42, 62
Stromregal ist im Hochmittelalter das Recht
des Königs am schiffbaren Fluss (Roncaglia 1158). Es geht rasch auf die
Landesherren über.
Lit.: Hübner 297; Kroeschell, DRG 1; Gothein, E., Die
Schiffahrt der deutschen Ströme, 1903; Rörig, F., Zur Rechtsgeschichte der
Territorialgewässer, Abh. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1949
strudis (lat.-afrk. [F.])
Zwangsvollstreckung
Lit.: Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung, 1912
Struve, Georg Adam (Magdeburg 27. 12.
1619-Jena 16. 12. 1692), Gutseigentümerssohn, wird nach dem Studium von
Philosophie, Politik, Geschichte und Recht in Jena und Helmstedt (Conring) 1645
Gerichtsbeisitzer in Halle und 1646 Professor in Jena (1667 Hofrat in Weimar,
1674 Professor des kanonischen Rechtes in Jena und Präsident des Jenenser
Juristenkollegiums). 1670 veröffentlicht er (lat.) →Iurisprudentia (F.)
romano-germanica forensis (Römisch-deutsche Gerichtsrechtswissenschaft, mit
unverkennbaren Parallelen zu Hugo Grotius’ Inleydinge tot de Hollandsche
Rechts-Geleerdheyd [1621]) (31. A. 1771, [als eine gründlich neubearbeitete
Auflage des lateinischen Vorbilds] Jurisprudenz oder Verfassung der
landüblichen Rechte, 1689, 8. A. 1737, weiter Syntagma iurisprudentiae
secundum ordinem pandectarum concinnatum, 1655ff.). Darin gibt er auf der
Grundlage der Institutionen die für längere Zeit erfolgreichste Zusammenfassung
des bei den einheimischen Gerichten angewendeten römischen Rechtes in vier
Büchern (Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Prozessrecht).
Lit.: Köbler, DRG 114; Struve, B., Pii manes Struviani,
1705; Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft,
Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Finzel, J., Georg Adam Struve (1619-1692) als
Zivilrechtler, 2003
Stryk, Samuel (Lentzen/Prignitz 22. 11. 1640-Halle 23. 7.
1710), Amtmannssohn, wird nach dem Studium von Theologie, Philosophie und Recht
in Wittenberg (Ziegler) und Frankfurt an der Oder (Brunnemann) 1666
außerordentlicher Professor in Frankfurt an der Oder, 1668 ordentlicher
Professor in Frankfurt an der Oder, 1690 in Wittenberg und 1692 in Halle. Seit
1690 veröffentlicht er einen Pandektenkommentar mit dem die zeitgenössische
Haltung (als usus modernus pandectarum) kennzeichnenden Titel (lat.) Specimen
(N.) usus moderni pandectarum (Beispiel des modernen Gebrauchs der Pandekten).
Darin verbindet er das römische Recht mit teils ergänzenden, teils
ausschließenden einheimischen Rechtssätzen.
Lit.: Köbler, DRG 137, 144; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte
der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Wiegand, W., Plus petitio, 1974, 95; Luig, K.,
Samuel Stryk, FS S. Gagnér, 1991
Stuart ist das aus der Bretagne kommende,
im 11. Jh. erscheinende schottische Geschlecht (Steward, →Seneschall),
das 1371 das Königtum in →Schottland erlangt und 1603 den Tudors in
→England nachfolgt. Die 1688/9 gestürzte Familie scheidet 1714 endgültig
aus der englischen Königsherrschaft aus, besteht aber in Nebenlinien fort.
Lit.: The Kingdom of the Scots, 1973; Schreiber, H.,
Die Stuarts, 1999; Eßer, R., Die Tudors und die Stuarts, 2004; Duchein, M., Les
dernier Stuarts, 2006
Stück (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist der einzelne abgegrenzte Gegenstand einer Gattung.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Stückschuld (Speziesschuld) ist die auf ein einzelnes
Stück bezogene Schuld (im Gegensatz zur Gattungsschuld bzw. Genusschuld),
bei welcher der Schuldner bei durch Zufall verursachter Unmöglichkeit von seiner
Verpflichtung frei wird.
Student ist der junge Mensch während des
→Studiums.
Lit.: Brunck, H., Die Deutsche Burschenschaft,
1999
Studium ist die durch wissenschaftliche
Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten erfolgende Ausbildung der Studenten
an →Universitäten, deren Dauer bereits an den spätantiken Rechtsschulen 3
bis 5 Jahre beträgt. Im Mittelalter beginnt das Studium der Rechtswissenschaft
an den Universitäten meist tatsächlich nach einem Studium der freien Künste
(mit etwa 20 Jahren). Ein eigentliches Berufsbild des Juristen gibt es bis in
das 15. Jahrhundert nicht und bei der Besetzung führender Stellen sind persönliche
und ständische Beziehungen noch wichtiger als ein Studium, doch verbessert das
Rechtsstudium für Studierende aus einfacheren Verhältnissen bereits die
Wahrscheinlichkeit des späteren Erwerbs einer Pfründe oder einer Anstellung. Im
16. Jh. kann nach einem Grundstudium (in Deutschland und Frankreich) das Bakkalaureat
erworben werden, während die eigentliche Abschlussprüfung im Lizentiat
besteht, dem der kostspielige Formalakt der Promotion (nach durchschnittlich
zehn Studienjahren) folgen kann. Wegen der Mängel der universitären Prüfungen
treten ihnen im 18. Jh. staatliche Aufnahmeprüfungen (seit 1846 mit
Professoren und Praktikern als Prüfern) für eine praktische Ausbildung im
Staatsdienst zur Seite (in Preußen 1849/1851 erstmals eine einheitliche
Regelung für die – dreiphasige - Ausbildung von Richtern, Staatsanwälten und
Rechtsanwälten, 1869 Justizausbildungsgesetz), die allmählich die
Universitätsprüfungen (Promotionen) für die berufliche Tätigkeit bedeutungslos
werden lassen. Im ausgehenden 20. Jh. wird in Deutschland an einzelnen
Universitäten ohne größeren Erfolg eine einstufige Juristenausbildung versucht.
Nach deren Einstellung wird ein Teil der (ersten) Staatsprüfung in die Universität
verlagert und dort deutlich besser bewertet. →Jurist
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 186; Köbler, G.,
Zur Geschichte der juristischen Ausbildung in Deutschland, JZ 1971, 768;
Burmeister, K., Das Studium der Rechte im Zeitalter des Humanismus, 1974;
Dokumente zur Studiengesetzgebung in Bayern in der ersten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, bearb. v. Dickerhof, H., 1975; Humanismus im Bildungswesen, hg.
v. Reinhard, W., 1984; Schulen und Studium, hg. v. Fried, J., 1986; Titze, H.,
Datenbuch zur deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1f. 1987ff.; Geschichte der
Universitäten in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Frassek, R.,
Weltanschaulich begründete Reformbestrebungen für das juristische Studium in
den 30er und 40er Jahren, ZRG GA 111 (1994), 564; Ebert, I., Die Normierung der
juristischen Staatsexamina, 1995; Wieling, H., Rechtsstudium in der Spätantike,
JuS 2000, 10; Schmutz, J., Juristen für das Reich, 2000; Kühn, U., Die Reform
des Rechtsstudiums zwischen 1848 und 1933 in Bayern und Preußen, 2000; Bäumer,
M., Die Privatrechtskodifikation im juristischen Universitätsstudium, 2008;
Siebe, D., Germania docet, 2009 (16566 Studierende aus 5 Universitäten einbezogen);
Feistl, M., Eigentumsverhältnisse an Corpshäusern, 2010; Die akademische
Verbindung Austria Innsbruck, hg. v. Verein zur Erforschung der Geschichte des
österreichischen Studententums, 2014
Stuhl ist die künstlich geschaffene
Sitzgelegenheit. Sie ist vielfach ein Kennzeichen des Richters.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Stuhlweißenburg (Székesfehervar) ist eine im 11. Jahrhundert
erstmals erwähnte, im 18. Jahrhundert überwiegend deutschsprachige Stadt in
Ungarn, deren Recht insbesondere im sog. Diploma Leopoldinum vom 23. 10. 1703
greifbar ist.
Lit.: Pavlakovich-Mosonyi, M., Das Stadtrecht von Stuhlweißenburg,
Diss. jur. Mannheim 2000
Stundung ist die bereits dem römischen Recht
bekannte zeitliche Hinausschiebung der →Fälligkeit einer
→Forderung.
Lit.: Kaser § 38 III 1
stuprum (lat. N.)
Unzucht
Lit.: Köbler, DRG 35
Sturmabteilung (SA) ist die 1920 als
Versammlungsschutz der →Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
gegründete uniformierte Kampftruppe mit 1933 etwa 700000 Mitgliedern.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Bürgerkriegsarmee, hg. v.
Müller, Y./Zilkenat, R., 2013
Stuttgart in Württemberg ist
von 1781 bis 1794 Sitz einer Universität.
Lit.: Uhland, R., Geschichte der hohen Karlsschule in Stuttgart, 1953
Stutz, Ulrich (Zürich 5. 5. 1868-Berlin 6. 7. 1938) wird
nach dem Rechtsstudium in Zürich und Berlin (Gierke, Hinschius) (ohne
Habilitation) 1895 außerordentlicher Professor in Basel, 1896 ordentlicher
Professor in Freiburg im Breisgau, 1904 in Bonn und 1917 in Berlin. Bereits in
seiner Dissertation entwickelt er die Eigenkirche als Element des
mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts (1895). Auf dieser Grundlage setzt
er sich für eine besondere kirchliche Rechtsgeschichte ein.
Lit.: Schultze, A., Ulrich Stutz, ZRG GA 59 (1939),
XVII
Stüve, Johann Carl Bertram
Lit.: Stüve, J., Briefe, hg. v. Vogel, W., 1959
Suárez, Francisco de (1548-Lissabon 1617)
wird nach dem Rechtsstudium in Salamanca Jesuit und seit 1570 Lehrer der
Philosophie und Theologie. In einzelnen Abhandlungen befasst er sich spätscholastisch
mit Rechtsfragen, wobei er Gott als Gesetzgeber betrachtet. Seine Unterscheidung
von (lat.) ius (N.) naturae (Naturrecht) und ius gentium (Völkerrecht)
beeinflusst Hugo →Grotius.
Lit.: Köbler, DRG 140; Rommen, H., Die Staatslehre des
Francisco de Suárez, 1927; Sóla, F. de P., Suárez y las ediciones de sus obras,
1948; Giers, J., Die Gerechtigkeitslehre des jungen Suárez, 1962; Alexandrino
Fernandes, J., Die Theorie der Interpretation des Gesetzes, 2005; Suárez, F.,
De Pace, hg. v. Kremer, M. u. a., 2013; Auctoritas omnium legum, Francisco
Suárez De legibus, hg. v. Bach, O. u. a., 2013
Subinfeudation (F.) Unterbelehnung
Subjektives Recht ist das Recht des Einzelnen (z. B.
Eigentum). Es steht im Gegensatz zum objektiven →Recht und zum bloßen
Rechtsreflex. Gedanklich erkannt wird es am Ende des 18. Jh.s (→Glück).
Vom Nationalsozialismus wird es bekämpft. Das subjektive öffentliche Recht ist
das (einklagbare) subjektive Recht innerhalb des öffentlichen Rechtes, das
Carl Friedrich Gerber (Über öffentliche Rechte, 1852) herausarbeitet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 208, 238; Das
subjektive Recht, hg. v. Coing, H. u. a., 1962, 29; Thoss, P., Das subjektive
Recht in der gliedschaftlichen Bindung, 1968; Nörr, K., Zur Frage des
subjektiven Rechts in der mittelalterlichen Rechtswissenschaft, FS H. Lange,
1992, 193
subpignus (lat. N.)
Unterpfand
Lit.: Kaser § 31 III 2a
subreptio (lat. F.)
Erschleichung durch Verschweigung
subsidium (lat. [N.]) Unterstützung,
Hilfsleistung
Lit.: Das Mainzer Subsidienregister für Thüringen von
1506, bearb. v. Bünz, E., 2004
Subsidiarität ist die Nachrangigkeit. Nach der
neueren katholischen Soziallehre (1931) besteht bei einem Nebeneinander
mehrerer Aufgabenträger S. des umfassenderen (höheren) Aufgabenträgers
gegenüber dem kleineren (sachnäheren) Aufgabenträger. Die S. ist im Grundsatz
aufgenommen im Grundgesetz Deutschlands (Art. 23 GG) und in der Europäischen
Union.
Lit.: Das Subsidiaritätsprinzip, hg. v. Utz, A., 1953;
Schmitt, R., Die Subsidiarität der Bereicherungsansprüche, 1969;
Subsidiarität, hg. v. Nörr, K. u. a., 1997; Subsidiarität als rechtliches und
politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, hg. v. Blickle,
P. u. a., 2002
Substanz (F.) selbständig Seiendes, Stoff
Substitution (F.) Ersatzberufung (z. B. zum
Ersatzerben, vgl. die §§ 604ff. ABGB)
Subsumtion (Darunternahme) ist
die durch Vergleichung und Bejahung der Gleichheit (oder Ablehnung der
Gleichheit) erfolgende Zuordnung bzw. Zurechnung eines einzelnen besonderen
Sachverhalts zu einem einzelnen allgemeinen Tatbestand eines Rechtssatzes (z.
B. die Tötung John F. Kennedys ist [nach deutschem Recht] ein einzelner Fall
des Mordes). Sie wird im ausgehenden 18. Jh. als solche im Recht gedanklich
erfasst. Sie steht wegen der von ihr abhängigen logischen Zuordnung der
allgemeinen Rechtsfolge des Rechtssatzes zu dem Sachverhalt im Mittelpunkt der
Rechtsanwendung.
Lit.: Köbler, DRG 117; Ogorek, R., Richterkönig oder
Subsumtionsautomat?, 1986; Subsumtion, hg. v. Gabriel, G. u. a., 2012
Suchmaschine ist die maschinell arbeitende
Einrichtung zur Suche nach digital gespeichertem Wissen im Internet. In dem
Jahre 2016 waren die weltweit bedeutdendsten Suchmaschinen Google, Youtube,
Faecbook, Baidu (China) und Wikipedia (mit mehr als 40 Millionen Artikeln,
davon mehr als 2 Millionen in deutscher Sprache, in 290 Sprachen).
Sudetenland ist seit 1912 die Bezeichnung für
das Siedlungsgebiet der überwiegend deutschsprachigen Bewohner Deutsch-Mährens,
Deutsch-Böhmens und Österreichisch-Schlesiens. Im Oktober 1918 rufen die Bewohner
der nördlichen Gebiete die deutsch-österreichische Provinz S. aus und treten im
November 1918 der Republik Deutschösterreich bei, doch erklärt der
Friedensvertrag von Saint Germain den Beitritt als unwirksam und gliedert das
Gebiet der Tschechoslowakei ein. Am 29. 9. 1938 wird das S. im Münchener
Abkommen von der →Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten
(29000 Quadratkilometer, 3,4 Millionen Einwohner). 1945 kommt es unter
Vertreibung der Deutschen an die →Tschechoslowakei zurück. Das Wort
sudetendeutsch wird anscheinend erstmals 1903 von dem Politiker Franz Jesser
(1869-1954) verwendet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schreiber, R., Der
Elbogener Kreis, 1935; Hoensch, J., Geschichte Böhmens, 1987, 3. A. 1997;
Sudetendeutsches Wörterbuch, bearb. v. Englisch, E. u. a., Bd. 1ff. 1988ff.;
Franzel, E., Sudetendeutsche Geschichte, 1990; Gebel, R., Heim ins Reich, 1998;
Zimmermann, V., Die Sudetendeutschen im NS-Staat, 1999; Odsun. Die Vertreibung
der Sudetendeutschen, hg. v. Hoffmann, R, u. a., Bd. 1f. 2000ff.; Hundert Jahre
sudetendeutsche Geschichte. Eine völkische Bewegung in drei Staaten, hg.v.
Hahn, H., 2007; Brandes, D., Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2008;
Anders, F., Strafjustiz im Sudetengau 1938-1945, 2008; Helden der Hoffnung, hg.
v. Wagnerová, A., 2008; Brandes, D. Die Sudetendeutschen im Krisenjahr 1938, 2.
A. 2010; Oberkofler, G., Ludwig Spiegel und Kleo Pleyer, 2012
Südosteuropa ist der südöstliche Teil Europas.
→Albanien, Balkan, Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Jugoslawien, Mazedonien,
Osmanen, Rumänien, Serbien, Siebenbürgen, Türkei, Zypern
Lit.: Klebel, E., Siedlungsgeschichte des
deutschen Südostens, 1940; Kaser, K., Südosteuropäische Geschichte und
Geschichtswissenschaft, 2. A. 2002; Südosteuropa, hg. v. Hatschikjan, M. u. a.,
1999; Umstrittene Identitäten, hg. v. Brunnbauer, U., 2002; Lexikon zur Geschichte
Südosteuropas, hg. v. Hösch, E. u. a., 2004; Kaser, K., Südosteuropäische
Geschichte und Geschichtswissenschaft, 2004; Politische Kultur in
Südosteuropa, hg. v. Mosser, A., 2006; Lexikon zur Geschichte Südosteuropas,
hg. v. Sundhaussen, H. u. a., 2. A.2015; Calic, M., Südosteuropa, 2016
Südtirol ist der südlich des Alpenhauptkamms
gelegene Teil →Tirols, den durch den Vertrag von Saint Germain (10. 9.
1919) 1919 der frühere, sich wegen unerfüllter Gebietsansprüche am 31. Juli
1914 für neutral erklärende Dreibundpartner (von 1882) →Italien als Lohn
für seinen an dem 23. Mai 1915 (Pfingstsonntag um halb vier, Mitteilung des
Kaisers Österreichs an seine Untertanen „Der König von Italien hat Mir den
Krieg erklärt. Ein Treubruch, dessen die Geschichte nicht kennt“) erfolgten
Eintritt in den ersten Weltkrieg auf Seiten der alliierten Siegermächte (Zusage
Englands 1912, Londoner Geheimabkommen vom 26. 4. 1915) erhält (1918 3 Prozent
der Bevölkerung italienischsprachig, 93 Prozent deutschsprachig, 4 Prozent
Ladiner). S. wird nach der Machtübernahme der Faschisten in Italien am 28. 10.
1922 intensiv italienisiert (Italienisch als einzige Amtssprache, Übersetzung
der Namen, Verbot deutschsprachigen Unterrichts, Auflösung von Verbänden und
Vereinen, Ansiedlung von Italienern vor allem aus Süditalien, von Adolf Hitler
gebilligt, 90 Prozent der staatlichen Stellen mit Italienischsprachlern
besetzt). 1930 bekräftigt Österreich (BGBl. Nr. 201/1930) in einem Vertrag mit
Italien die Ansicht, dass die Südtirolfrage eine innere Angelegenheit Italiens
sei. Am 23. 6. 1939 wird zwischen dem Deutschen Reich und Italien ein Optionsabkommen
unterzeichnet, nach dem die für das Deutsche Reich optierenden Bewohner in das
Deutsche Reich (geschlossen) ausgesiedelt werden sollen. Danach entscheiden
sich von 246036 Abstimmungsberechtigten 211799 für die deutsche
Staatsbürgerschaft. Etwa 75000 Südtiroler werden tatsächlich ausgesiedelt,
wovon etwa 21000-22000 bis 1952 wieder zurückkehren (rund 156000 Optanten
wandern nie ab). 1943 wird Benito Mussolini in Italien gestürzt. Am 11. 9. 1945
beschließt die alliierte Außenministerkonferenz in London, dass die Grenze
zwischen dem im zweiten Weltkrieg unterlegenen Italien und Österreich
grundsätzlich nicht geändert werden soll. Nach 1945 erhält S. auf
internationalen Druck (Gruber-Degasperi-Abkommen bzw. Pariser ABkommen 5. 9.
1946, Pariser Friedensvertrag der Alliierten mit Italien vom 5. 9. 1946, 16.
9. 1947 in Kraft) beschränkte Autonomie (Autonomiestatut vom 29. bzw. 31. 1. bzw.
26. 2. 1948 [italienische Mehrheit durch Zusammenfügung mit der Provinz Trient
zur Region Trentino-Alto Adige], nach Kundgebungen, Resolutionen der Vereinten
Nationen von 1960 und 1961,sowie Attentaten [11./12. 6. 1961] verbessertes Südtirolpaket
[Paketabschluss 22. 11. 1969] 1971, 20. 1. 1972 zweites Autonomiestatut in
Kraft, autonome Region Trentino-Südtirol, Provinz Bozen, 1972 67,99 Prozent
Deutsche, 27,65 Prozent Italiener, 4,36 Prozent Ladiner in der Provinz Bozen,
trotz amtlicher Zweisprachigkeit finden nur etwa 25 Prozent der
Gerichtsverfahren in deutscher Sprache statt, 11. 6. 1992 Streitbeilegungserklärung
vor den Vereinten Nationen, 2000 sprechen sich bei einer Stichprobenbefragung
der nichtitalienischsprachigen Bevölkerung die meisten für Selbständigkeit,
39 Prozent für eine Rückkehr zu Österreich und 7 Prozent für einen Verbleib bei
Italien aus, 2001 69,15 deutschsprachig, 26,47 italienischsprachig, 4,37
ladinischsprachig, verschiedentlich wird eine zusätzliche österreichische Staatsbürgerschaft
für deutsche Südtiroler gefordert).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 173,
220, 223; Voltelini, H. v., Immunität, grundherrliche und leibherrliche
Gerichtsbarkeit in Südtirol, Archiv f. österreichische Geschichte 94 (1907),
311; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Steininger, R., Los von
Rom?, 1987; Südtirol und der Pariser Vertrag, 1988; Corsini, U./Lill, R.,
Südtirol, 1988; Zeller, K., Volkszählung und Sprachgruppenzugehörigkeit, 1991;
Egen, A. v., Die Südtirol-Frage, 1997; Grigolli, S., Sprachliche Minderheiten,
1997; Steininger, R., Südtirol im 20. Jahrhundert, 1999; Steininger, R.,
Südtirol 1918-1999, 1999; Steininger, R., Südtirol, 2000; Südtirol Chronik,
koord. v. Thaler, B., 2000; Gruber, A., Geschichte Südtirols, 2000; Durnwalder,
M., Die Reform des Südtiroler Autonomiestatuts, 2005; Mahlknecht, B., Von
großen und kleinen Übeltätern, 2005; Akten zur Südtirolpolitik 1959-1969, hg.
v. Steininger, R., Bd. 1-7 2005-2013; Gehler, M., Eduard Reut-Nicolussi und die
Südtirolfrage 1918-1958, 2006; Brunner, V./Ladurner, T./Zeller, K.,
Volkszählung in Südtirol, 2007; Fontana, J., Unbehagen - Südtirol unter der
Militärverwaltung 4. November 1918-31. Juli 1919, 2009; Golowitsch, H., Für die
Heimat kein Opfer zu schwer, 2009; Fontana, J., Südtirol unter der Zivilverwaltung
1. August 1919-28. Oktober 1922, 2010; Kofler, A. u. a., Bauernleben in
Südtirol, 2. A. 2010; Molling, H., So planten wir die Feuernacht, 2011; Akten
zur Südtirol-Politik 1945-1958, hg. v. Gehler, M., Bd. 1ff. 2012; Krieg in den
Alpen, hg. v. Labanca, N. u. a. 2015; EU-Mitgleidschaft und Südtirols
Autonomie, hg. v. Obwexer, W., 2015
Suebe ist der Angehörige des elbgermanischen,
in der Völkerwanderung nach Nordwestspanien gelangten Volkes.
Lit.: Hamann,
S., Vorgeschichte und Geschichte der Sueben in Spanien, 1971; Suevos –
Schwaben. Das Königreich der Sueben auf der iberischen Halbinsel (411-585), hg.
v. Koller, E./Laitenberger, H.,1998
Suffraganbischof (M.) Hilfsbischof (seit 779)
Sühne ist ein Ausgleich (Versöhnung) für
ein rechtswidriges Verhalten. Auf S. beruht auch das
→Kompositionensystem, das seit dem Hochmittelalter in einem bis zum 17.
Jh. reichenden Vorgang von der Strafe verdrängt wird. An einzelnen Stellen
sehen Rechtsregeln einen erfolglosen außergerichtlichen Sühneversuch als
Voraussetzung für ein Gerichtsverfahren vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 26, 117;
Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem im germanischen Rechtsgang, 1915; Jörg,
P., Der Heidingsfelder Sühnebildstock, 1948; Wesener, G., Das innerösterreichische
Landschrannenverfahren, 1963; Crößmann, K., Sühneverträge der Stadt Frankfurt
am Main, Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA
122 (2005), 113
Sui heredes (M.Pl. [seine Erben]) sind seit
dem altrömischen Recht die Hauserben. Das sind alle Menschen, die durch den Tod
des Hausvaters gewaltfrei werden.
Lit.: Kaser §§ 65 II, III, 66 I, 71 I; Köbler, DRG 23
sui iuris (lat.) selbstmächtig, frei von
väterlicher Hausgewalt(, aber gegebenenfalls unter Vormundschaft z. B. Minderjährige,
Frauen)
Lit.: Kaser § 12 I 3; Köbler, DRG 23
Sukzession (1555, F.) Nachfolge
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Summa (lat. F.)
ist im juristischen Schrifttum die bereits für →Irnerius (1060?-1125?)
bezeugte, aus einleitenden Schriften zu einzelnen Titeln der justinianischen
Kompilation erwachsende, zusammenfassende Betrachtung (Summe) des Inhalts
eines Textes wie z. B. die s. codicis Azos (um 1210), die s. codicis des Placentinus,
die s. des Odofredus oder des Huguccio.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 107; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Weimar, P., Zur
Entstehung der azoschen Digestensumme, (in) Satura R. Feenstra, 1985, 371;
Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997; Lange, H./Kriechbaum,
M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 402; La Summa Trium Librorum di
Rolando da Lucca (1195-1234), hg. v. Conte, E. u. a., 2012;
Summa (F.) legum brevis levis et utilis →Raymund von Wiener Neustadt
Summa (F.) Perusina ist das (in Perugia) zwischen dem
7. und 9. Jh. entstandene Werk zum →Codex.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1
1997
summarisch (zusammenfassend und dadurch
beschleunigend)
Summarischer Prozess ist seit dem Spätmittelalter der
durch Vereinfachung beschleunigte gelehrte Prozess. Der unbestimmte
summarische Prozess ist durch Fristabkürzungen und Verringerung der
Schriftwechsel gekennzeichnet (z. B. Besitzprozess, Rechnungslegungsprozess,
Bauprozess), der bestimmte summarische Prozess durch die vorläufige Einengung
der Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten (z. B. Mandatsprozess,
Arrestprozess, Wechselprozess, Exekutivprozess). Der summarische Prozess
wirkt noch im 20. Jh. nach.
Lit.: Schmidt, E., Theorie der summarischen Prozesse,
1791; Bayer, H., Theorie der summarischen Prozesse, 7. A. 1859; Wach, A., Der
italienische Arrestprozess, 1868; Kisch, G., Der deutsche Arrestprozess, 1914
summarisches Verfahren →summarischer Prozess
Summe →summa
Summepiskopat ist das landesherrliche Kirchenregiment
des evangelischen Kirchenrechts bis 1918.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Summum ius summa iniuria (lat.). Größtes Recht größtes
Unrecht.
Lit.: Schmidt, G., Die Richterregeln des Olavus Petri,
1966, 128; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero, 106-43, De
officiis 1 § 33)
Sünde ist die Verletzung eines
christlichen Gebots oder Verbots.
Lit.: Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Neumann,
F., Öffentliche Sünder in der Kirche des Spätmittelalters, 2007
Sunnis (lat.-afrk. [F.]) ist (das auf)
Wahrheit (beruhende Hindernis für das Erscheinen vor Gericht).
supan (slaw. [M.]) Führer, Dorfmeister
Lit.: Vilfan, S., Rechtsgeschichte der Slowenen, 1968;
Hardt, M., Der Supan, ZOF 39 (1990), 161
superficies (lat. [F.]) Erbbaurecht (zuerst auf
öffentlichen, später auch auf privaten Grundstücken eingeräumtes, vererbliches
und veräußerliches entgeltliches beschränktes dingliches Recht an fremden
Grundstücken)
Superficies solo cedit ist die bereits bei Gaius (um 160
n. Chr.) belegte römische Rechtsregel, nach der das Recht am Grundstück die
Rechtsverhältnisse an den auf ihm errichteten Dingen (superficies, Überbau,
Oberfläche, Bauwerke, Pflanzen) bestimmt, so dass dem Grundstückseigentümer
auch der etwa vom Erbbauberechtigten errichtete Überbau gehört, wobei
allerdings das Eigentum des Grundeigentümers durch das beschränkte dingliche
Recht des Erbbauberechtigten sehr eingeschränkt ist und der Erbbauberechtigte
durch Interdikte und eine (lat.) actio (F.) in rem geschützt wird. Der
Rechtsregel widersprechen das →Stockwerkseigentum und das
→Wohnungseigentum.
Lit.: Kaser §§ 26 III 3, 30 II 2; Liebs, D.,
Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Gaius, um 120-180, Institutionen 2 § 73);
Biermann, J., Superficies solo cedit, Ih. Jb. f. d. Dogm. 34 (1895), 169;
Meincke, J., Superficies solo cedit, ZRG RA 88 (1971), 136; Rainer, J.,
Superficies und Stockwerkseigentum, ZRG RA 106 (1989), 327; Kohl, G.,
Stockwerkseigentum, 2007
Superflua non nocent (lat.). Überflüssige
Worte schaden nicht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Augustinus, 354-430, De civitate Dei 4, 27)
Supplik (F.) Bittschrift
Lit.: Hülle, W., Das Supplikenwesen in
Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e <<gravamina>>.
Politica, amministrazione, giustizia in Europa (secoli XIV-XVIII) a cura di
Nubola, C. u. a., 2002; Bittschriften und Gravamina, hg. v. Nubola, C. u. a.,
2005; Modus supplicandi, hg. v. Lackner, C. u. a., 2019
Supplikation ist die Einreichung einer Bittschrift.
Im spätantiken römischen Recht ist die formfreie (lat. F.)
supplicatio ad principem (Bittschrift an den Kaiser) ein Rechtsmittel gegen Urteile
des Appellationsgerichts. Mit der Aufnahme des gelehrten Prozessrechts wird
die S. seit dem Spätmittelalter im Heiligen römischen Reich als Rechtsmittel eingeführt (z. B. 1600 gegen
Endurteile der Obergerichte). Seit dem 18. Jh. übernimmt die S. teilweise die
Aufgaben der →Revision. Im 19. Jh. verdrängt die Revision die S.
Lit.: Köbler, DRG 56, 155; Hülle, W., Das
Supplikationswesen in Rechtssachen, ZRG GA 90 (1973), 194; Suppliche e
<<gravamina>>, hg. v. Nubola, C. u. a., 2002; Rehse, B., Die Supplikations-
und Gnadenpraxis in Brandenburg-Preußen, 2008; Supplications from England and
Wales in the Registers of the Apostolic Peneitentiary 1410-1503, hg. v. Clarke,
P. u. a., Bd. 1ff. 2012ff.; Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 2-2015
FrühneuzeitlicheSupplikationspraxis, 2016
Supplikationsausschuss ist der für Bittschriften
zuständige Ausschuss eines Gremiums (z. B. des Reichstags des Heiligen
römischen Reiches von 1521 bis zum frühen 17. Jh.).
Lit.: Neuhaus, H., Reichstag und Supplikationsausschuss,
1977
Surrogation (F.) Ersetzung
Lit.: Welle, A., In universalibus pretium succedit in locum rei, res in
locum pretii. Eine Untersuchung zur Entwicklungsgeschichte der dinglichen
Surrogation bei Sondervermögen, 1987; Hawellek, J., Die persönliche Surrogation,
2010
Suspension (F.) Aufhebung (z. B. eines Grundrechts gemäß
dem Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Gesetz
vom 5. 5. 1869)
suspensiv (Adj.) verzögernd, aufschiebend (z. B. Veto)
Suum cuique (lat.). Jedem das Seine.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Gellius, um 120-um 180, Noctes Atticae 13, 24, 1, zu Cato, 234-149 v. Chr.);
Macke, P., Jedem das Seine, 2012
Suzeränität (F.) Herrschaft des Lehnsherrn
über Lehnsmannen im Gegensatz zur →Souveränität des Landesherrn über
Untertanen.
Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb (Schweidnitz
27. 2. 1746-Berlin 14. 5. 1798), Advokatensohn, wird nach dem Rechtsstudium
in Frankfurt an der Oder (Johann Samuel Friedrich Böhmer, Wolffschüler Joachim
Geog Darjes) 1765 Auskultator und 1771 Oberamtsregierungsrat. 1780 wechselt
er mit dem Großkanzler Carmer nach Berlin. Dort bereitet er unter steter
Berücksichtigung des heimischen Rechtes das →Allgemeine Landrecht (1794)
Preußens vor.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 140; Stölzel, A.,
Carl Gottlieb Svarez, 1885; Kleinheyer, G., Staat und Bürger im Recht, 1959;
Svarez, C., Vorträge über Recht und Staat, hg. v. Conrad, H. u. a., 1960;
Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 3. A. 1981; Schwennicke,
A., Die Entstehung des preußischen Allgemeinen Landrechts, 1993; Carl Gottlieb
Svarez: Gesammelte Schriften, hg. v. Krause, P., Bd. 1ff. 1996ff.; Kern, B.,
Carl Gottlieb Svarez, JuS 1998, 1085; Karst, T., Der Einfluss von Carl Gottlieb
Svarez auf die preußische Gesetzgebung, ZRG GA 120 (2003), 180; Kuhli, M., Carl
Gottlieb Svarez und das Verhältnis von Herrschaft und Recht im aufgeklärten
Absolutismus, 2012
Svod zakonov ist die in →Russland 1832
durch Michail Michailovic →Speranskij erreichte Zusammenfassung aller
geltenden Gesetze.
Lit.: Schultz, L., Russische Rechtsgeschichte, 1951;
Raeff, M., Michail Speranskij, 1957
Symbol (N.) Sinnbild, Zeichen
Lit.: Handbuch der Symbolforschung, hg. v. Herrmann,
K., 1941; Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts, 1992; Becker, U., Lexikon
der Symbole, 1992; Althoff, G., Die Macht der Rituale, 2003, 2. A. 2012;
Wetzel, C., Das große Buch der Symbole, 2008; Schürmann, M., Iurisprudentia
Symbolica, 2011; Reichel, P., Glanz und Elend deutscher Selbstdarstellung,
2012; Bansbach, M., Nationale und aristokratische Symbolik und Denkmalpolitik
im 19. Jahrhundert, 2014
Symon Vicentius ist der 1222 in Padua nachweisbare Jurist, der
Glossen, Kommentare, Repetitiones, Quaestiones und die Schrift De iudiciali
missione in possessione (Von der richterlichen Einweisung in den Besitz)
verfasst.
Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 310
Synallagma (N.) Übereinkunft, gegenseitige
Abhängigkeit von Vertragsleistungen, wechselseitige Verpflichtungen, bei den
der Gläubiger zugleich Schuldner einer Verpflichtung ist und der Schuldner
zugleich Gläubiger
Lit.: Kaser § 38 IV 3; Benöhr, H., Das sogenannte
Synallagma, 1965; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit, ZNR 1984, 40;
Ernst, W., Die Einrede des nichterfüllten Vertrags, 2000
Syndikat (N.) Kartell
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Syndikatsklage ist im gelehrten Recht die Klage
gegen den unrichtig urteilenden →Richter (→Rechtsbeugung).
Syndikatsprozess ist in Italien im Spätmittelalter das
Amtshaftungsverfahren zur Überprüfung der Amtsführung eines podestà nach
Ablauf seiner Amtsperiode.
Lit.: Isenmann, M., Legalität und Herrschaftskontrolle (1200-1660),
2010
Syndikus (M.) Geschäftsführer, Rechtsberater
Synodalstatut (N.) ist das in einer →Synode
geschaffenes→Statut
Synode (zu lat. synodus) ist die
kirchliche Versammlung (Konzil), die auch Rechtsfragen entscheidet.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 115; Richter, L.,
Geschichte evangelischer Kirchenverfassung, 1851, Neudruck 1970; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Närger, N., Das Synodalwahlsystem
in den deutschen evangelischen Landeskirchen, 1988; Sieben, H., Die
Partikularsynoden, 1990; Fischer, J./Lumpe, A., Die Synoden, 1997; Gresser, G.,
Die Synoden und Konzilien der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland, 2004;
Limmer, J., Konzilien und Synoden im spätantiken Gallien, 2004; Synod and
Synodality, hg. v. Melloni, A. u. a., 2005; Partikularsynoden im späten
Mittelalter, hg. v. Kruppa, N. u. a., 2006
Syrien
Lit.: Le Caisne, G., Codename Caesar – Im Herzen der
syrischen Todesmaschine, 2016; Helberg, K., Verzerrrte Sichtweisen – Syrer bei
uns, 2016; Di Giovanni, J., Der Morgen, als sie uns holten – Berichte aus
Syrien, 2016; Sommer, M., Syria – Geschichte einer zerstörten Welt, 2016
(Issos, Jerusalem, Hatra, Emesa, Palmyra, Antiochia); Pfoh, E.,
Syria-Palerstine in the Late Bronze Age, 2016 (problematisch); Lüders, M., Die
den Sturm ernten – Wie der Westen Syrien ins Chaos stürzte, 2017
Syrisch-römisches Rechtsbuch ist der spätantike
oströmische Rechtstext wohl des 5. Jh.s, der nur in syrischen, arabischen,
armenischen und koptischen Bearbeitungen erhalten ist.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 39; Köbler, DRG 53;
Selb, W., Zur Bedeutung des syrisch-römischen Rechtsbuchs, 1964; Selb,
W./Kaufhold, H., Das syrisch-römische Rechtsbuch, 2002
Syssel ist die norwegisch-dänische Bezeichnung
für Landschaften (z. B. Vendsyssel).
Lit.: Rietschel, S., Untersuchungen zur Geschichte der
germanischen Hundertschaft, ZRG GA 28 (1907), 342; Helle, K., Norge blir en
stat, 1974
System ist das wissenschaftlich-rationale
Gedankengefüge. Die systematische Betrachtung des Rechtes erfolgt in der
frühen Neuzeit (seit dem 16. Jh. bzw. seit Leibniz [1646-1716] und Wolff
[1679-1754]). Sie versteht die Geometrie als (unerreichbares)
Vorbild.→Rechtssystem
Lit.: Kaser § 2 III; Köbler, DRG 6, 159, 184, 187,
188; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 285; Savigny, F., System des
heutigen römischen Rechtes, Bd. 1ff. 1840ff.; Schwarz, A., Zur Entstehung des
modernen Pandektensystems, ZRG RA 42 (1921), 578; Seiler, H., Die Systematik
der einzelnen Schuldverhältnisse, Diss. jur. Münster 1957 masch.schr.; Troje,
H., Wissenschaftlichkeit und System in der Jurisprudenz des 16. Jahrhunderts,
(in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 63; Canaris, C., Systemdenken
und Systembegriff, 1969; Dießelhorst, M., Ursprünge des modernen Systemdenkens
bei Hobbes, 1968; Dießelhorst, M., Zum Vermögensrechtssystem Samuel
Pufendorfs, 1976; Björne, L., Deutsche Rechtssysteme im 18. und 19.
Jahrhundert, 1984; Björne, L., Nordische Rechtssysteme, 1987; Dießelhorst, M.,
Naturzustand und Sozialvertrag bei Hobbes und Kant, 1988; Schröder, J., Die
ersten juristischen „Systematiker“, FS S. Gagnér, 1996, 111; Lewinski, K. v.,
Deutschrechtliche Systembildung im 19. Jahrhundert, 2001; Bauer, J., Zellen,
Wellen, Systeme, 2016; Dietz, B., Das System der Natur – Die kollaborative
Wissenskultur der Botanik im 18. Jahrhundert, 2017
Szeged an der Mündung der Maros in die
Theiß ist die auf antike Grundlagen zurückgehende, 1498 königliche Freistadt
Ungarns werdende, 1542 an die Osmanen (Türken) und 1686 an Habsburg fallende
Stadt. S. ist Sitz einer 1921 neugegründeten Universität.
Szepter →Zepter
T
Tabak
Lit.: Tabak und Gesellschaft, hg. v. Jacob, F. u. a., 2016
Tablettes Albertini (45 im Jahr 1928 an der algerisch-tunesischen
Grenze etwa 100 Kilometer von Tebessa) aufgefundene, unter vandalischer
Herrschaft mit Tinte auf Holz aufgezeichnete, im Museum Algiers aufgewahrte,
von Eugène Albertini zuerst bearbeitete, 1952 veröffentliche Privaturkunden
der Jahre 493-496 n. Chr.)
Lit.: Tablettes Albertini, hg. v. Saumagne, C. u. a., 1952; Weßel, H.,
Das Recht der Tablettes Albertini, 2003
Tacitus, Gaius (?) Publius (?) Cornelius
(um 55/56-116/120 n. Chr.), aus wahrscheinlich ritterlichem, südgallisch-norditalienischem
Haus, wird 88 Prätor und 97 Konsul. Er gilt als letzter lateinischer Klassiker
([lat.] Historiae [Geschichten], Annales [Annalen], Agricola, Dialogus de
oratoribus [Dialog über die Redner]). Seine Schrift (lat.) De origine et situ
Germaniae (Über den Ursprung und die Lage Germaniens, um 98 n. Chr.) bietet relativ
ausführliche, aber wohl tendenziös gefärbte Nachrichten über die
→Germanen.
Lit.: Die Germania des Tacitus, hg. v. Much, R. u. a.,
3. A. 1967; Syme, R., Tacitus, 2. A. 1979; Tacitus, hg. v. Pöschl, V., 2. A.
1986; Vielberg, M., Pflichten, Werte, Ideale, 1987; Beiträge zum Verständnis
der Germania des Tacitus, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1989; Schmal, S., Tacitus,
2005; Dialogus de oratoribus, hg. v. Flach, D., 2005; Tacitus, Annalen -
lateinisch-deutsch, 2010; Tacitus, Germanis - lateinisch-deutsch, 4. A. 2011
Tafelgut ist das der Versorgung des
reisenden deutschen Königs im Mittelalter dienende →Königsgut. Ein in
einer Abschrift von 1165/74 überliefertes Tafelgüterverzeichnis lässt sich
vielleicht zeitlich auf 1138, 1152/1153 oder um 1165 (Aachen) bestimmen.
Lit.: Das Tafelgüterverzeichnis des römischen Königs,
hg. v. Brühl, C. u. a., 1979; Göldel, C., Servitium regis, 1997
Tagebuch ist das mehr oder weniger tägliche
Aufzeichnungen von Geschehnissen enthaltende Buch.
Lit.: Die Diarien und Tagezettel des Kardinals Ernst Adalbert von
Harrach (1598-1667), hg. v. Keller, K. u. a., 2010
Tagelöhner ist der freie, gegen Tagelohn tätige
Landarbeiter. Er ist insbesondere vom Spätmittelalter bis ins 19. Jh. von Bedeutung.
Seine Rechtsstellung ist schwach.
Lit.: Knapp, T., Die Bauernbefreiung, 1887; Firnberg,
H., Lohnarbeiter und freie Lohnarbeiter, 1935, Neudruck 1978; Simon, S., Die
Tagelöhner und ihr Recht im 18. Jahrhundert, 1995
Tagessatzsystem ist das nach skandinavischem
Vorbild unterschiedliche Vermögensverhältnisse berücksichtigende System zur
Bestimmung der Höhe einer Geldstrafe im späteren 20. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Tagsatzung ist vom 14. Jh. bis 1848 das
gemeinsame Organ der schweizerischen →Eidgenossen.
Lit.: Joos, R., Die Entstehung und rechtliche
Ausgestaltung der eidgenössischen Tagsatzung, Diss. Zürich 1925; Müller, R.,
Die eidgenössische Tagsatzung, Diss. Zürich 1948; Hunziker, G., Das Archiv der
Tagsatzungsperiode 1814-1848, 1980; Jucker, M., Gesandte, Schreiber, Akten,
2004
Tagung
„Das Judentum in der Rechtswissenschaft“ in Berlin vom 3./4. Oktober 1936 ist eine nationalsozialistische
Aktion von Juristen gegen das Judentum. Vor mehr als 100 Teilnehmern sprechen
Hans Frank, Carl Schmitt, Johann von Leers, (M. Mikorey,) K. Klee, Karl
Siegert, Edgar Tatarin-Tarnheyden, Norbert Gürke, Theodor Maunz, Erich Jung,
Otto Rilk, Hans Würdinger, Horst Bartholomeyczik und Horst Müller (sowie Wilhelm
Rath). Nach einem Vorschlag Prof. Naendrups geloben die Teilnehmer unter
Leitung Carl Schmitts alles zu tun, was Hans Frank von ihnen gefordert hatte.
Die meisten Vorträge sind zwischen November 1936 und dem Ende des Jahres 1937
im Deutschen Rechts-Verlag in Berlin erschienen.
Lit.: Göppinger, H., Juristen jüdischer Abstammung im
„Dritten Reich“, 2. A. 1990, 153
Taiding ([N.] aus tageding) ist in
Süddeutschland im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die Gerichtsversammlung.
Im T. wird das →Weistum ermittelt und vorgetragen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Die salzburgischen Taidinge,
hg. v. Siegel, H., 1870
Talar →Robe
Taler ist die nach dem durch Silberbergbau
berühmten Ort Joachimsthal (Joachimstal) benannte deutsche →Münze der
frühen Neuzeit (1518/25). 1908 wird der T. zu Gunsten der Mark außer Kraft
gesetzt. Er lebt im Dollar fort.
Lit.: Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte 1484-1914,
1975; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995
Talion (griech. [N.] Gleiches) ist die
Vergeltung eines Übels mit (ursprünglich höchstens) dem gleichen Übel (Auge um
Auge, 2. Mos. 21,23). Das Talionsprinzip ist dem jüdischen und dem römischen
Recht bekannt. Von dort her dringt es seit dem Spätmittelalter vereinzelt im
Heiligen römischen Reich ein. Es berührt sich mit der →spiegelnden
Strafe.
Lit.: Kaser §§ 32 II 2a, 51 III 1a; Söllner § 8;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 27, 119; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Hermesdorf, B., Poena talionis, 1965; Ebert, U., Talion
und spiegelnde Strafe, FS K. Lackner, 1987, 399; Söllner, A., Der zweite
Merseburger Zauberspruch, ZRG GA 125 (2008), 1
Talmud (Lehre) ist der Kommentar zur um
220 (endredigierten) →Mischna (Lehre, Wiederholung) der Juden. Von
seinen beiden Strömungen setzt sich der babylonische T. (nach 700) gegenüber
dem palästinensischen T. (vor Mitte 5. Jh.) durch. Der T. besteht nur zu seinem
kleineren Teil aus Rechtstexten. →Maimonides (1135-1204) bearbeitet die
rechtlichen Aussagen des T. in seiner →Mischne Tora.
Lit.: Gans, E., Die Grundzüge des mosaisch-talmudischen
Erbrechts, Z. f. d. Wissensch. d. Judentums 1 (1823), 419; Goldschmidt, L., Der
babylonische Talmud, Bd. 1ff. 1929ff.; The Principles of Jewish Law, hg. v.
Eton, M., 1975; Stemberger, G., Einleitung in Talmud und Midrasch, 8. A. 1993;
Wesel, U., Hebräisches Recht, JuS 1997, 686; Schäfer, P., Jesus im Talmud, 2007
Tancredus (Bologna um 1185-Bologna um 1236)
ist der mittelalterliche Jurist (Dekretalist), der um 1216 einen wichtigen
(lat.) ordo (M.) iudiciorum (Gerichtsordnung) verfasst. Bis 1220 erstellt er
die (lat.) glossa (F.) ordinaria (ordentliche Glosse) zu den ersten drei (lat.)
compilationes (F.Pl.) antiquae (alten Sammlungen).
Lit.: Köbler, DRG 107; Feine, H., Kirchliche
Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Fowler-Magerl, L., Ordines iudiciarii, 1994; Lange,
H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 293
tanganare (mlat.-afrk.) bedrängen (zu einer
förmlichen Antwort auf eine gerichtliche Ansprache)
Lit.: Sohm, R., Der Prozess der Lex Salica, 1867,
Neudruck 1971, 143
Tangermünde
Lit.: Tangermünde, die Altmark und das Reichsrecht, hg. v. Lück, H.,
2008
Tarif ist der einheitliche Preis.
Tarifvertrag ist der Vertrag zwischen einem
Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband und einer Gewerkschaft in
arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (z. B. Lohn). Er erscheint in Ansätzen nach
der Mitte des 19. Jh.s (z. B. Buchdruckertarifvertrag 1873), häufiger seit
1890. Erst 1918 setzt er sich aber allgemein durch (Verordnung über Tarifverträge
vom 23. 12. 1918, Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 11. 1. 1952, 25. 8.
1969), wobei anfangs der Anteil der freien Vereinbarungen an den Tarifabschlüssen
höchstens ein Drittel beträgt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wird ohne
wirklichen Erfolg mit Hilfe der Öffnung von Flächentarifverträgen eine
Verringerung der Arbeitslosigkeit angestrebt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 215, 241, 242,
273; Tschirbs, R., Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, 1986; Hainke, S.,
Vorgeschichte und Entstehung der Tarifvertragsverordnung, Diss. jur. Kiel 1987;
Bähr, J., Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, 1989; Brauchitsch,
I. v., Staatliche Zwangsschlichtung, 1990; Englberger, J., Tarifautonomie im
Deutschen Reich, 1995; Brandner, T., Die tarifrechtliche Reformdiskussion in
der Weimarer Zeit, Diss. jur. Jena 1999; Bender, G., Richtungskämpfe, (in) Das
Bürgerliche Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 561; Blanke, S., Soziales Recht
oder kollektive Privatautonomie, 2005; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der
Wirtschaft, 2008; Rudischhauser, S., Geregelte Verhältnisse. Eine Geschichte
des Tarifvertragsrechts in Deutschland und Frankreich (1890-1918/1919), 2016
Tartagnus, Alexander ist der in Imola 1423 oder 1424 geborene, in
Bologna ausgebildete, in Pavia, Bologna, Ferrara, Bologna, Padua und Bologna
lehrende, am 3. 9. 1477 verstorbene Jurist (commentaria zu den Digesten,
interpretationes, consilia).
Lit.: Lange,
H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 2 2007, 831
Tat ist die als abgeschlossen angesehene menschliche
Verhaltenseinheit. An sie knüpft das Recht von seinen Anfängen an vielfältige
Rechtsfolgen.Dabei ist →Die Tat tötet den Mann ein deutsches (, seit dem
19. Jh. bezeugtes) Rechtssprichwort, das die möglicherweise in den ältesten
Zeiten geltende →Erfolgshaftung zum Ausdruck bringen soll.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 315 (Simrock 1846); Schild, B., Die Tat tötet
den Mann, ZRG GA 114 (1997), 380
Tatbestand ist die Summe der Voraussetzungen
für eine Rechtsfolge bzw. im Verfahrensrecht im Urteil die Darstellung des
Sachverhalts. Tatbestände gibt es seit der Entwicklung von Recht. Als für die
Rechtsanwendung grundlegende Besonderheit erkannt sind sie seit Anfang des 19.
Jh.s (Stübel 1805 Zurechnung der Tat [Tatbestand] im Gegensatz zu Zurechnung
der Tat zur Strafe, Anton Bauer 1833 trennt subjektive Merkmale von objektiven
Merkmalen).
Lit.: Seiler, H., Der Tatbestand der negotiorum
gestio, 1968; Burian, B., Der Einfluss der deutschen Naturrechtslehre auf die
Entwicklung der Tatbestandsdefinition im Strafgesetz, 1970; Weißen-Micus, M.,
Tatbestandsmerkmale des Gesellschaftsvertrags im 19. Jahrhundert, 1985;
Schaffstein, F., Studien zur Entwicklung der Deliktstatbestände, 1985;
Ebrahim-Nesbat, S., Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im
19. Jahrhundert, 2006
Täter-Opfer-Ausgleich ist der kriminalpolitische
Ansatz des späteren 20. Jh.s, bei dem dann, wenn Täter und Opfer sich auf eine
Schadenswiedergutmachung einigen, ein Strafverfahren eingeschränkt oder unter
Strafminderung abgeschlossen werden kann (Deutschland 1990 im Jugendstrafrecht,
1994 im Erwachsenenstrafrecht, 1998 in rund 9000 Fällen praktiziert).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Taufe ist die die kirchliche
Mitgliedschaft in der christlichen Kirche begründende Handlung. Sie erscheint
vor Christus bei Johannes dem Täufer. Sie steht zunächst dem Bischof, später
dem Taufkirchenpriester zu.
Lit.: Heggelbach, O., Die christliche Taufe, 1953;
Stenzel, A., Die Taufe, 1958; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983
Tauner (M.) Häusler in der Schweiz
Lit.: Eichholzer, E., Über die Stellung der Tauner nach den
Rechtsquellen des Kantons Zürich, ZRG GA 38 (1917), 115
Tausch (Wort 1181 belegt, lat. [F.] permutatio) ist
der gegenseitige Vertrag, in dem sich beide Seiten zur Hingabe eines
bestimmten, nicht in Geld bestehenden Gegenstands verpflichten. Der Tausch
erscheint schon früh. Er wird teilweise als Kauf angesehen und zeitweise als
Realvertrag eingeordnet, zeitweise als durch Hingabe der Sache entstehender
Innominatkontrakt. In seiner tatsächlichen Bedeutung wird er mit Entstehung
der →Geldwirtschaft vom →Kauf rasch zurückgedrängt.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2;
Köbler, DRG 74, 91; Gelke, W., Kauf und Tausch in Babenhausen, Diss. jur. Mainz
1981; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Tauschgeschäft und Tauschurkunde vom 8. bis zum 12. Jahrhundert, hg. v. Fees,
I. u. a., 2013
Tausendschaft ist eine im Einzelnen zweifelhafte
Untergliederung des Heeres germanischer Völker (Goten, Vandalen) im frühen
Mittelalter. Ihre Herkunft ist unklar.
Lit.: Rietschel, S., Die germanische Tausendschaft,
ZRG GA 27 (1906), 234; Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA 88
(1971), 181
Taxis →Thurn und Taxis
Technik
Lit.: Europäische Technik im Mittelalter, hg. v. Lindgren, U., 1996;
Technik in der frühen Neuzeit, hg. v. Engel, G. u. a., 2004; Metz, K.,
Ursprünge der Zukunft, 2005; Vom Feld, I.,
Staatsentlastung im Technikrecht, 2007; Gleitsmann, R. u. a., Technikgeschichte,
2009; König, W., Technikgeschichte, 2009; Technikgeschichte, hg. v. König, W.,
2009; Cech, B., Technik der Antike, 2010; Ambrosius, G. u. a., Integration von
Infrastruktur in Europa im historischen Vergleich, Bd. 1 2013; Bayerl, G.,
Technik in Mittelalter und früher Neuzeit, 2013; Kapp, E., Grundlinien einer
Philosophie der Technik, hg. v. Maye, H. u. a., 2015
Teeren und Federn ist die durch Bestreichen mit
Teer und anschließendes Wälzen in Federn gekennzeichnete Form amerikanischer
Lynchjustiz, für die es in Europa kaum gesicherte Zeugnisse gibt.
Lit.: Hentig, H. v., Die Strafe, Bd. 1 1954, 152
Teilgläubigerschaft
Lit.: Riedler, A., Gesamt- und Teilgläubigerschaft, 1998
Teilnahme ist die Beteiligung an einer
fremden Handlung (z. B. Anstiftung, Beihilfe). Sie erscheint tatsächlich schon
sehr früh, wird als allgemeine Rechtsfigur aber erst am Ende des 18. Jh.s
erfasst. Noch Feuerbach (1801) kennt nur (lat. [M.]) auctor (Urheber) und (lat.
[M.]) socius (Gehilfen). IN Österreich gilt die Einheitstäterschaft.
Lit.: Köbler, DRG 204; Heimberger, J., Die Teilnahme,
1896; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck
1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973; Roth, A., Kollektive Gewalt und Strafrecht, 1989; Ebrahim-Nesbat, S.,
Die Herausbildung der strafrechtlichen Teilnahmeformen im 19. Jahrhundert, 2006
Teilnovellen sind in Österreich die das
→Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (1811/1812) nach dem deutschen
→Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) modernisierenden Novellen von 1914,
1915 und 1916.
Lit.: Baltl/Kocher; Dölemeyer, B., Die Revision des
ABGB, Ius commune 6 (1977), 274
Teilpacht ist die einen bestimmten Teil
(Bruchteil, z. B. Hälfte, Drittel) des Ertrags als Pachtzins festlegende Form
der →Pacht. Sie ist auf Grund provinzieller Praxis bereits dem römischen
Recht bekannt. Im Hochmittelalter breitet sie sich seit dem 12. Jh. in vielen
Ländern aus, tritt seit dem 14. Jh. aber wieder zurück.
Lit.: Kaser § 42 II 1; Spieß, K., Teilpacht und
Teilbauverträge, Z. f. Agrargesch. 36 (1988), 228
Teilrecht ist im Ehegüterrecht seit dem
Hochmittelalter das Recht des wiederverheirateten Ehegatten, eine Teilung mit
den Kindern der ersten Ehe zu vollziehen, um die zugunsten der Kinder aus der
ersten Ehe bestehende Verfangenschaft der Güter aus der ersten Ehe aufzuheben
und einen Teil der Güter unbelastet in die zweite Ehe einzubringen.
Lit.: Hübner § 95; Schröder, R., Das eheliche
Güterrecht, 1868, Neudruck 1967
Teilungsanordnung ist die Anordnung des Erblassers über die
Teilung des Erbes.
Lit.: Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966
Teilungsklage ist die auf Teilung von Miteigentum
gerichtete Klage des römischen Rechtes (z. B. [lat.] →actio [F.] familiae
erciscundae, →actio communi dividundo).
Lit.: Kaser § 23 IV 2
Teilzeitarbeit ist die mit der Verknappung der
Arbeit in den Industriestaaten des ausgehenden 20. Jh.s hervortretende Form der
→Arbeit.
Lit.: Oertzen, C. v., Teilzeitarbeit, 1999
Teixeira de Freitas, Augusto (1816-1883) wird nach dem
Rechtsstudium in Olinda und Sao Paulo Rechtsanwalt und kaiserlicher
Rechtsberater. 1857 verfasst er die erste umfassende systematische Sammlung des
Privatrechts Brasiliens (Consolidaçao das leis civis), 1860ff. einen vom
römischen Recht wie von mehreren europäischen Rechten ausgehenden Entwurf
eines Privatrechtsgesetzbuchs (Esboco de Código civil). Er wirkt sich im
Código civil Argentiniens (1869) aus.
Lit.: Meira, S., Teixeira de Freitas, 1979; Augusto
Teixeira de Freitas e il diritto Latinoamericano, 1938
Telegraphie ist die vor allem mit Hilfe des 1837 von Samuel
Morse gebauten und 1844 verbesserten Schreibtelegraphen seit etwa 1850
allgemein mögliche Übermittlung von Texten über beliebige Entfernungen mit
Hilfe der Eigenschaften des elektrischen Stroms.
Lit.: Scherner, K., Innovation und Recht, ZNR 16 (1994), 39; Wobring,
M., Die Globalisierung der Telekommunikation im 19. Jahrhundert, 2005; Wenzlhuemer, R., Connecting the
Nineteenth-Century World, 2013 (ZentrenLondon, Berlin, Wien, Paris),
Wenzlhuemer, W., Verbrechen, Verbrechensbekämpfung und Telegrafie, HZ 301
(2015) 347
Telephon
Lit.: Meili, F., Das Telephonrecht, 1885, Neudruck 2013
Templerorden ist der 1119 von Hugo von Payens
gegründete, nach dem Tempelberg in Jerusalem benannte, 1291 nach Zypern
verlegte, 1312 vom Papst aufgehobene geistliche Ritterorden.
Lit.: Demurger, A., Die Templer, 1991; Dinzelbacher,
P., Die Templer, 2002; Frale, B., Il papato e il processo ai Templari, 2003;
Demurger, A., Der letzte Templer, 2004; Sarnowski, J., Die Templer, 2009;
Burzyński, E., Zakon rycerski temlariuszy, 2010; Napp, A., Templer Mythen,
2010; Jabonde, J., Die Templer in Deutschland, 2010; Nicolotti, A., I Templari
e la Sindone, 2011; Schenk, J., Templar Families, 2012; Bergeron, D., Les
Templiers et leur procès, 2011; La fin de l’ordre du Temple, hg. v. Chevalier,
M., 2012
temporalis (lat. [Adj.]) zeitlich, weltlich
Temporalien sind seit 1122 (Wormser Konkordat)
die besonderen weltlichen Rechte der Kirche im Gegensatz zu den Spiritualien
(geistlichen Angelegenheiten oder Rechten).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 93; Lindner, D.,
Die Lehre von der Inkorporation, 1951
Tengler, Ulrich (Rottenacker bei Ehingen an
der Donau um 1447-Höchstädt 1511?) wird nach Ausbildung in Stadtschule Ehingen
und Stiftsschule Blaubeuren (1469) 1467/1469 Gerichtsschreiber in Heidenheim an
der Brenz, 1475-1479 Kastenschreiber in Heidenheim, 1479-1483 Stadtschreiber
in Nördlingen, 1485-1496 Kastner in Heidenheim, dann Landvogt von Graisbach
und 1500 pfalz-bayerischer Landvogt in Höchstädt an der Donau. 1509 gibt
Sebastian Brant den →von Tengler verfassten Laienspiegel heraus.
Tenglers Sohn Christoph wird Professor des kanonischen Rechtes in Ingolstadt.
Lit.: Köbler, DRG 143; Stintzing, R. v., Geschichte
der populären Literatur, 1867, Neudruck 1959, 411; Burret, G., Der
Inquisitionsprozess im Laienspiegel des Ulrich Tengler, 2010
tenure (mengl.) Lehen, Rechtsstellung aus
Belehnung
Lit.: Hudson, Land, Law and Lordship, 1994
Termin (1317) Zeitpunkt
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
terra (lat. [F.]) Land, Erde
Lit.: Köbler, G., Land und Landrecht, ZRG GA 86
(1969), 1; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und Territorium, 1996
terra (F.) salica (lat.-afrk. [F.]) Herrenland
Territorialitätsprinzip ist der Grundsatz der
gebietsmäßigen Abgrenzung. Das T. bildet einen Gegensatz zum Personalitätsprinzip.
Es gewinnt vor allem seit dem 12. Jh. (privilegium minus 1156) allgemeine Bedeutung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Hochmittelalterliche
Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v. Chittolini, G. u. a.,
1996
Territorialstaat ist der auf ein festes Gebiet
(Territorium) bezogene →Staat. Der T. ist ein Gegensatz zum
Personenverbandsstaat. Er setzt sich seit dem 12. Jh. durch ([lat.] privilegium
minus 1156, Reichstag von →Gelnhausen 1180).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler DRG 111, 149; Mitteis,
H., Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972; Brunner, O., Land und
Herrschaft, 5. A. 1965; Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v.
Patze, H., 1970ff., Neudruck 1986; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der
Territorialgewalt, 1975; Bader, K., Der deutsche Südwesten in seiner
territorialstaatlichen Entwicklung, 2. A. 1978; Müller, H., Oberhof und
neuzeitlicher Territorialstaat, 1978; Territorialstaat und Calvinismus, hg. v.
Schaab, M., 1993; Köbler, G., Historisches Lexikon der deutschen Territorien,
1988, 6. A. 1999, 7. A. 2007
territorium (lat. [N.] ) Stadtgebiet, Herrschaftsgebiet
Territorium ist das Herrschaftsgebiet. In der
frühen Neuzeit gilt im Heiligen römischen Reich in geschlossenen Territorien
die Vermutung, dass jeder Ort der Territorialgewalt des Landesherrn unterworfen
ist. Im 19. Jh. tritt das Staatsgebiet an die Stelle des Territoriums.
Lit.: Below, G., Territorium und Stadt, 2. A. 1923;
Dannenbauer, H., Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg,
1928; Hamel, W., Das Wesen des Staatsgebietes, 1933; Moraw, P., König, Reich
und Territorium im späten Mittelalter, 1971; Willoweit, D., Rechtsgrundlagen
der Territorialgewalt, 1975; Die Territorien des Reichs, hg. v. Schindling,
A., Bd. 1ff. 1989ff.; Statuten, Städte und Territorien, 1992;
Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. v.
Chittolini, G. u. a., 1996; Schubert, E., Fürstliche Herrschaft und
Territorium, 1996; Identità territoriali e cultura politica, hg. v. Bellabarba,
M. u. a., 2000
Terrorismus ist die (menschliche)
Gedankenhaltung, die andere Menschen durch Gewalt zwecks Erregung von Schrecken
zu beeinflussen und schädigen versucht. Sie entsteht nach der französischen
Revolution und der Revolutionsbewegung des Jahres 1848 mit der Entwicklung von
Öffentlichkeit und Massenmedien (Felice Orsini 1858, John Brown 1859, Oskar
Becker, Wilkes Booth, Dimitrij Karakozov).
Lit.: Jensen, R., The Battle against Anarchist
Terrorism, 2013; Dietze, C., Die Erfindung des Terrorismus in Europa, Russland
und den USA 1858-1866, 2016
tertia manus (lat. [F.]) dritte Hand →intertiatio
Tertiogenitur (Drittgeburt) →Primogenitur
Tertullian, Quintus Septimius Florens (Karthago
um 160 n. Chr.-Karthago nach 220 n. Chr.), Anwalt in Rom, erster Lateiner unter
den frühchristlichen Apologeten (Apologeticum um 197 n. Chr.)
Lit.: Zilling, H., Tertullian, 2004
Tessel (F.) Kerbholz
Tessin ist das vom gleichnamigen Fluss
durchzogene Alpengebiet, das über Räter, Römer, Ostgoten und Langobarden an die
Franken kommt. Bis 1335 fällt es an das Herzogtum →Mailand, dem es
zwischen 1403 und 1516 die Eidgenossen der →Schweiz abgewinnen. 1798 wird
das bis 1755 ziemlich lose Untertanenverhältnis in ein Kantonatsverhältnis
(Lugano, Bellinzona, 1801 T.) umgewandelt. 1803 und 1814 entstehen
aufgezwungene Verfassungen, am 4. Juli 1830 wird eine noch vor Ausbruch der
Revolution in Frankreich erlassene, als Ausfluss der Volkssouveränität
angesehene Verfassung geschaffen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Patocchi, G., Gli
influssi delle legislazioni straniere, 1961; Sauter, B., Herkunft und
Entstehung der Tessiner Kantonsverfassung von 1830, 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,458, 3,2,1915; Regesti di Leventina, a cura di
Raschèr, V. u. a., 1975; Le fonti del diritto del Cantone Ticino, Bd. 1 C,
Formulari notarili, hg. v. Mango-Tomei, E., 1991
Testament (Wort 1282 belegt) ist die einseitige, nicht
empfangsbedürftige, jederzeit frei widerrufliche Willenserklärung, mit der ein
→Erblasser eine Regelung für den Fall seines Todes trifft und dadurch
meist die an sich bestehende Rechtslage abändert. Das T. ist bereits dem altrömischen
Recht in verschiedenen Formen bekannt (lat. [N.] testamentum). Es muss eine
Erbeinsetzung enthalten. In der Nachklassik anerkannt wird das vor sieben
Zeugen mündlich erklärte T. 446 lässt Kaiser Valentinian III. das eigenhändige
T. im weströmischen Reichsteil zu. Von der Kirche gefördert, wird zusätzlich
wohl zu einheimischen Entwicklungen erbrechtlicher Vergabungen das T. im 13.
Jh. im deutschen Reich (z. B. Wien 1289) zunächst von der Geistlichkeit in der
Form der Verfügungen („Kodizille“) über einzelne Gegenstände (fälschlich so
genanntes Verteilungstestament) aufgenommen und verbreitet sich im 14. Jh.
allgemein (z. B. in Lübeck im 13. und 14. Jh. mehr als 2700 überlieferte Testamente,
von 1400 bis 1449 1619 von 1397 Verfassern). Es bedarf einer gewissen Form (z.
B. vor Rat, vor Notar). Möglich ist ein gemeinschaftliches T. In der frühen
Neuzeit wird verstärkt auf das römische Recht zurückgegriffen, ohne dass
alle seine Einzelheiten aufgenommen werden. Öffentliches T. (z. B. vor Gericht,
Rat oder Notar) und privates T. finden sich nebeneinander. In der Gegenwart
steht das eigenhändige T. im Vordergrund, doch sind auch andere Formen möglich.
In Österreich wird 2004 das mündliche T. abgeschafft. Im Zweifel soll der Wille
des Erblassers verwirklicht und das T. aufrecht erhalten werden. Als
politisches T. wird auch die Zusammenfassung der politischen Ansichten eines
Herrschers am Lebensende bezeichnet.
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Söllner §§ 5,
8, 11, 12, 14; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 23, 38, 54, 60, 73,
89, 114, 123, 140, 162, 211, 239, 268; Köbler, LAW; Loening, O., Das Testament
im Gebiet des Magdeburger Stadtrechtes, 1906; Schreiber, O., Das Testament des
Fürsten Wolfgang von Anhalt vom 25. August 1565, 1913; Bergman, C., Testamentet
i 1600-talents rättsbildning, 1918; Heymann, E., Das Testament Friedrich
Wilhelms III., 1925 (SB Berlin); Aders, G., Das Testamentsrecht der Stadt Köln,
1932; Lentze, H., Das Wiener Testamentsrecht, ZRG GA 69 (1952), 98, 70 (1953),
159; Florilegium testamentorum, hg. v. Wolf, H., 1956; Wesener, G., Geschichte
des Erbrechts in Österreich, 1957; Piper, H., Testament und Vergabung von Todes
wegen im braunschweigischen Stadtrecht, 1960; Simnacher, G., Die
Fuggertestamente, 1960; Besta, E., Le successioni, 1961; Sheehan, M., The Will
in Medieval England, 1963; Regesten der Lübecker Bürgertestamente, hg. v.
Brandt, A. v., Bd. 1ff. 1964ff.; Immel, G., Öffentliches Testament und procurator,
Ius commune 1 (1967), 223; Hamburger Testamente 1351-1400, bearb. v. Loose, H.,
1970; Nonn, U., Merowingische Testamente, Archiv f. Diplomatik 18 (1972), 1;
Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Privatrecht, 1972; Schulz, G.,
Testamente des späten Mittelalters aus dem Mittelrheingebiet, 1976;
Spreckelmeyer, G., Zur rechtlichen Funktion frühmittelalterlicher Testamente,
(in) Vorträge und Forschungen 23 (1977), 91; Ariès, P., L’homme devant la mort,
1977; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Testamente der
Stadt Braunschweig, hg. v. Mack, D., 1988ff.; Baur, P., Testament und
Bürgerschaft, 1989 (Konstanz); Kolmer, L., Spätmittelalterliche Testamente, Z.
f. bay. LG. 52 (1989), 475; Kasten, B., Erbrechtliche Verfügungen des 8./9.
Jahrhunderts, ZRG GA 107 (1990), 236; Beutgen, M., Die Geschichte der Form des
eigenhändigen Testaments, 1992; Zenhäusern, G., Zeitliches Wohl und ewiges
Heil, 1992; Paulus, C., Die Idee der postmortalen Persönlichkeit im römischen
Testamentsrecht, 1992; Actes à cause de mort, Recueils Société Jean Bodin,
1993; Bauer-Gerland, F., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, 1995;
Reinhardt, U., Lüneburger Testamente, 1996; Färber, M., Das gemeinschaftliche
Testament, 1997; Rappert, K., Die Regensburger Testamentsordnung, 1997; Baaken,
G., Das Testament Heinrichs VI., ZRG GA 116 (1999), 23; Umstätter, A., Das
Testament im ägyptischen Erbrecht, 2000; Noodt, B., Religion und Familie in der
Hansestadt Lübeck, 2000; Kasten, B., Zur Dichotomie von privat und öffentlich
in fränkischen Herrschertestamenten, ZRG GA 121 (2004), 158; Seif, U.,
Römisch-kanonisches Erbrecht in mittelalterlichen deutschen
Rechtsaufzeichnungen, ZRG GA 122 (2005), 88; Hollberg, C., Deutsche in Venedig
im späten Mittelalter, 2005; Vallaro, A., Considerans fragilitatem humanae
naturae, 2005; Seelenheil und irdischer Besitz, hg. v. Herzog, M. u. a., 2007;
Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter, hg. v.
Kasten, B., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Litschel, A., Ordnung, Kooperation und
Konflikt in spätmittelalterlichen Testamenten, ZHF 37 (2010), 375; Testamente
aus der Habsburgermonarchie Alltagskultur, Recht, Überlieferung (in)
Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 1 (2011), 1ff.; Klein, G., Über den
Grundsatz der materiellen Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung, 2012;
Kröll, P., Das Städelsche Testament, 2013; Zimmermann, W., Testamente und
Erbstreitigkeiten von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt, 2018
Testamentsgesetz ist das deutsche Gesetz über die
Errichtung von →Testamenten und →Erbverträgen vom 31. 7. 1938, das
diesen Rechtsbereich vorübergehend aus dem →Bürgerlichen Gesetzbuch
herauslöst und seine Formvorschriften mildert.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 239; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/Testamentsgesetz1938.pdf;
Gruchmann, L., Die Entstehung des Testamentsgesetzes, ZNR 7 (1985), 53;
Schliepkorte, J., Entwicklungen des Erbrechts, 1989
Testamentsvollstrecker (1852) ist der vom →Erblasser zur Ausführung seiner
→letztwilligen Anordnungen durch letztwillige Verfügung berufene Mensch.
Das römische Recht kennt keine Testamentsvollstreckung. Im deutschen Recht
entwickelt sie sich unter Förderung durch die Kirche bereits früh und wird in
das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) aufgenommen.
Lit.: Kaser § 67 V; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG
211; Schultze, A., Die langobardische Treuhand, 1895; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Scherner, K., Salmannschaft, Servusgeschäft und
venditio iusta, 1971; Offergeld, A., Die Rechtsstellung des
Testamentsvollstreckers, 1995; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Kunz, L., Postmortale
Privatautonomie und Willensvollstreckung, 2015
Testamentum (lat. [N.]) ist seit dem
altrömischen Recht der Zeugenakt, durch den der →Erblasser willkürlich
bestimmte Personen zu Erben vielleicht anfangs nur von Einzelgegenständen
machen kann. Das t. ist lange durch bestimmte Förmlichkeiten gekennzeichnet.
→Testament
Lit.: Kaser §§ 8 I 2b, 65 II 1c, 67, 68; Köbler, DRG
23; Wieling, H., Testamentsauslegung im römischen Recht, 1972
Testamentum (N.) apud acta conditum (lat.) ist das spätantike, bei der
Behörde begründete (öffentliche) →Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 4; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) calatis comitiis (lat.) ist das altrömische, vor
den zweimal jährlich zusammengerufenen Kuriatkomitien vielleicht ursprünglich
zwecks einer Art Kindesannahme errichtete Testament.
Lit.: Kaser §§ 60 III 2b, 65 II 1b, 67 I 2a; Söllner
§§ 5, 8; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) inofficiosum (lat.) ist das die nächsten
Verwandten entgegen der Pietätspflicht nicht ausreichend bedenkende
→Testament.
Lit.: Kaser § 70 I 1
Testamentum (N.) in procinctu (lat.) ist im altrömischen Recht
das →Testament vor dem aufgestellten Heer.
Lit.: Kaser §§ 67 I 2b, 69 III 2c; Söllner § 5;
Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per aes et libram (lat.) ist das durch Erz und Waage
als Libralgeschäft vorgenommene, wohl anfangs nur der Übertragung einzelner
Gegenstände dienende →Testament des altrömischen Rechtes.
Lit.: Kaser §§ 65 II 1b, 67 I 2b; Köbler, DRG 23
Testamentum (N.) per holographam scripturam ist im spätantiken weströmischen
Recht das von Kaiser Valentinian III. 446 n. Chr. eingeführte eigenhändige
→Testament.
Lit.: Kaser § 67 III 2; Köbler, DRG 60
Testamentum (N.) ruptum (lat.) zerrissenes und damit
ungültig gemachtes Testament
Testatio (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die Zeugenurkunde.
Lit.: Kaser § 7 IV 2a; Köbler, DRG 43
Testierfreiheit (1894, Testierfähigkeit 1883, testieren 1544) ist die grundsätzlich von Beginn
des Testaments an bestehende, nur ausnahmsweise eingeschränkte Freiheit, ein
→Testament zu errichten und über sein Vermögen von Todes wegen zu
verfügen. Dem römischen Recht schon früh bekannt, setzt sie sich im deutschen
Mittelalter seit dem 13. Jh. allmählich durch. Bereits im 16. Jh. hat das
römische Recht das einheimische Erbrecht erheblich umgestaltet und am Ende des
19. Jh.s ist die T. selbverständlich.
Lit.: Kaser § 65 II 2; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.;
Prochnow, J., Das Spolienrecht, 1919, Neudruck 1965; Wesener, G.,
Beschränkungen der Testierfreiheit, FG U. v. Lübtow 1970, 569; Stoll, F., Das
Hagestolzenrecht, 1970; Tschappeler, H., Die Testierfreiheit, 1983, Klippel,
D., Familie versus Eigentum, ZRG GA 101 (1984), 117; Landau, P., La libertà di
testare, Rivista internazionale di diritto comune 6 (1995), 29; Landau, P., Die
Testierfreiheit, ZRG GA 114 (1997), 56; Goebel, J., Testierfreiheit als
Persönlichkeitsrecht, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
testis (lat. [M.]) Dritter, Zeuge
Testis in uno falsus in nullo fidem
meretur (lat.).
Ein Zeuge, der in einem Punkt gelogen hat, verdient in nichts Glauben.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Teufel
Lit.: Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50;
Flasch, K., Der Teufel und seine neuen Engel – Die neue Biographie, 2015;
Löhdefink, J., Zeiten des Teufels, 2016
Teufelsvertrag ist der in Märchen, Sage, Schwank
und Legende angeblich mit dem Teufel geschlossene Vertrag.
Lit.: Zelger, R., Teufelsverträge, 1996; Link, L., Der
Teufel, 1997; Schwaiger, G., Teufelsglaube und Hexenprozesse, 4. A. 1999
Teutone ist der Angehörige des 102 v. Chr.
von den Römern bei Aquae Sextiae geschlagenen germanischen Volkes.
Lit.: Köbler, DRG 28, 66
teutonicus (lat.-ahd.) deutsch
texaca (lat.-afrk.) Diebstahl, Diebstahlsbuße
Lit.: Beyerle, F., Die Malberg-Glossen der Lex Salica,
ZRG GA 89 (1972), 12; Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz, 1973
Textkritik
Lit.: Buchner, R., Grundsätzliches zur Textkritik, ZRG GA 66 (1948),
342
Thaleleios (6. Jh.) ist der byzantinische
Rechtslehrer in Konstantinopel, dessen aus einem Codexkommentar stammende Werkreste
in Scholien zu den Basiliken erkennbar sind.
Lit.: Simon, D., Aus dem Kodexunterricht des
Thalelaios, ZRG RA 86 (1969), 334, 87 (1970), 315
Theoderich der Große (451?-30. 8. 526) ist der bekannteste
König der Ostgoten (um 470, 474?). Aus eher unbedeutender Familie stammend
kommt er als Geisel mit dem römischen Reich in Berührung und erobert danach
Italien, so dass ihm Kaiser Anastasius die Insignien eines Kaisers verleiht.
Ihm wird das →Edictum Theoderici zugeschrieben.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 80; Ennslin, W.,
Theoderich der Große, 2. A. 1959; Kohlhas-Müller, D., Untersuchungen zur
Rechtsstellung Theoderichs des Großen, 1995; Ausbüttel, F., Theoderich der
Große, 2003; Goltz, A., Barbar - König - Tyrann, 2008
Theodosius II. (Konstantinopel 30. 8. 401-28. 7.
450), Sohn des oströmischen Kaisers Arcadius ist seit 408 oströmischer Kaiser.
Unter dem Einfluss seiner gelehrten Ehefrau Athenais veranlasst er die
Zusammenfassung der seit Konstantin erlassenen kaiserlichen Konstitutionen
(Gesetze) in einem nach ihm benannten Gesetzbuch. →Codex Theodosianus.
Lit.: Williams, S./Friell, G., Theodosius, 1994;
Ernesti, J., Princeps christianus, 1998; Leppin, H., Theodosius der Große,
2003; Theodosius II., hg. v. Kelly, C., 2013
Theologie (F.) Gotteskunde
Lit.: Geschichte der christlichen Theologie, hg. v. Pauly, W., 2008;
Van Nieuwenhove, R., An Introduction to Medieval Theology, 2012
Theophilos (6. Jh.) ist der byzantinische
Rechtslehrer in Konstantinopel, welcher der Kommission für den ersten
→Codex Justinians und für die →Digesten angehört und gemeinsam mit
Dorotheos die →Institutionen abfasst. Überliefert ist eine vielleicht
von ihm stammende kommentierende griechische Institutionenparaphrase. Sie
wird als systematische, lateinische Fachwörter weitgehend übernehmende
Einführung in das römische Recht verwendet.
Lit.: Söllner § 22; Lokin, J., Theophilos, TRG 44
(1976), 337; Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani
delineatio, 1985, 40
Theresiana →Constitutio (F.) Criminalis
Theresiana (Strafgesetz Maria Theresias von 1768)
Thesaurus (lat. [M.]) ist im römischen Recht
der nach Hadrian (117-138 n. Chr.) je zur Hälfte an den Finder und den
Grundstückseigentümer fallende →Schatz.
Lit.: Kaser § 26 I 3; Köbler, DRG 40
thesei dikaion (griech. [N.]) das gesetzte Recht
Lit.: Köbler, DRG 31
Thessalien ist das Gebirgsland im mittleren
→Griechenland, das 148 v. Chr. an die Römer gelangt und über Byzanz (,
Bulgaren und Franken) 1393 an die Osmanen fällt. Von der jeweiligen Herrschaft
wird auch das Recht unterschiedlich beeinflusst.
Lit.: Magdalino, P., Between Romaniae, Mediterranean
Historical Review 4 (1989), 87
Thessaloniki (Saloniki) in →Griechenland
wird wohl 316/315 v. Chr. gegründet und ist seit 1925 Sitz einer Universität.
Lit.: Vakalopoulos, A., History of Thessaloniki, 1963
Thibaut, Anton Friedrich Justus (Hameln 4.
1. 1772-Heidelberg 28. 3. 1840), Hugenotte, wird nach dem Rechtsstudium in
Göttingen, Königsberg und Kiel 1798 außerordentlicher Professor in Kiel, 1801
ordentlicher Professor in Kiel, Jena (1802) und Heidelberg (1806). 1803
veröffentlicht er unter Abgehen von der römischen Legalordnung ein zweibändiges
System des Pandektenrechts. 1814 setzt er sich wegen des praktischen Bedürfnisses
aus Vaterlandsliebe für ein allgemeines bürgerliches Recht (Gesetzbuch) in
Deutschland ein, unterliegt im sog. →Kodifikationsstreit aber
(→Savigny und) der Reaktion.
Lit.: Köbler, DRG 180, 211; Baumstark, E., Anton
Friedrich Justus Thibaut, 1841; Thibaut und Savigny, hg. v. Stern, J., 1914;
Kiefner, H., Anton Friedrich Justus Thibaut, ZRG GA 77 (1960), 304; Thibaut und
Savigny, hg. v. Hattenhauer, H., 1973, 2. A. 2002; Polley, R., Anton Friedrich
Justus Thibaut, 1982; Kitzler, A., Die Auslegungslehre des Anton Friedrich
Justus Thibaut, 1986; Heidelberg im säkularen Umbruch, hg. v. Strack, F., 1987;
Kaufmann, D., Anton Friedrich Justus Thibaut (1772-1040), 2014
Thing →Ding
thiuphadus (lat.-got. [M.]) Knechtsherr (str.)
Lit.: Claude, D., Millenarius und thiuphadus, ZRG GA
88 (1971), 181
Thöl, Johann Heinrich (Lübeck 6. 6. 1807-Göttingen 16. 5.
1884), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig und Heidelberg
(Thibaut, Mittermaier) 1837 außerordentlicher Professor in Göttingen, 1842
ordentlicher Professor in Rostock und (1849) in Göttingen. 1841 veröffentlicht
er den ersten Band seines romanistisch-systematisch vorgehenden, ein
Sonderrecht der Kaufleute anstrebenden →Handelsrechts. Mit ihm begründet
er eine durch →Puchta (1798-1846) beeinflusste, streng begrifflich
ausgeführte, kritische Handelsrechtswissenschaft.
Lit.: Gercke, F., Heinrich Thöl, 1931; Raisch, P., Die
Abgrenzung des Handelsrechts, 1962; Landwehr, G., Rechtspraxis und Rechtswissenschaft
im lübischen Recht, Z. d. Ver. f. lübeck. Gesch. 60 (1980), 21; Kern, B., Georg
Beseler, 1982; Ogorek, R., Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986
Thomas von Aquin (Roccasecca bei Neapel
1224/1225-Fossanova bei Terracina 7. 3. 1274), aus dem Geschlecht der Grafen
von Aquino, wird nach dem Eintritt ins Kloster Monte Cassino (1230) und dem
Studium in Neapel, dem Eintritt in den Dominikanerorden (1244) und weiteren
Studien in Paris und Köln (1248-1252 Schüler des Albertus Magnus) 1252 Lehrer
der Theologie in Paris sowie danach (1259-1269) in Italien und in Paris
(1269-72) tätig. Sein scholastisches, selbständigem wissenschaftlichem Denken
Bahn brechendes Hauptwerk ist die zu globaler Synthese von Glauben und Wissen
strebende (lat.) Summa (F.) theologica (Theologische Summe) bzw. Summa
theologiae (Summe der Theologie) (1266-1273). Für das Recht bejaht T. v. A. ein
auf natürliche Vernunft gegründetes und durch praktische Vernunft zu verwirklichendes
→Naturrecht und unterscheidet zwischen lex aeterna als Ausfluss der
göttlichen Vernunft, lex naturalis als Gesetz der Natur und der menschlichen
Vernunft und lex humana als menschlichem bestimmtem Gesetz. Leben, Freiheit
und Eigentum sieht er als allgemeine Grundwerte. 1323 wird er heilig
gesprochen.
Lit.: Köbler, DRG 99, 191; Stupp, H., Mos geometricus,
Diss. jur. Köln 1970; Pieper, T., Thomas von Aquin, 1981; Müller, K., Thomas
von Aquin, 1983; Torrelli, P., Initiation à Saint Thomas, 1993; Schönberger,
R., Thomas von Aquin zur Einführung, 1998; Thomas Handbuch, hg. v. Leppin, V., 2016;
Fernandes, J., Thomas von Aquin über die Tugend der Gerechtigkeit, 2016
Thomasius, Christian (Leipzig 1. 1.
1655-Halle 23. 9. 1728), Eloquenzprofessorensohn, wird nach dem Studium der
Philosophie (1669) und des Rechtes (1672) in Leipzig und Frankfurt an der Oder
(Stryk) 1682 Rechtslehrer in Leipzig. 1685 hält er in seiner Schrift (lat.) De
crimine bigamiae (Das Verbrechen der Bigamie) die Bigamie für naturrechtlich
erlaubt. 1687 kündigt er als erster eine Vorlesung in deutscher Sprache an.
1688 begründet er die deutschen „Monatsgespräche“ als Verbreitungsmittel
seiner an der Freiheit im Denken, Lehren und Schreiben ausgerichteten
Vorstellungen (erste deutschsprachige Monatsschrift). Nach einem Lehrverbot im
Jahre 1690 wird er an die brandenburgische Ritterakademie in →Halle (1694
Universität) berufen, an der er einen dreijährigen juristischen Kurs einführt.
1701 erklärt er, obwohl er sich von der Wirklichkeit des Teufels, der Zauberer
und Hexen überzeugt zeigt, in (lat.) De crimine magiae (Das Verbrechen der
Hexerei) Hexerei als fleischliche Verbindung mit dem Teufel wegen der
Geistigkeit des Teufels für unmöglich. 1705 sieht unter seinem Vorsitz der
Promovend Martin Bernhardt die Folter als unchristlich an, doch lehnt Thomasius
selbst Reformvorschläge in dieser Hinsicht ab. Sein Hauptwerk sind seine
aufgeklärten (lat.) Fundamenta (N.Pl.) iuris naturae et gentium (Grundlagen des
Natur- und Völkerrechts), in denen er das Recht von der Moral bzw. von Ewlifion
und Moraltheologie ablöst, das Recht als positiv vom jeweiligen Herrscher
gesetzt versteht und das Völkerrecht als nicht erzwingbar aus dem Recht
ausschließt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 136, 144, 145,
157, 158, 160, 186, 205; Summarischer Entwurf der Grundlehren, die einem Studioso
Juris zu wissen, 1699, Neudruck 2005; Fleischmann, M., Christian Thomasius und
die akademischen Vorlesungen in deutscher Sprache, ZRG GA 30 (1909), 315; Wolf,
E., Grotius, Pufendorf, Thomasius, 1927; Christian Thomasius, hg. v.
Fleischmann, M., 1931; Battaglia, F., Christiano Thomasio, 1936; Bloch, E.,
Christian Thomasius, 1953; Schubart-Fikentscher, G., Unbekannter Thomasius,
1954; Lieberwirth, R., Christian Thomasius, 1955; Thomasius, C., Über die
Folter, hg. v. Lieberwirth, R., 1960; Thomasius, C., Über die Hexenprozesse,
hg. v. Lieberwirth, R., 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972; Ebner, W., Christian
Thomasius und die Abschaffung der Folter, Ius Commune 4 (1972), 73; Cattaneo,
M., Delitto e pena, 1976; Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert, hg. v.
Stolleis, M., 1977, 2. A. 1987, 3. A. 1995;
Schwerhoff,
G., Aufgeklärter Traditionalismus, ZRG GA 104 (1987), 247; Christian Thomasius,
hg. v. Schneiders, W., 1989; Thomasius, Christian, Ausgewählte Werke, hg. v.
Schneiders, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Christian Thomasius (1655-1728), 1997;
Kühnel, M., Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001; Steinberg, C.,
Christian Thomasius als Naturrechtslehrer, 2005 (S. 201ff. Übersicht über die
219 zwischen 1680 und 1728 gehaltenen Lehrveranstaltungen); Tomasoni, F.,
Christian Thomasius, 2005; Christian Thomasius (1655-1728) – Wegbereiter
moderner Rechtskultur und Juristenausbildung, hg. v. Lück, H., 2006; Christian
Thomasius (1655-1728) - Gelehrter Bürger, hg. v. Lück, H., 2009
Thora →Tora
Thorn an der unteren Weichsel entsteht um
die 1233/1234 vom Hochmeister des →Deutschen Ordens errichtete Burg. 1233
erhält die Altstadt die Kulmer Handfeste, 1264 die Neustadt Stadtrecht. Sein
Schöffenstuhl urteilt nach Magdeburger Recht. Von 1400 bis 1402 verfasst der
Stadtschreiber Walther Ekhardi →Neun Bücher magdeburgischen Rechtes. Von
1793 bis 1920 ist T. bei Preußen. 1945 wird in Polen eine Universität in T.
eingerichtet.
Lit.: Steffenhagen, E., Die neun Bücher Magdeburger
Rechts, 1865; Salmonowicz, S., Krystian Bogumil Steiner (1746 bis 1814), 1962;
Biskup, M., Historia Torunia, Bd. 1 1992; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 51; Thomsen, M., Zwischen Hauptwache und Stockhaus,
2005
Thraker ist der Angehörige des thrakisch sprechenden,
vor allem im Gebiet des heutigen Bulgarien siedelnden indogermanischen
Volkes, das bedeutende Prunkstücke der Goldschmiedkunst z. B. aus dem 4. Jh.
v. Chr. hinterlassen hat.
Lit.: Boshnakov,
K., Die Thraker südlich vom Balkan in den Geographika von Strabo, 2003
Thron ist der Stuhl des Herrschers (mit
hoher, gerade endender Rückenlehne), der als Rechtssymbol der Herrschaft Verwendung
findet. In diesem Sinne verbünden sich spätestens in der frühen Neuzeit T. und
Altar. Eine Trennung erfolgt erst 1918.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989; Instinsky, H., Bischofsstuhl und
Kaiserthron, 1955; Gussone, N., Thron und Inthronisation des Papstes, 1978;
Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Thronverzicht, hg. v. Richter,
S./Dirbach, D., 2010
Thronfolge ist die Nachfolge im Herrscheramt,
die teils nach Erbrecht (z. B. westfränkisches Reich, England), teils nach
Wahlrecht (z. B. ostfränkisches Reich, seit 1438 aber fast gänzlich auf die
Habsburger eingeschränkt) erfolgt. Die T. einer Frau wird erst in der
Neuzeit bedeutsam (z. B. Maria Theresia in Österreich 1740).
Lit.: Pflugk-Harttung, J. v., Zur Thronfolge in den
germanischen Stammesstaaten, ZRG GA 11 (1890), 177; Sickel, W., Das
Thronfolgerecht der unehelichen Karolinger, ZRG GA 24 (1903), 110; Turba, G.,
Geschichte des Thronfolgerechts, 1903; Mitteis, H., Die deutsche Königswahl,
1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1981; Real, W., Über persönliche und faktische
Hindernisse bei der Thronfolge, ZRG GA 94 (1977), 226; Schneider, R.,
Königswahl und Thronfolge, 1987; Der dynastische Fürstenstaat, hg. v. Kunisch,
J., 1982; Schmidt, U., Königswahl und Thronfolge, 1987; Hlawitschka, E.,
Untersuchungen zu den Thronwechseln, 1987; Faußner, H., Die Thronerhebung des
deutschen Königs im Hochmittelalter und die Entstehung des
Kurfürstenkollegiums, ZRG GA 108 (1991), 1; Wolf, A., Warum konnte Rudolf von
Habsburg König werden? ZRG GA 109 (1992), 48; Wolf, G., Die Königssöhne Karl
und Karlmann und ihr Thronfolgerecht nach Pippins Königserhebung 750/51, ZRG GA
108 (1991), 282; Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich, hg.
v. Becher, M., 2017
Thüngen
Lit.: Thüngen, R. Frhr. v., Aus der Familiengeschichte derer von
Thüngen, ZRG GA 45 (1925), 367
thunginus (lat.-afrk. [M.]) Dingmann, Leiter
der Versammlung auf dem Malberg, im 8. Jh. vom Grafen verdrängt
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 85, 86; Sohm, R.,
Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, Neudruck 1971; Guttenberg,
E. Frhr. v., Iudex hoc est comes aut grafio, FS E. Stengel, 1952, 100; Weitzel,
J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Thurgau ist das zwischen Reuß, Aare, Rhein
und Bodensee gelegene, über Räter und Römer im 5. Jh. an die Alemannen (und
damit an die →Franken) gelangte, seit 741 als T. bezeichnete Gebiet. 1264
kommt es an die Grafen von Habsburg. 1460/1461 erobern die Eidgenossen der
→Schweiz den T. und verwalten ihn als gemeine Herrschaft, die 1792
unabhängig wird und sich 1798 der helvetischen Republik bzw. 1803 der Schweiz
eingliedert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Blumer, P., Das
Landgericht und die gräfliche Hochgerichtsbarkeit der Landgrafschaft im
Thurgau, Diss. jur. Leipzig 1908; Brüschweiler, P., Die landfriedlichen
Simultanverhältnisse im Thurgau, 1932; Herdi, E., Geschichte des Thurgaus,
1943; Kundert, W., Die Zivilgesetzgebung des Kantons Thurgau, 1973; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2460; Giger, B., Gerichtsherren,
Gerichtsherrschaften, Gerichtsherrenstand im Thurgau, Thurgauische Beiträge
zur Geschichte 130 (1993), 5
Thüringen ist das von den Thüringern
(um 400 Toringi [Vegetius], verwandt mit den gotischen Terwingern?) besiedelte
Gebiet. Seit dem Spätmittelalter (1485, 1572) zersplittert T. unter den
→Wettinern territorial, wird aber 1920 in ein Land des Deutschen Reiches
zusammengefasst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 75;
Köbler, Historisches Lexikon; Patze, H., Recht und Verfassung thüringischer
Städte, 1955; Günther, G., Die Anfänge der Rezeption des mittelalterlichen
römischen Zivilrechts in Thüringen, Diss. jur. Jena 1957 (masch.schr.);
Eberhard, H., Die Gerichtsorganisation der Landgrafschaft Thüringen, ZRG GA 75
(1958), 108; Forschungen zur thüringischen Landesgeschichte, hg. v. Eberhardt,
H., 1958ff.; Übersicht über die Bestände des thüringischen Landeshauptarchivs
Weimar, hg. v. Eberhardt, H., 1959 (und weitere Bände für Landesarchive);
Heiss, U., Geheimer Rat und Kabinett, 1962; Patze, H., Die Entstehung der
Landesherrschaft in Thüringen, 1962; Hess, U., Geheimer Rat und Kabinett in den
ernestinischen Staaten Thüringens, 1962; Patze, H., Bibliographie zur
thüringischen Geschichte, 1965; Schlesinger, W., Geschichte Thüringens, 1967;
Klein, T., Thüringen, 1983; Hessen und Thüringen, 1992; Heil, T., Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; Post, B., Thüringen-Handbuch,
1999; Weber, P., Justiz und Diktatur, 2000; Westphal, S., Kaiserliche
Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung, 2002; Heinrich Raspe, hg. v.
Werner, M., 2002; Wittmann, H., Im Schatten der Landgrafen, 2005; Günther, G.,
Römisches Recht in Thüringen, 2006; Grahn-Hoek, H., Stamm und Reich der frühen
Thüringer, Zs. d. Ver. f. thür. Geschichte 56 (2002), 7; Herntrich, T.,
Thüringen - von den thüringischen Kleinstaaten nach Zerfall des Alten Reiches
bis zum Freistaat Thüringen, 2010; Lilla, J., Die Vertreter der thüringischen
Staaten und Thüringens, 2010; Fleischhauer, M., Der NS-Gau Thüringen 1939-1945,
2010; 100 Jahre thüringisches Oberverwaltungsgericht, hg. v. Schwan, H., 2012;
Lubini, J., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern der SBZ/DDR
1945-1952, 2015; Kotulla, M., Thüringische Verfassungsurkunden, 2015; Schuster,
F., Thüringens Weg in die soziale Marktwirtschaft, 2015; Welsing, M., Die
Vorgaben des Art. 57 WSA und die konstitutionellen Verfassungen der
thüringischen Staaten, 2016
Thüringer ist der Angehörige des germanischen,
um 400 mit einem Königreich zwischen Donau und Harz nachweisbaren Volkes der
Thüringer, die noch im deutschen Bundesland Thüringen nachwirken. Für die T.
wird 802 die →Lex Thuringorum aufgezeichnet.
Lit.: Die Frühzeit der Thüringer, hg. v. Castritius,
H. u. a., 2009; The Baiuvarii and Thuringi, hg. v. Fries-Knoblach, J. u. a.,
2014
Thurn und Taxis ist die im 13. Jh. in Oberitalien
nachweisbare Familie, die seit der Neuzeit (1490) allmählich das Postwesen des
Heiligen römischen Reichs erlangt (1595
Reichsgeneralpostmeister). 1792 erlässt die Familie in ihrem Reichsfürstentum
Friedberg-Scheer ein Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 1793 wird ein
Strafgesetzbuchentwurf erstellt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Waitz, H., Die
Entwicklung des Begriffs der Regalien, Diss. jur. Frankfurt am Main 1939;
Nordmann, J., Kodifikationsbestrebungen in der Grafschaft Friedberg-Scheer, Z.
f. württemberg. LG. 28 (1969), 265; Piendl, M., Das fürstliche Haus Thurn und
Taxis, 1980; Behringer, W., Thurn und Taxis, 1990; Ruhnau, R., Die fürstlich
thurn und taxissche Privatgerichtsbarkeit in Regensburg, 1998; Stöckl, A.,
Der Principlkommissar, 2018
Tiara ist die außerliturgische Kopfbedeckung
des Papstes in konischer, von drei Kronreifen umringter Form. Sie geht
vielleicht auf eine persisch-phrygische Mütze zurück. Seit dem 8. Jh. lässt sie
sich für den Papst nachweisen. Seit 13. 11. 1964 wird sie nicht mehr verwendet.
Lit.: Sachsse, (o. VN). Tiara und Mitra der Päpste,
ZKG 35 (1914), 481; Sirch, B., Der Ursprung der bischöflichen Mitra und
päpstlichen Tiara, 1975
Tie ist seit dem Mittelalter der dörfliche
Versammlungsplatz in Norddeutschland (vor allem zwischen Hannover, Kassel und
Magdeburg).
Lit.: Bischoff, K., Der Tie, Abh. d. Akad. d. Wiss.
Mainz 1971, 1972; Bischoff, K., Nachträge zum Tie, Jb. d. Vereins f. niederdt.
Sprachforschung 101 (1978), 158; Brednich, R., Tie und Anger, 2007
Tier (Wort bereits für das Indogermanische zu erschließen)
ist das
Lebewesen, das sich vom Menschen durch das Fehlen von Vernunft und Sprache und
von der Pflanze durch Bewegungsfähigkeit und Empfindungsvermögen
unterscheidet. Es wird seit dem römischen Recht als →Sache behandelt. Im
Mittelalter in Frankreich und später auch im Heiligen römischen Reich sind Tierprozess und Tierstrafe möglich. Die
fragwürdige Massentierhaltung des 20. Jh.s führt zu gesetzlichem Tierschutz und
zur Einordnung des Tieres als ein von leblosen Sachen verschiedener, aber
grundsätzlich wie eine Sache zu behandelnder Gegenstand (Österreich 1988,
Deutschland 1990). Bei einem durch ein Tier verursachten Schaden gilt im
römischen Recht die Noxalhaftung ([lat.] actio [F.] de pauperie und noxae datio
[F.], Befreiung von Ansprüchen durch die Hingabe oder Preisgabe des
schädigenden Tieres), im deutschen Recht die später als
→Gefährdungshaftung verstandene Haftung des Herrn (Tierhalters). Später
wird oft zwischen Nutztieren (Haftung nur bei Sorgfaltspflichtverletzung) und
anderen Tieren (Gefährdungshaftung) unterschieden. Ein Schadensersatzanspruch
entfällt meist, wenn der Geschädigte das T. hetzt oder reizt.
Lit.: Hübner 612; Köbler, DRG 65, 128, 166, 216, 269;
Behrens, O., Die Haftung für Tierschäden, Diss. jur. Göttingen 1906; Evans, E.,
The criminal prosecution and capital punishment of animals, 1906; Berkenhoff,
H., Tierstrafe, Tierbannung und rechtsrituelle Tötung, 1937; Thoma, H., Ein
Gottesgericht an Tieren, ZRG GA 70 (1953), 325; Sellert, W., Das Tier in der
abendländischen Rechtsauffassung, (in) Studium generale. Vorträge zum Thema
Mensch und Tier der tierärztlichen Hochschule Hannover, 1984, 66; Laufs, A.,
Das Tier im alten deutschen Recht, Forschungen zur Rechtsarchäologie 7 (1985),
109; Zerbel, M., Tierschutz im Kaiserreich, 1993; Eberstein, W., Das
Tierschutzrecht, 1999; Cole, T., Wörterbuch der Tiernamen
Latein-Deutsch-Englisch und Deutsch-Latein-Englisch, 2000; Schmalhorst, R., Die
Tierhalterhaftung, 2002; Giebel, M., Tiere in der Antike, 2003; Paravicini,
W., Tiere aus dem Norden, DA 59 (2003), 559; Pfeiffer, J., Das Tierschutzgesetz
vom 24. Juli 1972, 2004; Köpernik, K., Die Rechtsprechung zum Tierschutzrecht
1972-2008, 2010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Dirscherl, S., Tier- und Naturschutz im
Nationalsozialismus, 2012; Han, Y., Gesetzlicher Tierschutz im Deutschen Reich,
2014; Tiere und Geschichte, hg. v. Krüger, G. u. a., 2014; Lampert, W.,
Unberührte Schönheit – Reisen zu den ursprünglichen Kühen der Welt, 2015
Tierepos ist das ein →Tier als
Sinnbild eines Menschen verwendende Dichtwerk. Bekannte Beispiele des T. sind
der Ysengrimus des Magisters Nivardus (um 1150) oder der Reinhart Fuchs des
Elsässers Heinrich (1180/1191).
Lit.: Klibansky, E., Gerichtsszene und Prozessform,
1925; Fehr, H., Das Recht in der Dichtung, 1931; Knapp, F., Das lateinische
Tierepos, 1979; Der Reinhart Fuchs, hg. v. Düwel, K., 1984; Ysengrimus, hg. v.
Mann, J., 1987
Tierhalterhaftung →Tier
Tilgung
(Wort um 1000,
tiligen um 1000, aus lat. delere, V., zerstören) ist die Beseitigung einer
Schuld durch Erfüllung oder Erfüllungssurrogat.
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Tipoukeitos (griech. was wo steht) ist das repetierende
byzantinische Rechtsbuch des M(ichael?) Patzes (12. Jh.) zu den Basiliken.
Lit.: Wal, N. van der/Lokin, J., Historiae iuris Graeco-Romani
delineatio, 1985, 102
Tiraqueau (Tiraquellus), André (Fontenay-le-Comte
1488-1558), adliger Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Poitiers Richter.
1513 kommentiert er den eherechtlichen Teil der Coutume von Poitiers, 1543 das
Gewohnheitsrecht von Poitou. 1560 veröffentlicht er eine Untersuchung über die
Stiftung (De privilegiis piae causae).
Lit.: Brejon, J., Un jurisconsulte de la renaissance,
1937
Tirol im von Natur aus eindrucksvollen,
aber unwirtlichen Herzen der Alpen, aus dem eine am Hauslabjoch im hinteren
Ötztal am 19. 9. 1991 gefundene, rund 5300 Jahre alte Gletscherleiche erhalten
ist, wird zuerst von Kelten, 15 v. Chr. von den Römern (Noricum, Raetia,
Venetia et Istria) besetzt, die seit dem 5. Jh. germanischen Völkern
(Langobarden, Alemannen, Bayern, Franken) und im Osten auch Slawen weichen.
1004, 1027 und 1091 überträgt der deutsche König (im Rahmen des
ottonisch-salischen Reichskirchensystems) zur Sicherung des Weges nach Italien
Grafschaften im Gebirge an die Bischöfe von →Trient und →Brixen,
die diese an Grafen als Vögte weitergeben. Von den verschiedenen Grafengeschlechtern
setzen sich die (seit 1141) nach der Burg T. (ältester erhaltener Balken von
1106) bei Meran benannten Grafen von T. im 13. Jh. durch (Graf Albert
1190-1253, Vererbung an Graf Meinhard II. von Görz 1258-1295). 1312 wird unter
den Grafen eine Regelung wider die landschädlichen Leute erlassen. Seit 1335
gilt T. als Reichslehen. 1363 geht das sich von →Bayern allmählich
verselbständigende, von vielen Seiten begehrte T. durch Margarethe Maultasch
(Beiname bisher nicht befriedigend erklärt) unter Unterstützung seitens
jüdischer Geldgeber (aber ohne erkennbare Landstände) an (Herzog Rudolf IV.
von Österreich/) →Habsburg über. Nicht unbedeutsam ist die spätmittelalterliche
Verwaltungsreform König Maximilians, die Regiment und Raitkammer (1491)
einführt. 1499 schafft König Maximilian (der letzte Ritter) für T. eine dem
Mittelalter verpflichtete Halsgerichtsordnung (Malefizordnung). In den
Jahren 1504/1506 werden als Gewinn Habsburgs aus dem bayerischen Erbfolgestreit
Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg T. hinzugefügt. 1511 erhalten die
Landstände Tirols von Kaiser Maximilian ein zunehmend zur Abwehr umfangreicherer
Belastungen verwendetes Landlibell 1526 erreicht T. eine von Michael Gaismair
geprägte Landesordnung (1532, 1573 abgeändert). Im Absolutismus erfolgt eine
verstärkte Einbeziehung in den Gesamtstaat Österreich und damit eine stärkere
Vereinheitlichung des partikularen Rechtes. 1803 werden die Hochstifte
→Trient und →Brixen eingegliedert. 1805 fällt T. an Bayern. In napoleonischer
Zeit versucht Andreas →Hofer (1809) vergeblich die Befreiung von der
Herrschaft Frankreichs bzw. Bayerns, doch kehrt T. nach der Niederlage
Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) 1814 zu Österreich zurück
(1. 7. 1815 Inkraftsetzung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs). 1919
werden Deutschsüdtirol (Südtirol vom Brenner bis zur Salurner Klause) und das
Trentino als Lohn für die bereits 1912 vorbereitete Haltung (Beitritt) Italiens
im ersten Weltkrieg von den Alliierten an →Italien gegeben und danach in
erheblichem Umfang italienisiert (1929 Codice civile von 1865 eingeführt,
Grundbuch bleibt erhalten, ebenso Erbscheinsverfahren). Von 1939 bis 1945 wird
aus dem bei Österreich verbliebenen T. und Vorarlberg der Reichsgau T.
gebildet. Von 1945 bis 1955 steht T. unter der Besatzung Frankreichs.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 170,
220; Bidermann, H., Geschichte der landesfürstlichen Behörden, 1866; Tirolische
Weistümer, Bd. 1ff. 1875ff.; Sartori-Montecroce, R. v., Über die Rezeption des
römischen Rechtes in Tirol, 1895; Kogler, F., Das landesfürstliche Steuerwesen
in Tirol, Teil 1 1901; Wopfner, H., Beiträge zur Geschichte der freien
bäuerlichen Erbleihe Deutschtirols im Mittelalter, 1903; Beiträge zur
Rechtsgeschichte Tirols, 1904; Wopfner, H., Das Tiroler Freistiftrecht, 1905;
Kogler, F., Die älteren Stadtrechtsquellen von Kitzbühel, Zeitschrift des
Ferdinandeums, 3. Folge 52 (1908); Stolz, O., Geschichte der Gerichte
Deutschtirols, 1912; Heuberger, R., Die Kundschaft Bischof Konrads III. von
Chur über das Landrecht Graf Meinhards II. von Tirol, 1915; Heuberger, R., Graf
Meinhard II. von Tirol, Zeitschrift des Ferdinandeums, 3. Folge 59 (1916), 97;
Stolz, O., Politisch-historische Landesbeschreibung von Tirol, 1923ff.; Wretschko, A., Über Eigenleute und
Eigenleuteteilungen in Tirol, ZRG GA 46 (1926), 366; Huter, F., Die Quellen des
Messgerichtsprivilegs der Erzherzogin Claudia für die Boznermärkte (1635),
1927; Stolz, O., Geschichte der Stadt Vils in Tirol, 1927; Stolz, O., Zur
Geschichte der Landeshoheit im Unterengadin und in Tirol, ZRG GA 49 (1929),
439; Wretschko, A. v., Zur Rechts- und Verfassungsgeschichte einer einst
bayerischen Innstadt (Rattenberg), ZRG GA 49 (1929), 449; Stolz, O., Die
Landstandschaft der Bauern in Tirol, Historische Vierteljahrsschrift 28 (1933),
699, 29 (1934), 109; Tiroler Urkundenbuch, Bd. 1ff. bearb. v. Huter, F.,
1937ff.; Marthaler, E., Untersuchungen zur Verfassungs- und Rechtsgeschichte
der Grafschaft Vintschgau im Mittelalter, Jahresbericht der historisch-antiquarischen
Gesellschaft von Graubünden 70 (1940), 71 (1942); Schmidt,
E., Die maximilianischen Halsgerichtsordnungen, 1949; Stolz, O., Geschichte des
Landes Tirol, 1955; Stolz, O., Quellen zur Geschichte des Zollwesens und
Handelsverkehrs in Tirol und Vorarlberg, 1955; Stolz, O., Der geschichtliche
Inhalt der Rechnungsbücher der Tiroler Landesfürsten von 1288-1350, 1957;
Linder, K., Beiträge zur Geschichte der Klosterherrschaft Stams,
Schlernschriften 146 (1959), 1; Stolz, O., Wehrverfassung und Schützenwesen in
Tirol, hg. v. Huter, F., 1960; Keul, M., Staatliche Gewerbepolitik in Tirol
1648-1740, 1960; Bundsmann, A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in
Tirol und Vorarlberg, 1961; Das älteste Tiroler Kanzleiregister 1308-1315,
bearb. v. Zauner, A., 1967; Neue Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde
Tirols (FS Franz Huter), hg. v. Troger, E. u. a., 1969; Grass-Cornet, M., Aus
der Geschichte der Nordtiroler Bürgerkultur (Fuchs von Amras), 1970; Hye, F.,
Die Innsbrucker Familie Weinhart, 1970; 100 Jahre Bezirkshauptmannschaften in
Tirol, hg. v. d. Tiroler Landesregierung, 1972; Hochenegg, H., Der Adel im
Leben Tirols, 1971; Bitschnau, M., Burg und Adel in Tirol zwischen 1050 und
1300, 1983; Riedmann, J., Die Beziehungen der Grafen und Landesfürsten von
Tirol zu Italien bis zum Jahre 1335, 1977; Inama-Sternegg, H., Geschichte aller
Familien Inama, 1978; Fontana, J. u. a., Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1ff.
2. A. 1990; Riedmann, J., Geschichte Tirols, 1983, 3. A. 2001; Kathrein, I.,
Parlamentarismus in Tirol, 1988; Tirol und der Anschluss, hg. v. Albrich, T. u.
a., 1988; Fornwagner, C., Geschichte der Herren von Freundsberg, 1992; Köbler,
G., Vom Tiroler Recht, (in) Tiroler Recht 1919-1992, hg. v. Köbler, G., 1993,
3; Baum, W., Margarethe Maultasch, 1994; Wopfner, H., Tiroler Bergbauernbuch,
hg. v. Grass, N., Bd. 1ff., 1995ff.; Tirol, hg. v. Gehler, M., 1999; König,
Kirche, Adel – Herrschaftsstrukturen im mittleren Alpenraum, hg. v. Loose, R.
u. a., 1999; Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein, hg. v. Schwob, A.,
Bd. 1ff. 1999ff.; Schennach, M., Tiroler Landesverteidigung 1600-1650, 2002;
Albertoni, G., Die Herrschaft des Bischofs, 2003; Schober, R., Tirol zwischen
den beiden Weltkriegen, Teil 1f. 2005ff: Freiheit und Wiederaufbau. Tirol in den
Jahren um den Staatsvertrag, hg. v. Fornwagner, C. u. a., 2007; Margarete
Maultasch, hg. v. Hörmann-Thurn und Taxis, J., 2007; Schreiber, H.,
Nationalsozialismus und Faschismus in Tirol und Südtirol, 2008; Feller, C., Das
Rechnungsbuch Heinrichs von Rottenburg, 2009; Fasser, M., Ein Tirol - zwei
Welten, 2009; Rebitsch, W., Tirol in Waffen, 2009; Oberhofer, A., Der andere
Hofer, 2009; Schennach, M., Revolte in der Region, 2009; Abschied vom
Freiheitskampf?, hg. v. Mazohl, B. u. a., 2009; Für Freiheit, Wahrheit und
Recht!, hg. v. Hastaba, E. u. a., 2009; Tiroler Urkundenbuch, 2. Abt. Die
Urkunden zur Geschichte des Inn-, Eisack- und Pustertals, Bd. 1 Bis zum Jahr
1140, bearb. v. Bitschnau, M. u. a., 2009;
Die
Wolkensteiner, hg. v. Pfeifer, G. u. a., 2009; Kern, F., Der Mythos Anno Neun,
2010; Schennach, M., Gesetz und Herrschaft, 2010 (917 Texte meist des 15.
Jh.s - bzw. von 1474 - bis 1665 ohne
Finanzwesen und örtlich nur beschränkt geltende Texte); Schennach, M., Das
Tiroler Landlibell von 1511, 2011; Tyrolis Latina. Geschichte der lateinischen
Literatur in Tirol, hg. v. Korenjak, M. u. a., Bd. 1f. 2012; Keller, A.,
Schwarzbuch Tirol, 2012; Riedmann, J., Wohl ein Dokument von
weltgeschichtlicher Wichtigkeit – die Urkunden der Tiroler Landesfürstin Margarete
für die Herzöge von Österreich vom 26. Jänner 1363 (in) Tiroler Heimat 77
(2013) 5; Katastrophenjahre, hg. v. Kuprian, H. u. a., 2014; Albrich, T.,
Luftkrieg über der Alpenfestung 1943-1945, 2015; Dotter, M./Wedrac, S., Der
hohe Preis des Friedens – Die Geschichte der Teilung Tirols 1918-1922, 2018
Tisch ist das aus einer auf Beinen
ruhenden Platte bestehende Möbelstück, das als Rechtssymbol verwendet werden
kann (z. B. Gerichtstisch, Trennung von Tisch und Bett).
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Titel ist die besondere Bezeichnung eines
Menschen oder eines Werkes bzw. Werkteils. Die T. von Herrschern und Funktionen
wechseln seit dem Altertum in kaum überschaubarer Vielfalt. Daneben ist T. (lat.
[M.] titulus, z. B. Kauf, Schenkung) auch der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio, Bd. 1 1967, Bd. 2
1973; Löhken, H., Ordines dignitatum, 1982; Intitulatio (Bd.) 3, hg. v.
Wolfram, H. u. a., 1988; Schwarz, J., Herrscher- und Reichstitel bei Kaisertum
und Papsttum im 12. und 13. Jahrhundert, 2003; Krabs, O., Von Erlaucht bis
Spektabilis, 2004
Titelherzogtum ist das als bloßer →Titel verliehene
Herzogtum.
Lit.: Werle, H., Titelherzogtum und Herzogsherrschaft,
ZRG GA 73 (1956), 225
Titulus (lat. [M.]) ist im spätantiken römischen
Recht der Rechtsgrund eines Eigentumserwerbs. Nach der späteren Lehre
(Johannes →Apel 1485-1536) erfordert eine Eigentumsübertragung einen t.
acquirendi (z. B. Kauf, Schenkung) und einen (lat.) modus (M.) acquirendi (z.
B. Übergabe). Dies wird in Deutschland im 19. Jh. durch →Savigny
verändert, wobei Österreich bei der kausalen Tradition (Notwendigkeit von
Titel und Erwerbungsart) verbleibt. →Einigung
Lit.: Kaser § 24 IV; Köbler, DRG 61, 163, 212;
Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf die
Übereignungslehre, 1927
Tobitschau in Mähren ist der Ort, nach dem ein
1481 vom Hofrichter und Landeshauptmann Ctibor von Cimburk und Tovacovská
(T.) (1437-1494) in tschechischer Sprache verfasstes, durch mehr als 70
bekannte Handschriften überliefertes, in 224 Kapitel geteiltes Rechtsbuch des
spätmittelalterlichen mährischen Landesrechtes benannt ist (Tobitschauer
Rechtsbuch bzw. Kniha Tovacovská). Es betrifft Verfassungsrecht, Prozessrecht,
Erbrecht, Vormundschaftsrecht, Ehegüterrecht und anderes. Der Einfluss des
deutschen Rechtes ist gering, ein Einfluss des römischen Rechtes fehlt. 1535
wird das Tobitschauer Rechtsbuch für die mährische Landesordnung verwertet.
Lit.: Tomaschek, J., Recht und Verfassung der
Markgrafschaft Mähren, 1863; Brandl, V., Kniha Tovacovská, 1868; Raupach, H.,
Das eheliche Güterrecht der Kniha Tovacovská, 1931
Tocco →Karolus de Tocco,
→Lombarda
Tocqueville, Alexis de (Verneuil-sur-Seine 29. Juli 1805-Cannes 16. 4.
1859), französischer Richter, der nach einer Reise in die Vereinigten Staaten
von Amerika (1831/1832) das Buch De la démocratie en Amérique verfasst, mit
dem er die moderne Massendemokratie theoretisch begründet (Freiheit,
Gleichheit, Mehrheitsentscheidungen, Machtbeschränkungen).
Lit.: Jardin, A., Alexis de Tocqueville, 1991; Kahan, A., Tocqueville,
Democracy and Religion, 2015; Bluhm, H., Alexis de Tocqueville – Analytiker der
Demokratie, 2016
Tod (Wort bereits für das Germanische zu erschließen)
ist das
Erlöschen der Lebensäußerungen eines Lebewesens, insbesondere eines
Menschen. Mit dem T., dessen feststellbare Kennzeichen in der Medizin auch in
der Gegenwart noch nicht eindeutig festgelegt sind (Hirntod?), endet die
→Rechtsfähigkeit des Betreffenden. Mit den daraus entstehenden Fragen befasst
sich bereits früh vor allem das →Erbrecht. Im Strafvollzug ist der T. die
angestrebte Rechtsfolge der →Todesstrafe.
Lit.: Kaser §§ 13 II 2, 58 VII 1a; Hübner; Köbler, DRG
23 u.ö.; Fehr, H., Tod und Teufel im alten Recht, ZRG GA 67 (1950), 50; Ranke,
E., Rosengarten, Recht und Totenkult, 1951; Harder, M., Zuwendungen unter
Lebenden auf den Todesfall, 1968; Boase, T., Death in the Middle Ages, 1972;
Latzel, K., Vom Sterben im Krieg, 1988; Ohler, N., Leben und Sterben im
Mittelalter, 1990; Aries, P., Geschichte des Todes, 1990; Tod im Mittelalter,
hg. v. Borst, A. u. a., 1993; Jones, C., Die letzte Reise, 1999; Babendererde,
C., Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis bei weltlichen
Reichsfürsten des Spätmittelalters, 2006; Edwards, C., Death in Ancient Rome,
2007; Rüve, G., Scheintod, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Topographie des Jenseits, hg. v. Ameling, W.,
2011; Death at Court, hg. v. Spiess, K. u. a., 2012
Todeserklärung (1784/1794) ist die Feststellung des Todes
eines Verschollenen auf Grund eines Aufgebotsverfahrens durch ein Gericht. Sie
entwickelt sich aus der im Spätmittelalter sichtbaren Todesvermutung (ab 100
bzw. 70) im 18. Jh. in Sachsen und Preußen (1763) und geht von dort in das
deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) ein. Am 4. 7. 1939 wird ein eigenes
deutsches Verschollenheitsgesetz erlassen. Dem folgen die Tschechoslowakei,
Italien und Spanien sowie Österreich (1950). Die Folge der T. gleicht der Folge
des Todes (z. B. Erbrecht). Bei irrtümlicher T. erfolgt Wiedereinsetzung in die
Vermögensrechte. Bei gleichzeitiger Verschollenheit mehrerer besteht eine
Vermutung für gleichzeitigen Todeszeitpunkt (Kommorientenvermutung).
Lit.: Kaser, M., Das römische Privatrecht, Bd. 1 2. A.
1971, 273; Hübner; Riesenfeld, C., Verschollenheit und Todeserklärung, 1891;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Todesstrafe ist die in der Tötung eines
Menschen bestehende →Strafe. Sie ist bereits dem Altertum bekannt.
Inwieweit sie den Germanen als Strafe geläufig ist, ist streitig. Vom
ausgehenden 9. Jh. bis zum 11. Jh. bzw. in den frühmittelalterlichen
Volksrechten findet sie sich kaum. Sie erscheint aber in den
hochmittelalterlichen Landfrieden. Ihre Gestalt ist unterschiedlich (Hängen,
Enthaupten, Ertränken, Vierteilen, Lebendigbegraben, Verbrennen, Vergiften,
Pfählen, Spießen, Sieden, Einmauern, Rädern, Erschießen, Steinigen). Vollzogen
wird sie meist vom →Henker oder →Scharfrichter (im Spätmittelalter
in Konstanz jährlich durchschnittlich 3-4 Hinrichtungen, meist an Fremden, die
Hälfte der Todesurteile wird durch Stadtverweisung ersetzt). Seit dem 18. Jh.
lehnt die Aufklärung (Beccaria 1764) die T. ab (z. B. Toskana 1786-1790,
Österreich 1787-1795, Joseph II. aber nur scheinbar fortschrittlich,
Einschränkung in Frankreich 1832). 1919 (bis 1933) bzw. 1950 (im standgerichtlichen
Verfahren am 7. 2. 1968) wird sie in Österreich abgeschafft, 1937 in der
Schweiz, (im Deutschen Reich vor 1933 für 3 Tatbestände angedroht, 1944 für
40,) 1949 in der Bundesrepublik Deutschland, 1965 in England, 1987 in der
Deutschen Demokratischen Republik, 1997 in Polen, Estland und Aserbeidschan,
1998 in Bulgarien, 1999 in der Ukraine. 1997 halten noch 91 Staaten an der
Todesstrafe fest (rund 3700 Todesurteile [bekannt], rund 2300 Hinrichtungen,
vor allem in China, im Iran, in Saudiarabien und in den Vereinigten Staaten von
Amerika), während 61 Staaten sie nicht mehr kennen (bzw. 104 Staaten die T. [zu
Friedenszeiten] verbieten oder nicht anwenden). Das zweite Fakultativprotokoll
des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und das
sechste Zusatzprotokoll der europäischen Menschenrechtskonvention streben
die Abschaffung der T. an. 2002 einigen sich 36 Mitgliedstaaten des Europarats
auf Abschaffung der Todesstrafe auch im Kriegsfall.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 20, 35, 56,
71, 87, 117, 119, 158, 204, 236, 237, 265; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd.
1f. 1920ff., Neudruck 1964; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen, 1922;
Goldschmit, H., Das Ertränken im Fass, Zeitschrift f. vergl. Rechtswiss. 41
(1925), 41 (1926); Rehfeldt, B., Todesstrafen und Bekehrungsgeschichte, 1942;
Ström, F., On the sacral origin of the Germanic death penalties, 1942; Brunner,
G., Die Todesstrafe in der Zeit der Aufklärung, Diss. jur. Halle 1955;
Wettstein, E., Die Geschichte der Todesstrafe, Diss. jur. Zürich 1958; Strub,
B., Der Einfluss der Aufklärung auf die Todesstrafe, 1973; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss
der Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007; Fleckenstein, M., Die Todesstrafe im
Werk Carl Joseph Anton Mittermaiers, 1992; Weitzel, J., Strafe und Strafverfahren,
(in) Recht im frühmittelalterlichen Gallien, hg. v. Siems, H., 1995, 109;
Evans, R., Rituals of retribution, 1996; Bergman, M., Dödsstraffet, 1996;
Schabas, W., The abolition of the death penalty, 1997; Lott, A., Die
Todesstrafen im Kurfürstentum Trier, 1998; Zur Aktualität der Todesstrafe, hg.
v. Boulanger, C., 1998; Martschukat, J., Inszeniertes Töten, 2000; Luginbühl,
B., Im Kampf gegen die Todesstrafe. Jean-Jacques Comte de Sellon (1782-1839),
2000; Overath, P., Tod und Gnade, 2001; Evans, R., Rituale der Vergeltung,
2001; Derrida, J./Roudinesco, E., De quoi demain, 2001; Martschukat, J., Die
Geschichte der Todesstrafe in Nordamerika, 2002; Seitz, A., Die Todesstrafe ist
keine Strafe, 2003; Wirth, I., Todesstrafen, 2004; Gegen Folter und
Todesstrafe, hg. v. Jacobs, H., 2007; Ammerer, G., Das Ende für Schwert und Galgen?,
2010; Hötzel, Y., Debatten um die Todesstrafe, 2010; Hirte, M., Die Todesstrafe
in der Entstehung des Reichsstrafgesetzbuches, 2013; Schuster, P., Verbrecher,
Opfer, Heilige – eine Geschichte des Tötens 1200-1700, 2015; Taeger, A., Die
Guillotine und die Erfindung der Humanität, 2016 1792 erfunden, 1977 letztmals
eingesetzt)
Todesurteil ist das auf die →Todesstrafe
erkennende Urteil.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Todesurteile
sowjetischer Militärtribunale gegen Deutsche (1944-1947), hg. v. Weigelt, A. u.
a., 2015
Toleranz ist die geduldige Hinnahme (andersartiger)
Anschauungen und Verhaltensweisen anderer. Sie ist vor allem in Fragen der
Religion seit der frühen Neuzeit (Reformation von 1517) bedeutsam. 1615
anerkennt der zum Calvinismus übergetretene Kurfürst von Brandenburg den
Fortbestand des Luthertums. 1685 öffnet das Potsdamer Edikt Preußen den
Hugenotten. Ab 13. 10. 1781 gewährt Joseph II. in Österreich den Anhängern der
(lutherischen) augsburgischen und helvetischen Konfession sowie den orthodoxen
nicht unierten Griechen in jeweils eigenen Toleranzpatenten für jedes Erbland
gewisse T. (nur stärkere Duldung ohne wirkliche Religionsfreiheit) Dieses
gesamte Toleranzpatentbündel bleibt bis 1849 bzw. 1861 in Kraft.
Lit.: Baltl/Kocher; Köbler, DRG 136, 142, 159;
Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 445; Zur Geschichte der Toleranz, hg.
v. Lutz, H., 1977; Link, C., Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979;
Im Zeichen der Toleranz, hg. v. Horten, P., 1981; Landau, P., Zu den geistigen
Grundlagen des Toleranzpatentes Kaiser Josephs II., Österreich. Archiv f.
Kirchenrecht 32 (1981), 187; Religiöse Toleranz, hg. v. Gugglsberg, H., 1984;
Toleranz im Mittelalter, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1998; Toleration in
Enlightenment Europe, hg. v. Grell, O. u. a., 1999; Berghahn, K., Grenzen der
Toleranz, 2000; Calvinism and Religious Toleration in the Dutch Golden Age, hg.
v. Hsia, R. u. a., 2002; Ablehnung – Duldung – Anerkennung, hg. v. Lademacher,
H. u. a., 2004; Angenendt, A., Toleranz und Gewalt, 2006; Das Manifest der
Toleranz - Sebastian Castellio, Über Ketzer, hg. v. Stammler, W., 2013
Tomii, Masaakira (1858-1935) wird nach dem Rechtsstudium in
Lyon von 1885 bis 1902 und von 1908 bis 1918 Professor in Tokio. Er wirkt
maßgeblich bei dem nach deutschem Vorbild geschaffenen japanischen
→Bürgerlichen Gesetzbuch mit. Sein unvollendet gebliebenes Hauptwerk ist
ein systematisches Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes (1903ff.).
Lit.: Tomii-danshaku tsuitô-shû, 1936; Hoshino, E.,
Minpô ronshû, Bd. 5 1986, 145
Tonti oder Tontine ist das nach dem
neapolitanischen Arzt Lorenzo Tonti (1630-1695) benannte, in den romanischen
Ländern verbreitete Gewinnverteilungssystem, bei dem Einzahlungen in
besonderen Fonds angesammelt und nach einer bestimmten Zeit den noch Überlebenden
der Einleger bzw. dem Policeninhaber als Kapital oder Rente ausgeschüttet
werden.
Lit.: Ogris, W., Der mittelalterliche Leibrentenvertrag,
1961; Braun, H., Geschichte der Lebensversicherung, 2. A. 1963
Topik ist die Lehre von den gängigen,
allgemein anerkannten Begriffen, Sätzen und Argumenten. Sie ist bereits der
griechischen Philosophie (Aristoteles) vertraut. In der Rechtswissenschaft
gewinnt sie nur zeitweise eine gewisse Bedeutung (z. B. Cicero, Oldendorp,
Vico, Viehweg [1907-1988]).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Struck, G., Topische
Jurisprudenz, 1971; Viehweg, T., Topik und Jurisprudenz, 1953, 5. A. 1974;
Wieacker, F., Über strengere und unstrenge Verfahren der Rechtsfindung, FS W.
Weber 1974, 421; Seibert, T., Juristische Topik, Z. f. Literaturwissenschaft
und Linguistik 38/9 (1980), 169; Rehbock, K., Topik und Recht, 1988
Tora, Thora (hebräisch [F.] Lehre, Weisung, Gesetz) ist
die jüdische Bezeichnung hauptsächlich für die fünf Bücher Moses, insbesondere
das fünfte Buch. Die T. steht im Mittelpunkt des jüdischen Glaubens. Sie ist
Gesetz des jüdischen Gottes.
Lit.: Majer, J., Geschichte der jüdischen Religion,
1992; Crüsemann, Die Tora, 1992; Die Tora, hg. v. Böckler, A., 2000; Weber, R.,
Das Gesetz im hellenistischen Judentum, 2000; Weber, F., Das „Gesetz“ bei
Philon von Alexandrien und Flavius Josephus, 2001
Torgau
Lit.: Knabe, C., Geschichte der Stadt Torgau, 2. A. 1925; Schmidt, R.,
Die Torgauer Hochzeit als Beispiel für Rechtsform und Rechtsanschauung im 16.
Jahrhundert, ZRG GA 75 (1958), 372
Tortur (F.) Folter
Lit.: Helbing, F., Die Tortur, 1926, Neudruck 1983;
Fiorelli, P., La tortura giudiziaria nel diritto comune, Bd. 1f. 1953f.;
Langbein, J., Torture and the Law of Proof, 1976; Waider, H., Spees
Auseinandersetzung mit der Tortur, Jb. d. Köln. Gesch.-Ver. 54 (1983), 1
Tory (M.) Konservativer in England (Schimpfname, angeblich von
Tar a ry, komm o König, um 1680, →whig vielleicht von whig „dünnes Bier“
oder von whigman „Antreibestock“, um 1680)
Toskana (2. Jh. n. Chr. Tuscia, vorher
Etruria) ist die ursprünglich von Etruskern beherrschte, von 955 bis 1799 zum
Heiligen römischen Reich zählende, zwischen Tiber, Mittelmeer und Apennin
gelegene Landschaft in Italien (Florenz, Pisa, Siena). Seit 1765 ist sie mit
Florenz als Mittelpunkt habsburgische Sekundogenitur unter Maria Theresias
Sohn Leopold, in der bedeutsame aufgeklärte Gesetzesvorhaben entwickelt werden
(Gemeindeordnung, 1782 bzw. 1787 auf 145 Artikel erweiterter Entwurf einer
wohl von Amerika beeinflussten, konstitutionelle Monarchie anstrebenden
→Verfassung, dessen Verwirklichung unterbleibt, als aus dynastischen Gründen
die unmittelbare Zuordnung zu Österreich wahrscheinlich wird, 1786
Strafgesetzbuch „Leopoldina“ ohne Majestätsverbrechen, Folter, Todesstrafe
und Schuldhaft). 1860 wird die T. mit dem Königreich Sardinien und damit mit
→Italien (1861) vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Schneider, F., Die Reichsverwaltung Toskanas, Bd. 1 1914; Christoph, P.,
Großherzogtum Toskana, 1957; Wandruszka, A., Leopold II., 1963ff.; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,154, 3,1,283, 3,2,2358, 3,3,3217; Codex
diplomaticus Amiatinus, hg. v. Kurze, W., Bd. 1ff. 1974ff.; Pesendorfer, F.,
Die Habsburger in der Toskana, 1988; Etruria, Tuscia, Toscana, hg. v. Luzzati,
M., 1992; Graf, G., Der Verfassungentwurf aus dem Jahre 1787, 1998; Kroll, T.,
Die Revolte des Patriziats, 1999; Schlosser, H., Die Leopoldina, 2010; Punta,
I. del, Guerrieri, Crociati, Marcanti - I Toscani in Levante, 2010
Totalitarismus ist die im 20. Jh. verwirklichte,
auf vollständige Unterdrückung angelegte Herrschaftsform (z. B. Bolschewismus,
Faschismus, Nationalsozialismus).
Lit.: Gleason, A., Totalitarianism, 1995;
Totalitarismus und politische Religionen, hg. v. Maier, H. u. a., Bd. 1ff.
1996ff.; Wippermann, W., Totalitarismustheorien, 1997; Totalitarismus, hg. v.
Söllner, A. u. a., 1997; Totalitarismustheorien, hg. v. Siegel, A., 1998;
Totalitarismus im 20. Jahrhundert, hg. v. Jesse, E., 2. A. 1999; Zwischen
Politik und Religion, hg. v. Hildebrand, K., 2003
Tote Hand ist die Bezeichnung für kirchliche
Einrichtungen, die das von ihnen erlangte Vermögen nicht veräußern dürfen.
Hiergegen wenden sich rechtliche Bestimmungen schon in den mittelalterlichen
Städten. Im 19. Jh. verschwindet die vermögensrechtliche Einschränkung der
toten Hand.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2; Lea, H., The Dead
Hand, 1900; Goody, J., Die Entwicklung von Ehe und Familie in Europa, 1990
Totenglaube
Lit.: His, R., Der Totenglaube in der Geschichte des germanischen
Strafrechts, 1928; Tempelmann, M., Totenfurcht und Totenglauben bei den
Germanen, ZRG GA 106 (1989), 274
Totenteil →Freiteil
Lit.: Rietschel, S., Der „Totenteil“ in germanischen
Rechten, ZRG GA 32 (1911), 297; Bruck, E., Totenteil und Seelgerät im
griechischen Recht, 1926
Toter ist der gestorbene Mensch.
Lit.: Fischer, P., Strafen und sichernde Maßnahmen
gegen Tote, 1936
Tot gradus quot generationes (lat.). So viele Grade wie
Zeugungen.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudo-Paulus, E. 3. Jh. n. Chr., Digesten 38, 10, 10 §9)
Totschlag ist die nicht als Mord
qualifizierte vorsätzliche Tötung eines Menschen, früher vielfach auch die
Tötung allgemein. Sie zieht im Frühmittelalter die Verpflichtung zur Leistung
von →Wergeld, später eine →Strafe nach sich. In Österreich ist
Totschlag die Tötung eines (anderen) Menschen in einer allgemein begreiflichen
heftigen Gemütsbewegung.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Bewer, R., Die
Totschlagssühne in der Lex Frisionum, ZRG GA 13 (1892), 95; Roth, W.,
Totschlagsühne und Urfehde, ZRG GA 22 (1901), 357; Riggenbach, C., Die Tötung
und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Löning, G., Totschlag zu Kiel, hg. v.
Sellert, W. 1992; Sonnen, W., Totschlagssühnen im Bereich des Herzogtums Berg,
Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein 1938; Jänichen, H.,
Schwäbische Totschlagsühnen, Zs. f. württ. LG 19(1960), 128; Dilcher, G., Mord
und Totschlag, FS E. Kaufmann, 1993, 91; Wittke, M., Mord und Totschlag? 2002;
Deutsch, A., Späte Sühne, ZRG GA 122 (2005), 113; Linka, K., Mord und
Totschlag, 2008; Phillips, D., Avengers of Blood, 2008
Totteilung ist in Mittelalter und Frühneuzeit
die vollständige Aufteilung des Gutes einer →Gesamthand an ihre Mitglieder.
Lit.: Hübner 154; Schultze, A., Zur Rechtsgeschichte
der germanischen Brüdergemeinschaft, ZRG GA 56 (1936), 264
Tötung ist die Verursachung des
→Todes eines Lebewesens, insbesondere eines Menschen. Unterschiedliche
Formen eines Tötungsdelikts sind insbesondere →Mord, →Totschlag,
Kindestötung und fahrlässige T.
Lit.: Kaser § 36 II 2; Köbler, DRG 26, 71; Mommsen,
T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Riggenbach, C., Die
Tötung und ihre Folgen, ZRG GA 49 (1929), 57; Justiz und NS-Verbrechen, red. v.
Bauer, F. u. a., Bd. 1ff. 1968ff.; Völkl, A., Die Verfolgung der
Körperverletzung im frühen römischen Recht, 1984; Schnyder, S., Tötung und
Diebstahl, 2010; Kollateralopfer. Die Tötung von Unschuldigen als rechtliches
und moralisches Problerm, hg. v. Gillner, M. u. a., 2014
Toul an der Mosel, ursprünglich Hauptort der keltischen
Leuker, wird im 4. Jh. im römischen Reich Sitz eines Bischofs. 925 fällt es an
das ostfränkische Reich, 1552/1648 trotz der im 13. Jh. errungenen Reichsunmittelbarkeit
(Reichsstadt) an Frankreich. 1306 und 1405 wird jeweils ein Stadtrecht
aufgezeichnet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schneider, J., Sur
le droit urban de Toul, (in) Economies et sociétés au Moyen Age, 1973, 273; Bönnen,
G., Die Bischofsstadt Toul, 1995; Petry, C., Faire des sujets du roi, 2006
Toulouse
Lit.: Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 143
Tourismus
Lit.: Türkis, B., Innsbrucker Tourismusgeschichte, 2010; Museum und
Tourismus, hg. v. Neiß, H. u. a. 2017
Tours an der Loire, ursprünglich Hauptort
der keltischen Turonen, ist seit dem 3. Jh. Sitz eines Bischofs (z. B. Gregor
von Tours). Aus fränkischer Zeit ist aus T. eine Formelsammlung bekannt.
Lit.: Grandmaison, C. de, Fragments de chartes, 1886;
Gregor von Tours, Historiarum libri decem, 1959; Gregor von Tours, Zehn Bücher
Geschichten, neu bearb. v. Buchner, R., Bd. 1 1955, Neudruck 1967; Histoire de
Tours, hg. v. Chevalier, B., 1985
Tractatus (M.) de iuribus incorporalibus (lat.) ist
der am 13. 3. 1679 vom Landesfürsten selbständig erlassene Teil des
österreichischen Landrechtsentwurfs von 1654 über das Verhältnis von
Grundherren und abhängigen Bauern (Einschränkung der Robot und des Ehebewilligungsrechts
des Grundherrn).
Tractatus (M.) de maleficiis (Traktat von Übeltaten) ist eine nach einer
Vorform von 1286/1287 (libellus de maleficiis) in Siena 1299 von dem Richter
Albertus -> Gandinus (um 1245-nach 1311?) veröffentlichte systematisierte
Abhandlung über Strafrecht und Strafprozesrecht.
tractoria (lat.-afrk.) Reiseverpflegungsrecht
Lit.: Ganshof, F., La Tractoria, TRG 8 (1928), 69
Traditio (lat. [F.], zu lat. trans über und
lat. dare geben) ist bereits im altrömischen Recht die formlose →Übergabe
einer →Sache auf Grund einer Zweckabrede wie Erfüllung, Kauf oder
Tausch. Im Frühmittelalter wird der Wortgebrauch unscharf. Nach der Aufnahme
des römischen Rechtes seit dem Spätmittelalter ist t. meist der (lat.)
→modus (M.) acquirendi (Erwerbsart). Bei der t. longa manu (langer Hand)
liegt noch keine Ergreifungshandlung vor, sondern nur eine sichere Möglichkeit,
bei der t. brevi manu (kurzer Hand) hat der Erwerber bereits Besitz, bildet
nunmehr aber Besitzwillen, während der Veräußerer ihn aufgibt.
Lit.: Kaser § 24 IV, V 2a; Hübner; Kroeschell, DRG 1;
Köbler, DRG 25, 40, 61, 64, 90, 212; Köbler, LAW; Biermann, J., Traditio ficta,
1891; Fuchs, J., Iusta causa traditionis, 1952; Gordon, W., Studies in the
transfer of property by traditio, 1970; Steinacker, H., Traditio cartae und
traditio per cartam, Archiv f. Diplomatik 5/6 (1959/60), 1; Joswig, D., Die
germanische Grundstücksübertragung, 1984
traditio (F.) cartae (lat.) Übertragung der Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Recht und Schrift, hg. v.
Classen, P., 1977
traditio (F.) per cartam (lat.) Übertragung durch
(Übertragung einer) Urkunde
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Tradition ist das von Generation zu
Generation übergebene Geistesgut bzw. im Frühmittelalter die Übergabe eines
Gegenstands in körperlicher oder symbolischer Gestalt bzw. die sie
verkörpernde →Urkunde. Einzelne Klöster und Hochstifte fassen die
Traditionen in Traditionsbüchern zusammen.
Lit.: Söllner §§ 12, 16; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 4, 81, 105, 212, 254; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 607;
Redlich, O., Über bairische Traditionsbücher und Traditionen, MIÖG 5 (1884), 1;
Grüner, F., Schwäbische Urkunden und Traditionen, MIÖG 33 (1912), 1; Entstehung
und Wandel rechtlicher Traditionen, hg. v. Fikentscher, W. u. a., 1980;
Molitor, S., Das Traditionsbuch, Archiv f. Diplomatik 36 (1990), 61; Michaels,
R., Sachzuordnung durch Kaufvertrag, 2002; Die innovative Kraft der Tradition
in der frühen Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v. u. a., 2007
Traditionsbuch →Tradition
Träger
Lit.: Schott, C., Der Träger als Treuhandform, 1975
Traktat (M.) Abhandlung
Lit.: Baesecke, G., Ein Auszug aus dem „Traktat über
romanisch-fränkisches Ämterwesen, ZRG GA 55 (1935), 230, Beyerle, F., Das
frühmittelalterliche Schulheft vom Ämterwesen, ZRG GA 69 (1952), 1; 402
Transactio (lat. [F.]) ist im römischen Recht
als formlose Abrede, einen Streit oder eine Ungewissheit über ein Recht durch
gegenseitiges Nachgeben zu beenden (→Vergleich), nur ein Fall des
vereinbarten →Erlasses.
Lit.: Kaser § 53 II 3c
Transcriptio (lat. [F.]), transscriptio, ist im
klassischen römischen Recht der beim nur kurzzeitig üblichen
→Litteralkontrakt die →Obligation begründende Schriftakt.
Lit.: Köbler, DRG 45
Translatio (F.) imperii (lat.) (Übertragung der
Herrschaft) ist die Vorstellung von der Übertragung der von den Römern (und
später oströmischen Griechen) innegehabten Weltherrschaft durch den Papst auf
den fränkischen König (Karl den Großen 800). Sie lässt sich seit dem 11. Jh. erkennen.
Lit.: Köbler, DRG 109; Goez, W., Translatio imperii,
1958; Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein, hg. v. Patze, H., 1987
Transleithanien ist (1867-1918, nichtamtlich) die jenseits
der Leitha gelegene ungarische Reichshälfte Österreich-Ungarns (Länder der
Stephanskrone, Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien-Slawonien, Fiume) im
Gegensatz zu Cisleithanien/Zisleithanien.
Transmissio (lat. [F.], Übersendung) ist im
klassischen römischen Recht der Übergang der erbrechtlichen Befugnisse des den
Erblasser überlebenden, aber vor dem Erbschaftserwerb versterbenden Berufenen
auf seinen Erben, im spätantiken römischen Recht die Vererbung des Rechtes des
Außenerben auf seine Erben.
Lit.: Kaser § 72 IV
Transport ist die Beförderung von Menschen oder Waren
von einem Ort zu einem andern Ort.
Transportvertrag ist der eine Beförderung
betreffende →Werkvertrag.
Lit.: Basedow, J., Der Transportvertrag, 1987
Transsilvanien →Siebenbürgen
trans Tiberim vendere (lat.) über den Tiber verkaufen,
d. h. in die Sklaverei geben
Lit.: Kaser § 15 II 3
Tratte ist der gezogene (den Bezogenen zur Zahlung
anweisende), seit etwa 1250 nachweisbare →Wechsel.
Trauung (1353) ist
die Form der →Eheschließung. Sie entwickelt sich aus gebräuchlichen
Geschehnissen. Nach der Entstehung des Christentums nimmt dieses auf die T.
Einfluss. Seit dem Hochmittelalter setzt die Kirche sich auf der Grundlage des
Satzes, dass die Willensübereinstimmung der Brautleute die →Ehe
begründe (lat. consensus facit nuptias), für ein vorheriges Aufgebot (1215) und
die Erfragung des Ja-Wortes durch den Priester ein. Seit 1875 erfolgt die
weltliche Eheschließung im Deutschen Reich, für welche die Bezeichnung T.
vermieden wird, vor dem →Standesbeamten (Zivilehe).
Lit.: Hübner; Friedberg, E., Das Recht der Eheschließung,
1865; Sohm, R., Das Recht der Eheschließung, 1875; Friedberg, E., Verlobung und
Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung, 1876; Opet, O., Brauttradition
und Konsensgespräch in mittelalterlichen Trauungsritualen, 1910; Wehrli, P.,
Verlobung und Trauung, 1933; Conrad, H., Die Grundlegung der modernen Zivilehe,
ZRG GA 67 (1950), 336; Hemmer, R., Über das Beilager im germanischen Recht, ZRG
GA 76 (1959), 292; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und Kirche, 1981;
Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Siffert, R., Verlobung
und Trauung, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Trennung (1486, Trennungsgrund 1819) ist die Auflösung
einer bisherigen Einheit durch Aufteilung.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Trennung von Justiz und Verwaltung →Gewaltenteilung
Trennung von Staat und Kirche ist die von der Aufklärung
geforderte Lösung der seit 380 n. Chr. bestehenden Verbindung von Staat und
Christentum. Die T. v. S. u. K. wird 1789 in den Vereinigten Staaten, 1795 in
Frankreich, 1848, 1919 bzw. 1949 in Deutschland und 1995 in Schweden zumindest
im Grundsatz (anders z. B. Kirchensteuer) verwirklicht.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Erler, A., Kirchenrecht, 5. A. 1983; Campenhausen, A. v.,
Staatskirchenrecht, 3. A. 1996
Trennung von Tisch und Bett (lat. separatio a toro et mensa) ist im
Kirchenrecht die tatsächliche Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter
Aufrechterhaltung der rechtlichen Bindung.
Tres conformes sententiae (lat. [F.Pl.]) sind drei
gleichlautende Urteile, gegen dessen letztes nach römisch-kanonischem Recht
keine →Appellation mehr erhoben werden kann.
Lit.: Weitzel, J., Der Kampf um die
Appellation, 1976, 169
Tres faciunt collegium (lat.). Drei bilden einen Verein.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Marcellus, um 115-um 175, Digesten 50, 16, 85, zu Neratius, um 58/9-nach 133)
trespass (engl. [N.]) Überschreitung,
Friedensbruch, Angriff, Beschädigung
Treue ist die innere feste Bindung eines
Menschen an einen Menschen oder einen Gedanken. Es ist streitig, inwieweit die
T. eine besondere germanisch-deutsche Eigenheit ist. Erhebliche Bedeutung
kommt der T. im Lehnsverhältnis zu. Auch der Beamte steht zum Staat in einem
besonderen Treueverhältnis.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3;
Puntschart, P., Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Schwerin, C. v., Die
Treueklausel im Treugelöbnis, ZRG GA 25 (1904), 323; Puntschart, P.,
Treuklausel und Handtreue im altdeutschen Gelöbnisrecht, ZRG GA 26 (1905), 165;
Gierke, O. v., Die Wurzeln des Treuedienstvertrags, 1914; Hueck, A., Der Treuegedanke
im modernen Privatrecht, 1947; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt,
ZRG GA 66 (1948), 111; Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt in
Frankreich und England, 1952; Graus, F., Über die sog. germanische Treue, 1959;
Rejewski, H., Die Pflicht zur politischen Treue, 1973; Eckhardt, U.,
Untersuchungen zu Form und Funktion der Treueleistung, 1976; Fikentscher, W.,
De fide et perfidia, 1969; Halmen, R., Staatstreue und Interessenvertretung,
1988; Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, 1991; Kroeschell, K.,
Studien zum frühen und mittelalterlichen deutschen Recht, 1995, 157, 183;
Zwissler, T., Treuegebot – Treuepflicht – Treuebindung, 2002; Schneider, N.,
Uberrima fides, 2004
Treubruch ist der Bruch der zugesagten oder erwarteten
Treue.
Lit.: Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie im deutschen
Strafrecht, 1937
Treuga (F.) Dei (mlat., Wort treuga am
ehesten aus dem Burgundischen oder Westgotischen entlehnt) ist die durch die
Gottesfriedensbewegung seit dem 10. Jh. angestrebte Waffenruhe Gottes.
→Gottesfriede
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 101
Treuga (F.) Heinrici (lat.) ist ein wohl in Würzburg im
Juli 1224 durch König Heinrich (VII.) erreichter →Landfriede (für das
Reich?).
Lit.: Gernhuber, J., Die Landfriedensbewegung, 1952
Treuhand (1663, Treuhänder 1350) ist das Rechtsverhältnis, bei dem
ein Teil (Treuhänder) nach außen mindestens ein Vermögensrecht als eigenes
Recht hat, dieses aber auf Grund einer schuldrechtlichen Abrede (Treuhandvertrag,
Sicherungsvertrag) ganz oder teilweise im Interesse des anderen Teiles
(Treugeber) ausüben soll. Die T. ist dem klassischen römischen Recht (als
fiducia) bekannt (Vormund, Pfleger). Sie tritt in einzelnen Erscheinungsformen
vielleicht auch im deutschen Recht (Affatomie, Testamentsvollstreckung,
Lehnsträgerschaft) auf. Erst seit dem 19. Jh. wird daraus aber eine allgemeine
Einrichtung entwickelt, die vom deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) noch
nicht aufgenommen wird. Dabei wird der treuwidrig handelnde Treuhänder dem
Treugeber schadensersatzpflichtig, doch sind seine gutgläubigen Dritten
gegenüber durchgeführten Verfügungen wirksam. Im englischen Recht ist der
→trust bedeutsam.
Lit.: Kaser §§ 11 III, 52 I 3, 54 I;
Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 36, 213, 239; Schultze, A., Die
langobardische Treuhand, 1895; Brünneck, W. v., Der Schlossglaube, ZRG GA 28
(1907), 1; Loening, O., Grunderwerb und Treuhand in Lübeck, 1907; Beyerle, F.,
Die Treuhand im Grundriss des deutschen Privatrechts, 1932; Otten, G., Die
Entwicklung der Treuhand im 19. Jahrhundert, 1975; Schott, C., Der Träger als
Treuhandform, 1975; Asmus, W., Dogmengeschichtliche Grundlagen der Treuhand,
1977; Scherner, K., Fiducia Germanorum, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G.,
1997; Itinera fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 1998; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Itinera
fiduciae, hg. v. Helmholz, R. u. a., 2013
Treuhandanstalt ist die zum 1. 6. 1990 1990 nach
dem Beitritt der →Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik
Deutschland geschaffene, zum 31. 12. 1994 aufgelöste Anstalt zur Überführung
von Volkseigentum in Privateigentum (7984 volkseigene Betriebe, 53,8 Prozent
Privatisierungen, 39,6 Prozent Stilllegungen, 13,1 Prozent Rückgaben an frühere
Berechtigte).
Lit.: Köbler, DRG 249; Laabs D., Der deutsche
Goldrausch
Treu und Glauben ist der Verhaltensmaßstab, der
das Verhalten eines redlich und anständig denkenden Menschen zugrunde legt. Er
ähnelt der (lat.) →bona fides (F.), die im römischen Recht für bestimmte
Schuldverhältnisse zu beachten ist. T. u. G. lassen sich quellenmäßig seit dem
Spätmittelalter belegen. Innerhalb des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1900) entwickelt sich T. u. G. zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz.
Lit.: Söllner §§ 8, 9, 12, 18; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 240, 270; Wendt, O., Die exceptio doli generalis, AcP 100 (1906),
1; Wieacker, F., Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242, 1956;
Nesemann, K., Herkunft, Sinngehalt und Anwendungsbereich der Formel „Treu und
Glauben“ in Gesetz und Rechtsprechung, Diss. jur. Göttingen 1959; Strätz, H.,
Treu und Glauben, 1974
Trialismus ist in Österreich im 19. Jh. die
erfolglose Bestrebung, neben Österreich und Ungarn (1867) einen dritten, aus
Böhmen, Mähren und Südslawien bestehenden Staatsteil zu schaffen (z. B. 1871
Böhmische Fundamentalartikel).
Lit.: Baltl/Kocher
Trianon (bei Paris) ist der Ort des 1920 das
Königreich Ungarn aufteilenden Friedensvertrags.
Tribonian (?-541/3?, oder um 545?) ist der
aus Kleinasien (Pamphylien) stammende griechischsprachige, unter
→Justinian zu hohen Ämtern (533-535 Kanzleileiter, 529-533 und 535-542
Justizminister bzw. quaestor sacri palatii) aufsteigende, oströmische Rechtskundige.
Er ist 528/529 Mitglied der Kommission für den →Codex, seit 530 Mitglied
einer Kommission für die →Digesten. Außerdem verfasst er mit zwei
anderen Rechtslehrern die →Institutionen.
Lit.: Söllner § 22; Dulckeit/Schwarz/Waldstein § 43;
Köbler, DRG 53; Kübler, P., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen
Reichs, 2. A. 1912, 366; Honoré, A., Tribonian, 1978
tribunicia postestas (lat. [F.]) tribunizische Gewalt
tribunus (M.) plebis (lat.) Volkstribun
Lit.: Köbler, DRG 18; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
tribus (lat. [F.]) Abteilung der Bürgerschaft Roms
(Volksversammlung)
tributum (N.) capitis (lat.) Kopfsteuer
Lit.: Köbler, DRG 32
Tridentinum (lat. [N.]) ist das in Trient
zwischen 1545 und 1563 tagende 19. allgemeine Konzil der katholischen
→Kirche. Es versteht sich als (Gegen-)Reformkonzil und stärkt die
Stellung des Bischofs. Es bestätigt u. a. die Unauflöslichkeit der Ehe und
schreibt eine bestimmte Eheschließungsform vor. Allgemein sieht es das
Kirchenrecht normativ als Rechtsordnung mit dem Papst als alleinigem Gesetzgeber.
Lit.: Das Weltkonzil von Trient, hg. v. Schreiber, G.,
Bd. 1f. 1951; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Jedin,
H., Geschichte des Konzils von Trient, Bd. 1ff. 1949ff.; Das Konzil von Trient
und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a., 2001
Trient an der Etsch, das 24 v. Chr. an die
Römer übergeht, ist seit dem späten 4. Jh. Sitz eines Bischofs, der 1004/1027
Grafenrechte erhält. 1185ff. findet sich dort →Bergrecht. 1803 fällt das
Hochstift an →Tirol, 1919 mit Südtirol an →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Voltelini, H. v.,
Die ältesten Statuten von Trient, Archiv für österreichische Geschichte 92
(1902), 83; Il Trentino, hg. v. Mozzarelli, C. u. a., 1985; Hägermann,
D./Ludwig, K., Europäisches Montanwesen, 1986; Bellabarba, M., La giustizia ai
confini, 1996; Das Konzil von Trient und die Moderne, hg. v. Prodi, P. u. a.,
2001; Curzel, E., I canonici e il Capitolo della cattedrale di Trento, 2001;
Bettoti, M., La nobilità trentina, 2002; Lorandini, C., Famiglia e impresa,
2006
Trier an der Mosel wird 16-13 v. Chr. von
Augustus im Gebiet der Treverer gegründet und entwickelt sich im 4. Jh. zur
größten römischen Stadt nördlich der Alpen (60000-70000 Einwohner). Im 6. Jh.
bzw. kurz vor 800 wird der dortige Bischof Erzbischof, im 13. Jh. Kurfürst.
1454/1473 erhält T. eine von 1797/1798 bis 1970 aufgelöste Universität. Nach
älteren Gerichtsordnungen (1400, 1515, 1537) wird 1668 ein wohl von Johannes
Holler und Matthias Franziskus von Troya unter Ausrichtung am einheimischen Recht
geschaffenes, 1713 stärker romanistisch überarbeitetes Trierer Landrecht in 18
bzw. später 22 Titeln in Kraft gesetzt. 1815/1816 gelangen die meisten Güter an
→Preußen.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Scotti, J.,
Sammlung der Gesetze, Bd. 1ff. 1832; Rudolph, F., Die Entwicklung der
Landeshoheit in Kurtrier, 1905; Rörig, F., Die Entstehung der Landeshoheit des
Trierer Erzbischofs, 1906; Knetsch, G., Die landständische Verfassung, 1909;
Kremer, J., Studien zur Geschichte der Trierer Wahlkapitulationen, 1911;
Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der rheinischen Städte – Trier,
hg. v. Rudolph, F., 1915; Leners, W., Die Protokollregister über die
Liegenschaften der Trier Bürgerschaft, Diss. jur. Bonn 1957; Eichler,
H./Laufner, R., Hauptmarkt und Marktkreuz zu Trier, 1958; Dirks, M., Das
Landrecht des Kurfürstentums Trier, 1965; Wendt, H., Die Anwendung des Trierer
Landrechts, 1973; Langer, H./Meves, U., Die Geschichte der Stadt Trier, 1984;
Anton, H., Trier im frühen Mittelalter, 1987; Hermann, H., Die Gehöferschaften
im Bezirk Trier, 1989; Kerber, D., Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier,
1995; Trier im Mittelalter, hg. v. Anton, H. u. a., 1996; Pundt, M., Metz und
Trier, 1998; Petzold, M., Das Pontifikat Erzbischofs Boemunds II. von Trier
(1354-1362), 1999, 2. A. 2007; Müller, J., Vir religiosus ac strenuus Albero
von Montreuil, 2006; Clemens, G., Geschichte der Stadt Trier, 2007; Brommer,
P., Kurtrier am Ende des alten Reichs, 2008; Morscheiser-Niebergall, J., Die
Anfänge Triers, 2008; Regesten der Bischöfe und Erzbischhöfe von Trier, hg. v.
Anton, H. u. a., 2015ff., Unruh, F., Trier – Biographie einer röömischen Stadt,
2017
Triest an der oberen Adria (104 v. Chr. Tergeste,
Marktort) ist seit dem 6. Jh. Sitz eines Bischofs und gelangt 774 an das
fränkische Reich, 1202/1203 an Venedig, 1382 freiwillig an Habsburg, (1809-1814
Herrschaft Napoleons, 1849/1850 reichsunmittelbare Stadt Österreichs,) 1867
zum Kronland Küstenland Österreichs und 1919 an Italien.
Trifels bei Annweiler ist eine 1081
erstmals genannte Reichsburg, in der zwischen 1125 und 1273 die →Reichskleinodien
aufbewahrt werden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Biundo, G., Der
Trifels, 1937; Biundo, G., Zur Bibliographie der Reichsfeste Trifels, 1939;
Sprater, F./Stein, G., Der Trifels, 9. A. 1971; Seebach, H., Kleine Geschichte
des Trifels und der Stadt Annweiler, 2009
Trift
Lit.: Herold, H., Trift und Flößereien in Graubünden, 1982
Triftrecht →Trittrecht
trinoctium (lat. [N.]) Zeitraum von drei Nächten
Lit.: Kaser § 58 II; Köbler, DRG 22
Tripartitum opus (N.) iuris
consuetudinarii enclyti regni Hungariae (lat., dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts
des berühmten Königreichs Ungarn) ist die Rechtsaufzeichnung des ungarischen
Gewohnheitsrechts durch Istvan Werböczy von 1514, die bis zum Zivilgesetzbuch
Ungarns von 1960 von Bedeutung bleibt.
Lit.: Küpper, H., Einführung in die Rechtsgeschichte Osteuropas, 2005
tripertitum (lat. [N.]) dreiteiliger Kommentar
des Sextus Aelius Paetus Cato zu den zwölf Tafeln des römischen Rechtes
Lit.: Söllner § 12; Köbler, DRG 29
Trittrecht, Triftrecht ist das mittelalterliche
Wegerecht für das Treiben von Vieh (Viehtriebsrecht).
Lit.: Hübner 281; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1 1957
Trivium (lat. [N.] Dreiwegiges) sind Grammatik,
Dialektik und Rhetorik innerhalb der sieben freien Künste (lat. artes
liberales).
Trizone ist das am 8. 4. 1949 durch
Anfügung der französischen Besatzungszone an die Bizone der Vereinigten
Staaten von Amerika und Großbritanniens entstehende Gebiet des
→Deutschen Reichs.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 245
Trödelvertrag (lat. contractus [M.]
aestimatorius, aestimatum) ist der bereits dem römischen Recht bekannte Vertrag
(Innominatrealkontrakt), bei dem innerhalb einer bestimmten Zeit entweder ein
Preis für eine übergebene Sache geliefert (Mehrerlös verbleibt dem Trödler)
oder die übergebene Sache zurückgegeben werden soll.
Lit.: Kaser § 45 I 1; Hübner; Bucher, E., Der
Trödelvertrag, (in) Innominatverträge, 1988, 95
Troja (Troia) ist der Schauplatz des von
dem griechischen Dichter Homer geschilderten, trojanischen Kriegs zwischen
Griechen und Trojanern, der seit 1870 (Heinrich Schliemann) auf dem 20 Meter
hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Westtürkei, ?) in zahlreichen Siedlungsschichten
(ab 2900-2500 v. Chr.) mit reichen Goldfunden und Silberfunden (Schatz des
Priamos) ergraben wird.
Lit.: Siebler, M., Troia, 1990; Korfmann, M./Mannsperger,
D., Troia, 1998; Hertel, D., Die Mauern von Troja, 2003; Der neue Streit um
Troia, hg. v. Ulf, C., 2003; Der Traum von Troia, hg. v. Zimmermann, M., 2006;
Jahn, S., Der Troia-Mythos, 2007; Strauss, B., Der trojanische Krieg, 2008; Lag
Troia in Kilikien?, hg. v. Ulf, C. u. a., 2010; Kolb, F., Tatort Troia, 2010
Tromsö im nördlichen Norwegen wird im 9.
Jh. angelegt, aber erst 1250 erstmals erwähnt. Nach Neubesiedlung im 18. Jh.
erhält es 1968 eine Universität.
Truchsess oder →Seneschall ist der mit
der Verpflegung des fränkisch-deutschen Königshofs betraute Amtsträger. Dieses
Amt hat seit dem Hochmittelalter (vor 1198) der Pfalzgraf bei Rhein inne.
Später entwickelt sich an vielen landesherrlichen Höfen ein T.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 83, 112;
Latzke, I., Hofamt, Erzamt und Erbamt, Diss. phil. Frankfurt am Main, 1970;
Rösener, W., Hofämter, DA 45 (1989), 485
Trucksystem ist im 19. Jh. von England kommend
das System der Entlohnung eines Arbeiters mit vom Arbeitgeber vertriebenen
Waren. Es wird wegen der mit ihm verbundenen Missbrauchsmöglichkeiten noch im
19. Jh. unzulässig.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Trunkenheit ist der durch reichlichen
Alkoholgenuss verursachte Zustand eines Menschen. T. wird seit dem 13./14. Jh.
rechtlich erfasst. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s wird die T. im
Straßenverkehr entschiedener bekämpft.
Lit.: Endemann, F., Die Entmündigung wegen Trunksucht,
1904; Gramsch, G., Der Tatbestand des Rauschmittelmissbrauchs, 1938, Neudruck 1977;
Rausch und Realität, hg. v. Völger, G., 1981; Kaiser, R., Trunkenheit im
Mittelalter, 2002; Kropik, C., Moralsatirische Selbstbespiegelung eines
(pseudo-)anonymen Alkoholikers, 2015 (Helius Eobanus Hessus Erfurt 1515)
trust (M.) Treuhandverhältnis, →Treuhand
Lit.: Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004;
Wolff, J., Trust, 2005; Schröder, P., Trust in Early Modern International
PoliticalThought 1598-1713, 2017
trustis (lat.-afrk. [F.]) Schar, Anhang,
Gefolge
Lit.: Grahn-Hoek, H., Die fränkische Oberschicht,
1976; Schmidt-Wiegand, R., Fränkisch druht und druhtin, Z. f. hist.
Terminologie 1974, 534
Tryphoninus, Claudius, römischer Rechtskundiger
Anfang des 3. Jh.s n. Chr., in den Digesten überlieferte Fragmente wohl aus dem
Rechtsunterricht (juristisch-pädagogische Anleitung)
Lit.: Fildhaut, K., Die libri disputationum des Claudius
Tryphoninus, 2004
Tschechien ist der im Westen um Prag gelegene,
tschechische Teil der 1993 aufgelösten Tschechoslowakei, der zum 1. 1. 2014
ein neues Bürgerliches Gesetzbuch und
ein Gesetz über Körperschaften in Kraft setzt..
Lit.: Antologie
české právní vědy (Anthologie der tschechischen Rechtswissenschaft),
1993; Krupar, M., Tschechische juristische Zeitschriften des 19. und 20.
Jahrhunderts, 2011
Tschechoslowakei ist der am 28. 10. 1918 aus den
österreichischen Gebieten →Böhmen und →Mähren sowie Schlesien und
Oberungarn unter zwangsweisem Einschluss der dort lebenden Deutschen
gebildete, sich am 29. 2. 1920 eine Verfassung gebende, 1938/1939 von Adolf
Hitler nach dem Münchener Abkommen verkleinerte und danach annektierte
(Protektorat Böhmen und Mähren), 1945 unter Aussiedlung und Vertreibung der
Deutschen (ohne Karpathorussland) wiederhergestellte, 1948 dem Kommunismus
sowjetischer Prägung zugeführte (Verfassung vom 9. 5. 1948, 1968 Prager Frühling),
1990 demokratisierte und zum 1. 1. 1993 in Tschechien und die Slowakei
aufgelöste Staat (mit 1938 43% Tschechen, 23% Deutschen und 22% Slowaken, 1920
Verfassungsgericht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 220,
223, 246; Bretholz, B., Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 1ff. 1921ff.;
Vaněček, V., (Das tschechische Rechtsleben im Zeitalter des
Kapitalismus), 1953; Hoensch, J., Geschichte der Tschechoslowakischen Republik
1918-1965, 1966; Česká narodní rada, sněm českého lidu (Der
tschechische Nationalrat, Landtag des tschechischen Volkes), veranstaltet v.
Vaněček, V., 1970;
Maly,
K., Tschechoslowakische rechtshistorische Literatur, ZNR 1984; Schubert, W.,
Der tschechoslowakische Entwurf zu einem Bürgerlichen Gesetzbuch und das ABGB
von 1937, ZRG GA 112 (1995), 271; Kudej, B., Legal history of Czechoslovakia,
(in) Intern. Journal of legal information 24 (1996), 71; Lenk, R., La Tchéchoslovaquie
1996; Burgerstein, J., Tschechien, 1998; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 4 hg. v. Mohnhaupt, H., 1998; Kren, J., Die
Konfliktgemeinschaft, 1999; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen
in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und
Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Boleslav II., hg. v. Sommer, P.,
2001; Šmahel, F., Husitské Čechy, 2001; Beyer, B., Die Beneš-Dekrete,
2002; Coudenhove-Kalergi, B./Rathkolb, O, Die Beneš-Dekrete, 2002; Payrleitner,
A., Österreicher und Tschechen, 2003; Köbler, G., Rechtstschechisch, 2003;
Koralka, J., Frantisek Palacky, 2007; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit
in der Tschechoslowakei, 2009;
Schelle, K. u. a., Grundriss der tschechoslowakischen Rechtsgeschichte, 2009;
Rechtswissenschaft in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Haslinger, P.,
Nation und Territorium im tschechischen politischen Diskurs 1880-1938, 2010;
Zukunftsvorstellungen und staatliche Planung im Sozialismus, hg. v. Schulze
Wessel, M. u. a., 2010; Capkova, C. u. a., Unsichere Zuflucht, 2012;
Klápště, J., The Czech Lands in Medieval Transformation, 2012; Edvard
Beneš Vorbild und Feindbild, hg. v. Konrád, O. u. a., 2013; Tauchen, J./Kazda,
J., Bibliografie vybraných právnických časopisů a sborníků
1918-1989. Bibliographie ausgewählter tschechoslowakischer juristischer
Zeitschriften, Festschriften und Sammelbände 1918-1989. Masarykova univerzita,
2013. CD; Žantovský, M., Václav Havel, 2014
Tübingen am Neckar erscheint im 7. Jh. als
Dorf, 1078 als Burg. 1342 fällt es durch Kauf an Württemberg, das 1476/1477
eine Universität gründet (von dem Landesherrn
erteiltes Stadtrecht von 1493 teils aus Nürnberg - 1479/1484 -, teils
aus Stuttgart - 1492 übernommen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schöttle, G.,
Verfassung - und Verwaltung der Stadt
Tübingen, Tübinger Blätter 8 (1905), 1; Hermelink, H., Matrikeln der
Universität Tübingen, Bd. 1 1906; Haller, J., Die Anfänge der Universität
Tübingen 1477-1537, Bd. 1f. 1927ff.; Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von
1493, Diss. jur. Tübingen 1958; Seigel, R., Gericht und Rat in Tübingen, 1960;
Conrad, E., Die Lehrstühle der Universität Tübingen und ihre Inhaber 1477-1972,
1960 (ungedruckt); Schanz, W., Das Tübinger Stadtrecht von 1493, 1963; Die
Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau, R./Sydow, J., 1964;
Richter, G., Die Insignien der Universität Tübingen 1964; Jänichen, H.,
Herrschafts- und Territorialverhältnisse um Tübingen und Rottenburg im 11. und
12. Jahrhundert, 1964; Die Tübinger Stadtrechte von 1388 und 1493, hg. v. Rau,
R. u. a., 1964; Geipel, J., Die Konsiliarpraxis der Eberhard-Karls-Universität,
1965; Die ältesten Tübinger Steuerlisten, hg. v. Rau, R., 1970; Kuhn, W., Die
Studenten der Universität Tübingen zwischen 1477 und 1534, 1971; Finke, K., Die
Tübinger Juristenfakultät 1477-1534, 1972; Sydow, J., Geschichte der Stadt
Tübingen, 1974; Thümmel, H., Die Tübinger Universitätsverfassung im Zeitalter
des Absolutismus, 1975; Sieber, E., Stadt und Universität Tübingen in der
Revolution von 1848/1849, 1975; Festschrift 500 Jahre
Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H., Bd. 1ff. 1977ff.;
Lebensbilder zur Geschichte der Tübinger Juristenfakultät, hg. v. Elsener, F.,
1977; Adam, U., Hochschule und Nationalsozialismus,
1977; Cellius,
E., Imagines professorum Tubingensium 1596, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a.,
1981; Schwarz, H., Die Universitätspflege Feuerbach, 1981; Die Pfalzgrafen von
Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a., 1981; Pill-Rademacher, I., .. zu nutz,
1993; Das älteste Tübinger Ehebuch (1553-1614), hg. v. Schieck, S. u. a., 2000;
Paletscheck, S., Die permanente Erfindung einer Tradition, 2001; Hauer, W.,
Lokale Schulentwicklung und städtische Lebenswelt, 2003; Jordan, S., Leben und
Werk des Tübinger Rechtsprofessors Wilhelm Gottlieb Tafinger 1670-1813, 2003;
200 Jahre Wirtschafts- und Staatswissenschaften an der
Eberhard-Karls-Univeristät Tübingen, Leben und Werk der Professoren, hg. v.
Marcon, M., Bd. 1f. 2004; Tübinger Professorenkatalog, hg. v. Lorenz, S., Bd.
1, 1 Die Matrikel der Magister und Bakkalare der Artistenfakultät 1477-1535,
2006; Daniels, M., Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert, 2009; 175 Jahre
wirtschaftswissenschaftliche Promotionen, 2009; Die Universität Tübingen im
Nationalsozialismus, hg. v. Wiesing, U. u. a., 2010; Über 400 Semester –
Wirtschaftswissenschaftliche Vorlesungen, bearb. v. Randecker, G., 2013; Die
Universität Tübingen zwischen Orthodoxie, Pietismus und Aufklärung, hg. v.
Köpf, U., 2014
Tübinger Rechtsbuch ist der in acht Handschriften
überlieferte, 135 Auszüge aus dem Gesetzgebungswerk →Justinians enthaltende,
vielleicht um 1160 im Dauphiné entstandene Rechtstext.
Lit.: Weimar, P., Zur Renaissance der Rechtswissenschaft,
1977, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997
Tudor ist das seit 1232 nachweisbare
walisische Geschlecht, das von 1485 bis 1603 den Königsthron →Englands
erlangt (Heinrich VIII. 1509-47, Elisabeth I. 1558-1603).
Lit.: Baker, J., An Introduction to English Legal
History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990,;4. A. 2002; Eßer, R., Die Tudors und die
Stuarts, 2004; Berg, D., Die Tudors, 2016
Tugend
Lit.: Bejczy, I., The Cardinal Virtues in the Middle
Ages, 2011
Tuhr, Andreas von (St. Petersburg 1864-Zürich 1925),
Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Bekker), Leipzig
(Windscheid) und Straßburg Rechtslehrer in Basel (1891), Straßburg (1898) und
Zürich (1918). Sein Hauptwerk ist „Der allgemeine Teil des Deutschen
Bürgerlichen Rechts“ (1910ff.).
Lit.: Heck, P., Andreas von Tuhr, AcP 125 (1925), 257;
Schwarz, A., Andreas von Tuhr, 1938
Tulln
Lit.: Profile einer landesfürstlichen Stadt, hg. v.
Ramharter, J., 2012
Tür ist der bewegliche Verschluss des Eingangs in ein
Gebäude oder einen Raum. Die T. kann als Rechtssymbol verwendet werden.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994
Turin in der Poebene ist Hauptort der
Turiner, der unter Augustus (63 v. Chr.-14 n. Chr.) (lat. [F.]) colonia wird.
Im 5. Jh. wird ein Bistum eingerichtet. Über Langobarden und Franken kommt T.
1048 an →Savoyen. Seit 1136 entwickelt sich städtische Selbstverwaltung.
1280 fällt T. wieder an Savoyen. 1404 wird eine Universität eingerichtet. Von
1861 bis 1865 ist T. Hauptstadt Italiens.
Lit.: Torino, hg. v. Comba, R. u. a., 1993
Türke ist der Angehörige des (nach den
Scharen der Hunnen und Awaren schon früh) aus Ostasien (Mongolei) in den Westen
kommenden, seit dem Ende des 8. Jh.s zum →Islam übertretenden, im 11. Jh.
unter den →Seldschuken nach Kleinasien (1071 Sieg über Byzanz)
eindringenden Turkvolks. Im 13. Jh. wird das von den Seldschuken gebildete
Reich von den Mongolen zerschlagen, doch werden die Türken im 14. Jh. unter
den →Osmanen (Osman I. 1288?-1326) von Nordwestanatolien aus geeint. Am
29. 5. 1453 wird Konstantinopel erobert und danach in Istanbul (Est in Polis)
umbenannt. 1529 stehen die Türken vor Wien. Unter dem Vorderasien, Nordafrika,
den Balkan und die Südukraine beherrschenden Sultan Suleiman, dem
Gesetzgebenden oder Prächtigen (1520-1566), erhalten sie ein Gesetz über
Landesverwaltung und Finanzverwaltung. Zur Abwehr der Türken versucht das
Heilige römische Reich mehrfach
erfolglos, Steuern zu erheben. Seit 1683 (zweite Belagerung Wiens) werden die
Türken allmählich aus Europa wieder zurückgedrängt (→Griechenland,
Bulgarien, Walachai, Moldawien, Serbien, Bosnien, Herzegowina, 1683-1699 Rückeroberung
Ungarns durch Habsburg). 1718 anerkennt der Kaiser des Heiligen römischen
Reiches den seit 1453 beanspruchten kaiserlichen Rang. Am 3. 11. 1839
verspricht der Sultan im Erlass von Gülhane (eine Art Verfassung) in
freiwilliger Begrenzung seiner Gewalt die Vorbereitung neuer, den Bedürfnissen
des Landes entsprechender Bestimmungen (Handelsgesetz 1850 nach dem Vorbild
des Code de commerce, Strafgesetz 1858, Handelsprozessordnung 1860, Seehandelsgesetz
1864, Strafprozessordnung 1880, Zivilprozessordnung 1881). Im ersten
Weltkrieg verbündet sich die Türkei mit dem deutschen Reich und
Österreich-Ungarn. 1916 ruft sich der Emir von Mekka mit Unterstützung Großbritanniens
zum König Arabiens aus. 1917 verselbständigt sich der Irak, 1918 lösen sich
auch Palästina und Syrien ab. Die Türkei wird teilweise von den Alliierten
besetzt. Eine Befreiungsbewegung unter dem General Mustafa Kemal Pascha
(Atatürk, Präsident 1923-1938) verlegt die Hauptstadt nach Angora. 1922 wird
der Sultan abgesetzt. Am 23. 10. 1923 wird Angora in Ankara umbenannt. Am 29.
10. 1923 wird in der Türkei die →Republik ausgerufen. Schrift
(Lateinschrift), Maßsystem, Kalender, Wochensystem, Kopfbedeckung und
Stellung des Islam im Staat werden verwestlicht, das Privatrecht (Einehe) unter
Verwendung des Schweizer Zivilgesetzbuchs (1925) völlig neu geregelt. Seit 1964
bemüht sich die 1952 der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation
beitretende Türkei um den Zugang zur Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen
Union (2005 Beitrittsverhandlungen begonnen).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 95, 129, 131;
Baltl/Kocher; Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Scharlipp, W., Die
frühen Türken, 1992; Europa und die Türken in der Renaissance, hg. v.
Guthmüller, B. u. a., 2000; Hacisalihoglu, M., Die Jungtürken und die
mazedonische Frage, 2003; Höfert, A., Den Feind beschreiben. „Türkengefahr“,
2003; Vásáry, I., Turks, Tatars and Russians, 2007; Kaurmann, T.,
Türckenbüchlein, 2008; Türkenangst und Festungsbau, hg. v. Heppner, H., 2009;
Bürger, C., Türkei ante portas, 2009; Ottomanus, hg. v. Hattenhauer, H. u. a.,
2009; Friedrich, M., ,Türken’ im alten Reich, HZ 294 (2012), 329; Hanioglu, S.
Atatürk, 2015
Türkei →Türke
Lit.: Velidedeoglu, H., Das Problem der Rezeption in
der Türkei im Vergleich mit Rezeptionen in Europa, ZRG GA 75 (1958), 382;
Schulze, W., Reich und Türkengefahr, 1978; Hirsch, E., Rezeption als sozialer
Prozess, 1984; Türkische Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hg. v. Motika, R.
u. a., 1995; Westliches Recht in der Republik Türkei, hg. v. Scholler, H.,
1996; Tibi, B., Aufbruch am Bosporus, 1998; Steinbach, U., Geschichte der
Türkei, 2000; Hütteroth, W./Höhfeld, V., Türkei, 2. A. 2002; Seufert,
G./Kubaseck, C., Die Türkei, 2004; Kieser, H., Vorkämpfer der neuen Türkei,
2005; Carnevale, R. u. a., Europa am Bosperus (er)finden?, 2005; Matschke, K.,
Das Kreuz und der Halbmond, 2004; Das osmanische Reich und die
Habsburgermonarchie, hg. v. Kurz, M., 2005; Krieger, E., Die Europakandidatur
der Türkei, 2006; Revolution islamischen Rechts - 80 Jahre schweizerisches ZGB
in der Türkei, hg. v. Kieser, H. u. a., 2008; Zick, M., Türkei - Wiege der
Zivilisation, 2008; Kramer, H. u. a., Die Türkei und Europa, 2008; Günay, C.,
Geschichte der Türkei, 2009; Plagemann, G., Von Allahs Gesetz zur
Modernisierung per Gesetz, 2009; The Cambridge History of Turkey, hg. v. Fleet,
H., Bd. 1 2009; Marek, C., Geschichte Kleinasiens in der Antike, 2010; Günay,
C., Die Geschichte der Türkei, 2012; The Oxford Handbook of Ancient Anatolia
(10000-323 B. C. E), hg. v. Steadman, S. u. a., 2011; Tröndle, D., Mustafa
Kemal Atatürk, 2012; Plaggenborg, S., Ordnung und Gewalt, 2012; Günay, C., Die
Geschichte der Türkei, 2012; Mangold-Will, S., Begrenzte Freundschaft –
Deutschland und die Türkei 1918-1933, 2013; ; Ihrig, S., Atatürk in the Nazi
Imagination, 3014 (als Vorbild betrachtet); Palabiyik, M., Understanding the
Turkish-Armenian controversy over 1915, 2015; Sürek, T., Die
Verfassungsbestrebungen der Tanzimât-Periode, 2015
Turku (Abo) in →Finnland wird 1154
erstmals erwähnt. 1276 wird es Sitz eines Bischofs. Danach wird es Hauptstadt
(bis 1812). 1640 wird eine 1828 geschlossene, 1920 wiederbegründete Universität
(Akademie) eingerichtet, an der seit 1773 auch der bekannteste finnische
Rechtswissenschaftler Matthias Calonius (1773-1817) als einziger ordentlicher
Professor der juristischen Fakultät lehrt.
Lit.: Wrede, R., Matthias Calonius, 1917
Turnier (N.) ritterliches Kampfspiel im
Mittelalter
Lit.: Das ritterliche Turnier im Mittelalter, hg. v.
Fleckenstein, J., 1985; Barber, R./Barker, J., Tournaments, 1989
turpitudo (lat. [F.]) Schändlichkeit
Lit.: Kaser §§ 9 II 2, 70 I 2
Tutela (lat. [F.]) ist im römischen Recht
die →Vormundschaft (tutela mulierum, Geschlechtsvormundschaft über
Frauen, seit der jüngeren Republik zurückgedrängt).
Lit.: Kaser §§ 4 I 1b, 11 II 1b, 16 I 2a, 20 I 1, 58
IV 6a, 62, 63, 64; Söllner §§ 8, 9, 10; Köbler, DRG 57; Köbler, LAW; ; Rosa, A.
dalla, Cura et tutela, 2014
Tutor (lat. [M.]) ist schon im
altrömischen Recht der →Vormund. Ihn erhalten der nicht einer Hausgewalt
unterworfene gewaltfreie Unmündige (lat. impubes, Knaben bis 14, Mädchen bis
12) und die gewaltfreie Frau. Der t. hat eine treuhänderische Gewalt über
Person und Vermögen des Mündels. Dessen Geschäfte bedürfen zur Wirksamkeit der
Bekräftigung (lat. [F.] →auctoritas) des t. Tutor (tutor legitimus) ist
der gradnächste Agnat (Bruder, Vatersbruder, Bruderssohn), hilfsweise der
nächste Gentile, bei Freigelassenen der Freilasser. Der Hausvater kann im
Testament einen vorgehenden t. (tutor testamentarius) bestimmen, der die
Übernahme ablehnen kann. Fehlt ein gesetzlicher t. und eines testamentarischer
t., wird nach der lex Atilia (210 v. Chr.) ein t. bestimmt.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Köbler, DRG 22, 33, 36, 43, 57
Twing →Bann, Zwang
Typenzwang ist die Bindung an bestimmte
vorgegebene Rechtsverhältnisse. Im klassischen römischen Recht besteht bei den
Verbindlichkeiten Typengebundenheit, die im spätantiken, weströmischen Recht
(Vulgarrecht) aufgegeben wird (Typenfreiheit). In der frühen Neuzeit wird die
Typengebundenheit des römischen Rechtes nicht übernommen. Dagegen geht das
Sachenrecht auch in der Gegenwart von einer geschlossenen Zahl von möglichen
Rechtsverhältnissen aus, ebenso das Familienrecht.
Lit.: Kaser § 3 I; Köbler, DRG 42, 62, 164; Dilcher,
H., Der Typenzwang im mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270;
Wiegand, W., Numerus clausus der dinglichen Rechte, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 623
Tyrann ist der in Griechenland seit dem 7.
Jh. v. Chr. bekannte gewaltsame Herrscher.
Lit.: Schönstedt, F., Der Tyrannenmord im
Spätmittelalter, 1938; Riklin, A., Giannotti, Michelangelo und der
Tyrannenmord, 1996; Große Verschwörungen, hg. v. Schultz, U., 1998; Turchetti,
M., Tyrannie et tyrannicide, 2001; Jendorff, A., Der Tod des Tyrannen, 2012;
Teegarden, D., Death to Tyrants, 2014; Snyder, T., Über Tyrannei, 2017
Tyrnau (in der Westslowakei)
Lit.: Mestská kniha príjmov trnavskej farnosti, hg. v.
Rábik, V., 2006; Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg.
v. Pokrovac, Z., 2007
U
Überbau ist die Errichtung eines Gebäudes
über die Grenze eines →Grundstücks. Der Ü. muss im römischen Recht in
engen Grenzen geduldet werden. Im Übrigen hat der Eigentümer des überbauten
Grundücks einen Beseitigungsanspruch wegen der Verletzung seines Eigentums.
Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schützt weitergehend jeden
rechtmäßigen Ü., gewährt aber auch einen Beseitigungsanspruch gegenüber dem
rechtswidrigen Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 4; Hübner; Kroeschell, DRG 3;
Wolff, M., Der Bau auf fremden Boden, 1900; Ebel, W., Überbau und Eigentum, AcP
141 (1935), 183
Übereignung (1663) ist die Übertragung des →Eigentums an einer
→Sache. Sie erfolgt im altrömischen Recht bei einer (lat.) res (F.)
mancipi (handgreifbaren Sache) durch (lat. [F.]) →mancipatio, sonst durch
(lat. [F.]) traditio (Übergabe). Für das Frühmittelalter sind ahd. →sala
(Gabe) und giwerida (→Gewere) bedeutsam, ohne dass deren Verhältnis
zueinander völlig eindeutig ist. Von Köln aus dringt seit dem 12. Jh. die
Eintragung in →Schreinskarten für Grundstücksübereignungen vor. Der
Sachsenspiegel (1221-1224) erfordert für die Ü. von Eigen und Leuten
→Erbenlaub und Vornahme vor Gericht. Nach →Accursius († vor 1263)
wird wohl Eigentum übertragen, wenn ein rechtmäßiger Grund für die Übertragung
(iusta causa traditionis) und ein Übereignungswille vorliegen. In der frühen
Neuzeit setzt sich die Lehre vom (lat.) →modus (M.) acquirendi
(Erwerbsart) durch, doch entscheidet sich beispielsweise Frankreich 1804
(Portalis) für die Eigentumsübertragung durch bloßen Vertrag (Kaufvertrag,
Konsens). →Savigny entwickelt demgegenüber den besonderen
sachenrechtlichen Vertrag der →Einigung (abstrakte Einigung und Übergabe
oder Übergabeersatz). Er findet Eingang in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900), so dass zur Ü. ein dinglicher Vertrag und eine Übergabe erforderlich
sind, die gegenüber einem schuldrechtlichen Grundgeschäft (z. B. Kauf,
Schenkung) abstrakt sind. Bei Grundstücken wird die →Eintragung in das
Grundbuch unabdingbar (Einigung und Eintragung). →Abstraktion
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 124,
163, 174, 211, 269; Felgentraeger, W., Friedrich Carl von Savignys Einfluss auf
die Übereignungslehre, 1927; Richter, G., Die Grundstücksübereignung im
ostfälischen Sachsen, 1934; Conrad, H., Liegenschaftsübertragung und
Grundbucheintragung, 1935; Mayer-Edenhauser, T., Das Recht der
Liegenschaftsübereignung, 1937; Voser, P., Die altdeutsche Liegenschaftsübereignung,
Diss. jur. Zürich 1952; Oeckinghaus, A., Kaufvertrag und Übereignung, 1973;
Ranieri, F., Die Lehre der abstrakten Übereignung, (in) Wissenschaft und
Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 90; Wesener, G., Zur
naturrechtlichen Lehre vom Eigentumserwerb, 1977, 90, FS N. Grass, 1986, 433;
Joswig, D., Die germanische Grundstücksübereignung, 1984; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schindler, K., Kausale oder
abstrakte Übereignung, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997;
Schrage, E., Traditionibus et usucapionibus, non nudis pactis dominia rerum
transferuntur. Die Wahl zwischen dem Konsens- und dem Traditionsprinzip in der
Geschichte, (in) Ins Wasser geworfen, hg. v. Ascheri, M. u. a., 2003, 913;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Überfall ist im Sachenrecht die von einem
Baum oder Strauch auf ein Nachbargrundstück hinüberfallende →Frucht.
Nach altrömischem Recht darf der Eigentümer den Ü. jeden zweiten Tag vom fremden
Grundstück holen. Nach der Sachsenspiegelglosse (14. Jh.) gehört der Ü. dem
fremden Grundstückseigentümer. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
lässt dem fremden Grundstückseigentümer den Ü.
Lit.: Kaser § 23 III 2; Hübner; Grimm, J., Etwas über
den Überfall, Z. f. gesch. Rechtswiss. 3 (1816), 350; Schmidt, A., Das Recht
des Überhangs und des Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte,
(in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Übergabe (Nürnberg 1479/1484) ist die Verschaffung des
unmittelbaren →Besitzes (oder der bloßen Herrschaftsgewalt bei Fehlen
eines Besitzwillens) an einer Sache durch Übertragung der tatsächlichen
Herrschaftsgewalt. Als (lat. [F.]) traditio, die →Eigentum verschaffen
kann, erscheint die Ü. bereits im altrömischen Recht. Sie hat für die
Verschaffung von Besitz oder Eigentum bis in die Gegenwart Bedeutung. Bei
formloser Ü. einer Manzipiumssache (lat. [F.] res mancipi] erlangt der Erwerber
nur bonitarisches, nicht ziviles Eigentum. Nach dem deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) wird das Eigentum an beweglichen Sachen durch Einigung
(dinglicher Vertrag) und Ü. oder Übergabesurrogat (z. B. Besitzkonstitut,
Übergabe kurzer Hand) verschafft.
Lit.: Kaser § 24; Hübner; Köbler, DRG 25, 125; Kocher,
G., Richter und Stabübergabe, 1971; Wacke, A., Das Besitzkonstitut als Übergabesurrogat,
1974; Joswig, D., Die germanische Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Übergang (um 765 belegt) ist das Überschreiten einer
bisherigen Grenze und der dafür vorgesehene Weg.
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Überhang ist der von einem Nachbargrundstück
herüberragende Zweig oder die von dort eingedrungene Wurzel. Nach altrömischem
Recht kann der beeinträchtigte Nachbar vom Eigentümer Abhilfe verlangen und bei
deren Ausbleiben selbst handeln. Nach dem Sachsenspiegel (1221-1224) darf
kein Ast zum Schaden des Nachbarn über die Grenze ragen. Nach unterschiedlichen
partikularen Regelungen gewährt das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) dem
beeinträchtigten Nachbarn einen Beseitigungsanspruch, der durch
→Selbsthilfe verwirklicht werden kann.
Lit.: Kaser § 23 III 1; Hübner; Schmidt, A., Das Recht
des Überhangs und Überfalls, 1886; Luig, K., Die sozialethischen Werte, (in)
Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 281
Überküren (afries. urkera) sind 7 neue
→Küren des friesischen Rechtes, die u. a. die Verfassung des Bundes von
→Upstallsbom enthalten.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen,
1840; His, R., Die Überlieferung der friesischen Küren und Landrechte, ZRG GA
57 (1937), 58; Gerbenzon, P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil
1f. 1981
Übermaßverbot ist das den Staat betreffende Verbot, seine Rechte
stärker zu Lasten der Bürger zu nutzen, als dies zur Erreichung des
angestrebten Zweckes notwendig ist.
Lit.: Remmert, B., Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche
Grundlagen des Übermaßverbotes, 1995
Übersetzungsproblem ist das Problem des zutreffenden
Verständnisses eines fremdsprachigen Textes. Dieses Ü. verstärkt sich im
Frühmittelalter dadurch, dass die in einer Volkssprache (z. B. Althochdeutsch)
verlaufende Rechtswirklichkeit überhaupt fast ausschließlich in einer
Fremdsprache (Latein) aufgezeichnet wird und aus dieser erschlossen werden
muss. Das Verständnis des frühmittelalterlichen lateinischen Wortes (z. B.
frühmal. lat. civis) kann dabei dadurch erleichtert werden, dass man die
Wiedergabe lateinischer Wörter in Texten des Altertums (z. B. lat. civis) durch
Übersetzungen in frühmittelalterliche Volkssprachen (sog. Übersetzungsgleichungen)
berücksichtigt (z. B. ahd. gibur).
Lit.: Köbler, DRG 79; Köbler, WAS; Heck, P.,
Übersetzungsprobleme im frühen Mittelalter, 1931; Hattenhauer, H., Zum
Übersetzungsproblem, ZRG 81 (1964), 341; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984;
Olberg, G. v., Übersetzungsprobleme, ZRG GA 110 (1993), 406; Köbler, G.,
Wörterbuch des althochdeutschen Sprachschatzes, 1993; Köbler, G.,
Lateinisch-althochdeutsches Wörterbuch, 1996
Übersiebnen ist den Angeklagten durch Kläger
und sechs Eidhelfer Überführen im Mittelalter. Die Siebenzahl könnte auf den
Reinigungseid des Beklagten mit 6 Eidhelfern zurückgehen. Das Ü. findet bei
→handhafter Tat und →landschädlichen Leuten statt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Knapp, H., Das Übersiebnen
der schädlichen Leute, 1910; Wakasone, K., Zur Entstehung des Übersiebnungsverfahrens,
FS L. Carlen, 1989, 211
Übertragung (1486) ist der gewillkürte Übergang eines Rechtes oder einer
Rechtsstellung auf einen anderen Menschen oder auch eine andere Person.
→Übereignung, →Abtretung, →Einigung, →Übergabe
Lit.: Köbler, DRG 90, 124, 212; Dyckerhoff, E., Die
Entstehung des Grundeigentums, 1909; Merk, W., Die Grundstücksübertragung, ZRG
GA 56 (1936), 1; Fehr, H., Übertragungssymbole, ZRG GA 64 (1944), 276;
Hagemann, H., Übertragungen mit Nutzungsvorbehalt, Archiv d. hist. Ver. d.
Kantons Bern 44 (1960), 339; Schubert, W., Die Entstehung der Vorschriften des
BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Joswig, D., Die germanische
Grundstücksübertragung, 1984; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Übertretung ist zeitweise die einfachste Form
einer Straftat (z. B. Ruhestörung). Die Ü. wird im 18. Jh. mit der ein
vereinfachtes Verfahren ermöglichenden Strafverfügung des Polizeirechts
verfolgt. Sie wird als bloßes Delikt im formellen Sinn von der präventiv
handelnden Polizei bekämpft. Nach französischem Vorbild steht sie als (franz.
[F.]) contravention neben →Verbrechen und →Vergehen. Nach
→Binding (1872) ist die Ü. Ungehorsamsdelikt. 1952/1975 wird die Ü.
wegen ihrer großen Zahl aus dem Strafrecht ausgeschieden und in ein eigenes
Recht der →Ordnungswidrigkeit überführt.
Lit.: Köbler, DRG 204; Binding, K., Die Normen, Bd.
1f. 1872ff.; Mattes, H., Untersuchungen zur Lehre von den Ordnungswidrigkeiten,
Bd. 1ff. 1977ff.; Frommel, M., Präventionsmodelle, 1987
Überweisung
Lit.. Djazayeri, A., Die Geschichte der Giroüberweisung, 2011
Überzeugungstäter ist der aus innerer Überzeugung
sich zu einer Straftat verpflichtet oder berechtigt fühlende Täter. Je nach
der Wertigkeit seiner Überzeugung kann er milder bestraft werden.
Lit.: Ebert, U., Der Überzeugungstäter, 1975
Ubi cessat ratio legis, cessat (ipsa)
lex (lat.). Wo der
Sinn eines Gesetzes nicht eingreift, verliert das Gesetz seine Gültigkeit.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi rem meam invenio, ibi eam vindico (lat.). Wo ich meine Sache finde,
dort verlange ich sie heraus.
Lit.: Liebs D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Ubi societas ibi ius (lat.). Wo (immer) es eine
Gesellschaft gibt, da gibt es (auch) Recht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Cocceji, H. v., 1644-1719)
Uelzen
Lit.: Urkundenbuch der Stadt Uelzen, bearb. v. Vogtherr, T., 1988;
Vogtherr, T., Uelzen, 1997; Vogtherr, H., Tile Hagemanns Uelzen, 2009
Ukraine ist das 1667 mit dem Dnjepr als
Grenze zwischen →Polen und →Russland geteilte, am Ende des 18. Jh.
um Teile Polens erweiterte Gebiet, in dem am 19. 11. 1917 die Ukrainische Volksrepublik
ausgerufen wird. Danach wird innerhalb der Sowjetunion das sozialistische
Recht eingeführt. 1996 erhält die aus der →Sowjetunion als flächenmäßig
zweitgrößter Staat (bevölkerungsmäßig sechstgrößter Staat) Europas wieder
verselbständigte U. eine demokratische Verfassung.
Lit.: Jakowliw, A., Das deutsche Recht in der Ukraine,
1942; Allen, W., The Ukraine, 1963; Kappeler, A., Kleine Geschichte der
Ukraine, 1994, 2. A. 2000; Ukraine, hg. v. Jordan, P. u. a. 2001; Die neue
Ukraine, hg. v. Simon, G., 2002; Milow, C., Die ukrainische Frage 1917-1923,
2002; Kappeler, A., Der schwierige Weg zur Nation, 2003; Die Ukraine in Europa,
hg. v. Besters-Dilger, J., 2003; Ukraine at a Crossroads, hg. v. Hayoz, N.,
2005; Investitionsführer Ukraine, 2006; Dietsch, J., Making Sense of Suffering,
2006; Hülshörster, S., Recht im Umbruch, 2008; Golczewski, F., Deutsche und
Ukrainer 1914-1939, 2009; Snyder, T., Der König der Ukraine, 2009; Rechtswissenschaft
in Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Die Ukraine auf dem Weg nach Europa,
hg. v. Besters-Dilger, J., 2011; Schnell, F., Räume des Schreckens. Gewalt und
Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905-1933, 2012; Schaller, H., Ukrainistik in
Europa, 2013; Struve, K., Deutshe Herrschaft, ukrainischer Nationalismus,
antijüdische Gewalt, 2015; Kappeler, A., Ungleiche Brüder – Russen und
Ukrainer, 2017
Ulm an der Donau erscheint 854 als Pfalz des Königs und wird
im 13. Jh. (1258?, 1274?) →Reichsstadt. Sein 1376 im Roten Buch
aufgezeichnetes Stadtrecht wird an viele Tochterstädte verliehen. 1810 fällt U.
an →Württemberg.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das rote Buch der
Stadt Ulm, hg. v. Mollwo, C., 1905; Hellmann, F., Zur Geschichte des
Konkursrechtes der Reichsstadt Ulm, 1909; Lübke, K., Die Verfassung der freien
Reichsstadt Ulm, Diss. jur. Tübingen 1935; Ernst, M., Zur älteren Geschichte
Ulms, Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben
30 (1937), 1; Lübke, K., Die Verfassung, Diss. jur. Tübingen 1956; Gänßlen, G.,
Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten, Diss. jur. Tübingen 1956;
Hannesschläger, K., Die freie Reichsstadt Ulm. Diss. jur. Tübingen 1956;
Kleinbub, M., Das Recht der Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in
der Reichsstadt Ulm, 1961; Neusser, G., Das Territorium der Reichsstadt Ulm im
18. Jahrhundert, 1964; Gänßlen, G., Die Ratsadvokaten und Ratskonsulenten der
Reichsstadt Ulm, 1966; Schmitt, U., Villa regalis Ulm, 1974; Specker, H., Ulm,
1977; Göggelmann, H., Das Strafrecht der Reichsstadt Ulm, 1984; Repertorium
der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 8, hg. v. Kremmer, S. u. a.,
2007; Scholl, C., Die Ulmer Judengemeinde im späten Mittelalter, 2013 (im 15.
Jh. vielleicht 100 Menschen); Herkle, S., Reichsstädtisches Zunfthandwerk, 2014
Ulpian (Ulpianus), Domitius (Tyros in
Phönizien 170?-Rom 223 [ermordet]) ist Schüler und wie →Paulus vielleicht
seit 203/205 Assessor des Gardepräfekten →Papinian(us), danach Leiter
der kaiserlichen Kanzlei für Privateingaben und 222 Getreidepräfekt. Die
→Digesten, die zu fast einem Drittel aus (mehr als 2400) Ulpianfragmenten
bestehen, lassen 26 Werke mit rund 240 Büchern erkennen, in denen U. den
unübersichtlich gewordenen Rechtsstoff in Gesamtdarstellungen wiederzugeben
und dabei aus mehreren Lösungen die ihm die beste erscheinende auszuwählen
versucht. 83 Bücher betreffen das prätorische und ädilizische Edikt, 51 Bücher
die (lat.) iuris civilis libri (M.Pl.) III (3 Zivilrechtsbücher) des Sabinus,
29 Bücher die augusteische Gesetzgebung, 22 Bücher (lat.) pandectae (F.Pl.,
Pandekten), 7 Bücher (lat.) regulae (F.Pl., Regeln) und 2 Bücher (lat.) institutiones
(F.Pl., Institutionen). U. ist einer der sog. Zitierjuristen von 426. Von U.
stammt (vielleicht) u. a. die Wendung (lat.) →iustitia est constans et
perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi. Iuris praecepta sunt haec -
honeste vivere, alterum non laedere, suum cuique tribuere (Gerechtigkeit ist
der ständige Wille, jedem sein Recht zu gewähren. Die Vorschriften des Rechtes
sind: ehrbar leben, den anderen nicht verletzen, jedem das Seine geben).
Außerdem wird auf ihn eine Unterscheidung von (lat.) ius (N.) publicum
(öffentlichem Recht) und ius privatum (privatem Recht) zurückgeführt. 223 wird
U. bei einem Aufstand der Prätorianergarde wohl wegen seiner strengen
Verfolgung von Rechtsverletzungen ermordet. Verschiedene mit seinem Namen
verbundene Werke (z. B. [lat.] tituli [M.Pl.] ex corpore Ulpiani, Titel aus dem
Werk Ulpians) stammen nicht von ihm.
Lit.: Söllner §§ 16, 19, 22; Köbler, DRG 30, 52, 53;
Schulz, F., Geschichte der römischen Rechtswissenschaft, 1961; Kunkel, W.,
Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen, 2. A. 1967, 245; Honoré,
T., Ulpian, 1982; Liebs, D., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, 1987
Ultra posse nemo obligatur (lat.). Über sein Können hinaus
wird niemand verpflichtet.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
Umbrien ist die mittelitalienische Binnengebirgslandschaft,
die in der Völkerwanderung von den Römern an die Langobarden (Herzogtum
Spoleto) übergeht. 1549 gelangt U. an den →Kirchenstaat. 1860 geht es
in →Italien auf.
Lit.: Conti, P., Il ducato di Spoleto, 1982;
Italien-Lexikon, hg. v. Brütting, R., 1995, 2. A: 2015
Umdeutung ist die Ersetzung eines gewollten,
aber nichtigen Rechtsgeschäfts durch ein anderes, nicht gewolltes, aber in
seinen Voraussetzungen gegebenes zulässiges Rechtsgeschäft. Die U. erscheint
verschiedentlich bereits im römischen Recht.
Lit.: Kaser § 9 I 3
Ume, Kenjirô (1860-1910), Arztssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tokio, Lyon (1886-1889) und Berlin (Eck, Kohler, Brunner) 1890
Professor in Tokio. Er verfasst mit Hozumi und Tomii das Bürgerliche Gesetzbuch
→Japans von 1896/1898 und mit anderen das Handelsgesetzbuch von 1899.
Von ihm stammt ein wichtiger Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Minpô
Yôgi, Bd. 1ff. 1896ff., Neudruck 1984). Er gilt als bedeutendster Jurist
Japans.
Lit.: Higashikawa, T., Hakushi Ume Kenjiro, 1917;
Waga-minpô no chichi Ume Kenjiro, 1992
Umfahrt ist die Fahrt des Herrschers durch
sein Reich nach Herrschaftsbeginn im fränkischen Frühmittelalter (z. B. 533).
→Umritt
Lit.: Schücking, W., Der Regierungsantritt, 1899;
Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Holenstein, A., Die
Huldigung der Untertanen, 1991
Umgehungsgeschäft ist das Geschäft, durch das die
Beteiligten einen Zweck erreichen wollen, den sie wegen des Verbots oder der
Folgen eines anderen Geschäfts mit diesem nicht oder nicht in dieser Weise
erreichen können. Das U. ist bereits früh erkennbar. In bekannten Beispielen
wird etwa das →kanonische Zinsverbot umgangen. In einem weiten Sinn sind
auch Scheinverfahren Umgehungsgeschäfte (z. B. lat. [F.] →in iure
cessio). Das U. ist grundsätzlich unzulässig, setzt sich aber in manchen
Fällen durch.
Lit.: Köbler, DRG 21, 25, 40; Schröder, J.,
Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985; Benecke, M., Gesetzesumgehung im
Zivilrecht, 2004
Umritt ist der Ritt des Herrschers durch
sein Reich nach Herrschaftsbeginn im Mittelalter (z. B. 508, 1024).
→Umfahrt
Lit.: Mitteis, H., Die deutsche Königswahl, 1938, 2.
unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981, 48; Schmidt, R., Königsritt und Huldigung,
(in) Vorträge und Forschung 6, 2. A. 1981; Holenstein, A., Die Huldigung der
Untertanen, 1991
Umsatzsteuer ist die Steuer vom zu versteuernden
und steuerpflichtigen Umsatz von Lieferungen und sonstigen Leistungen eines
Unternehmers. Sie ist eine auf den Verbraucher überwälzte
→Verbrauchsteuer. In Bremen wird sie 1862 als Ersatz der Akzise zum 1. 1.
1863 eingeführt (bis 30. 6. 1884). Mit Gesetz vom 30. 6. 1864 erheben die
Vereinigten Staaten von Amerika nach ersten Vorläufern von 1862 (3 Prozent)
eine allgemeine U. zur Beseitigung der durch den Sezessionskrieg ausgelösten
Finanznot (Produktionssteuer, 5 Prozent, bis 1870 weitgehend aufgehoben). Im
Deutschen Reich wird durch das Gesetz über einen Warenumsatzstempel vom 26. 6.
1916 (u. a. Johannes Popitz) ein Vorläufer der U. geschaffen. Dem folgen nach
einer Verordnung des Bundesrats vom 2. 5. 1918 das wegen der Finanznot des
Deutschen Reiches geschaffene Umsatzsteuergesetz vom 26. 7. 1918 und das Umsatzsteuergesetz
vom 24. 12. 1919 (Frankreich 1917, Italien 1919, Belgien 1921). Am Ende des 20.
Jh.s gewinnt die U. (seit 1. 1. 1968 als Mehrwertsteuer bzw. Allphasennettoumsatzsteuer
mit Vorsteuerabzug) an Bedeutung, weil sie nicht unmittelbar im Preis
erkennbar ist. →Akzise, →Ungeld
Lit.: Köbler, DRG 233, 251; Grabower, R., Die
Geschichte der Umsatzsteuer, 1925; Franke, H., Die Geschichte der
Reichs-Umsatzsteuer, Diss. jur. Köln 1941; Grabower, R., Die Umsatzsteuer, 2.
A. 1962; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Gehm, M.,
Die Entstehung der Reichsumsatzsteuer, ZRG GA 126 (2009), 235
Umstand ist im Verfahrensrecht die um
Richter und Urteiler (Schöffen) stehende Gesamtheit der Menschen im Frühmittelalter.
Das →Urteil bedarf der auch durch Schweigen möglichen Genehmigung durch
den U. Schon im Frühmittelalter und im Hochmittelalter (Sachsenspiegel, Landrecht
II, 12, 10, 14) scheidet der U. aber als bloße →Öffentlichkeit aus der
Urteilsbildungstätigkeit allmählich aus.
Lit.: Köbler, DRG 70, 75; Sohm, R., Die fränkische
Reichs- und Gerichtsverfassung, 1871, 372; Beyerle, F., Das Entwicklungsproblem
im germanischen Rechtsgang, 1915; Nehlsen-von Stryk, K., Die boni homines,
1981; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Umwelt ist die Gesamtheit der die
natürlichen Lebensbedingungen der Menschen bildenden Gegenstände. Seit der
zweiten Hälfte des 20. Jh.s (genauer seit etwa 1970 bzw. 1969-1975) wird
erkannt, dass die große Zahl der auf der Erde lebenden Menschen durch ihre
industrialisierte Lebensweise die U. (Luft, Wasser, Boden) insgesamt gefährdet.
Zur Steuerung dieser Gefährdung werden nach Einzelgesetzen (z. B. Wassergesetz
Preußens [bereits] vom 1. Mai 1914) ein Umweltstrafrecht (Deutschland seit
1975), ein Umwelthaftungsrecht (1991) und ein Umweltschadensrecht (2007) entwickelt.
Im Einzelnen sind dabei für Deutschland bedeutend Abfallbeseitigungsgesetz
1972, Chemikalienrecht 1972/1980, Luftreinhaltung 1974, Gewässerschutzrecht
1975/1976, Waldschutz- und Naturschutzrecht 1975/1976, Stagnation
1977-1986/1989, Integration in das Verfassungsrecht 1990-1997, Umweltverträglichkeitsprüfung
1990, Gentechnikgesetz 1990, Tiere sind keine Sachen 1990, Umwelthaftung
1990, Öko-Audit 1993/1995, Verbandsklage, Kreislaufwirtschaft 1991/1994,
ökologischer Landbau 1991, Beschleunigungsgesetze 1991/1996, Umweltinformationsgesetz
1994, nachhaltigkeitsorientierte Reform im Raumordnungs- und Baurecht 1997,
Bundesbodenschutzgesetz 1998, nachhaltigkeitsorientierte Reform des
Energierechts 1998-2002 sowie unvollendetes Kodifikationsprojekt, für Österreich
Immissionsschutzrecht ab 1973, Forst- und Naturschutzrecht 1975/1976, Atomsperrgesetz
1978, Umwelt-Verfassungsrecht 1984, Abfallwirtschaftsgesetz 1990, Gewässerschutzrecht
1990, als Mitglied der Europäischen Union 1995 Übernahme des europäischen
Umweltrechts, Problem des alpenquerenden Verkehrs, Nachhaltigkeit und Schutz
der Erdatmosphäre und für die Schweiz Natur- und Heimatschutzgesetz 1966,
Umweltschutz als Staatsziel 1971, Gewässerschutzgesetz 1971, Raumplanungsgesetz
1979, Umweltschutzgesetz 1983, Waldgesetz 1991, Alpenschutzartikel 1994,
Revision des Umweltschutzgesetzes 1995, Landwirtschaftsgesetz 1998, Bundesverfassung
vom 18. April 1999, Kohledioxidgesetz 1999 sowie Annäherungen an eine
nachhaltigkeitsorientierte Reform des Energierechts. Aktuell wird
geschätzt, dass in der global (z. B. durch Straßenbeleuchtung) verschwendeten
Lichtenergie 750 Millionen Tonnen des Treibhausgases CO2 stecken, wobei etwa
Licht mit einem hohen Blauanteil (z. B. an dem Bildschirm) die Ausschüttung des
des Ruhehormons Melatonin verhindert.
Lit.: Köbler, DRG 249, 250, 265; Tiedemann, K., Die
Neuordnung des Umweltstrafrechts, 1980; Besiegte Natur, hg. v. Brüggemeier, F.
u. a., 1987; Umwelt in der Geschichte, hg. v. Herrmann, B., 1989; Hager, G.,
Das neue Umwelthaftungsgesetz, NJW 1991, 134; Brüggemeier, F./Rommelspacher,
T., Blauer Himmel über der Ruhr, 1992; Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser,
W., 1994; Kloepfer, M., Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994;
Umweltgeschichte, hg. v. Abelshauser, W., 1994; Fischer, R., Umweltschützende
Bestimmungen im römischen Recht, Diss. jur. Augsburg 1995; Büschenfeld, J.,
Flüsse und Kloaken, 1999; Sporn, T., Pfister gegen Krickerode, FS K.
Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Bloy, R., Umweltstrafrecht, JuS
1997, 577; Radkau, J., Natur und Macht, 2000; Büker, D., Mensch – Kultur –
Abwasser, 2000; Glaser, R., Klimageschichte Mitteleuropas, 2001, 2. A: 2008, 3.
A. 2013; Lies-Benachib, G., Immissionsschutz im 19. Jahrhundert, 2002;
Marquardt, B., Umwelt und Recht in Mitteleuropa, 2003; Winiwarter, V.,
Umweltgeschichte, 2004; Hünemörder, K., Die Frühgeschichte der globalen
Umweltkrise und die Formierung der deutschen Umweltpolitik (1950-1973), 2004;
How Green Were the Nazis, hg. v. Brüggemeier, F. u. a., 2005; Freytag, N.,
Deutsche Umweltgeschichte, HZ 283 (2006), 383; Behringer, W., Kulturgeschichte
des Klimas, 2007; Winiwarter, V. u. a., Umweltgeschichte, 2007; Rohr, C.,
Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum, 2007; Mildenberger, F., Umwelt als
Vision, 2007; Landnutzung und Landschaftzsentwicklung im deutschen Südwesten,
hg. v. Lorenz, S. u. a., 2009; Manuelshagen, F., Klimageschichte der Neuzeit
1500-1900, 2010; Reith, R., Umweltgeschichte der frühen Neuzeit, 2011;
Umweltgeschichte(n) - Ostmitteleuropa von der Industrialisierung bis zum
Postsozialismus, hg. v. Herzberg, J. u. a., 2013; Schulz-Walden, T., Anfänge
globaler Umweltpolitik, 2013; Knoll, M., Die Natur der menschlichen Welt, 2013;
Aberth, J., An Environmental History of the Middle Ages – The Crucible of
Nature, 2013; Fäßler, P., Umweltgeschichte, 2014; Brüggemeier, F., Schranken
der Natut, 2014; Brooke, J., Climate Change and the Course of Global History,
2014; Uekötter, F., Deutschland in Grün, 2015; Wirtschaft und Umwelt, hg. v.
Schulz, G. u. a., 2015; Schellnhuber, H., Selbstverbrennung, 2015; Huff, T.,
Natur und Industrie im Sozialismus, 2015; Kliimaschutzrecht zwischenn Wunsch
und Wirklichkeit, hg. v. , hg. v. Kirchengast, G. u. a., 2017
UN-Kaufrecht
ist das am Ende des 20. Jh.s von den →Vereinten Nationen zur Erleichterung
des Handelsverkehrs entwickelte Kaufrecht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Reinhart, UN-Kaufrecht,
1991; Karollus, M., Der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, JuS 1993, 378
Unabhängigkeit ist das Fehlen einer Abhängigkeit
(z. B. zugunsten einer bisherigen Kolonie vom Mutterland oder der
Rechtsprechung von der ausführenden Gewalt). Die U. des Richters wird im 18.
Jh. als Notwendigkeit erkannt (England 1701). Sie setzt sich im 19. Jh. (1848,
Preußen 1850) durch.
Lit.: Köbler, DRG 200; Kroeschell, DRG 3; Klüber, J.,
Die Selbständigkeit des Richteramtes, 1832; Aubin, G., Die Entwicklung der
richterlichen Unabhängigkeit, 1906; Plathner, G., Der Kampf um die richterliche
Unabhängigkeit, 1935; Eichenberger, K., Die richterliche Unabhängigkeit, 1960;
Die Unabhängigkeit des Richters, hg. v. Simon, D., 1975; Ogorek, R.,
Richterkönig oder Subsumtionsautomat?, 1986; Immisch, L., Der sozialistische
Richter in der DDR, 1997; Baer, A., Die Unabhängigkeit der Richter in der
Bundesrepublik und in der DDR, 1999
Unabhängiger Verwaltungssenat (UVS) ist in
Österreich der das fehlende Verwaltungsgericht vertretende Entscheidungsträger
über die Rechtmäßigkeit verfahrensfreier (nicht an die Form eines Bescheids
gebundener) Verwaltungsakte. Gegen seine Bescheide ist die Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof möglich.
unbeerbt (nicht mit einem [Abkömmling als]
Erben versehen)
unbeweglich (Adj., lat. immobilis) ohne Zerstörung nicht
bewegbar
Unehelich (1275) ist die durch das Fehlen einer Ehe gekennzeichnete
Bestimmung. Insbesondere kann ein Kind u. sein. Im römischen Recht ist zunächst
das uneheliche Kind wenig bedeutsam und gilt als (lat.) persona (F.) sui iuris
(Person eigenen Rechtes). Seit der Zeitenwende wird das uneheliche Kind
zugunsten der Ehe benachteiligt. Danach bekämpft die →Kirche die
Unehelichkeit. Sie erreicht, dass das uneheliche Kind als nicht mit dem Vater
verwandt gilt und deshalb kein Erbrecht nach ihm hat, wobei aber verschiedene
Arten von unehelichen Kindern unterschieden werden können. (z. B. Hurenkinder,
Brautkinder). Erst seit der Aufklärung ändert sich die Benachteiligung des
unehelichen Kindes allmählich. In Norwegen erfolgt die Gleichstellung 1915, in
Dänemark 1937. In Deutschland scheitern Reformbestrebungen 1925-1929 und 1940.
1969 wird das Wort u. durch →nichtehelich ersetzt und die Rechtsstellung
inhaltlich verbessert (ab 1970 auch mit dem nichtehelichen Vater verwandt),
doch erfolgt erst zum 1. 4. 1998 die sachliche Beseitigung der Unterschiede
(Österreich 1989).
Lit.: Kaser §§ 13 II 1b, 61 II; Kroeschell, 20. Jh.;
Köbler, DRG 88, 120, 160, 210, 267; Brunner, H., Die uneheliche Vaterschaft,
ZRG GA 17 (1896), 1; Bückling, G., Die Rechtsstellung der unehelichen Kinder,
1920; Weitnauer, A., Die Legitimation, 1940; Schubart-Fikentscher, G., Die
Unehelichen-Frage, 1967; Winterer, H., Die Stellung der unehelichen Kinder, ZRG
GA 87 (1970), 32; Herrmann, H., Die Stellung unehelicher Kinder, 1971;
Leineweber, A., Die rechtliche Beziehung des nichtehelichen Kindes zu seinem
Erzeuger, 1978; Köbler, G., Das Familienrecht in der spätmittelalterlichen
Stadt, (in) Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, 1984; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ellrichshausen, E., Die
uneheliche Mutterschaft im altösterreichischen Polizeirecht, 1988; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Illegitimität im Spätmittelalter, hg.
v. Schmugge, L. u. a., 1994; Schmugge, L., Kirche, Kinder, Karrieren, 1995;
Bors, M., Bescholtene Frauen vor Gericht, 1998; Buske, S., Fräulein Mutter und
ihr Bastard, 2004; Lochner, D., Das uneheliche Kind im rheinischen Recht, 2006;
Berg, T., Die Entwicklung des Sorgerechts der Mütter nichtehelicher Kinder in
Deutschland vom Inkrafttreten des BGB bis heute, 2012; McDougall, S., Royal
Bastards – The Birth of Illegitimacy 800-1230, 2017
Unehrlich ist die durch Fehlen der Ehrlichkeit
gekennzeichnete Bestimmung. Im römischen Recht ist der (lat.) infamis von Prozesshandlungen
und Ämtern ausgeschlossen. In Hochmittelalter und Frühneuzeit sind
verschiedene Tätigkeiten u. (z. B. Henker, Totengräber, Bader, Prostituierte).
Wer u. ist, kann bestimmte Tätigkeiten nicht ausüben. Als Folge der Aufklärung
verschwindet die äußerliche Unehrlichkeit (Frankreich 1789).
Lit.: Kaser § 13 III; Hübner; Gernhuber, J.,
Strafvollzug und Unehrlichkeit, ZRG GA 74 (1957), 119; Oppelt, W., Über die
Unehrlichkeit des Scharfrichters, 1976; Danckert, W., Unehrliche Leute, 2. A.
1979; Deutsch, A., Die Henker, 2001
unerlaubt (1433) vom Recht oder vom Berechtigten nicht
erlaubt
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Unerlaubte Handlung (1789 Hugo, Delikt) ist die vom
Recht nicht erlaubte Handlung, die bei einem →Schaden eines anderen einen
Schadensersatzanspruch begründen kann. Die u. H. ist seit den Anfängen des
Rechtes bekannt. Zu den verletzbaren Rechtsgütern gehören vor allem der Körper
und das Eigentum des Menschen (Tötung, Körperverletzung, Diebstahl, Sachbeschädigung).
Eine bedeutsame Regelung des Rechtsbereichs bringt die (lat.) →lex (F.)
Aquilia de damno (286 v. Chr., aquilisches Gesetz über den Schaden). Die
frühmittelalterlichen Volksrechte sehen jeweils →Wergeld und Buße vor,
bis sich am Beginn des Hochmittelalters (11. Jh.) →Strafe und
Schadensersatz trennen. Im 19. Jh. werden für die u. H. Handlung, Rechtswidrigkeit
und Schuld gefordert. Die gesetzliche Regelung des deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuchs (1900) findet sich in den §§ 823ff. Sie geht von einzelnen,
geschützten Rechten und Rechtsgütern aus. Über die Haftung für eigenes
Verhalten hinaus wird auch die Haftung für andere (Verrichtungsgehilfen), für
Tiere und für Sachen in bestimmten Gestaltungen (z. B. Bauwerk) erfasst.
Lit.: Kaser §§ 50, 51; Hübner 608; Kroeschell, DRG 1,
2, 3; Köbler, DRG 140, 216, 217, 271; Jentsch, H., Die Entwicklung von den
Einzeltatbeständen des Deliktsrechts zur Generalnorm, 1939; Lange, H.,
Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Caemmerer, E. v., Wandlungen des
Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages,
1964, 49; Wieling, H., Interesse und Privatstrafe, 1970; Becker, W., Das Recht
der unerlaubten Handlung, 1976; Völkl, A., Die Verfolgung der Körperverletzung,
1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Comparative
Studies in the Development of the Law of Torts in Europe, hg. v. Bell, J., Bd.
1ff. 2012
Unfall ist das ungewollte, vielfach Schaden
verursachende Ereignis.
Lit.: Eckhardt, M., Technischer Wandel und
Rechtsevolution, 2001
Unfallflucht (Verkehrsunfallflucht, unerlaubtes
Entfernen vom Unfallort) ist das mit Strafe bedrohte, rechtspolitisch und
verfassungsrechtlich umstrittene Verlassen des Ortes eines
Straßenverkehrsunfalls durch einen Beteiligten ohne Zustimmung der Verletzten.
Vorläufer sind eine Verordnung über das Verhalten von Schiffen nach einem
Zusammenstoß auf See von 1876 und eine Verordnung des Großherzogtums Hessen von
1899. 1909 wird eine entsprechende Bestimmung über Fahrerflucht als § 22 in das
Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen aufgenommen, die 1940 als § 139a in
das Strafgesetzbuch einbezogen wird (1953 § 142 StGB, 1975 unerlaubtes
Entfernen vom Unfallort).
Lit.: Meurer, G., Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort,
2014 (Diss. jur. Hagen 2013)
Unfallversicherung ist die von Berufsgenossenschaften
verwaltete →Sozialversicherung gegen Arbeitsunfälle (Deutsches Reich 6.
7. 1884). Sie vertritt aus politischen Überlegungen eine an sich sinnvolle
→Gefährdungshaftung des Unternehmers. Seit 1925 erfasst sie auch die
Berufskrankheit und den Wegeunfall. Am Ende des 20. Jh.s sichert sie rund 38
Millionen Menschen in Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 183; Gitter, W.,
Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969; Köbler, G., Mittlere
Fahrlässigkeit und dogmatische Einordnung der Arbeitnehmerhaftung, AcP 169
(1969), 404; Wickenhagen, Die Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung,
1980; Bracher, H., Die Entwicklung der Fabrikhaftpflicht, ZNR 8 (1986), 157;
Lengwiler, M., Risikopolitik im Sozialstaat. Die schweizerische
Unfallversicherung, 2006; Balthasar, S., Der Schutz der Privatsphäre im
Zivilrecht, 2006; Fluch, F., Schwarzbuch Versicherung – Wenn Unrecht zu Recht
wird, 2015
Unfreier ist der die Freiheit entbehrende
Mensch in Mittelalter und Frühneuzeit. Er ist dem →Sklaven des römischen
Rechtes vergleichbar, wenn auch wohl nicht gleich. Tacitus bezeugt ihn bereits
für die Germanen, wobei er ihm eine eigene Behausung und einen selbständigen
Wirtschaftsbereich mit Ablieferungspflichten zuspricht. Der Unfreie ist in
der Personalgewalt (ahd. munt) seines Herrn. Wie weit im Frühmittelalter der
Unfreie (ahd. skalk) als Sache behandelt wird, ist zweifelhaft. Immerhin regeln
manche Volksrechte seine Tötung neben der Tötung der Freien. Die christliche
Kirche bekämpft seit dem 6. Jh. ein Tötungsrecht des Herrn und erkennt im 10.
Jh. Ehen unter Unfreien ohne weiteres an. Wirtschaftlich ist der im Einzelnen
unterschiedlich gestellte Unfreie allgemein in die →Grundherrschaft
eingebunden. Seit dem Hochmittelalter wird die geburtsständische Gliederung
nach der (Freilassung ermöglichenden) Unfreiheit bzw. Freiheit durch die
berufsständische Gliederung nach Rittern, Bürgern und →Bauern
überlagert. Die Aufklärung beseitigt die Unfreiheit (Frankreich 1789, Preußen
1807). In England entschärft sich die Unfreiheit bereits seit dem Bauernaufstand
von 1381.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 68, 71, 78,
87, 89; Meyer, G., Die Gerichtsbarkeit über Unfreie und Hintersassen, ZRG GA 2
(1881), 83, 3 (1882), 102; Koehne, K., Die Geschlechtsverbindungen der
Unfreien, 1888; Zycha, A., Über den Anteil der Unfreiheit am Aufbau von
Wirtschaft und Recht, 1915; Rörig, F., Luft macht eigen, (in) Festgabe Gerhard
Seeliger, 1920; Landau, P., Hadrians IV. Dekretale „Dignum est“, Studia
Gratiana 12 (1967), 511; Merzbacher, F., Die Bedeutung von Freiheit und
Unfreiheit, Hist. Jb. 90 (1970), 257; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Kolb,
H., Über den Ursprung der Unfreiheit, Z. f. d. A. 103 (1974), 289; Rösener, W.,
Grundherrschaft im Wandel, 1991; Die abendländische Freiheit, hg. v. Fried, J.,
1991; Freedman, P., The Origins of Peasant Servitude, 1991; Grieser, H.,
Sklaverei im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, 1997; Forms of
Servitude in Northern and Central Europe, hg. v. Freedman, P. u. a., 2005
Ungar (Magyar) ist
der Angehörige des um 895 (862 bzw. 894-900) aus Asien östlich des Urals in das
Donaubecken (Karpatenbecken) gelangenden, finno-ugrisch sprechenden Volkes
(Reitervolks), das nach der Niederlage in der Schlacht auf dem Lechfeld (10. 8.
955) sesshaft wird. Vielleicht 1001 erfolgt die Krönung eines christlichen
Königs der Ungarn (Stephan I.). 1290 stirbt das Bulgarien, Dalmatien, Galizien,
Kroatien und Siebenbürgen erobernde Königsgeschlecht der Arpaden aus. Im Streit
mit Habsburg setzt sich Anjou-Sizilien durch (1301/1310-1382/1386). (Vor) 1514
erstellt Stephanus →Werböczy eine erstmalige Sammlung des
Gewohnheitsrechts des Königreichs Ungarn, die sich in der Gerichtspraxis
durchsetzt, während an den Universitäten (Pécs bzw. Fünfkirchen 1367, aber bald
wieder geschlossen) eine Ausbildung im römischen Recht erfolgt. 1526 fällt das
inzwischen entstandene Land Ungarn durch Erbrecht an →Habsburg, doch gelangen
1529/1541 große Teile an die Türken/Osmanen und wird Siebenbürgen weitgehend
selbständig 1683-1699 erobert Habsburg die von Türken beherrschten Gebiete.
Zentrale Verwaltungsbehörde ist die ungarische Hofkanzlei (bis 17. 3. 1848, ab
20. 10. 1860 bis 17. 2. 1867). 1840 wird ein Handelsgesetzbuch geschaffen. Ein
Aufstand gegen die Herrschaft Österreichs wird 1849 mit Hilfe Russlands
unterdrückt. Nach Ansicht Österreichs verwirkt Ungarn durch den
Parlamentscbeschluss vom 14. 4. 1849 über die Entthronung der Habsburger und
durch die Unabhängigkeitserklärung vom 19. 4. 1849 seine Verfassung
(Verwirkungstheorie), während nach Ansicht Ungarns die Beschlüsse zwecks
Abwehr der Märzverfassung 1849 gerechtfertigt sind (Rechtskontinuitätstheorie).
Von 1853 bis 1861 gilt in Ungarn das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch
Österreichs. 1867 muss →Österreich im sog. →Ausgleich seine
Herrschaft über Ungarn lockern (Dualismus, 1873 Hauptstadt Budapest, zuvor
Pest-Buda). 1878 werden (nach von deutschen Vorbildern geprägten Entwürfen von
1790, 1830 und 1843) ein Strafgesetzbuch (, 1879 ein Strafgesetzbuch über die
→Übertretungen) und 1896 eine 1900 verbesserte Strafprozessordnung
geschaffen. 1895 wird die staatliche Zivilehe eingeführt, womit die Umgehung
des Ehescheidungsverbots Österreichs durch so genannte siebenbürgische bzw.
ungarische Ehen entbehrlich wird. 1918 verselbständigt sich unter Ausrufung
der Republik (Volksregierung unter Graf Mihály Károlyi) das Land als Königreich
ohne König, das nach dem Ende der Fremdbestimmung durch die Sowjetunion
(1945-1989, Bürgerliches Gesetzbuch 1959 mit Geltung ab 1. 5. 1960) den
Anschluss an die Europäische Gemeinschaft bzw. Europäische Union (1993) sucht
und 2004 findet.
Lit.: Köbler, DRG 95, 129, 194, 220; Baltl/Kocher;
Timon, A. v., Ungarische Verfassungs- und Rechtsgeschichte, 2. A. (1904 bzw.)
1909; Schulte, A., Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 813-1531, 1924;
Karpat, J., Corona regni Hungariae, 1937; Müller, G., Die mittelalterlichen Verfassungs-
und Rechtseinrichtungen der Rumänen des ehemaligen Ungarn, Siebenbürgische
Vierteljahrschrift 61 (1938); Miskolczy, J., Ungarn in der Habsburger
Monarchie, 1959; Madl, F., Das erste ungarische ZGB, (in) Das ungarische ZGB,
1963; Karpat, J., Die Rechtsgeschichte Ungarns, FS H. Lentze, 1969, 339;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,561, 3,2,2141,2819, 3,3,3512,3629,3716,4056,4202;
Bogyay, T. v., Grundzüge der Geschichte Ungarns, 4. A. 1990; Sugar, P./Hanal,
P., History of Hungary, 1990; Diplomata Hungariae Antiquissima, hg. v. Györffy,
G., Bd. 1 1992; Haslinger, P., Hundert Jahre Nachbarschaft, 1996; Zlinszky, J.,
Wissenschaft und Gerichtsbarkeit, Quellen und Literatur der
Privatrechtsgeschichte Ungarns, 1996; Normdurchsetzung in osteuropäischen
Nachkriegsgesellschaften, Bd. 2, hg. v. Gündel, A., 1997; Kellner, M., Die
Ungarneinfälle, 1997; Pribersky, A. u. a., Ungarn, 1999; Molnár, N., Geschichte
Ungarns, 1999; Les Hongrois et l’Europe, hg. v. Csernus, S. u. a., 1999;
Kristó, G., Die Geburt der ungarischen Nation, 2000; Lendvai, P., Die Ungarn,
1999; Fata, M., Ungarn, 2000; Olechowski-Hrdlicka, K., Die gemeinsamen
Angelegenheiten der österreichisch-ungarischen Monarchie, 2000; The Hungarian
State 1000-2000, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000; Molnár, M., A Concise History
of Hungary, 2001; Ungarn und Europa, hg. v. Brunner, G. 2001; Krauss, K.,
Deutsche Auswanderer in Ungarn, 2003; Pajkossy, G., Magyarország története a
19. században (Die Geschichte Ungarns im 19. Jahrhundert), 2003 ; Kajtár, I., A
19. századi magyar állam- és jogrendszer alapjai. Európa – haladás –
Magyarország (Die Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und
Rechtssystems des 19. Jahrhunderts. Europa – Fortschritt – Ungarn), 2003;
Adriányi, G., Die Geschichte der katholischen Kirche in Ungarn, 2004; Das
Ungarnbild der deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Peregrinatio
Hungarica, hg. v. Fata, M. u. a., 2006; Radek, T., Das Ungarnbild der deutschsprachigen
Historiographie des Mittelalters, 2008
Ungarn →Ungar
Lit.: Mayer, T., Verwaltungsreform in Ungarn nach der
Türkenzeit, 1911 Neudruck bzw. 2. A. 1980; Zehntbauer, R., Einführung in die
neuere Geschichte des ungarischen Privatrechts, 1916; Heymann, E., Das
ungarische Privatrecht und der Rechtsausgleich mit Ungarn, 1917; Tagányi, K.,
Lebende Rechtsgewohnheiten und ihre Sammlung in Ungarn, 1922; Both, Ö., Kampf
um die Einführung der Geschworenengerichte, Acta universitatis Szegediensis,
Iur. et polit. 7, 1 (1960), 1; Deér, J., Die heilige Krone Ungarns,
1966; Horváth, P., A kelet- és közép-európai népek,
1968; Die juristische Bildung in der Slowakei und Ungarn bis zum
Jahre 1848, 1968; Tripartitum opus iuris consuetudinarii inclyti
regni Hungarie per Stephanum de Werbewcz editum Wien 1517, Neudruck 1969; Tanulmányok
a magyar helyi önkormányzat múltjábol (Studien zur Geschichte der örtlichen
Selbstverwaltung in Ungarn), hg. v. Bónis, G./Degré, A., 1971; Bónis, G.,
Középkori jogunk elemei, 1972; Bak, J., Königtum und Stände in Ungarn im
14.-16. Jahrhundert, 1973; Csizmadia, A., Adam Franz Kollár und die ungarische
rechtshistorische Forschung, 1982; Kovács, K., Zur Geschichte des ungarischen
Strafrechts und Strafprozessrechts 1000-1918, 1982; Mertanová, S., Ius
tavernicale, 1985, Jobbágyi, G., Die Rechtsfähigkeit und das Lebensrecht des
Embryos im ungarischen Recht, ZRG GA 110 (1993), 513; Neschwara, C., Die
Geltung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in Ungarn,
ZRG GA 113 (1996), 362; Gönczi, K., Ungarisches Stadtrecht aus europäischer
Sicht, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg. v. Polaschek, M.,
1997; Die Elemente der ungarischen Verfassungsentwicklung, hg. v. Máthé,
G./Mezey, B., 2000; The Hungarian State, hg. v. Gergely, A. u. a., 2000;
Gönczi, K./Henne, T., Leipziger Verlage, liaisonmen und die Anfänge der modernen
Rechtswissenschaft in Ungarn, ZRG GA 118 (2001), 247; Kajtár, I., (Die
Grundlagen des modernen ungarischen Verfassungs- und Rechtssystems des 19.
Jahrhunderts), 2003; Németh, I., Ungarische Geschichte, 2003; Varga, G.,
Ungarn und das Reich, 2003; Dalos, G., Ungarn, 2004; Das Ungarnbild der
deutschen Historiographie, hg. v. Fata, M., 2004; Nationalstaat – Monarchie –
Mitteleuropa, hg. v. Máthé, G. u. a., 2004; Voigt, K., Der Schutz nationaler
ungarischer Minderheiten, 2005; Bahlcke, J., Ungarischer Episkopat und
österreichische Monarchie, 2005; Steinberg, G., Aufklärerische Tendenzen im
ungarischen Strafrecht, 2006; Dalos, G., 1956. Der Aufstand in Ungarn, 2006; Lange, H./Kriechbaum, M., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 2 2007, 978; Juristenausbildung in Osteuropa bis
zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007; Ruszoly, J., Institutionelle
Grundlagen der Legislation in Ungarn (1920-1944/45), 2007; Schmidt-Schweizer,
A., Politische Geschichte Ungarns von 1985 bis 2002, 2007; Historische
Demographie Ungarns (896-1996), hg. v. Kristó, G., 2007; Gönczi, K., Die
europäischen Fundamente der ungarischen Rechtskultur, 2008; Pálffy, G., The
Kindom of Hungary and the Habsburg Monarchy, 2009; Rechtswissenschaft in
Osteuropa, hg. v. Pokrovac, Z., 2010; Die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn,
hg. v. Seewann, G. u. a., 2010; Koller, M., Eine Gesellschaft im Wandel, 2010;
Kastner, G., Ungarn 1956 vor der UNO, 2010; Balogh, E., Die ungarische
Strafrechtskodifikation im 19. Jahrhundert, 2010; Hamza, G., Das römische Recht
und die Privatrechtsentwicklung in Ungarn im Mittelalter (in) Journal on
European History of Law 1 (2010), 16; Das Wesen der Rechtsgeschichte, hg. v.
Máthé, G., 2010; Hamza, G., Développement et codification du droit privé et
tradition du droit romain en Hongrie gabor.hamza@ajk.elte,hu
; Tóth, A., Rückkehr nach Ungarn 1946-1950, 2012; The Laws of the Medieval
Kingdom of Hungary, hf. v. Döryed, F. u. a., 2012; Carls, W./Gönczi, K.,
Sächsisch-magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien, 2013; Markus, A., Die
Geschichte des ungarischen Nationalismus, 2013; Arpád Göncz – Ungarischer
Freiheitskämpfer und Staatspräsident, 2013; Borhy, L., Die Römer in Ungarn,
2014; Normsetzung und Normverletzung, hg. v. Krauss, K., 2014; Krauss, K.,
Quellen zu den Lebenswelten deutscher Migranten im Königreich Ungarn im 18. und
frühen 19. Jahrhundert, 2015
ungeboten (ohne besonderes Gebot auf Grund
allgemeiner Regeln erfolgend) z. B. ungebotenes →Ding
Lit.: Kroeschell, DRG 2
Ungefährwerk ist die wissenschaftliche
Bezeichnung für den ungewollten Unrechtserfolg im älteren deutschen Recht (z.
B. fehlgehender Pfeil führt zum Tod eines Menschen). →Fahrlässigkeit
Lit.: Köbler, DRG 91; Behrend, R., Das Ungefährwerk in
der Geschichte des Seerechts, ZRG GA 19 (1898), 52; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964
Ungehorsam →Widerstand
Ungeld ist seit dem Hochmittelalter bis
ins 19. Jh. die (vielfach städtische) →Verbrauchsteuer (z. B.
Weinungeld). →Akzise
Lit.: Zeumer, K., Die deutschen Städtesteuern, 1878;
Weisbrod, R., Das Weinungeld als Rechtsinstitut der freien Reichsstadt Speyer
1952; Habich, W., Das Weinungeld, Diss. jur. Frankfurt am Main 1966; Mit dem
Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A. 1992; Knapp, N., Die
Ungehorsamsstrafe in der Strafprozesspraxis des frühen 19. Jahrhunderts, 2011
ungemessen (nicht durch ein Maß bestimmt)
Unger, Joseph (Wien 2. 7. 1828-Wien 2. 5. 1913)
Kaufmannssohn, wird nach dem Studium von Philosophie und Recht (Wien) und dem
Übertritt zum Katholizismus Bibliothekar und 1853 außerordentlicher
Professor in Prag und 1856 in Wien (1857 ordentlicher Professor). Er vertritt
die Ansichten der historischen Rechtsschule. Seit 1870 wendet er sich der
Politik zu (bereits 1867 Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit). 1869 wird
er Mitglied, 1881 Präsident des Reichsgerichts in →Österreich. Von 1871
bis 1879 ist er Minister ohne Geschäftsbereich. Er beteiligt sich maßgeblich
an der Errichtung des Verwaltungsgerichtshofs (1876). Sein ursprüngliches
Eintreten für ein Bürgerliches Gesetzbuch des Deutschen Bundes (1855) wandelt
sich später in einen Aufruf zur Revision des österreichischen
→Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs durch einzelne Teilnovellen (1914,
1915, 1916 verwirklicht). Seit 1859 veröffentlicht er mit Julius Glaser die
zivilrechtlichen Urteile des Obersten Gerichtshofs. Sein System des österreichischen
allgemeinen Privatrechts wird mehrfach aufgelegt.
Lit.: Strohal, E., Josef Unger, 1914; Lentze, H.,
Josef Unger, FS H. Arnold, 1963, 219; Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der
deutschen Rechtswissenschaft, 1938, 2. A. 1953, 83; Ogris, W., Die historische
Schule der österreichischen Zivilistik, FS H. Lentze, 1969, 449; Juristen in
Österreich, hg. v. Brauneder, W., 1987, 177; Olechowski, T., Die Einführung
der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999
ungerechtfertigt (1784/1794) nicht durch einen Grund
gerechtfertigt
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ungerechtfertigte Bereicherung (1866) ist die nicht durch einen
rechtlichen Grund gerechtfertigte →Bereicherung einer Person (z. B.
Leistung auf eine Nichtschuld). Die u. B. ist nach dem Vorbild des römischen,
sie als Quasikontrakt behandelnden Rechtes (lat. [F.] →condictio)
grundsätzlich im Umfang des Empfangenen herauszugeben. Die Beschränkung der
Haftung auf die noch vorhandene Bereicherung erfolgt durch →Duarenus
(1509-1559), dem →Glück (1755-1831) folgt. Später wird zwischen
Leistungskondiktion und Eingriffskondiktion (ohne Leistung) unterschieden,
doch werden beide grundsätzlich gleich behandelt.
Lit.: Apathy, P., Der Verwendungsanspruch, 1988;
Unjust Enrichment, ed. by Schrage, E., 1995; Schäfer, F., Das
Bereicherungsrecht in Europa, 2001; Flume, W., Studien zur Lehre von der
ungerechtfertigten Bereicherung, hg. v. Ernst, W., 2003; Cases, Materials and
Texts on Unjustified Enrichment, hg. v. Beatson, J. u. a., 2003; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Ungericht (N.) Unrecht
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Friese, V., Das Strafrecht
des Sachsenspiegels, 1898
Uniform ist die einheitliche Kleidung vor allem des
Soldaten bzw. Amtsträgers der frühen Neuzeit.
Lit:: Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation, hg. v.
Hackspiel-Mikosch, E. u. a., 2007; Staat Macht Uniform hg. v. Wiggerich, S. u.
a., 2011
uniert (Adj.) vereint (z. B. Kirche)
Union (F.) Vereinigung,
→Europäische Union, →Personalunion, →Realunion, Sowjetunion
unio (F.) prolium (lat.) Vereinigung der Nachkommen,
→Einkindschaft
universal (1510, Adj.) allseitig
Universalienstreit ist der philosophische, seit Platon bekannte,
nicht entschiedene Streit darüber, ob Allgemeinbegriffe (Universalien wie z.
B. Mensch, Klasse) wirklich (Realismus) oder nur begrifflich (Nominalismus)
sind.
Lit.: Der Universalienstreit, hg. v. Stegmüller, W., 1978, Libera, A.
de, Der Universalienstreit, 2005
Universalfideikommiss (lat. fideicommissum hereditatis) ist im
römischen Recht das zur Herausgabe des Nachlasses (oder dessen Teile)
verpflichtende und damit die Umgehung des Verbots der Nacherbschaft
ermöglichende Fideikommiss.
Lit.: Manthe, U., Das Senatusconsultum Pegasianum, 1989
Universalismus ist
die Vorstellung der allseitigen Offenheit. In ihren Rahmen gehört die
Überzeugung, dass jedermanns Interessen so zu berücksichtigen sind, als wären
es die eigenen. Sie tritt für ein unbeschränktes weltweites Niederlassungsrecht
einer Wiillkommenskultur ein.
Lit.: Fritze, L., Kritik des moralischen Universalismus – Über das
Recht auf Selbstbehauptung in der Flüchtlingskrise, 2017
Universalsukzession (F., Wort 1814 belegt) ist die
Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei einem Erbfall). Nach römischem Recht folgt
der Erbe in das gesamte Recht des Verstorbenen (lat. successio in universum
ius quod defunctus habuerit), so dass mehrere Erben den Nachlass zu rechnerischen
Bruchteilen erben. Demgegenüber gibt es im deutschen Recht (auch)
Sondererbfolgen (z. B. in Hergewäte, Morgengabe, Familienfideikommiss, Anerbenrecht).
Im Laufe der Neuzeit setzt sich die U. auch auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes
mehr und mehr durch und verdrängt die Sondererbfolgen.
Lit.: Kaser § 65 I 1; Köbler, DRG 210; Schwerin, C.
Frhr. v., Über den Begriff der Rechtsnachfolge, 1905; Tuor, P., Der Grundsatz
der Universalsukzession, 1922; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
universitas (lat. [F.]) Einheit,
Personenverband mit gemeinsamer Willensbildung, vom Mitgliedervermögen getrenntem
Vermögen, handelnden Organen und Rechtsträgerschaft der Gesamtheit der
jeweiligen Mitglieder als Vorstufe der juristischen Person ist bereits dem
römischen Recht bekannt (z. B. Staat, Stadt municipium, Verein collegium)
Lit.: Kaser § 17 I; Köbler, DRG 57; Krämer, W.,
Konsens und Rezeption, 1980; Ralf, M., Societas und universitas, 2008; Groten,
A., corpus und universitas, 2015
universitas
(F.) rerum (lat.)
Sachgesamtheit (z. B. Herde, Warenlager)
Universität ist die aus der Gemeinschaft von
Lehrenden und Lernenden seit dem 12. Jh. erwachsende, die gesamte Breite der
Wissenschaften erfassende Lehranstalt. Die erste juristische U. entsteht auf
scholastischer Grundlage um die Glossatoren (→Irnerius, Bulgarus, Hugo,
Jacobus, Martinus) in Bologna (als offizielles Gründungsjahr 1088 angesehen, um
1200 ca. 1000 juristische Studenten, Statuten von 1252). Spätere Universitäten
umfassen meist neben der einführenden artistischen (philosophischen) Fakultät
(der artes liberales) die drei höheren Fakultäten Theologie, Jurisprudenz und
Medizin. Leiter der U. ist der Rektor, Leiter der Fakultät ist der Dekan. Als
Schutzherren treten anfangs vor allem Papst und Kaiser auf, später auch
Landesherren und Städte. Frühe bekannte europäische Universitäten entwickeln sich
in →Paris (Statuten von 1215), →Oxford (nach 1139),
→Cambridge (seit 1209), →Montpellier (seit etwa 1170),
→Salerno (995-1087?, Medizin), Perugia (1208), Salamanca 1218/1219,
→Padua (1222) oder →Neapel (1224), Lissabon (1290), Pisa (1343),
Florenz (1349), Siena (1357) oder Pavia (1361). Eine erste deutsche U. entsteht
in →Prag 1348 (, Beginn humanistischen Einflusses). Es folgen mit
bescheidenen Anfängen →Wien (1365), (ab 1378 Verringerung des päpstlichen
Einflusses infolge des Schismas,) →Heidelberg (1386), →Köln (1388),
→Erfurt (1392), (um 1400 europaweit rund 30 Universitäten, Aufkommen
territorialer Universitäten,) →Leipzig (1409), →Rostock (1419),
→Freiburg im Breisgau (1425), →Greifswald (1456), →Löwen
(1425 bzw. 1457), →Basel (1460), →Ingolstadt (1472), →Trier
(1472), Kopenhagen (1475), Uppsala (1477), →Tübingen (1477) und
→Mainz (1477) (zwischen 1348 und 1510 18 erfolgreiche
Universitätsgründungen im deutschsprachigen Raum, bis 1550 mehr als 300000
Immatrikulierte, 30-50 Prozent mit Prüfung). Die Zahl der Studierenden nimmt
beständig zu (im ausgehenden 14. Jahrhundert in Deutschland vielleicht jährlich
600, im ausgehenden 15. Jh. in Deutschland jährlich etwa 3000 Studienanfänger,
von 1385 bis 1505 in Deutschland insgesamt rund 200000 Studerende, davon 164000
an den 12 Universitäten Wien, Löwen, Basel, Heidelberg, Köln, Erfurt, Leipzig,
Rostock, Greifswald, Freiburg im Breisgau, Ingolstadt und Tübingen – deren
Matrikel im Gegensatz zu Prag, Trier und Mainz nicht verloren ist -, bis zur
Reformation im Heiligen römischen Reich rund, - in Köln zu vier Fünfteln aus
Städten stammende - 300000 Studierende, davon 250000 der artistischen Fakultät,
13 % (rund 39000) der juristischen Fakultät, 2,6 % der theologischen Fakultät
und 0,4 % der medizinischen Fakultät). Angestrebte, aber vielfach nicht
erreichte Grade sind Bakkalaureus, Lizentiat, Magister und Doktor. Die
Reformation (1527 erste lutherische Universität in Marburg, 1559 erste
reformierte Universität in Genf) fördert die Differenzierung der Lehre, die
Professionalisierung der Universitätslehrer und die Vorstellung der Freiheit
der Studierenden, aber auch Gegenbewegungen (1538 höheres Studium der
Dominikaner auf Haiti, ab 1550 jesuitische Hochschulen) und europäische
Ausbreitung (1575 Leiden, 1724 Sankt Petersburg) wie außereuropäische Ausdehnung
(1650 Stiftungshochschule John Harvards in Nordamerika, 1701 Yale, 1785 New
Brunswick, 1829 Cape Town, 1850 Sidney, 1857 Bombay, 1877 Tokio, 1883 Istanbul,
1898 Peking). Juristische Reformuniversitäten werden →Halle (1694),
→Göttingen (1734) und →Berlin (1810, Humboldtsches Bildungsideal)
(um 1800 190 Universitäten weltweit). Im 19. Jh. werden naturwissenschaftliche
Fächer eröffnet. Im Verlauf des Jh.s öffnet sich die U. allmählich den Frauen.
In der Wertschätzung stehen in Deutschland Berlin, München, Leipzig, Bonn,
Heidelberg und Göttingen vor den anderen Universitäten. Die zweite Hälfte des
20. Jh.s führt zu vielen Massenuniversitäten (1985 86500 deutsche Studenten der
Rechtswissenschaft, um 1990 rund 750 Universitäten und 6500 weitere
Hochschulen weltweit). Der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung wird
zum Vergleichsmaßstab unter den verschiedenen Staaten. Allmählich steigt der
Anteil der Frauen an den Studierenden auf die Hälfte und mehr. Dem folgt mit
deutlicher Verzögerung auch der Anteil der Frauen an der Professorenschaft.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 99, 106, 143,
151, 154, 180, 254; Denifle, H., Die Entstehung der Universitäten, 1885;
Denifle, H., Die Universitäten des Mittelalters bis 1400, 1885; Kaufmann, G.,
Die Geschichte der deutschen Universitäten, Bd. 2 1896, Neudruck 1958;
Eulenburg, F., Die Frequenz der deutschen Universitäten, 1904; Paulsen, F.,
Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd. 1f. 1919; Rashdall, H., The Universities,
1936; Grundmann, Herbert, Vom Ursprung der Universität im Mittelalter, 1957 (SB
Leipzig); Ebel, W., Zur Geschichte des Rechtsstudiums, 1961; Köbler, G., Zur
Geschichte der juristischen Ausbildung, JZ 1961, 768; Nationalsozialismus und
die deutsche Universität, 1966; Hammerstein, N., Jus und Historie, 1972;
Cobban, A., The Medieval Universities, 1975; Beiträge zu Problemen deutscher
Universitätsgründungen der frühen Neuzeit, hg. v. Baumgart, P., 1978;
Università, Academie e Società scientifiche in Italia e in Germania del
cinquecento al settecento, hg. v. Böhm, L. u. a., 1981; Universitäten und
Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, hg. v. Böhm, L. u. a.,
1983; Esch, A., Die Anfänge der Universität, 1985; Histoire des universités en
France, hg. v. Verger, J., 1986; Schwinges, R., Deutsche Universitätsbesucher,
1986; Baumgarten, M., Vom Gelehrten zum Wissenschaftler, 1988; Cobban, A., The
Medieval English Universities, 1988; Müller, R., Geschichte der Universität,
Bd. 1f. 1990; Heiber, H., Universität unterm Hakenkreuz, 1991; Rexroth, F.,
Deutsche Universitätsstiftungen von Prag bis Köln, 1992; Geschichte der
Universität in Europa, hg. v. Rüegg, W., Bd. 1ff. 1993ff.; Hammerstein, N.,
Universitäten und Reformation, HZ 258 (1994), 339; Università, hg. v. Porciani,
I., 1994; Die Universität in Alteuropa, hg. v. Patschovsky, A. u. a., 1994;
Guide to Legal Studies in Europe, hg. v. The European Law Students’
Association, 1995; Titze, H., Wachstum und Differenzierung der deutschen Universitäten
1830-1945, 1995; Verger, J., Les universités françaises, 1995;
Schlange-Schöningen, H., Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken
Konstantinopel, 1995; Universitäten der Aufklärung, hg. v. Hammerstein, N.,
1996; Baumgarten, M., Professoren und Universitäten im neunzehnten Jahrhundert,
1997; Pedersen, O., The first universities, 1997; Boockmann, H., Wissen und
Widerstand, 1999; Stätten des Geistes, hg. v. Demandt, A., 1999; Jessen, R.,
Akademische Elite und kommunistische Diktatur, 1999; Attempto – oder wie
stiftet man eine Universität, hg. v. Lorenz, S., 1999; Ferz, S., Ewige
Universitätsreform, 2000; Weber, W., Geschichte der europäischen Universität,
2001; Zwischen Autonomie und Anpassung, hg. v. Connelly, J./Grüttner, M. 2002;
Weber, W., Geschichte der europäischen Universität, 2002; Gredler, P., The
Universities of the Italian Renaissance, 2002; Zwischen Autonomie und Anpassung
– Universitäten in den Diktaturen des 20. Jahrhunderts, hg. v. Connelly, J. u.
a., 2003; Kahl, W., Hochschule und Staat, 2004; Woelk, W. u. a., Universitäten
und Hochschulen im Nationalsozialismus, 2004; Gerber, S., Universitätsverwaltung
und Wissenschaftsorganisation im 19. Jahrhundert, 2004; Universitäten und
Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, hg. v. Blaschke,
K., 2004; Anderson, R., European Universities from the Enlightenment to 1914,
2004; Clark, W., Academic Charisma and the Origins of the Research University,
2006; Howard, T., Protestant Theology and the Making of the Modern German University,
2006; Universitäten im östlichen Mitteleuropa, hg. v. Wörster, P., 2008; Orte
der Gelahrtheit, hg. v. Siebe, D., 2008; Der Aristotelismus an den europäischen
Universitäten der frühen Neuzeit, hg. v. Darge, R. u. a., 2009; Koch, H., Die
Universität, 2008; Rohstock, A., Von der Ordinarienuniversität zur
Revolutionszentrale?, 2010; Wolbring, B., Trümmerfeld der bürgerlichen Welt,
2013; Freytag-Loringhoven, K. v., Erziehung im Kollegienhause, 2014;
Universität, Wissenschaft und Öffentlichkeit in Westdeutschland (1945 bis ca.
1970), hg. v. Brandt, S. u. a., 2014
Universitätsgerichtsbarkeit (akademische Gerichtsbarkeit) ist
die besondere Gerichtsbarkeit der Universität (bzw. des Rektors) über die
Universitätsmitglieder (Studenten, Professoren, deren Ehefrauen und Kinder,
Universitätsbedienstete, Universitätshandwerker, Dienstpersonal), die neben
der kirchlichen Gerichtsbarkeit und der weltlichen Gerichtsbarkeit besteht.
Sie findet sich nach älteren Ansätzen (Bologna [1158 Konstitution Habita König
Friedrichs I. Barbarossa] zu Gunsten der einzelnen Studenten, Paris) zumindest
zeitweise in Prag, Wien, Heidelberg, Leipzig, Rostock, Freiburg im Breisgau,
Basel und Ingolstadt. Vielfach sind die besonders schweren Verbrechen ausgenommen,
doch sind auch Todesstrafen bezeugt. Im Deutschen Bund (1815-1866) wird die U.
durch die Karlsbader Beschlüsse verstaatlicht. Endgültig abgeschafft wird die
U. im Deutschen Reich 1877/1879 (§ 15 GVG). Ihr folgt teilweise eine besondere
Disziplinargerichtsbarkeit, 1935 durch Erlass die Strafordnung für Studenten,
nach 1949 ein am Verwaltungsrecht ausgerichtetes Ordnungsrecht bei Störungen
des Hochschulbetriebs und Behinderungen von Hochschulorganen.
Lit.: Stein, F., Die akademische Gerichtsbarkeit,
1891; Toll, H., Akademische Gerichtsbarkeit, 1979; Woeste, P., Akademische
Väter als Richter, 1987; Brüdermann, S., Göttinger Studenten und akademische
Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, 1990; Alenfelder, K., Akademische
Gerichtsbarkeit 2002; Bubach, R., Richten, Strafen und Vertragen, 2004
Universum (N.)
ist die Gesamtheit oder das bisher im Wesentlichen vom Recht des Menschen freie
Weltall.
Lit.: Blome, H., Die Entdeckung des Urknalls, 2016
unkörperlich (Adj., lat incorporalis) keine Raumausdehnung
habend (z. B. Forderung in Gegensatz zu Haus)
Unlauterer Wettbewerb ist der gegen die Redlichkeit
verstoßende Wettbewerb (in der Wirtschaft). Als eigenständiger, vom Strafrecht
gelöster Fragenbereich wird der unlautere Wettbewerb im 19. Jh. erkannt. In
Frankreich finden die Art. 1382, 1383 →Code civil Anwendung, in England
die →equity. Das Deutsche Reich schützt am 12. 5. 1894 die
Warenbezeichnung gesetzlich und am 7. 6. 1909 den Wettbewerb allgemein gegen
Unlauterkeit. Am 8. 7. 2004 tritt eine Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren
Wettbewerb in Kraft, die das Sonderveranstaltungsverbot aufhebt, Telefonwerbung
von Einwilligung abhängig macht und einen Gewinnabschöpfungsanspruch für
Verbände einführt.
Lit.: Kohler, J., Der unlautere Wettbewerb, 1914, 33;
Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Wadle, E., Das Reichsgesetz zur
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, JuS 1996, 1064; Köhler, H., Das neue
UWG, NJW 2004, 2121
Unlust (F.) Nichtzuhören im →Ding
Unmittelbarkeit (F.) Verbindung zweier Momente ohne
ein drittes vermittelndes Glied (z. B. Reichsunmittelbarkeit zwischen Herrscher
und reichsunmittelbaren Gliedern des Heiligen römischen Reiches)
Lit.: Kaser § 87 II 6; Köbler, DRG 201, 202; Stüber,
M., Die Entwicklung des Prinzips der Unmittelbarkeit im deutschen Strafverfahren,
2005
Unmöglichkeit (Wort 1323 belegt, lat. [F.]
impossibilitas) ist die Unbewirkbarkeit einer Leistung. Sie ist bereits dem
römischen Recht bekannt. Den anfangs nur sehr begrenzt bedeutsamen lateinischen
Satz impossibilium nulla est obligatio (zu Unmöglichem besteht keine
Verpflichtung) dehnt →Donellus in der frühen Neuzeit ausdrücklich auf
alle Verträge aus. →Pufendorf erweitert die zunächst nur für die
besonderen →Innominatkontrakte anerkannten Regeln über das Freiwerden bei
unverschuldeter nachträglicher U. auf alle Verträge. Im 19. Jh. baut Friedrich
Mommsen (1853) unter unzutreffender Auslegung der römischen Quellen ein System
der anfänglichen bzw. nachträglichen und subjektiven oder objektiven U. auf,
das über →Windscheid in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900)
Eingang findet. Bei anfänglicher objektiver U. kommt kein Vertrag zustande. Bei
nachträglicher, vom Schuldner zu vertretender U. hat der Gläubiger Anspruch
auf das Erfüllungsinteresse, während bei zufälliger U. grundsätzlich keine Erfüllungsansprüche
bestehen.
Lit.: Kaser § 37 I 2; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG
165, 214; Jakobs, H., Unmöglichkeit und Nichterfüllung, 1969; Wollschläger, C.,
Die Entstehung der Unmöglichkeitslehre, 1970; Rückert, J., Vom casus zur Unmöglichkeit,
ZNR 1984, 40; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Unmündigkeit (unmündig 1221-1224 Sachsenspiegel) ist das Fehlen der
→Mündigkeit.
Lit.: Kaser §§ 14 II 2, 62 I 1; Hübner; Köbler, DRG
21, 57, 87, 121; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Unna
Lit.: Unna, bearb. v. Lüdicke, R., 1930
Unrecht ist das Fehlen von Recht. U. gibt
es seit der Entstehung von Recht. Aufgabe der Allgemeinheit ist es, U. zu
verhindern und Recht herzustellen. Notfalls muss geschehenes U. nachträglich
ausgeglichen werden (z. B. Schadenersatz).
Lit.: Wiedergutmachung nationalsozialistischen
Unrechts, hg. v. Schwarz, W. u. a., Bd. 1ff. 1974ff.; Das Recht des
Unrechtsstaates, hg. v. Reifner, U., 1981; Der Unrechtsstaat, hg. v. d.
Redaktion der kritischen Justiz, Bd. 1f. 2 A. 1983; Recht und Unrecht im
Nationalsozialismus, hg. v. Salje, P., 1985; Rüthers, B., Recht als Waffe des Unrechts,
NJW 1988, 2825ff.; Laage, C., Gesetzliche Unrecht, 2014; Rückert, J., Abschiede
vom Unrecht, 2015 (19 Studien); Hansack, R., Unrechtsstaat DDR, 2015; Mikyska,
C., Aufarbeitung von Systemunrecht in Europa, 2016
Unrecht Gut gedeiht nicht.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 151
Unschuldseid →Reinigungseid
Unschuldsvermutung ist die bis zu einem Nachweis
einer Schuld für jedermann bestehende Vermutung der Unschuld.
Lit.: Schulz, L., Die praesumptio innocentiae, ZRG GA
119 (2002), 193
Unteilbarkeit ist das Fehlen der Teilbarkeit. Die
U. von Herzogtümern und Grafschaften streben schon die Reichstagsbeschlüsse von
Roncaglia (1158) an. Dennoch werden die Fürstentümer vielfach bis über das 16.
Jh. hinaus tatsächlich geteilt. Seit dem 14. Jh. legen die Goldene Bulle (1356)
für die Kurfürstentümer und andere Regelungen für einzelne Fürstentümer
(Österreich 1358/1359 Fälschung, Braunschweig-Lüneburg, Hessen, Brandenburg
1473, Württemberg 1495) die U. fest.
Lit.: Köbler, DRG 111; Schulze, H., Das Recht der
Erstgeburt, 1851; Ficker, J., Vom Reichsfürstenstand, Bd. 1 1861, 240;
Werminghoff, A., Der Rechtsgedanke von der Unteilbarkeit, 1915; Härtel, R.,
Über Landesteilungen, FS F. Hausmann, 1977, 179; Der dynastische Fürstenstaat,
hg. v. Kunisch, J., 1982
Unterbringung
Lit.: Bartelheimer, H., Die Entwicklung des
Unterbringungsrechts, 2003
Untereigentum ist der untere und insofern
nachrangige Teil des geteilten →Eigentums (z. B. des Lehnsmanns). Es wird
im Rahmen des geteilten Eigentums seit dem Hochmittelalter entwickelt und im
19. Jh. beseitigt.
Lit.: Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985
Unterhalt (1507, Unterhaltsanspruch 1895,
Unterhaltsbeitrag 1863, unterhaltsberechtigt 1896, Unterhaltspflicht 1863) ist die Gesamtheit der für den
Lebensbedarf eines Menschen erforderlichen Aufwendungen. In einfachen Gesellschaften
ist die gemeinsame Lebensführung Nahestehender so selbverständlich, dass der
U. rechtlich nicht erfasst wird. Bereits das römische Recht anerkennt seit
Augustus (63 v.-14 n. Chr.) aber in der (lat.) extraordinaria cognitio (F.)
durchsetzbare Unterhaltsansprüche zwischen Kindern und Eltern und Großeltern.
Seit Antoninus Pius (?) besteht eine gegenseitige Unterhaltspflicht zwischen
allen ehelichen Aszendenten und Deszendenten sowie unter Geschwistern. Bei
einem unehelichen K. betrifft dies nur die Mutter und ihre Verwandten. Das
römische Dotalrecht löst die Folgen der Auflösung der Ehe über
Ehescheidungsfolgen bzw. Ehescheidungsstrafen. Eine Rechtspflicht zu U. unter
Ehegatten kennt in Ausnahmefällen Justinian (527-565). Das Decretum Gratians
gewährt der Ehefrau einen Unterhaltsamspruch nur bei Krankheit und einem darin
begründeten Unvermögen zur Erfüllung der (sexuelle) ehelichen Pflichten. Im
Mittelalter fördert die Kirche die Unterhaltspflicht von Eltern und Kindern,
bejaht aber die Schlechterstellung unehelicher Kinder. Dem folgen im
Spätmittelalter städtische Satzungen. Die gelehrte Literatur befasst sich seit
dem 16. Jh. vertieft mit diesen Fragen. In der Aufklärung wird neben dem Vater
die Mutter zu U. verpflichtet und eine Unterhaltsverpflichtung weiterer Verwandter
zunehmend abgelehnt. Dem schließen sich die großen Zivilrechtsgesetzbücher,
von denen Im Übrigen der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) und das
Allgemeine Landrechts Preußens der schuldlos geschiedenen Ehefrau entweder eine
Abfindung oder einen lebenslangen standesgemäßen Unterhaltsanspruch gewähren,
überwiegend an. Nach dem Code civil und dem Landrecht Badens hat der
unschuldig Geschiedene gegen den anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch
bis zu einem Drittel des Einkommens des Schuldigen (ähnlich Sachsen 1863),
während das Reichsgericht 1883 und 1885 einen nachehlichen Unterhaltsanspruch
für das gemeine Recht ablehnt. Das Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt einen
Unterhaltsanspruch für den unschuldig geschiedenen Ehegatten in den §§ 1578ff.
BGB (1938 §§ 66ff. EheG). Die grundsätzliche Benachteiligung nichtehelicher
Kinder wird in Deutschland erst 1998 (Österreich 1989, andere Änderungen des
Unterhalts seit 1975) aufgegeben.
Lit.: Kaser §§ 12 III, 58 VI, 61; Hübner 717;
Jankowiak, K., Die Rechtsstellung der Kinder, Diss. jur. Marburg 1923
masch.schr.; Laplanche, J. de, La soutenance ou pourvéance dans le droit
coutumier, 1952; Wiesner, J., Über die Rechtsstellung des ehelichen Kindes,
Diss. jur. Kiel 1972; Wesener, G., Pflichtteilsrecht und Unterhaltsanspruch des
überlebenden Ehegatten, FS Rechtswissenschaftliche Fakultät Graz 1979, 95;
Krause, E., Die gegenseitigen Unterhaltsansprüche, 1982; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 254; Koch, E., Unterhaltspflichten in
rechtshistorischer Sicht, (in) Familiäre Solidarität, 1997, 9; Schmitz, U., Der
Unterhaltsanspruch des nichtehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger, 2000;
Großekathöfer, D., Es ist ja jetzt Gleichberechtigung, 2003; Laubach, B.,
Lateinische Spruchregeln zum Unterhaltsrecht, 2004; Metz, B., Rechtsethische
Prinzipien des nachehelichen Unterhalts, 2005; Meyer, C., Le système doctrinal
des aliments, 2006; Lutze, N., Der Verwandtenunterhalt in den §§ 1601 bis 1603
und §§ 1610 bis 1612 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007;
Mehnert, S., Entwicklungen im gesetzlichen Güterrecht, 2008; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Breithaupt, M., 50 Jahre Düsseldorfer Tabelle, 2012; Schüler, K., Der
Betreuungsunterhalt, 2012; Maier, A., Der Geschiedenenunterhalt in Deutschland
im 19. Jahrhundert, 2013; Oldenburger, M., Kindesunterhalt in England, 2013
Unterhaus →House of Commons
Unterkauf ist der im Spätmittelalter und in
der Frühneuzeit in Städten verbotene Zwischenhandel.
Lit.: Hübner § 83; Trusen, W., Spätmittelalterliche
Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961
Unterlassene Hilfeleistung ist die trotz Rechtspflicht zum
Tätigwerden nicht erbrachte Hilfeleistung.
Lit.: Gieseler, K., Unterlassene Hilfeleistung,
1999
Unterlassung (1541) ist
die Nichtvornahme einer gebotenen Handlung. Die U. wird erst allmählich der
Handlung angenähert.
Lit.: Kaser §§ 36 I 2, 51 II 1; Köbler DRG 242;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Unternehmen ist im Privatrecht eine
organisatorische Einheit aus Sachen, Rechten und sonstigen Werten, innerhalb
deren ein Unternehmer entferntere Ziele verfolgt. Gegenüber dem einzelnen
Unternehmer gewinnt das U. seit dem Spätmittelalter ein Eigengewicht. Seit dem
20. Jh. gibt es Bestrebungen, das U. - statt des Kaufmanns - in den Mittelpunkt
des Handelsrechts zu stellen. Sie werden in Österreich 2007 verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 707; Geller, L., Das Unternehmen, 1913, 2. A.
2013Oppikofer, H., Das Unternehmensrecht, 1927; Bauer, C., Unternehmen und
Unternehmensformen, 1936; Recht und Entwicklung von Großunternehmen, hg. v.
Horn, N. u. a., 1979; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Willoweit, D. u. a.,
1982; Treue, W., Unternehmens- und Unternehmergeschichte, 1989; Conradi, J.,
Das Unternehmen, 1993; Riechers, A., Das „Unternehmen an sich“, 1996;
Unternehmen im Nationalsozialismus, hg. v. Gall, L./Pohl, M., 1998;
Pierenkemper, T., Unternehmensgeschichte, 2000; Förster, C., Die Dimension des
Unternehmens, 2003; Dienel, H., Die Linde AG, 2004; Berghoff, H., Moderne Unternehmensgeschichte,
2004; Thiessen, J., Unternehmenskauf und Bürgerliches Gesetzbuch, 2005;
Ciriacy-Wantrup, K. v., Familien- und erbrechtliche Gestaltungen von
Unternehmen der Renaissance, 2007; James, H., Krupp, 2011; Lutz, M., Carl von
Siemens 1829-1906, 2013; Bähr, J. u. a., Bosch, 2013; Junggeburth, T.,
Stollwerck 1839-1932, 2014; Unternehmer in der Weimarer Republik, hg. v.
Bormann, P. u. a., 2016; Bähr, J., Werner von Siemens 1816-1892, 2016; Spoerer,
M., C & A, 2016; Meck, G., Auto, Macht, Feld – Die Geschichte der Familie
Porsche Piëch, 2016; Baums, T., Recht der Unternehmensfinazierung, 2017;
Theiner, P., Robert Bosch, 2017; Klingebiel, T., Curt Mast, 2017; Reckendrees,
A., Beiersdorf, 2018
Unterpfand (meist gleichbedeutend wie) Pfand
Lit.: Meibom, V., Das deutsche Pfandrecht, 1867, 37
Unterschlagung ist die rechtswidrige Zueignung
einer fremden beweglichen Sache, die der Täter in Besitz oder Gewahrsam hat (z.
B. Verkauf einer entliehenen Sache). Die systematische Abgrenzung der U. vom →Diebstahl
erfolgt erst seit dem Ende des 18 Jh.s (Kleinschrod, Sachsen 1838).
Lit.: Köbler, DRG 158; Meister, E., Fahrnisverfolgung
und Unterschlagung im deutschen Recht, FS Adolf Wach, 1913; His, R., Das
Strafrecht im deutschen Mittelalter, Bd. 2 1935, 217; Wrede, H., Die Untreue,
1939; Reiß, H., Die strafrechtliche Behandlung der Eigentums- und
Vermögensdelikte, 1973
Unterschrift ist der zum Zwecke der Anerkennung
des Inhalts unter den Text einer Urkunde gesetzte, eigenhändig geschriebene
→Name eines Menschen. Das römische Altertum kennt, wenn auch spät,
bereits die U. Die merowingische Königsurkunde weist vielfach eine eigenhändige
U. des Königs auf, an deren Stelle später das Monogramm oder das →Siegel
(11 Jh.) tritt. Seit der frühen Neuzeit verdrängt die eigenhändige U. das
Siegel wieder. Mit zunehmender Selbstverständlichkeit der Schreibfähigkeit
wird die U. immer bedeutsamer. 1901 gestattet das deutsche Reichsgericht die
Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen.
Lit.: Erben, W., Die Kaiser- und Königsurkunde, 1907,
Neudruck 1967; Holzhauer, H., Die eigenhändige Unterschrift, 1973; Schlögl, W.,
Die Unterfertigung deutscher Könige, Saupe, L, Die Unterfertigung der
lateinischen Urkunden, 1983
Untersuchungsgrundsatz ist der Grundsatz, dass das
Gericht von Amts wegen Tatsachen erforscht, sie in die Verhandlung einführt
und ihre Wahrheit feststellt. Der U. beherrscht den Inquisitionsprozess. Im
Zivilprozess ist er selten (Preußen 1793 Allgemeine Gerichtsordnung).
Lit.: Köbler, DRG 203; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971; Damrau, J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen,
1975; Richter, M., Die Untersuchungsmaxime im älteren Verwaltungsprozess, 1999
Untertan ist der der Herrschaft einer (absoluten)
Obrigkeit unterstehende Mensch in der frühen Neuzeit. An seine Stelle tritt mit
der Aufklärung der Staatsbürger oder Staatsangehörige (1789, 1848, 1918).
Lit.: Moser, J., Von der Landeshoheit in Ansehung der
Untertanen Personen und Vermögens, 1773; Wiesmann, R., Treueid und Treupflicht
der Untertanen, 1911; Buchda, G., Untertanenpflicht, ZRG GA 57 (1937), 468;
Kienast, W., Untertaneneid und Treuevorbehalt, ZRG GA 66 (1948), 111; Feller,
H., Die Bedeutung des Reiches, 1953; Spies, K., Gutsherr und Untertan, 1972;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 295; Lutz, R.,
Wer war der gemeine Mann?, 1979; Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der
Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1981; Blickle, P., Deutsche Untertanen, 1981;
Hohenstein, A., Die Huldigung der Untertanen, 1991; Sailer, R.,
Untertanenprozesse vor dem Reichskammergericht, 1999; Fetzer, R., Untertanenkonflikte
im Ritterstift Odenheim, 2002
Unterwalden ist das Gebiet nid dem Wald, das
1240 ein Bündnis mit →Luzern und 1291 ein Bündnis mit Uri und
→Schwyz gegen die Grafen von →Habsburg schließt und 1309/1324 die
Reichsunmittelbarkeit gewinnt. Es ist einer der Urkantone der →Schweiz.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973, 2,2,461; 500 Jahre Stanser Vorkommnis, 1981; Das
Protokoll des Fünfzehnergerichts Obwalden 1529-1549, hg. v. Küchler, R., (1994)
(Separatabdruck); Garovi, A., Obwaldner Geschichte, 2000
Untreue ist das durch Mangel an zu
erwartender Treue gekennzeichnete Vermögensdelikt. Die U. wird lange durch den
Diebstahl miterfasst. Seit dem 19. Jh. wird sie verselbständigt (Bayern 1813).
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935; Mayer, H., Die Untreue, 1926; Wrede, H., Die Untreue,
1939; Ritter. J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942; Kiefner,
H., Zur zivilrechtlichen Genealogie des Missbrauchstatbestands (§ 266 StGB),
(in) Beiträge zur Rechtswissenschaft, 1993, 1205
unverheiratet (Wort 15. Jh.), nicht verheiratet
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
unvollkommen zweiseitig verpflichtend (Adj.) grundsätzlich nicht beide Beteiligte
verpflichtend, aber in besonderen Fällen doch (z. B. Leihe, Auftrag)
Unvordenklichkeit ist die Unerinnerlichkeit der
Entstehung eines Zustands. U. begründet im römischen Recht und in der frühen
Neuzeit die Vermutung, dass ein Zustand einmal rechtmäßig entstanden ist.
Lit.: Hübner; Kaser § 28 II 1b; Bulker, H., Der
unvordenkliche Besitz, 1841; Unterholzner, K., Verjährungslehre, 2. A. 1958
Unwedersatt
Lit.: Minnigerode, H. v., Unwedersatt und wirdrisittolo, ZRG GA 59 (1939),
249
unwirksam (1766, Unwirksamkeit 1704) nicht wirksam
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Unzucht ist seit dem 18. Jh. die allgemeine
Bezeichnung für eine Straftat gegen die Sittlichkeit, die 1973 vom deutschen
Gesetzgeber aufgegeben wird.
Lit.: Köbler, DRG 35; Kroeschell, DRG; Beutin, W.,
Sexualität und Obszönität, 1990; Gleixner, U., Das Mensch und der Kerl, 1994;
Kraft, S., Zucht und Unzucht, 1996; Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung,
2003; Klammer, P., In Unehren beschlaffen, 2004; Dohmen, L., Die Ursache allen
Übels, 2017 (Vorwürfe gegen 5 Gemahlinnen von Karolingern)
Unzurechnungsfähigkeit ist das Fehlen der Fähigkeit,
überzeugend zuzurechnen bzw. das Fehlen der Voraussetzungen der Verantwortlichkeit
eines Handelnden. Die U. wird tatsächlich schon früh beachtet, allgemein aber
erst mit der Aufklärung erfasst. U. besteht insbesondere bei Kindern (Bayern
1813 bis 8, Österreich 1804 bis 10, Deutsches Reich 1871 bis 12 Jahre).
→Zurechnungsfähigkeit
Lit.: Engelmann, W., Die Schuldlehre der Postglossatoren,
1895, Neudruck 1965; Hippel, R. v., Zur Begriffsbestimmung der
Zurechnungsfähigkeit, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 32 (1911), 99;
Schaffstein, F., Die allgemeine Lehre vom Verbrechen, 1930, Neudruck 1973;
Holzschuh, K., Geschichte des Jugendstrafrechts, 1957;
Unzurechnungsfähigkeiten, hg. v. Niehaus, M. u. a., 1998
Uplandslagh, Upplandslagh ist das bis 2. 1.
1296 geschaffene, durch fünf fast vollständige und zahlreiche bruchstückweise
erhaltene Handschriften des früheren 14. Jh.s überlieferte schwedische
Gesetzbuch für Uppland (Tiundaland, Attundaland, Fiärdrundaland), Roslagen und
Gästrikland. Auf Beschwerden der Bauern wird das bisherige Recht von einem wohl
mit in Bologna rechtsgelehrten Beratern zusammenarbeitenden Ausschuss
gesammelt, nach Überprüfung dem Ding zur Annahme vorgelegt und nach Annahme von
König Birger Magnusson bestätigt. Das U. ist in 8 Abschnitte gegliedert (22
Kapitel Kirchenrecht, 12 Kapitel Königsrecht, 25 Kapitel Erbrecht, 54 Kapitel
Strafrecht, 83 Kapitel Grundstücksrecht, 11 Kapitel Kaufrecht, 29 Kapitel
Dorfschaftsrecht und 14 Kapitel Dingrecht). Es ist christlich beeinflusst und
enthält manche Neuerung. Es beeinflusst Dalalagen, Södermannalagen, Västmannalagen,
Hälsingelagen und Magnus Erikssons Landrecht, durch das es 1351/1353
weitgehend abgelöst wird. 1734 beendet das Reichsgesetzbuch Schwedens die
Geltung auch im Übrigen.
Lit.: Samling af Sweriges Gamla Lagar, hg. v.
Schlyter, C., Bd. 3 1834; Schwedische Rechte, hg. v., Schwerin, C. Frhr. v.,
1935; Corpus Codicum Sueciorum, hg. v. Strömbäck, D., Bd. 15 1960; Wallén, P.,
Kanoniska och germanska element, 1958; Gagnér, S., Studien zur Ideengeschichte
der Gesetzgebung, 1960; Hafström, G., De svenska rätskällornas historia, 1978;
Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im mittelalterlichen Schweden, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E.,
Sveriges Medeltidslagar, 1988
Uppsala entsteht im 12. Jh. als Östra Aros
(östliche Flussmündung). Nach 1130 wird es Sitz des Bistums Sigtuna, 1164 eines
Erzbischofs. 1314 erhält es Stadtrecht. 1477 wird eine spätestens 1530
erloschene, 1609 wiederbelebte Universität eingerichtet. Zeitweise ist U.
Residenz des Königs von Schweden, 1707 wird es durch Brand weitgehend
zerstört.
Lit.: Annerstedt, C., Upsala universitets histora, Bd.
1f. 1877ff.; Lindroth, S., Svensk lärdomshistoria, 1975; Lindroth, S., Uppsala
universitet 1477-1977, 1976; Malmström, Å., Juridiska fakulteten i Uppsala,
1985
Upstallsbom ist der bei Aurich gelegene Ort,
nach dem der spätmittelalterliche Zusammenschluss friesischer Gaue zwischen
Weser und Zuiderzee benannt ist. Hier beraten geschworene Abgesandte der
einzelnen Landschaften auf Landtagen über allgemeine Angelegenheiten. 1323
schaffen sie in den (lat.) Leges (F.Pl.) Upstallsbomicae eine neue Verfassung
des wenig später verfallenden Bundes.
Lit.: Richthofen, K. v., Friesische Rechtsquellen,
1840; Meijering, H., De willekeuren van de Opstallsbom (1323), 1974; Gerbenzon,
P., Apparaat voor de studie van oudfries recht, Teil 1f. 1981
Uradel (1862) ist der besonders alte und
(deswegen) zu besonders hohem Rang gelangte →Adel im Gegensatz vor
allem zum →Briefadel.
Urbach
Lit.: Regesten zur Geschichte der Herren von Urbach, bearb. v. Uhland,
R., 1958
Urbar ist das mittelalterliche und
frühneuzeitliche Güterverzeichnis (z. B. Heberegister, Salbuch, Zinsrödel)
eines Grundherrn (z. B. Abtei Prüm 893, Weißenburg, Lorsch, Fulda, Werden, im
Herzogtum Württemberg rund 2150 Urbare des 15.-18. Jh.s).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 81, 105; Das
habsburgische Urbar, hg. v. Maag, R., Bd. 1f. 1894ff.; Die landesfürstlichen
Urbare Nieder- und Oberösterreichs, hg. v. Dopsch, A., 1904; Die Urbare der
Abtei Werden, hg. v. Kötzschke, R., Bd. 1ff. 1906ff.; Die Urbare des
Benediktinerstiftes Göttweig von 1302-1536, bearb. v. Fuchs, A., 1906; Die
landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark, hg. v. Dopsch, A., 1910; Gmür,
M., Urbare und Rödel des Klosters Pfäfers, 1910; Die mittelalterlichen
Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns, hg. v. Schiffmann, K.,
1912f.; Zösmair, J., Das Urbar des Reichsguts in Churrätien aus der Zeit König
Ottos I., Archiv für Geschichte und Landeskunde Vorarlbergs 10 (1914), 61;
Jecklin, F., Urbar des Hospizes St. Peter auf dem Septimer, 1915; Brosch, F.,
Siedlungsgeschichte des waxenbergischen Amtes Leonfelden, mit einem Anhang Das
Leonfeldener Urbar, hg. v. Trinks, E., Jahrbuch des oberösterreichischen
Musealvereines 84 (1932); Altwürttembergische Urbare, hg. v. Müller, K., 1934;
Das Elbogener Urbar, hg. v. Schreiber, G., 1934; Baumgartner, R., Das
bernisch-solothurnische Urbar, 1938; Das
Füssener hochstiftische Urbar von 1398, bearb. v. Dertsch, E., 1940; Urbare von Allerheiligen in Schaffhausen und von
Beromünster, bearb. v. Kläui, P., 1941; Das Bickelspergsche Lagerbuch der
Grafschaft Zollern von 1435, hg. v. Herberhold, F., 1941; Feger, O., Das
älteste Urbar des Bistums Konstanz, 1943; Gurker Urbare, hg. v. Wießner, H., 1951;
Clavadetscher, O., Das churrätische Reichsgutsurbar, ZRG GA 70 (1953), 1; Das
Urbar des Hochstifts Augsburg von 1366, hg. v. Dertsch, R., 1954; Seckau,
Pettau, hg. v. Roth, B. u. a., 1955; Das Urbar der vorderen Grafschaft Görz aus
dem Jahre 1299, hg. v. Klos-Bužek, F., 1956; Altwürttembergische Lagerbücher
aus der österreichischen Zeit 1520-1534, bearb. v. Schwarz, P. u. a., Bd. 1ff.
1958ff.; Metz, W., Staufische Güterverzeichnisse, 1964; Raisch, H., Das
Esslinger Urbar von 1304, 1966; Das Hohentwiel-Lagerbuch von 1562, bearb. v.
Miller, M., 1968; Das Rattenberger Salbuch von 1416, hg. v. Bachmann, H., 1970;
Salbücher der Grafschaft Lippe von 1614 bis etwa 1620, bearb. v. Stöwe, H. u.
a., 1969; Das Prümer Urbar, hg. v. Schwab, I., 1983; Metz, W., Das
karolingische Reichsgut, 1960; Richter, G., Lagerbücher- und Urbarlehre, 1979;
Das älteste bayerische Herzogsurbar, hg. v. Heeg-Engelhart, I., 1990; Mayer, U.
u. a., Die spätmittelalterlichen Urbare des Heiliggeist-Spitals in Mainz, 1992;
Fränkische Urbare, hg. v. Bünz, E. u. a., 1998; Das älteste Urbar des Priorats
Reichenbach von 1427, bearb. v. Keyler, R., 1999; Das Urbar der Abtei Sankt
Maximin vor Trier, bearb. v. Nolden, R., 1999; Das Urbar des Grafen Burkhard
III. von Maidburg-Hardegg, hg. v. Zehetmayer, R., 2001; Das Urbar des niederösterreichischen
Zisterzienserklosters Zwettl, hg. v. Schneider, G., 2002; Klose, J., Die Urbare
Abt Hermanns von Niederaltaich, 2003; Das Urbar des Heilig-Geist-Spitals zu
Bozen von 1420, bearb. v. Schneider, W., 2003; Feigl, H./Stockinger, T., Die
Urbare der Herrschaften Maissau und Sonnberg, 2008; Urbare des Fürstentums
Jägerndorf, hg. v. Hanke, S. u. a., 2010
Urbino in den Marken geht auf das antike
Urbinum Metaurense zurück. Im 6. Jh. wird es Sitz eines Bischofs. Durch die
pippinische Schenkung (754) fällt es an den Papst. In dem 1443/1474 errichteten
Herzogtum wird 1506 eine Universität geschaffen.
Lit.: Le città nella storia d’Italia, 1986
Urfehde ist das seit dem 14. Jh. sichtbare
und vom 15. Jh. bis zum 17. Jh. verbreitete Versprechen (z. B. in Freiburg im
Breisgau zwischen 1331 und 1750 rund 1100 Urfehden) der Beendigung der
Feindschaft, mit dem die →Fehde endet. Vielfach üblich ist auch eine U.
nach Entlassung aus einer Haft. Davon wird in Preußen 1796 Abstand genommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Utsch, F., Peinliche
Urfehden, 1903; Asmus, W., Das Urfehdewesen Freiburgs im Breisgau, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau, 1923; Ebel, W., Die Rostocker Urfehden, 1938; Ullrich,
G., Ein Entwurf eines Zeitzer Urfehdebriefs, ZRG GA 59 (1939), 270; Boockmann,
A., Urfehde, 1980; Blauert, A., Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten, 2000
Urgicht (F.) Geständnis
Urheber (Wort 1432) ist der Veranlasser oder Hersteller
eines Ergebnisses, insbesondere eines geistigen Werkes. Seit der frühen Neuzeit
entwickelt sich zu seinem Schutz das (im römischen Recht trotz Anerkennung der
Urheberpersönlichkeit noch unbekannte) →Urheberrecht.
Lit.: Gillis, F., Gewährschaftszug und Laudatio
auctoris, 1913; Eggert, A., Der Rechtsschutz der Urheber, UFITA 138 (1999),
183; Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft in Rom, 2004;
Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum Urheberrecht und Patentrecht, FS E.
Wadle, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Urheberrecht (1855) ist
die Gesamtheit der den →Urheber schützenden Rechtssätze. Im Altertum
genießt der Verfasser eines Werkes zwar bereits Ruhm und wird auch der
Plagiator eines Werkes gesellschaftlich geschmäht, doch gibt es Recht
(Eigentum, Besitz) nur am einzelnen Werkstück und ist die Abschrift eines
Textes nicht rechtswidrig. Das U. gewinnt kurz nach Gutenbergs Erfindung des
Buchdrucks mit beweglichen Lettern (um 1440-1454), der die preiswerte
Vervielfältigung von Gedanken auf dem seit dem 13. Jh. verwendeten billigeren
Papier ermöglicht, seine erste größere Bedeutung. Es beginnt mit der Erteilung
von privilegierenden Patenten zugunsten (der Verwerter) einzelner Erfindungen
(England um 1350), denen in Venedig 1474 eine erste allgemeine Regelung folgt.
Insbesondere Drucker (darunter auch rechtswidrige Nachdrucker) werden gegen
billiger mögliche Nachdrucke durch örtlich begrenzte, Strafen vorsehende
Privilegien von Landesherren geschützt. Zahlungen an den Urheber sind zunächst
nur Ehrengeschenke. Im Gefolge der Aufklärung entsteht über die aus vielen
Privilegien des 16. und 17. Jh.s gegen den Nachdruck erwachsende Lehre von
einem Verlagseigentum (17. Jh.) seit dem Ende des 18. Jh.s (in Naturrecht und
Rechtsphilosophie) die Lehre vom →geistigen Eigentum („Person-Eigentum
an Leistungen als Auswirkung des Rechtes der Persönlichkeit), die sich im 19.
Jh. nach englisch-französischem Vorbild (Eigentumstheorie John Lockes, 1710
Statute of Anne (http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StatuteofAnne1710.htm),
Frankreich 1791, 1793, intellectual property, propriété intellectuelle) für
einige Zeit durchsetzt (Württemberg Gewerbeordnung 1828, Preußen Gesetz zum
Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst gegen Nachdruck 11.
6. 1837, gemeinsame Grundsätze der Bundesversammlung des Deutschen Bunds vom
7. 11. 1837, Norddeutscher Bund 1870, Urheberrechtsgesetz des Deutschen
Reiches vom 11. Juni 1870, Gesetze betreffend den Schutz von Werken der Kunst
und Photographie 1876, Patentgesetz 25. 5. 1877, Literatururhebergesetz vom
19. Juni 1901 [Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und
Tonkunst], Kunsturhebergesetz 1907, Schweiz 1883, Österreich 1895), bis sie
in Deutschland durch den pandektistischen, auf körperliche Gegenstände
beschränkten Eigentumsbegriff (des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900) und die
Vorstellung von Immatgerialgüterrechten wieder verdrängt wird. Mit der
Herausbildung eines freien Schriftstellertums entsteht die Vorstellung eines
Urhebervermögensrechts. International bedeutsam wird die Berner Übereinkunft
(1866), nach der die beteiligten Staaten das inländische Recht des
Leistungsschutzes auf die Angehörigen aller Teilnehmerstaaten erstrecken (1952
Welturheberrechtsakommen, E. 20. Jh.s Agreement on Trade Related Aspects of
Intellectual Property Rights). Im 20. Jh. wird der Schutz des Urhebers
ausgedehnt (70 Jahre nach dem Tod). Allerdings bedarf der Urheber in der Regel
zur wirtschaftlichen Verwertung seiner Gedanken wirtschaftlich erfahrener,
durch Vertrag viele der Rechte des Urhebers gegen Entgelt übernehmender
Mittelsmänner (z. B. Verlag, der nach dem Verlagsvertrag die wirtschaftlichen
Rechte des Autors durch ein Honorar von 5-10 Prozent des Ladenpreises des
einzelnen verkauften Buches entgilt).
Lit.: Köbler, DRG 184, 205, 218, 272; http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StatuteofAnne1710.htm;
Goerlitz, T., Die rechtliche Behandlung der gewerblichen Bildzeichen in
Deutschland seit dem 14. Jahrhundert, ZRG GA 55 (1935), 216; Zycha, A., Beitrag
zur Frühgeschichte des deutschen Erfinderrechts, ZRG GA 59 (1939), 208;
Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1956; Gieseke, L., Die
geschichtliche Entwicklung des deutschen Urheberrechts, 1957; Bappert, W., Wege
zum Urheberrecht, 1962; Seemann, H., Volkslied und Urheberrecht, Diss. jur.
Freiburg im Breisgau 1965; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,737, 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und Verlagsrechtsgeschichte,
1978; Klingenberg, E., Vom persönlichen Recht zum Persönlichkeitsrecht, ZRG GA
96 (1979), 183; Bosse, H., Autorschaft ist Werkherrschaft, 1981; Hundert Jahre
Urheberrechtsgesetz, 1983; Woher kommt das Urheberrecht und wohin geht es?, hg.
v. Dittrich, R., 1988; Wadle, E., Der Bundesbeschluss vom 9. November 1837
gegen den Nachdruck, ZRG GA 106 (1989), 198; Bülow, M., Buchmarkt und
Autoreneigentum, 1990; Wadle, E., Savignys Beiträge zum Urheberrecht, (in)
Grundfragen des Privatrechts, 1990, 95; Wadle, E., Zur Geschichte des
Urheberrechts in Europa, (in) Entwicklung des europäischen Urheberrechts, 1989;
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, hg. v. Beier, F., Bd. 1f. 1991;
Kaller, P., Druckprivileg und Urheberrecht, 1992; Die Notwendigkeit des
Urheberrechtsschutzes, hg. v. Dittrich, R., 1991; Historische Studien zum
Urheberrecht, hg. v. Wadle, E., 1993; Schulze, E., Geschützte und ungeschützte
Noten, 1995; Gieseke, L., Vom Privileg zum Urheberrecht, 1995; Wadle, E.,
Geistiges Eigentum, Bd. 1f. 1996ff.; Püschel, H., Die Parsifal-Frage, ein
rechtshistorisches Phänomen, ZRG GA 113 (1996), 307; Ellins, J., Copyright Law,
Urheberrecht, 1997; Materialien zum Urheberrechtsgesetz, hg. v. Schulze, M,
Bd. 1f. 2. A. 1997; Kurz, P., Die Geschichte des Arbeitnehmererfinderrechts,
1997; Wadle, E., Preußische Privilegien, (in) Musik und Recht, 1998, 85;
Schack, H., Die ersten Urheberrechtsgesetze in den Vereinigten Staaten von
Amerika 1783-1786, UFITA 136 (1998), 219; Seville, C., Literary Copyright
Reform in Early Victorian England, 1999; Sherman, B./Bently, L., The Making of
Modern Intellectual Property Law, 1999; Wadle, E., Das Scheitern des
Frankfurter Urheberrechtsentwurfes von 1819, UFITA 138 (1999), 153; Kurz, P.,
Weltgeschichte des Erfindungsschutzs, 2000; Nomine, R., Der königlich
preußische literarische Sachverständigen-Verein, 2001; Kawohl, F., Urheberrecht
der Musik in Preußen, 2002; Maracke, C., Die Entstehung des
Urheberrechtsgesetzes von 1965, 2003; Schriks, C., Het kopijrecht, 2004;
Schickert, K., Der Schutz literarischer Urheberschaft im Rom der klassischen
Antike, 2004; Meyer, S., Bemühungen um ein Reichsgesetz gegen den
Büchernachdruck, 2004; Dulken, S. van, Ideen, die Geschichte machten, 2004;
Müller, L., Das Urheberpersönlichkeitsrecht, 2004, Vogt, R., Die
urheberrechtliche Reformdiskussion in Deutschland während der Weimarer Republik
und im Nationalsozialismus, 2004; Vogel, F., Urheber- und Erfinderrechte im
Rechtsverkehr, 2004; Bandilla, K., Urheberrecht im Kaiserreich, 2005; Balogh,
E., Der Einfluss des deutschen Rechtes auf den ersten ungarischen Gesetzentwurf
zum Urheberrecht, ZRG GA 123 (2006), 305; Gergen, T., Das württembergische
Privilegiensystem gegen den Büchernachdruck, UFITA 2006, 189; Feld, A., Das
bayerische Gesetz zum Schutz des Eigentums an Erzeugnissen der Literatur und
Kunst gegen Nachdruck vom 15. 04. 1840, 2007; Wadle, E., Urheberrecht zwischen
Gestern und Morgen, 2007; Gergen, T., Die Nachdruckprivilegienpraxis
Württembergs im 19. Jahrhundert, 2007; Löhnig, M., Vom Schrifteigentum - das
erste deutsche Urheberrecht in Art. 577da-dh des badischen Landrechts, UFITA
1997, 783ff.; Gergen, T., Zum Urheberrecht Hannovers im 18. und 19.
Jahrhundert, ZRG GA 125 (2008), 181; Köbler, G., Vom Urheber und Patent zum
Urheberrecht und Patentrecht, FS E. Wadle, 2008; Mohnhaupt, H., Zur Entstehung
der Rechtsdisziplin Urheberrecht im 19. Jahrhundert (in) Grundlagen und
Grundfragen des geistigen Eigentums, hg. v. Pahlow, L. u. a., 2008, 131;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Löhr, I., Die Globalisierung geistiger Eigentumsrechte, 2010; Flechsig, N.,
Der englische Bach aus Leipzig und das erste Urheberrechtsgesetz der Welt,
UFITA 2010, 445; Reuß, R., Naturrecht oder positivistisches Konzept. Die
Entstehung des Urheberrechts im 18. Jahrhundert in England und den Vereinigten
Staaten von Amerika, 2010; Höffner, E., Geschichte und Wesen des Urheberrechts,
2010, 2. A. 2011; Wadle, E., Beiträge zur Geschichte des Urheberrechts, 2012;
Birnhack, M., Colonial Copyright, 2012; Dressel, F., Neue Strukturen für den
Schutz geistigen Eigentums im 19. Jahrhundert, 2013; Neurauter, S., Das Bauhaus
und die Verwertungsrechte, 2013; Fitzgerald, B. u. a., A Short History of
Copyright, 2013; Seifert, F., Kleine Geschichte(n) des Urheberrechts, 2014;
Wolf, J., Aspekte des Urheberrechts bei Carl Maria von Weber, Albert Lortzing
und Otto Nicolai, 2015; Pfaffenforf, R., Die Strafbarkeit grenzüberschreitender
Verletzungen von Rechten am geistigen Eigentum innerhalb der Europäischen
Union, 2018; Geschichte und Zukunft des Urheberrechts, hg. v. Meder, S., 2018
Uri ist der Ort am Vierwaldstättersee, der 732 erstmals
erwähnt wird und dem König Heinrich (VII.) die Reichsunmittelbarkeit bestätigt.
1291 schließt sich U. mit →Schwyz und Unterwalden gegen →Habsburg
zusammen. U. ist ein Urkanton der →Schweiz, in dem die Landsgemeinde 1928
durch Urwahlen ersetzt wird.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Das Schlachtjahrzeit
von Uri, hg. v. Wymann, E., 1916; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,461; Arnold, G., Die Korporation Ursern, 1990; Stadler-Planzer,
H., Geschichte des Landes Uri, Teil 1 1993
Urkunde (Wort um 790 belegt) ist die verkörperte Gedankenerklärung,
die allgemein oder für Eingeweihte verständlich ist, den Aussteller erkennen
lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet und
bestimmt ist bzw. das unter Beobachtung bestimmter Formen ausgefertigte und
beglaubigte Schriftstück über Vorgänge rechtserheblicher Natur (Ahasver von
Brandt). Da die U. die Schriftlichkeit voraussetzt, fehlt sie den Germanen im
Gegensatz (zu altorientalischen Kulturen und) zu den Römern, bei denen sie
(lat. [N.] instrumentum) als Zeugenurkunde (lat. [F.] testatio) auf
Wachsdoppeltäfelchen in objektiver d. h. dritter Person gehaltener Fassung oder
seit dem 2./1. Jh. v. Chr. nach griechischem Vorbild als zeugenloses, eigenhändiges,
subjektiv gefasstes Handschreiben (lat. [N.] chirographum) vielfach errichtet
und durch Verdoppeln oder Zusammenfalten (Diplom) vor Beschädigung oder Verfälschung
geschützt wird. Später erscheinen in Rom auch Anfänge gewerbsmäßiger
Ausstellung und öffentlicher Beurkundung. Fortgeführt ins Mittelalter wird die
U. durch die Kirche. Die Zahl der erhaltenen merowingischen Urkunden beträgt
etwa 700, die der karolingischen etwa 10000, die der ottonisch-salischen etwa
3000, wobei die Königsurkunde (ca. 4000 im Frühmittelalter) gegenüber der
Privaturkunde (fast 10000) zeitweise gänzlich vorherrscht. Um die Mitte des
12. Jh.s entsteht auch im Adel ein Interesse an der Schriftlichkeit von
Rechtsgeschäften. Gegliedert ist jede U. grundsätzlich in Protokoll
(Invokation [Gottes], Intitulation [des Ausstellers], Inskription [Nennung des
Empfängers], Salutation [Gruß]), Kontext (Arenga [allgemeine Begründung der
Ausstellung], Promulgation [Verkündung}, Ereignisbericht [lat. narratio],
Bitte um Urkundenausstellung, Dispositio [eigentliches Rechtsgeschäft,
Verfügung], Confirmatio und/oder Pönformel, Beglaubigungsmittel [lat.
corroboratio]) und Eschatakoll (Actum, Schlussdatierung, Ausstellerunterschrift,
Zeugenunterschriften und die Schreiberformel [Rekognition], evtl.
Gebetsformel). Im 13. Jh. nimmt die Zahl der Urkunden unübersehbar zu, zumal
die Schreibfähigkeit immer mehr verbreitet wird. Gegen das Ende des 13. Jh.s
wird auf Invokation, Arenga und Zeugen verzichtet, setzt sich die Volkssprache
gegenüber dem Lateinischen durch und dringen Sicherungsklauseln und
Gewährleistungsklauseln vor. Im Druck veröffentlicht sind seit dem 17. Jh. vor
allem die älteren Urkunden in Urkundenbüchern. Der Bestrafung der Urkundenfälschung
dienen später besondere Strafvorschriften.
Lit.: Köbler, DRG 6; Köbler, WAS; Urkundenbuch der
Abtei St. Gallen, hg. v. Wartmann, H., Bd. 1ff. 1863ff.; Brunner, H., Zur
Rechtsgeschichte der römischen und germanischen Urkunde, Bd. 1 1880; Zeumer,
K., Über den Ersatz verlorener Urkunden im fränkischen Reich, ZRG GA 1 (1880),
89; Posse, O., Die Lehre von den Privaturkunden, 1887; Hübner, R.,
Gerichtsurkunden der fränkischen Zeit, 1891; Vancsa, F., Das erste Auftreten
der deutschen Sprache, 1895, Neudruck 1963; Erben, W./Schmitz-Kallenberg,
L./Redlich, O., Urkundenlehre, 1907ff.; Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911; Mitis, O. Frhr. v., Studien zum älteren österreichischen
Urkundenwesen, 1912; Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd. 1f. 2. A.
1912, 4. A. 1968ff. (unv. Neudruck); Redlich, O., Die Privaturkunden des
Mittelalters, 1911, Neudruck 1967; Urkunden zur Geschichte der Territorialverfassung,
hg. v. Sander, P./Spangenberg, H., 1922f.; Steinacker, H., Die antiken
Grundlagen der frühmittelalterlichen Privaturkunde, 1927; Corpus der
altdeutschen Originalurkunden, begr. v. Wilhelm, F., Bd. 1ff. 1929ff.; Ketner,
F., De oudste oorkonden van het klooster Bethlehem bij Doetinchem, 1932;
Santifaller, L., Urkundenforschung, 1937; Honselmann, K., Von der carta zur
Siegelurkunde, 1939; Vienken, T., Die Geltungsdauer rechtlicher Dokumente,
1941; Meisner, H., Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit, 2. A. 1952; Oppermann,
O., Rheinische Urkundenstudien, 1951; Chartae latinae antiquiores, hg. v.
Bruckner, A., Bd. 1ff. 1954ff., Neuere Editionen mittelalterlicher Königs- und
Papsturkunden, (bearb.) v. Santifaller, L., 1958; Tessier, G., Diplomatique
royale française, 1962; Hofmann, S., Urkundenwesen, Kanzlei und
Regierungssystem der Herzoge von Bayern und Pfalzgrafen bei Rhein von 1180/1214
bis 1255/1294, 1967; Zinsmaier, P., Die Urkunden Philipps von Schwaben und
Ottos IV. (1198-212), 1969; Hlaváček, I., Das Urkunden- und Kanzleiwesen
des böhmischen und römischen Königs Wenzel (IV.) 1376-1419, 1970; Chaplais, P.,
English royal documents, 1971; Fichtenau, H., Das Urkundenwesen in Österreich
vom 8. bis zum frühen 13. Jahrhundert, 1971; Matzinger-Pfister, R., Paarformel,
Synonymik und zweisprachiges Wortpaar, 1972; Classen, P., Kaiserreskript und
Königsurkunde, 1977; Traditiones Wizenburgenses, hg. v. Doll, A., 1979;
Zimmermann, H., Papsturkunden, Bd. 1ff. 1984ff.; Silagi, G., Landesherrliche
Kanzleien im Spätmittelalter, 1984; Lichtbildarchiv älterer Originalurkunden
bis 1250, hg. v. Rück, P., 1985 (rund 11000 Urkunden); Frenz, T.,
Papsturkunden, 1986, 2. A. 2000; Fotografische Sammlungen mittelalterlicher
Urkunden in Europa, hg. v. Rück, P., 1989; Die Urkunden des Reichsstiftes
Ottobeuren, bearb. v. Hoffmann, H., 1991; Keynes, S., A Handlist of Anglo-Saxon
Charters, 1991; Tropper. P., Urkundenlehre in Österreich, 1994; Kortüm, H., Zur
päpstlichen Urkundensprache, 1995; Die Urkunden der Kaiserin Konstanze, hg. v.
Kölzer, T., 1990; Habscheid, S., Die Kölner Urkundensprache des 13.
Jahrhunderts, 1997; Weiß, P., Frühe Siegelurkunden in Schwaben (10.-12.
Jahrhundert), 1997; Gröschler, P., Die tabellae-Urkunden aus den pompejanischen
und herkulanensischen Urkundenfunden, 1997; Chartae latinae antiquiores, Serie
2 (ab 800), hg. v. Cavallo, G. u. s., Bd. 51ff. 1997ff.; Kölzer T.,
Merowingerstudien, Bd. 1f. 1998f.; Typologie der Königsurkunden, hg. v.
Bistricky, J., 1998; Papsturkunde und europäisches Urkundenwesen, hg. v.
Herde, P. u. a., 1999; Urkunden und Urkundenformulare im klassischen Altertum
und in den orientalischen Kulturen, hg. v. Khoury, R., 1999; Hellmann, M.,
Tironische Noten in der Karolingerzeit, 1999; Schuler, P., Die spätmittelalterliche
Vertragsurkunde, 2000; Die Urkunden der Merowinger, hg. v. Kölzer, T., 2001;
Heinz, K., Monasterium.net - Auf dem Weg zu einem europäischen Urkundenportal
(in) Regionale Urkundenbücher hg. v. Kölzer, T. u. a., 2010; Scharfenberg, S.,
Die Entstehungsgeschichte des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969, 2003;
La diplomatica dei documenti giudiziari, hg. v. Nicolaj, G., 2004; Schulze, H.,
Die Heiratsurkunde der Kaiserin Theophanu, 2006; Vogtherr, T., Urkundenlehre,
2008; Zehetmayer, R., Urkunde und Adel, 2009; Krafft, O., Bene valete, 2009;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Schulze, U., Studien zur Erforschung der deutschsprachigen Urkunden des
13. Jahrhunderts, 2011; Schieffer, R., Die älteste Originalurkunde auf
deutschem Boden (in) Hess. Jb. für LG 61 (2011), 1 (Pippin 760 für Fulda);
Küsters, U., Marken der Gewissheit, 2012; Mersiowski, M., Die Urkunde in der
Karolingerzeit, 2012
Urkundenbeweis ist der Beweis einer Behauptung
durch eine (echte) →Urkunde. Die Urkunde ist bereits im römischen Recht
Beweismittel im Rechtsstreit und nimmt diese Stellung auch seit dem
Frühmittelalter ein. Dabei gilt die Königsurkunde als unscheltbar. Mit der
Zunahme der Urkunden wächst deren Bedeutung im Verfahren weiter. Besonderen Beweiswert
erlangen dabei notarielle Urkunden oder später allgemein öffentliche Urkunden.
Lit.: Kaser § 84 I 2c; Kroeschell, DRG 1, 2; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Schultze, A.,
Zur Lehre vom Urkundenbeweise, Zs. f. d. Privat- und öffentliche Recht 22
(1894); Mayer-Homberg, E., Beweis und Wahrscheinlichkeit, 1921; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971
Urkundenbuch ist seit dem 19. Jh. die moderne
wissenschaftliche Ausgabe älterer →Urkunden eines bestimmten Bereiches
(Stadt, Land, Verband u. s. w.) in einem
Buch (z. B. der Königsurkunden [Diplomata] in den [lat.] Monumenta [N.Pl.]
Germaniae Historica).
Lit.: Köbler, DRG 6; Urkundenbuch des Klosters
Mariengarten, hg. v. Boetticher, M. v., 1987; Köbler, G., Einfache
Bibliographie europäisch-deutscher Rechtsgeschichte, 1990, 16, 23, 24, 25;
Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen, hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.;
Stand, Aufgaben und Perspektiven territorialer Urkundenbücher im östlichen
Mitteleuropa, hg. v. Irgang, W./Kersken, N., 1998; Urkundenbuch des
Zisterzienserklosters Altzelle, Teil 1ff. 1162ff., bearb. v. Graber, T.,
2006ff.; Urkundenbuch des Klosters Medingen, hg. v. Homeyer, J., 2006
Urkundenfälschung ist die Herstellung einer unechten
Urkunde, die Verfälschung einer echten Urkunde oder der Gebrauch einer unechten
oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr. Etwa die Hälfte der merowingischen
Urkunden ist ebenso unecht wie das bekannte →(lat.) privilegium (N.)
maius (größeres Privileg) Rudolfs IV. von Habsburg für Österreich von
1358/1359. Seit 1198 wendet sich die Kirche entschieden gegen U. Später wird
die U. ein Straftatbestand.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hirsch, H., Urkundenfälschungen aus dem regnum
Arelatense, 1937; Herde, P., Römisches und kanonisches Recht bei der Verfolgung
des Fälschungsdelikts, Traditio 21 (1965), 291; Fälschungen im Mittelalter, hg.
v. Fuhrmann, H., Bd. 1ff. 1988; Rüping, H./Jerouschek, G., Grundriss der
Strafrechtsgeschichte, 5. A. 2007: Rojas. L., Dogmengeschichte der Urkundenfälschung,
(in) Grundlagen und Dogmatik des gesamten Strafrechtssystems FS Frisch, 2013,
925
Urkundenlehre (Diplomatik) →Urkunde
Lit.: Bresslau, H., Handbuch der Urkundenlehre, Bd.
1f. 2. A. 1912, Neudruck 1968
Urkundenschelte ist im Frühmittelalter die
Behauptung, eine von einem anderen vorgelegte Urkunde (Privaturkunde) sei
falsch. Im Rechtsstreit kommt es dann zur Eidesleistung oder zum Zweikampf.
Unscheltbar, aber nicht zugleich unangreifbar, ist die Königsurkunde.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
1f. 1879, Neudruck 1973
Urlaub ist ursprünglich allgemein die
Erlaubnis, seit dem 19. Jh. die (erlaubte,) meist bezahlte arbeitsfreie
Arbeitszeit. Der Umfang von U. ist in besonderen Gesetzen, Tarifverträgen und
Einzelverträgen geregelt und umfasst meist 4 bis 6 Wochen im Jahr.
Lit.: Köbler, DRG 273; Leinemann, W./Linck, R.,
Urlaubsrecht, 1995
Urschwabenspiegel →Schwabenspiegel
Lit.: Urschwabenspiegel, hg. v. Eckhardt, K., 1975
Urschweiz →Schweiz
Lit.: Oechslin, M., Die Markgenossenschaften der
Urschweiz, 1941
Urteil ist die gerichtliche, vor allem in
neueren Zeiten einer besonderen Form bedürftige Entscheidung. Das U. fällt im
altrömischen Zivilverfahren grundsätzlich der Richter (lat. M.
iudex), bei den Germanen die Volksversammlung und im Mittelalter die
Gesamtheit der Schöffen (nicht dagegen der Richter). Im Frühmittelalter ist das
U. dabei meist zweizüngig und deshalb in seinem Ergebnis vom Verlauf eines
außergerichtlichen Beweises abhängig. Seit der frühen Neuzeit verdrängt der
gelehrte Richter den Laienschöffen aus der Urteilsfällung. Das U. wird
schriftlich und immer stärker förmlich festgelegt. Im 19. Jh. setzt der
Liberalismus eine eingeschränkte Wiederbelebung des Laien als Urteiler bzw.
Laienrichter durch (Geschworenengericht, →Schwurgericht u. s. w.). Seit dem Spätmittelalter ist das
U. regelmäßig durch Appellation, später durch Berufung und Revision überprüfbar
(Österreich Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde.
Lit.: Kaser §§ 54 II, 84 II, 87 I 8; Kroeschell, DRG
1, 2; Köbler, DRG 34, 56, 70, 86, 116, 118, 155, 201, 202, 203; Köbler, WAS;
Seyler, R./Barth, C., Urteil und Beschaydt, Bd. 1ff. 1604ff.; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Boden, F., Das Urteil im
altnorwegischen Recht, ZRG GA 24 (1903), 1; Lenel, P., Die Scheidung von
Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 44; Das älteste Urteilsbuch des
holsteinischen Vierstädtegerichts 1497-1574, hg. v. Gundlach, F., 1925; Sohm,
C., Die unbestimmte Verurteilung in Preußen, 1939; Erler, A., Sich selbst das
Urteil sprechen, Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 143; Die
älteren Urteile des Ingelheimer Oberhofes, hg. v. Erler, A., Bd. 1ff. 1952ff.;
Lübecker Ratsurteile, hg. v. Ebel, W., Bd. 1ff. 1958ff.; Ebel, W., Studie über
ein Goslarer Ratsurteilsbuch, 1961; Hülle, W., Das rechtsgeschichtliche
Erscheinungsbild des preußischen Strafurteils, 1965; Landwehr, G., „Urteil
fragen“ und Urteil finden, ZRG 96 (1969), 1; Schlosser, H.,
Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Sellert, W., Prozessgrundsätze und
Stilus Curiae, 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Sellert,
W., Zur Geschichte der rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97;
Weitzel, J., Die Formel consilio et iudicio, (in) Wege europäischer
Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 573; Werkmüller, D., Et ita est
altercatio finita, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G.,
1987, 592; Maiwald, K., Die Herstellung von Recht, 1997; Meder, S., Urteilen,
1999; Urteilen/Entscheiden, hg. v. Vismann, C. u. a., 2005; Mangold, O.,
Iniuria iudicis, Diss. jur. Tübingen 2004
Urteiler ist der vom Richter verschiedene
Verfasser eines Urteils im mittelalterlichen Recht (→Rachinburge,
Schöffe).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 86; Lenel, P.,
Die Scheidung von Richter und Urteilern, ZRG GA 34 (1913), 440
Urteilsbegründung ist die Angabe von Gründen für den
Inhalt eines Urteils. Die U. findet sich schon im römischen Altertum in etwa
einem Drittel der von römischen Rechtskundigen überlieferten Fälle. Im
Mittelalter begegnet sie eher selten und wird von der Rechtslehre wegen der
damit vergrößerten Gefahr der Angreifbarkeit eher abgelehnt. Seit der Neuzeit
wird sie mehr und mehr (aus eigenem Interesse der Entscheidungsträger)
selbverständlicher bzw. notwendiger Bestand des Urteils (Reichskammergericht
1555, Reichsabschied 1654, Sachsen 1715, Preußen 1748/1793, Bayern 1818,
Württemberg 1848).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 155; Brinkmann,
R., Über die richterlichen Urteilsgründe, 1826; Gudian, G., Die Begründung in
Schöffensprüchen, 1960; Horak, F., Rationes decidendi, 1969, 290; Die
Entscheidungsbegründung, hg. v. Sprung, R. u. a., 1974; Brüggemann, J., Die
richterliche Begründungspflicht, 1971; Sellert, W., Zur Geschichte der
rationalen Urteilsbegründung, FS A. Erler, 1986, 97; Harke, J., Argumenta
Iuventiana- Entscheidungsbegründungen eines hochklassischen Juristen, 1999;,
Kriechbaum, M., Urteilsbegründung in der mittelalterlichen Rechtslehre,
Gedächtnisschrift Jörn Eckert, 2008, 505; Brom, C., Urteilsbegründungen im
„Hoge Raad van Holland, Zeeland en West Friesland, 2008
Urteilsbestätigung ist die in der frühen Neuzeit in
bestimmten Fällen notwendige Bestätigung eines Urteils durch den absoluten
Landesherrn (z. B. hängt in Preußen im 18. Jh. ein die Todesstrafe oder eine
mindestens zehnjährige Gefängnisstrafe vorsehendes Urteil von der Bestätigung
des Staatsoberhaupts ab). Das Urteil wird erst mit der Bestätigung voll
wirksam. Im 19. Jh. wird die U. beseitigt (Württemberg 1819).
Lit.: Schmidt, E., Einführung in die Geschichte der
deutschen Strafrechtspflege, 1947, 3. A. 1965, 255
Urteilserfüllungsgelöbnis ist im Frühmittelalter das
Versprechen der Prozesspartei, ein Urteil zu erfüllen. Bestand und Häufigkeit
sind zweifelhaft.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
2 1879, Neudruck 1973; Weitzel, J., Dinggenossenschaft und Recht, 1985
Urteilssammlung ist die seit dem Hochmittelalter
(Reichslandfriede von 1235) erkennbare Sammlung von Urteilen einzelner Gerichte
(z. B. Lübeck, Ingelheim, Goslar, Halle). 1563 veröffentlicht Joachim
→Mynsinger von Frundeck eine Sammlung von Urteilen des Reichskammergerichts
(Gaill 1578, Carpzov für Leipzig und Dresden 1646, Mevius für Wismar). Dem
folgen im 18. Jh. Sammlungen der Urteile der meisten Obergerichte. Im 19. Jh.
wird dies selbstverständlich (preußische Gerichtshöfe 1828, Reichsgericht
1879ff.).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 144; Mynsinger
von Frundeck, J., Singularium observationum ... centuriae quattuor, 1563;
Franklin, O., Sententiae curiae regiae, 1870; Döhring, E., Geschichte der
deutschen Rechtspflege, 1953, 427; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., Bd. 2 2 1976, 1343; Gehrke, H., Die privatrechtliche
Entscheidungsliteratur, 1974; Gedruckte Quellen der Rechtsprechung in Europa
(1800-1945), hg. v. Ranieri, F., 1992; Mohnhaupt, H., Sammlung und
Veröffentlichung von Rechtsprechung, (in) Geschichte der Zentraljustiz, 1994,
403
Urteilsschelte ist die Behauptung der
Rechtswidrigkeit des Urteils. Sie führt im Frühmittelalter vermutlich zum
Zweikampf zwischen Urteilsverfasser und Urteilsschelter. Dies hält noch der
Sachsenspiegel (1221-1224) für möglich, ohne dass die Rechtswirklichkeit
entsprechende Fälle belegt. Vielmehr entscheidet im Hochmittelalter über die
U. bereits das höhere Gericht bzw. im höchsten Gericht die Beratung unter allen
Urteilern. In der frühen Neuzeit unterliegt die U. der Appellation und
Läuterung bzw. später der Berufung und der Revision.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 116, 155;
Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1 1879, Neudruck 1973; Gebauer,
C., Studien zur Geschichte der Urteilsschelte, ZRG 17 (1896), 33; Weitzel, J.,
Dinggenossenschaft und Recht, 1985; Werkmüller, D., „Et ita est altercatio
finita“, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 592;
Kannowski, B., Zwischen Appellation und Urteilsschelte - Über das Rechtsdenken
des Johann von Buch, ZRG 123 (2006), 110
USA (Vereinigte Staaten von Amerika)
Usucapio (lat. [F.]) ist im klassischen
römischen Recht die →Ersitzung des Eigentums nach zivilem Recht, von der
später Sachen des (lat. [M.]) fiscus ausgenommen werden. Sie erfordert
Eigenbesitz, gültigen Erwerbsgrund (lat. iusta causa [F.]), Zeitablauf und
guten Glauben ([lat.] bona fides [F.]) des Erwerbers bezüglich bestimmter Tatsachen.
In spätantiker Zeit wird die u. im Westen durch eine Verjährung von 40, später
30 Jahren verdrängt, während Justinian von u. in drei Jahren bei beweglichen
Sachen und von (lat.) longi temporis praescriptio (F.) von 10 bzw. 20 Jahren
bei Grundstücken spricht.
Lit.: Kaser §§ 25 II, IV, 26 I 2, 27 I 3, 28 II 1b, 29
I 3b; Söllner §§ 8, 9; Köbler, DRG 40, 61
usucapio (F.) pro herede (lat.) Erbschaftsersitzung (im
altrömischen Recht)
Lit.: Köbler, DRG 23
usurae (lat. [F.l.] Zinsen
Usus (lat. [M.]) ist seit dem altrömischen Recht der
Gebrauch z. B. des Ersitzenden. Lebt eine Frau ein Jahr mit einem Mann
ununterbrochen in gültiger Ehe, so erlangt der Mann (durch u.) die Gewalt über
sie (lat. uxor [F.] in manu). Verbringt sie vor Ablauf des Jahres drei Nächte
außerhalb des Hauses, beginnt die Jahresfrist neu zu laufen. Im klassischen römischen
Recht wird u. zu einem beschränkten dinglichen Recht.
Lit.: Kaser §§ 19 II 1, 29 II, 58 V 2c; Söllner §§ 8,
9; Köbler, DRG 22, 25, 41; Diestelkamp, B., Reichsweistümer als normative
Quellen, (in) Recht und Schrift im Mittelalter, hg. v. Classen, P., 1977, 281
Ususfructus (lat. [M.]) ist im römischen Recht
seit dem 3. Jh. v. Chr. der →Nießbrauch als ein zunächst höchstpersönliches
Nutzungsrecht zur Versorgung abgeschichteter Familienmitglieder, später als
beschränktes dingliches Recht.
Lit.: Kaser §§ 7 II 2, 22 II 3, 24 V 1, 27 II, 29 I,
59 II 7a, 60 II 4c; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 41; Heger, M., Der
Nießbrauch in usus modernus und Naturrecht, 2004
Usus (M.) modernus pandectarum (lat.) ist der
zeitgenössisch-moderne Gebrauch der Pandekten in Europa im 16.-18. Jh. (1495
Reichskammergerichtsordnung- 1794-1812 ALR und Cc und ABGB oder -1831Christian
Friedrich von Glück, -im engeren Sinn zwischen 1600 und 1750 oder seit 1650
[1643 Conring, H., De origine iuris Germanici, Vom Ursprung des deutschen
Rechtes], Frühphase 16. Jh., Kernphase 1600-1750, Spätphase 1750-1800). Er
passt in zeitlicher Parallele zur Verselbständigung der Territorien gegenüber
Reich und Kaiser das römische Recht in bewusster Lösung von der älteren
Tradition den Bedürfnissen der frühen Neuzeit durch Ausscheiden, Verändern und
Ergänzen an (z. B. Anerkennung des Grundsatzes Kauf bricht nicht Miete oder des
Erbvertrags). Anscheinend tritt in ihm auch ein neues Verständnis von
Rechtsgeltung zu Tage. Namengebend für diesen Zeitabschnitt ist ein Werk Samuel
Stryks ([Lentzen 22. 11. 1640-Halle 23. 7. 1710,] 1690-1712 Specimen usus
moderni pandectarum ad libros V priores, Ausdruck erstmals anscheinend
verwendet von Samuel Stryk 1667). Bedeutende Juristen dieser Zeit sind
→Conring, →Schilter, →Struve, →Stryk, →Thomasius,
→Böhmer, →Heineccius, →Leyser, →Kreittmayr und
→Höpfner sowie für die Spätphase vielleicht auch Hellfeld, Koch,
Hofacker, Weber und Winckler. Nicht wirklich erfasst wird die Kanonistik, die
bruchlos mit dem mittelalterlichen Recht verbunden bleibt. Die Anerkennung
heimischen Rechtes bewirkt eine gewisse Nationalisierung des Rechtes.
Rechtsquellenlehre und Rechtsanwendungspraxis des U. m. p. sind (z. B. bei
Conring, Schilter, Stryk, Struve, Heineccius und Höpfner) nicht einheitlich,
wobei die Begründung der Geltung oder des Vorrangs des römisch-gemeinen Rechts
auf verschiedenen Wegen erfolgt. Neben dem U. m. p. entsteht die Vernunftrechtsvorstellung.
Lit.: Kaser § 1 III 3; Kroeschell, DRG 3; Molitor, E.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 1949 (fortgesetzt v. Schlosser,
H.); Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.; Schlosser, H.,
Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1975, 9. A. 2001, 10. A.
2005; Wiegand, W., Studien zur Rechtsanwendungslehre, 1977; Schröder, J.,
Wissenschaftstheorie, 1979; Hermann Conring, hg. v. Stolleis, M., 1983; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere
deutsche Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985; Usus modernus und
Dogmengeschichte des Privatrechts, (in) Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, hg. v. Simon, D., 1987, 233, 279; Wesener, G., Die
privatrechtlichen Normen des usus modernus, (in) Akten des 26. Deutschen
Rechtshistorikertages, 1987, 279; Voppel, R., Der Einfluss des Naturrechts auf
den usus modernus, 1996; Brauneder, W., Europäisches Privatrecht, 1997; Landau,
P., Methoden des kanonischen Rechtes in der frühen Neuzeit, ZNR 21 (1999), 7;
Willoweit, D., Der usus modernus oder die geschichtliche Begründung des Rechts.
Zur rechtstheoretischen Bedeutung des Methodenwandels im späten 17.
Jahrhundert, (in) Die Begründung des Rechts als historisches Problem, hg. v.
Willoweit, D., 2000, 229; Wesener, G., Ius Romanico-Germanicum – zur
Rechtsquellenlehre des usus modernus pandectarum (in) Meditationes de iure et
historia, 2014, 1031; Wittmann, P., Der da sein Practic auß Teutschen Tractaten
will lewrnen, 2015; Wesener, G. Zur Spätphase des usus modernus pandectarum
(in) Legal Roots 4 (1015) 11ff.
Utilitarismus (M.) Nützlichkeitslehre (Benthams
1748-1832 und Mills)
Lit.: Kaser § 36 II 4; Köbler, DRG 63, 65, 166;
Teubner, W., Kodifikation und Rechtsreform in England, 1974
utilitas (lat. [F.]) Nützlichkeit (des
dienenden Grundstücks für das herrschende bei einer →Dienstbarkeit des
römischen Rechtes)
Lit.: Kaser § 28 I 3
Utilitätsprinzip (N.) Nützlichkeitsgrundsatz (z. B. haftet die durch
ein Rechtsverhältnis weniger begünstigte Partei nur für Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit
utlagr (anord.) rechtlos
Utopie ([nirgendwo als Wirklichkeit
bestehende] Wunschvorstellung) ist im Staatsrecht die Vorstellung eines alle
Fragen menschlichen Zusammenlebens bestmöglich lösenden Gemeinwesens.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 733;
Morus, T., De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia, 1516;
Zippelius, R., Geschichte der Staatsideen, 9. A. 1994, 10. A. 2003; Seibt, F.,
Utopia, 1972; Ahrbeck, R., Morus, Campanella, Bacon, 1977; Literarische Utopien
von Morus bis zur Gegenwart, hg. v. Berghahn, K. u. a., 2. A. 1986; Kreyssig,
J., Die Utopien des Thomas Morus, 1988; Winiarczyk, M., Die hellenistischen
Utopien, 2011; Schölderle, T., Geschichte der Utopie, 2012
Utrecht ist die am Ort der römischen
Militärstation (lat.) (ultra) Traiectum (M.) ad Rhenum (Übergang am Rhein) entstehende
Stadt, die im 8. Jh. Sitz eines Bischofs wird. 1579/1648 löst sich U. mit der
Union der Niederlande vom Heiligen römischen Reich. 1636 wird eine Universität
in U. errichtet.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Enklaar, T., Het
landsheerlijk bestuur in het sticht Utrecht, 1922; Avis, J., De directe
belastingen in het sticht Utrecht, 1930; Mulders, H., Das Archidiakonat im
Bistum Utrecht, 1943; Immink, P., De wording van staat en souvereiniteit, 1942;
Blijstra, R., 2000 jaar Utrecht, 1968; Doeleman, F., De Heerschappij van de
Proost van Sint Jan, 1982; Große, R., Das Bistum Utrecht, 1986; Rechtsgeleerd
Utrecht, hg. v. Bergh, G. van den, 1986; Ahsmann, M., Bibliographie van
hoogleraren, 1993; Kuys, J., Kerkelijke organisatie in het middeleeuwse bisdom
Utrecht, 2004; Dhondt, F., Balance of Power and Norm Hierarchy, 2015
UWG ist die Abkürzung für das 1896 geschaffene deutsche
Gesetz gegen den →unlauteren Wettbewerb.
Lit.: Köbler, DRG 176, 218
uxor (lat. [F.]) Ehefrau
Lit.: Köbler, DRG 22; Eggenstein, A., Uxor und Feme
Covert, 1995
V
Vacarius (Lombardei um 1120–England nach
1198) wird nach dem Rechtsstudium in Bologna (Magister) um 1143 Rechtsberater
des Erzbischofs von Canterbury bzw. um 1160 Rechtsberater des Erzbischofs von
York. Er lehrt um 1170/1180 in Lincoln. In seinem (lat.) Liber (M.) pauperum
(Buch der Armen) bietet er ergänzte Texte aus →Digesten und Codex.
Lit.: The Liber Pauperum of Vacarius, hg. v. Zulueta,
F. de, 1927, Neudruck 1972; Stein, P., Vacarius and the Civil Law, (in) Church
and Gouvernment in the Middle Ages, 1976, 119; Lange, H., Römisches Recht im
Mittelalter, Bd. 1 1997, 246; Taliadoros, J., Law and Theology in
Twelfth-Century England, 2006
vadimonium (lat. [N.]) Bürgschaft, Erscheinen
vor Gericht, (mlat.) Wette
Lit.: Kaser § 82 I; Rodger, A., Vadimonium to Rome,
ZRG RA 114 (1997), 160
vadium (lat. [N.]) Pfand, (mlat.) Wette
Valencia am Turia wird 138 v. Chr. von den
Römern gegründet. Nach Einnahmen durch Westgoten (413) und Araber (714) wird es
1021 Vorort eines selbständigen Königreichs. Das 1102 wieder von den Mauren
eroberte V. wird 1238 von →Aragonien gewonnen und 1309 mit ihm durch
Personalunion verbunden. Seine Sonderrechte werden 1707 beseitigt. Die Stadt V.
erhält 1502 eine Universität. →Furs de V.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff. 2,2,274;
Guinot, E., Els limits del regne, 1995; Hinojosa Montalvo, J., Diccionario de
historia medieval del Reino de Valencia, 2002
Valentinian I.
Lit.: Schmidt-Hofner, S., Reagieren und Gestalten. Der Regierungsstil
des spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I, 2008
Valentinian III. ist der römische Kaiser
(425-455), unter dem 426 n. Chr. das sog. Zitiergesetz erlassen und 446 das
eigenhändig geschriebene Testament zugelassen wird.
Lit.: Söllner § 19; Köbler, DRG 52, 60; Demandt, A.,
Die Spätantike, 1988
Valerische (lat.) provocatio (F.) ist im altrömischen Recht die
Anrufung der →Volksversammlung (Zenturiatkomitien) gegen ein Urteil im
magistratischen Strafverfahren.
Lit.: Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Valin, René-Josué (La Rochelle 1695-1765) ist der Verfasser
des ersten ausführlichen commentaire sur l’Ordonnance de la marine.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 2,1, 1977
Valois (1328-1498) →Kapetinger
valvassor (lat. M.
) Aftervassall, Grundeigentümer (A. 11. Jh.), Ritter
Lit.: Guilhiermoz, P., Essai sur l’origine de la
noblesse, 1902; Keller, H., Adelsherrschaft, 1979; Menant, F., Campagnes
lombardes au Moyen Age, 1993
Vandale, Wandale ist der Angehörige
des bei Plinius dem Älteren (um 23 v. Chr.-79 n. Chr.) erstmals erwähnten, in
der Völkerwanderung wohl von der Ostsee 406/429 nach Nordafrika ziehenden,
vielleicht 80000 Angehörige zählenden, 455 Rom plündernden, 533/534 von
→Byzanz unterworfenen, germanischen Volkes, wegen dessen Plünderung Roms
1794 während der französischen Revolution Abbé Henri Grégoire in Bezug auf die
kulturfeindlichen Jakobiner das Wort Vandalismus verwendet.
Lit.: Schmidt, L., Geschichte der Wandalen, 1901;
Diesner, H., Das Vandalenreich, 1966; Francovich Onesti, N., I Vandali, 2002;
Castritius, H., Die Vandalen, 2007; Howe, T., Vandalen, Barbaren und Arianer,
2007; Berndt, G., Konflikt und Anpassung, 2007; Vössing, K, Das Königreich der
Vandalen, 2014; Steinacher, R., Die Vandalen, 2016
Vare (mhd.) ist die im Hochmittelalter quellenmäßig
bezeugte Gefahr, ein Verfahren durch Versprechen (z. B. Stottern, Husten) u. s. w. zu verlieren. Gegen diese v. wird
der →Fürsprecher geschaffen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 116
Vasall (M.) Lehnsmann
Vasallität als (nach h. M.) personenrechtliche
Wurzel des Lehnsverhältnis ist das ältere Verhältnis (zu kelt. gwas M.
Knecht), bei dem nach einem Ergebungsakt der Herr Schutz und Unterhalt des
Vasallen gegen Gehorsam und Dienste (Heerfahrt und Hoffahrt gewährt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 84; Mitteis, H.,
Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1957, 1972; Ganshof, F., Was ist das
Lehnswesen?, 1961, 6. A. 1983; Krieger, K., Die Lehnshoheit, 1979; Kienast, W.,
Die fränkische Vasallität, 1990; Reynolds, S., Fiefs and Vassals, 1994;
Deutinger, R., Seit wann gibt es Mehrfachvasallität?, ZRG GA 119 (2003), 78
vassus (lat. M.
6. Jh.) Vasall, Mann
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, LAW
Vater (Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen, Vaterschaft um 1150 belegt) ist der Erzeuger eines Kindes. In der
patriarchalischen Gesellschaft steht der V. als Hausvater oder Familienvater
im Mittelpunkt der Familie. Im Zweifel wird als V. vermutet
(Vaterschaftsvermutung), wer der Mutter innerhalb der Empfängniszeit (300-180
Tage vor der Geburt) beiwohnt, doch kann die Vaterschaft mit der Vaterschaftsklage
angegriffen werden. Beim unehelichen Kind gilt der Erzeuger zeitweise als nicht
mit dem Kind verwandt (z. B. Bürgerliches Gesetzbuch § 1589 II, im Jahre 1969
aufgehoben). Umgekehrt kann die Stellung als V. durch Adoption erlangt werden.
Der V. hat die väterliche Gewalt über das Kind. Sie wird im ausgehenden 20. Jh.
durch die elterliche Sorge bzw. Obsorge (Österreich 1989) ersetzt.
→Familie
Lit.: Kaser § 60; Hübner 697ff.; Köbler, DRG 21;
Salis, L., Beitrag zur Geschichte der väterlichen Gewalt nach altfranzösischem
Recht, ZRG GA 7 (1886), 137; Engel, P., Die personenrechtliche Stellung des
Vaters, 1939; Trier, J., Vater, Versuch einer Etymologie, ZRG GA 65 (1947),
232; Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991; Ehlert, T.,
Haushalt und Familie, 1991; Lipp, M., Väterliche Gewalt, ZNR 1993, 129; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Hinz, M., Mutter- und Vaterbilder im Familienrecht des BGB, 2014
väterliche Gewalt →Vater
Vatikan ist die nach dem Wohnsitz des
→Papstes geprägte Kurzbezeichnung für die oberste Behörde der
katholischen Kirche in Rom bzw. den Kirchenstaat (1929). Im V. ist das weltweit
größte und bedeutendste Archiv (vatikanisches Archiv), dessen ältere Bestände
allerdings in der Zeit nach 1240 zugrundegegangen bzw. nach 1368 verteilt
worden sein dürften.
Lit.: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,2,135, 3,1,245, 3,2,2355, 3,3,3229; Krautheimer, R., St. Peter’s and Medieval
Rome, 1985; Reese, T., Im Inneren des Vatikan, 1998; Rossi, F., Der Vatikan,
2004; Denzler, G./Jöckle, C., Der Vatikan, 2006; Augias, C., Die Geheimnisse
des Vatikan, 2011; Johrendt, J., Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von
St. Peter im Vatikan (11.-13. Jahrhundert), 2011
vatikanisch (Adj.) den Vatikan betreffend (z. B. Konzilien
[im Vatikan, 21. allgemeines Konzil 1869/1870, päpstlicher Primat, 22.
allgemeines Konzil 1962-1965, Vorbereitung des Codex iuris canonici von 1983)
Vattel, Emer de (Couvet bei Neuenburg 25.
4. 1714-Neuenburg 28.12.1767), Pfarrerssohn, wird nach dem Studium von Theologie,
Philosophie und Naturrecht in Basel und Genf 1747 Vertreter Sachsens in Bern.
1758 veröffentlicht er (franz.) Le droit des gens (Völkerrecht), in dem er das
Vernunftrecht auf das Völkerrecht anwendet (Nation, Beziehung zu anderen
Nationen, Krieg, Wiederherstellung des Friedens).
Lit.: Guggenheim, P., Emer de Vattel, 1956; Manz, J.,
Emer de Vattel, 1971; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984;
Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Good, C., Emer de Vattel
(1714-1767), 2011
Vaud →Waadt
Vazquez de Menchaca, Fernando (1512-1569) wird nach
dem Studium der Rechte in Valladolid und Salamanca 1551 Professor in Salamanca,
1552 Richter, 1553 Finanzbeamter und 1567 Domkapitular in Sevilla. Er ist
Spätscholastiker mit humanistischen Zügen, der das moderne →Naturrecht
vorbereitet. Er setzt sich für die Freiheit der Meere und für
→subjektive Rechte ein.
Lit.: Köbler, DRG 146; Carpintero, B., Del derecho
natural medieval al derecho natural moderno, 1977; Seelmann, K., Die Lehre des
Fernando Vazquez de Menchaca vom dominium, 1979
vectigal (lat. M.
) Steuer, Abgabe
Lit.: Kaser § 30 I
Vélez Sársfield, Dalmacio (1800-1875) wird nach
dem Rechtsstudium in Córdoba Anwalt in Buenos Aires, Abgeordneter und
Professor. 1857 wirkt er am argentinischen Código de Commercio maßgeblich mit.
1864ff. entwirft er ein Zivilgesetzbuch nach dem Vorbild Teixeira de Freitas’.
Lit.: Chanetón, A., Historia de Vélez Sársfield, 1937;
Levene, R., Manuel de Historia del Derecho Argentino, 5. A. 1985, 20
Veme →Feme
Lit.: Köbler, DRG 11, 117
Venedig entsteht innerhalb vorgelagerter
Lagunen am Nordende der Adria wohl auf Grund schon römischer Anfänge seit dem
Einbruch der Langobarden nach Oberitalien (568). Für den byzantinischen
Exarchen von Ravenna übt ein 639 genannter (lat.) magister (M.) militum
(Heermeister) die Herrschaft aus. Nach 751 verselbständigt sich V. trotz
byzantinischer Oberhoheit unter einem gewählten Dogen (lat. M.
dux, um 713-716) bis etwa 880. Seit dem 10. Jh. ist ein besonderer (lat.) usus
(M.) Venetorum (Brauch der Veneter) bezeugt. Zwischen 1130 und 1148 erscheint
neben dem Dogen ein (lat.) consilium (N.) sapientium (Rat der Weisen), über das
(bzw. den) der Doge bald von der tatsächlichen Entscheidungsgewalt ausgeschlossen
wird. Im 13. Jh. wird V. Seehandelsgroßmacht. Ein großer Rat wählt auf
Lebenszeit den Dogen und den die über die Signoria die wirkliche Herrschaft
ausübenden kleinen Rat. Unter Ausschluss des Lehnswesens und unter Wahrung des
Amtscharakters aller politischen Gewalt handelt eine adlige Oberschicht in den
wesentlichen Fragen als Einheit. 1338 beträgt der Zahl der Einwohner Venedigs
etwa 110000. Im Spätmittelalter erwirbt V. ein Herrschaftsgebiet auch auf dem
Festland (sog. terra ferma). Die Eroberung Byzanzs durch die Türken, die
Entdeckung Westindiens (Amerikas) und die Öffnung des Seewegs nach Indien
verringern die Bedeutung Venedigs. 1551 stellt Gasparo Contarini den
politischen Zustand Venedigs ausführlich dar. Seit dem 18. Jh. wird V.
Protektorat →Österreichs, an das es von 1797 bis 1805 und von 1815 bis
1866 gelangt (Lombardo-Venezianisches Königreich). Danach fällt es an →Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Gli statuti
marittimi Veneziani fino al 1255, hg. v. Predelli, R. u. a., 1903; Battistella,
A., La Republica di Venezia, 1921; Uhlirz, M., Die staatsrechtliche Stellung
Venedigs zur Zeit Kaiser Ottos III., ZRG GA 76 (1959), 82; Eickhoff, E.,
Venedig, Wien und die Osmanen, 1970, 2. A. 1992, 3. A. 2008; Nehlsen-von Stryk,
K., Die venezianische Seeversicherung, 1986; Fees, I., Reichtum und Macht im mittelalterlichen
Venedig, 1988; Rösch, G., Venedig und das Reich, 1982; Hellmann, M., Geschichte
Venedigs, 3. A. 1989; Rösch, G., Der venezianische Adel, 1989; Rösch, G.,
Venedig im Spätmittelalter, 1991; Herz, D./Neumann, D., Das Hohelied der
venezianischen Verfassung, JuS 1997, 1146; Venedig und die Weltwirtschaft, hg.
v. Stromer, W. v., 1999; Heller, K., Venedig, 1999; Rösch, G., Venedig, 2000;
Venice Reconsidered, hg. v. Martin, J. u. a., 2000; Dumler, H., Venedig und die
Dogen, 2001; Fees, I., Eine Stadt lernt schreiben, 2002; Huse, N., Venedig,
2005; Hollberg, C., Deutsche in Venedig im späten Mittelalter, 2005; Chauvard,
J., La circulation des biens á Venise, 2005; Venezia, hg. v. Winter, S., 2006;
Eickhoff, E., Venedig - spätes Feuerwerk, 2006, 2. A. 2007; Mathieu, C.,
Inselstadt Venedig, 2007; Landwehr, A., Die Erschaffung Venedigs, 2007; Judde
de Larivière, C., Naviguer, commercer, gouverner, 2008; Bellavitis, A.,
Famille, genre, transmission à Vebise, 2008; Brandes, J., Mare Venetianum,
2008; Fröhlich, M., Mysterium Venedig, 2010; Crowley, R., Venedig erobert die
Welt, 2011; Bergdolt, K., Deutsche in Venedig, 2011; Gillen, N., Nur Gott vor
Augen – Die Strafgerichtsbarkeit des Patriarchen von Venedig (1451-1545), 2014;
Rando, D., Venezia medievale nellaq Modernità, 2014; Neumann, C., Venedig und
Aragon im Spätmittelalter (1280-1410) 2017
Venetien ist das an der oberen Adria
gelegene, von den Venetern besiedelte Gebiet. Seit dem 3. Jh. sind die Veneter
mit den Römern verbunden. Im 14./15. Jh. gelangt V. an Venedig, 1815 mit der
Lombardei zum österreichischen Königreich Lombardo-Venetien. 1866 fällt es an
→Italien.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der
Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v.
Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,169, 3,2,2354, 3,3,3214; Gottsmann, A.,
Venetien 1859-1866, 2005 (mit Karte)
Venezia →Venedig
venia (F.) aetatis (lat.) Gunst des Alters (auf
Wiederherstellung des früheren Zustands, lat. restitutio in integrum)
Venire contra factum proprium (nemini licet lat..
Sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten (zu) begeben, (ist keinem
erlaubt).
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Pseudoulpian, 3./4. Jh. n. Chr., Digesten 1,7,25, pr., Azo, um 1150-um 1230,
Brocardica sive generalia juris 10, 28)
Verarbeitung (1731, lat. [F.] specificatio, zu novam speciem
facere) ist die Herstellung einer neuen beweglichen Sache
durch Bearbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe (z. B. Backen von
Brot aus Mehl, Salz, Wasser u. s. w.). Im klassischen römischen Recht sprechen
die Sabinianer das Ergebnis an der neuen Sache dem Eigentümer der alten Sache
zu, die Prokulianer dem Verarbeiter, eine etwas jüngere vermittelnde Meinung
dem Verarbeiter nur dann, wenn die Sache sich nicht mehr in den alten Zustand
zurückführen lässt. Für den Rechtsverlust kann ein Wertausgleich verlangt
werden. Die V. als Eigentumserwerbsgrund mit Ausgleichspflicht wird in der
Neuzeit aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Hübner; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schermaier, M., Materia, 1992; Behrends, O., Die
Spezifikationslehre, ZRG RA 112 (1995), 195; Reitz, M., Der Tatbestand der
Verarbeitung, 1996; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Veräußerung (1418) ist
die Weggabe eines Gegenstands an einen anderen, bei der meist eine
→Übereignung stattfindet. Sie erfolgt schon früh (z. B. Tausch). Zu
beachten sind Veräußerungsverbote.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 23 II 2, 59 II, III; Kroeschell,
DRG 1; Walliser, P., Die Zustimmungserklärung geistlicher Gemeinschaften zu
Veräußerungsgeschäften, FS 500 Jahre Solothurn, 1981; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verbalinjurie (F.) Beleidigung durch Wörter (z.
B. Esel, Idiot, Blödmann, Arschloch)
Verbalkontrakt (M.) →Verbalvertrag
Verbalvertrag (Verbalkontrakt) ist
im römischen Recht der an die Verwendung bestimmter Wörter gebundene
→Vertrag (z. B. Stipulation, Mitgiftzusage, Dienstversprechen des
Freigelassenen).
Lit.: Kaser § 38 II 1b; Köbler, DRG 45
Verband ist die Vereinigung von Personen zu
einem bestimmten Zweck. Da auch die Familie als V. angesehen wird, reicht der
V. sehr weit zurück. Aus loseren Zusammenschlüssen entwickelt sich dabei
allmählich die →juristische Person (19. Jh.). Der V. muss aber nicht in
jedem Fall juristische Person sein (z. B. Gewerkschaft).
Lit.: Köbler, DRG 121, 161; Gierke, O. v., Das
deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Weber, A., Der
Kampf zwischen Kapital und Arbeit, 6. A. 1954; Bader, K., Studien zur
Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.; Erdmann, M.,
Die verfassungspolitische Funktion der Wirtschaftsverbände in Deutschland
1815-1871, 1968; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schmidt,
K., Einhundert Jahre Verbandstheorie im Privatrecht, 1987; Heuft. C.,
Spätantike Zwangsverbände zur Versorgung der römischen Bevölkerung, 2013
Verbannung ist die im älteren römischen und
mittelalterlichen Recht mögliche Bestrafung mit dem Ausschluss aus der
Gemeinschaft durch Vertreibung aus dem von dieser Gemeinschaft beanspruchten
Gebiet.
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1;
Schuster, P., Der gelobte Frieden, 1995
Verbindlichkeit (1390) Obligation
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verbindung (lat. [F.] accessio) ist
die schon im altrömischen Recht mögliche tatsächliche Vereinigung mehrerer
Sachen verschiedener Eigentümer zu einer Einheit außerhalb eines
Rechtsgeschäfts (z. B. Verwertung eines fremden Balkens bei einem Hausbau,
Sonderfall, für den die actio de tigno iuncto gilt), bei der Eigentum durch den
Eigentümer der Hauptsache erworben wird und der Eigentumsverlust des anderen
(z. B. durch den doppelten Wert) auszugleichen ist. Bei Schaffung einer bloß
zusammengesetzten Sache (z. B. Schiff), kann jeder Eigentümer Lostrennung der
in seinem Eigentum verbleibenden Sache verlangen. Bei V. einer beweglichen
Sache mit einem Grundstück (z. B. Einpflanzen, Hausbau auf Grundstück,
Anschwemmen) gilt der Grundsatz (lat.) superficies solo cedit (das Oberirdische
folgt dem Grund). Die V. wird mit dem römischen Recht später aufgenommen.
Lit.: Kaser § 26 III; Köbler, DRG 25; Die akademische
Verbindung Austria Innsbruck, hg. v. Verein zur Erforschung der Geschichte des
österreichischen Studententums, 2014
Verbot ist die Anordnung, ein Verhalten zu
unterlassen. Es findet sich schon früh (z. B. im →Bann des Königs).
Erhebliche Bedeutung gewinnt das V. auch in den frühneuzeitlichen
→Polizeiordnungen. Der Verstoß gegen ein V. kann mit →Strafe oder
anderen Folgen bedroht werden.
Lit.: Köbler, DRG 139; Willoweit, D., Gebot und Verbot
im Spätmittelalter, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verbotsirrtum ist der Irrtum über die Rechtswidrigkeit
bzw. das Verbotensein einer Tat. Der V. wird im deutschen Strafrecht im 20. Jh.
entwickelt. Der unvermeidbare V. schließt Strafe aus, der vermeidbare V.
ermöglicht die Strafmilderung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 264
verbrauchbar (aufbrauchbar)
Lit.: Köbler, DRG 39
Verbraucher oder Konsument ist, wer ein
verbrauchbares Erzeugnis eines Herstellers erwirbt. Der V. wird im 20. Jh. als
schutzbedürftige Vielzahl von Rechtsunterworfenen entdeckt und z. B. in
Deutschland durch das Wohnraumkündigungsschutzgesetz (1971), das Gesetz zur
Regelung des Rechtes der allgemeinen Geschäftsbedingungen (1976), das
Reisevertragsgesetz (1979), das Haustürgeschäftswiderrufsgesetz (1986) oder
durch das Verbraucherkreditgesetz (1991) geschützt. § 13 BGB bestimmt am Ende
des 20. Jh.s den V. als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem
Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen
beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. 2002 werden die meisten der
Sondergesetze in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt.
Lit.: Köbler, DRG 266; Geyer, R., Der Gedanke des
Verbraucherschutzes im Reichsrecht, 2001; Xu, H., Zur Geschichte und zum Wesen
des modernen Verbraucherschutzrechts, 2003; Stolte, S., Versandhandel und
Verbraucherschutz, 2005; Delafontaine, R., Historians as Expert Judicial
Witnesses in Tobacco Litigation, 2015; Rick, K., Die Gründung der Stiftung
Warentest als „zweitbeste Lösung“?, HZ 303 (2016), 426
Verbrauchsteuer ist die auf den Verbrauch eines
Gutes (z. B. Tabak, Alkohol, Mineralöl) gelegte Steuer. Allgemeine wichtige V.
im 20. Jh. ist die Umsatzsteuer.
Lit.: Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 1992
Verbrechen ist die rechtswidrige Tat, die mit
einer bestimmten höheren Strafe (z. B. Freiheitsstrafe von einem Jahr und
darüber) bedroht ist. Die wichtigsten V. sind Mord, Totschlag, Raub, Diebstahl,
V. gegen den Staat, V. gegen die Menschlichkeit
u. s. w. Die Absonderung der V. aus der Gesamtheit der Straftaten im
Zuge des 18. Jh.s hat praktisch-systematische Gründe. Der Versuch eines
Verbrechens ist in Deutschland strafbar.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 65, 119, 204,
264; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht
des deutschen Mittelalters, Bd. 2 1935; Byloff, F., Das Verbrechen der
Zauberei, 1902; Quanter, W., Die Sittlichkeitsverbrechen, 8. A. 1925, Neudruck
1970; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973; Weber, H. v., Der Dekalog als Grundlage der Verbrechenssystematik, FS W.
Sauer 1949, 44; Radbruch, G./Gwinner, H., Geschichte des Verbrechens, 1951;
Recktenwald, W., Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, 1956; Moos, R., Der
Verbrechensbegriff in Österreich im 18. und 19. Jahrhundert, 1968;
Wächtershauser, W., Das Verbrechen des Kindesmordes, 1973; Hagemann, H., Vom
Verbrechenskatalog des altdeutschen Strafrechts, ZRG GA 91 (1974), 1;
Maier-Weigt, B., Der materiale Rechts- und Verbrechensbegriff, 1987; Rückerl,
A., NS-Verbrechen vor Gericht, 1982; Just-Dahlmann, B./Just, H., Die Gehilfen,
1988; Schüßler, M., Verbrechen im spätmittelalterlichen Olmütz, ZRG GA 111
(1994), 148; Bader, K., Zum Unrechtsausgleich und zur Strafe, ZRG GA 112
(1995), 1; Schmidhäuser, E., Verbrechen und Strafe, 2. A. 1996; Martin, H.,
Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs, 1997;
Evans, R., Tales from the German Underworld, 1998; Ludi, R., Die Fabrikation
des Verbrechens, 1999; Crimes, pouvoirs et sociétés (1400-1800), hg. v.
Dupont-Bouchat, M. u. a. 2003; Orte des Grauens, hg. v. Ueberschär, G., 2003;
Greve, Y., Verbrechen und Krankheit, 2004; Müller, C., Verbrechensbekämpfung
im Anstaltsstaat, 2004; Siebenpfeiffer, H., Böse Lust, 2005; Baumann, I., Dem
Verbrechen auf der Spur, 2006; Verbrecher im Visier der Experten, hg. v.
Schauz, D. u. a., 2007; Schubert, E., Räuber, Henker, arme Sünder, 2007;
Sprecher, T., Literatur und Verbrechen, 2011; Kailer, T., Die Vermessung des
Verbrechers, 2011; Leone, F., Von der Lehre des „geborenenen“ Verbrechers zur
modernen Hirnforschung, 2013; Revolten und politische Verbrechen zwischen dem
12. und 19. Jahrhudert, hg. v. Benedictis, A. de u. a., 2013; Kailer, T.,
Vermessung des Verbrechers – Die kriminalbiologische Untersuchung in Bayern –
1923-1945, 2014 e-book
Verbrechenskonkurrenz →Konkurrenz
Verbrennen ist die durch Feuer vollzogene
Todesstrafe. Sie ist bereits dem römischen Recht bekannt. Verbrannt werden z.
B. Zauberer, Hexen oder Sittlichkeitsverbrecher.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920,
Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988;
Behringer, W., Mit dem Feuer vom Leben zum Tode, 1988
verbum (N.) regis (lat.) Wort des Königs, Huld,
Schutz
Verdächtigung ist die Bildung eines Verdachts z. B. der
Durchführung einer Straftat durch einen Menschen. Die →Äußerung einer wahrheitswidrigen V. ist in
Deutschland seit 1870 strafbar. Seit 1933 genügte für Strafbarkeit
Leichtfertigkeit, seit 1969 ist wieder Vorsatz erforderlich.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und
Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Verdachtsstrafe ist die bei bloßem Verdacht einer
Straftat verhängte, wegen des fehlenden sicheren Tatnachweises milder
ausfallende Strafe. Nach gewissen älteren Ansätzen (Gaill, Berlich) wird die V.
bei Carpzov (1595-1666) als Übernahme aus dem italienischen Recht sichtbar
(in München genugsamer Verdacht 1615 erwähnt). Sie wird als eine Art
außerordentlicher Strafe etwa bei dem Widerruf eines Geständnisses verhängt.
Die Aufklärung bekämpft die im ersten Drittel des 19. Jh.s verschwindende V.
(lat. →in dubio pro reo).
Lit.: Carpzov, B., Practica nova, 1652; Holtappels,
P., Die Entwicklung der Geschichte des Grundsatzes „in dubio pro reo“, 1965;
Schaffstein, F., Verdachtsstrafe, außerordentliche Strafe und Sicherungsmittel,
Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 1989, 493; Balogh, E., Die Verdachtsstrafe,
Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1993; Thäle, B., Die Verdachtsstrafe, 1993;
Schmoeckel, M., Humanität und Staatsraison, 2000; Schulz, L., Normiertes
Misstrauen, 2001; Schulz, L., Die praesumtio innocentiae, ZRG 119 (2002), 193;
Balogh, E., Die Verdachtsstrafe in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2009
Verden an der Aller, 810 erstmals als Ferdi (Furt)
erwähnt, ist vielleicht seit etwa 785 Sitz eines von König Karl dem Großen
gegründeten Bistums. Es schließt sich 1566 der Reformation an. Sein kleines
weltliches Herrschaftsgebiet fällt von 1648 bis 1712/1719 an Schweden. Über Hannover
gelangt es an Preußen (1866), das Deutsche Reich (1871) und 1946 bei der
Aufteilung Preußens zu Niedersachsen.
Lit.: Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden, Bd.
1ff. bearb. v. Mindermann, A., 2001ff.; Immunität und Landesherrschaft, hg. v.
Kappelhoff, B. u. a., 2002
Verdroß, Alfred (Innsbruck 22. 2. 1890-27.
4. 1980) wird 1924 Professor für Völkerrecht, Rechtsphilosophie und
internationales Privatrecht in Wien. Er setzt sich dabei für eine universale
Sicht des Rechtes ein. Deshalb anerkennt er in seinem Völkerrecht (1937) auch
die von den Kulturvölkern übereinstimmend anerkannten Rechtsgrundsätze als
Quelle des Völkerrechts (Universelles Völkerrecht 1976).
Lit.: Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften
in Selbstdarstellungen, hg. v. Grass, N., 1952, 200; Ius humanitatis. FS Alfred
Verdroß, hg. v. Miehsler, H., 1980; Köck, H., Alfred Verdroß, 1991
Verdun an der Maas wird von Kelten
gegründet (Virodunum). Um 359 wird es Sitz eines Bischofs. 843 einigen sich in
V. die Söhne Ludwigs des Frommen auf die Dreiteilung des fränkischen Reiches.
879 kommt V. aus dem Mittelreich Lothars zum östlichen (deutschen) Teil des
fränkischen Reiches, wo es im 13. Jh. Reichsstadt wird, 1552/1648 aber an Frankreich
fällt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Ettighoffer, P.,
Verdun, 5. A. 1985; Hirschmann, F., Verdun im hohen Mittelalter, 1995; Petry,
C., Faire des sujets du roi, 2006
Verein (Wort Straßburg 1519, Vereinsrecht 1849) ist die Vereinigung mehrerer Personen
zu einem bestimmten Zweck. Im Privatrecht ist der V. die auf eine gewisse Dauer
berechnete Personenvereinigung mit körperschaftlicher Verfassung, die im
Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist. Vereine gibt es bereits im
altrömischen Recht (lat. collegium N.,
sodalitas F.,
sodalicium N.,
corpus N.),
ohne dass sich die Rechtskundigen damit näher befassen. Eine allgemeine
Einrichtung des Vereins entwickelt sich auf der Grundlage älterer
unterschiedlicher Verbände und einzelner vereinsähnlicher Vereinigungen (z. B.
Weimar 1617 Fruchtbringende Gesellschaft) erst seit dem 18. Jh. Seit desssen
Mitte finden sich zunehmend politische Vereine als Vorläufer der Parteien, die
aber von 1832 bis 1848 verboten werden (z. B. patriotische Gesellschaften,
Lesegesellschaften, Geheimbünde wie die Illuminaten, Freimaurer, Goldkreuzer,
Rosenkreuzer, politische Diskussionskreise wie die Berliner Mittwochsgesellschaft
von 1783, oder studentische Reformbewegungen) Ab etwa 1860 werden die politischen
Vereine als Partei bezeichnet. Innerhalb der Vereine ist der rechtsfähige V.
als juristische Person von der nichtrechtsfähigen, teilweise dem Gesellschaftsrecht
unterworfenen Personenvereinigung zu unterscheiden. Das Recht des
rechtsfähigen Vereins ist auf der Grundlage des Systems der Normativbestimmungen
ausführlich im →allgemeinen Teil des deutschen →Bürgerlichen
Gesetzbuchs (1900) geordnet.
Lit.: Kaser § 17; Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 207,
266; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 789; Menger, C., Zur Geschichte
der Vereinskonzession, Diss. jur. Göttingen 1940; Boldt, W., Die Anfänge des
deutschen Parteiwesens, 1971; Schraysler, E., Handwerkerbünde und
Arbeitervereine, 1972; Schultze, W., Öffentliches Vereinigungsrecht im Kaiserreich,
1973; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte,
hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,1757; Kögler, P., Arbeiterbewegung und
Vereinsrecht, 1974; Vormbaum, T., Die Rechtsfähigkeit der Vereine, 1976; Foerster,
C., Der Preß- und Vaterlandsverein von 1832/3, 1982; Siemann, W., Der
„Polizeiverein“, 1983; Vereinswesen und bürgerliche Gesellschaft, hg. v. Dann,
O., 1984; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Wadle, E., Der
Zollverein, ZRG GA 102 (1985), 99; Schwentker, W., Konservative Vereine, 1988;
Brashear, W., Vereine im griechisch-römischen Ägypten, 1993; Bär, F., Die
Schranken der inneren Vereinsautonomie, 1996; Hardtwig, W., Genossenschaft,
Sekte, Verein, 1997; Aneziri, S., Die Vereine der dionysischen Techniten, 2003;
Politische Vereine, Gesellschaften und Parteien in Zentraleuropa 1815-1848/49,
hg. v. Reinalter, H., 2005; Nathaus, K., Organisierte Geselligkeit, 2009;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Associations in the Greco-Roman World, hg. v. Ascough, R. u. a., 2012;
Handbuch der Berliner Vereine und Gesellschaften, hg. v. Motschmann, U., 2015;
Watermann, D., Bürgerliche Netzwerke – Städtisches Vereinswesen, 2017 (Halle)
Vereinigter Landtag ist in Preußen der aus sämtlichen
Mitgliedern der acht preußischen Provinziallandtage gebildete, am 11. 4. 1847
erstmals und am 2. 4. 1848 letztmals zusammengetretene Landtag.
Lit.: Eickenboom, P., Der preußische erste vereinigte
Landtag, Diss. phil. Bonn 1961
Vereinigte Staaten von Amerika (USA, erste Bezeichnung des neuen
Kontinents nach dem die Verschiedenheit von Indien erkennenden Amerigo Vespucci
[1451-1512] als Amerika in der Weltkarte Martin Waldseemüllers aus Freiburg im
Breisgau 1507) ist der im 18. Jh. aus Kolonien Englands (, Frankreichs und
Spaniens) erwachsende Staat auf dem südlichen Teil des nordamerikanischen
Halbkontinents. Zwischen 1775 und 1783 lösen sich die bisherigen Kolonien
Großbritanniens kriegerisch bzw. revolutionär von der bisherigen Kolonialmacht
(Unabhängigkeitserklärung dreizehner Kolonien Großbritannniens vom 4. Juli 1776
mit dem Zeil der Gründung eines Staatenbunds). In dem Teilstaat Virginia
entsteht am 12. 6. 1776 (22 Tage vor der Unabhängigkeitserklärung dreizehner
Kolonien Großbritanniens vom 4. Juli 1776) mit der Virginia Bill of Rights
(Menschenrechtserklärung) die erste formelle Verfassung. Am 7. 9. 1787 wird
eine Verfassung geschaffen, zu deren Erläuterung 1787/1788 in Zeitungsartikeln
Federalist Papers zu Gunsten repräsentativer Demokratie, Gewaltenteilung und
Grundrechten veröffentlicht werden. 1789 errichtet der Judiciary Act die
Grundlage für den Supreme Court. Im 19. Jh. setzt sich das englische
Rechtssystem durch. Im Sezessionskrieg (1861-1865) verhindern die nördlichen
Staaten die Abspaltung der an afrikanischen Sklaven festhaltenden südlichen
Staaten. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jh.s beeinflusst das amerikanische
Recht auf Grund politischer, wirtschaftlicher und technischer Überlegenheit
der Vereinigten Staaten von Amerika alle Rechte in vielfacher Weise.
Lit.:Warren, C., A Hisatory of the American Bar, 1912,
Neudruck 2013; Seagle, W., The Quest for
Law 1941, (deutsch) Weltgeschichte des Rechts, 1. A. 1951, 2. A. 1958, 3. A.
1967; Schwartz, B., American Constitutional Law, 1955, Neudruck 2013; Jacobs,
R., Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des
englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Blumenwitz, D., Einführung
in das angloamerikanische Recht, 1971, 7. A. 2003; Eichler, H., Verfassungsbewegungen
in Amerika und Europa, 1985; Friedmann, L., History of American Law, 2. A.
1985; David, R./Grasmann, G., Einführung in die großen Rechtssysteme der
Gegenwart, 2. A. 1988; Bitterli, U., Die Entdeckung Amerikas, 4. A. 1992;
Cushman, C., The Supreme Court Justices, 1993, 2. A. 1995, 3. A. 2012; Dokumente zur Geschichte der
Vereinigten Staaten von Amerika, hg. v. Schambeck, H., 1993, 2. A. 2007; Dippel,
H., Die amerikanische Verfassung in Deutschland, 1994; Heideking, J.,
Geschichte der USA, 1996; Hall, K., American legal history, 2. A. 1996; Köbler,
G., Rechtsenglisch, 1996, 7. A. 2007, 8. A. 2011; Die amerikanischen
Präsidenten, hg. v. Heideking, J., 3. A. 2002; Sautter, U., Lexikon der
amerikanischen Geschichte, 1997; Heideking, J./Nünning, V., Einführung in die
amerikanische Geschichte, 1998; Reimann, M., Neuere Rechtsgeschichte in den
Vereinigten Staaten, ZNR 20 (1998); Oxford Guide to United States Supreme Court
Decisions, hg. v. Hall, K., 1999; Finzsch, N./Horteon, J./Horton, L., Von Benin
nach Baltimore, 1999; Franklin, J./Moss, R., Von der Sklaverei zur Freiheit,
1999; Naether, S., Deutsche Juristen als Emigranten in den USA, (in) Beiträge
zum amerikanischen Verfassungsrecht, 1999, 131; Sautter, U., Die Vereinigten
Staaten, 2000; Wellenreuther, H., Geschichte Nordamerikas, Bd. 1ff. 2000ff.;
Adams, W., Die USA vor 1900, 2000; Adams, W., Die USA im 20. Jahrhundert, 2000,
3. A. 2012; Guggisberg, H., Geschichte der USA, 4. A. 2001; Waibel, D., Junges
Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Dippel, H., Geschichte der USA, 6.
A. 2004; Schmidt, G., Geschichte der USA, 2003; Surrency, E., History of the
federal courts, 2. A. 2002; Oberg, M., Uncas, 2003; Wellenreuther, H., Von
Chaos und Krieg zu Ordnung und Frieden, 2006; Dokumente zur Geschichte der
Vereinigten Staaten, hg. v. Schambeck, H., 2. A. 2007; Klemke, U., Die deutsche
politische Emigration nach Amerika 1815-1848, 2007; Gassert, P. u. a., Kleine
Geschichte der USA, 2007; Gerste, R., Duell ums Weiße Haus, 2008; Meissner, J.
u. a., Schwarzes Amerika 1861-1865, 2008; Herring G., From Colony to
Superpower, 2008; Sautter, U., Der amerikanische Bürgerkrieg, 2009; Truninger,
S., Die Amerikanisierung Amerikas, 2010; Grazia, V. de, Das unwiderstehliche
Imperium, 2010; Welskopp, T., Amerikas große Ernüchterung, 2010; Goebel, J.
jr., Antecedents and Beginnings to 1801, 2010 (betrifft Supreme Court,
Vorauflage 1971); Parker, K., Common Law, History and Democracy in America
1790-1900, 2011; Loving v. Virginia, hg. v. Maillard, K. u. a., 2012; Stöver,
B., United States of America, 2012; Weiner, T., FBI, 2012; Becker, R.,
Nordamerika aus süddeutscher Perspektive, 2012; Spillane, J. u. a., A History
of Modern American Criminal Justice, 2013; Lawson, G. u. a., The Origins of the
Necessary and Proper Clause, 2013; Tinkle, M., The Maine State Constitution,
2013; Rabban, D., Law’s History. American Legal Thought and the Transatlantic
Turn to History, 2013; Darrow, C., In the Clutches of the Law - Clarence
Darrow’s Letters, 2013; Berg, M., Geschichte der USA, 2013; Leshy, J., The
Arizona State Constitution, 2013; Orth, J./Newby, P., The North Carolina State
Constitution, 2013, Utter, R./Spitzer, H., The Washington State Constitution,
2013; A Companion to American Legal History, hg. v. Hadden, S. u. a., 2013; Lurie, J., The
Supreme Court and Military Justice, 2013; The Oxford Handbook of the Americqn
Revolution, hg. v. Gray, E. u. a., 2013; Superfine, B., Equality in Education
Law and Policy, 2013; Martschukat, J., Die Ordnung des Sozialen, 2014; Palmer,
A., A Rule of Law 2014 (South Carolina 1763-1776); Langran, R., The Supreme
Court – A Concise History, 2014; Emmerich, A. u. a., Amerikas Kriege, 2014; Die
“Hessians” im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783), hg. v. Gräf, H.
u. a., 2014; Haunert, L., Einsatz in der Fremde?, 2014; Voß, K., Washingtons
Söldner, 2014; Retzlaff, C., Won’t the law give me my freedom?, 2014; Herken,
G., The Georgetown Set – Friends and Rivals in Cold War, 2014; Schweitzer, E.,
Amerikas Schattenkrieger, 2015; Paul, H., The Myths that made America, 2014;
Andreas, P., Smuggler Nation, 2014; A Companion to Ronald Reagan, hg. v. Johns,
A., 2014; Waldschmidt-Nelson, B., Malcolm X, 2015; Rosenhagen, U., Brudermord,
Freiheitsdrang, Weltenrichter, 2015; Amerika stellt die Weichen – Die
Supermacht im Umbruch, hg. v. Burgard, J. u. a., 2016; Grandin, G., Kissingers
langer Schatten, 2016; Hochgeschwender, M., Die amerikanische Revolution, 2016;
Ferguson, N., Kissinger 1923-1968, 2016; Johnston, D., Die Akte Trump, 2016;
Wanner, T., Heilige Alllianz?, 2016; Fruchtman, J., American constitutinal
history, 2016; Depkat, V., Geschichte der USA, 2016; Schild, G., Gettysburg
1863, 2017; Berg, M., Woodrow Wilson – Amerika und die Neuordnung der Welt,
2017; Ellis, J., George Washington, 2017; Snyder, C. u. a., Great Crossings,
2017; Die USA – eine scheiternde Demokratie?, hg. v. Horst, P. u. a.
Vereinigungsfreiheit ist die Freiheit, Vereinigungen zu
bilden. Sie entwickelt sich im 19. Jh. als Grundrecht.
Lit.: Müller, F., Korporation und Assoziation, 1965;
Tillmann, H., Staat und Vereinigungsfreiheit, Diss. jur. Gießen 1976; Voß, W.,
Vereinigungsfreiheit und Staatsräson, (in) Libertas 1991, 301; Eisenhardt, U.,
Deutsche Rechtsgeschichte, 4. A. 2004
Vereinte Nationen (United Nations) sind der
Zusammenschluss der Staaten zum Zweck der Wahrung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit durch Kollektivmaßnahmen. Die Vereinten Nationen
entstehen als Nachfolger des Völkerbunds 1945 (1. 1. 1942 Deklaration der
Vereinten Nationen, 30. 110. 1943 Moskauer Deklaration der vier Mächte, 1945
auf der Konferenz von Jalta Charta fertiggestellt, 26. Juni1945 Konferenz von
San Francisco Unterzeichnung durch 50 Staaten, 24. 10. 1945 ). Grundlage ist die
Charta der Vereinten Nationen. Die wichtigsten Organe sind Vollversammlung,
Sicherheitsrat und Generalsekretär.
Lit.: Köbler, DRG 246, 248; Charta der Vereinten
Nationen, hg. v. Simma, B. u. a., 1991; Knipping, F. u. a., Das System der
Vereinten Nationen und seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Rittberger, V. u. a.,
Vereinte Nationen und Weltordnung, 1997; Volger, H., Lexikon der Vereinten
Nationen, 2000; Die Vereinten Nationen sechs Jahrzehnte nach ihrer Gründung,
hg. v. Münk, H. 2008; Dinkel, J., Die Bewegung bündnisfreier Staaten, 2015
Verfachbuch ist ursprünglich in Tirol und Vorarlberg das
seit dem späteren 15. Jh. geführte Gerichtsbuch über Geschäfte und Verfahren.
Seit dem 17. Jh.engt es sich hauptsächlich auf in zeitlicher Reihenfolge
eingetragene Geschäfte über Grund und Boden ein. Spätestens in dem 20. Jh. wird
es durch das moderne →Grundbuch
abgelöst.
Lit.: Das älteste Tiroler Verfachbuch (Landgericht
Meran 1468-1471), hg. v. Moeser, K. u. a., 1990
Verfahren ist die Art oder Weise des
Vorgehens bei der Bewältigung einer Aufgabe oder eines Vorhabens, insbesondere
durch eine Entscheidung einer Behörde (Verwaltungsverfahren) oder eines
Gerichts über einen Antrag oder einen Rechtsstreit (Gerichtsverfahren,
Prozess). V. entwickeln sich vermutlich schon früh als Verallgemeinerung
einzelner Geschehensabläufe. Bereits die römischen Zwölftafelgesetze behandeln
den Zivilprozess und bestimmen, wie der Beklagte in das Gericht (lat. ius N.,
forum N.)
gebracht werden kann. Neben den →Zivilprozess tritt bald der besondere
→Strafprozess. Aus dem Legisaktionenverfahren (→legisactio)
wird das →Formularverfahren. Das Formularverfahren wird durch das
Kognitionsverfahren (→cognitio) abgelöst. Bei den Germanen finden
Entscheidungsverfahren vermutlich zunächst in der →Volksversammlung
statt, im Frühmittelalter vor (lat.-afrk. M.)
thunginus und Rachinburgen bzw. Graf und Schöffen. Seit dem Hochmittelalter
spaltet sich das Verfahren in Zivilprozess und Strafprozess auf. Im
Zivilprozess dringt oberitalienisch-kanonisches Recht ein. Im Strafprozess
drängt der Inquisitionsprozess den Akkusationsprozess zurück. Im 19. Jh. wird
das V. liberalisiert und modernisiert und die →Gerichtsverfassung vereinheitlicht.
Es entstehen neben den V. der ordentlichen Gerichtsbarkeit V. anderer
Gerichtsbarkeiten (z. B. Verwaltungsgericht). Neben allgemeinen
Verfahrensgrundsätzen werden detaillierte Einzelregelungen entwickelt.
Lit.: Kaser §§ 80 II 3, 82, 84; Köbler, DRG 14, 18, 31,
55, 70, 86, 91, 114, 153, 200, 234, 261; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Planck,
J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Bartmann, J.,
Das Gerichtsverfahren, 1908; Bader, K., Das Schiedsverfahren, 1929; Döhring,
E., Geschichte der deutschen Rechtspflege, 1953; Landes, D., Achtverfahren,
Diss. jur. Frankfurt am Main 1964; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht,
2. A. 1996; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971; Meyer, D.,
Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972; Sellert, W.,
Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Dick, B., Die Entwicklung des
Kameralprozesses, 1981; Conflict in medieval Europe, hg. v. Brown, W. u. a., 2003;
Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger u.
a., 2010; Medieval Legal Process, hg. v. Mostert, M., 2011
Verfahrensverweigerung ist die Verweigerung der
Durchführung eines →Verfahrens seitens einer daran zu beteiligenden
Person oder Einrichtung. Im Frühmittelalter verfällt der Beklagte, der eine
Ladung missachtet, dem →Königsbann. Im Deutschen Bund kann bei Verweigerung
einer gerichtlichen Entscheidung durch die Gerichtsbarkeit die Bundesversammlung
(Bundestag) angerufen werden.
Lit.: Köbler, DRG 92, 200
Verfall
Lit.: Arnold, M., Verfall, Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 73 bis
76a StGB), 2013
Verfallspfand ist das im altrömischen Recht verbreitete,
später zurückgedrängte, bei Pfandreife und Unterbleiben der Schuldtilgung in
das Eigentum des Pfandgläubigers übergehende →Pfand. Da es dem Pfandgläubiger
oft weit mehr als die Schuldtilgung einbringt, ist es in entwickelteren Rechtsordnungen
wegen des angemessenen Schutzes des Schuldners selten.
Lit.: Kaser § 31 II 2
Verfangenschaft ist die Beschlaglegung eines
Gegenstands zugunsten eines Rechtssubjekts. Im süddeutschen hochmittelalterlichen
Ehegüterrecht tritt in der Errungenschafts- und Fahrnisgemeinschaft beim Tod
eines Ehegatten V. der Liegenschaften zugunsten der ehelichen Kinder ein. Das
verfangene Gut darf der überlebende Ehegatte nutzen und verwalten, aber nur bei
echter Not oder Zustimmung der Kinder veräußern. Bei seinem Tod fällt es an die
Kinder. Möglich sind aber rechtsgeschäftliche Teilung oder →Einkindschaft.
Seit dem 15. Jh. verliert die V. ihre Bedeutung.
Lit.: Hübner 679; Mayer-Homberg, E., Zur Entstehung
des fränkischen Verfangenschaftsrechtes, 1913; Gudian, G., Ingelheimer Recht,
1968, 188
Verfasser ist der Urheber einer Gegebenheit, insbesondere eines
Sprachwerks.
Lit.:
Verfasser-Datenbank - die Autoren der deutschsprachigen Literatur von den Anfängen
bis zur Gegenwart, 2012 (elektronische Ressource De Gruyter Berlin);
Compendium auctorum latinorum medii aevi 500-1500 (CALMA, 2012 bis ba
erschienen); Biographisches Archiv des Mittelalters (BAMA), bearb. v.
Wispelwey, V., 2004ff. mit fast 130000 biographischen Artikeln aus 56
Quellenwerken
Verfassung (zu Fass, fassen, seit dem 14. Jh. belegt) ist
(materiell) der grundlegende Zustand (vor allem des Staates) und (formell) den
diese in seinen Grundzügen beschreibende oder ordnende Urkunde. Insofern hat
jede Gemeinschaft eine V. (im materiellen Sinn). Bereits die griechische Philosophie
unterscheidet etwa als unterschiedliche Formen Monarchie, Aristokratie,
Politeia, Tyrannis, Oligarchie oder Demokratie (Aristoteles). Vereinzelt halten
seit dem Hochmittelalter Schriftstücke besondere tatsächlich geschaffene
Grundzüge der angestrebten V. fest (z. B. Magna Charta England 1215, Mainzer
Reichslandfriede 1235, Goldene Bulle 1356, ewiger Reichslandfriede von 1495
oder Wahlkapitulation Karls V. von 1519, Augsburger Religionsfriede 1555,
Westfälischer Friede 1648, England 1628 Petition of Rights, 1679
Habeas-Corpus-Akte). In England wird im 17. Jh. constitution zur Bezeichnung
des Zustands (der materiellen V.) eines Staates (bodie politique), im 18. Jh.
zur Bezeichnung der Bestimmungen, die diesen Zustand herstellen oder festlegen
(formelle V.). Am 12. 6. 1776 wird mit der →Virginia Bill of Rights in
Amerika die erste formelle V. (→Verfassungsurkunde) geschaffen (17. 9.
1787 Constitution of the United States), die bald anderen Gesetzen übergeordnet
ist (1803) und bei Kollision Verfassungswidrigkeit (voidness) eines der V.
widersprechenden Gesetzes bewirkt. Dem folgen (→Toskana Entwurf 1782,
1787 erweitert auf 145 Artikel) →Polen (3. 5. 1791, Warschau 22. 7.
1807), →Frankreich (3. 9. 1791), Genf (5. 2. 1794), Bologna (4. 12.
1796), die cispadanische Republik 27. 3. 1797), die cisalpinische Republik
(30. 6. 1797), die ligurische Republik (2. 12. 1797), die batavische Republik
(17. 3. 1798), die römische Republik (20. 3. 1798), die helvetische Republik
(12. 4. 1798), die →Niederlande (1. 5. 1798 Staatsregelung für das
batavische Volk, März 1814 Grundgesetz für die Vereinigten Niederlande), Lucca
(4. 2. 1799), die parthenopäische Republik (20. 3. 1799), die italienische
Republik (26. 12. 1801), Wallis (30. 8. 1802), (Russland Entwurf 1804), Holland
(7. 8. 1806) (, Spanien 6. 7. 1808, Neapel 6. 6. 1809, Schweden 6. 6. 1809,
Sizilien 18. 6. 1812, Norwegen 17. 5. 1814, Nassau 1./2. 9. 1814,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Sachsen-Weimar 1816,
Bayern 26. 5. 1818, Baden 22. 8. 1818, Sachsen-Hildburghausen 1818/1819,
Württemberg 25. 9. 1819, Hannover 1819, Braunschweig 1820, Hessen-Darmstadt
1820, Sachsen-Coburg 1821, Griechenland 4. 11. 1821, Portugal 23. 9. 1822,
Sachsen-Meiningen 1824, Belgien 7. 2. 1831, Kurhessen 1831, Braunschweig 1832,
Hannover 1833, Italien 4. 3. 1848, Ungarn 11. 4. 1848, Dänemark 5. 6. 1849
bzw. 26. 7. 1854, Liechtenstein 26. 9. 1862, Rumänien 1. 7. 1866, Serbien 29.
6. 1869, Island 5. 1. 1874, Schweiz 29. 5. 1874, Türkei 23. 12. 1876, Bulgarien
16. 4. 1879) sowie im Gebiet des früheren Heiligen römischen Reiches Frankfurt (10. 10. 1806), Westphalen (15. 11.
1807), Bayern (1. 5. 1808), Anhalt-Köthen (28. 12. 1810)→Nassau (3. bzw.
2. 9. 1814), →Waldeck (28. 1. 1814), Schwarzburg-Rudolstadt (8. 1. 1816),
→Schaumburg-Lippe (15. 1. 1816), Sachsen-Weimar (5. 5. 1816),
Sachsen-Meiningen-Hildburghausen (19. 3. 1818), →Bayern (26. 5. 1818),
→Baden (22. 8. 1818), →Württemberg (25. 9. 1819), Hessen-Darmstadt
(17. 12. 1820) sowie später z. B. Hohenzollern-Sigmaringen 1833, Österreich
(1848 bzw. 1867) und Preußen (1848). Ihre Verfassungen enthalten meist eine
Teilhabe des Volkes an der Macht in einem zur Gesetzgebung berufenen Parlament
sowie die Sicherung von Grundrechten des Einzelnen gegen den Staat. Die von der
Frankfurter Paulskirchenversammlung beschlossene V. (1848/1849) tritt nicht in
Wirksamkeit. Ihr folgen die Verfassung des zweiten Deutschen Reiches (1871,
ohne Grundrechte), der Weimarer Nationalversammlung (14. 8. 1919) und der
Bundesrepublik Deutschland (23. 5. 1949) sowie in Österreich das Bundesverfassungsgesetz
von 1920. Die Staatslehre der Aufklärung schafft dabei ein umfassendes
Bewusstsein öffentlicher Ordnung. In Abkehr vom abstrakt-ahistorischen
Staatsdenken der Aufklärung wenden sich die Staatsdenker nun den historisch
gewordenen Vorgegebenheiten zu. Spätestens seit dem Ende des 18. Jh.s wird die
V. als den Gesetzgeber bindendes Recht verstanden (Alexander Hamilton 1788,
Sieyès 1795, Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika 1803). In den
Staaten des Deutschen Bundes berufen sich nach 1830 Bürger mit
unterschiedlichem Erfolg gegenüber staatlichen Eingriffen (meist Zensurmaßnahmen)
auf in Verfassungen verankerte Rechte und findet eine Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit
einzelner Normen bereits statt. Eine seit 2002 als Mikrofiche veröffentlichte
Sammlung der Verfassungen bzw. Verfassungsdokumente Europas von 1850 bis zur
Gegenwart umfasst etwa 1300 Texte. In Österreich besteht die (formelle) V. aus
dem Bundesverfassungsgesetz und mehr als 1300 Verfassungsgesetzen bzw.
einzelnen Verfassungsbestimmungen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Baltl/Kocher; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 831 (Mohnhaupt/Grimm); Köbler, DRG 6, 14, 18, 32,
55, 69, 82, 101, 109, 138, 147, 149, 152, 171, 182, 190, 191, 195, 221, 222,
227, 232, 245, 248, 256, 257, 258; Bisinger, J., Staatsverfassung des
österreichischen Kaisertums, 1809; Hugo, G. W., Chronologische Verzeichnis der
Verfassungsurkunden älterer und neuerer Zeit, 1827; Die Grundgesetze und
Verfassungsurkunden, hg. v. Hugo, G. W., 1836; Mommsen, T., Römisches
Staatsrecht, Bd. 1ff. 3. A. 1887, Neudruck 1963; Stutz, U., Die Grundlagen der
mittelalterlichen Verfassung Deutschlands und Frankreichs, ZRG GA 21 (1900),
115; Sander, P., Feudalstaat und bürgerliche Verfassung, 1906; Bergsträßer, L.,
Geschichte der Reichsverfassung, 1914; Andreas, W., Geschichte der badischen
Verwaltungsorganisation und Verfassung in den Jahren 1802-1818, 1913; Lenel,
P., Wilhelm von Humboldt und die Anfänge der preußischen Verfassung, 1913;
Schramm, P., Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat und
Verfassung, ZRG GA 49 (1929), 167; Feine, H., Zur Verfassungsentwicklung des
Heil. Röm. Reiches, ZRG GA 52 (1932), 65; Dennewitz, B./Meissner, B., Die
Verfassungen der modernen Staaten, 1947; Verfassungsregister, hg. v. Menzel,
E./Groh, F./Hecker, H., 1954ff.; Strathmann, F., Altständischer Einfluss auf
die deutschen Territorialverfassungen der Jahre 1814/1818, Diss. jur. Mainz
1955; Pfeffer, W., Die Verfassungen der Rheinbundstaaten, 1960; Schmidt-Aßmann,
E., Der Verfassungsbegriff in der deutschen Staatslehre der Aufklärung und des
Historismus, 1967; Birtsch, G., Die landständische Verfassung, (in) Ständische
Vertretungen in Europa, 1967, 32; Floßmann, U., Landrechte als Verfassung,
1976; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Eichler, H.,
Verfassungsbewegungen in Amerika und Europa, 1985; Schulze, H., Grundstrukturen
der Verfassung im Mittelalter, Bd. 1 4. A. 2004; Kühne, J., Die
Reichsverfassung der Paulskirche, 1985; Bleicken, J., Die Verfassung der
römischen Republik, 7. A. 1995; Grziwotz, H., Der moderne Verfassungsbegriff,
1986; Gizewski, C., Zur Normativität und Struktur der Verfassungsverhältnisse,
1988; Stourzh, G., Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989; Die Frankfurter
Reichsverfassung, hg. v. Neumann, F., 1989; Die deutschen Verfassungen des 19.
und 20. Jahrhunderts, 14. A. 1992; Dippel, H., Die amerikanische Verfassung in
Deutschland, 1994; 1789 et l’invention de la constitution, hg. v. Troper, M. u.
a., 1994; Schulze, H., Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 4. A.
2004; Caenegem, R. van, An historical introduction to Western constitutional
law, 1995; Mohnhaupt, H./Grimm, D., Verfassung, 1995; Die Verfassungen der
EG-Mitgliedstaaten, hg. v. Kimmel, A., 4. A. 1996; Blänkner, R., Die Idee der
Verfassung, (in) Bürgerreligion und Bürgertugend, 1996; Krüger, P., Einflüsse
der Verfassung der Vereinigten Staaten, ZNR 18 (1996); Weber-Fas, R.,
Deutschlands Verfassung, 1997; Verfassung als Verantwortung, hg. v. bayerischen
Verfassungsgerichtshof, 1997; Graf, G., Der Verfassungsentwurf aus dem Jahr
1787 des Granduca Pietro Leopoldo di Toscana, 1998; Ebel, F., Der papierene
Wisch, 1998; Mohnhaupt, H., Von den leges fundamentales, Ius commune 25 (1998),
121; Verfassungen in Hessen, hg. v. Franz, E., 1998; Burgdorf, W.,
Reichskonstitution und Nation, 1998; Die deutschen Verfassungen, hg. v.
Limbach, J. u. a., 1999; Die Verfassungen Mittel- und Osteuropas, hg. v.
Roggemann, H., 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat, 2001; Schmidt,
C., Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie, 2000;
Verfassungswandel um 1848, hg. v. Kirsch, M. u. a., 2001; Waibel, D., Junges
Volk mit alter Verfassung, JuS 2001, 1048; Weber-Fas, R., Deutschlands
Verfassung, 2. A. 2001; Otto, P., Die Entwicklung der Verfassungslehre in der
Weimarer Republik, 2002; Lechler, F., Parlamentsherrschaft und Regierungsstabilität,
2002; Die Verfassungen der Welt. 1850 bis zur Gegenwart (Mikrofiche), Bd. 1
Europa, Bd. 2 Nord- und Südamerika, hg. v. Dippel, H., 2002ff.; Verfassung und
Verfassungswandel, hg. v. Kroll, F., u. a., 2003; Krüger, K., Die
landständische Verfassung, 2003; Kotulla, M., Das konstitutionelle Verfassungswerk
Preußens, 2003; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Hufeld, U. u. a., 2004;
Parlamento e Costituzione nei sistemi costituzionali europei ottocenteschi –
Parlament und Verfassung in den konstitutionellen Verfassungssystemen Europas,
hg. v. Manca, A. u. a., 2004; Vorländer, H., Die Verfassung – Idee und
Geschichte, 2. A. 2004; Eine Verfassung für Europa, hg. v. Beckmann, K. u. a.,
2004; Weimarer Landesverfassungen, hg. v. Wittreck, F., 2004; Buschfort, W.,
Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Deutsches Verfassungsrecht 1806-1918, hg.
v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.; Bock, D., Der Eid auf die Verfassung im
deutschen Konstitutionalismus, ZRG GA 123 (2006), 166; Kraus, H., Englische
Verfassung und politisches Denken im ancien régime 1689-1789, 2006; Winterhoff,
C., Verfassung, 2006; Constitutions of the World, Europe, Bd. 3 Deutsche Verfassungsdokumente,
Teil 1ff. 2006ff.; Hollstein, T., Die Verfassung als „allgemeiner Teil“, 2007;
Rheinbündischer Konstitutionalismus, hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Handbuch
Ius Publicum Europaeum, hg. v. Bogdandy, A. v. u. a., Bd. 1ff. 2007ff.;
Dressel, C. v. Die Entwicklung von Verfassung und Verwaltung in Sachsen-Coburg
1800-1826, 2007; Baum, D., Johann Friedrich Benzenberg (1777-1846) Doktor der
Weltweisheit und Professor der Konstitutionen, 2007; Köbler, G., Von der
Geschichte der Verfassung zur Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder,
2008, 207; Müßig, U., Die europäische Verfassungsdiskussion des 18. Jahrhunderts,
2008; Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, hg.
v. Wahl, R., 2008; Reform an Haupt und Gliedern, hg. v. Durner, W. u. a., 2009;
Weber, A., Europäische Verfassungsvergleichung, 2010; Deutsche Verfassungen
1849-1949, hg. v. Ipsen, J., 2012; Neu, T., Die Erschaffung der landständischen
Verfassung, 2013 (Hessen 1509-1655); Verfassungsvoraussetzungen -
Gedächtnisschrift für Winfried Brugger, hg. v. Anderheiden, M. u. a., 2013;
Schutz der Verfassung, hg. v. Simon, T., 2014; Ooyen, R., Rezensierte
Verfassungspolitologie I, 4. A. 2014; Europäische Verfassungen 1789-1900, hg.
v. Wißmann, H., 2015; Müßig, U., Reconsidering constitutional formation I
national sovereignty (!), 2016; Lacchè, L., History & Constitution, 2016;
Verfassunghsdenker – Deutschland und Östereich 1870-1970, hg. v. Lehnert, D.,
2017
Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist das Bonner Grundgesetz vom 23.
5. 1949. Seine Grundrechte wollen nicht nur Programmsätze sein, sondern
grundsätzlich verbindliche Kraft entfalten und Gesetzgebung, vollziehende
Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Eine Änderung
der wichtigsten Grundsätze ist nach Art. 79 III unzulässig. Inhaltlich stellt
der Katalog einen pluralistischen Kompromiss auf traditioneller Grundlage dar,
wobei die Gewährleistung von Eigentum und Erbrecht ebenso wie die Möglichkeit
der Vergesellschaftung von Boden und Produktionsmitteln festgelegt wird. An
der Spitze des Organisationsteiles steht die Entscheidung für den
demokratischen und sozialen Bundesstaat, in dem alle Gewalt vom Volk ausgeht,
durch besondere Organe der Gesetzgebung, Vollzugsgewalt und Rechtsprechung
ausgeübt wird und Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes
mitwirken. Die wichtigsten Organe sind Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident,
Bundeskanzler und Bundesverfassungsgericht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 256; Robbers, G.,
Die Änderung des Grundgesetzes, NJW 1989, 1124; Hesse, K., Grundzüge des
Verfassungsrechts, 20. A. 1995; Weber-Fas, R., Deutschlands Verfassung, 1997
Verfassung der Deutschen Demokratischen
Republik ist die am
7. 10. 1949 geschaffene, äußerlich ziemlich konservative, aber weder
Gewaltenteilung, noch Opposition noch eine gesellschaftspolitische
Wahlentscheidung zulassende Verfassung. Sie wird durch die Beseitigung der
Länder (13. 7. 1952/8. 12. 1958) und der Selbstverwaltung der Gemeinden sowie
die Ersetzung des Präsidenten durch einen kollegialen Staatsrat (12. 9. 1960)
verändert. Die zweite V. vom 9. 4. 1968 will die inzwischen erreichten sozialen
Errungenschaften absichern und gibt in der Neufassung vom 7. 10. 1974 die
Vorstellung einer deutschen Nation auf.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 258; Roggemann,
H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989
Verfassungsbeschwerde ist nach der Verfassung der
Bundesrepublik Deutschland die verfassungsrechtliche Möglichkeit, das
Bundesverfassungsgericht zum Schutz eines dem Beschwerdeführer nach seiner
Ansicht zustehenden Rechtes anzurufen (1951-2001 rund 127000 Verfassungsbeschwerden).
Sie begegnet bereits 1818 in Bayern (an den Staatsrat, selten, einmal
erfolgreich) und Baden.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 257; Zuck, R.,
Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 2. A. 1988; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000
Verfassunggebende Nationalversammlung ist die Abgeordnetenversammlung,
die zur Verabschiedung einer Verfassung einberufen ist (z. B. Frankfurt am Main
1848, Weimar 1919).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Verfassungsgerichtsbarkeit ist nach älteren einzelnen Ansätzen
(z. B. England 1610, Pennsylvania 1776, Vermont 1777, Vereinigte Staaten von
Amerika 1803) seit dem 19. Jh. (1818, 1834) die die Übereinstimmung
staatlichen Handelns mit der →Verfassung (z. B. durch Normenkontrolle,
Grundrechtsverletzungsprüfung, Wahlprüfung, Amtsenthebungsverfahren)
überprüfende, in einzelnen Staaten aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit
ausgesonderte Gerichtsbarkeit (Österreich Anfang 1919 Verfassungsgerichtshof in
Anknüpfung an Aufgaben des Reichsgerichts mit Aufgabenerweiterung 1920, Tschechoslowakei
1920 [konnte grundsätzlich jedes verfassungwidrige Gesetz für nichtig
erklären, geriet aber in Vergessenheit], Liechtenstein, Spanien, Italien,),
Deutsches Reich [→Staatsgerichtshof] 1921, Frankreich, Türkei,
Jugoslawien, Spanien, Portugal, Belgien, Bundesrepublik Deutschland 1951,
Italien 1956, Frankreich 1958, Spanien 1980). In den Vereinigten Staaten von
Amerika kann jedes Gericht selbständig (deklaratorisch) die Verfassungswidrigkeit
eines Gesetzes feststellen (ebenso Skandinavien, Irland), in anderen Staaten
ist dazu nur das besondere Verfassungsgericht (Schweiz, Griechenland, Estland)
befugt. Keine Einrichtung für Verfassungsgerichtsfragen besteht bisher in
Großbritannien und den Niederlanden.
Lit.: Stolzmann, H., Zur geschichtlichen Entwicklung
des Rechts der Verfassungsstreitigkeiten, Archiv f. öffentliches Recht N. F.
16 (1929), 355; Wahl, R./Rottmann, F., Die Bedeutung der Verfassung, (in)
Sozialgeschichte der Bundesrepublik, 1983, 339; Landesverfassungsgerichtsbarkeit,
hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1983; Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa,
hg. v. Starck, C. u. a., Bd. 1 1986; Robbers, G., Die historische Entwicklung
der Verfassungsgerichtsbarkeit, JuS 1990, 257; Brünneck, A. v., Verfassungsgerichtsbarkeit
in den westlichen Demokratien, 1992; Eisenhardt, U., Zu den historischen
Wurzeln der Verfassungsgerichtsbarkeit, FS B. Diestelkamp, 1994, 17; 50 Jahre
Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Rheinland-Pfalz, 1997;
Böckenförde, E., Verfassungsgerichtsbarkeit, NJW 1999, 9; Kluge, H./Wolnicki,
B., Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, 2. A. 1999; Björner, U., Die
Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich, 2000;
Müller, O., Die Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818,
2000; Heimann, H., Die Entstehung der Verfassungsgerichtsbarkeit in den neuen
Ländern und in Berlin, 2002; Osterkamp, J., Verfassungsgerichtsbarkeit in der
Tschechoslowakei, 2009; Haase, G. u. a., Verfassungsgerichtsbarkeit in
Europa, 2009; Verfassungsrechtsprechung, hg. v. Menzel, J. u. a., 2011;Die
Kooperation der Verfassungsgerichte in Europa, hg. v. Verfassungsgerichtshof,
2015
Verfassungsgerichtshof ist das (obere) Verfassungsgericht
(z. B. Österreich [nach dem Reichsgericht Cisleithaniens von 1869-1918] Gesetz
vom 25. 1. 1919, 3. 4. 1919 und durch Bundesverfassungsgesetz 1920 Zuständigkeit
(auf Normenkontrolle und Wahlprüfung) sowie 1925 auf Kompetenzprüfung
erweitert, Mai/Juni 1933 durch die Bundesregierung beschlussunfähig gemacht,
durch die Maiverfassung 1934 aufgelöst, 12. 10. 1945 wiedererrichtet, Prüfung
von Verwaltungsakten an Hand der Verfassung).
Lit.: Köbler, DRG 257, 262; Baltl/Kocher; Zavadil, T.,
Die Ausschaltung des Verfassungsgerichtshofs 1933, 1997 (Diplomarbeit Univ.
Wien); Heller, K., Der Verfassungsgerichtshof, 2010; Neschwara, C.,
Verfassungsgerichtsbarkeit im Spannungsfeld von Regierung und Parlament, ZRG GA
130 (2013), 435
Verfassungsgeschichte ist der die Geschichte der
(formellen oder materiellen) →Verfassung betreffende Teil der (die V.
einschließenden) Rechtsgeschichte (Wort seit 1825 [Müller, Alexander] belegt).
Grundlegend für Deutschland ist die V. von Georg →Waitz. Weitere
bekannte Verfassungsgeschichtler sind (die Historiker) Otto Hintze [1902
erstes persönliches Ordinariat für Verfassungsgeschichte an der Univerisität
Berlin], Fritz Hartung, Otto Brunner oder (der Jurist) Ernst Rudolf Huber.
Lit.: Waitz, G., Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd.
1ff. 1844ff., Neudruck 1953ff.; Winkelmanns, E., Allgemeine
Verfassungsgeschichte, hg. v. Winkelmanns, A., 1901; Heusler, A., Deutsche Verfassungsgeschichte,
1905; Hintze, O., Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, hg. v. Di
Costanzo, G. u. a., 1998; Mayer, E., Bemerkungen zur frühmittelalterlichen,
insbesondere italienischen Verfassungsgeschichte, 1912; Bornhak, C., Deutsche
Verfassungsgeschichte vom westfälischen Frieden an, 1934; Hartung, F., Zur
Entwicklung der Verfassungsgeschichtsschreibung in Deutschland, 1956 (SB
Berlin); Schlesinger, W., Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte
des Mittelalters, 1961; Böckenförde, E., Die deutsche verfassungsgeschichtliche
Forschung im 19. Jahrhundert, 1961; Schlesinger, W., Beiträge zur
Verfassungsgeschichte des Mittelalters, 1962; Graus, F., Deutsche und slawische
Verfassungsgeschichte?, HZ 197 (1963), 265; Huber, E., Bewahrung und Wandlung,
1975; Brauneder, W., Österreichische Verfassungsgeschichte, 1976, 8. A. 2001,
10. A. 2005; Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung,
1983; Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im
Spätmittelalter, hg. v. Weinrich, L., 1983; Willoweit, D., Aufgaben und
Probleme einer europäischen Verfassungsgeschichtsschreibung, 1990;
Europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte, hg. v. Schulze, R., 1991; Kölz,
A., Neuere schweizerische Verfassungsgeschichte, 1992; Caenegem, R. van, An
Historical Introduction to Western Constitutional Law, 1995; Menger, C.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. A. 1993; Böckenförde, E., Die deutsche
verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert, 2. A. 1995; Willoweit,
D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 1990, 2. A. 1992, 3. A. 1997, 4. A. 2001,
5. A. 2005, 6. A., 2009, 7. A. 2013; Frotscher, W./Pieroth, B.,
Verfassungsgeschichte, 1997, 2. A. 1999, 3. A. 2002, 4. A. 2003, 5. A. 2005, 6.
A. 2007; 8. A. 2010, 9. A. 2010, 10. A. 2011, 11. A. 2012, 12. A. 2013, 13. A.
2014, 14. A. 2015, 15. A. 2016, 16. A. 2017, 17. A. 2018; Zuleeg, M., Ansätze zu einer
Verfassungsgeschichte der Europäischen Union, ZNR 1997; Zippelius, R., Kleine
deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2002, 7. A. 2006; Brandt, H., Der lange
Weg in die demokratische Moderne, 1998; Neugebauer, W., Die wissenschaftlichen
Anfänge Otto Hintzes, ZRG GA 115 (1998), 540: Oestreich, G.,
Verfassungsgeschichte, 8. A. 1999; Fenske, H., Der moderne Verfassungsstaat,
2000; Kippels, K., Grundzüge deutscher Staats- und Verfassungsgeschichte, 2001;
Europäische Verfassungsgeschichte, hg. v. Willoweit, D. u. a., 2003 (47
Texte); Wahl, R., Verfassungsstaat, Europäisierung, Internationalisierung, 2003
(Aufsätze); Kley, A., Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 2004; Pitz, E.,
Verfassungslehre und Einführung in die deutsche Verfassungsgeschichte des
Mittelalters, 2006; Quellen zur europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P., 2004 (CD-ROM); Grothe, E., Zwischen Geschichte
und Recht, 2004; Handbuch der europäischen Verfassungsgeschichte im 19.
Jahrhundert, hg. v. Brandt, P. u. a., Bd. 1f. 2006ff.; Steiger, H., Verfassungsgeschichte
im Spiegel verfassungsgeschichtlicher Studienbücher und Überblicke, ZNR 2007,
287ff.; Köbler, G., Von der Geschichte der Verfassung zur
Verfassungsgeschichte, FS Wilhelm Brauneder, 2008, 207; Kotulla, M., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 2008; Ipsen, J., Der Staat der Mitte, 2009;
Verfassungsgeschichte in Europa, hg. v. Neuhaus, H., 2010;
Verfassungsgeschichte aus internationaler und diachroner Perspektive, hg. v.
Arlinghaus, F., 2010; La giustizia costituzionale in prospettiva storica, hg.
v. Orrù, R. u. a., 2012; Willoweit, D., Reich und Staat. Eine kleine deutsche
Verfassungsgeschichte, 2013; Verfassungsgeschichte Europas, hg. v.
Prettenthaler-Ziegerhofer, A. u. a., 2013; Verfassungsgeschichte des Alten
Reiches - Basistexte, hg. v. Haug-Moritz, G., 2014; Schnelle, E., „Dann bricht
der Freiheit Morgen an“, 2014; Stolleis, M., Verfassungs(ge)schichten, 2017
Verfassungskonflikt ist der Streit um eine
grundsätzliche Verfassungsfrage (z. B. Kurhessen 1831, Hannover 1833, Preußen
1862-1866).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Real, W., Der hannoversche
Verfassungskonflikt, 1972; Becker, W., Die angebliche Lücke der Gesetzgebung,
Hist. Jb. 100 (1980), 257
Verfassungsrecht ist die Gesamtheit der die
→Verfassung betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Köbler, DRG 7; Huber, E., Verfassungsrecht des
großdeutschen Reiches, 1939; Mampel, S., Das Recht in Mitteldeutschland, 1966;
Klecatsky, H./Morscher, S., Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 3. A.
1982; Ridder, H., Verfassungsrecht oder Staatsrecht?, Bll. f. dt. u. internat.
Politik 1988, 660; Roggemann, H., Die DDR-Verfassungen, 4. A. 1989; Entstehen
und Wandel verfassungsrechtlichen Denkens, hg. v. Mussgnug, R., 1996; Deutsches
Verfassungsrecht 1806 bis 1918, hg. v. Kotulla, M., Bd. 1ff. 2006ff.
Verfassungsschutz
Lit.: Buschfort, W., Geheime Hüter der Verfassung, 2004; Goschler, C.
u. a., Keine neue Gestapo, 2015 (1969 hatten noch zwei Drittel des
Führungspersonals des Bundeskriminalamts frühere Ränge der SS); Grumke, T. u.
a., Der Verfassungsschutz, 2016
Verfassungsurkunde ist die eine →Verfassung
schriftlich verkörpernde Urkunde (formelle Verfassung). Verfassungsurkunden
gibt es (nach wissenschaftlicher Konvention) seit 12. 6. 1776 (→Virginia
Bill of Rights).
Lit.: Usee, K., Der Einfluss der französischen Verfassungen,
Diss. jur. Greifswald 1911; Ingelmann, A., Ständische Elemente in der
Volksvertretung, 1914; Goldschmitt, R., Geschichte der badischen
Verfassungsurkunde, 1918
Verfassungswirklichkeit ist der tatsächliche
Verfassungszustand eines Staates im Gegensatz zu dem von der
Verfassungsurkunde angestrebten Verfassungszustand.
Lit.: Huber, E., Verfassungswirklichkeit und
Verfassungswert, FS G. Schmelzeisen, 1980, 126
Verfestung ist seit dem Hochmittelalter in
Norddeutschland eine Rechtsfolge bei Ladungsungehorsam, die der →Acht
ähnelt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Francke, O., Das
Verfestungsbuch der Stadt Stralsund, 1875; Planck, J., Das deutsche
Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 291; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, 433, Neudruck 1964; Feuring, A., Die
Verfestung nach dem Sachsenspiegel, Diss. jur. Bonn 1995
Verfügung (1560) ist im Privatrecht das Rechtsgeschäft, durch das ein
Recht unmittelbar geändert, aufgehoben, übertragen oder belastet wird (z. B.
Übereignung). Zu einer V. ist beispielsweise der Eigentümer befugt, doch kann
er die Verfügungsbefugnis auch anderen einräumen. Verfügungsbefugt sind
ebenfalls Vormund (lat. tutor) und Pfleger (lat. curator). Bereits das römische
Recht unterscheidet die V. von der →Verpflichtung. Ob das germanische
Recht die V. kennt, ist streitig. Im 19. Jh. wird die V. von der Verpflichtung
abstrahiert. Letztwillige V. ist die für den Fall des Todes über den Nachlass
getroffene V. Im öffentlichen Recht ist V. ein →Verwaltungsakt.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11 IV, 15 I 4b, 60 II 3c, 62 II 2;
Köbler, DRG 123; Demuth, E., Die wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen
nach alamannisch-zürcherischem Recht, 1901; Schultze, A., Über
Gläubigeranfechtung und Verfügungsbeschränkungen des Schuldners nach deutschem
Stadtrecht des Mittelalters, ZRG GA 41 (1920), 210; Schönfeld, W., Die
Vollstreckung von Verfügungen von Todes wegen im Mittelalter nach sächsischen
Quellen, ZRG GA 42 (1921), 240; Kilchmann, A., Die Verfügungen von Todes wegen
nach den aargauischen Rechtsquellen, 1928; Buss, H., Letztwillige Verfügungen
nach ostfriesischem Recht, Diss. jur. Göttingen 1966; Hattenhauer, H., Die
Entdeckung der Verfügungsmacht, 1969; Wilhelm, W., Begriff und Theorie der
Verfügung, Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977,
213; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985 § 30, Bd. 2 1989 § 64;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Schmidt-Recla, A., Kalte oder warme Hand?, 2011
Verfügungsgeschäft ist das eine →Verfügung
anstrebende bzw. bewirkende →Rechtsgeschäft. Es bedarf im römischen Recht
eines rechtlichen Grundes (lat. iusta caua). Im 19. Jh. wird das V. von dem
Verpflichtungsgeschäft abstrahiert, so dass es auch ohne dieses wirksam ist.
Dann kann aber die Verfügung auf dem Weg über die Herausgabe einer ungerechtfertigten
Bereicherung rückgängig gemacht werden.
Vergabung ist das Übertragen eines Gegenstands
an eine andere Person. →Schenkung
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Vergehen ist die rechtswidrige Tat, die im
Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder mit einer Geldstrafe bedroht
ist. Als allgemeine Erscheinungsform wird das V. nach französischem Vorbild zu
Beginn des 19. Jh.s erfasst (Bayern 1813). Der Versuch eines Vergehens ist nur
bei besonderer gesetzlicher Bestimmung strafbar.
Lit.: Köbler, DRG 119, 204, 264; Hannamann, O., Über
die Grenzlinie zwischen Verbrechen und Vergehen, 1805; Cucumus, K. v., Über die
Einteilung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, 1823; Daimer, H., Die
Unterscheidung der strafbaren Handlungen, Diss. jur. Erlangen 1915
Vergeltung ist der in Zufügung des gleichen
oder eines (als mindestens gleichwertig angesehenen) anderen Nachteils
bestehende →Strafzweck.
Vergewaltigung ist die Nötigung einer Frau mit
Gewalt oder Drohung zum Beischlaf mit dem Nötigenden oder einem Dritten
(→Notzucht). Am Ende des 20. Jh.s wird auch die V. in der→Ehe
strafbar (Österreich 1989, Schweiz 1992, Deutschland 1997). In Deutschland wird
1997 die V. als eigenständiger Tatbestand aufgegeben und als besonders schwerer
Fall der sexuellen Nötigung eingeordnet.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Thornhill, R./Palmer, C., A Natural History of Rape, 2000;
Balthasar, S., Die Tatbestände der Vergewaltigung und sexuellen Nötigung, 2001;
Künzel, C., Unzucht – Notzucht – Vergewaltigung, 2003; Shaw, Y., Entwicklung
und Reform zur Vergewaltigung in der Ehe gemäß § 177 StGB, 2005; Münch, I. v.,
Frau komm!, 2009; Gebhardt, M., Als die Soldaten kamen. Die Vergewaltigung
deutscher Frauen, 2015; Gebhardt, M., Wir Kinder der Gewalt, 2019
Vergleich (1468, lat. F.
transactio) ist der gegenseitige Vertrag, durch den der Streit oder die
Ungewissheit von Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen
Nachgebens beendet wird. Der V. ist im klassischen römischen Recht ein
→Erlass, wird aber von →Justinian (527-565) hiervon abgelöst. Der
V. ist auch im deutschen Recht zulässig. Seit dem Spätmittelalter wird das
justinianische Recht aufgenommen.
Lit.: Kaser §§ 50 II 6, 53 II 3; Oertmann, P., Der
Vergleich im gemeinen Zivilrecht, 1895; Steinwenter, A., Die Streitbeendigung,
2. A. 1971; Ebel, F., Berichtung, Transactio und Vergleich, 1978; Bork, R., Der
Vergleich, 1988; Ausschüsse für Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert,
W., 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Eisenhardt, M., Sanierung statt Liquidation, 2011; Thomsch, A., David
Mevius und der (Prozess-)Vergleich, 2014
Verhaftung ist seit der frühen Neuzeit die
amtliche Festnahme eines einer Straftat Verdächtigen. Für sie verdichten sich
seit der Aufklärung die gesetzlich festzulegenden Voraussetzungen.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Baltl/Kocher; Ollinger, T.,
Die Entwicklung des Richtervorbehalts im Verhaftungsrecht, 1997
Verhältnismäßigkeit ist der Grundsatz des
Verwaltungsrechts, dass die Verwaltung unter mehreren möglichen und geeigneten
Maßnahmen nur die wählen darf, die den Betroffenen und die Allgemeinheit am
wenigsten beeinträchtigt. Der Grundsatz der V. ist an sich naheliegend, wird
aber erst im 20. Jh. artikuliert.
Lit.: Avoine, M. d’, Die Entwicklung des Grundsatzes
der Verhältnismäßigkeit, Diss. jur. Trier 1994
Verhältniswahlrecht (Proportionalwahlrecht, engl. block voting
system) ist die Art des Wahlrechts, bei der die Gesamtzahl der
Parlamentssitze auf die Parteien im Verhältnis der Gesamtstimmenzahl zu der
auf die einzelne Partei bzw. ihre Kandidatenliste im gesamten Wahlgebiet
abgegebenen Zahl der Stimmen verteilt wird (z. B. Belgien 1899, Österreich 18.
12. 1918 [1992 reformiert, mindestens ein Grundmandat oder bundesweit 4 Prozent
der Stimmen], Deutsches Reich 1919, pro 60000 Stimmen im ganzen Reich ein
Abgeordneter). Das V. bildet einen Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht. Es kann
klare politische Entscheidungen erschweren, entspricht aber den politischen
Verhältnissen im gesamten Wahlvolk besser.
Lit.: Köbler, DRG 230, 257; Smend, R., Die Verschiebung
der konstitutionellen Ordnung durch das Verhältniswahlrecht, (in) Smend, R.,
Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. A. 1968, 60
Verhandlung ist die Erörterung eines
Gegenstands durch Beteiligte, insbesondere die Erörterung vor einem Gericht.
Bei der hiervon abgeleiteten Verhandlungsmaxime des Zivilprozesses steht es
bei den Parteien, welchen Streitstoff sie dem Gericht unterbreiten, so dass
nicht notwendigerweise über die Wahrheit entschieden wird. Ein Gegensatz zum
Verhandlungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime [Gönner]) ist der Grundsatz der
Untersuchung durch das Gericht (z. B. im Inquisitionsprozess).
Lit.: Köbler, DRG 155, 201; Tiegelkamp, K., Geschichte
und Stellung der Verhandlungsmaxime, 1940; Bomsdorf, F., Prozessmaximen und
Rechtswirklichkeit, 1971
Verhör ist die eindringliche Befragung
eines Menschen durch einen andern Menschen zur Ermittlung von Umständen, insbesondere
die Befragung von Verdächtigen durch einen Ermittler.
Lit.: Eibach, J., Frankfurter Verhöre, 2003; Niehaus,
M., Das Verhör, 2003
Verjährung (1555, verjähren 1221-1224 Sachsenspiegel,
Verjährungsfrist 1784/1794) ist der durch Zeitablauf eintretende
Rechtsverlust. In fester Form wird die V. als (lat.) praescriptio (F.) temporis
aller Klagen von den römischen Kaisern Honorius (393-423) und Arcadius bzw.
Theodosius II. (424) mit einer Frist von grundsätzlich 30 (in bestimmten Fällen
auch 40, 20, 10 Jahren oder einem Jahr) eingeführt. Danach strahlt die V.
bereits auf das Frühmittelalter aus und wird später allgemein aus dem römischen
Recht aufgenommen. Mit ihr verschmilzt die →Verschweigung. Das deutsche
Bürgerliche Gesetzbuch (1900) kennt neben der regelmäßigen Verjährung binnen 30
Jahren verschiedene kürzere Verjährungsfristen. Seit 2002 ist in Deutschland
die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre festgelegt. V. gibt es auch für
die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung.
Lit.: Kaser § 4 III; Köbler, DRG 61; Kroeschell, 20.
Jh.; Unterholzner, K., Ausführliche Entwicklung der gesamten Verjährungslehre,
2. A. 1858; Schwarz, F., Bemerkungen zur Lehre von der Verjährung, 1866;
Reich, O., Die Entwicklung der kanonistischen Verjährungslehre, 1908; Iterson,
W. van, Immemoriale possessie en prescriptie, Themis 1962, 427; Schmachtenberg,
H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Ebihara, A., Savigny und die
gemeinrechtliche Verjährungslehre, ZRG RA 110 (1993), 602; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Jansen, J.,
Bezit te kwader trouw, verkrijgende en bevrijdende verjaring, 2011; Pichonnaz,
P., Ursprung und Begründung der Verjährung in historischer Sicht (in) ZEG RA
2015 511; Asholt, M., Verjährung im Strafrecht, 2016
Verkauf →Kauf
Verkaufspfand ist das bereits dem klassischen
römischen Recht bekannte, bei Pfandreife durch Verkauf der Pfandsache an einen
Dritten zu verwertende Pfand. Das V. erscheint im Mittelalter in den Städten
seit dem 13. Jh., auf dem Land seit dem 14. Jh. In der frühen Neuzeit erfolgt
der Verkauf durch das Gericht oder eine andere hierzu bestellte Einrichtung.
Nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) wird der verpfändete
Gegenstand meist durch öffentliche Versteigerung bzw. bei Grundstücken durch
Zwangsversteigerung verwertet.
Lit.: Kaser § 31; Hübner; Planitz, H., Das deutsche
Grundpfandrecht, 1912; Hromadka, W., Die Entwicklung des Faustpfandprinzips,
1971; Klink, R., Die Behandlung des Pfandrechts, 1976; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Verkehr ist ausgehend vom Vertrieb von Waren
die Bewegung oder Beförderung von Menschen oder Gegenständen auf dafür
vorgesehenen Wegen. Das Verkehrswesen ist im römischen Reich bereits hoch entwickelt.
Dieser Zustand wird erst in der Neuzeit wieder erreicht. Seit der Mitte des 18.
Jh.s und vor allem seit dem 19. Jh. verdichtet sich der V. immer mehr.
Besondere Bedeutung kommt dem Schienenverkehr (Eisenbahn, Straßenbahn), dem
Straßenverkehr (Straße, Chaussee, Autobahn, Fahrrad, Motorrad, Automobil,
Lastkraftwagen), dem Wasserverkehr (Kanal, Hafen, Schiff, Containerschiff)
und dem Luftverkehr (Ballon, Luftschiff, Flugzeug, Flughafen, Raumfahrt) zu.
Die Modernisierung der Mobilität wirkt sich auf Urbanisierung, Mobilisierung
und Globalisierung aus (schneller, öfter, weiter, mehr, billiger, bequemer,
sicherer). Für die unterschiedlichen Verkehrswege Land, Wasser, Luft und
Raum werden vor allem im 20. Jh. jeweils besondere Verkehrsregeln entwickelt.
Lit.: Köbler, DRG 113, 176, 225, 251; Untersuchungen
zu Handel und Verkehr, hg. v. Düwel, K. u. a., Bd. 1ff. 1985ff.; Helmedach, A.,
Das Verkehrssystem als Modernisierungsfaktor, 2000; Gadow, O. v., Die Zähmung
des Automobils durch die Gefährdungshaftung, 2002; Schubert, W., Die Anfänge
eines modernen Verkehrsrechts im Radfahrrecht um 1900, ZRG GA 122 (2005), 194;
Bethkenhagen, K., Die Entwicklung des Luftrechts, 2004; Merki, C.,
Verkehrsgeschichte und Mobilität, 2008; Ammoser, H., Das Buch vom Verkehr, 2014
Verkehrssicherungspflicht ist die im 20. Jh. von der
deutschen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des Eröffners eines Verkehrs,
die Benützer vor hieraus erwachsenden Gefahren zu sichern. Bei schuldhafter
Verletzung der V. ist Schadensersatz aus unerlaubter Handlung zu leisten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Voss, L., Die Verkehrspflichten,
2007; Bohrer, M., Der morsche Baum. Verkehrssicherheit und Fahrlässigkeit in
der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2010
Verkehrssitte (um 1860?) ist das übliche Verhalten im
Rechtsverkehr. Die V. kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts herangezogen
werden. Bei unvollständigen Vereinbarungen kann sie der Lückenschließung
dienen.
Lit.: Al-Shamari, N., Die Verkehrssitte im § 242 BGB, 2006
Verklarung ist im Seerecht die Einreichung
eines Berichts des Kapitäns eines Schiffes über den Hergang eines Unfalls beim
zuständigen Gericht. Die V. ist nach bereits römischrechtlichen Ansätzen im
Spätmittelalter in vielen Seerechten erkennbar. Ihr Zusammenhang mit der
allgemeinen Verschweigung ist ungewiss.
Lit.: Wöhler, A., Die Verklarung, Diss. jur. Erlangen
1913
Verknechtung ist der Verlust der Freiheit durch
Überführung in Knechtschaft. Sie erfolgt in unterschiedlichen Zeiten auf Grund
verschiedener Voraussetzungen.
Lit.: Kaser; Hübner; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Mayer-Maly, T., Das Notverkaufsrecht des Hausvaters, ZRG RA 75 (1958),
116
Verkündung ist die Kundgabe eines Gedankens.
Recht bedarf zu seiner Wirksamkeit vielfach der V. Zur Sicherung der V. werden
bereits im römischen Altertum die Zwölf-Tafel-Gesetze in Bronze auf dem Forum
(Markt) aufgestellt. In Ermangelung einer Schriftform erfolgt die V. zumindest
zunächst mündlich. Seit dem Spätmittelalter wird das geltende Recht an vielen
Orten zu bestimmten Zeiten verlesen. Seit dem 18. Jh. wird die Veröffentlichung
in Schriftform zur Voraussetzung für die Geltung eines neuen Rechtssatzes.
Lit.: Feigl, H., Von der mündlichen Rechtsweisung zur
Aufzeichnung, (in) Recht und Schrift im Mittelalter 1977, 425; Willoweit, D.,
Gebot und Verbot, Hess. Jb. f. LG. 30 (1980), 94
Verlag (1548) ist
der gewerbsmäßige Vertrieb von Erzeugnissen, insbesondere von Werken der
Tonkunst und Literatur. Der V. (z. B. von Webwaren) erscheint seit dem Spätmittelalter
(Flandern 13. Jh.), wobei der Verleger oft auch einen Teil der Geräte und
Stoffe liefert und Art und Umfang der Erzeugung der von ihm vertriebenen
Gegenstände bestimmt. In der frühen Neuzeit erfasst der V. sachlich vor allem
das Textilgewerbe und das Metallgewerbe und räumlich neben der Stadt auch das
Land. Seit dem 19. Jh. geht der V. überwiegend in der Industrie auf. In seinen
Resten außerhalb des Vertriebes von Werken der Tonkunst und Literatur
(deutsches Verlagsgesetz 1901) wird er vielfach als Heimarbeit bezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 97, 134, 175,
184; Furger, F., Zum Verlagssystem, 1927; Festschrift zum zweihundertjährigen
Bestehen des Verlages C. H. Beck, 1963; Marwinski, K., Von der Hofbuchdruckerei
zum Verlag Böhlau, 1974; Scherner, K., Handwerker und Verleger, (in) Vom
Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a., 1982, 7; Verlag C. H. Beck,
1988; Juristen im Portrait, 1988; Holbach, R., Frühformen von Verlag und
Großbetrieb, 1994; Breil, M., Die Augsburger Allgemeine Zeitung, 1996; Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Wesel, U., 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013; Recht im
Wandel europäischer und deutscher Rechtspolitik – Fesdtschrift 200 Jahre Calr
Heymanns Verlag, hg. v. Limperg, B. u. a., 2015; Henschel, U., Vermittler des
Rechts. Juristische Verlage von der Spätaufklärung bis in die frühe
Nachkriegszeit, 2015; Königseder, A., Walter de Gruyter, 2016
Verlagsrecht (1784/1794) ist objektiv die Gesamtheit der den
→Verlag betreffenden Rechtssätze und subjektiv das dem Verleger vom
Verlaggeber eingeräumte Nutzungsrecht. Seinen Ausgangspunkt nimmt das V. auf
dem Gebiet der Tonkunst und Literatur in den als Folge des Buchdrucks am Ende
des Mittelalters zunächst in Italien aufkommenden Druckerprivilegien gegen
Nachdruck. Nach einem englischen Gesetz des Jahres 1709 entwickelt sich die
Lehre vom →geistigen Eigentum, das aber zeitlich beschränkt wird. Im
preußischen →Allgemeinen Landrecht (1794) und in weiteren
Einzelstaatsgesetzen (Preußen 1837) des Deutschen Bundes wird das V. gesetzlich
geregelt. Dem folgt auf der Grundlage der Berner Übereinkunft zum Schutz von
Werken der Literatur und Kunst (1886) 1901 das deutsche Verlagsgesetz.
Lit.: Waechter, O., Das Verlagsrecht, 1857f.; Ortloff,
H., Das Autor- und Verlagsrecht, Jh. Jb. f. d. Dogmatik 5 (1861), 263; Handbuch
der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg.
v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3955; Vogel, M., Deutsche Urheber- und
Verlagsrechtsgeschichte, 1978; Hubmann, H./Rehbinder, M., Urheber- und
Verlagsrecht, 8. A. 1995; Wadle, E., Neuere Forschungen zur Geschichte des
Urheber- und Verlagsrechts, ZNR 1990, 51; Gewerblicher Rechtsschutz und
Urheberrecht in Deutschland, hg. v. Beier, F. u. a., Bd. 1 1991; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010;
Wesel, U., 250 Jahre rechtswissenschaftlicher Verlag C. H. Beck, 2013
Verlassenschaft ist die Hinterlassenschaft bzw. der Nachlass
eines Menschen. In Österreich bildet sich unter dem Einfluss der Rezeption des
römischen Rechtes seit dem 16. Jh. ein besonderes Verlassenschaftsverfahren
aus, nach dem das Erbe mit dem Erbfall nicht unmittelbar dem Erben anfällt,
sondern der ruhende Nachlass selbst zeitweiliger Rechtsträger ist. Das Gericht
oder der von ihm beauftragte Notar muss in einem nichtstreitigen Verfahren
(Außerstreitgesetz vom 9. 8. 1854, reformiert am 13. 11. 2003) grundsätzlich
den Todesfall aufnehmen, einen letzten Willen veröffentlichen, die Erbansprüche
feststellen und die Einantwortung der Erben vornehmen.
Lit.: Wesener, G., Geschichte des Erbrechtes in Österreich, 1957
Verlassungsbuch ist ein mittelalterliches
→Grundbuch.
Lit.: Deckwirth, H., Das Haus- und Verlassungsbuch der
Altstadt Hannover, Hans. Gesch.bll. N.F. 26 (1971), 1
Verletzung →Körperverletzung
Verleumdung ist die wider besseres Wissen
erfolgende Behauptung oder Verbreitung einer unwahren Tatsache in Beziehung auf
einen anderen, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen, in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden. Die V.
wird am Beginn des 19. Jh.s aus der allgemeineren Beleidigung zu einem
besonderen Straftatbestand verselbständigt. Zwischen V. und übler Nachrede
unterscheidet 1843 ein Entwurf eines preußischen Strafgesetzbuchs mit Hilfe
des Merkmals „wider besseres Wissen“.
Lit.: Hirsch, J., Ehre und Beleidigung, 1967;
Sørensen, P., The unmanly man, 1983
Verliegenschaftung (F.) Veränderung einer beweglichen
Sache zu einer Liegenschaft
Verlöbnis (1450) ist der Vertrag, durch den sich zwei Menschen
verschiedenen Geschlechts gegenseitig versprechen, die Ehe miteinander
einzugehen sowie das durch diesen Vertrag begründete Gemeinschaftsverhältnis.
Das V. ist bereits dem altrömischen Recht als ein zunächst zwischen
Gewalthaber der Braut und Bräutigam abgeschlossenes Rechtsgeschäft (lat. F.
sponsio →N.Pl.
sponsalia) bekannt, das später von der Stipulationsform gelöst wird (und seine
vielleicht anfangs vorhandene Klagbarkeit verliert). Im spätantiken römischen
Recht wird eine aus dem semitischen Brautkauf übernommene Verlöbnisgabe (lat.
arrha F.
sponsalicia) des Bräutigams an die Braut üblich und kann das V. nur noch unter
vermögensrechtlichen Nachteilen aufgelöst werden. Im germanischen Recht
einigen sich vielleicht ursprünglich auch Brautvater und Bräutigam über die
Braut. In der Folge finden die von der Kirche entwickelten Regeln Anwendung.
Hier entsteht seit dem 11. Jh. die Unterscheidung zwischen den (lat.)
sponsalia (N.Pl.) de futuro (Verlöbnis) und den (lat.) sponsalia (N.Pl.) de
praesenti (Eheschließung). Die darauf gegründete Klagbarkeit des
Eheversprechens wird im 18./19. Jh. (Österreich 30. 8. 1782 Verlöbnispatent)
wieder beseitigt. 1875 wird in Deutschland das Eherecht verweltlicht. Im 20.
Jh. verliert das V. seine rechtliche Bedeutsamkeit (Deutsche Demokratische
Republik, Bundesrepublik Deutschland 1996).
Lit.: Kaser § 58 III; Köbler, DRG 22, 58, 88;
Friedberg, E., Verlobung und Trauung, 1876; Sohm, R., Trauung und Verlobung,
1876; Lehmann, K., Verlobung und Hochzeit nach den nordgermanischen Rechten,
1882; Ciccaglione, F., Gli sponsali, 1888; Bächtold, H., Die Verlobung im
Volks- und Rechtsbrauch, 1913; Wehrli, P., Verlobung und Trauung, 1933;
Kristein, R., Die Entwicklung der Sponsalienlehre, 1966; Schwab, D., Zum
gerichtlichen Verhältnis von Verlobung und Eheschließung, FamRZ 1968, 637;
Strätz, H., Der Verlobungskuss, 1979; Siffert, R., Verlobung und Trauung, 2004;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Verlobung (1550) s.
Verlöbnis
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermächtnis (1614) ist die (letztwillige) Verfügung von Todes wegen,
durch die der Erblasser einem anderen (im Gegensatz zu einem Teil der
Erbschaft) einen einzelnen Vermögensvorteil zuwendet, ohne ihn als Erben
einzusetzen. Das V. ist bereits dem altrömischen Recht in verschiedenen Formen
bekannt (formbedürftig lat. N. →legatum
nach ius civile bzw. formfrei →fideicommissum nach Kaiserrecht). Das
Legat kann in einem Testatment oder in einem bestätigten Kodizill bestellt
werden. Mit dem römischen Recht wird seit dem Spätmittelalter auch das V.
aufgenommen. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist es (nicht
dinglich wirkendes Vindikationslegat, sondern nur schuldrechtlich wirkendes)
Damnationslegat und begründet deshalb nur einen Anspruch des
Vermächtnisnehmers gegen den Erben.
Lit.: Kaser §§ 76, 77; Söllner §§ 14, 17; Hübner §
111; Köbler, DRG 23, 38, 60, 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Eßmann, A., Vom Eigennutz zum Gemeinnutz, 2007; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermählung →Eheschließung
vermehrter Sachsenspiegel →Meißener Rechtsbuch
Vermengung (lat. [F.] commixtio) ist die Zusammenfügung
gleichartiger fester Stoffe unterschiedlicher Eigentümer zu einem ununterscheidbaren
Ganzen (z. B. Getreide). Nach römischem Recht bleibt bei nicht einvernehmlicher
V. das Eigentum am entsprechenden Anteil bestehen, während bei einvernehmlicher
V. Miteigentum entsteht. Bei V. von Geld wird ursprünglich (originär) Eigentum
erworben.
Vermischung (1524, lat. [F.] commixtio) ist der
Zusammenfluss gleichartiger Flüssigkeiten oder geschmolzener Metalle verschiedener
Eigentümer. Bei Einverständnis entsteht Miteigentum, bei fehlendem Einverständnis
bleibt das Eigentum am jeweiligen Anteil bestehen.
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vermittlungsausschuss ist der der Vermittlung zwischen
unterschiedlichen Vorstellungen zweier Gremien dienende Ausschuss. Nach
amerikanischem Vorbild kennt Deutschland seit 1949 einen V. zwischen Bundestag
und Bundesrat.
Vermögen (Wort um 1300 belegt) ist
die Gesamtheit der einer Person zustehenden Gegenstände von wirtschaftlichem
Wert einschließlich von Erwerbschancen. Für das V. gilt das jeweilige
Sachenrecht, Schuldrecht und Erbrecht. In das V. wird bei Bedarf vollstreckt.
Die Einziehung des Vermögens kann eine Strafe sein. Das V. kann mit
Vermögensteuer besteuert werden. Im römischen Recht ist Träger (Eigentümer) des
Vermögens der Vater (lat. [M.] pater familias). Später werden daneben Söldner
vermögensfähig hinsichtlich des (lat. [N.]) peculium castrense,
seit der Nachklassik Hauskinder hinsichtlich ihres Sondervermögens.
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 18 I 1, 58 II, 60 II, 85
II; Hübner; Kroeschell, DRG 1; Laband, P., Die vermögensrechtlichen Klagen,
1869; Brauweiler, H., Der Vermögensbegriff, Diss. jur. Erlangen 1910; Planitz,
H., Die Vermögensvollstreckung, 1912; Hirschberg, R., Der Vermögensbegriff im
Strafrecht, 1934; Dießelhorst, M., Das Vermögensrechtssystem Samuel Pufendorfs,
1976; Mempel, H., Die Vermögenssäkularisation, 1979; Knothe, H., Das gemeine
Kindesvermögensrecht, ZRG GA 98 (1981), 255; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U.,
3. A. 1992; Schroeder, K., Deutsches Recht und Bürgerliches Gesetzbuch, ZRG GA
109 (1992), 159; Hubig, S., Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, 2002;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Reichtum im späten
Mittelalter, hg. v. Schulte, P. u. a., 2015
Vermögensstrafe ist die auf den vollständigen oder
teilweisen Verlust des Vermögens gerichtete, bereits den Römern bekannte, von
der Aufklärung wegen der Auswirkungen auf die Familie des Betroffenen
bekämpfte, durch Gesetz vom 15. Juli 1992 in Deutschland (wieder) eingeführte,
aber durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Deutschlands vom 20. 03.
2002 wegen mangelnder Bestimmtheit als verfassungswidrig beurteilte Strafe.
Lit.: Schnieders, R., Die Geschichte der Vermögensstrafe
in Deutschland, 2002
Vermögensvollstreckung ist im römischen Recht die im 2./1. Jh. v.
Chr. neben die Personalvollstreckung tretende Vollstreckung des Gläubigers in
das Vermögen des Schuldners, wenn dieser nicht den durch Urteil bestimmten
Betrag leistet. Dabei wird der betreibende Gläubiger in den Besitz eingewiesen
und danach das Vermögen durch Versteigerung an den Meistbietenden verwertet,
wobei die Verteilung des Überschusses auf die anderen Gläubiger nach der
Reihenfolge der Urteile erfolgt.
Vermutung ist der Satz, nach dem von dem
Vorliegen eines bestimmten Umstands (grundsätzlich) auf einen bestimmten
anderen Umstand geschlossen werden soll (z. B. von Besitz auf Eigentum). Die
aus der Erfahrung des Alltagslebens erwachsende V. ist (als [lat.] praesumptio
F.)
bereits dem römischen Recht bekannt. Sie wird mit diesem später aufgenommen.
Lit.: Köbler, DRG 29; Hamza, G., Réflexions sur les
présomptions relatives aux comourants (commorientes) (in) Status familiae,
2001, 131
Vernehmung ist die Befragung eines Menschen
durch eine Behörde in einem Verfahren.
Lit.: Schumann, A., Verhör, Vernehmung, Befragung,
2016
Vernunft ist die Fähigkeit,
nachvollziehbare, verständige Entscheidungen zu treffen. Auf die V. stellt die
Aufklärung der frühen Neuzeit besonders ab. Namengebend wird die V. für das
hierauf gegründete Vernunftrecht.
Lit.: Köbler, DRG 136, 146; Neusüß, W., Gesunde
Vernunft und Natur der Sache, 1970; Pohl, M., Fliehen - Kämpfen - Kapitulieren,
2013
Vernunftrecht ist das allein durch die
→Vernunft gerechtfertigte und begründete Recht. Es ist die im 17. und 18.
Jh. vorherrschende Art des Naturrechts. Das V. nimmt seinen Ausgang von
spanischen Spätscholastikern (Francisco de →Vitoria 1483/1493-1546,
Fernando →Vazquez 1512-1569), die zwecks Gewinnung einer verlässlichen
Lösung für die am Beginn der Neuzeit entstehenden rechtlichen Fragen aus einem
als allgemein behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze
ableiten. Auf dieser Grundlage entwickelt Hugo →Grotius 1625 ein Allgemeinrecht
für alle Rechtsverhältnisse, das ausschließlich aus dem naturgegebenen Streben
(lat. M.
appetitus) des Einzelnen vernünftigerweise Verträge erfüllt, verursachte
Schäden ausgleicht und das Eigentum anderer achtet. Seine Grundsätze würden
auch dann gelten, wenn es keinen Gott gäbe oder dieser sich um die menschlichen
Angelegenheiten nicht kümmerte. Damit ist einerseits das vom Christentum auf
Gott bezogene Naturrecht verweltlicht bzw. (bei Grotius) von der Moraltheologie
emanzipiert und zu einer irdischen Sozialethik erhoben sowie andererseits die
göttliche Offenbarung der Theologie zurückgegeben. Die menschliche Vernunft
allein - nicht die geschichtliche Erfahrung - bildet den Maßstab für das Recht.
Dem folgt neben David →Mevius etwa →Pufendorf (1672), der in
geometrischer Art (lat. more geometrico) für das private Recht ein Gesamtsystem
einleuchtender Vernunftsätze bilden will. Christian →Wolff (1679-1754)
will überhaupt durch mathematisch-demonstrative, logisch-synthetische Deduktion
mit Hilfe des Syllogismus als Erkenntnissmittel aus wenigen vernunftrechtlichen
Obersätzen zur Lösung jedes einzelnen Falles kommen. Allerdings werden dabei
nur bereits als vernünftig anerkannte Sätze des geltenden Rechtes als
Naturrecht behauptet und ist die davon ausgehende Ableitung meist logisch nicht
einwandfrei. Unmittelbare Übernahmen von behaupteten Naturrechtssätzen in die
Rechtswirklichkeit sind selten. Wenig später widerlegt Immanuel →Kant
(1724-1804) die Vorstellung eines überpositiven Rechtes ohne geschichtliche
Grundlage ganz. Dennoch erfahren preußisches →Allgemeines Landrecht
(1794), →Code civil (1804) und österreichisches →Allgemeines
Bürgerliches Gesetzbuch (1811/1812) eine bedeutsame naturrechtlich-systematische
Prägung. Im Staatsrecht führt das V. zur Lehre vom Gesellschaftsvertrag (frz.
contrat social), im Strafrecht zur Humanisierung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 139, 140, 144,
145, 159, 163, 166, 207; Dulckeit, G., Naturrecht und positives Recht bei Kant,
1932, Neudruck 1973; Thieme, H., Das Naturrecht und die europäische
Privatrechtsgeschichte, 2. A. 1954; Wieacker, F., Privatrechtsgeschichte der
Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Rüping, H., Die Naturrechtslehre des Christian
Thomasius, 1968; Bärmann, J., Zur Methode des Vernunftrechts, FS zum
150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken, 1969, 3;
Carpintero-Benitez, F., Del derecho natural medieval al derecho natural
moderno, 1977; Krause, D., Naturrechtler des sechzehnten Jahrhunderts, 1979;
Luig, K., Der Einfluss des Naturrechts, ZRG GA 96 (1979), 38; Lipp, M., Die
Bedeutung des Naturrechts, 1980; Christian Wolff 1679-1754, hg. v. Schneiders,
W., 1983; Link, C., Hugo Grotius als Staatsdenker, 1983; Vernunftrecht und
Rechtsreform, hg. v. Krause, P., 1988; Bühler, T., Die Naturrechtslehre und
Christian Thomasius, 1989; Schlosser, H., Grundzüge der neueren Privatrechtsgeschichte,
9. A. 2001, 10. A. 2005
Verona an der unteren Etsch wird auf
angeblich keltischer Grundlage 89 v. Chr. römische (lat. F.)
colonia. Seit dem 3. Jh. ist es Sitz eines Bischofs, später Sitz Theoderichs
des Großen (Dietrich von Bern) und des Langobardenkönigs Alboin. Im 12. Jh.
wird es freie Kommune, die 1228 und 1276 Statuten aufzeichnet. Über Mailand
(1387), Venedig (1405) und →Österreich (1797) gelangt es 1866 zu
→Italien.
Lit.: Cipolla, C., Compendio della storia politica,
1976; Westhues, P., Die Kommunalstatuten von Verona im 13. Jahrhundert, 1995
Verordnung ist die behördliche Anordnung an
eine unbestimmte Zahl von Personen für eine unbestimmte Zahl von Fällen. Sie
erscheint sachlich mit dem Auftreten von Herrschaft, also etwa bereits im römischen
Altertum oder im Frühmittelalter (z. B. →Kapitularien). Systematisch
erfasst wird sie aber erst seit der frühen Neuzeit. Seitdem steht sie vor allem
dem Gesetz gegenüber. →Notverordnung
Lit.: Köbler, DRG 227; Sammlung der churbaierischen
Generalien und Landesverordnungen, 1771; Gerstlacher, C., Sammlung aller
baden-durlachischen Anstalten und Verordnungen, Bd. 1ff. 1772f.; Handbuch aller
unter der Regierung Josefs II. ergangenen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1785; Sammlung aller kaiserlich-königlichen Verordnungen und Gesetze, Bd. 1ff.
1786/7; Jellinek, G., Gesetz und Verordnung, 1887, Neudruck 1964; Seitz, J.,
Die landständische Verordnung in Bayern, 1999; Höner, M., Die Diskussion um das
richterliche Prüfungsrecht und das monarchische Verordnungsrecht, 2001
verpachten →Pacht
Verpfählung
Lit.: Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (19219, 110;
Müller, K., Der Rechtsbrauch des Verpfählens, ZRG GA 42 (1921), 110
verpfänden (als Pfand geben), durch Rechtsgeschäft
ein Pfandrecht als beschränktes dingliches Recht an einer Sache eines anderen
begründen
Lit.: Werminghoff, A., Die Verpfändungen der mittel-
und niederrheinischen Reichsstädte, 1893; Kleinbub, M., Das Recht der
Übertragung und Verpfändung von Liegenschaften in der Reichsstadt Ulm, 1960;
Landwehr, G., Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mittelalter, 1967
Verpflichtung (1307, F.) Obligation, Schuld, Verbindlichkeit
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verpflichtungsgeschäft ist das bereits dem römischen Recht
bekannte, eine →Verpflichtung begründende Rechtsgeschäft (z. B. Kauf) im
Gegensatz zu dem diese Verpflichtung tilgenden Erfüllungsgeschäft (z. B.
Übereignung), das →Verfügungsgeschäft ist. Das V. verändert die
dingliche Rechtslage an der betroffenen Sache nicht, begründet aber relative
Rechte und Pflichten des Gläubigers und Schuldners in Bezug auf das daraufhin
vorzunehmende Verfügungsgeschäft.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 11, 15 I, 60 II, 62 III 2; Köbler,
DRG 46
Verrat ist die unbefugte, treuwidrige Offenbarung
eines Geheimnisses. Bereits bei den Germanen folgt dem Volksverrat die Tötung
durch Aufhängen. Im Übrigen werden die verschiedenen Fälle von V. (Hochverrat,
Landesverrat) im Einzelnen unterschiedlich verfolgt.
Lit.: Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899,
Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff.,
Neudruck 1964; Illmer, F., Treubruch, Verrat und Felonie, Diss. jur. Breslau
1937; Ritter, J., Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, 1942
Verrichtungsgehilfe ist nach dem deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ein Mensch, dem von einer anderen Person, von
deren Weisungen er mehr oder weniger abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen
worden ist. Der Geschäftsherr hat für vermutetes Verschulden bei Auswahl und
Überwachung eines schädigenden Verrichtungsgehilfen einzustehen.
Lit.: Köbler, DRG 216, 271; Niethammer, G.,
Entwicklung der Haftung für Gehilfenhandeln, 1973; Wicke, H., Haftung für
Verrichtungsgehilfen, (in) Kontinuitäten und Zäsuren, 1999, 165; Wicke, H.,
Respondeat superior, 2000; Bodenhausen, E. Frhr. v., Haftung des Geschäftsherrn
für Verrichtungsgehilfen, 2000
Versailles ist der südwestlich von Paris gelegene,
1037 erstmals bezeugte und 1561 mit Marktrecht begabte Ort, an dem Ludwig XIV.
im 17. Jh. ein Schloss errichten lässt, das dem König von Frankreich als
Residenz dient. Am 18. 1. 1871 wird in V. der König von Preußen zum Kaiser von
Deutschland ausgerufen. Am 28. 6. 1919 wird in V. der in 15 Teile mit 440
Artikeln gegliederte, von vielen als Diktat betrachtete, aber auch den Wunsch
Frankreichs nach Zerschlagung Deutschlands oder nach Gewinnung der Rheingrenze
verhindernde, ohne Beteiligung des Deutschen Reiches entstehende, den Wiederaufstieg
Deutschlands in wenigen Jahren zur potentiell stärksten Macht Europas ermöglichende
Friedensvertrag der alliierten Siegermächte des ersten Weltkriegs mit dem
Deutschen Reich unterzeichnet (Verlust eines Zehntels des Staatsgebiets
[Elsass, Lothringen, Westpreußen, Posen], Kriegsschuld, Reparationsverpflichtungen,
Heereseinschränkung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Keynes, J.,
Krieg und Frieden – Die wirtschaftlichen Folgen des Vertrages von Versailles,
hg. v. Hauser, D., 2014; Berber, F., Das Diktat von Versailles, 1939; Haffner,
S. u. a., Der Vertrag von Versailles, 1978; Versailles 1919, hg. v. Krumeich,
G., 2001; Kolb, E., Der Friede von Versailles, 2005; Kraus, H., Versailles und
die Folgen, 2013
Versammlungsfreiheit ist das Recht, sich ohne Anmeldung
oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Die V. entwickelt sich
im 19. Jh. zu einem Grundrecht.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Maltzahn, R. Frhr. v., Das
Versammlungsgesetz vom 24. Juli1953, 2017
Versäumnisverfahren ist das bei Säumnis einer Partei
betreibbare Gerichtsverfahren. Es ist bereits dem römischen Recht bekannt
(str.), wobei es dem Kläger nur begrenzt möglich ist, die Teilnahme des
Beklagten außerhalb seines Wohnorts zu erzwingen. In der Gegenwart wird bei
Säumnis des Beklagten nach dem Vorbild des sächsischen Prozesses auf der
Grundlage des Vortrags des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, bei Säumnis
des Klägers die Klage abgewiesen.
Lit.: Kaser §§ 84 II, 87; Köbler, DRG 34; Planck, J.,
Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879, Neudruck 1973, 268; Mitteis, H.,
Studien zur Geschichte des Versäumnisurteils, ZRG GA 42 (1921), 137; Kulessa,
M., Ladungsungehorsam und prozessuale Säumnis, Diss. jur. Frankfurt am Main
1964; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster
1966; Reinschmidt, T., Die Einleitung des Rechtsganges, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1968, 123; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess, 1971;
Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973; Steinhauer, T.,
Versäumnisurteile in Europa, 1996; Rüfner, T., Gerichtsstand und Ladungszwang,
2009
Verschollenheit (1809) ist das Fehlen von Nachrichten über das Leben oder
Versterben eines Menschen, dessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt
ist und an dessen Fortleben nach den Umständen ernstliche Zweifel bestehen. Die
V. wird bereits im römischen Recht erfasst (Auflösung der Ehe,
Kriegsverschollenheit lat. ius postliminii).
Im 18. Jh. wird für die V. das Verfahren der →Todeserklärung
eingerichtet. Dieses ist in der deutschen Gegenwart im besonderen Verschollenheitsgesetz
(15. 1. 1951) geregelt. Am 6. 4. 1950 wird die Konvention der Vereinten
Nationen über die Todeserklärung Verschollener vereinbart.
Lit.: Kaser § 58 VII 1a; Köbler, DRG 120, 160, 206,
237, 266; Schmidt, R., Die Verschollenheit, 1938; Arnold, E., Verschollenheit,
1951; Strebel, H., Die Verschollenheit als Rechtsproblem, 1954; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 199; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Bertrand, A., Zur
Entwicklung des Verschollenheitsrechts, 2013
Verschulden (Wort 1636 belegt) ist das objektiv pflichtwidrige und
subjektiv vorwerfbare Verhalten (str.) eines schuldfähigen Menschen. Das V. ist
bereits im römischen Recht ein bedeutsames Merkmal für Strafe und
Schadensersatz (lat. F. culpa, M.
dolus). Für das ältere deutsche Recht wird überwiegend von einer
→Erfolgshaftung ausgegangen, ohne dass ausgeschlossen werden kann, dass
nicht doch auch Verschuldensgesichtspunkte selbverständlich
mitberücksichtigt werden. Im 19. Jh. setzt sich das dem Liberalismus entgegenkommende
Verschuldensprinzip durch (Egid von Löhr 1806/1808, Hasse 1815, Ihering
1867), doch wird gleichzeitig eine Schadensersatzpflicht aus
→Gefährdungshaftung (Preußen 1838 für Eisenbahnen u. s. w.) geschaffen. In der Folge wird im
Strafrecht das V. subjektiv, im Privatrecht objektiv bestimmt. Im Eherecht
kann eine schuldhafte Verletzung einer ehelichen Pflicht in der Neuzeit einen
Grund für die Ehescheidung darstellen. In Deutschland wird dieses
(vorwerfbare) V. 1976 durch die (objektive) Zerrüttung ersetzt, in Österreich
1978 die einvernehmliche Ehescheidung ermöglicht und 1999 unter Aufgabe der absoluten
Ehescheidungsgründe ein einziger relativer Verschuldensehescheidungstatbestand
geschaffen.
Lit.: Kaser; Hübner; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG
128, 209, 214, 216; Luig, K., Überwiegendes Mitverschulden, Ius commune 2
(1969), 187; Benöhr, H., Die Entscheidung für das Verschuldensprinzip, TRG 46
(1978), 1; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Verschwägerung (F.) verwandtschaftsähnliche
Verbindung durch Heirat (ein Mensch ist mit den Verwandten seines Ehegatten
verschwägert, nicht verwandt)
Lit.: Gernhuber, J., Die Schwägerschaft als Quelle
gesetzlicher Unterhaltspflichten, FamRZ 1955, 193
Verschweigung ist die Unterlassung der
Geltendmachung eines Rechtes bzw. die Duldung eines fremden Eingriffes in ein
Recht, die seit dem Mittelalter meist nach →Jahr und Tag zum Verlust des
Rechtes führt. In der Neuzeit wird die V. vor allem von der →Verjährung
und der →Ersitzung verdrängt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 125, 163;
Immerwahr, W., Die Verschweigung, 1895; Schulte, H., Die Verschweigung, Diss.
jur. Köln 1966; Schmachtenberg, H., Die Verschweigung, Diss. jur. Frankfurt am
Main 1971
Verschwender (lat. M.
prodigus) ist, wer länger unnütze und übermäßige Ausgaben tätigt. Der V. erhält
schon nach altrömischem Recht einen treuhänderisch handelnden Pfleger (lat. M.
curator). Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. Der V.
kann entmündigt werden, ohne dass dies rechtstatsächlich häufig erfolgt. Seit
1. 1. 1992 steht in Deutschland an der Stelle der →Entmündigung die
→Betreuung.
Lit.: Kaser §§ 14 V, 64; Hübner; Köbler, DRG 22;
Schwarz, A., Die Entmündigung des Verschwenders, 1891; Trompetter, J., Die Entmündigung
wegen Verschwendungssucht, 1996; Griebl, L., Die Behandlung von Verschwendern
und Geisteskranken, 2010
Versenken im Moor ist die Art der Tötung, die nach
Tacitus bei den Germanen der Unzucht folgt. →Moorleiche
Lit.: Köbler, DRG 71; Wilda, W., Das Strafrecht der
Germanen, 1842, Neudruck 1960; Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922
Versicherung (1490) ist die Schaffung von Sicherheit durch ein Verhalten,
insbesondere der Erwerb eines Anspruchs auf eine Schadensausgleichsleistung
eines Versicherers durch regelmäßige Vorleistungen eines Versicherten. Die
V. entsteht vielleicht bereits im Frühmittelalter, spätestens jedoch im Hochmittelalter
auf der Grundlage der Gegenseitigkeit der Schadenshilfe (Diebstahl, Brand, Beerdigungskosten,
Lösegeldzahlung, Schiffsverlust Italien 14. Jh.).
Sie wird ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen Versicherer (Versicherungsgemeinschaft)
und (einzelnem) Versicherungsnehmer. Sie gewinnt seit der frühen Neuzeit an
Bedeutung. Seit dem 17. Jh. wird die →Lebensversicherung möglich. Neben
die genossenschaftliche Gegenseitigkeit tritt dabei bald die unternehmerische
Versicherungsaktiengesellschaft. Der absolute Staat führt zwecks
allgemeiner Wohlfahrt die Zwangsversicherung für einzelne Schadensgefahren (Preußen
1718 Brandversicherung) ein. 1908 wird im Deutschen Reich ein
Versicherungsvertragsgesetz für die zunehmenden Versicherungen geschaffen,
über die der Staat (Preußen 1781) die Aufsicht führt. Dieses Gesetz wird in
Deutschland zum 1. 1. 2008 neu gefasst. Neben der sich mit zunehmender
Globalisierung stark internationalisierenden Privatversicherung steht
die von Otto von Bismarck zur Abwehr sozialistischer Gefahren für den Staat
1881/1884 aufgegriffene →Sozialversicherung (Zwangsversicherung
gegen Arbeitsunfall als Arbeitnehmer, Krankheit als Arbeitnehmer, Invalidität
als Arbeitnehmer, Alter als Arbeitnehmer u. s. w.),
die auch einen entsprechend hohen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.
Lit.: Köbler, DRG 128, 167, 184, 216, 243; Bensa, E.,
Il contratto di assicurazione, 1884; Helmer, G., Die Geschichte der privaten
Feuerversicherung, Bd. 1f. 1925/6; Ebel, W., Die Hamburger Feuerkontrakte,
1936; Schmitt-Lermann, H., Der Versicherungsgedanke im deutschen Geistesleben
des Barock und der Aufklärung, 1954; Raynes, H., A History of British
Insurance, 2. A. 1964; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren
europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff.,
2,1,848; Koch, P., Epochen der Versicherungsgeschichte, 1967; Schöpfer, G.,
Sozialer Schutz im 16.-18. Jahrhundert, 1976; Koch, P., Bilder zur
Versicherungsgeschichte, 1978; Peters, H., Die Geschichte der sozialen
Versicherung, 3. A. 1978; Ebel, F., Die Anfänge der rechtswissenschaftlichen
Behandlung, Z. f. d. ges. VersWiss 34 (1980), 7; Nehlsen-von Stryk, K., Die
venezianische Seeversicherung, 1986; Duvinage, A., Die Vorgeschichte und die
Entstehung des Gesetzes über den Versicherungsvertrag, 1987; Hofmann, E.,
Privatversicherungsrecht, 3. A. 1991; Neugebauer, R., Versicherungsrecht vor
dem Versicherungsvertragsgesetz, 1990; Dreyer, T., Die Assekuranz- und
Havereyordnung der freien und Hansestadt Hamburg von 1731, 1990; Ebel, W.,
Quellennachweis und Bibliographie zur Geschichte des Versicherungsrechts, hg.
v. Ebel, F., 1993; Koch, P., Die Behandlung des Versicherungsvertrags im
preußischen Allgemeinen Landrecht, Versicherungsrecht 1994, 629; Wandel, E.,
Banken und Versicherungen, 1997; Koch, P., Geschichte der
Versicherungswissenschaft, 1998; Van Niekerk, J., The Development of the
Principles of Insurance Law in the Netherlands, 1998; Schewe, D., Geschichte
der sozialen und privaten Versicherung im Mittelalter in den Gilden, 2000;
Feldman, G., Die Allianz und die deutsche Versicherungswirtschaft, 2001;
Principles of European Insurance Contract Law, hg. v. Basedow, J. u. a., 2009;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Röder, T., From Industrial to Legal Standardization 1871-1914, 2012;
Koch, P., Geschichte der Versicherungswirtschaft in Deutschland, 2012;
Hellwege, P., Die historische Rechtsvergleichung und das europäische
Versicherungsrecht, ZRG 131 (2014), 226; Kilian, M., Das Gesetz über die
privaten Versicherungsunternehmen von 1901, 2015; Fluch, F., Schwarzbuch Versicherungen,
2015; Bähr, J./Kopper, C., Munich Re – die Geschichte der Münchener Rück
1880-1980, 2015; Eggenkämper, B. u. a., Die Allianz, 2015
Versicherung an Eides Statt
Lit.: Lex, P., Die Versicherung an Eides Statt, Diss. jur. Zürich 1967
versio (F.) in rem (lat.) Verwendung auf eine Sache
Lit.: Kaser §§ 11 II, 49 II
Versionsklage (lat. actio F.
de in rem verso) ist im römischen Recht die Klage auf das zu einer Bereicherung
des Vermögens des Geschäftsherrn seitens des Sklaven Verwendete, die Justinian
(527-565) auf eine Haftung des Geschäftsherrn aus dem Handeln Gewaltfreier
erweitert. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) geht die V. in den
Bereicherungsansprüchen auf.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Kupisch, B., Die
Versionsklage, 1965
Versitzung ist der Rechtsverlust des bisherigen
Berechtigten beim Rechtserwerb durch →Ersitzung.
Versorgungsausgleich ist der Ausgleich der Ansprüche auf
sozialversicherungsrechtliche Versorgung außerhalb eines aktiven Dienstverhältnisses
zwischen zwei Ehegatten im Falle der Ehescheidung. Der V. wird in Deutschland
1976 eingeführt. Der Ehegatte mit geringeren Versorgungsansprüchen hat einen
Anspruch auf Ausgleich aus den Versorgungsansprüchen des anderen Ehegatten.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 267; Haibach,
U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 169
Versprechen (1632) ist
die Zusage einer Leistung oder das fehlerhafte Sprechen.
Lit.: Die Ordnung des Versprechens, hg. v. Schneider, M., 2005;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Verstaatlichung ist die Überführung von
Privateigentum in Eigentum des Staates. Sie ist im Rechtsstaat als
→Enteignung nur gegen Entschädigung zulässig. Sie ist in der
Marktwirtschaft selten.
Lit.: Stiefel, D., Verstaatlichung und Privatisierung
in Österreich, 2011
Versteigerung ist der öffentliche Verkauf eines
Gegenstands an den Meistbietenden. Die V. ist bereits dem römischen
Prozessrecht bekannt. Sie wird in den mittelalterlichen Städten erneut
aufgegriffen. Sie kann privatrechtlich oder öffentlichrechtlich durchgeführt
werden. Besonders bedeutsam ist sie in der →Zwangsvollstreckung
(→Zwangsversteigerung).
Lit.: Kaser § 85 II 2b; Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Dunkel, H., Öffentliche Versteigerung und gutgläubiger Erwerb, 1970;
Mannheims, H./Oberem, P., Versteigerung, 2003
Verstümmelung ist die Entfernung oder
Unbrauchbarmachung eines Teiles des menschlichen Körpers durch unmittelbare
mechanische Einwirkung (z. B. Abhacken der Hand, Ausreißen der Zunge, Blenden,
Brandmarken, Kastrieren, Lähmen). Die V. wird als Strafe bereits im römischen
Altertum verwendet. Mit der peinlichen Strafe tritt sie im Mittelalter hervor.
Von der Aufklärung der Neuzeit wird sie bekämpft und schließlich beseitigt. Als
→Maßnahme der Sicherung und Besserung wird aber die Kastration zwischen
1933 und 1945 im Deutschen Reich wieder durchgeführt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Mommsen, T., Römisches
Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Browe, P., Zur Geschichte der
Entmannung, 1936; Köbler, G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Versuch ist im Strafrecht die Betätigung
des Entschlusses zur Begehung einer Straftat durch Handlungen, die zur Verwirklichung
des gesetzlichen Tatbestands unmittelbar ansetzen, aber nicht zur Vollendung
führen. Der V. ist so alt wie die Straftat. Er wird anfangs aber nur als verselbständigte
Tat bestimmter Fälle erfasst (z. B. Messerziehen als Vorstufe einer
Körperverletzung). In Italien befassen sich jedoch bereits die Glossatoren
verstärkt auch mit den die Anfänge einer Straftat betreffenden Textstellen. In
der frühen Neuzeit wird der V. als solcher gesehen (Constitutio Criminalis
Bambergensis 1507) und dann einschließlich des →Rücktritts als
allgemeine Figur in den allgemeinen Teil des Strafrechts aufgenommen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 91, 119, 158,
204; Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Hemmer,
R., Warum war der Verbrechensversuch nach altgermanischem Recht straflos?, 1963
(9 S.); Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, 1930, Neudruck
1973, 157; Sellner, D., Der Durchbruch der Lehre vom Verbrechensversuch, 1961;
Hellbling, E., Versuch, Notwehr und Mitschuld, FS H. Eichler, 1977, 241;
Kracht, H., Die Entwicklung des strafrechtlichen Versuchsbegriffs, Diss. jur.
Würzburg 1978; Glöckner, H., Cogitationis poenam non patitur (D. 48. 19. 18).
Zu den Anfängen einer Versuchslehre in der Jurisprudenz der Glossatoren,
1989, 1989; Müller, M., Die geschichtliche Entwicklung des Rücktritts vom
Versuch, 1995
Verteidiger ist der Beistand des Beschuldigten
im Strafverfahren. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, gewinnt aber
insbesondere erst als Folge des neuzeitlichen Inquisitionsverfahrens im
Rechtsstaat des 19. Jh.s an Gewicht. →Strafverteidiger
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 34, 203, 264;
Henschel, J., Die Strafverteidigung, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1972;
Armbrüster, K., Die Entwicklung der Verteidigung in Strafsachen, 1980;
Hettinger, M., Das Fragerecht der Verteidigung, 1985; Klein, H., Der
Strafverteidiger, 1996; Falk, U., Zur Geschichte der Strafverteidigung, ZRG GA
117 (2000), 395; Garlati, L., Die Verteidigung hat das Wort, 2011; Mehlich, A.,
Der Verteidiger in den Strafprozessen gegen die Rote Armee Fraktion, 2012;
Zwischen den Fronten – Verteidiger, Richter und Bundesanwälte im Spannungsfeld
von Justiz, Politik, APO und RAF, hg. v. Diewald-Kerkmann, G. u. a., 2013
Vertrag (Wort 1287 belegt, Vertragsabschluss 1863,
Vertragserbe 1896, Vertragsverhältnis 1863, vertragswidrig 1807) ist das grundsätzlich durch zwei
einander wechselseitig entsprechende Willenserklärungen zustandekommende,
zweiseitige →Rechtsgeschäft. Der V. erscheint mit den Anfängen des Rechtes
(Tausch, Schenkung, Ehe). Die römische Jurisprudenz unterscheidet mehrere
verschiedene Arten (→Realkontrakt, →Verbalkontrakt,
→Litteralkontrakt, →Konsensualkontrakt). In der hochmittelalterlichen
Kirche entwickelt sich entgegen dem römischrechtlichen Ausgangspunkt (lat.
ex nudo pacto actio non oritur, aus einem bloßen Vertrag entsteht kein Klaganspruch)
die Vorstellung von der Verbindlichkeit jeglichen Vertrags. Vielleicht geht
der Durchbruch der Vorstellung von der Klagbarkeit aller Verträge auch im weltlichen
Recht auf Matthaeus Wesenbeck (Antwerpen 1531-Wittenberg 1586) zurück (1582).
Als allgemeine Grundfigur wird der V. in der frühen Neuzeit (16.-18. Jh.)
erfasst. Die einzelnen Vertragsarten werden unter Aufgabe geschichtlich bedingter
Einzelheiten im Wesentlichen aus dem römischen Recht übernommen. Im deutschen
Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist der V. im allgemeinen Teil geordnet. Die
Regeln über den privatrechtlichen V. gelten im Wesentlichen auch für den V.
zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossenen sowie für den wohl erst im 19.
Jh. anerkannten öffentlichrechtlichen V. →Gesellschaftsvertrag
Lit.: Kaser §§ 5 II, 8 I, II; Kroeschell, DRG 2;
Köbler, DRG 42, 125, 127, 140, 164, 181, 208, 249, 259; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 6 1989, 901; Stobbe, O., Zur Geschichte des deutschen
Vertragsrechts, 1855; Karsten, C., Die Lehre vom Vertrag, 1882; Puntschart, P.,
Schuldvertrag und Treuegelöbnis, 1896; Charmatz, H., Zur Geschichte und
Konstruktion der Vertragstypen, 1937; Mitteis, H., Politische Verträge im
Mittelalter, ZRG GA 67 (1950), 76; Trusen, W., Wiener Vertragslehren des 14.
Jahrhunderts, Diss. jur. Mainz 1957; Söllner, A., Die causa im Kondiktionen-
und Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 182; Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Politische Verträge des
frühen Mittelalters, hg. v. Classen, P., 1966; Stoljar, S., A History of
Contract at Common Law, 1975; Kiefner, H., Der abstrakte obligatorische
Vertrag, (in) Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2
1977, 74; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Nanz, K., Die
Entstehung des allgemeinen Vertragsbegriffs, 1985; Landau, P., Hegels
Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59
(1973), 117; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht wegen
Vertragsverletzungen, 1990; Towards a general law of contract, ed. by Barton,
J., 1990; Gordley, J., The Philosophical Origins of Modern Contract Doctrine,
1991; Bühler, D., Die Entstehung der allgemeinen Vertragsschluss-Vorschriften,
1991; Lambrecht, P., Die Lehre vom faktischen Vertragsverhältnis, 1994;
Deyerling, A., Die Vertragslehre, 1996; Oechsler, J., Gerechtigkeit im modernen
Austauschvertrag, 1997; Volante, R., Il sistema contrattuale del diritto comune
classico, 2001; Reiter, C., Vertrag und Geschäftsgrundlage im deutschen und
italienischen Recht, 2002; Ikadatsu, Y., Der Paradigmawechsel der
Privatrechtstheorie und die Rekonstruktion der Vertragstheorie, 2002;
Immenhauser, M., Das Dogma von Vertrag und Delikt, 2006; Meß, C., Das
Vertragsrecht bei Adam Smith, 2007; Harth, C., Der Mythos von der Zerstörung
des Vertrags, 2008; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Fichte, R., Die Begründung des Militärdienstverhältnisses,
2010; Decock, W., Theologians and Contract Law, 2013; Kleinschmidt, H.,
Diskriminierung durch Vertrag und Krieg, 2013; Astorri, P., Lutheran Theology
and Contract Law in Early Modern germany (ca. 1520-1720), 2019
Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte ist der von der deutschen
Rechtsprechung im späten 20. Jh. (um 1960) entwickelte Vertrag, der bestimmte
schützenswerte Dritte in den Schutz eines von anderen abgeschlossenen Vertrags
einbezieht, um den unzureichenden Schutz des Deliktsrechts auszugleichen (seit
2002 in Deutschland § 311 III BGB).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270; Krings,
S., Die Vorgeschichte des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter im
Mietrecht, 2013; Lakenberg, T., Kinder, Kranke, Küchenhilfen - Wie das
Reichsgericht nach 1900 die Schutzwirkung von Verträgen zugunsten Dritter erweiterte,
2014
Vertrag zugunsten Dritter (1845) ist der einen Dritten
begünstigende Vertrag (z. B. Lebensversicherung zugunsten der Hinterbliebenen).
Er wird nach älteren vernunftrechtlichen Ansätzen in der zweiten Hälfte des
19. Jh.s ausgebildet. Im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (1900) ist er knapp
geregelt.
Lit.: Kaser §§ 34 I 2e, 53 I 3; Söllner §§ 18, 23;
Hübner 548; Köbler, DRG 165, 208, 214; Busch, F., Doktrin und Praxis über die
Gültigkeit von Verträgen zugunsten Dritter, 1860; Tartufari, L., Dei contratti
a favore di terzi, 1889; Wesenberg, G., Verträge zugunsten Dritter, 1949;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Lakenberg, T., Kinder,
Kranke, Küchenhilfen - Wie das Reichsgericht nach 1900 die Schutzwirkung von
Verträgen zugunsten Dritter erweiterte, 2014
Vertragsaufhebung ist die überall und jederzeit
mögliche Beseitigung eines Vertrags durch einen zweiten Vertrag der Beteiligten.
Lit.: Knütel, R., Contrarius consensus, 1968
Vertragsfreiheit (Wort 1860 belegt, Privatautonomie)
ist die Freiheit in Abschluss, Form und Inhalt eines Vertrags. Sie ist als
Grundsatz am Beginn des Rechtes vorauszusetzen, wird aber geschichtlich
verschiedentlich eingeschränkt (z. B. durch Typenzwang, Höchstpreise, Zwangswirtschaft u. s. w.). Im römischen Recht bestehen
demgegenüber viele Einschränkungen (z. B. Typenzwang). In der Kirche wird
schon im Hochmittelalter die Verbindlichkeit aller Versprechen gefordert. Das
Naturrecht (Hugo Grotius) fördert die V. Der Liberalismus des 19. Jh.s setzt
sich erfolgreich für die V. ein (z. B. Art. 1134 Cc Frankreichs von 1804). Der
Sozialismus schränkt andererseits aus gesellschaftspolitischen Überlegungen
die V. verschiedentlich ein. Auch Verbraucherschutz seit dem ausgehenden 20.
Jh. bedeutet Beschränkung der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 214, 240;
Scherrer, W., Die geschichtliche Entwicklung des Prinzips der Vertragsfreiheit,
1948; Kaiser, A., Zum Verhältnis von Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung,
1962; Wolter, U., Ius canonicum in iure civile, 1975; Atiyah, P., The Rise and
Fall of Freedom of Contract, 1979; Höfling, W., Vertragsfreiheit, 1991; Hofer,
S., Vertragsfreiheit am Scheideweg, 2006; Keiser, T., Vertragszwang und
Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der frühen Neuzeit bis in die Moderne,
2013
Vertragsrecht ist die Gesamtheit der einen
→Vertrag betreffenden Rechtssätze.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Stobbe, O., Zur Geschichte
des deutschen Vertragsrechts, 1855; Dilcher, H., Der Typenzwang im
mittelalterlichen Vertragsrecht, ZRG RA 77 (1960), 270; Landau, P., Hegels
Begründung des Vertragsrechts, Archiv f. Rechts- und Sozialphilosophie 59
(1973), 117; Hausmaninger, H., Casebook zum römischen Vertragsrecht, 5. A.
1995; Mattiangeli, D., Vorteile der Romanistas im römischen Recht, 2009;
Grundlagen eines europäischen Vertragsrechts, hg. v. Arnold, S., 2014
Vertragsstrafe (Wort 1897, lat. F.
poena) ist die meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den
Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit
verspricht. Die V. ist bereits dem römischen Recht als eine Art der
→Stipulation bekannt. Im Frühmittelalter sichert sie die Erfüllung. Seit
dem Spätmittelalter wird die V., gefördert von der Kirche, aus dem römischen
Recht aufgenommen und allgemein anerkannt. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch
(1900) bejaht sie unter Wahrung der vom Naturrecht begünstigten richterlichen
Ermäßigungsmöglichkeit.
Lit.: Kaser §§ 40 I 4b, 58 III 2; Hübner 552;
Kroeschell, DRG 2; Loening, R., Der Vertragsbruch, 1876; Sjögren, W., Über die
römische Konventionalstrafe und die Strafklauseln der fränkischen Urkunden,
1896; Boye, F., Über die Poenformeln, AUF 6 (1918), 77; Flineaux, A.,
L’evolution du concept du clause pénale, (in) Mélanges Fournier, 1929; Lang,
H., Schadensersatz und Privatstrafe, 1955; Wieling, H., Interesse und
Privatstrafe, 1970; Knütel, R., Stipulatio poenae, 1976; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Sossna, R., Die Geschichte der
Begrenzung von Vertragsstrafen, 1993; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vertragsverletzung →Leistungsstörung, positive
Forderungsverletzung
Lit.: Harting, F., Die positive Vertragsverletzung,
Diss. jur. Hamburg 1967
Vertrauen
Lit.: Timmer, J., Vertrauen – Eine Ressource
im politischen System der römischen Republik, 2017
Vertrauenshaftung ist die in der zweiten Hälfte des
20. Jh.s geforderte Haftung für die Verletzung eines Vertrauens. →Treu
und Glauben
Lit.: Canaris, C., Die Vertrauenshaftung, 1971;
Vertrauen, hg. v. Frebert, U., 2003
Vertrauensschaden ist der Schaden der darin besteht, dass ein Rechtsgeschäftspartner
auf die Gültigkeit des (mangelhaften) Rechtsgeschäfts vertraut.
Vertreibung ist die durch Gewalt oder Drohung
erreichte Entfernung von Menschen von einem von ihnen besessenen Ort (z. B.
Entdeutschung in Mitteleuropa nach dem zweiten Weltkrieg im Umfang von
vielleicht 12,5 oder 15 Millionen Menschen). Sie ist völkerrechtswidrig.
Unrecht kann durch zuvor begangenes Unrecht nicht zu Recht werden und kein
Opfer rechtfertigt ein anderes.
Lit.: Dokumente der Vertreibung der Deutschen aus
Ostmitteleuropa, hg. v. Bundesministerium für Vertriebene, Bd. 1ff. 1958ff.;
Wenninger, M., Man bedarf keiner Juden mehr, 1980; Die Vertreibung der
Deutschen aus dem Osten, hg. v. Benz, W., 1985; Nawratil, H., Schwarzbuch der
Vertreibung, 4. A. 1999; Unsere Heimat ist uns fremd geworden, hg. v.
Borodziej, W. u. a., Bd. 1ff. 2000ff.; Vertriebene in Deutschland, hg. v.
Hoffmann, D. u. a., 2000; Erzwungene Trennung. Vertreibungen und Aussiedlungen
in und aus der Tschechoslowakei 1938-1947 im Vergleich mit Polen, Ungarn und
Jugoslawien, hg. v. Brandes D. u. a., 2000; Brandes, D. Der Weg zur Vertreibung
1938-1945, 2001; Nitschke, B., Vertreibung und Aussiedlung der deutschen
Bevölkerung aus Polen 1945 bis 1949, 2003; Glotz, P., Die Vertreibung, 2003;
Vertreibung europäisch erinnern, hg. v. Bingen, D. u. a., 2003; Urban, T., Der
Verlust, 2004; Stickler, M., Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch, 2004; Schwarz, M.,
Vertriebene und Umsiedlerpolitik, 2004;
Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung, hg. v. Brunnbauer, U. u. a., 2006;
Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung. Mittel- und Osteuropa
1939-1959, hg. v. Sienkiewicz, W. u. a., 2009; Lexikon der Vertreibungen, hg.
v. Brandes, D. u. a., 2010; Beer, M., Flucht und Vertreibung der Deutschen,
2011; Steinbach, E., Die Macht der Erinnerung, 2. A. 2011; Kacprzak, P., Die
Zwangsaussiedlung der Deutschen aus Polen 1945-1949, 2011; Douglas, R.,
Ordnungsgemäße Überführung, 2012; Demshuk, A., The Lost German East,l 2012;
Schwartz, M., Ethnische „Säuberungen“ in der Moderne, 2013; Piskorski, J., Die
Verjagten, 2013; War die Vertreibung Unrecht?, hg. v. Koch, C., 2015
Vertreter (Wort 1390) s. Stellvertreter
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
vertretbar (wegen der Bestimmung nach Zahl,
Maß oder Gewicht ersetzbar, annehmbar)
Lit.: Köbler, DRG 39; Rüfner, T., Vertretbare Sachen?,
1999
Vertretung (Wort um 1500) →Stellvertretung
Lit.: Köbler, DRG 43, 44, 87, 116, 165, 208, 214;
Gottwald, F., Die Vertretung des kleinen nichtadeligen Grundbesitzes, Diss.
jur. Greifswald 1915; Henze, G., Das Handeln für andere vor Gericht im
lübischen Recht, Diss. jur. Göttingen 1959; Ständische Vertretungen in Europa,
hg. v. Gerhard, D., 1969; Müller, U., Die ständische Vertretung, 1984;
Kunstreich, T., Gesamtvertretung, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen
des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vertriebener
Lit.: Kossert, A., Kalte Heimat. Die Geschichte der
deutschen Vertriebenen nach 1945, 2008; Integrationen, hg. v. Krauss, M.,
2008; Fischer, W., Heimat-Politiker?, 2010; Amos, H., Vertriebenenverbände
im Fadenkreuz, 2011; Burk, H., Fremde Heimat – Das Schicksal der Vertriebenen
nach 1945, 2011; Schwartz, M., Funktionäre mit Vergangenheit, 2012; Müller, M.,
Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977, 2012; Böhm, J./Popa, K., Vom
NS-Volkstum- zumVertriebenenfunktionär, 2014
Verwahrung (Wort um 1495, lat. N.
depositum, Verwahrungsvertrag 1784/1794) ist der entweder gegenseitige oder
unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag, durch den sich der Verwahrer
verpflichtet, eine ihm von dem Hinterleger übergebene bewegliche Sache aufzubewahren.
Die V. ist dem römischen Recht als zunächst unentgeltlicher →Realvertrag
bekannt (bei Entgeltlichkeit locatio conductio operis, Werkvertrag). Auch im
Mittelalter findet sie sich vielfach. Seit dem Spätmittelalter wird das
römische Recht aufgenommen. Danach ist entgeltliche V. ein zweiseitig
verpflichtender Vertrag, unentgeltliche V. ein unvollkommen zweiseitig verpflichtender
Vertrag. Bei unregelmäßiger V. (lat. depositum [N.] irregulare) wird der
Verwahrer Eigentümer der verwahrten Sache (z. B. Geld in der Bank), ist aber
zur Rückgabe gleichartiger Sachen (eventuell mit Zinsen) verpflichtet.
Lit.: Kaser § 39 III; Söllner § 9; Kroeschell, DRG 1,
3; Köbler, DRG 45; Massetto, G., Ricerche sul deposito, SDHI 44 (1978), 219;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Bürge, A., Fiktion und
Wirklichkeit, ZRG RA 104 (1987), 465; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verwaltung ist die auf längere Dauer
gerichtete Besorgung einer Angelegenheit, insbesondere die Ausführung
staatlicher Aufgaben. V. gibt es bereits im altrömischen Recht. Sie nimmt mit
der Ausdehnung des römischen Reiches trotz Bevorzugung aristokratischer
Herrschaftstechnik gegenüber bürokratischen Apparaten stetig an Umfang zu.
Seit dem Übergang zum Prinzipat entwickelt sie bürokratische und von Zwangsmaßnahmen
gekennzeichnete Formen. Demgegenüber betrifft die V. bei den Germanen nur wenige
allgemeine Bereiche. Im Frühmittelalter erscheinen neben dem König, der seine
Rechte im Reich im Umherziehen verwaltet (Reisekönigtum), die Träger von
Hofämtern (Truchsess, Kämmerer, Marschall, Schenk, Kanzler) und die Grafen.
Eine Verdichtung findet erst seit dem Hochmittelalter in den Ländern und
Städten statt. Am Beginn der Neuzeit wird die V. in besonderen Ordnungen
geregelt und rationaler gestaltet (z. B. maximilianische Verwaltungsreformen).
Der Absolutismus beruht dann bereits auch auf einer vom Polizeigedanken
geprägten vielgliederigen Verwaltungsorganisation mit zahlreichen Beamten,
die mehr und mehr auf den Staat statt auf die Person des Fürsten ausgerichtet
wird. Der Liberalismus des 19. Jh.s will zwar die V. auf die Herstellung von
Sicherheit und Ordnung beschränken, Eingriffe der V. (Eingriffsverwaltung) in
die Freiheit des Einzelnen nur bei einer gesetzlichen Grundlage zulassen und
eher →Selbstverwaltung fördern, doch fordert die Gesamtheit der
Staatsbürger umfangreiche Leistungen der Allgemeinheit (→Leistungsverwaltung
z. B. Versorgung, Entsorgung, Verkehr, Bildung, soziale Sicherung). Aus diesem
Grund werden immer mehr hierarchisch-bürokratisch strukturierte Behörden
geschaffen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s setzt sich die Vorstellung von
der Überprüfung des Verwaltungshandelns durch ein Gericht
(→Verwaltungsgericht) in Deutschland durch. Der Umfang der V. (um 1870 in
Österreich etwa 80000 öffentlich Bedienstete, um 1910 400000) und damit auch
ihre Kosten wachsen (bis in das Ende des 20. Jh.s) unvermindert oder kaum vermindert
weiter.
Lit.: Kaser § 62 II 3; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 14, 18, 31, 55, 20, 83, 112, 150, 196, 225, 232,
251, 258; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 1; Marquardt, J., Römische
Staatsverwaltung, Bd. 1ff. 2./3. A. 1884ff., Neudruck 1952; Below, G., Die
städtische Verwaltung des Mittelalters, HZ 75 (1895), 396; Beidtel, J.,
Geschichte der österreichischen Staatsverwaltung, Bd. 1f. 1898; Cam, H., Local
government in Francia and England, 1912; Köttgen, A., Deutsche Verwaltung, 3.
A. 1944; Forsthoff, E., Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938; Samse, H.,
Die Zentralverwaltung in den südwelfischen Landen, 1940; Hausherr, H., Verwaltungseinheit
und Ressorttrennung, 1953; Planitz, H., Die deutsche Stadt, 5. A. 1980;
Koselleck, R., Preußen zwischen Reform und Revolution, 1967; Badura, P., Das
Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Knemeyer, F., Regierungs-
und Verwaltungsreformen in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts, 1970;
Damkowski, W., Die Entstehung des Verwaltungsbegriffs, 1969; Der deutsche
Terrritorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. v. Patze, W., Bd. 1f. 1970f.;
Janssen, W., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den
niederrheinischen Territorien 1250-1350, 1971; Engelhaupt, H., Die Einführung
hessen-darmstädtischer Verwaltung im nördlichen Teil des Departements
Donnersberg, 1971; Schwab, D., Die Selbstverwaltungsidee des Freiherrn vom
Stein, 1971; Entwicklungsfragen der Verwaltung in Mitteleuropa, 1972;
Verwaltungshistorische Studien, Bd. 1f. 1972; Grundriss der deutschen
Verwaltungsgeschichte, hg. v. Hubatsch, W., Bd. 1ff. 1975ff.; Anderhub, A.,
Verwaltung im Regierungsbezirk Wiesbaden 1866-1885, 1977; Entwicklung der
städtischen und regionalen Verwaltung in den letzten 100 Jahren in Mittel- und
Osteuropa, hg. v. d. Eötvös Lórand-Universität Budapest, 1978; Maier, H., Die
ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Histoire comparée de
l’administration, hg. v. Paravicini, W. u. a., 1980; Hattenhauer, H.,
Geschichte des Beamtentums, 1980; Deutsche Verwaltungsgeschichte, hg. v.
Jeserich, K. u. a., Bd. 1ff. 1983ff.; Wissenschaft und Recht der Verwaltung
seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984; Asch, R., Verwaltung und
Beamtentum, 1986; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1ff.
1988ff.; Süle, T., Preußische Bürokratietradition, 1988; Die Verwaltung und
ihre Ressourcen, ( red. v. Dilcher, G.), 1991; Schulz, A., Herrschaft durch
Verwaltung, 1991; Verfassung und Verwaltung. Festschrift für Kurt G. A.
Jeserich zum 90. Geburtstag, 1994; Bürsch, M., Die Modernisierung der deutschen
Landesverwaltungen, 1996; Willoweit, D., Begriff und Wege verwaltungsgeschichtlicher
Forschung, Zs f. bay. LG. 61 (1998), 7; Ausbüttel, F., Die Verwaltung des
römischen Kaiserreiches, 1998; Die öffentliche Verwaltung im totalitären
System, hg. v. Heyen, E., 1998; Die deutsche Verwaltung unter 50 Jahren
Grundgesetz, hg. v. König, K. u. a., 2000; Raphael, L., Recht und Ordnung.
Herrschaft durch Verwaltung, 2000; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und
Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003;
Verwaltungslehre in Hamburg 1962-2002, hg. v. Bull, H., 2003; Grau, U.,
Historische Entwicklung und Perspektiven des Rechts der öffentlichen Aufträge,
2004; Ernst, A., Die Einführung des napoleonischen Steuer- und
Verwaltungssystems in Lüneburg, 2004; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit
in Preußen, 2007; Kramer, S., Vom lästigen Publikum zum mündigen Darsteller,
2008; Herstellung und Darstellung von Entscheidungen, hg. v. Stollberg-Rilinger
u. a., 2010; Graumann, S., Preußische Verwaltung im Kreis Bergheim um 1840,
2014; Doerfert, C., Die Fürst Leopold-Akademie für Verwaltungswissenschaft,
2016
Verwaltungsakt ist die formlos mögliche Verfügung,
Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung
eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf
unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (z. B. Bauerlaubnis, Steuerbescheid).
Der urteilsähnliche V. entsteht mit der →Verwaltung. Das Wort V. tritt
anscheinend erstmals 1821 bei dem bayerischen Regierungsrat Anton Kurz auf. Als
allgemeine Erscheinung wird der V. nach älteren Vorarbeiten 1895 von Otto
→Mayer nach französischem Vorbild (acte administratif) erfasst.
Gesetzlich geregelt wird er in Verwaltungsverfahrensgesetzen (Österreich 1925,
Deutschland 1976)
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 199, 259;
Schmitthenner, F., Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts, 1845;
Mayer, F., Grundsätze des Verwaltungsrechts, 1862; Loening, E., Lehrbuch des
deutschen Verwaltungsrechts, 1884; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/1896; Badura, P., Das Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967;
Erichsen, H., Verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Grundlagen der Lehre
vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt, 1971; Hueber, A., Otto Mayer,
1981; Schmidt de Caluwe, R., Der Verwaltungsakt in der Lehre Otto Mayers, 1998;
Engert, M., Die historische Entwicklung des Rechtsinstituts Verwaltungsakt,
2002; Lieb, T., Privileg und Verwaltungsakt, 2004
Verwaltungsgemeinschaft ist der Güterstand des
Ehegüterrechts, bei dem ein Ehegatte (Ehemann) die Güter der Ehegatten
(allein) gemeinschaftlich verwaltet. Die V. findet sich bereits sehr früh. Die
V. mit Widerrufsmöglichkeit der Ehefrau ist von 1812 bis 1978 der ordentliche
Ehegüterstand des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs (verschämte
V.), die V. ohne Widerrufsmöglichkeit der ordentliche gesetzliche Ehegüterstand
in Deutschland von 1900 bis 1953 (Nutznießung und Verwaltung). Die V. entfällt
mit der Gleichstellung der Frau in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s (Deutschland
1953 Gütertrennung. 1957 Zugewinngemeinschaft, Österreich 1978).
Lit.: Hübner 669ff.; Schröder, R., Geschichte des
ehelichen Güterrechts, Bd. 1f. 1863ff., Neudruck 1967; Offen, J., Von der
Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994
Verwaltungsgericht ist das verwaltungsrechtliche
Streitigkeiten (vor allem zwischen Staat und Bürger) entscheidende Gericht.
Bereits im 18. Jh. kann sich der Untertan mit dem Verlangen nach Rechtsschutz
gegenüber dem Landesherrn an ein Gericht wenden, wenn er sich auf ein
wohlerworbenes Recht oder ein Privileg berufen kann. In der ersten Hälfte des
19. Jh.s wird die gerichtliche Überprüfbarkeit des Verwaltungshandelns zu einer
politischen Forderung, weil die Verwaltungstätigkeit während der gesamten
frühen Neuzeit zunimmt und der Rechtsstaatsgedanke die gerichtliche Überprüfbarkeit
allen Handelns nahelegt. Die von manchen angestrebte verwaltungsinterne
Überprüfung wird bereits in der Entwurf gebliebenen Verfassung des Deutschen
Reichs von 1849 als unzureichend abgelehnt. Im Streit um eine Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte (Otto →Bähr 1864) oder die Einrichtung besonderer
Verwaltungsgerichte (Robert von Mohl, Johann Kaspar Bluntschli, Rudolf von
→Gneist 1857, 1872, Vorbild Frankreich) werden die unterschiedlichen Vorschläge,
vermehrt um das süddeutsche Modell des Verwaltungsrechtsschutzes zu einem
neuen Gericht verbunden. Dementsprechend entsteht das besondere V. (Baden
1863 [Gesetz die Organisation der inneren Verwaltung betreffend vom 5. 10. 1863
mit Wirkung vom 1. 10. 1864] Enumerationsprinzip, Bezirksräte unter einem
letztinstanzlichen, aber auch erstinstanzlich zuständigen Verwaltungsgerichtshof, Preußen 1872,
Oberverwaltungsgericht, §§ 140-165 Kreisordnung, 1875 VVG, Hessen 1874
(1875/1879), Österreich [Verwaltungsgerichtshof] 1875, Württemberg 1876,
Bayern 1878, Anhalt 1888, Braunschweig 1895, Sachsen-Meiningen 1897, Lippe
1898, Sachsen 1900, Oldenburg 1906, (Thüringen 1910, Reuß 1911, ) Lübeck 1916,
anders bis nach 1918 noch Hamburg, Mecklenburg-Schwerin (1922),
Mecklenburg-Strelitz (1922), Bremen, Waldeck-Pyrmont, Schaumburg-Lippe)
(weiter bedingt Wallis 1877, Basel-Stadt 1905, eigenständig Bern 1909 und
danach andere Kantone, 2007 Bundesverwaltungsgericht, Griechenland 1911
Staatsrat, Spanien 1888 Staatsrat, Schweden 1695 erster Verwaltungsgerichtshof
und 1909 oberstes Verwaltungsgericht, Finnland 1918 oberstes
Verwaltungsgericht, Estland 1920 innerhalb des obersten Gerichts, Lettland 1918
Abteilung des obersten Gerichtssenats, Litauen 1999/2001 5
Bezirksverwaltungsgerichte oberstes Verwaltungsgericht, Georgien 1995 innerhalb
der ordentlichen Gerichtsbarkeit, Armenien 2008 Verwaltungsgericht und
Kassationsgericht für Kassationsbeschwerden, Aserbeidschan 2011 Verwaltungs-
und Wirtschaftsgerichte, Verwaltungssenate der Appellationsgerichte,
Verwaltungs- und Wirtschaftssenat des obersten Gerichts . Die dabei eintretende
Zersplitterung wird erst durch die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung (21.
1. 1960) beseitigt, die an die Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit das 1952
geschaffene Bundesverwaltungsgericht stellt. Österreich kennt bis 2013 keine
unabhängigen Verwaltungsgerichte, sondern nur (sog. unabhängige
Verwaltungssenate und seit 1875/1876) einen einzigen Verwaltungsgerichtshof
(1934 Bundesgerichtshof, 1945 wiedererrichtet, Prüfung von Verwaltungsakten
auf Gesetzmäßigkeit, nicht auf Verfassungsmäßigkeit), doch werden unter
grundsätzlicher Überführung von Bediensteten und anhängigen Sachen zum 1. 1.
2014 ein Bundesverwaltungsgericht, ein Bundesfinanzgericht (mit 9
Außenstellen) und 9 Landesverwaltungsgerichte eingerichtet..
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 200, 234, 261;
Bähr, O., Der Rechtsstaat, 1864; Gneist, R. v., Der Rechtsstaat, 1872, Neudruck
1968; Poppitz, J., Die Anfänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Archiv f. öff.
Recht N. F. 33 (1943), 158; Eyermann, E., Verwaltungsgerichtsgesetz für
Bayern, 1950; Sellmann, M., Entwicklung und Geschichte der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Oldenburg, 1957; Rüfner, W.,
Verwaltungsrechtsschutz in Preußen, 1962; Neunzig Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit
in Österreich, hg. v. Verwaltungsgerichtshof, 1966; Die Entwicklung der
österreichischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Lehne, F. u. a., 1976;
Stump, U., Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1980; Stolleis, M., Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, FS C. Menger, 1985, 57;
Kimminich, O., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Weimarer Republik, Vwbll.
f. Baden-Württemberg, 1988, 10; Ule, C., Zu den Anfängen der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
Verwaltungsarchiv 1989, 303; Kohl, W., Das Reichsverwaltungsgericht, 1991;
Das sächsische Oberverwaltungsgericht, 1994; Hudemann-Simon, C., L’Ètat et la
santé, 1995; Liessem, P., Verwaltungsgerichtsbarkeit im späten Zarenreich,
1996; Bauer, I., Von der Administrativjustiz bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeit,
1996; 50 Jahre bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, 1996; Heil, T., Die
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen, 1996; 50 Jahre
schleswig-holsteinisches Verwaltungsgericht, 1996; Emmert, R., Die Entwicklung
der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bayern, Bay. VwBll. 1997, 8;
Verwaltungsgericht Karlsruhe, 1997; Recht ohne Grenzen. Grenzen des Rechts, hg.
v. Polaschek, M. u. a., 1997; Mandahbileg, B., Rechtsschutz durch richterliche
Reichsbehörden, Diss. jur. Heidelberg 1998; Dorfverwaltungsgerichtsbarkeit im
Wandel, hg. v. Thiemel, R., 1999; Olechowski, T., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich, 1999; Sydow, G., Die Verwaltungsgerichtsbarkeit
des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000; Nowatius, N., Die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit in Preußen, Diss. jur. Bonn 2000; Müller, O., Die
Verfassungsbeschwerde nach der bayerischen Verfassung von 1818, 2000; Montag,
M., Die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Baden und Württemberg von
1945 bis 1960, 2001; Hoeck, J., Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz
in der Deutschen Demokratischen Republik, 2003; Hackel, F., Die Entstehung einer
eigenständigen bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2011; Hien, E., 150
Jahre deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2013 (Vortrag); Pagenkopf, M., 150
Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, 2014; Festschrift 150 Jahre
Verwaltungsgerichtsbarkeit, hg. v. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg,
2014
Verwaltungsgerichtshof ist in Deutschland ein Obergericht
(Oberverwaltungsgericht) der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in Österreich das bis
2014 einzige Verwaltungsgericht (ab 2. 7. 1876, 1934 mit dem Verfassungsgerichtshof
zum Bundesgerichtshof verschmolzen, 1945 wiedererrichtet).
Lit.: Olechowski, T., Der österreichische Verwaltungsgerichtshof,
2001
Verwaltungsrecht ist die Gesamtheit der die
öffentliche Verwaltung betreffenden Rechtssätze. V. entsteht in ersten
Ansätzen wohl bereits mit der Ausbildung von →Verwaltung. Als Einheit
innerhalb der älteren Polizeiwissenschaft erfasst wird es erst in der Mitte des
19. Jh.s. Eine gesetzliche Festlegung des Verwaltungsverfahrens erfolgt im 20.
Jh. (Österreich 1925, Deutschland 1976). Kernstück des Verwaltungshandelns ist
der →Verwaltungsakt. Zu gliedern ist das V. in einen allgemeinen Teil
und zahlreiche besondere Gebiete (Beamtenrecht, Gemeinderecht, Baurecht,
Polizeirecht, Gewerberecht, Gesundheitsrecht, Schulrecht, Straßenrecht,
Steuerrecht, Sozialrecht u. s. w.).
Lit.: Köbler, DRG 8, 199; Mohl, R. v., Staatsrecht des
Königreichs Württemberg, 1831; Mohl, R. v., Polizeiwissenschaft, 1832/1833;
Gerber, C., Über öffentliche Rechte, 1852; Mayer, F., Grundsätze des
Verwaltungsrechts, 1862; Bornhak, C., Geschichte des preußischen
Verwaltungsrechts, Bd. 1ff. 1884ff.; Mayer, O., Deutsches Verwaltungsrecht,
1895/6; Tezner, F., Verwaltungsrechtspflege in Österreich, 1897ff.; Linder, O.,
Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in Württemberg,
1940; Bülck, H., Zur Dogmengeschichte des europäischen Verwaltungsrechts, FS
Hermann Krause, 1964, 29; Magerl, H., Verwaltungsrechtsschutz in Württemberg in
der Zeit von 1760-1950, Diss. jur. Freiburg im Breisgau 1966; Badura, P., Das
Verwaltungsrecht des liberalen Rechtsstaates, 1967; Feist, H., Die Entstehung
des Verwaltungsrechts als Rechtsdisziplin, 1968; Heyen, E., Otto Mayer, 1981;
Hueber, A., Otto Mayer, 1982; Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft in
Europa, hg. v. Heyen, E., 1982; Wyduckel, D., Ius publicum, 1984; Wissenschaft
und Recht der Verwaltung seit dem ancien régime, hg. v. Heyen, E., 1984;
Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1f. 1988; Schwarz, J.,
Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. 1f. 1988; Ishikawa, T., Friedrich Franz von
Mayer, 1992; Lepsius, O., Verwaltungsrecht unter dem Common Law, 1997; Mannori,
L./Sordi, B., Storia del diritto administrativo, 2001; Weidenfeld, K., Les
origines médiévales du contentieux administratif, 2002; Hoeck, J., Verwaltung,
Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen
Republik, 2003; Müller, R., Verwaltungsrecht als Wissenschaft. Fritz Fleiner
1867-1937, 2006; Jellinghaus, L., Zwischen Daseinsvorsorge und Infrastruktur,
2006; Schütte, C., Progressive Verwaltungswissenschaft auf konservativer
Grundlage, 2006; Schröder, R., Verwaltungsrechtsdogmatik im Wandel, 2007;
Grundlagen des Verwaltungsrechts, hg. v. Hoffmann-Riem, W. u. a., Bd. 1ff.
2007; Cancik, P., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen, 2007; Schmoeckel,
M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008; Schaeffer, J., Die Umgestaltung des
Verwaltungsrechts, 2016
Verwaltungsreform ist die bewusste Umgestaltung einer
bestehenden →Verwaltung, wie sie sich bereits im römischen Altertum und
dann spätestens wieder seit Beginn der Neuzeit findet (u. a. Maximilian 1497,
2. H. 20. Jh. Bundesrepublik Deutschland).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Ohnsorge, W., Die
Verwaltungsreform, Neues Archiv f. sächs. Gesch. 63 (1943), 26; Knemeyer, F.,
Regierungs- und Verwaltungsreformen, 1970
Verwaltungsverfahren ist die nach außen wirkende
Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung
und den Erlass eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines
öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist. Das V. wird seit der zweiten
Hälfte des 19. Jh.s von der Rechtswissenschaft erfasst und in Österreich 1925
(Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, in Kraft 1926) infolge
internationalen Druckes zwecks Verwaltungsvereinfachung als Voraussetzung
einer Völkerbundanleihe sowie in (Thüringen 1926 Landesverwaltungsordnung,
Württemberg 1931 Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung, Bremen 1943 Verwaltungsgesetz
und allgemein in) Deutschland 1976 gesetzlich geordnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 259;
Baltl/Kocher; Pakeruut, W., Die Entwicklung der Dogmatik des
verwaltungsrechtlichen Vertrags, 2000
Verwandter ist der Mensch, der zu einem
anderen Menschen oder zu einem gemeinsamen dritten Menschen in einem
Abstammungsverhältnis steht (z. B. Vater, Sohn, Tante, Nichte). Die
Verwandtschaft (Wort 1493 belegt) ist vom Beginn des Rechtes an von Bedeutung.
Die väterliche Gewalt erfasst grundsätzlich nur Verwandte. Das →Erbrecht
ist zunächst Verwandtenerbrecht. Darüber hinaus kann sich ein Verhältnis als
Verwandter auch anderweitig auswirken (z. B. Ehehindernis, Zeugnisverweigerungsrecht,
Blutschande). Künstliche Verwandtschaft kann beispielsweise durch
→Adoption hergestellt werden. Unterschieden werden kann innerhalb der
Verwandten zwischen →Agnaten (über Männer Blutsverwandte einschließlich
der Adoptierten, aber ausschließlich der Emanzipierten) und →Kognaten
(Blutsverwandte).
Lit.: Kaser §§ 12 I, 15 I, 61 I; Hübner; Kroeschell,
DRG 1, 2; Köbler, DRG 89, 162, 210, 267; Stutz, U., Das Verwandtschaftsbild des
Sachsenspiegels, 1890; Heymann, E., Die Grundzüge des gesetzlichen
Verwandtenerbrechts, 1896; Pappenheim, M., Über künstliche Verwandtschaft im
germanischen Rechte, ZRG GA 29 (1908), 304; Murray, A., Germanic Kinship
Structure, 1983; Althoff, G., Verwandte, Freunde, Getreue, 1990; Haibach, U.,
Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 176; Spieß, K., Familie und
Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters, 1993; Peters, U.,
Dynastengeschichte und Verwandtschaftsbilder, 1999; Leurs, E., Die
Rechtsstellung der Großeltern gegenüber den Enkelkindern, 2003; Harders. A.,
Suavissima Soror, 2008; Verwandtschaft, Freundschaft, Brüderschaft, hg. v.
Krieger, G., 2009; Vogt, H., The Function of Kinship in Medieval Nordic
Legislation, 1010; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010; Mitterauer, M., Historische Verwandtschaftsforschung,
2013
Verwendung (Wort 1477) ist die bereits dem römischen Recht
bekannte Vermögensaufwendung, die einen Erstattungsanspruch begründen kann.
Lit.: Kaser § 49 II 1b; Köbler, DRG 61; Verse, D.,
Verwendungen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, 1999; Greiner, D., Die Haftung
auf Verwendungsersatz, 2000; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Verwertung ist die Umsetzung eines Gegenstands in einen
anderen Wert (z. B. Geld).
Lit.: Schulze, E., Geschätzte und geschützte Noten. Zur Geschichte der
Verwertungsgesellschaften, 1995
Verwirkung ist der im 20. Jh. (1905) neben der
Verjährung anerkannte, aus Treu und Glauben folgende Verlust eines Rechtes
infolge unterlassener oder verspäteter Geltendmachung.
Lit.: Köbler, DRG 240; Siebert, W., Verwirkung und
Unzulässigkeit der Rechtsausübung, 1934
Verzicht ist die rechtsgeschäftliche Aufgabe
eines Rechtes oder eines rechtlichen Vorteils. Der V. ist bereits dem römischen
Rechtes bekannt. Vermutlich unabhängig hiervon tritt er auch im Frühmittelalter
auf. Auffällig sind die Verzichte (Renuntiationen) auf römische Einreden in
hochmittelalterlichen und spätmittelalterlichen Urkunden. Eine allgemeine
Regelung ist nirgends erfolgt. Ein Sonderfall des Verzichts ist der
Erbverzicht.
Lit.: Kaser §§ 28 II 2, 29; Hübner 790; Cohn, L.,
Erlass und Verzicht, Gruchots Beiträge 47 (1903), 221; Müller, U., Das
Aufkommen der Rechtsverzichtsformeln, Diss. phil. München 1948; Schlosser,
H., Die Rechts- und Einredeverzichtsformeln, 1963; Köbler, G., Verzicht und
Renuntiation, ZRG GA 85 (1968), 211; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.
Verzug (Wort 1286, lat. F.
mora) ist die rechtswidrige Verzögerung der fälligen und möglichen Leistung
durch den Schuldner. Der V. ist bereits dem römischen Recht als
Leistungsstörung bekannt, wobei ein Verschulden nicht erforderlich ist. Eine
Mahnung verdeutlicht die Ursächlichkeit des Schuldners und ist bei
Terminschulden nicht nötig. Der V. wird durch ein Leistungsangebot beendet.
Seit dem Spätmittelalter wird der V. aufgenommen und mit deutschrechtlichen
Einrichtungen (z. B. Geld auf Grund einer Vertragsabrede bei einem Dritten auf
Schaden des Schuldners nehmen) verschmolzen. Folgen des Verzugs sind die
Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen und zum Ersatz des Verzugsschadens
sowie die Schadenstragung bei zufälligem Untergang des Leistungsgegenstands.
Das Naturrecht anerkennt ein Rücktrittsrecht.
Lit.: Kaser §§ 34 IV, 37 II; Hübner 552; Kroeschell,
DRG 2; Köbler, DRG 44, 214; Mitteis, H., Die Rechtsfolgen des Leistungsverzugs
beim Kaufvertrag nach niederländischen Quellen des Mittelalters, 1913;
Heymann, E., Das Verschulden beim Erfüllungsverzug, 1913; Dilcher, H., Die
Theorie der Leistungsstörungen, 1960; Scherner, K., Rücktrittsrecht wegen Nichterfüllung,
1965; Hoffmann-Burchardi, H., Die geschichtlichen Grundlagen der Vorschriften
des BGB bei Leistungsstörungen, Diss. jur. Münster 1974; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Würthwein, S., Zur Schadensersatzpflicht
wegen Vertragsverletzungen, 1990; Ebert, I., Pönale Elemente im deutschen
Privatrecht, 2004; Harke, J., Mora debitoris und mora creditoris im klassischen
römischen Recht, 2005; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Veßra ist das im frühen 12. Jh. von den Grafen von
Henneberg in Ostfranken gegründete Hauskloster.
Lit.: Das Prämonstratenserkloster Veßra - Urkundenregesten 1130-1873,
hg. v. Wölfing, G., 2009
vestigii minatio (F.) (mlat.) Spurfolge
vestitura (lat./mlat. F.)
Kleidung, Bekleidung, Einkleidung, Gewere
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, LAW; Köbler, G., Die
Herkunft der Gewere, TRG 1975, 195
Veto (lat. ich verbiete) ist
der Einspruch gegen ein Verhalten, insbesondere gegen einen Beschluss oder eine
Maßnahme. Das aus einem Recht (Interzessionsrecht) römischer Magistrate (z. B.
Volkstribune) gegen Maßnahmen (z. B. Senatsbeschlüsse) erwachsene V. erscheint
an unterschiedlichen Stellen (z. B. V. des englischen Königs gegen ein vom Parlament
beschlossenes Gesetz im 16. und 17. Jh., suspensives V. des Kaisers Österreichs
nach dem Kremsierer Entwurf von 1849, suspensives V. des Reichsoberhauptes
nach der Entwurf gebliebenen deutschen Verfassung von 1849, absolutes Veto des
Kaisers Österreichs nach der Dezemberverfassung von 1867, suspensives V. des
Präsidenten der Vereinigten Staaten gegen Gesetzgebungsbeschlüsse, V. der
ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen).
Lit.: Mommsen, T., Römisches Staatsrecht, Bd. 1 3. A.
1887, Neudruck 1963; Schade, H., Das Vetorecht, Diss. jur. Halle-Wittenberg
1929; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972
vi (lat.) durch Gewalt
Lit.: Kaser § 21 I
via (lat. F.) Weg,
Wegerecht (als Vorform der lat. F.
servitus)
Lit.: Kaser § 28 I 2a; Köbler, DRG 26
via (F.) lacina (mlat.-afrk.) Wegsperre
Vicarius (lat. M.)
ist im spätrömischen Recht der Stellvertreter des Kaisers in der Reichsdiözese.
Im fränkisch-deutschen Reich erscheint in ähnlicher Weise verschiedentlich ein
Reichsvikar. Daneben gibt es (lat.) vicarii (M.Pl.) auch für weniger bedeutende
Aufgaben und Vikare als Berechtigte auf Dauer eingerichteter Pfründen.
Lit.: Kaser § 87 II, 2, 8; Kroeschell, DRG 1; Köbler,
DRG 55, 84; Köbler, LAW; Prange, W., Vikarien und Vikare in Lübeck bis zur
Reformation, 2003; Arnswaldt, A. v., De vicariatus controversia, 2004
vicinus (lat. M.)
Nachbar
vicus (lat. M.)
Viertel, Gasse, Dorf, Siedlung
Lit.: Köbler, LAW; Köbler, G., Vicus und thorf, (in)
Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136
Vidal de Canellas, nach Studium des Rechtes in Bologna (um 1221)
Bischof von Huesca (1236-1252) und Kanzler König Jaimes I. von Aragón, erstellt
eine erweiterte Fassung (lat. maior compilatio) des Fuero von Aragón von 1247.
Lit.: Vidal Mayor, hg. v. Tilander, G., 1956
Vidalín, Pall Jónsson (1667-1727) wird
nach dem Studium in Kopenhagen Lehrer an der Domschule in Skálholt/Island,
Amtmann und Richter. Nach 1719 verfasst er einen Entwurf für ein isländisches
Gesetzbuch.
Lit.: Danske og Norske Lov i 300 ar, hg. v. Tamm, D.,
1987, 350
Videant consules ne quid detrimenti res
publica capiat
(lat.). Die Konsuln mögen achthaben (bzw. zusehen), dass der Staat keinen
Schaden nimmt.
Lit.: Mendner, S., Videant consules, Philologies 109
(1965), 258; Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007 (Cicero 106-43 v.
Chr., Erste Rede gegen Catilina § 4)
vidimus (lat.) wir haben gesehen
(Beglaubigungsvermerk für Abschriften im Mittelalter)
Lit.: Brandt, A. v., Werkzeug des Historikers, 17. A.
2007
Vieh ist die Gesamtbezeichnung für die unmittelbar
nutzbaren Haustiere, die in den älteren Zeiten der wichtigste Vermögensbestandteil
sind. Dementsprechend besteht die ältere Wirtschaftsform außer in Ackerbau vor
allem in Viehzucht. Im römischen Recht zählen Rinder, Pferde, Esel und
Maultiere zu den (lat.) →res (F.Pl.) mancipi (handgreifbaren Sachen). Im
mittelalterlich-neuzeitlichen Recht werden entgegen der deutschrechtlichen
Regel „Augen auf, Kauf ist Kauf“ bestimmte Mängel (Hauptmängel) gewisser
Haustiere innerhalb kurzer Fristen doch als Sachmangel anerkannt. Viehverstellung
ist Einstellung von Vieh auf Zeit bei einem anderen.
Lit.: Hübner; Köbler, DRG 13, 24, 67, 78, 166; Wackernagel,
J., Die Viehverstellung, 1923; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 1ff. 1957ff.
Vierteilen ist die durch Zerreißen des
lebenden Menschen in vier Teile vollzogene →Todesstrafe.
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Vikar →vicarius
villa (lat. F.)
Hof, Dorf
Lit.: Köbler, LAW; Grazianskij, N., Zur Auslegung des
terminus „villa“ in der Lex Salica, ZRG GA 55 (1948), 368; Köbler, G., Vicus
und thorf, (in) Das Dorf der Eisenzeit, hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1977, 136:
Villa, curtis, grangia, hg. v. Janssen, W. u. a., 1983
villicus (lat. M.)
Verwalter, Meier, Dorfvorsteher
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Villikation (F.) Fronhof mit abhängigen Höfen
in der →Grundherrschaft
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 96; Die
Grundherrschaft im späten Mittelalter, hg. v. Patze, H., Bd. 1f. 1983; Rösener,
W., Strukturen der Grundherrschaft im frühen Mittelalter, 1989
Villingen
Lit.: Fischer, T., Der Prozess vor dem Villinger Stadtgericht im 17.
Jahrhundert, 2006
Vilsbiburg
Lit.: Schwarz, G., Vilsbiburg, 1976
vinculum (lat. [N.]) Band
Vindex (lat. M.
Gewaltsager) ist im altrömischen Verfahren jemand, der für einen als Schuldknecht
Ergriffenen (Schuldner) auftreten und die an diesen gelegte Hand wegschlagen
kann, wodurch es zum Streit zwischen dem Verfolger (Gläubiger) und dem Dritten
(v.) kommt, bei dessen Verlust durch den Dritten sich die Summe, gegen die der
Ergriffene (Schuldner) ausgelöst werden kann, verdoppelt.
Lit.: Kaser §§ 32 II, 81 III, 82 I; Söllner § 8;
Köbler, DRG 20; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
vindicatio (lat. F.)
Gewaltandrohung, Herausgabeverlangen (z. B. in libertatem [in die Freiheit], in
servitutem [in die Sklaverei], pignoris [des Pfandes], rei servitutis [der
Sache der Servitut], ususfructus [des Nießbrauchs], pro parte [auf den Anteil])
Lit.: Kaser §§ 15 I, 16 I 28 III, 29 I, 31 III;
Söllner § 9
vindicta (lat. F.)
Stab (bei der Vindikation), Rache, Strafe
Lit.: Kaser §§ 27 I 2, 81 II 1a; Köbler, DRG 29
Vindikation (1756, lat. F.
vindicatio) ist seit dem altrömischen Recht das Herausgabeverlangen. Zur Zeit
der Zwölftafelgesetze (451/50 v. Chr.) fasst der Kläger in Gegenwart des
Beklagten vor dem Gerichtsmagistrat den tatsächlich oder symbolisch vorhandenen
streitigen Gegenstand an, berührt ihn mit einem Stab (lat. F.
vindicta, festuca) und erklärt in einer festen Formel, dass der Gegenstand ihm
gehöre. Der Beklagte, der den Gegenstand verteidigen will, muss dieses Vorgehen
auf ihn bezogen wiederholen. In der Folge wird dann eine Summe gesetzt und die
(lat.) →legisactio (F.) sacramento durchgeführt. Nach Aufgabe der
geschichtlich entstandenen Besonderheiten entwickelt sich hieraus der
Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den nichtbesitzberechtigten
Besitzer.
Lit.: Köbler, DRG 24, 212; Wieacker, F., Römische
Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vindikationslegat (N.) ist das auf unmittelbaren
Rechtserwerb (und deshalb mögliche →Vindikation) des Vermächtnisnehmers
gerichtete →Vermächtnis im Gegensatz zum (nur) schuldrechtlich wirkenden
→Damnationslegat.
Lit.: Köbler, DRG 23
Vinding Kruse, Frederik (1880-1963) wird nach
dem Rechtsstudium Professor in Kopenhagen. Er wirkt maßgeblich bei der 1927
erfolgten Einführung eines neuen Grundbuchsystems in Dänemark mit. Sein
wichtigstes Werk befasst sich mit dem Eigentum (Ejendomsretten, Bd. 1ff.
1929ff.).
Lit.: Tamm. D., Retsvidenskaben in Danmark, 1992, 184
Vinnius, Arnold (Monster bei Den Haag 4.
1. 1588-Leiden 1. 9. 1657) wird nach dem Rechtsstudium in Leiden (1603 Gerard
Tuningius [Schüler Hugo Doneaus]) 1612 oder 1613 promoviert und nach langer
Wartezeit als Rektor der Lateinschule in Leiden 1633 außerordentlicher und 1636
ordentlicher Professor in Leiden. Unter dem durch seinen Lehrer vermittelten
Einfluss Hugo →Doneaus (Donellus) veröffentlicht er 1618 einen Institutionenkommentar
seines Lehrers Tuningius, 1624 bzw. 1631 Iurisprudentiae contractae … libri
III (drei Bücher zusammengezogener Rechtswissenschaft), 1642 einen Kommentar
zu den Institutionen und 1646 eine Ausgabe der Institutionen mit Anmerkungen.
In seinem Kommentar bietet er mit großem Erfolg eine philologisch-historische
Erklärung des Textes mit vielen Angaben zum einheimischen geltenden Recht, so
dass er als erster eleganter Jurist angesehen wird.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century
Leyden law Professors, 1975, 24, 52; Ahsmann, M., Collegia en colleges, Diss.
jur. Leiden 1990, 18; Vinnius, A., Institutionenkommentar Schuldrecht, übers.
v. Wille, K., 2005
Virginia Bill of Rights ist die von George Mason
(1725-1792) entworfene und am 12. 6. 1776 vom Konvent der nach Unabhängigkeit
strebenden englischen Kolonie Virginia verabschiedete Menschenrechtserklärung,
die als älteste formelle →Verfassung der Welt angesehen wird.
Lit.: Köbler, DRG 191
Virilstimme ist die Einzelstimme eines
Mitglieds im Heiligen römischen Reich
bzw. im Deutschen Bund im Gegensatz zu der mehrere Mitglieder
vereinenden →Kuriatstimme.
Lit.: Köbler, DRG 148; Köbler, Historisches Lexikon;
Domke, W., Die Virilstimmen im Reichsfürstenrat, 1882; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005, § 24 II 2
Vir (M.) inluster (lat.) ist ein
spätantik-frühmittelalterlicher hervorhebender Titel.
Lit.: Wolfram, H., Intitulatio I, 1967
virtus (M.) Mannhaftigkeit, Tugend
L.: McDonnell, M. u. a., Virtus and the Roman Republic, 2006; Schwandt,
S., Virtus, 2014
vis (lat. F.) Gewalt
→vi
Lit.: Köbler, DRG 42, 43
Visby auf Gotland ist die Hansestadt
(1280), die sich im Hochmittelalter zum Mittelpunkt des Handels in der Ostsee
entwickelt. V. überliefert in mittelniederdeutscher Sprache ein in den
Jahren 1341-1344 aufgezeichnetes Stadtrecht. Dieses gliedert sich in vier
Bücher mit 60, 52, 52 und 38 Kapiteln (Verfassung-Verfahren-Strafe, Verfahren,
Grundstücke-Zins-Schiffe, Ehe-Vormundschaft-Erbe). Es ist von Lübeck,
Schleswig, Hamburg, Soest, dem Sachsenspiegel und schwedischen Rechten
beeinflusst und wirkt seinerseits auf das Recht von Riga und Nowgorod. Zwei
Bruchstücke des Stadtrechts von V. könnten von etwa 1270 stammen. 1361 fällt V.
an Dänemark, 1645 an Schweden. Das Seerecht von V. (15. Jh.) ist eine
Verbindung von niederländischen und hansischen Rechtsgrundsätzen ohne Zusammenhang
mit dem Stadtrecht.
Lit.: Codices iuris Visbyensis, hg. v. Schlyter, C.,
1853, 1; Schlüter, W., Zwei Bruchstücke einer mittelniederdeutschen Fassung des
Wisbyschen Stadtrechts, Mitt. aus d. Gebiet d. gesch. Livlands 18 (1903-8),
487; Frensdorff, F., Das Stadtrecht von Wisby, Hans. Geschbll. 22 (1916), 1;
Hasselberg, G., Studier rörande Visby Stadslag, 1953; Ebel, W., Lübisches
Recht, 1971; Sjöholm, E., Gesetze als Quellen mittelalterlicher Geschichte,
1976; Ullrich, S., Untersuchungen zum Einfluss des lübischen Rechts, 2008
Visitation ist die in der Kirche schon früh
entwickelte aufsichtliche Überprüfung der Pfarreien durch den Bischof oder
später den Archidiakon. In der Neuzeit finden zwischen 1507 und 1776 mit
geringer Regelmäßigkeit Visitationen auch am →Reichskammergericht
statt.
Lit.: Lingg, M., Geschichte des Instituts der
Pfarrvisitationen, 1888; Winkler, A., Über die Visitation des
Reichskammergerichts, 1907; Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A.
1972; Cheney, C., Episcopal Visitation, 2. A. 1983; Mencke, K., Die
Visitationen am Reichskammergericht, 1984; Frieb, K., Kirchenvisitation und
Kommunikation, 2006; Denzler, A., Sie haben sich totgearbeitet – Die
Visitation des Reichskammergerichts von 1767 bis 1776, 2014; Baumann, A.,
Visitationen am Reichskammergericht - Speyer als politischer und juristischer
Aktionsraum des Reiches (1529-1588), 2018
Vis (F.) maior (lat.) ist schon im römischen
Recht die (größere bzw.) höhere Gewalt (z. B. Feuer, Überschwemmung, Erdbeben),
die den Schuldner von einer Haftung befreien kann.
Lit.: Kaser §§ 36, 39 III 1; Doll, A., Von der vis
maior zur höheren Gewalt, 1989
Vita (lat. [F.]) Lebensbeschreibung
Lit.: Haarländer, S., Vitae episcoporum, 2000;
Scripturus vitam, hg. v. Walz, D., 2001; Nahmer, D. v. d., Bibelbenutzung in
Heiligenviten des frühen Mittelalters, 2016
Vitoria, Francisco de (Burgos?
1483/1493-12. 8. 1546) wird nach dem Studium von Philosophie und Theologie in
Paris spätscholastischer Theologielehrer in Paris (1512), Valladolid (1523) und
Salamanca (1526). Unter Verwendung der (lat.) Summa (F.) theologiae des
→Thomas von Aquin gründet der Dominikaner die Schule von
→Salamanca. Angeregt durch die Entdeckung der Neuen Welt versteht er das
Völkerrecht als Recht zwischen den Völkern. Eine Verletzung des Völkerrechts
(z. B. Behinderung der kirchlichen Mission, Verfolgung von Christen)
berechtigt nach Naturrecht zum Krieg. Die Indianer stuft er als schutzbedürftige
Minderjährige ein.
Lit.: Vitoria, F. de, Relectio de Indis, hg. v.
Pereña, L. u. a. 1967; Brown Scott, J., The Spanish Origin of International
Law, 1934; Beltran de Heredia, V., Francisco de Vitoria, 1939; Otte, G., Das
Privatrecht bei Francisco de Vitoria, 1964; Molinero, R., La doctrina colonial
de Francisco de Vitoria, 1993; Francico de Vitoria, De iustitia, hg. v. Stüben,
J., 2013; Francisco de Vitoria, De actibus humanis, hg. v. Sarmiento, A., 2015;
Spindler, A., Die Theorie des natürlichen Gesetzes bei Francisco de Vitoria,
2015
Viztum, Vitztum, Vizedom (lat. M.
vicedominus) ist verschiedentlich ein Vertreter eines Herrn (z. B. Leiter der
Finanzverwaltung in den Ländern Österreichs bis 1749).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2
Vladimirskij-Budanov, Michail Flegontovic
(1838-1916) wird 1868 Professor für Rechtsgeschichte am Lyzeum in Jaroslawl und
1875 an der Universität Kiew. Seit 1872 veröffentlicht er eine dreibändige Quellensammlung
zur russischen Rechtsgeschichte des 10.-17. Jh.s (Chrestomatij po istorii
russkago prava), 1886 einen rechtsgeschichtlichen Grundriss (Obzor istorii
russkago pravo).
Lit.: Taranovskij, F., Pamjati M. F.
Vladimirskago-Budanova, (in) Jurisdiceskij Vestnik 2 (1916), 84
Vöcklabruck
Lit.: Zauner, A., Vöcklabruck und der Attergau 1, 1971
Voet, Johannes (Utrecht 1647-Leiden 1713),
Rechtsprofessorensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Utrecht 1670 Professor in
Herborn, 1674 in Utrecht und 1680 in Leiden. Seit 1687 erfasst er auch das
zeitgenössische Recht. Sein Hauptwerk ist ein Naturrecht und Partikularrecht
aufnehmender (lat.) Commentarius (M.) ad pandectas (Pandektenkommentar), der
den modernen Gebrauch der Pandekten erfolgreich darstellt. 1682 bzw. 1700 veröffentlicht
er Grundrisse zu den Pandekten bzw. Institutionen.
Lit.: Feenstra, R./Waal, C., Seventeenth-century
Leiden law Professors, 1974, 35, 69; Van den Bergh, R., The selective Paulus
Voet, 2007
Vogel
Lit.: Lederer, R. u. a., Latein für Vogelbeobachter,
2015; Richarz, K., Vogelzug, 2019 (schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel
jährlich)
vogelfrei (frei wie ein Vogel, preisgegeben)
Lit.: Künßberg, E. Frhr. v., Vogelfrei, ZRG GA 58
(1938), 525; Schmidt-Wiegand, R., Frei wie ein Vogel, Jb. d. Brüder-Grimm-Ges.
2 (1992), 189
Vogt (zu lat. M. advocatus) ist
in Fortführung antiker Entwicklungen seit dem Frühmittelalter der schützende
weltliche Sachwalter eines Menschen oder einer Kirche, der vielfach frei
gewählt werden darf. Seit 782/786 wird der V. für die Kirche vorgeschrieben.
In der →Immunität nimmt er die Aufgaben des Immunitätsberechtigten wahr.
Verschiedentlich gelingt ihm der Aufstieg zum Landesherrn (z. B. Tirol). Seit
dem 13. Jh. ist V. ein Amtsträger weltlicher Herren (z. B. Reichslandvogt), im
Spätmittelalter auch der Vormund. In der frühen Neuzeit wird die Kirchenvogtei
als bloßes Schutzrecht verstanden und die niedere Vogtei als Grundlage einer
neben der Landesherrschaft stehenden beschränkten Herrschaftsgewalt schwächerer
Reichsglieder. Teilweise gelingt der Kirche die Umwandlung der Vogtei in ein
bloßes Patronat. Mit dem Heiligen römischen Reich verschwindet 1806 auch der V.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 85, 86, 111,
113; Pischek, A., Die Vogtgerichtsbarkeit süddeutscher Klöster, 1907; Glitsch,
H., Untersuchungen zur mittelalterlichen Vogtgerichtsbarkeit, 1912; Feine, H.,
Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5. A. 1972; Vogteien, Ämter, Landkreise in
Baden-Württemberg, hg. v. Landkreistag, Bd. 1f. 1975; Willoweit, D.,
Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975, 63, 213; Dohrmann, W., Die Vögte
des Klosters St. Gallen, 1985
Vogtei ist die Stellung als →Vogt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Heilmann, A., Die
Klostervogtei im rechtsrheinischen Teil der Diözese Konstanz, 1908; Waas, A.,
Vogtei und Bede, Bd. 1f. 1919ff.; Otto, E., Die Entstehung der deutschen Kirchenvogtei,
1933; Grube, W., Vogteien, Ämter, Landkreise, 1960; Endemann, T., Vogtei und
Herrschaft, 1967; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972;
Willoweit, D., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, 1975; Hofacker, H., Die
schwäbischen Reichslandvogteien, 1980; Reichert, F., Landesherrschaft, Adel
und Vogtei, 1985; Simon, T., Grundherrschaft und Vogtei, 1995; Clauss, M., Die
Untervogtei, 2002
Vohenstrauß
Lit.: Bernd, D., Vohenstrauß, 1977
Vokabular ist das Wörterbuch, das es seit dem
12. Jh. auch für den Bereich des Rechtes gibt (Ulrich von Albeck, Promptuarium
iuris, um 1420, Jodocus Verbarius, Vocabularius utriusque iuris, Wörterbuch
beider Rechte, um 1452). Bei alphabetischer Anlage kann es auch →Abecedarium
heißen. Zum →Sachsenspiegel sind zwei nichtalphabetische
lateinisch-deutsche Vokabulare bekannt, die in einem Druck von 1474 und einer
Handschrift von 1475 überliefert sind.
Lit.: Stintzing, R., Geschichte der populären
Literatur, 1867; Kisch, G., Zwei Sachsenspiegel-Vokabularien, ZRG GA 44,
(1924), 307; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1 1973, 258, 352; Oppitz, U.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 80, 305; Landau, P., Der
Traktat Lex est commune praeceptum von Altzelle (in) Römische Jurisprudenz,
2011, 379
Volenti non fit iniuria (lat.). Dem Wollenden geschieht
kein Unrecht.
Lit.: Liebs, D., Lateinische Rechtsregeln, 7. A. 2007
(Ulpian, um 170-um 230, Digesten 47, 10, 1 § 5)
Volk ist die durch gemeinschaftliche geistige, kulturelle
oder politische Entwicklung verbundene umfassende Menschenmehrheit. V. sind z.
B. Griechen, Römer, Germanen, Franken u.
s. w. Im Frühmittelalter zeichnen viele Völker oder Stämme ihr Recht als
→Volksrecht auf. Wenig später entwickelt sich aus mehreren Stämmen das
deutsche V., dessen Herrschaftsgebiet gegen Ende des Mittelalters als Heiliges
römisches Reich verstanden wird. In der frühen Neuzeit tritt das V. dem
absoluten Herrscher als eine politisch weitgehend rechtlose Gesamtheit von
Untertanen gegenüber. Demgegenüber versteht die Aufklärung (→Rousseau)
das V. als den eigentlichen Träger der Souveränität. Diese Vorstellung gewinnt
im Laufe des 19. Jh.s an Gewicht und wird 1918 vielerorts verwirklicht.
Gegenüber anderen Völkern werden vielfach eine geschlossene Nation und ein
Nationalstaat angestrebt. Im Nationalsozialismus ist der Einzelne nichts, die
völkische Gemeinschaft dagegen alles. In der multikulturellen Gesellschaft
des ausgehenden 20. Jh.s wird die Bedeutung des Volkes geringer.
Lit.: Köbler, DRG 18, 110, 111, 148, 149, 191, 202,
223, 230, 256; Köbler, WAS; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 141;
Mommsen, T., Die Grundrechte des deutschen Volkes, 1849, Neudruck 1969;
Schmitt, C., Staat, Bewegung, Volk, 1933; Meyer, H., Recht und Volkstum, 1933;
Herold, G., Der Volksbegriff, 1941; Franz, G., Der Dreißigjährige Krieg und das
deutsche Volk, 3. A. 1961; Nack, R., Germanen, 1965; Joachimsen, P., Vom
deutschen Volk zum deutschen Staat, 4. A. 1967; Mosse, E., Ein Volk, ein Reich,
ein Führer, 1979; Kershaw, I., „Widerstand ohne Volk?“, 1986; Stadler-Planzer,
H., Die Souveränität beruht im Volk, 1988; Petri, M., Die Urvolkhypothese,
1990; Volk und Nation, hg. v. Herrmann, U., 1994; Elsner, B., Die Bedeutung des
Volkes im Völkerrecht, 2000; Pan, C. u. a., Die Volksgrupppen in Europa, 2002,
2. A: 2016; Geary, P., Europäische Völker im frühen Mittelalter, 2002; Regna
and Gentes, hg. v. Goetz, H., 2002; Fuhrmann, M., Volksvermehrung als
Staatsaufgabe 2002; Plassmann, A., Origo gentis, 2006; Coumert, M., Origines
des peuples, 2007; Köck, J., Die Geschichte hat immer Recht. Die völkische
Bewegung im Spiegel ihrer Geschichtsbilder, 2015; Der Ort der
„Volksgemeinschaft“ in der deutschen Gesellschaftsgeschichte, hg. v.
Schmiechen-Ackermann, D. u. a., 2017
Volkach am Main kommt 899 vom fränkischen
König Arnulf von Kärnten an das Kloster Fulda, wird 1258 als Stadt erwähnt und
gelangt 1328 in Teilen an das Hochstift Würzburg (1520 ganz). Der
Stadtschreiber Niklas Brobst von Effelt verfasst 1504 im Volkacher Salbuch eine
Sammlung des örtlichen Rechtes mit vielen Abbildungen. 1814 fällt V. an Bayern.
Lit.: Das Volkacher Salbuch,
hg. v. Arnold, K./Feuerbach, U., 2009
Völkerbund ist der von den Siegermächten des
ersten Weltkriegs (insbesondere Woodrow Wilson) angeregte, am 28. 6. 1919
gegründete, von 1920 bis 1946 bestehende, anfangs ganz von Frankreich
beherrschte Bund von zunächst 45 Staaten mit einer Satzung (Völkerbundakte) vom
28. 4. 1919 und einer Bundesversammlung in Genf, einem Völkerbundrat mit den
Hauptweltmächten als ständigen und weiteren nichtständigen Mitgliedern sowie
einem Sekretariat als Organen. Die Vereinigten Staaten von Amerika treten nicht
bei, Brasilien (1928), das 1926 aufgenommene Deutsche Reich (1933), Japan
(1933) sowie Italien (1937) treten aus, die Sowjetunion wird 1939
ausgeschlossen. Nach Gründung der Vereinten Nationen löst sich der V. am 18. 4.
1946 auf.
Lit.: Schoch, O., Der Völkerbundsgedanke zur Zeit des
deutschen Idealismus, 1960; Pfeil, A., Der Völkerbund, 1976; Sharma, S., Der
Völkerbund, 1978; The League of Nations in retrospect, 1983; Ziegler, K.,
Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2. A. 2007; Fellner, F., Vom Dreibund zum
Völkerbund, 1994; Knipping, F. u. a., Das System der Vereinten Nationen und
seine Vorläufer, Bd. 1f. 1995; Wintzer, J., Deutschland und der Völkerbund
1918-1926, 2006; Das Vertragswerk von Locarno, hg. v. Breuer, M. u. a., 2007
Völkermord (Genozid) ist die Tötung einer
erheblichen Anzahl der Angehörigen eines Volkes wegen der Zugehörigkeit zu
diesem Volk (z. B. Armenier, Juden, Deutsche, Tschetschenen-Inguschen, Krim-Tataren).
In Europa sind im 20. Jahrhundert in vier Perioden mindestens 30 Millionen
Menschen Opfer ethnischer Säuberungen geworden.
Lit.: Heinsohn, G., Lexikon der Völkermorde, 1998;
Blumenwitz, D., Rechtsgutachten über die Verbrechen an den Deutschen in
Jugoslawien 1944-1948, 2002; Genocide of the ethnic Germans in Yugoslavia
1944-1948, hg. v. Documentation Project Committee, 2003; Naimark, N.,
Flammender Hass. Ethnische Säuberungen im 20. Jahrhundert, 2004; Ther, P.,
Ethnische Säuberungen im modernen Europa, 2011
Völkerrecht ist die Gesamtheit der die Rechte
und Pflichten der Staaten und anderen Völkerrechtssubjekte enthaltenden Rechtssätze.
Das V. reicht in seinen einfachsten Anfängen (Krieg, Frieden, Bündnisse,
Gesandte) Jahrtausende vor die Zeitenwende zurück. Es ist vom römischen (lat.)
→ius (N.) gentium (bei allen Völkern – für alle Rechtssubjekte -
geltendes Recht) wegen dessen Erstreckung auf den Rechtsverkehr mit und unter
Nichtrömern zu unterscheiden. In seiner modernen Gestalt entwickelt es sich mit
der Ausbildung des Staates im ausgehenden Mittelalter. Hier leiten die
spanischen Spätscholastiker (Francisco de →Vitoria 1483/1493-1546,
Fernando →Vazquez 1512-1569, Francisco Suarez 1548-1617) aus einem als
allgemein geltend behaupteten Naturrecht gewisse allgemeine Völkerrechtssätze
ab. Hugo →Grotius (1583-1645) begründet in Systematisierung dieser
Vorstellungen 1605-1608 mit (lat. De iure praedae (Vom Recht der Beute) bzw.
1625 mit (lat.) De iure belli ac pacis libri tres (Drei Bücher Recht des
Krieges und Friedens) überhaupt ein allgemeines Recht für alle
Rechtsverhältnisse. Von 1648 bis 1815 reicht das sog. französische Zeitalter
des Völkerrechts, von 1815 bis 1914 das sog. englische Zeitalter. Nach 1750
wird auf der Grundlage von Überlegungen Thomas Hobbes’ der Herrscher als
Subjekt des Völkerrechts durch den Staat oder das Volk als Bezugspunkt ersetzt.
1758 wendet Emer de →Vattel in einem bedeutsamen Werk das Vernunftrecht
auf das V. an. 1785 versucht Georg Friedrich von →Martens in seinen
(lat.) Primae lineae (F.Pl.) iuris gentium Europaearum practici (Grundlinien
des praktischen Völkerrechts Europas) eine neuartige Gliederung und legt 1797
eine Sammlung der wichtigsten völkerrechtlichen Verträge vor. Bis zum 19. Jh.
bezieht das V. nur die christlichen (zivilisierten) Staaten Europas (und Amerikas)
ein, bis 1856 das osmanische Reich (Türkei) aufgenommen wird. Die Verhältnisse
zwischen den Staaten des europäischen Völkerrechts und politischen Gemeinwesen
in Übersee, die keine zivilisierten Nationen bilden, werden durch das
überseeische Völkerrecht geregelt, das nur sehr schwach entwickelt ist. Seit
dem 20. Jh. gewinnt das V. infolge der Tätigkeit der Vereinten Nationen
größeres Gewicht und entwickelt sich von einem reinen Zwischenstaatsrecht zu
einem Schutzrecht für Opfer bzw. einem Verantwortungsrecht für Täter
(Nürnberger Militärtribunal 1945ff., internationale Strafgerichtshöfe für Jugoslawien
und Ruanda, Entscheidung des britischen House of Lords im Fall Pinochet 1999).
Kennzeichnend hierfür ist auch, dass nicht mehr nur die Interessen von Staaten,
sondern auch der Staatengemeinschaft als ganzer (Gemeinwohl) geschützt
werden, wobei die Einhaltung (z. B. des Genozidverbots) von jedem Staat
verlangt werden kann. Quellen des Völkerrechts sind (mangels der Souveränität
eines [Völkerrechts-]Gesetzgebers) hauptsächlich Verträge und
Völkergewohnheitsrecht.
Lit.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 97;
The Consolidated Treaty Series, hg. v. Parry, C., 1648ff.; Walker, T., A
History of the Law of Nations, 1899; Wegner, A., Geschichte des Völkerrechts,
1936; Reibstein E., Die Anfänge des neueren Völkerrechts, 1949; Histoire des
relations internationales, hg. v. Renouvin, P., Bd. 1 1953; Rie, R., Der Wiener
Kongress und das Völkerrecht, 1957; Nussbaum, A., Geschichte des Völkerrechts in
gedrängter Darstellung, 1960 (dt. Übersetzung der 2. amerikanischen A.);
Reibstein, E., Völkerrecht – Eine Geschichte seiner Ideen, Bd. 1f. 1957ff.;
Preiser, W., Die Völkerrechtsgeschichte, 1964; Reibstein, E., Völkerrechtliche
Aspekte des Heiligen römischen Reiches, 1967; Mössner, J., Die Völkerrechtspersönlichkeit
und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis
1518-1830), 1968; Muldoon, J., Popes, Lawyers and Infidels, 1979; Kunisch, J.,
Staatsverfassung und Mächtepolitik, 1979; Verdroß, A./Simma, B., Universelles
Völkerrecht, 3. A. 1984; The Consolidation. Treaty Series, hg. v. Parry, C.,
Bd. 1ff. 1969ff.; Grewe, W., Epochen der Völkerrechtsgeschichte, 1984; Fontes
historiae iuris gentium, hg. v. Grewe, W., Bd. 1ff. 1988ff.; Nörr, D., Aspekte
des römischen Völkerrechts, 1989; Gordley, J., The Philosophical Origins of
Modern Contract Doctrine, 1991; Ziegler, K., Völkerrechtsgeschichte, 1994, 2.
A. 2007, 2. A. 2007; Eick, C., Indianerverträge in Nouvelle-France, 1994; Kleinschmidt,
H., Geschichte der internationalen Beziehungen, 1998; Schröder, J., Die
Entstehung des modernen Völkerrechtsbegriffs im Naturrecht der frühen Neuzeit,
(in) Die Entstehung und Entwicklung der Moralwissenschaften, hg. v. Byrd B. u.
a., 2000; Ziegler, K., Biblische Grundlagen des europäischen Völkerrechts, ZRG
KA 86 (2000), 1; Paulus, A., Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht,
2001; Koskenniemi, M., The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of
International Law 1870-1960, 2001; Bederman, D., International Law in
Antiquity, 2001; Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im
Mittelalter, hg. v. Berg, D. u. a., 2002; König, K., Die völkerrechtliche
Legitimation der Strafgewalt internationaler Strafjustiz, 2003; Materialien zum
Völkerstrafgesetzbuch, hg. v. Lüder, S. u. a., 2003; Werle, G.,
Völkerstrafrecht, 2003; Steck, P., Zwischen Volk und Staat, 2003; Röben, B.,
Johann Caspar Bluntschli, Francis Lieber und das moderne Völkerrecht 1861-1881,
2003; Gierhake, K., Begründung des Völkerstrafrechts auf der Grundlage der
kantischen Rechtslehre, 2006; Werle, G., Völkerstrafrecht, 2. A. 2007; Schmidt,
F., Praktisches Naturrrecht zwischen Thomasius und Wolff - Der Völkerrechtler
Adam Friedrich Glafey, 2007; Swatek-Evenstein, M., Geschichte der humanitären
Intervention, 2008; Denfeld, C., Hans Wehberg (1885-1962), 2008; Degenhardt,
F., Zwischen Machtstaat und Völkerbund - Erich Kaufmann, 2008; Ziegler, K.,
Fata iuris gentium, 2008; Toppe, A., Militär und Kriegsvölkerrecht, 2008;
Steiger, H., Von der Staatengesellschaft zur Weltrepublik? – Aufsätze zur
Geschichte des Völkerrechts aus vierzig Jahren, 2009; Steiger, H., Die Ordnung
der Welt, 2010; König, S., Der Einfluss des Privatfürstenrechts auf das
Völkerrecht, ZRG GA 127 (2010), 293; Weeber, U., Hugo Grotius’ Völkerrechtskonzeption,
ZRG GA 127 (2010), 301; Kempe, M., Fluch der Weltmeere, 2010; Grotkamp, N.,
Völkerrecht im Prinzipat, 2009; Les conflits entre peuples, hg. v. Dauchy, S.
u. a., 2011; Toyoda, T., Theory and Politics of the Law of Nations, 2011;
Schmelz, C., Der Völkerrechtler Gustav Adolf Walz, 2011; Klump, R. u. a.,
Völkerrecht und Weltwirtschaft, 2012; Jung, H., Rechtserkenntnis und
Rechtsfortbildung im Völkergewohnheitsrecht, 2012; Pauka, M., Kultur,
Fortschritt und Reziprozität _ Die Begriffsgeschichte des zivilisierten Staates
im Völkerrecht, 2012; Geneuss, J., Völkerrechtsverbrechen und
Verfolgungsermessen, 2013; Lovric-Pernak, K., Morale internationale und
Humanité im Völkerrecht des späten 19. Jahrhunderts, 2013; Nippold, O., Die
Fortbildung des Verfahrens in völkerrechtlichen Streitigkeiten, 2013;
Kleinschmidt, H., Geschichte des Völkerrechts in Krieg und Frieden, 2013;
Steiger, H., Universalität und Partikularität des Völkerrechts in
geschichtlicher Perspektive, 2015 (Aufsätze); Hull, I., A Scrap of Paper –
Breaking and Making International Law, 2014; Lowe, C., Zum ewigen Frieden – Die
Theorie des Völkerrechts bei Kant und Rawls, 2015; Weinke, A., Gewalt,
Geschichte, Gerechtigkeit, 2016
Völkerwanderung ist allgemein die dauerhafte
Veränderung des ständigen Aufenthaltsorts eines mehr oder weniger vollständigen
Volks (z. B. Kimbern, Teutonen, Helvetier) und besonders die durch einen
Vorstoß der Hunnen (→Türke) aus Asien 375 n. Chr. ausgelöste Wanderung germanischer
Völker in die Gebiete des weströmischen Reiches (z. B. Ostgoten, Westgoten,
Burgunder, Vandalen, Sueben, Alemannen, →Franken, Angeln, Jüten, Sachsen
und Langobarden). Die V. endet 568 n. Chr. mit dem Vorstoß der Langobarden nach
Italien. Im Ergebnis entstehen mehrere neue Reiche. Umstritten ist die Frage
der Fortdauer antiker Einrichtungen. In keinem Fall darf aber die Bedeutung des
von der Kirche vermittelten Wissens über das Altertum unterschätzt werden.
Umfangreiche Wanderungsbewegungen finden darüber hinaus bis in die Gegenwart
ebenso statt wie Versuche ihrer Abwehr oder Lenkung.
Lit.: Köbler, DRG 67; Dahn, F., Die Könige der
Germanen, Bd. 1ff. 1861ff.; Lot, F., Les invasions germaniques, 1935; Zöllner,
E., Geschichte der Franken, 1970; Diesner, H., Die Völkerwanderung, 1976ff.;
Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001; Maczynska, M., Die Völkerwanderung, 1993;
Anderson, M., The Rise of Modern Diplomacy, 1993; Martin, J., Spätantike und
Völkerwanderung, 3. A. 1995; Baldus, C., Regelhafte Vertragsauslegung, 1998;
Bade, K., Europa in Bewegung, 2000; Pohl, W., Die Völkerwanderung, 2002, 2. A.
2005; Arens, P., Sturm über Europa, 2002; Rosen, K., Die Völkerwanderung, 2002;
Regna und gentes, hg. v. Goetz, H. u. a., 2002; Halsall, G., Barbarian
Migration and the Roman West, 2007; Völker, Reiche und Namen im frühen
Mittelalter, hg. v. Becher, M., 2010; Rummel, P. u. a., Die Völkerwanderung,
2011
Volksabstimmung ist die Abstimmung der
stimmberechtigten Staatsbürger über eine einzelne Sachfrage. In kleinen
einfachen Gesellschaften finden Volksabstimmungen in der
→Volksversammlung statt. In größeren, komplexen Gesellschaften geht
diese Einrichtung verloren. Seit der Aufklärung wird sie in unterschiedlicher
Weise wiederbelebt (Massachusetts 1780, Frankreich 1793, helvetische
Republik 1798, Deutsches Reich 1919ff.).
Lit.: Schmitt, C., Volksentscheid und Volksbegehren,
1927; Tipke, K., Das Recht des Volksentscheids, Diss. jur. Hamburg 1952
masch.schr.; Schiffers, R., Elemente direkter Demokratie, 1971; Schefold, D.,
Volkssouveränität und repräsentative Demokratie, 1966; Bugiel, K., Volkswille
und repräsentative Entscheidung, 1991; Jung, O., Plebiszität und Diktatur, 1995
Volksanwaltschaft ist die in Österreich mit Gesetz vom 24. 2.
1977 nach schwedischem Vorbild (Ombudsman) (zunächst nur versuchsweise)
geschaffene außergerichtliche Einrichtung, bei der sich jeder Betroffene wegen
eines behaupteten Missstands in der Verwaltung des Bundes bei Fehlen eines
Rechtsmittels beschweren kann. Die V.muss die Beschwerde prüfen und kann
gegenüber Missständen Empfehlungen aussprechen, aber nicht gerichtlich
vorgehen.
Volksbegehren ist das Begehren einer bestimmten
Zahl von Bürgern eines Staates, Gesetzesentwürfe vorzulegen und darüber eine
Volksabstimmung zu verlangen. Das V. findet sich seit der Aufklärung an
unterschiedlichen Orten (Georgia 1777, Schweiz 1830ff., Deutsches Reich
1919ff.)
Lit.: Schambeck, H., Das Volksbegehren, 1971;
Hartmann, D., Volksinitiativen, 1976; Jung, O., Direkte Demokratie in der
Weimarer Republik, 1989; Mester, G., Die Volksinitiative in Sachsen, 2003
Volksdemokratie ist im sozialistischen Verfassungsrecht
des 20. Jh.s die der bürgerlichen Demokratie bewusst entgegengesetzte
Staatsform, in der die politische Macht in den Händen der kommunistischen
Arbeiterpartei als Vertreterin des Volkes liegt. Nach 1945 werden zahlreiche
Volksdemokratien geschaffen (z. B. Deutsche Demokratische Republik). Um 1990
tritt die V. als erfolglos zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 3
Volkseigen (dem Volk und
damit keinem Einzelnen gehörig)
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Krause, W., Die Entstehung
des Volkseigentums in der Industrie, 1958; Hoffmann, M., Das Volkseigentum an
Grund und Boden in der DDR, 1978
Volksempfinden
Lit.: Rückert, J., Das „gesunde Volksempfinden“ – eine Erbschaft
Savignys?, ZRG GA 103 (1986), 199
Volksgeist ist vielleicht in Wiedergabe des
möglicherweise auf der bereits bei Aristoteles und dann bei Jean Bodin (1566,
1576) betonten Verschiedenheit der Völker gründenden französischen l’esprit de
la nation die Gesamtheit der einem jeweiligen Volk innewohnenden teilweise
unbewusst wirkenden schöpferischen Kräfte. Auf diese nationalen Kräfte greift
in der deutschen Romantik Herder (1744-1803) mit Volkssprache und Volkslied
zurück. →Savigny übernimmt diese Vorstellung für die Rechtsquellenlehre
der →historischen Rechtsschule. Allerdings geht er dabei schon seit
1808/1809 davon aus, dass die Wanderungen und Revolutionen der germanischen
Stämme verhindert hätten, dass das ursprüngliche germanische Recht einen festen
Bezugspunkt und einzigen Mittelpunkt gefunden habe, weshalb die Deutschen gar
kein eigenes ursprüngliches Recht besäßen, so dass auch für sie das römische
Recht das eigentümliche, vom V. zu bearbeitende Recht sei. 1828 verwendet
→Puchta den V. als eine von mehreren Tätigkeiten des Volkes, die eine
einheitliche Rechtsauffassung auf der Grundlage gemeinschaftlich geteilter
Überzeugung schafft. 1840 gebraucht auch Savigny das Wort.
Lit.: Köbler, DRG 178, 188; Möller, E. v., Die
Entstehung des Dogmas von dem Ursprung des Rechtes aus dem Volksgeist, MIÖG 30
(1909), 1; Kantorowicz, H., Volksgeist und historische Rechtsschule, HZ 108
(1912), 295; Zahradnik, K., Nationalgeist, Diss. phil. Wien 1938 masch.schr.;
Schröder, J., Zur Vorgeschichte der Volksgeistlehre, ZRG GA 109 (1992), 1;
Lahusen, B., Alles Recht geht vom Volksgeist aus, 2013 (gut zu lesen, aber je
mehr, deto kritischer)
Volksgerichtshof ist
das am 24. 4. 1934 geschaffene Gericht der nationalsozialistischen Regierung
des Deutschen Reiches vor allem für Hochverrat und →Landesverrat (12
Berufsrichter, wovon nur einer vor 1933 der NSDAP angehörte, seit 1942 auf
Lebenszeit ernannt), das in Senaten mit 2 Berufsrichtern und drei Volksrichtern
(Funktionären, Offizieren, Beamten) entscheidet (insgesamt rund 570 Richter
und Staatsanwälte). Der V. sichert (auch durch „verfahrensmäßige Normalität“)
die nationalsozialistische Herrschaft. Unter seinem Präsidenten (Roland
Freisler August 1942-3. 2. 1945) werden bis 1945 bei 16342 Angeklagten
(mindestens 15729 Abgeurteilten) 5243 Todesurteile verhängt (davon rund 2600
durch den ersten, von Roland Freisler geführten Senat). Rechtsmittel fehlen. Am
25. 1. 1985 erklärt der deutsche Bundestag alle Entscheidungen des
Volksgerichtshofs als nichtig. Durch Gesetz vom 25. 8. 1998 werden alle Urteile
als nationalsozialistisches Unrecht aufgehoben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 235; Buchheit,
G., Richter in roter Robe, 1968; Wagner, W., Der Volksgerichtshof, 1974, 2. A.
2011; Im Namen des deutschen Volkes, hg. v. Hillermeier, H., 2. A. 1982; Koch,
H., Der Volksgerichtshof, 1988; Marxen, K., Der Volksgerichtshof, Anwaltsbl.
1989, 17; Marxen, K., Das Volk und sein Gerichtshof, 1994; Schlüter, H., Die Urteilspraxis
des nationalsozialistischen Volksgerichtshofs, 1995; Die Angeklagten des 20.
Juli vor dem Volksgerichtshof, hg. v. Mühlen, B. v. zu, 2001; Eder, W., Das
italienische Tribunale speciale per la difesa dello stato und der deutsche
Volksgerichtshof, 2002; Breuning, S., Roland Freisler, 2002; Terror und
Normalität, v. Marxen, K. u. a., 2004; Ramm, A., Der 20. Juli vor dem
Volksgerichtshof, 2007
Volksgesetzbuch ist das schon im 18. Jh.
angestrebte volkstümliche, das gesamte Recht eines →Volkes verständlich
zusammenfassende Gesetzbuch. Seit (11. 3.) 1938 (Anschluss Österreichs an das
Deutsche Reich) befasst sich die →Akademie für deutsches Recht mit einem
Projekt eines in 8 Bücher (Volksgenosse, Familie, Erbe, Vertrag und Haftung,
Eigentum, Arbeit, Unternehmen, Vereinigung) gegliederten Volksgesetzbuchs.
Dieses teils reaktionäre, teils fortschrittliche Vorhaben einer gemäßigten
Reform des Bürgerlichen Gesetzbuchs (1900) wird im August 1944 eingestellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 237; Hedemann,
J., Das Volksgesetzbuch der Deutschen, 1941; Krause, H., Wirtschaftsrecht und
Volksgesetzbuch, Deutsche Rechtswissenschaft 1941, 204; Hedemann, J./Lehmann,
H./Siebert, W., Volksgesetzbuch, 1942; Hattenhauer, H., Das NS-Volksgesetzbuch,
FS R. Gmür 1983, 255; Volksgesetzbuch, hg. v. Schubert, W., 1988
Volkshaus ist die Bezeichnung für das
Parlament in der nicht verwirklichten deutschen Verfassung von 1849. Seine
Abgeordneten sollen durch geheime, direkte, allgemeine und gleiche Wahlen bestimmt
werden.
Lit.: Köbler, DRG 194; Willoweit, D., Deutsche
Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005
Volksheer ist das vom gesamten Volk gebildete
Heer, wie es bei allen Völkern am Anfang stehen dürfte. Im fränkischen Reich
tritt das V. gegenüber dem von Lehnsmannen gebildeten Reiterheer zurück. Das
moderne V. erscheint in den Befreiungskriegen gegen Napoleon (Österreich 1808,
Preußen 1808/1813) und setzt die der Volkssouveränität entsprechende allgemeine
→Wehrpflicht voraus. Im späten 20. Jh. dringt die Vorstellung einer Berufsarmee
wieder vor. 2011 wird in Deutschland die Wehrpflicht ausgesetzt.
Lit.: Conrad, H., Geschichte der deutschen
Wehrverfassung, 1939; Frauenholz, E. v., Das deutsche Wehrwesen, 1941; Hermann,
H., Deutsche Militärgeschichte, 1966
Volkskammer ist das Parlament der
→Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 258; Lapp, P.,
Die Volkskammer der DDR, 1975; Lapp, P., Wahlen in der DDR, 1982
Volkskunde ist die Lehre von den Wesenszügen
eines →Volkes. Die rechtliche V. bezieht sich dabei vornehmlich auf das
Recht. Ihre Ansätze gehen in das 18. Jh. zurück. 1886/1887 erscheint in
Frankreich eine folklore juridique (Rolland), 1925 in Deutschland die
rechtliche V. (Künßberg). Ihre Quellen sind Sprachgut (z. B. Namen), Sachgut (z.
B. Rathaus), Brauchgut (z. B. Umritt), Glaubensgut (z. B. Eid) und anderes. In
der Gegenwart versteht sich die V. zunehmend als Teil der allgemeinen
Ethnologie.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Künßberg, E. v. Rechtliche
Volkskunde, 1936; Künßberg, E. Frhr. v., Lesestücke zur rechtlichen Volkskunde,
1936; Boehm, M., Volkskunde, 1937; Mackensen, L., Volkskunde der deutschen
Frühzeit, 1937; Wohlhaupter, E., Beiträge zur rechtlichen Volkskunde
Schleswig-Holsteins, Nordelbingen 16 (1940), 74, 17/18 (1942), 51; Bader, K.,
Die zimmerische Chronik als Quelle rechtlicher Volkskunde, 1942; Amira, K.
v./Schwerin, C. Frhr. v., Rechtsarchäologie, 1943; Walker, M., Das volkstümliche
Leben im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. phil. Tübingen 1954; Wackernagel, H.,
Altes Volkstum der Schweiz, 1956; Kramer, K., Bauer und Bürger im
nachmittelalterlichen Unterfranken, 1957; Volkskunde, hg. v. Lutz, G., 1958;
Strübin, E., Grundfragen des Volkslebens bei Jeremias Gotthelf, 1959; Kramer,
K., Volksleben im Fürstentum Ansbach, 1961; Jacobeit, W., Schafhaltung und
Schäfer, 1961; Zur Geschichte von Volkskunde und Mundartforschung in Württemberg,
1964; Künßberg, E. Frhr. v., Rechtsgeschichte und Volkskunde, bearb. v. Tzermias,
P., 1965; Das Ochsenfurter Kauzenbuch 1611-1802, 1967; Siebs, B., Weltbild,
1969; Duenninger, J. u. a., Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, 1971;
Kramer, K., Grundriss einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Das Recht der kleinen
Leute, hg. v. Köstlin, K. u. a., 1976; Forschungen zur Rechtsarchäologie und
rechtlichen Volkskunde, hg. v. Carlen, L., 1978ff.; Mohrmann, R., Volksleben in
Wilster, 1977; Göttsch, S., Stapelholmer Volkskultur, 1981; Köbler, G., Bilder
aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Volksrecht ist das Recht eines Volkes, insbesondere
das Recht eines der frühmittelalterlichen Nachfolgevölker der Germanen (lat. F.
lex, ahd. F.
ewa). Die Aufzeichnungen der Volksrechte in lateinischer Sprache beginnen nach
römischem und kirchlichem Vorbild noch am Ende des Altertums (lat.
Codex M.
Euricianus 475). Überliefert sind Volksrechte der Goten, Burgunder, Franken
(ab 507-511?), Alemannen, Bayern, Langobarden, Sachsen, Thüringer, Friesen und
(in der Volkssprache) der Angelsachsen (→lex, leges). Inhaltlich setzen
sie sich aus Gewohnheitsrecht und Gesetzesrecht zusammen. Sachlich bedeutsam
sind vor allem der Unrechtserfolgsausgleich durch →Wergeld und Buße
(→Kompositionensystem) und das Verfahren. Die Aufzeichnung der durch
→Kapitularien ergänzten Volksrechte endet im frühen 9. Jahrhundert (802),
die Überlieferung im Hochmittelalter, in dem das V. durch das →Landrecht
(z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) abgelöst wird. Das V. ist bereits durch
römisches Recht und kirchliches Recht beeinflusst.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 79, 80, 101;
Thöl, H., Volksrecht, Juristenrecht, 1846; Mitteis, L., Volksrecht und
Reichsrecht, 1891, Neudruck 1963; Halban, A. v., Das römische Recht in den
germanischen Volksstaaten, 1899ff.; Mayer-Homberg, E., Die fränkischen
Volksrechte im Mittelalter, Bd. 1 1912; Eckhardt, K., Gesetze der Merowinger
und Karolinger, ZRG GA 55 (1935), 232; Buchner, R., Die Rechtsquellen, 1953;
Amira, K. v., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960; Stammesrecht und Volkssprache, hg. v. Hüpper,
D. u. a., 1991; Ubl, K., Gab es das Leges-Skriptorium Ludwigs des Frommen? DA
70 (2014) 42 (Tours war bedeutend, aber nicht entscheidend, 13 von mehr als 150
Handschriften)
Volksrichter ist der nicht durch eine
rechtswissenschaftliche Ausbildung ausgewiesene, durch Volksvertretung oder
Bürger gewählte Richter der sowjetischen Besatzungszone bzw. der
→Deutschen Demokratischen Republik.
Lit.: Köbler, DRG 262; Pfannkuch, J., Volksrichterausbildung
in Sachsen, 1993; Hattenhauer, H., Über Volksrichterkarrieren, 1995;
Volksrichter in der SBZ/DDR, hg. v. Wentker, H., 1997; Backhaus, J.,
Volksrichterkarrieren in der DDR, 1998; Mathes, R., Volksrichter, Schöffen,
Kollektive, 1999
Volksschädling ist nach einer besonderen
nationalsozialistischen Verordnung des Deutschen Reiches (1935), wer den
Interessen des deutschen Volkes schadet.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 237; Jansen, S.
Schädling, 1999; Nüchterlein, J., Volksschädlinge vor Gericht, 2015
Volkssouveränität ist die Innehabung der Staatsgewalt
durch das Volk als Souverän. Die V. entwickelt sich nach bereits antiken
(→Cicero 106-43 v. Chr.) und mittelalterlichen (→Marsilius von
Padua 1324) Ansätzen aus der Souveränitätsvorstellung der frühen Neuzeit
(Bodin 1527). Nach Emer de Vattel (1758) und Jean-Jacques →Rousseau
(1762) ist Inhaber der Souveränität das Volk. Dementsprechend erklärt die
→Virginia Bill of Rights 1776, dass alle Gewalt vom Volk ausgehe. Auch
die französische Revolution behauptet die Verankerung jeglicher Souveränität in
der Nation. Dem folgen deutsche Politiker seit etwa 1820, wenn sie die V. dem
→monarchischen Prinzip, dem Gottesgnadentum und der Fürstensouveränität
gegenüberstellen. Die Weimarer Reichsverfassung (1919) und die späteren
deutschen Verfassungen führen dann uneingeschränkt alle Staatsgewalt auf das
Volk zurück.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 191, 230, 248;
Murhard, F., Die Volkssouveränität, 1832; Koch, G., Manegold von Lautenbach und
die Lehre von der Volkssouveränität, 1902; Wolf, H., Volkssouveränität und
Diktatur in den italienischen Stadtrepubliken, 1937; Schefold, D., Volkssouveränität
und repräsentative Demokratie in der schweizerischen Regeneration, 1966;
Schubert, F., Volkssouveränität und Heiliges römisches Reich, HZ 213 (1971),
91; Reibstein, E., Volkssouveränität und Freiheitsrechte, hg. v. Schott, C.,
Bd. 1f. 1972; Kielmannsegg, P., Volkssouveränität, 1977; David, M., La
souveraineté du peuple, 1996; Lamprecht, O., Das Streben nach Demokratie, Volkssouveränität
und Menschenrechten in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts, 2001; Lee, D.,
Popular Sovereignty in early modern constitutional thought. 2016
Volkssprache ist die Sprache eines Volkes im
Gegensatz zur Sprache anderer Völker bzw. die Sprache des einfachen Volkes im
Gegensatz zu einer Sprache der Gebildeten oder Gelehrten. Im fränkischen
Frühmittelalter ist die Grundlage der Volkssprachen im östlichen Reichsteil
(z. B. althochdeutsch, altniederfränkisch, altsächsisch) germanistisch, die
Überlieferungssprache dagegen lateinisch. Das führt zu einem →Übersetzungsproblem.
Seit dem 13. Jh. dringt die Volkssprache in der Überlieferung allgemein vor
(Sachsenspiegel 1221-1224, Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, rund vierzig Urbare
[Urbar der Marschälle von Pappenheim 1214-1219?], rund 40 städtische
Rechtsbücher, mehr als 4000 Originalurkunden vor allem ab 1250), in der
Aufklärung setzt sie sich (im Heiligen römischen Reich unter Vereinheitlichung
auf das Neuhochdeutsche) gegenüber fremden Sprachen durch. Dessenungeachtet
bleiben Prägungen der V. durch die römische Jurisprudenz bestehen. Im 20. Jh.
macht sich zunehmend angloamerikanischer Einfluss bemerkbar.
Lit.: Schulze, U., Lateinisch-deutsche Parallelurkunden,
1975; Köbler, G., Lateinisch-germanistisches Lexikon, 2. A. 1984; Hattenhauer,
H., Zur Geschichte der deutschen Rechtes- und Gesetzessprache, 1987; Sprache,
Recht, Geschichte, hg. v. Eckert, J. u. a., 1991; Schmidt-Wiegand, R.,
Stammesrecht und Volkssprache, 1991; Sousa Costa, Studien zu volkssprachlichen
Wörtern in karolingischen Kapitularien 1993; Bertelsmeier-Kierst, C., Zum
volkssprachlichen Verschriftlichungsprozess des Rechts im 13. Jahrhundert,
2008; Brunner, T., Le passage aux langues vernaculaires dans les actes de la
pratique en Occident, Le Moyen °Age 115 (2009), 29ff.
Volkstribun (lat. tribunus M.
plebis) ist im altrömischen Recht das seit 494 v. Chr. anerkannte Sonderorgan
der Plebejer. Der V. ist unverletzlich. Jeder der zehn auf je ein Jahr gewählten
Volkstribune muss Plebejer sein. Er leitet die Versammlung der Plebejer und hat
ein Einspruchsrecht (Interzessionsrecht) gegen Handlungen eines Magistrats (z.
B. Konsuls) gegen einen Bürger sowie ein Vetorecht gegen Senatsbeschlüsse. Im
Prinzipat beansprucht der Prinzeps die vom Amt gelöste Amtsgewalt (lat.
tribunicia potestas [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 18; Söllner §§ 6, 13, 14; Wieacker,
F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988
Volksverhetzung
Lit.: Rohrßen, B., Von der Anreizung zum Klassenkampf zur
Volksverhetzung (§ 130 StGB), 2009
Volksverrat ist der Verrat des eigenen Volkes
an Fremde. Der V. wird bei den Germanen durch Aufhängen des Verräters verfolgt.
Lit.: Köbler, DRG 71
Volksversammlung ist die Versammlung der freien
Angehörigen eines Volkes. Sie ist in frühen Zeiten das allgemeine Organ des
Volkes. Im altrömischen Recht finden sich etwa (lat.) comitia (N.Pl.) curiata
(nach Kurien oder Geschlechtern gegliedert), comitia centuriata (nach
Vermögensklassen in Zenturien gegliedert, Wahl der Konsuln und Prätoren),
Tributkomitien (nach lokalen Bezirken, tribus gegliedert, Wahl der niederen
Magistrate) und Versammlung der (lat. F.)
plebs. Die V. wird von Beamten einberufen und kann deren Anträge nur annehmen
oder ablehnen. Mit dem Prinzipat des Augustus verschwindet die V. Die V. der
Germanen und des Frühmittelalters entscheidet in allen allgemein wichtigen
Angelegenheiten. Mit der Ausdehnung einer Herrschaft tritt sie
notwendigerweise zurück. Überreste finden sich in der Landsgemeinde Schweizer
Kantone (in Appenzell-Außerrhoden 1997 abgeschafft) und in Demonstrationsversammlungen.
Lit.: Söllner §§ 4, 5, 6, 10, 14; Köbler, DRG 18, 20,
69, 70, 83; Hahndorf, S., Die Volksversammlung, 1848; Liebermann, F., The
national assembly in the Anglo-Saxon period, 1913
Volksvertretung →Parlament
Lit.: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen
Volksvertretung, hg. v. Rausch, H., Bd. 1f. 1974ff.
Volkswirtschaft (Nationalökonomie) ist die gesamte
Wirtschaft eines Volkes oder Staates (im Gegensatz zur Wirtschaft des einzelnen
Betriebs, Betriebswirtschaftslehre, beginnend mit Gründung der ersten
Handelshochschule 1898). Geschichtlich folgen an Schulen oder Strömungen
wirtschaftlichen Denkens einzelnen Vorläufern des Altertums und des Mittelalters
Merkantilismus, Physiokratismus, klassischer Liberalismus, Sozialismus, Historismus
und Grenznutzenlehre. Am Ende des 20. Jh.s stehen Neoklassik, Institutionenökonomik,
Keynesianismus, Neoliberalismus und evolutorische Wirtschaftstheorie
nebeneinander.
Lit.: Sombart, W., Die deutsche Volkswirtschaft, 8. A.
1954; Schumacher, H., Die Wirtschaft in Leben und Lehre, 1943; Kolb, G.,
Geschichte der Volkswirtschaftslehre, 1998
Vollbort (F.) Zustimmung
Vollenhoven, Cornelis van (1874-1933) wird
nach dem Studium von Sprachen, Philosophie und Recht Verwaltungsbeamter im
niederländischen Kolonialministerium und 1901 Professor für Staatsrecht und
Verwaltungsrecht der Kolonien. Er vertritt die Ansicht, dass die europäischen
Rechtsvorstellungen nicht den niederländisch-ostindischen Gebieten gemäß
seien. Sein Hauptwerk untersucht das Gewohnheitsrecht (Adat) Niederländisch-Ostindiens.
Lit.: Vollenhoven, C. van, Het adatrecht, Bd. 1ff.
1918ff.; Zestig juristen, 1987, 377; de Kanter-van Hettinga Tromp, B./Eyffinger,
A., Cornelius van Vollenhoven, 1992
Volljährigkeit (Wort 1739, volljährig 1590,
Volljährigkeitserklärung 1863,) ist das Lebensalter, mit dem die
unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erreicht wird. Die V. ergänzt im römischen
Recht um 200 v. Ch. (Lex Laetoria) die ältere Mündigkeit und verdrängt in der
frühen Neuzeit die ältere →Mündigkeit weitgehend. Sie tritt nach
römischem Recht meist mit 25 Jahren ein (in Deutschland zuerst im
Deutschenspiegel von etwa 1275, dagegen Auctor vetus 24, Sachsenspiegel Lehnrecht
21). Dem folgt das gemeine Recht, während man in den altpreußischen Provinzen
(1790, ALR 1794) und in Österreich (1753-1919) im 19. Jahrhundert mit 24 Jahren
volljährig wird. Das französische Recht, das sächsische Recht, später Preußen
(9. 12. 1876) (Deutsches Reich 17. 2. 1875) und das deutsche Bürgerliche
Gesetzbuch (1900) lassen sie mit 21 beginnen. Das 20. Jh. setzt die V. weiter
herab (Deutschland 1. 1. 1975 18, Deutsche Demokratische Republik 17. 5. 1950
18 Österreich 1. 7. 1971 19, 1. 7. 2001 18, Schweiz 20, 1. 1. 1996 18).
Lit.: Kaser § 14; Hübner; Köbler, DRG 160, 207, 266;
Eckhardt, K., Die Volljährigkeitsgrenze von 24 Jahren, ZRG GA 61 (1941), 1;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vollmacht (1372) ist die durch →Rechtsgeschäft erteilte
Vertretungsmacht. Sie erscheint dort, wo →Stellvertretung zulässig ist.
1866 weist Paul Laband (1838-1919) die Notwendigkeit der Trennung von
Innenverhältnis zwischen handelnder und betroffener Person (Mandat, Auftrag)
und Außenverhältnis zwischen handelnder und dritter Person (V.) entsprechend
dem Abstraktionsprinzip nach.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 3; Köbler, DRG 208,
238, 266; Müller-Freienfels, W., Die Abstraktion der Vollmachterteilung, (in)
Wissenschaft und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 144;
Müller, U., Die Entwicklung der direkten Stellvertretung, 1969; Albrecht, G.,
Vollmacht und Auftrag, 1970; Bader, P., Duldungs- und Anscheinsvollmacht, 1978;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vollstreckung ist die zwangsweise Durchsetzung
eines Anspruchs oder einer Anordnung. Im altrömischen Recht geschieht die V. im
Legisaktionenverfahren mit Hilfe der →Legisaktion durch Handanlegen
(lat. F.
→legis actio per manus iniectionem) und der Legisaktion durch
Pfandergreifen (lat. →legis actio F.
per pignoris capionem) bzw. bei den Klagansprüchen auf eine Sache meist durch
den eigenmächtigen Zugriff auf die Sache. Das Strafurteil wird durch die Magistrate
und ihre Hilfspersonen vollstreckt. Im klassischen römischen Recht ersetzt die
(lat.) →actio (F.) iudicati die Legisaktion durch Handanlegen, wobei
hauptsächlich auf den Menschen zugegriffen wird (Schuldknechtschaft). Im
Kognitionsverfahren kann allmählich ein einzelner Gegenstand weggenommen und
ausgehändigt oder versteigert werden. Vollstreckt wird im Amtsbetrieb.
Möglich ist eine Gesamtvollstreckung (→Konkurs). Bei den Germanen muss
die Partei zur V. Selbsthilfe üben. Die Tötung von Volksverrätern und
Unzüchtigen wird wohl von der Allgemeinheit ausgeführt. Im Frühmittelalter
wird die zuvor selbständig vorzunehmende Pfändung von der Genehmigung des
Richters (Grafen) abhängig gemacht oder überhaupt Amtsträgern überlassen. Im
Hochmittelalter und Spätmittelalter erfolgt die V. durch Büttel oder Fronboten
durch öffentliche →Pfändung von beweglichen Sachen und Grundstücken, die
im Falle der Nichtauslösung meist veräußert werden. Hilfsweise ist
→Schuldhaft möglich. Für die oberen Gesellschaftsschichten ist das
Einlager bedeutsam. →Arrest und →Konkurs werden ausgebildet. Die
Pfandnahme ohne Erlaubnis des Richters wird (im Mainzer Landfrieden von 1235)
dem Raub gleichgestellt. Die peinliche →Strafe wird vom Henker als
berufsmäßigem Scharfrichter vollstreckt. In der frühen Neuzeit wird die V.
reichskammergerichtlicher Urteile den Reichskreisen übertragen. Bereits die
Landesordnung Bayerns von 1501 sieht eine ausschließliche Pfändung durch
Amtsträger vor. Zum Regelfall der V. wird die V. in das Vermögen. Der Codex
iuris Bavarici iudiciarii des Jahres 1753 trennt zwischen Einzelvollstreckung
und Konkurs. Allmählich befasst sich die Wissenschaft mit der V. Im 19. Jh.
wird das Vollstreckungsverfahren (Zwangsvollstreckung) besonders gesetzlich
geregelt (→Zivilprozessordnung, →Strafprozessordnung).
Vollstreckungsorgane im Zivilprozess sind Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht,
Prozessgericht und Grundbuchamt. Die Schuldhaft wird beseitigt (1868). Die
Strafvollstreckung (Strafvollzug) wird allmählich humanisiert und später durch
die Resozialisierungsidee mitgeprägt und verrechtlicht.
Lit.: Kaser §§ 85, 87; Köbler, DRG 19, 33, 34, 56, 70,
86, 116, 117, 118, 119, 156, 202, 232; Briegleb, H., Geschichte des
Exekutionsprozesses, 2. A. 1845; Amira, K. v., Das altnorwegische Vollstreckungsverfahren,
1874, Neudruck 1965; Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 2 1879,
Neudruck 1973, 268; Planitz, H., Die Entwickelung der Vermögensvollstreckung im
salfränkischen Rechte, 1909 (Habilitationsschrift); Planitz, H., Die Vermögensvollstreckung,
1912; Haff, K., Vollstreckungsordnung für das fürstbischöflich augsburgische
Pflegeamt Füssen vom Jahre 1585, ZRG GA 34 (1913), 435; Schönfeld, W., Die Vollstreckung
der Verfügungen von Todes wegen, ZRG GA 42 (1921), 240; Wiggenhorn, H., Der
Reichskammergerichtsprozess, 1966; Elsener, F., Die Exkommunikation als
prozessuales Vollstreckungsmittel, FS E. Kern 1968, 69; Lippross, O.,
Grundlagen und System des Vollstreckungsschutzes, 1983; Sellert, W.,
Vollstreckung und Vollstreckungspraxis, FS W. Henckel, 1995, 817; Hofmann, D.,
Die Entwicklung und Bedeutung der Vereitelung der Zwangsvollstreckung, Diss.
jur. Mainz 1997; Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004
Vollstreckungsklausel (lat. clausula F.
executorialis) ist der seit der frühen Neuzeit aus der Klausel, dass der
Schuldner das Urteil binnen einer Frist vollziehen soll, entwickelte Vermerk
des Urkundsbeamten auf der vollstreckbaren Ausfertigung eines Vollstreckungstitels,
der die Vollstreckbarkeit bescheinigt.
Lit.: Wetzell, G., System des ordentlichen Zivilprozesses,
1861, 3. A. 1878; Kohler, J., Zur Geschichte der exekutorischen Urkunde in
Frankreich, ZRG GA 8 (1887), 120
volonté (F.) générale (frz.) Allgemeinwille
Voltaire (Arouet), F. (Paris 21. 11.
1694–30. 5. 1778), Notarssohn, wird nach Aufenthalten in England (1726-1729),
Lothringen, Preußen und Genf durch die Gesamtheit seiner vielen Schriften einer
der wichtigsten Vertreter der →Aufklärung.
Lit.: Voltaire, hg. v. Baader, H., 1980; Lange, J.,
Voltaire, JuS 1998, 491
Volumen (parvum) (lat. N.
[kleiner] Band) sind die Bücher 10 bis 12 des →Codex Justinians, die
glossierten Novellen und die Institutionen.
Vom Rechte
Lit.: Speicher, S., Vom Rechte, 1986
von Gottes Gnaden →Dei gratia
Lit.: Kern, F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht
im frühen Mittelalter, 1912, 7. A. 1980
Vonnisse von Damme sind eine flämische
Fassung der →Rôles d’Oléron.
Vorarlberg ist das zwischen Bodensee und
Arlberg gelegene, alemannisch besiedelte Gebiet, das seit dem Spätmittelalter
stückweise (1375 Feldkirch, 1523 Bregenz, 1814 Lustenau) an →Habsburg
gelangt, dort meist gemeinsam mit Tirol von Innsbruck aus verwaltet wird und
seit 1918 selbständiges Land Deutschösterreichs, seit 1920 Bundesland
→Österreichs ist (1939-1945 Reichsgau Tirol, bis 1955 unter Besatzung
Frankreichs).
Lit.: Köbler, DRG 220; Köbler, Historisches Lexikon;
Baltl/Kocher; Brunner, A., Die Vorarlberger Landstände, 1929; Welti, L., Geschichte
der Reichsgrafschaft Hohenems und des Reichshofes Lustenau, 1930; Bundsmann,
A., Die Entwicklung der politischen Verwaltung in Tirol und Vorarlberg, 1961;
Das Vorarlberger Landesarchiv, hg. v. Burmeister, K. u. a., 1969; Burmeister,
K., Die Vorarlberger Landsbräuche und ihr Standort in der Weistumsforschung,
1970; Bilgeri, B., Geschichte Vorarlbergs, Bd. 1ff. 1971ff., 2. A. 1972ff.;
Vorarlberger Weistümer, Bd. 1, hg. v. Burmeister, K., 1973; Welti, L.,
Siedlungs- und Sozialgeschichte von Vorarlberg, hg. v. Grass, N., 1973; Witzig,
D., Die Vorarlberger Frage, 2. A. 1974; Janotta, C., Das Privilegienbuch der
Stadt Feldkirch, 1979; Quellen zur Geschichte der Stadt Bregenz, hg. v.
Niederstätter, A., 1985; Burmeister, K., Geschichte Vorarlbergs, 4. A. 1998;
Hoch- und Spätmittelalter zwischen Alpen und Bodensee, hg. v. Hartung, W. u.
a., 1992; Nachbaur, U., Vorarlberger Territorialfragen 1945 bis 1948, 2007;
Feurstein, C., Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, 2009; Klausmann, H., Kleiner
Sprachatlas von Vorarlberg und Liechtenstein, 2012 (8 und 3
Sprachlandschaften); Niederstätter, Alois, Vorarlberg im Mittelalter, 2014;
Niederstätter, A., Vorarlberg 1523 bis 1861, 2015; Pichler, M., Das Land
Vorarlberg 1861 bis 2015, 2015
Voraus ist der Anspruch des überlebenden
Ehegatten auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände und die Hochzeitsgeschenke.
Der V. ist dem römischen Recht ansatzweise bekannt. Er findet sich auch im
Spätmittelalter neben →Heergewäte und →Gerade. Der eheliche V.
wird 1900 in das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch und 1914 in das Allgemeine
Bürgerliche Gesetzbuch (§ 758) Österreichs aufgenommen.
Lit.: Hübner; Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, Bd. 1ff. 1863ff., Neudruck 1967; Hirschhorn, M., Der Voraus und
der Dreißigste, 1908; Wesener, G., Der Voraus des überlebenden Ehegatten,
FamRZ 6 (1959), 84
Vorausvermächtnis (lat. N.
praelegatum, legatum per praeceptionem) ist das bereits dem römischen Recht
bekannte Vermächtnis einzelner Gegenstände an einen Erben, so dass dieser Erbe
zugleich Vermächtnisnehmer wird.
Lit.: Kaser § 76 II 3b;
Rudolf, I., Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, 1966
Vorbehalt des Gesetzes ist im 19. Jh. (z. B. § 5 VI des
Grundgesetzes Sachsen-Weimars von 1816) der Grundsatz, dass ein Eingriff in ein
Rechtsgut eines Einzelnen (z. B. Freiheit, Eigentum) von einer Gestattung durch
ein →Gesetz abhängig ist.
Lit.: Köbler, DRG 199; Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte,
5. A. 2005; Schmidt-Bleker, R., Legislative Defizite im Schulrecht der preußischen
konstitutionellen Monarchie, 2005
Vorbehaltsgut ist bei der ehelichen
Gütergemeinschaft das besondere, aus dem Gesamtgut ausgeschlossene, der
alleinigen Zuständigkeit und selbständigen Verwaltung durch den einzelnen
Ehegatten vorbehaltene Gut. Es findet sich bereits im Mittelalter (z. B. bei
→Morgengabe). Von den vernunftrechtlichen Gesetzbüchern (Allgemeines
Landrecht 1794, Code civil 1804, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch 1811)
wird es anerkannt.
Lit.: Hübner 669; Schröder, R., Das eheliche
Güterrecht, 1900, Neudruck 1967
Vorderösterreich ist die Gesamtheit der im deutschen
Südwesten gelegenen Güter Habsburgs bzw. Österreichs seit dem Spätmittelalter
(mit dem Hauptort Freiburg im Breisgau). Ein Teil hiervon bildet später
→Vorarlberg, ein anderer geht zwischen 1799 und 1805 in Baden (Breisgau),
Württemberg und Frankreich auf.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwarzweber, J.,
Die Landstände Vorderösterreichs im 15. Jahrhundert, 1908; Vorderösterreich,
hg. v. Metz, F., 1967, 3. A. 1978; Quarthal, F./Wieland, G., Die
Behördenorganisation Vorderösterreichs, 1977; Seidel, K., Der Oberelsass,
1980; Vorderösterreich in der frühen Neuzeit, hg. v. Maier, H. u. a., 1989;
Vorderösterreichische Regierung und Kammer 1753-1805, bearb. v. Haggenmüller,
M. u. a., 1999ff.; Speck, D., Vorderösterreich, 2010; Vorderösterreichisches
Appellationsgericht und vorderösterreichische Landrechte 1782-1805, 2013
Voreid ist der vor Abgabe einer Erklärung
zu leistende Eid. Er erscheint bereits im Frühmittelalter. Ein möglicher
Zusammenhang mit dem Kalumnieneid ist ungeklärt.
Lit.: Planck, J., Das deutsche Gerichtsverfahren, Bd.
1f. 1879, Neudruck 1973
Vorerbe ist der Erbe, der in der Weise
zunächst zur Erbschaft berufen ist, dass nach ihm zu einem bestimmten späteren
Zeitpunkt (Nacherbfall) ein anderer Erbe (Nacherbe) wird. Eine Nacherbschaft
ist im römischen Recht an sich ausgeschlossen, wird aber auf dem Weg über ein
→Fideikommiss dennoch erreicht. Mit der Aufnahme des Testaments im
Heiligen römischen Reich (13. Jh.) wird auch die Vorerbschaft möglich (z. B.
Friedberg Ende 14. Jh.s). Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) schränkt
die Vorerbschaft aus liberalen Überlegungen auf einen Zeitraum von 30 Jahren
ein.
Lit.: Kaser §§ 65 II 4, 68 II 4, 78 I; Hübner; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985; Schartl, R., Das Privatrecht der
Reichsstadt Friedberg, Diss. jur. Gießen 1987; Eckert, J., Der Kampf um die Familienfideikommisse,
1992; Straub, S., Zur Entstehung der Vor- und Nacherbfolge im Bürgerlichen
Gesetzbuch, ZRG GA 120 (2003), 235
Vorkaufsrecht (1691) ist
das einer Person zustehende Recht, einen Gegenstand von dem Verpflichteten zu
erwerben, sobald dieser den betreffenden Gegenstand an einen Käufer verkauft.
Das V. ist dem römischen Recht an sich zunächst unbekannt, erscheint in unterschiedlichen
Einzelfällen aber dann doch. Ihm steht in Deutschland das →Näherrecht gegenüber.
In der frühen Neuzeit wird beides miteinander vermischt. Die vernunftrechtlichen
Gesetzbücher (1794ff.) nehmen das V. auf und teilen ihm teils nur schuldrechtliche,
teils auch sachenrechtliche Wirkung zu.
Lit.: Kaser §§ 23 II 2, 30 I 2, 41 VII; Kroeschell,
DRG 2; Frommhold, G., Über die Geschichte des Familienvorkaufsrechts, ZRG GA 32
(1911), 337; Wesener, G., Vorkaufs- und Einstandsrecht der „gesippten Freunde“,
Gedächtnisschrift R. Schmidt, 1966, 535; Schurig, K., Das Vorkaufsrecht, 1975;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1 1985, 383; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vorlesung (lat. F.
praelectio) ist die im Vorlesen und Erklären eines (geschriebenen) Textes (z.
B. Digesten) durch einen im Gegensatz zu seinen nachschreibenden Hörern über
den Text Verfügenden bestehende älteste Lehrveranstaltung der Universität.
Gedruckte Verzeichnisse von Vorlesungen sind seit dem 16. Jh. erhalten (Dillingen
1564-1614, Helmstedt unregelmäßig seit etwa 1585, beständig seit etwa 1600,
Herborn vielleicht seit 1585, Jena seit 1591). Sie zeigen durch die allmähliche
Aufnahme privater Vorlesungen den Wandel vom schulischen Lehrplan zur
wirtschaftlich ausgerichteten Lehrfreiheit an den protestantischen
Universitäten der Aufklärung.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 106; Schröder,
K., Vorläufiges Verzeichnis der in Bibliotheken und Archiven vorhandenen
Vorlesungsverzeichnisse, 1964; Köbler, G., Erlanger juristische Vorlesungen,
Jb. f. fränk, Landesforschung 27 (1967), 241; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff.; Schröder, J., Wissenschaftstheorie, 1979; Köbler, G., Gießener
juristische Vorlesungen, 1982, 2. A. 2003 (elektronisch); Blanke, H.,
Bibliographie der in periodischer Literatur abgedruckten Vorlesungsverzeichnisse,
(in) Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 6 (1983), 205, 10 (1987), 17, 11
(1988), 105; Schröder, J., Vorlesungsverzeichnisse als rechtsgeschichtliche
Quelle, (in) Die Bedeutung der Wörter, 1991, 383; Vorlesungsverzeichnisse der
Universität Königsberg, hg. v. Oberhausen, M. u. a., 1999; Apel, H., Die
Vorlesung, 1999; Gelehrte Wissenschaft. Das Vorlesungsprogramm der Universität
Jena um 1800, hg. v. Bach, T. u. a., 2008; Die Vorlesungen der Berliner Universität
1810-1834, hg. v. Virmond, W., 2010; Dusil, S. u. a., Ungedruckte Quellen zur
Geschichte der Rechtswissenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts, ZRG GA 131
(2014), 473
Vormärz ist die von fürstlicher Reaktion
(Karlsruher Beschlüsse 1819) auf liberale Forderungen (Wartburgfest 1817, Hambacher
Fest 1832) gekennzeichnete Zeit vor dem März 1848 im →Deutschen Bund.
Bereits im V. werden verschiedene Verfassungen erlassen. Seit 1848 treten
bedeutende allgemeine Veränderungen ein.
Lit.: Dunk, H. v. d., Der deutsche Vormärz, 1966;
Brandt, H., Landständische Repräsentation im deutschen Vormärz, 1968; Conze,
W., Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, 2. A. 1970; Boldt, W.,
Deutsche Staatslehre im Vormärz, 1975; Wende, P., Radikalismus im Vormärz, 1975;
Vormärz und Revolution, hg. v. Fenske, H., 1976; Ehrle, P., Volksvertretung im
Vormärz, Teil 1f. 1979; Deutsche Juristen im Vormärz (Briefe), hg. v. Strauch,
D., 1999; Zamoyski, A., Phantome des Terrors, 2016; Europa im Vormärz, hg. v.
Ries, K-. 2016
Vormerkung (1713) ist
die vorläufige Grundbucheintragung zur Sicherung eines Anspruchs auf
Eintragung einer Rechtsänderung. Sie wird im ersten Ansatz 1750 in Preußen
sichtbar und übernimmt im 19. Jh. die Aufgaben des (lat.) →ius (N.) ad
rem (Recht zur Sache). Sie soll ursprünglich die Aufgabe erfüllen, die später
dem Widerspruch zukommt.
Lit.: Köbler, DRG 212; Schubert, W., Die Entstehung
der Vorschriften des BGB über Besitz und Eigentumsübertragung, 1966; Günther,
P., Die historische Entwicklung der Vormerkung, Diss. jur Bielefeld 2000;
Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010
Vormund (Wort um 950 belegt) ist, wer durch Anordnung des
Vormundschaftsgerichts zur Führung einer amtlich verordneten, verwaltenden Fürsorgetätigkeit
für Minderjährige (bzw. Frauen und entmündigte Volljährige) bestellt ist. Der
V. (lat. M.
tutor) ist dem römischen wie wohl auch dem germanischen Recht bekannt, doch
erscheint ahd. foramundo erst vereinzelt im 10. Jh. Meist ist der nächste
männliche Verwandte (Bruder, Vatersbruder
u. s. w.) V. Er hat eine treuhänderische Gewalt über Person und Vermögen
des Mündels und damit vor allem Rechte, muss aber für den Unterhalt sorgen.
Bereits seit dem Frühmittelalter unterfällt er wegen der Missbrauchsgefahr
einer von der Kirche geförderten öffentlichen Aufsicht (Obervormundschaft).
Hieraus entwickelt sich in der Neuzeit das Vormundschaftsgericht. Die
Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit. Der Codex Maximilianeus Bavaricus
civilis verlegt die vormundschaftlichen Rechte der Familie teilweise auf den
Staat, worin das Allgemeine Landrecht Preußens 1794 folgt., während der Code
civil von 1804 den Familienrat entscheidend sein lässt. 1875 erlässt Preußen
eine besondere bahnbrechende Vormundschaftsordnung, die den Vormund weitgehend
selbständig ein Amt unter Aufsicht des Staats ausüben lässt. Das Bürgerliche
Gesetzbuch von 1900 bringt die Zulassung der Amtsvormundschaft und der
Anstaltsvormundschaft und die Anerkennung der elterlichen Gewalt der Mutter
über ihr Kind. Weitere Änderungen schaffen das Jugenwohlfahrtsgesetz von 1922
(Verallgemeinerung der Amtsvormundschaft über uneheliche Kinder), das
Gleichberechtigungsgesetz von 1947, das Familienrechtsänderungsgesetz von
1961, das Nichtehelichengesetz von 1969, das Gesetz zur Neuregelung des Rechtes
der elterlichen Sorge von 1979 und das Betreuungsgesetz von 1999, das die
Entmündigung mit anschließender Vormundschaft abschafft. Seit 1. 1. 1992 gibt
es in Deutschland statt der Vormundschaft über Volljährige die →Betreuung.
Ein besonderer Familienrat wird 1979 gestrichen. Das besondere Vormundschaftsgericht
endet mit dem FGG-Reformgesetz von 2008. In Österreich ist mit dem
Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 2001 (BGBl. I 2000, 135)
die 1970 auch für die Frau eröffnete Vormundschaft beseitigt und durch die
Obsorge einer anderen geeigneten Person ersetzt, wobei Amtsobsorgeschaft des
Jugendwohlfahrtsträgers nur für im Inland gefundene Kinder unbekannter Eltern
vorgesehen ist.
Lit.: Kaser §§ 62, 63; Söllner §§ 8, 11; Hübner § 100;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 36, 88, 121, 160, 210, 268; Kraut, T., Die
Vormundschaft, Bd. 1f. 1835ff. http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KrautWilhelmTheodorDieVormundschaftNachDenGrundsaetzenDesDeutschenRechts1835Bd1.pdf;
Rive, F., Geschichte der deutschen Vormundschaft, Bd. 1ff. 1862ff.
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/RiveFriedrichGeschichteDerDeutschenVormundschaft1862Bd1.pdf;
Schlüter, R., Das Vormundschaftsrecht in den Kodifikationen, 1961; Tetzlaff,
W., Der Kaiser als Obervormund, Diss. jur. Frankfurt am Main 1965; Pelz, F.,
Die Vormundschaft in den Stadt- und Landrechtsreformationen, 1966; Kranz,
E., Die Vormundschaft im mittelalterlichen Lübeck, Diss. jur. Kiel 1967;
Haibach, U., Familienrecht in der Rechtssprache, 1991, 357; Taupitz, J., Von
der entrechtenden Bevormundung zur helfenden Betreuung, JuS 1992, 1; Signori,
G., Geschlechtsvormundschaft und Gesellschaft, ZRG 116 (1999), 119; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Vormundschaft (Wort um 950 belegt)→Vormund, (lat. [F.] tutela)
L.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Heider, M., Die Geschichte der
Vormundschaft seit der Aufklärung, 2011
Vorname ist im deutschen Bereich der ursprünglich
alleinige →Name des Menschen, der seit dem Übergang vom
Frühmittelalter zum Hochmittelalter wegen der allgemeinen Verdichtung
allmählich um den Familiennamen ergänzt wird (Venedig seit 9. Jh.), der sich
seit dem 18. Jh. zunehmend in den Vordergrund schiebt und etwa in der
Bibliographie Vorrang vor dem weniger Unterscheidungskraft aufweisenden
Vornamen hat.
Vorparlament ist die Versammlung zur Vorbereitung
eines Parlaments (z. B. Frankfurt am Main 1848).
Lit.: Nipperdey, T., Deutsche Geschichte, 1983, 606
Vorrang des Gesetzes ist der Vorrang des formellen
Gesetzes vor jeder anderen staatlichen Willenserkärung seit dem 19. Jh.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 199
Vorrecht (N.) Sonderrecht, Privileg
Vorsate →Vorsatz
Lit.: Löning, G., Vorsate und vorrat, ZRG GA 61
(1941), 266
Vorsatz (Wort um 1250 belegt, lat. M.
dolus) ist im Strafrecht der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestands in
Kenntnis all seiner Tatumstände, im Privatrecht das Wissen und Wollen des
rechtswidrigen Erfolgs im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit. Der V. ist so alt
wie das menschliche Verhalten. Als solcher erfasst wird er von der römischen
und der neuzeitlichen Wissenschaft. Diese stellt dem V. die
→Fahrlässigkeit gegenüber.
Lit.: Köbler, DRG 158, 204, 264; Löffler, A., Die
Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1 1895; Mommsen, T., Römisches Strafrecht,
1899, Neudruck 1961; His, R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1
1920, Neudruck 1964; Schaffstein, F., Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen,
1930, Neudruck 1973; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Vorsprecher →Fürsprech, Fürsprecher
Vortäuschen einer Straftat (Vortäuschung einer Straftat) ist der 1913 in
die Diskussion eingebrachte, 1943 gesetzlich festgelegte Straftatbestand des
deutschen Strafrechts, nach dem sich jemand dadurch strafbar macht, dass er
eine nicht vorhandene Straftat vortäuscht.
Lit.: Bernhard, L., Falsche Verdächtigung (§§ 164, 165 StGB) und
Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB), 2003
Vorurteil ist das dem Urteil zeitlich vorausliegende
Urteil und zwar auch im Sinne einer eine Meinung bestimmenden oder ein Urteil
prägenden, oft nicht geäußerten Lebenserfahrung. Im Recht ist die vorgefasste
Meinung grundsätzlich rechtswidrig. Sie lässt sich allerdings selten
nachweisen.
Lit.: Horaczek, N./Wiese, S., Handbuch gegen Vorurteile, 2011
Vorverfahren ist ein einem eigentlichen Verfahren
zeitlich vorangehendes Verfahren (z. B. Inquisition im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen
Inquisitionsprozess). Es dient der Vorbereitung oder Entlastung. In der
Gegenwart muss es rechtsstaatliche Anforderungen erfüllen.
Lit.: Köbler, DRG 117, 263
Vorvertrag ist der auf Abschluss eines
Vertrags gerichtete, vorbereitende →Vertrag. Er ist dem römischen Recht
bereits bekannt. Er ist gegebenenfalls formbedürftig. Die Verletzung von vor
Abschluss eines Vertrags bestehenden Aufklärungspflichten und Sorgfaltspflichten
verpflichtet bei →culpa in contrahendo (Verschulden bei Vertragsschluss,
Ihering 1861) zu Schadensersatz.
Lit.: Kaser § 39 I 2; Wabnitz, B., Der Vorvertrag,
Diss. jur. Münster 1962
Vorzensur (F.) vorherige →Zensur
votum (N.) ad imperatorem (lat.) Vorlage bei dem Kaiser
Lit.: Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae, 1973, 346
Vsehrdy, Viktorin Cornelius von (um
1460-1520), Bürgerssohn, wird nach dem artistischen Studium in Prag Artist,
1493 stellvertretender Schreiber des Königreichs →Böhmen. Seit 1495
verfasst er Neun Bücher über die Rechtsordnung des Landes Böhmen. Nach 1501
überarbeitet er dieses bedeutende Werk nochmals.
Lit.: Vsehrdy, V., O právích zeme ceské knihy
devatery, hg. v. Jirecek, H., 1874
Vulgarrecht ist das spätantike weströmische
Recht (3.-5. Jh.). Es ist gekennzeichnet durch die durchaus nicht vom Volk,
sondern den führenden Schichten ausgehende teilweise propagandistisch
bedingte, vulgare Haltung (str.). Sie zeigt sich in einfachem, unverhülltem
Zweckstreben, in bildhafter Anschaulichkeit und in gefühlsbetonter
rhetorisierter Moralität. Die klassische rechtswissenschaftliche
Begrifflichkeit (z. B. dominium, possessio) verfällt (str.). Demgegenüber
wird sie im Osten von →Justinian (527-565) restauriert. Vulgarrechtliche
Quellen sind etwa die (lat.) →sententiae (F.Pl.) Pauli, die
→regulae (F.Pl.) Ulpiani, die →res (F.Pl.) cottidianae, der
→Gaius von Autun, die →Collatio (F.) legum Mosaicarum et Romanarum,
die →Consultatio (F.) cuiusdam veteris iurisconsulti, die
→interpretationes (F.Pl.) oder die romanistischen →Volksrechte der
Westgoten, Burgunder und Ostgoten (str.).
Lit.: Kaser §§ 1 II, 2 II, 3 III; Söllner § 20;
Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 52, 62; Levy, E., West Roman Vulgar Law, 1951;
Wieacker, F., Vulgarismus und Klassizismus im Recht der Spätantike, SB. d.
Akad. d. Wiss. Heidelberg 1953; Levy, E., Weströmisches Vulgarrecht, 1956;
Stühff, G., Vulgarrecht im Kaiserrecht, 1966; Schmidt, H., Die
Vulgarrechtsdiskussion, (in) Funktion und Form, hg. v. Kroeschell, K. u. a.,
1996, 1; Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997;
Vandendriessche, S., Possessio und dominium im postklassischen römischen Recht,
2006
Vulgarsubstitution ist im römischen Recht die
Einsetzung eines Ersatzerben für den einfachen Fall, dass der an erster Stelle
Eingesetzte nicht Erbe wird. Die regelmäßige V. steht in Gegensatz zur
Pupillarsubstitution, bei der einem unmündigen (lat. M.)
suus (pupillus) (Hauserben) für den Fall, dass er als Unmündiger sterben sollte,
ein Ersatzerbe eingesetzt wird.
Lit.: Kaser § 68 II 5a; Söllner § 11
Vulgata →Vulgathandschrift
Vulgathandschrift (F.) Handschrift einer
meistgebrauchten Fassung eines Textes (z. B. der →Digesten)
Lit.: Söllner § 22
W
Waadt (Vaud, „Wald“) ist das Gebiet
zwischen Jura, Genfer See (nördlich des Genfer Sees), Alpen und Saarne, das
über Römer, Burgunder und Burgund 1032 zum deutschen Reich gelangt. Nach 1218
gerät es unter den Einfluss der Grafen von Savoyen. 1536 fällt es an Bern. 1616
erhält die W. ein eigenes Landrecht. Am 30. 3. 1798 wird die W. Kanton der
Helvetischen Republik, 1803 der →Schweiz. Die Verfassung der W. stammt
von 1885.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Champeaux, E., Le
coutumier vaudois de Quisard, 1930; Chapuis, M., Recherches sur les
institutions politiques, 1940; Ammann, H., Über das waadtländische Städtewesen,
Schweizerische Zs. für Geschichte 4 (1954), 1; Poudret, J., La succession
testamentaire dans le pays de Vaud, 1955 (Diss. Lausanne); Bercher, J.,
Approche systématique de l’ancien droit privé vaudois, 888-1250, 1963; Anex,
D., Le servage au pays de Vaud, 1973; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,464, 3,2,1870; Walliser, P., Das Bürgschaftsrecht, 1974; Les
sources du droit du canton de Vaud, Bd. 1ff. 1972ff.; Hubler, L., Histoire du
Pays de Vaud, 1991
Waal (M., zu lat. aqualis, Adj. Wasser betreffend?)
ist ein landwirtschaftlicher Bewässerungsgraben im Vintschgau in Südtirol.
Möglicherweise wurden die Waale im 12. Jh. angelegt. Ihre arbeitsaufwendige
Verwaltung erfolgt genossenschaftlich unter Leitung eines Waalmeisters.
Lit.: Bodini, G., Südtiroler Waalwege, 1996
Wachszins (M.) Zins in Bienenwachs
Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund
(Marbach/Neckar 24. 12. 1797-Leipzig 15. 01. 1880), Beamtensohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Tübingen und Heidelberg (Thibaut) Richter, außerordentlicher
Professor (Tübingen 1817) und ordentlicher Professor (Tübingen 1822, Leipzig
1833, Tübingen 1836), 1851 Präsident des Oberappellationsgerichts in Lübeck
und 1852 nochmals Professor in Leipzig. Neben einem Lehrbuch zum Strafrecht veröffentlicht
er seit 1839 ein unvollendetes Handbuch des im Königreich →Württemberg
geltenden Privatrechts und 1841 eine wichtige Abhandlung zum internationalen
Privatrecht.
Lit.: Wächter, P. v., Carl Georg von Wächter, 1891;
500 Jahre Eberhard-Karls-Universität Tübingen, hg. v. Decker-Hauff, H. u. a.,
Bd. 1 1977; Sandemann, N., Grundlagen und Einfluss der internationalprivatrechtlichen
Lehre, Diss. jur. Münster 1979; Laufs, A., Das wirklich geltende, durch den
allgemeinen Willen gesetzte Recht, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a.,
1997; Jungemann, L., Carl Georg von Wächter, 1999; Zwischen Romanistik und
Germanistik, hg. v. Kern, B., 2000; Mauntel, C., Carl Georg von Wächter
(1797-1880), 2004
wadiare (lat.-afrk.) wetten, versprechen
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Wadiatio
Lit: Hagemann,
H., Fides facta und wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1
wadium (lat.-afrk. N.)
Wette, Versprechen, Pfand
Lit.: Kroeschell, DRG 1
Waffe ist jeder Gegenstand, der seiner
Art nach dazu geeignet ist, Widerstand durch Gewalt oder durch Drohung mit
Gewalt zu verhindern oder zu überwinden. Die W. ist bedeutsam im Kampf. Sie
erleichtert auch Unrechtserfolge. Deshalb wird der Waffengebrauch bereits seit
dem Frühmittelalter allmählich eingeschränkt. Seit der Neuzeit bedarf er
vielfach behördlicher Erlaubnis und kann strafschärfend wirken.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, WAS; Fehr, H., Das Waffenrecht
der Bauern, ZRG GA 35 (1914), 111, 38 (1917), 1; His, R., Das Strafrecht des
deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Krogmann, W., Mit Wehr und
Waffen, ZRG GA 83 (1966), 280; Feinstein, A., Waffenhandel, 2012; Pöhlmann, M.,
Der Panzer und die Mechanisierung des Krieges, 2015
Wagatsuma, Sakae (1897-1973) wird nach dem
Rechtsstudium (Hatoyama) 1922 außerordentlicher Professor in Tokio und nach
soziologischem Studium in Chicago und Berlin 1927 ordentlicher Professor. In
zwei unvollendet gebliebenen Werken (Der Primat des Forderungsrechts, 1927ff.,
Minpô kôgi, 1933) versucht er eine vorbildliche Verbindung von Systematik und
Soziologie. Bei der Abschaffung des japanischen Haussystems nach dem zweiten
Weltkrieg wirkt er maßgeblich mit.
Lit.: Hôritsugaku to watashi, hg. v. Toshitani, N. u.
a., 1967, 1; Wagatsuma, H./Bai, K., Wagatsuma Sakae-sensei no hito to sokuseki,
1993
Wahl ist die Berufung eines Menschen zu einer Aufgabe durch
Abstimmung. Sie findet sich bereits im Altertum. In der Kirche werden Papst,
Bischof, Abt und Pfarrer vielfach gewählt. Im Mittelalter werden König,
Bürgermeister, Ratsherren, Schöffen, Rektoren oder Dekane durch Wahlen
bestimmt. Dabei wird anfangs meist von der Einstimmigkeit ausgegangen. Seit
dem 12. Jh. ist eine Entwicklung zur Aufwertung der Einzelstimme erkennbar,
die letztlich zur Anerkennung des Mehrheitsgrundsatzes führt. Im 19. Jh. (vor
allem ab 1848) entsteht allmählich die geheime (nicht zuletzt dem Schutz von
Arbeitnehmern dienende), gleiche, allgemeine und unmittelbare W. (mit Wahlprüfungsverfahren)
(Frankreich, Griechenland, 1871 Deutsches Reich, 1890 Spanien, 1905 Finnland,
1907 Norwegen, 1909 Schweden, 1912 Italien), zu der später auch die Frau zugelassen
wird (Frauenwahlrecht z. B. Australien 1902, Österreich 1918, Deutsches Reich
1919, England 1928, Frankreich 1944). Geregelt wird die W. in besonderen
Wahlgesetzen oder Wahlordnungen. Unterschieden werden dabei hauptsächlich
Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahlrecht. Rechtstatsächlich werden Zwecks
Erhöhung der Wahlbeteiligung wird im späteren 20. Jh. die Briefwahl zugelassen
(Deutschland Bundestagswahl 1957). Wahlen in der Gegenwart vorrangig im
Fernsehen entschieden, weshalb die besten Aussichten hat, wer sich im
Fernsehen am einnehmendsten darstellen und niemand gegen die Mehrheit der
meinungsbildenden Medien bestimmenden Einfluss auf die Erörterung von
Sachfragen gewinnen kann. Über Rechtsstreitigkeiten bei Wahlen entscheiden
letztlich meist Gerichte (Österreich Reichsgericht, 1920 Verfassungsgerichtshof,
Wahlgerichtsbarkeit).
Lit.: Köbler, DRG 18, 83, 109, 194, 225, 230, 257;
Köbler, WAS; Gerlach, H. v., Die Geschichte des preußischen Wahlrechts, 1908;
Hoyer, E., Die Selbstwahl vor, in und nach der Goldenen Bulle, ZRG GA 42
(1921), 1; Vollrath, W., Der parlamentarische Kampf um das preußische
Dreiklassenwahlrecht, Diss. jur. Jena 1931; Mitteis, H., Die deutsche
Königswahl, 1938, 2. unv. A. 1944, Neudruck 1965, 1981; Schlotterose, B., Die
Ratswahlen, Diss. phil. München 1953 masch.schr.; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Kurze, D., Pfarrerwahlen im Mittelalter, 1966; Milatz,
A., Wähler und Wahlen in der Weimarer Republik, 2. A. 1968; Die Wahl der
Parlamente und anderer Staatsorgane, Bd. 1 Europa, hg. v. Sternberger, D. u.
a., 1969; Schneider, R., Königswahl und Königserhebung, 1972; Reisinger, R.,
Die römisch-deutschen Könige und ihre Wähler 1198 bis 1273, 1977; Castorph, B.,
Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes, 1978; Ehrle, P., Volksvertretung
im Vormärz, Bd. 1f. 1979; Gaudemet, J., Les elections dans l’église, 1979;
Reuling, U., Die Kur in Deutschland und Frankreich, 1979; Mackie, T./Rose, R.,
The international Almanac of Electoral History, 2. A. 1982; Lapp, P., Wahlen in
der DDR, 1982; Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland,
1987; Wahlen und Wähler im Mittelalter, hg. v. Schneider, R. u. a., 1990;
Ritter, G./Niehus, M., Wahlen in Deutschland, 1991; Rohe, K., Wahlen und
Wählertraditionen, 1992; Lässig, S., Wahlrechtskampf und Wahlreform in Sachsen,
1996; Wahlen und Wahlkämpfe in Deutschland, hg. v. Ritter, G., 1996; Nadig, W.,
Ardet ambitus, 1997; Rosenbusch, U., Der Weg zum Frauenwahlrecht in
Deutschland, 1998; Yakobson, A., Elections and Electioneering in Rome, 1999;
Strafjustiz und DDR-Unrecht. Dokumentation, hg. v. Marxen, K. u. a., Band 1
Wahlfälschung, 2000; Müller, J., Symbol 89 – Die DDR-Wahlfälschungen, 2001;
Wahlen und Wahlrecht, 2001; Hartenstein, W., Dem Wähler auf der Spur, 2002;
Arsenschenk, R., Der Kampf um die Wahlfreiheit im Kaiserreich, 2003; Nanninga,
F., Wählen in der Reichsgründungsepoche, 2004; Funk, R., Die Wahlprüfung, 2005;
Hägele, G./Pukelsheim, F., Die Wahlsysteme des Nicolaus Cusanus, SB. bay. Ak.
d. Wiss. 2001-2003, 2004, 103; Wahl und Krönung in Zeiten des Umbruchs, hg. v.
Pelizaeus, L., 2008; Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren, hg. v.
Dartmann, C. u. a., 2010; Hundert Jahre allgemeines und gleiches Wahlrecht in
Österreich, hg. v. Simon, T., 2010; Mergel, T., Propaganda nach Hitler, 2010;
Elections in Europe, hg. v. Nohlen, D. u. a., 2010; Voting for Hitler and
Stalin - Elections under 20th Century Dictatorships, hg. v. Jesse, R. u. a.,
2011; Magin, M., Wahlkampf in Deutschland und Österreich, 2012: Bader-Zaar, B.,
Einführung des Frauenwahlrechts – Großbritannien, Deutschland, Österreich und
die USA im Vergleich, 2012
Wähler →Wahl
Wahlfeststellung ist die wahldeutige Verurteilung
eines Täters aus zwei (oder mehr) Straftatbeständen, von denen zwar nur einer
vorliegen kann, aber ungewiss ist, welcher von ihnen vorliegt. Die
rechtsstaatlich fragwürdige W. wird im Deutschen Reich am 28. 6. 1935 zugelassen,
nach 1945 aber grundsätzlich aufgegeben.
Lit.: Köbler, DRG 236
Wahlkapitulation ist seit dem Mittelalter die
älteren Wahlversprechen folgende, in der Lage vor der Wahl naheliegende Zusage
eines Bewerbers an die Wähler für den Fall der Wahl in ein Amt (z. B. Venedig
1192, Papstwahl 1352 [22. 9. 1695 verboten, allgemeines Verbot 20. Jh.], Heiliges
römisches Reich [deutscher Nation] 1292, vor allem seit 1519). Seit dem
Westfälischen Frieden von 1648 vereinbaren die Kurfürsten im Namen der
Reichsstände die 1711 (erfolglos) als ständige[, aber als solche vom Kaiser nie
bestätigte] W. gefasste W. (, die am Ende des 18. Jh.s 314 Druckseiten
umfasst).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 147; Musatti, E.,
Storia della promissione ducale, 1888; Siemsen, A., Kurbrandenburgs Anteil an
den kaiserlichen Wahlkapitulationen von 1689 bis 1742, 1909; Iwand, Die
Wahlkapitulationen, 1919; Haider, S., Die Wahlversprechen der römisch-deutschen
Könige, 1968; Kleinheyer, G., Die kaiserlichen Wahlkapitulationen, 1968; Pick,
E., Die Bemühungen der Stände um eine ständige Wahlkapitulation, 1969; Maier,
K., Das Domkapitel von Konstanz, 1990; Empell, H., De eligendo regis vivente
imperatore, ZNR 16 (1994), 11; Buschmann, A., Die Rechtsstellung des Kaisers,
(in) Gedächtnisschrift H. Hofmeister, 1996, 89; Die Wahlkapitulationen der
römisch-deutschen Kaiser 1519-1792, hg. v. Burgdorf, W., 2015 (17);
Wahlkapitulationen in Europa, hg. v. Duchhardt, H., 2015; Burgdorf, W.,
Protokonstitutionalismus – Die Reichsverfassung in den Wahlkapitulationen, 2015
Wahlkindschaft (F.) Adoption
Wahlrecht ist objektiv die Gesamtheit der für
eine →Wahl geltenden Rechtssätze und subjektiv das Recht zu wählen
(aktives W.) oder gewählt zu werden (passives W.). In Rom werden die Magistrate
der Republik gewählt, im deutschen Reich (grundsätzlich) die Könige, in der
christlichen Kirche Bischöfe und Päpste. Anfangs soll der Grundsatz der
Einstimmigkeit im Vordergrund gestanden haben. Vielleicht seit dem 13. Jh.
setzt sich von der Kirche her der Mehrheitsgrundsatz durch.. Im 19. Jh. gilt in
Preußen z. B. (bis 1918) das nach der Steuerleistung unterscheidende
→Dreiklassenwahlrecht und sind in England nur etwa 5 Prozent der erwachsenen
Bevölkerung wahlberechtigt. Seit 1789, verstärkt seit der Mitte des 19. Jh.s
wird in Frankreich (zunächst erfolglos) ein Familienwahlrecht gefordert.
→Frauen erhalten das Wahlrecht in New Jersey 1776 (bis 1807), Pitcairn
1838, Wyoming 1869, Australien 1902, in Finnland 1906, in der Sowjetunion 1917,
im Deutschen Reich 1919, in Großbritannien 1928, in Frankreich 1944, in
Italien 1946, in der Schweiz 1971 und in Kuweit 2005. In Österreich setzt sich
das allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime W. für Männer 1907 durch,
für Frauen 1918.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Boyer, L., Wahlrecht in
Österreich, Bd. 1 1961; Schenk, H., Die feministische Herausforderung, 3. A. 1983;
Kritzer, P., Zur bayerischen Wahlrechtsreform von 1906, Z. f. bay. LG. 48
(1985), 719; Ruszoly, J., Zwischen ständischer Repräsentation und
Volksvertretung, ZRG GA 107 (1990), 409; Weigand, R., Das kirchliche Wahlrecht
im Dekret Gratians, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997; Spalinger,
A., Die Proporzbewegung während der dritten Republik Frankreichs, 2003; Bavaj,
R., Reform statt Revolution, HZ 278 (2004), 683; Simon-Holtorf, Geschichte des
Familienwahlrechts in Frankreich (1871 bis 1945), 2004; Schmetterer, G., Das
Wahlrecht der ersten Republik, 2009
Wahlschuld ist die bereits dem römischen Recht
bekannte Art der Schuld, bei der mehrere Leistungen in der Weise geschuldet
werden, dass (nach Wahl des Gläubigers oder im Zweifel des Schuldners nur die
eine oder die andere zu bewirken ist (z. B. ein Schmuckstück oder der Wert in
Geld). Geht einer Gegenstände der W. unter, schränkt sich die Wahl entsprechend
ein.
Lit.: Kaser § 34 III 1; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Wahnsinn ist die laienhafte Benennung der
Störung der Geistestätigkeit. →Geisteskranker
Wahrheit ist der mit Gründen einlösbare und
insofern haltbare Geltungsausspruch über einen Sachverhalt. Die W. ist eine
wichtige Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit (lat. in veritate libertas),
die der Lügner und Betrüger bewusst zum eigenen Vorteil und zum fremden
Schaden verlässt. In Untersuchungsverfahren ist die Findung der W. Ziel des
Verfahrens. Zeugen sind zur W. verpflichtet. In der Gegenwart nehmen (in Deutschland)
die zeitsparenden einvernehmlichen Konfliktlösungen zu Lasten der
zeitaufwenidgen Beweisaufnahmen zu.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Schwinge, E., Verfälschung
und Wahrheit, 1988; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A.
1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Hofbauer, H., Verordnete Wahrheit, bestrafte
Gesinnung, 2012; Kieninger, M., Narkoanalyse, 2011; Autorität und Wahrheit, hg.
v. Potedtà, G., 2012; Die Wahrheit in den Wissenschaften, hg. v. Kautek, W. u.
a., 2015; Recht auf Wahrheit – Zur Genese eines neuen Menschenrechts, hg. v.
Brunner, J. u. a., 2016; Foucault, M., Subjektivität und Wahrheit, 2016;
Währschaftsbuch ist seit dem Spätmittelalter die
landschaftlich verbreitete Art des →Grundbuchs.
Lit.: Strippel, K., Die Währschafts- und Hypothekenbücher
Kurhessens, 1914
Wahrschaubrief ist das seit dem 14. Jh. in
Nordosteuropa erscheinende, an Dritte gerichtete, mit der Wegnahme von Schiff
und Gut im Fall der Unterstützung eines Feindes drohende Handelsverbot.
Lit.: Böhringer, K., Das Recht der Prise, Diss. jur.
Fankfurt am Main 1970
Währung ist das in der Gegenwart meist
gesetzlich geregelte Zahlungsmittel eines Gemeinwesens. In der Zuständigkeit
eines Staates steht es, seine Währung zu gestalten (z. B. durch Aufwertung
oder Abwertung Währungsreform
Deutsches Reich 20./21. 6. 1948). Möglich ist auch eine Währungsunion
mehrerer Staaten durch Vertrag (z. B. Währungsunion zwischen Bundesrepublik
Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik 1990, Europäische
Währungsunion).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 50, 224, 249;
Rittmann, H., Deutsche Geldgeschichte seit 1914, 1986; Die kulturelle Seite der
Währung, hg. v. Löffler, B., 2009
Waiblingen
Lit.: Widder, E., Waiblingen, 2005
Waise ist das teilweise (Halbwaise) oder
gänzlich (Vollwaise) elternlose →Kind. Es erhält einen →Vormund. In
der frühen Neuzeit werden Waisen teilweise mit Armen, Irren und Siechen
gemeinsam untergebracht, teilweise aber auch besondere Häuser für Waisen
(Waisenhäuser) eingerichtet (Preußen 1885 396 Waisenhäuser mit 19000 Waisen).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Graetz, H., Beiträge zur
Geschichte der Erziehung der Waisen, 1888; Meumann, M., Findelkinder,
Waisenhäuser, Kindsmord, 1995; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen
Reich, 1995; Crespo, M., Verwalten und Erziehen, 2001; Waisenhäuser in der
frühen Neuzeit, hg. v. Sträter, U., 2003; Kinder, Krätze, Karitas, hg. v.
Veltmann, C. u. a., 2009
Waitz, Georg (Flensburg 9. 10. 1813-Berlin 25. 5. 1886)
wird nach dem Studium von Recht und Geschichte in Kiel und Berlin Professor in
Kiel (1842), Göttingen (1849) und Berlin (1875). Er leitet die (lat.) Monumenta
(N.Pl.) Germaniae Historica (1875-1886). Seit 1844 veröffentlicht er eine
achtbändige deutsche Verfassungsgeschichte.
Walachai ist das Gebiet zwischen Karpaten
und Donau, in dem 1330 ein von Ungarn gelöstes Fürstentum entsteht. Seit 1415
wird die W. von den →Osmanen (Türken) abhängig. 1862 geht sie in
→Rumänien auf.
Wald ist die mit Forstpflanzen bestückte Grundfläche
einschließlich der Lichtungen und Waldwiesen. Der W. wird vom Menschen im
Altertum nur am Mittelmeer intensiv genutzt und dabei an vielen Stellen
beseitigt. Im Mittelalter wird er auch sonst durch Landesausbau bzw. Binnenkolonisation
zurückgedrängt. Er ist teilweise königlich (→Forst), teilweise
grundherrschaftlich und teilweise genossenschaftlich bzw. gemeinschaftlich.
Im 18. Jh. beginnt eine moderne Waldwirtschaft als bürgerliche Selbstbehauptung
gegen aristokratische Jagdnutzung und Waldnutzung der Bauern. Im 19. Jh. wird
der W. vielfach in Einzeleigentum aufgeteilt. Das Betreten des Waldes ist
Gemeingebrauch.
Lit.: Hoops, J., Waldbäume und Kulturpflanzen, 1905,
Neudruck 1965; Merz, W., Die Waldungen der Stadt Zofingen, 1922; Weiß, L.,
Studien zur Geschichte der Zürcher Stadtwaldungen, 1924; Graner, F.,
Geschichte der Waldgerechtigkeiten im Schönbuch, 1929; Deck, S., Étude sur la
Forêt d’Eu, 1929; Faesch, J., Die Waldrechte der Hubengenossenschaft Schwamendingen,
1931; Westermann, H., Die Forstnutzungsrechte, 1942; Erler, A., Bäuerliche
Waldgerechtsame an der Schwanne im Odenwald, ZRG GA 65 (1947), 348; Hopf, C.,
Waldnutzung und Waldwirtschaft, Diss. jur. Jena 1952; Frank, G., Die
rechtshistorische Entwicklung der Forstrechte im Chiemgau, Diss. jur. München
1957; Kieß, R., Die Rolle der Forsten im Aufbau des württembergischen
Territoriums, 1958; Mager, F., Der Wald in Altpreußen als Wirtschaftsraum,
1960; Egli, J., Der Erlosenwald, 1963; Kern, H., Das Kirchspiel Altensteig,
1966; Brandl, H., Der Stadtwald von Freiburg, 1970; Wobst, A., Der Markwald,
1971; Wörlen, R., Waldeigentümergemeinschaften, 1981; Hasel, K.,
Forstgeschichte, 1986; Knöppel, V., Forstnutzungsrechte, Diss. jur. Marburg
1988; Der Wald, hg. v. Semmler, J., 1991; Epperlein, S., Waldnutzung, 1993;
Küster, H., Geschichte des Waldes, 1998; Below, S. v., Wald, 1998; Die
Waldordnungen des Erzstiftes Salzburg, hg. v. Pallauf, S. u. a. 2001; Demandt,
A., Über allen Wipfeln, 2002; Rohland, S./Noack, H., das holz all der dorfer
gemeyne, 2004; Grewe, B., Der versperrte Wald, 2004; Sperber, J., Angenommene,
vorgetäuschte und eigentliche Normenkonflikte bei der Waldnutzung im 19.
Jahrhundert, HZ 290 (2010), 681; Hölzl, R., Umkämpfte Wälder, 2010; Feest,
C./Kron, C., Regenwald, 2015; Zechner, J., Der deutsche Wald, 2016; Bischof,
D., Geschichte der Wald- und Forstgesetzgebung im Bundesland
Schleswig-Holstein, 2016
Waldeck
Lit.: Weigel, D., Fürst, Stände und Verfassung im frühen 19.
Jahrhundert, 1968; Erste Hilfe im Fürstentum Waldeck, hg. v. Barz, D., 2014
Waldenser
Lit.: Auffarth, C., Die Ketzer, Katharer, Waldenser
und andere, 2005; Schätz, H., Die Aufnahmeprivilegien, 2010
Wales ist die westliche Halbinsel Britanniens,
auf der sich nach dem Abzug der Römer im 5. Jh. britische →Kelten zu
halten vermögen. 1091 kommt der Süden unter die Herrschaft Englands. 1277/1282/1284
wird das Gebiet ganz in →England eingegliedert. 1999 erhält W. eine
eigene Versammlung mit beschränkten eigenen Rechten (ohne eigenen finanziellen
Spielraum).
Lit.: Seebohm, F., The tribal system in Wales, 1904;
The Welsh Law of Women, hg. v. Jenkins, D. u. a., 1980; Sager, P., Wales, 1985;
The Law of Hywel Dda, hg. v. Jenkins, D., 1986; Davies, W., Welsh History in
the Early Middle Ages, 2009; Watkin, T., The Legal History of Wales, 2012
Walkenried
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Walkenried, bearb. v. Dolle, J., Bd.
1f. 2002ff.
Wallfahrt
Lit.: Wallfahrt und Volkstum in Geschichte und Leben, hg. v. Schreiber,
G., 1934; Wallfahrt und Recht im Abendland, 1987; Die Wilsnackfahrt, hg. v.
Escher, F. u. a., 2006; Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. v. Dolezal,
D. u. a., 2006; Pilgerreisen in Mittelalter und Renaissance, hg. v. Haupt, B.
u. a., 2006; Wallfahrt und Reformation, hg. v. Hrdina, J. u. a., 2007; Schauta,
M., Die ersten Jahrhunderte christlicher Pilgerreisen, 2008; Ikari, Y.,
Wallfahrtswesen in Köln, 2009; Brumme, C., Das spätmittelalterliche
Wallfahrtswesen im Erzstift Magdeburg, im Fürstentum Anhalt und im sächsischen
Kurkreis, 2010
Wallis ist der um das 1032 an das deutsche
Reich gelangte oberste Tal der Rhone gebildete, im Südosten des Genfer See(e)s
gelegene, zugewandte Ort (1475) bzw. Kanton (1814) der →Schweiz.
Lit.: Heusler, A., Rechtsquellen des Cantons Wallis,
1890; Stebler, F., Ob den Heidenreben, 1901; Stebler, F., Das Goms, 1903;
Grenat, P., Histoire moderne du Valais, 1904; Liebeskind, W., Bischof Walters
II. auf der Flüe Landrecht und Gerichtsordnung, 1930; Kämpfen, W., Ein Burgerrechtsstreit
im Wallis, 1942; Werra, R. v., Die Vormundschaft über Unmündige nach dem Rechte
der alten Landschaft Wallis, Blätter aus der Walliser Geschichte 2 (1953), 165;
Niederer, A., Gemeinwerk im Wallis, 1956; Partsch, G., Das Mitwirkungsrecht
der Familiengemeinschaft im älteren Walliser Recht, 1955; Carlen, L., Das
Landrecht des Kardinals Schiner, 1955; Carlen, L., Rechtsaltertümer aus dem
Wallis, 1967; Carlen, L., Gericht und Gemeinde im Goms, 1967; Carlen, L.,
Beiträge zur Walliser Rechtsgeschichte, 1970; Handbuch der Quellen und
Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H.,
Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,465, 3,2,1886; Sulser, M., Die Zivilgesetzgebung des
Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1976; Julen, T., Das
Bürgerrecht im Oberwallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland 1978; Carlen, L.,
Kultur des Wallis 1500-1800, 1984; Carlen, L., Näherrechte im Wallis, (in) Wege
europäischer Rechtsgeschichte, hg. v. Köbler, G., 1987, 52; Troger, T.,
Geschichte der Verfassung des Kantons Wallis, Diss. jur. Freiburg im Üchtland,
1987; Carlen, L., Walliser Rechtsgeschichte, 1993 (Aufsätze); Carlen, L., Das
Wallis vor 150 Jahren, Bll. aus der Walliser Geschichte 31 (1999), 77;
Schnyder, C., Reformation und Demokratie im Wallis (1524-1613), 2002
Wallonien (französischsprachiges Gebiet Belgiens)
Walser ist der seit dem 13. Jh. aus dem
→Wallis ausgewanderte, im Süden, in Graubünden und in Vorarlberg (z. B.
Kleines Walsertal) zu ziemlich freiem Recht angesiedelte, katholische
Alemanne.
Lit.: Branger, E., Rechtsgeschichte der freien Walser
in der Ostschweiz, 1905; Liver, P., Mittelalterliches Kolonistenrecht und
freie Walser in Graubünden, 1943; Ilg, K., Die Walser in Vorarlberg, Bd. 1f.
1948ff.; Balmer, E., Die Walser im Piemont, 1949; Kreis, H., Die Walser, 1958;
Zinsli, P., Walser Volkstum, 6. A. 1991; Rizzi, E., Geschichte der Walser,
1993; Bündner Urkundenbuch, Bd. 2 (neu) 1200-1272), 2004
Walter von Coutances ist der um 1170 in Paris wirkende, 1185 zum
Erzbischof von Rouen und 1191 zum Regenten des angevinischen Großreichs
aufgestiegene Kanonist englischer Herkunft. (Tractatum de iudiciis (Traktat
von den Gerichten).
Lit.: Landau, P., Walter von Coutances und die Anfänge der
anglo-normannischen Rechtswissenschaft, Panta rei, hg. v. Condorelli, O.,
2004, 183
Walther ([Walter] zu Walthersweil), Bernhard (Leipzig 1516-Graz 5.
12. 1584), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig, Bologna
(Alciat) und Pavia 1540 Professor in Wien, 1547 Rat in Niederösterreich und
1564 Kanzler in den innerösterreichischen Ländern. In seinen der Anleitung
herrschaftlicher Tätigkeiten dienenden, 1716 gedruckten Traktaten (lat. [M.]
Aurei tractatus iuris Austriae, goldene Traktate des Rechtes Österreichs
1552-1558) gibt er eine Darstellung der Verbindung von einheimischem und
ergänzendem römischem Recht.
Lit.: Köbler, DRG 143; Baltl/Kocher; Bernhard Walthers
privatrechtliche Traktate, hg. v. Rintelen, M., 1937; Juristen in Österreich,
hg. v. Brauneder, W., 1987, 39, 369
Wandale →Vandale
Wandlung (Wort in allgemeinerer Bedeutung um 790 belegt)
ist die Rückgängigmachung
des Kaufes wegen eines Mangels der Kaufsache. Sie entstammt der Tätigkeit der
kurulischen Ädile als Marktaufseher in Rom, die beim Kauf von Sklaven und
später auch Zugtieren bei gewissen Mängeln innerhalb kurzer Fristen dem Käufer
nach seiner Wahl entweder die Rückgewährung des Kaufpreises gegen Rückgabe der
Kaufsache (lat. →actio F. redhibitoria)
oder die Minderung (lat. →actio F.
quanti minoris) des Kaufpreises verheißen. Seit dem Spätmittelalter wird die W.
aus dem römischen Recht aufgenommen, in Deutschland aber 2002 durch den
Rücktritt ersetzt.
Lit.: Kaser § 41 VI; Söllner § 9; Hübner; Köbler, DRG
46, 165, 215; Lederle, R., Mortuus redhibetur, Diss. jur. Mannheim 1983; Coing,
H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Wannseekonferenz ist die in der Villa Marlier am Wannsee in
Berlin am 20. 1. 1942 unter Reinhard Heydrich durchgeführte, ein Protokoll der
Besprechung über die Endlösung der Judenfrage hinterlassende, in ihrer
Bedeutung unterschiedlich eingeordnete Konferenz über die Organisation der
beschlossenen Vernichtung der Juden mittels Deportation in den Osten, der zwei
weitere Konferenzen im März und Oktober 1942 folgen.
Lit.: Roseman, M., Die Wannsee-Konferenz, 2002; Die Wannsee-Konferenz
am 20. Januar 1942, hg. v. Kampe, N. u. a., 2013; Longerich, P.,
Wannseekonferenz, 2016
Wappen ist seit dem 16. Jh. die Bezeichnung
für das im 12. Jh. entstehende, seit dem 13. Jh. individualisierte farbige Erkennungszeichen
des gerüsteten und damit unkenntlich gewordenen Ritters. →Adler,
Heraldik
Lit.: Siebmacher, J., Großes und allgemeines
Wappenbuch, neu hg. 1854ff., Neudruck 1970ff.; Seyler, G., Geschichte der
Heraldik, 1885ff., Neudruck 1970; Hauptmann, F., Das Wappenrecht, 1896; Beck,
E., Grundfragen der Wappenlehre, 1931; Demandt, K./Renkhoff, O., Hessisches
Ortswappenbuch, 1956; Zier, H., Wappenbuch des Kreises Bühl. 1964; Wappenfibel,
15. A. 1967; Neubecker, O./Rentzmann, W., Wappen-Bilder-Lexikon, 1974; Köbler,
G., Bilder aus der deutschen Rechtsgeschichte, 1988; Waldner, H., Die ältesten
Wappenbilder, 1992; L’Armorial Bellenville, hg. v. Pastoureau, M. u. a., 2004;
Jäckel, D., Der Herrscher als Löwe, 2005; Scheibelreiter, G., Wappenbild und
Verwandtschaftsgeflecht, 2009; Scheiberlreiter, G., Wappen im Mittelalter,
2014
Ware (Wort um 900 belegt) ist die bewegliche, vom Kaufmann
veräußerte Sache. →Kauf, →Handelsrecht
Lit.:
Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Warenmarke ist die →Marke für eine
→Ware. Im 19. Jh. wird das Recht der W. gesetzlich geregelt (Deutsches
Reich 1874 Markenschutzgesetz, Gesetz über den Markenschutz). Eine
europäisierende, das Warenzeichengesetz zum 31. 12. 1994 ablösende
Neugestaltung (Marke) erfolgt zum 1. 1. 1995.
Lit.: Kohler, J., Das Recht des Markenschutzes, 1884;
Müller, K., Ein Warenzeichenschutzprozess um 1500 (Schwäbisch Gmünd), ZRG GA 55
(1935), 244; Ilgenfritz, H., Das Warenzeichenrecht der Stadt Nürnberg, 1954;
Deutsch, E., Sortenname und Warenzeichen, Diss. jur. Heidelberg 1953; Wadle,
E., Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Bd. 1f. 1977ff.; Henning-Bodewig,
F./Kur, A., Marke und Verbraucher, Bd. 1f. 1988
Warenzeichen →Warenmarke
wargus (lat.-germ. [M.]) Würger, Wolf, Verbrecher
Lit.: Unruh, G. v., Wargus. Friedlosigkeit und magisch-kulturelle
Vorstellungen bei den Germanen, ZRG GA 74 (1954), 1; Jacoby, M., wargus, 1974;
Schmidt-Wiegand, R., Stammesrecht und Volkssprache, 1991, 472
Warnkönig, Leopold August (1794-1866),
Steuereinnehmerssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg (Heise, Thibaut,
Zachariä) und Göttingen (Hugo) 1817 Professor in Lüttich, 1821 in Löwen, 1831
in Genf, 1836 in Freiburg im Breisgau und 1844 in Tübingen. 1835ff. legt er
eine dreibändige flandrische Staats- und Rechtsgeschichte, 1845 eine dreibändige
französische Staats- und Rechtsgeschichte vor. Er bringt damit das Gedankengut
der historischen Rechtsschule nach Belgien.
Lit.: Wild, G., Leopold August Warnkönig, 1961
Warren, Earl (1891-1974), skandinavischer
Herkunft, wird nach dem Rechtsstudium in Kalifornien 1914 Anwalt, 1919
Staatsanwalt, 1946 Gouverneur und 1953 Vorsitzender des amerikanischen Supreme
Court. 1954 verfasst er das die Rassentrennung in öffentlichen Schulen für verfassungswidrig
erklärende, einstimmig gefällte Urteil. Auch in anderen bedeutsamen
Entscheidungen sichert er Freiheit und Gleichheit.
Lit.: Pollack, J., Earl Warren, 1979; White, G., Earl
Warren, 1982
Warschau an der mittleren Weichsel wird 1241
als Siedlung erwähnt. Es erhält wohl vor 1339 Stadtrecht. Ab 1596 ist es Sitz
des Königs von →Polen. 1815 erhält es im mit Russland in Personalunion
vereinigten Königreich Polen (Kongresspolen) eine Universität. 1943/1944 wird
W. weitgehend zerstört.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/VerfassungWarschau1807.htm;
Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2 2107,2111,
3,3,3506,3508; Huber, W., Warschau, 2005;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007, Roth, M./Löw, A., Das Warschauer Getto, 2013
Wartburgfest ist das nationalliberal geprägte
Treffen von etwa 500 Vertretern deutscher Universitäten (darunter viele Jenaer
Studenten) am 18. 10. 1817 auf der Wartburg bei Eisenach, an dessen Ende konservative
Schriften und der Code Napoléon verbrannt werden. Daraufhin verbietet Preußen
studentische Verbindungen an den Universitäten.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Tümmler, H., Ein Haufen verwilderter
Professoren, 1974; Badstübner, E., Die Wartburg, 1994; Das Wartburgfest, hg.
v. Dedner, B., 1994
Wartrecht →Erbenwartrecht,
→Näherrecht
Was dem einen recht ist, das ist dem anderen
billig.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 274 (Franck 1541)
Wasser ist die für das irdische Leben bedeutsamste
Flüssigkeit. Schon früh werden große Gewässer der Allgemeinheit bzw. später dem
Staat, kleine Gewässer mit dem angrenzenden Grundstück Einzelnen zugeordnet.
Seit dem 19. Jh. wird das W. nach mittelalterlich-städtischen Anfängen immer
stärker rechtlich erfasst (Teil des deutschen Privatrechts), gesetzlich
geregelt (preußisches Allgemeines Landrecht von 1794, Landeswassergesetze,
Wasserverbandverordnung vom 3. 9. 1937, Wasserhaushaltsgesetz 27. 7.
1959/1960, vgl. auch die Arbeiten des Ausschusses für Wasserrecht zwischen 1934
und 1941 im Rahmen der Akademie für deutsches Recht) und als schützenswertes
Umweltgut angesehen. Im Mittelalter ist die Wasserprobe eine Form des
Gottesurteils. →Meer, →Mühle, →Stromregal
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 205;
Ossig, A., Römisches Wasserrecht, 1885; Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer,
1828, Bd. 1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Geffcken, H., Zur
Geschichte des deutschen Wasserrechts, ZRG GA 21 (1900), 173; Peterka, O., Das
Wasserrecht der Weistümer, 1905; Aström, A., Über das Wasserrecht in Nord- und
Mitteleuropa, 1905; Zollinger, K., Das Wasserrecht der Langeten, 1906; Georgi,
O., Der sächsische Entwurf eines Wassergesetzes, 1907, Neudruck 2013; Motzfeldt,
U., Den norske Vasdragsrets Historie, 1908; Köttgen, A., Grundprobleme des
Wasserrechts, 1925; Flachsbarth, O., Geschichte der Goslarer Wasserwirtschaft,
1928; Haff, K., Ein verschollenes Wasserrechtsweistum, ZRG GA 52 (1932), 336;
Haff, K., Über die alten Wasserrodegenossenschaften im Etschtale, ZRG GA 58
(1938), 810; Beeg, H., Die Entwicklung des Wasserkraftrechts vom 14. bis zum
19. Jahrhundert, Diss. jur. Frankfurt am Main 1971; Breuer, R., Öffentliches
und privates Wasserrecht, 2. A. 1987; Köbler, G., Bilder aus der deutschen
Rechtsgeschichte, 1988; Benning, R., Die Verwaltung der Wasserstraßen, Diss.
jur. Bonn 1994; Sieder, F. u. a., Kommentar zum Wasserhaushaltsgesetz, 3. A.
1995; Olmer, B., Wasser, 1998; Geißler, K., Die öffentliche Wasserversorgung
im römischen Recht, 1998; Rönnau, C., Die Beratungen des Wasserrechtsausschusses
der Akademie für Deutsches Recht zu einem Reichswassergesetz (1934-1941), 2001;
Ausschuss für Wasserrecht 1934-1941, hg. v. Schubert, W. u. a., 2004; Weber,
A., Die Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 27. 7. 1957, 2005;
Behrens, C., Die Wassergesetzgebung im Herzogtum Braunschweig, 2009; Seckel,
F., Zur Geschichte des Gewässerschutzrechts in Sachsen, 2010; Stippak, M.,
Beharrliche Provisorien - Städtische Wasserversorgung, 2010; Rauchegger, A.,
Der Homo aquamportans, 2014; Wasserinfrastrukturen und Macht von der Antike bis
zur Gegenwart, hg. v. Förste, B. u. a., 2015; Wasser – Wege – Wissen auf der
iberischen Halbinsel, hg. v. Czeguhn, I. u. a., 2016; Wasser in der
mittelalterlichen Kultur, hg. v. Huber-Rebenich, G. u. a., 2017
Wasserburg
Lit.: Burkard, T., Wasserburg und Kling, 1965
Wasserzeichen ist das vom Papierhersteller bei der
Papierherstellung erzeugte Kennzeichen seines Papiers. S. http://www.wasserzeichen-online.de,
Online-Datenbanken Wasserzeichen des Mittelalters und Piccard-Online
Lit.: Weiß, W., Thüringer Papiermühlen und ihre Wasserzeichen, 1953;
Die Kronen-Wasserzeichen, bearb. v. Piccard, G., 1961; Ochsenkopf und Meerjungfrau,
red. v. Rückert, P., 2006; Wasserzeichen und Filigraologie, hg. v. Rückert, P.
u. a., 2011
Waterrecht ist die gotländische Fortführung
der flämischen →Vonnisse von Damme.
Lit.: Landwehr, G., Prinzipien der Risikotragung beim
Seefrachtvertrag, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler, G. u. a., 1997
watschar (mhd.) freigewordener Gemeinschaftsanteil,
Abgabe
Lit.: Hübner § 21
Weber, Marianne (Oerlinghausen/Lippe 2. 8. 1870-Heidelberg
12. 3. 1954), geb. Schnitger, Arztstochter, wird nach der Heirat mit (dem als
Cousin zweiten Grades verwandten) Max →Weber und dem Studium der
Philosophie und Sozialwissenschaften Frauenrechtlerin. Seit 1900 erforscht sie
die „Ehefrau und Mutter in der Rechtsentwicklung“ (1907). Ziel ist eine
aufklärend-wertende Geschichtsbetrachtung.
Lit.: Max Weber. Ein Lebensbild, 1989; Borchert,
M./Buchholz, S., Marianne Weber, (in) Überlieferung, Bewahrung und Gestaltung,
hg. v. Buchholz, S. u. a., 1993, 23; Hennis, W., Max Weber und Thukydides,
2003; Marianne Weber, hg. v. Meurer, B. 2004; Meurer, B., Marianne Weber, 2010;
Kruse, V./Barrelmeyer, U., Max Weber, 2012
Weber, Max (Erfurt 21. 4. 1864-München 14. 7. 1920),
Politikerssohn, mütterlicherseits aus einer der reichsten deutsch-englischen
Familien, wird nach dem Studium von Recht, Wirtschaft, Geschichte und
Philosophie in Heidelberg, Straßburg, Berlin (Levin Goldschmidt) und Göttingen
(Habilitation in Berlin mit 27 Jahren) Professor in Berlin (1893), Freiburg im
Breisgau (1894 Volkswirtschaft), Heidelberg (1897) sowie nach längerer Erkrankung
Wien (1918) und München (1919). Im Mittelpunkt seiner überwiegend soziologischen
Arbeiten stehen Studien über das Verhältnis von Religion, Wirtschaft und
Gesellschaft. Mit Hilfe von Idealtypen versucht er deutend die
gesellschaftliche Wirklichkeit zu erschließen. Den Entwicklungsvorgang der
Industriegesellschaft versteht er als Entzauberung.
Lit.: Köbler, DRG 228; Loos, F., Zur Wert- und
Rechtslehre Max Webers, 1970; Mommsen, W., Max Weber, 1974; Hilterhaus, F., Zum
Rechtsbegriff in der Soziologie Max Webers, 1965; Speer, H., Herrschaft und
Legitimität, 1978; Weber, M., Max Weber, 3. A. 1984; Zur Rechtssoziologie Max
Webers, hg. v. Breuer, S. u. a., 1984; Max-Weber-Gesamtausgabe, 1984ff.(Frage
nach der Legitimation des gigantischen Editionsaufwands); ; Hennis, W., Max
Webers Fragestellungen, 1987; Schöllgen, G., Max Weber, 1998; Hecht, M.,
Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Tenbruck, F., Das Werk Webers, 1998;
Hecht, M., Modernität und Bürgerlichkeit, 1998; Roth, G., Max Webers
deutsch-englische Familiengeschichte 1800-1950, 2001; Max Webers
Herrschaftssoziologie, hg. v. Hanke, E./Mommsen, W., 2001; Ringer, F., Max
Weber, 2004; Radkau, J., Max Weber, 2005; Das Weber-Paradigma, hg. v. Albert,
G., 2005; Müller, H., Max Weber, 2007; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2007; Fitzi,
G., Max Weber, 2008; Petersen, J., Max Webers Rechtssoziologie und die
juristische Methodenlehre, 2008; Weber, M., Zur Geschichte der
Handelsgesellschaften im Mittelalter, hg. v. Dilcher, G. u. a., 2008; Weber,
M., Allgemeine (theoretische) Nationalökonomie - Vorlesungen 1894-1898, hg. v.
Mommsen, W. u. a., 2009; Massimilla, E., Max Weber zwischen Heinrich Rickert
und Johannes von Kries, 2011; Kaesler, D., Max Weber, 2014; Max Weber in der
Welt, hg. v. d. Max-Weber-Stiftung, 2014; Max-Weber-Handbuch, hg.v. Müller, H.
u. a., 2014; Schluchter, W., May Webers späte Soziologie, 2015; Lepsius, M.,
Max Weber und seine Kreise - Essays, 2016; Anter, A., Max Weber und die
Staatsrechtslehre, 2016; Bruhns, H., Max Weber und der erste Weltkrieg, 2016;
Max Weber 1864-1920 – Politik – Theorie – Weggefährten, hg. v. Lehnert, D.,
2016
Wechsel ist die besonders strengen gesetzlichen
Formvorschriften unterliegende Urkunde, in der eine oder mehrere gegenüber
einem Grundgeschäft abstrakte Zahlungsverpflichtungen verbrieft sind. Der W.
entsteht im 13. Jh. in Oberitalien zur Sicherung des Zahlungsverkehrs vor
Überfällen auf Geldstückbeförderungen. Er breitet sich rasch aus. Seit dem Ende
des 16. Jh.s kann er durch Vermerk auf der Rückseite (→Indossament)
leicht weitergegeben werden. Zahlreiche partikulare Wechselordnungen
versuchen eine Regelung der mit ihm verbundenen Fragen. Ihre Vereinheitlichung
im Deutschen Bund strebt die Allgemeine Deutsche Wechselordnung (1847/1848)
an. Eine Übereinkunft der Genfer Wechselrechtskonferenz von 1930 führt zu
weiterer Internationalisierung (Deutsches Reich 1. 1. 1934 Wechselgesetz).
Tatsächlich tritt der W. aber allmählich hinter den Kontokorrentkredit
zurück.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 128,
167; Mittermaier, C., Über den Zustand der Gesetzgebung, AcP 25 (1842), 114,
284, 26 (1843), 114, 446, 27 (1844), 120; Protocolle der zur Beratung einer
Allgemeinen Deutschen Wechselordnung ..., 1848; Goldschmidt, L., Handbuch des
Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875, darin Universalgeschichte des Handelsrechts,
(Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck 1957; Canstein, R. v., Lehrbuch des Wechselrechts,
1890; Schaube, A., Einige Beobachtungen zur Entstehungsgeschichte der Tratte,
ZRG GA 14 (1893), 111; Freundt, C., Das Wechselrecht der Postglossatoren,
1899ff., Neudruck 2013; Valery, J., Une traité de Philippe Le Bel, 1909;
Nicolini, U., Studi storici sul pagherò cambiario, 1936; Holden, J., The
History of Negotiable Instruments, 1955; Cassandro, G., Vicende storiche della
lettera di cambio, Bollettino dell’Archivio storico del Banco di Napoli 1955;
Dabin, L., Fondements du droit cambiaire allemand, 1959; Urfus, V., (Die
Anfänge des Wechselrechts in den böhmischen Ländern und die Anfänge des
neuzeitlichen Handelsrechts), 1959 (deutsche Zusammenfassung); Sedatis, L.,
Über den Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur
der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,1,844, 3,3,2,893; Remde, A., Lettera di cambio und suftada, Diss.
jur. Köln 1987; Huber, U., Das Reichsgesetz über die Einführung einer allgemeinen
Wechselordnung, JZ 1978, 77; Schubert, W., Die Einführung der Allgemeinen
Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches, ZHR
144 (1980), 484; Wesenberg, G./Wesener, G., Neuere deutsche
Privatrechtsgeschichte, 4. A. 1985, 224; Bergfeld, C., Deutsches und
schweizerisches Wechselrecht, FS H. Thieme, 1986; Denzel, M., La Practica della
Cambiatura, 1994; Riedi Hunold, D., Die Einführung der allgemeinen
Wechselfähigkeit in der Schweiz, 2004; Freund, J., Die Wechselverpflichtung im
19. Jahrhundert, 2008, 2012; Traut-Amend, A., Wechselverbindlichkeiten vor
dem Reichskammergericht, 2009
Wechselrecht →Wechsel
wederstadinge (mnd. [F.]) Wiedererstattung,
Gegenwert
Weende (Stift)
Lit.: Urkundenbuch des Stifts Weende, hg. v. Krösche,
H., 2009
Weg ist der zum regelmäßigen Gehen oder Fahren benutzte
oder bestimmte Teil der Erdoberfläche.
Lit.: Germershausen, A., Das Wegerecht und die Wegeverwaltung
in Preußen, Bd. 1f. 1890; Friehe, H., Wegerecht und Wegeverwaltung in der alten
Grafschaft Schaumburg, 1971
Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das Entfallen der
vorausgesetzten Umstände eines Geschäfts. Der W. d. G. wird in Deutschland im
20. Jh. als Nachfolger der sog. (lat.) clausula (F.) rebus sic stantibus zur
Erfassung unvorhergesehener Verläufe entwickelt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 270
Wegsperre (lat. via F.
lacina) ist vor allem im Frühmittelalter die Versperrung eines Weges, die als
bußpflichtiges Verhalten eingeordnet wird.
Lit.: Munske, H., Der germanische Rechtswortschatz,
1973
wehading (ahd. [N.]) Zweikampf
Wehr
Lit.: Krogmann, W., Mit Wehr und Waffen, ZRG GA 83
(1966), 280
Wehrdienst ist der seit der allgemeinen
Wehrpflicht des 19. Jh.s (Preußen 1814) erscheinende Dienst als Soldat bei den
Streitkräften.
Lit.: Baltl/Kocher; Müller, T., Die Wehrverfassung des
Dritten Reiches und die DDR, 1998; Die Wehrmacht, hg. v. Müller, R. u. a.,
1998; Wehrmacht und Vernichtungspolitik, hg. v. Pohl, K., 1999
Wehrersatzkommission ist die in Preußen seit dem 18. Jh.
(1743, 1764, 1793, 1814) eingeführte Behörde für Musterungen und Festlegungen
der Reihenfolge der Verfügbarkeit.
Lit.: Jähns, M., Geschichte der Kriegswissenschaft,
Bd. 3 1891, Neudruck 1966; Witte, F., Die rechtliche Stellung der
Bundeswehrverwaltung, 1963
Wehrmacht s. Heer
Lit.: Oldenburg, M., Ideologie und militärisches Kalkül, 2004;
Hartmann, C. u. a., Verbrechen der Wehrmacht, 2005; Messerschmidt, M., Die
Wehrmachtjustiz, 2005; Kunz, A., Wehrmacht und Niederlage, 2005; Arnold, K.,
Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der
Sowjetunion, 2005; Stein, O., Die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890-1914,
2007; Römer, F., Der Kommissarbefehl, 2008; Pohl, D., Die Herrschaft der
Wehrmacht, 2008, 2. A. 2009; Hasenclever, J., Wehrmacht und Besatzungspolitik
in der Sowjetunion, 2009; Buchmann, B., Österreicher in der deutschen
Wehrmacht, 2009; Förster, J., Die Wehrmacht im NS-Staat, 2. A. 2009; Hartmann,
C., Wehrmacht im Ostkrieg, 2009, 2. A. 2010; Zimmermann, J., Pflicht zum Untergang,
2009; Leugers, A., Jesuiten in Hitlers Wehrmacht, 2009; Mühlhäuser, R.,
Eroberungen, 2010; Hitlers militärische Elite, hg. v. Ueberschär, G., 2. A.
2011; Mit reinem Gewissen -Wehrmachtrichter, hg. v. Perels, J. u. a., 2011 (30000
Todesurteile, davon mindestens 20000 vollstreckt); Reichherzer, F., Alles ist
Front! Wehrwissenschaften in Deutschland, 2011; Müller, R., Hitlers Wehrmacht
1935-1945, 2012; Kilian, K., Wehrmacht und Besatzungsherrschaft im russischen
Nordwesten 1941-1944, 2012; Gentile, C., Wehrmacht und Waffen-SS im
Partisanenkrieg, 2012; Römer, Felix, Kameraden, 2013; Keller, P., „Die
Wehrmacht der Deutschen Republik ist die Reichswehr“, 2014; Dietz, A.,
Historische Erkenntnis und juristische Bewertung (in) HZ 299 (2014) 669;
Howell, E., Von den Besiegten lernen?, 2015; Scheil, S., 707.
Infanteriedivision, 2016
Wehrpflicht ist die Pflicht, dem Staat als
Soldat zu dienen. Sie erscheint als Ausgleich der demokratischen Teilhabe am
Staat seit dem späten 18. Jh. (Frankreich 1793, Preußen 3. 9. 1814).
Lit.: Baumann, W., Die Entwicklung der Wehrpflicht in
der schweizerischen Eidgenossenschaft 1803-1874, 1932; Conrad, H., Geschichte
der deutschen Wehrverfassung, 1939; Böhme, H., Die Wehrverfassung in
Hessen-Kassel, 1954; Händel, H., Der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht in der
Wehrverfassung des Königreiches Preußen, Diss. jur. Bonn 1961; Die Wehrpflicht,
hg. v. Foerster, R., 1994; Frevert, U., Militärdienst und Zivilgesellschaft
in Deutschland, 2001; Fritsche, M., Entziehungen, 2004; Miliz oder Söldner?,
hg. v. Rogger, P. u. a., 2019
Weibel (M.) Büttel, Fronbote, Gerichtsdiener
Lit.: Müller, W., Die Weibelhuben, ZRG GA 83 (1966),
202 (bisher 39 Weibelhuben in Südwestdeutschland ab 12. Jh. bekannt)
Weiberlehen ist das seit dem 12. Jh.
nachweisbare, später weiter verbreitete, jedoch stets als Abweichung vom
Grundsatz verstandene Lehen an eine Frau (z. B. Österreich 1156). Bei der
Erbfolge gilt die weibliche Lehnsfolge als subsidiär.
Lit.: Bovet, S., Die Stellung der Frau, Diss. jur.
Basel 1927; Ermolaef, A., Die Sonderstellung der Frau, Diss. jur. Bern 1930;
Ven, G. van der, Die Entwicklung der weiblichen Erbfolge, Diss. jur. Marburg
1949; Diestelkamp, B., Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen, 1969;
Iblher von Greiffen, N., Die Lehenserbfolge in weiblicher Linie, 1990
Weichbild (lat. forma F.
vici?) ist die Art und das Recht einer geschlossenen Siedlung in
Norddeutschland seit dem 12. Jh. (1170 Westfalen). Damit werden später das
Stadtrecht und das Stadtgebiet bezeichnet. Sachlich ist mit W. vor allem eine
besondere Erbleihe angesprochen.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 104;
Kroeschell, K., Weichbild, 1960; Kroeschell, K., Stadtgründung und
Weichbildrecht, 1960; Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen
der europäischen Stadt, 1973, 61; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R.,
Wik und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121
Weichbildglosse ist die im 14. Jh. vermutlich in
Magdeburg verfasste mittelniederdeutsche Glossierung des sächsischen
Weichbildrechts (Rechtsbuch von der Gerichtsverfassung). Eine ursprüngliche
Fassung des sich auf einen Dr. decretorum unde legum Burchard von Mangelfelt
zurückführenden, stark römischrechtlich durchsetzten Werkes liegt in 10
Handschriften vor, eine erweiterte Fassung in 5 Handschriften. Hinzu kommen
zwei Sonderformen.
Lit.: Das sächsische Weichbildrecht, hg. v. Daniels,
A. v. u. a., 1857; Steffenhagen, E., Deutsche Rechtsquellen in Preußen, 1875;
Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 75
Weichbildrecht (Rechtsbuch von der
Gerichtsverfassung) ist das vielleicht zwischen 1257-1261 (1241-1269) in Magdeburg
(oder Halle) unter freier Benutzung des →Sachsenspiegels niedergeschriebene
Rechtsbuch, das später mehrfach ergänzt und im letzten Drittel des 13.Jh.s zur
Weichbildvulgata erweitert wird bzw. eine, wenn nicht sogar die zentrale
Quelle eines sehr umfangreichen Corpus, das man als sächsisch-magdeburgisches
Recht oder als ius Theutonicum. ius Maideburgense oder ius Saxonum bezeichnet.
Unter diesen in den Quellen auftsauchenden Bezeichnungen gelangte Magdeburger
Recht in enger Verbindung mit dem Sachsenspiegel nach Ostmitteleuropa und
Osteuropa und beeinflusste die dortigen Rechtsordnungen. Die 135 bzw. 136
Artikel umfassende Weichbildrecht-Vulgata entstand in ihrer ursprünglichen Form
nach derzeitigem Forschungsstand wohl in dem letzten Drittel des 13.
Jahrhunderts durch die Kompilation mehrerer unabhängiger Texte, nämlich der
Weichbildchronik, des Rechtsbuchs von der Gerichtsverfassung (= Weichbildrecht
im engeren Sinne ([Art. 1-41] und dem Schöffenrecht [Art. 42-108] sowie
Exzerpten aus dem Sachsenspiegel [Art. 109-125] und anderen Quellen [Art.
126-136]). Einzelheiten zu Entstehung und Inhalt der Weichbildrecht-Vulgata
sind bisher jedoch nicht hinreichend erforscht, so dass sich in der Literatur
nur erste Vermutungen und Hypothesen finden. Ab dem 14. Jahrhundert (vor 1387)
wurde dieser kompilierte Text mehrfach überarbeitet und von dem bisher ansonsten
nicht nachweisbaren Juristen Burchard von Mangelfelt glossiert. Ähnlich wie die
Glossen zu dem Landrecht des Sachsenspiegels und dem Lehnrecht des
Sachsenspiegels hat auch die ursprüngliche Glosse zu dem Weichbildrecht
Bearbeitungen und Umarbeitungen erfahren, so dass sich in dem 15. Jahrhundert
fünf Textklassen unterscheiden lassen, nämlich kürzere und ursprüngliche
Glosse, längere und vermehrte Glosse, Wurmsche Glosse, Stendaler Glosse sowie
singuläre Glosse, wobei in Einzelfragen bezüglich der Glosse der
Weichbildrechtvulgata noch Unklarheit
besteht, neben der Sachsenspiegellandrechtsglosse und der
Sachsenspiegellehnrechtsglosse das glossierte
Weichbildrecht die dritte Säule des gemeinen sächsischen Rechtes ist,
eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende historisch-kritische Edition des
glossierten Weichbildrechts nach wie vor nicht vorliegt und die von Daniels, A.
v./Gruben, F. v., Das sächsische Weichbildrecht. Jus municipale saxonicum 1,
Weltchronik und Weichbildrecht in 136 Artikeln mit der Glosse, 1858, von
Sachkennern als sehr fehlerhaft angesehen wird.Lit.: Laband, P.,
Magdeburger Rechtsquellen, 1869, 32; Oppitz, D., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 47; Bily, Inge/Homolková, Milada, Neueste
Forschungen zum sächsischen Weichbildrecht mit Glosse, DA 73 (2017), 553.
Weichbildvulgata ist das im letzten Drittel des 13.
Jh.s aus →Weichbildrecht, einer Weichbildchronik und Schöffenrecht mit
Auszügen aus dem →Sachsenspiegel und anderen Quellen entstandene
Rechtsbuch in 136 Artikeln.
Lit.: Das buk wichbilderecht, hg. v. Daniels, A. v.,
1853; Das sächsische Weichbild, hg. v. Daniels, A. v. u. a., 1857; Oppitz, D.,
Deutsche Rechtsbücher des Mittelalters, Bd. 1 1990, 47
Weiderecht (Hutrecht) ist das in Mittelalter
und früher Neuzeit weitverbreitete Recht, Vieh auf eine Weide zu treiben. Es
ist vielfach in Weistümern näher geregelt. Im 19. Jh. werden viele Weiderechte
aufgehoben.
Lit.: Hübner; Grass, N., Beiträge zur Rechtsgeschichte
der Alpwirtschaft, 1948, 82; Bader, K., Studien zur Rechtsgeschichte des
mittelalterlichen Dorfes, Bd. 2 1962, 170; Carlen, L., Das Recht der Hirten,
1970; Heindl, M., Die Ablösung der Weiderechte, Diss. jur. Regensburg, 1995
Weidlich, Christoph (Schafstädt bei
Magdeburg 1713–Halle 1781) wird nach dem Rechtsstudium in Leipzig (Nettelbladt)
sächsischer Rat und Advokat. Er veröffentlicht seit 1748 biographische Notizen
von Juristen seiner Zeit.
Weigel, Erhard (Weiden 16. 12. 1625-Jena
21. 4. 1699) befasst sich als Professor der Mathematik in Jena mit der
Anwendung der mathematischen Methode (lat. mos M.
geometricus) auf Ethik, Politik und Recht. Obwohl er über bloße Zahlenspielerei
nicht hinausgelangt, beeinflusst er →Pufendorf und →Leibniz. Pufendorf
bezieht von ihm die Anregung allgemeiner Teile der Rechtswissenschaft.
Lit.: Spieß, E., Erhard, Weigel, 1881; Stephanitz, D.
v., Exakte Wissenschaft und Recht, 1970; Denzer, H., Moralphilosophie und
Naturrecht, 1972; Erhard Weigel (1625-1699) und die Wissenschaften, hg. v.
Herbst, K., 2014
Weimar an der Ilm ist die 975 erstmals
erwähnte Burg, die 1382 Sitz einer Linie des Hauses →Wettin wird. Berühmt
wird W., von dem zwischen 1307 und 1500 weniger als 60 Urkunden, aber ein
Stadtbuch bzw. Ratshandelsbuch (1380-1410) und ein Statutenbuch (ab 1433)
überliefert sind, durch die dortige Tätigkeit →Goethes. 1919 wird Weimar
Tagungsort der deutschen Nationalversammlung, die am 14. 8. 1919 eine
→Verfassung für das Republik gewordene Deutsche Reich verabschiedet
(Grundrechte).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Steinfeld,
T., Weimar, 1988; Merseburger, P., Mythos Weimar, 1998; Boden, R., Die
Weimarer Nationalversammlung und die deutsche Außenpolitik, 2000; Goethes
Weimar und die französische Revolution, hg. v. Wilson, W., 2004; Die Weimarer
Stadtbücher, hg. v. Steinführer, H., 2005; Weimar 1919, hg. v. Ulbricht, J.,
2009; Hunstock, S., Die (groß-)herzogliche Residenzstadt Weimar um 1800, 2011;
Seemann, A., Weimar, 2012; Gruhlich, R., Geschichtspolitik im Zeichen des
Zusammenbruchs – Die Deutsche Nationalversammlung 1919/1920, 2012; Freyer, S.,
Der Weimarer Hof um 1800, 2013; Kästner, H., Der Weimarer Landtag 1817-1848,
2014; Kater, M., Weimar – From Enlightenment to the Present, 2014
Weimarer Nationalversammlung →Weimar
Weimarer Reichsverfassung ist die von dem linksliberalen
Berliner Staatsrechtler Hugo →Preuß seit 15. 11. 1918 entworfene, am 31.
7. 1919 von der vom 6. 2.-11. 8. 1919 tagenden Weimarer Nationalversammlung
(9,6 Prozent Frauen) beschlossene und am 11. 8. 1919 verkündete Verfassung des
Deutschen Reiches. Ihre 181 Artikel gliedern sich in einen Organisationsteil
(1-108) und einen Grundrechtsteil (109-165). Danach ist das Reich ein
unitarischer Bundesstaat mit zuletzt 17 Ländern (Preußen, Bayern, Sachsen,
Württemberg, Baden, Hessen, Thüringen, Oldenburg, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklenburg-Strelitz, Anhalt, Bremen, Hamburg, Lübeck, Lippe,
Schaumburg-Lippe). Es ist eine Republik, in der alle Staatsgewalt vom Volk
ausgeht, das Volk Volksentscheide und Volksbegehren durchführen kann und in
allgemeinen, direkten, gleichen und geheimen Wahlen den Reichspräsidenten und
den Reichstag (Verhältniswahlrecht mit 60000 Stimmen pro Abgeordneten)
bestimmt. Der Reichstag ist gemeinsam mit dem Reichsrat zuständig für die
Gesetzgebung. Der Reichspräsident ist Staatsoberhaupt und regiert durch den
von ihm ernennbaren und absetzbaren Reichskanzler und die Reichsminister, die
des Vertrauens des Reichstags bedürfen. Er hat ein Notverordnungsrecht und
kann den Reichstag auflösen. Oberstes Gericht ist das Reichsgericht (in
Leipzig). Reichsrecht bricht Landesrecht. Die Ausführung der Gesetze steht den
Ländern zu. Die Gerichtsbarkeit ist weitgehend Sache der Länder. Die Grundrechte
sind grundsätzlich unmittelbar anwendbar. Die W. R. endet sachlich am 30. 1.
1933 durch die Ernennung Adolf Hitlers als Führers der stärksten Partei zum
Reichskanzler (einer konservativen Koalition) bzw. allmählich zwischen dem 28.
2. 1933 und dem 30. 1. 1934 durch Aushöhlung rechtstatsächlich. Formell wird
die W. R. erst nach dem Ende des zweiten Weltkriegs beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Kroeschell, 20. Jh.; Köbler,
DRG 230; Preuß, H., Gesammelte Schriften, Band 3 Das Verfassungswerk von
Weimar, hg. v. Lehnert, D., 2015; Anschütz, G., Die Verfassung des Deutschen
Reiches, 14. A. 1933, Neudruck 1968; Bracher, D., Die Entstehung der Weimarer
Verfassung, 1963; Apelt, W., Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. A. 1964;
Willoweit, D., Deutsche Verfassungsgeschichte, 6. A. 2010, § 37; Gusy, C., Die
Weimarer Reichsverfassung, 1997; Achtzig Jahre Weimarer Reichsverfassung, hg.
v. Eichenhofer, E., 1999; Fromme, F., Von der Weimarer Verfassung zum Bonner
Grundgesetz, 3. A. 1999; Schau, G., Das Verhältnis von Verfassung und einfachem
Recht, 2002; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar, 2004; Dubben, K., Die
Privatentwürfe zur Weimarer Verfassung, 2009
Weimarer Republik ist der nichtamtliche Name für das
Deutsche Reich vom (9. 11. 1918 bzw.) 14. 8. 1919 bis zur Ernennung Adolf
Hitlers als Reichskanzler am 30. 1. 1933. Die als Folge des Versailler Vertrags
an erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten leidende W. R. ist zwar demokratisch
verfasst, aber in der politischen Wirklichkeit instabil, weil sich große Teile
der Bevölkerung, insbesondere auch die politisch bestimmende Klasse, nicht
mit dem Staat identifizieren. Die wirtschaftlichen Krisen verunsichern die
Bevölkerung und treiben sie auf der Grundlage der immer weiter um sich
greifenden Überzeugung, dass eine vollständige Umkehr unvermeidlich und eine
neue Ordnung unentbehrlich sei, den extremen Parteien zu, von denen 1932 die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Adolf →Hitlers
stärkste Partei des Reichstags wird. 1932 setzt der auf Grund einer
Notverordnung des Reichspräsidenten zum Reichskommissar für Preußen ernannte
Reichskanzler Franz von Papen die Landesregierung Preußens ab und eine Reichskommission
ein (Preußenschlag). Im Januar 1933 versucht der im November 1932 gestürzte
Reichskanzler Franz von Papen mit dem durch Wahlniederlagen in Thüringen und
Sachsen geschwächten Hitler an die Macht zurückzukehren. Mit Hitler endet die
W. R. durch die Diktatur des →Nationalsozialismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 221; Apfel, A.,
Hinter den Kulissen der deutschen Justiz, 1933?, hg. v. Gehlsen, J. u. a.,
2013; Braun, O., Von Weimar zu Hitler, 3. A. 1949; Akten der Reichskanzlei
Weimarer Republik, Bd. 1f. 1968ff.; Rosenberg, A., Geschichte der Weimarer
Republik, 12. A. 1971; Heiber, A., Die Republik von Weimar, 5. A. 1971;
Bracher, K., Die Auflösung der Weimarer Republik, 5. A. 1971; Meinck, J., Weimarer
Staatslehre und Nationalsozialismus, 1978; Das Ende der Weimarer Republik, hg.
v. Gessner, D., 1978; Ambrosius, G., Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer
Republik, 1984; Kolb, E., Die Weimarer Republik, 3. A. 1998, 7. A. 2009; Die
Weimarer Republik, hg. v. Bracher, K. u. a., 1987; Weimar-Index. Deutscher
Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger, Register 1918-1933, bearb. v.
Schumacher, M., 1988; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Biographisches
Lexikon zur Weimarer Republik, hg. v. Benz, W. u. a., 1988; Winkler, H., Weimar
1918-1933, 2. A. 1994; Rückert, A., Politik und Privatrecht, 1997; Hoppe, B., Von
der parlamentarischen Demokratie zum Präsidialstaat, 1999; Lehnert, D., Die
Weimarer Republik, 1999; Niedhart, G., Die Außenpolitik der Weimarer Republik,
1999, 2. A. 2006, 3. A. 2013; Demokratisches Denken in der Weimarer Republik,
hg. v. Gusy, C., 2000; Wirsching, A., Die Weimarer Republik, 2000, 2. A. 2008;
Schumann, D., Politische Gewalt in der Weimarer Republik, 2001; Gessner, D.,
Die Weimarer Republik, 2002, 3. unv. A. 2009; Mergel, T., Parlamentarische
Kultur in der Weimarer Republik, 2002; Scheidemann, P., Das historische
Versagen der SPD, 2002; Die Weimarer Republik, hg. v. Fröhlich, M., 2002; Linke
Juristen in der Weimarer Republik, hg. v. Gangl, M., 2003; Marcowitz, R.,
Weimarer Republik 1929-1933, 2004; Pauly, W., Grundrechtslaboratorium Weimar,
2004; Mülhausen, W., Friedrich Ebert 1871-1925, 2006, 2. A. 2007; Pyta, W.,
Hindenburg, 2007; Vernunftrepublikanismus in der Weimarer Republik, hg. v.
Wirsching, A. u. a., 2008; Marcowitz, R., Die Weimarer Republik 1929-1933, 3.
A. 2009; Terhalle, M., Deutschnational in Weimar, 2009; Weimar Germany, hg. v.
McElligott, A., 2009; Weber, P., Gescheiterte Sozialpartnerschaft - gefährdete
Republik?, 2010; Graf, R., Die Zukunft der Weimarer Republik, 2010; Kolb. E.,
Deutschland 1918-1933, 2010; Staufer, A., Ludwig Ebermayer, 2010; John, A., Der
Weimarer Bundesstaat, 2011; Zur Aktualität der Weimarer Staatsrechtslehre, hg.
v. Schröder, U. u. a. 2011; Bergien, R., Die bellizistische Republik.
Wehrkonsens und Wehrhaftmachung in Deutschland 1918-1933, 2012; Blom, P., Die
zerrissenen Jahre, 2014; Pohl, K., Gustav Stresemann, 2015; Heither, D. u. a.,
Die Morde von Mechterstädt, 2015; Jungcurt, U., Alldeutscher Extremismus in der
Weimarer Republik, 2016; Jones, M., Am Anfang war Gewalt –Die deutsche
Revolution 1918/1919 und der Beginn der Weimarer Republik, 2017; Nach dem
„Großen Krieg“ – Vom Triumph zum Desaster der Demokratie 1918/19 bis 1939, 2017
(nicht weiterführend); Emunds, D., Vom Republikschutz zum Verfassungsschutz –
Der Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung in der Weimarer
Republik, 2017
Wein ist das aus der Frucht des Weinstocks erzeugte, schon
den Römern bekannte alkoholische Getränk. Die Römer kennen auch bereits die
Weinverfälschung. Im Mittelalter erscheint der W. bei Abschluss von
Kaufverträgen (Weinkauf, gemeinsames Trinken als Teil des Vertragsschlusses).
Rechtlich wird die Herstellung von W. vor allem seit dem 19. Jh. (1892, 1901,
1909, 1930, 1971, 1982, 1992) genauer geordnet.
Lit.: Hübner; His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 2 1935, 306; Bassermann-Jordan, F. v., Geschichte des
Weinbaues, 2. A. 1923; Mell, A., Das steirische Weinbergrecht und dessen
Kodifikation im Jahre 1543, 1928 (SB Wien); Beyerle, F., Weinkauf und
Gottespfennig, FS A. Schultze, 1934, 251; Herold, H., Rechtsverhältnisse im
schweizerischen Weinbau, 1936; Rieger, R., Die Weinfälschung im Strafrecht,
1949; Gönnenwein, O., Zur Geschichte des Weinbaurechts, ZRG GA 80 (1963), 157;
Koch, H, Weintrinker und Weingesetz, 1970; Zipfel, W., Weinrecht, 1972;
Schoene, R., Bibliographie zur Geschichte des Weines, 1976; Schreiber, G.,
Deutsche Weingeschichte, 1980; Freund, G., Die Reichspolizeiordnungen, ZNR 11
(1989), 1; Koch, H., Das neue Weingesetz, NJW 1994, 2880; Kiewisch, S., Obstbau
und Kellerei in lateinischen Fachprosaschriften, 1995; Dippel, H., Hundert
Jahre deutsches Weinrecht, ZNR 20 (1998); Weinproduktion und Weinkonsum im
Mittelalter, hg. v. Matheus, M., 1999; Wunderer, R., Weinbau und Weinbereitung
im Mittelalter, 2001; Koch, H., Neues vom Weinrecht, NJW 2004, 2135; Jakab, E.,
Risikomanagement beim Weinkauf, 2009; Weinwörter, hg. v. Besse, M. u. a.,
2009; Bernhardt, U., Geschichte des Weinrechts im deutschen Kaiserreich
(1871-1918), 2012; Maringer, A., Weinrecht und Verbraucherschutz, 2014
Weißenburg im Elsass ist die an der Lauter in
der zweiten Hälfte des 7. Jh.s gegründete Benediktinerabtei, die zahlreiche
Gaben schon früh beurkundet (Chartular von 855/860, mehr als 250 Urkunden, rund
70 nachweisbare Schreiber). Daneben entwickelt sich eine Reichsstadt. 1672
wird W. von Frankreich annektiert.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Traditiones Wizenburgenses,
hg. v. Doll, A., 1979
Weistum ist das durch mündliche Erklärung
(Weisung) meist alter Männer als bestehend erwiesene (gezeigte) Gewohnheitsrecht.
Nach dem Vorbild des (lat.) Pactus (M.) legis Salicae (Einung des
salfränkischen Rechtes) nimmt man an, dass große Teile der →Volksrechte
als W. zur Schriftform gefunden haben. Seit dem Hochmittelalter werden
verallgemeinernd die ländlichen und dörflichen Rechtsquellen als Weistümer
(oder auch anders) bezeichnet. Ihre Aufzeichnung findet vor allem in
Spätmittelalter und Frühneuzeit statt. Ihr Inhalt kann auf bewusster Setzung,
Vereinbarung oder gewohnheitsmäßiger Anerkennung beruhen. Die Setzung kann
durch einen Herrn oder die Betroffenen geschehen. Sie kann als Privileg oder
mit allgemeiner Geltungskraft erfolgen. Die moderne Erforschung der Weistümer
beginnt mit der Sammlung und Ausgabe der Weistümer durch Jakob Grimm (1840).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 101, 102, 104;
Weistümer, hg. v. Grimm, J., Bd. 1ff. 1840ff.; Österreichische Weistümer, Bd.
1ff. 1870ff.; Die Weistümer der Rheinprovinz, Bd. 1ff. 1900ff.; Fehr, H., Die
Rechtsstellung der Frau, 1912; Kurkölnische Weistümer, hg. v. Aubin, H. u. a.,
Bd. 1ff. 1913ff.; Badische Weistümer und Dorfordnungen, Bd. 1ff. 1917ff.;
Patzelt, E., Entstehung und Charakter der Weistümer in Österreich, 1924,
Neudruck 1979; Wießner, H., Sachinhalt und wirtschaftliche Bedeutung der
Weistümer, 1934; Finsterwalder, P., Beiträge zur Kenntnis oberelsässischer
Weistümer, ZRG GA 56 (1936), 380; Zimmermann, F., Die Weistümer und der Ausbau
der Landeshoheit in der Kurpfalz, 1937; Gehring, P., Um die Weistümer, ZRG GA
60 (1940), 261; Oberösterreichische Weistümer, Bd. 1ff. 1939ff.; Kollnig, K.,
Elsässische Weistümer, 1941; Baltl, H., Die österreichischen Weistümer, MIÖG 59
(1951), 365, 61 (1953), 38; Fränkische Bauernweistümer, hg. v. Dinklage, K.,
1954ff.; Pfälzische Weistümer, hg. v. Weizsäcker, W. u. a., Bd. 1ff. 1957ff.;
Müller, W., Die Offnungen der Fürstabtei Sankt Gallen, 1964; Die Weistümer der
Zent Schriesheim, hg. v. Kollnig, K. 1968; Kocher, G., Richter und
Stabübergabe, 1971; Werkmüller, D., Über Aufkommen und Verbreitung der
Weistümer, 1973; Vorarlberger Weistümer, hg. v. Burmeister, K., 1973; Feigl,
H., Rechtsentwicklung und Gerichtswesen Oberösterreichs, 1974; Eder. I., Die
saarländischen Weistümer, 1978; Laufs, A., Die Weistümer der Zenten Schriesheim
und Kirchheim, ZRG GA 98 (1981), 276; Werkmüller, D., Die Weistümer, (in)
Brüder-Grimm-Symposion, 1986, 103; Reis, R., Deutsches Privatrecht in den
Weistümern, 1987; Schildt, B., Die Weistümer der Grafschaft Mark, Beitr. z. G.
Dortmunds 88 (1997), 140; Teuscher, S., Erzähltes Recht, 2007
Weißrussland (Belarus)
Lit.: Handbuch der Geschichte Weißrusslands, hg. v.
Beyrau, D. u. a., 2001
Welcker, Karl Theodor (Oberofleiden in
Oberhessen 29. 3. 1790-Heidelberg 10. 3. 1869), Pfarrerssohn, wird nach dem
Rechtsstudium in Gießen und Heidelberg 1813 Professor in Gießen, 1814 in Kiel,
1816 in Heidelberg, 1819 in Bonn und 1822 in Freiburg im Breisgau. 1831 fordert
er die Bildung eines deutschen Parlaments. Zusammen mit →Rotteck
veröffentlicht er von 1834 an das den Liberalismus prä_gende Staatslexikon.
1848 ist er Mit_glied der Frankfurter Nationalversammlung.
Lit.: Wild, K., Karl Theodor Welcker, 1913; Böhringer,
A., Die Rechtslehre Karl Theodor Welckers, Diss. jur. Tübingen 1952;
Müller-Dietz, H., Das Leben des Rechtslehrers und Politikers Karl Theodor
Welcker, 1968; Schöttle, R., Politische Freiheit für die deutsche Nation, 1985
Welfe ist der Angehörige eines bayerischen,
schwäbischen oder fränkischen, vielleicht seit der Mitte des 8. Jh.s nördlich
des Bodensees begüterten, 819 erstmals sicher nachweisbaren Geschlechts
(1070-1138, 1156-1180 Herzog von Bayern, 1137-1180 auch Herzog von Sachsen).
Der bekannteste W. ist →Heinrich der Löwe (1129-1191), der als Vetter und
Gegner Kaiser Friedrichs I. Barbarossa 1180 die Herzogtümer Bayern und Sachsen
verliert. Von 1198 bis 1218 ist der Welfe Otto IV. Gegenkaiser der Staufer. Den
Welfen bleibt das Eigengut Braunschweig-Lüneburg (1235 Herzogtum, 1692 Kurfürstentum,
1714 zugleich König von Großbritannien bis 1901) bis 1866 (Lüneburg bzw. Hannover,
dann an Preußen) bzw. 1918 (Braunschweig, dann Ende der Monarchie).
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 94; Köbler,
Historisches Lexikon; Historia Welforum, hg. v. König, E., 1938; Diederich, A.,
Staufer und Welfen, 1938; Diestelkamp, B., Welfische Stadtgründungen und
Stadtrechte des 12. Jahrhunderts, ZRG GA 81 (1964), 164; Kleinau, H., Die von
Werle, 1971; Pischke, G., Die Landesteilungen der Welfen, 1987; Die Welfen und
ihr Braunschweiger Hof, hg. v. Schneidmüller, B., 1995; Hasse, C., Die welfischen
Hofämter und die welfische Ministerialität in Sachsen, 1995; Hechberger, W.,
Staufer und Welfen, 1996; Schneidmüller, B., Die Welfen, 2000, 2. A. 2014;
Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004; Welf IV., hg. v. Bauer, D. u. a., 2004;
Quellen zur Geschichte der Welfen, hg. v. Becher, M., 2006; Lilienthal, A., Die
Fürstin und die Macht, 2007; Staufer & Welfen, hg. v. Hechberger, W. u. a.,
2009; Otto IV., hg. v. Hucker, B., 2009; Aschoff, H., Die Welfen, 2010;
Pfannkuche, G., Patrimonium - feudum - territorium, 2011; Vollrath, M.,
Welfische Klosterpolitik, 2012
Welser ist der Angehörige eines frühneuzeitlichen,
frühkapitalistischen Handelshauses in und Augsburg (1614 Bankrott infolge von
Staatsbankroten Spaniens, Frankreichs und der Niederlande) und Nürnberg mit
verschiedenen europäischen und amerikanischen Faktoreien.
Lit.: Die Welser, hg. v. Häberlein, M. u. a., 2002; Stromer von
Reichenbach, W., Welser Augsburg und Welser Nürnberg, 2002; Rechnungsfragmente
der Augsburger Welser-Gesellschaft (1496-1551), hg. v. Geffcken, P. u. a., 2014
Welt ist die den Menschen in Raum und Zeit
umfassende, wohl einen Beginn und auch ein Ende einschließende Gesamtheit des
Seins.
Lit.: WBG Weltgeschichte, hg. v. Demel, W. u. a., 2009; Die Welt
1000-1250, hg. v. Schottenhammer, A. u. a., 2011; Osterhammel, J., Die
Verwandlung der Welt, 2009; Mirow, J., Weltgeschichte, 2009; Nolte, H.,
Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2009; MacGregor, N., Eine Geschichte der
Welt in 100 Objekten, 2011; Atlas der Weltbilder, hg. v. Markschies, C. u. a.,
2011; The Oxford Handbook of the Atlantic World c. 1450-c. 1850, hg. v. Canny,
N. u. a., 2011; Schröder, I., Das Wissen von der ganzen Welt – Globale
Geographien und räumliche Ordnungen Afrikas und Europas 1790-1870, 2011;
Komlosy, A., Globalgeschichte, 2012; Conrad, S., Globalgeschichte, 2013;
Vermessung der Oikumene, hg. v. Heusw, K. u. a., 2013; Geschichte der Welt –
1350-1750, hg. v. Akira, I. u. a., 2014; Rödder, A., 21.0 – Eine kurze
Geschichte der Gegenwart, 2015, 2. A. 2015; Sarnowsky, J., Die Erkundung der
Welt – Die großen Entdeckungen von Marco Polo bis Humboldt, 2015; Wagner, A.,
Arrival of the Fittest, 2015 (natürliche Selektion kann nicht erklären wie der
arktische Fisch zum Frostschutz kommt oder die Schuppe zur Feder wird); Padova,
T. de., Allein gegen die Schwerkraft, 2015; Hausberger, B., Die Verknüpfung der
Welt, 2015; The Cambridge World History, hg. v. Christian, D. u. a., Bd. 1ff.
2015; Menzel, U., Die Ordnung der Welt, 2015; Fried, J., Dies irae – Eine
Geschichte des Weltuntergangs, 2016; Vietta, S., Die Weltgesellschaft – Wie die
abendländische Rationalität die Welt erobert und verändert hat, 2016;
Frankopan, P., Licht aus dem Osten – Eine neue Geschichte der Welt, 2016 (nichs
daran in der Sache neu); Maala, C., Weltunordnung, 2016; Loth, W., Die Rettung
der Welt – Entspannungspolitik im Kalten Krieg 1950-1991, 2016; The Cambridge
World History, hg. v. Christian, D. u. a., Bd. 1ff. 2015; Lightfoot, J., Dionysius
Periegetes – Decription o the Known World. 2014; Wolfrum, E., Welt im Zwiespalt
– Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts, 2017; Burstein, S., The World
from 1000 BCE to 100 CE, 2017; Kunze, R., Global History und Weltgeschichte,
2017Herdegen, M., Der Kampf um die Weltordnung, 2018
Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) ist
die 1995 aus dem General Agreement on Tariffs and Trade erwachsene
internationale Organisation für den Welthandel (Verhandlungsforum, Handelsorganisation).
Lit.: Beise, M., Die Welthandelsorganisation (WTO),
2001; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008
Weltkrieg ist der die gesamte Welt
erfassende, mit durchschlagskräftigeren Artilleriegeschützen,
Maschinengewehren, Unterseebooten, Panzern und Flugzeugen (sowie chemischen
Kampfstoffen und im Jahre 1945 Atombomben der Vereinigten Staaten von Amerika
auf Hiroshima und Nagasaki geführte Krieg (1914-1918 mit zwei Millionen toten
deutschen Soldaten, 1939-1945 mit 2,75 Millionen toten deutschen Soldaten
zwischen Juni 1944 und Mai 1945).
Lit.: Köbler, DRG 173, 223, 244; Hattenhauer, H.,
Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Der
erste Weltkrieg, hg. v. Michalka, W., 1994; Stolleis, M., Der lange Abschied
vom neunzehnten Jahrhundert, 1997; Achter Mai 1945 – Befreiung oder
Kapitulation?, hg. v. Schröder, R., 1997; Overmans, R., Deutsche militärische
Verluste im zweiten Weltkrieg, 1999; Kriegsende 1919, hg. v. Duppler, J., 1999;
Borchard, M., Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, 2000;
Strachan, H., The first World war, Bd. 1 2001; Müller, K., Oktroyierte
Verliererjustiz nach dem ersten Weltkrieg, Archiv des Völkerrechts 39 (2001),
201; Pöhlmann, Markus, Kriegsgeschichte und Geschichtspolitik - Der erste Weltkrieg,
2002; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2. A. 2004; Enzyklopädie des ersten
Weltkriegs, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2002, 2. A. 2004; Erster Weltkrieg –
zweiter Weltkrieg, hg. v. Thoß, B. u. a., 2002; Pöhlmann, M., Kriegsgeschichte
und Geschichtspolitik – Der erste Weltkrieg, 2002; Der erste Weltkrieg und das
20. Jahrhundert, hg. v. Winter, J. u. a., 2002; Schreiber, G., Der zweite
Weltkrieg, 2002; Berghahn, V., Der erste Weltkrieg, 2003; Barth, B.,
Dolchstoßlegende und politische Desintegration, 2003; Overy, R., Russlands
Krieg 1941-1945, 2003; Salewski, M., Der erste Weltkrieg, 2003, 2. A. 2004;
Neitzel, S., Deutschland und der erste Weltkrieg, 2003; Enzyklopädie erster
Weltkrieg, hg. v. Hirschfeld, G. u. a., 2003; Horne, J./Kramer, A., Deutsche Kriegsgreuel
1914, 2004; Der erste Weltkrieg, hg. v. Burgdorff, S. u. a. 2004; Strachan, H.,
Der erste Weltkrieg, 2004; Rombeck-Jaschinski, U., Das Londoner Schuldenabkommen,
2004; Kriegsende 1945, hg. v. Rusinek, B., 2004; Müller, R., Der Bombenkrieg
1939-1945, 2004; Müller, R., Der zweite Weltkrieg, 2004; Schreiber, G., Kurze
Geschichte des zweiten Weltkriegs, 2005; Ueberschär, G. u. a., 1945, 2005;
Salewski, M., Deutschland und der zweite Weltkrieg, 2005; Bad Oeynhausen
zwischen Krieg und Frieden, 3. A. 2015, hg. v. Quaschny, R., 2005, 3. A. 2015;
Der zweite Weltkrieg, hg. v. Kuß, S. u. a., 2006; Der zweite Weltkrieg und
seine Folgen, hg. v. Martin, B., 2006; Golla, K., Die deutsche Fallschirmtruppe
1936-1941, 2006; Die Ostfront 1943/44, hg. v. Frieser, K. u. a., 2007;
Goeken-Haidl, U., Der Weg zurück. Die Repatriierung, 2007; Zimmermann, J.,
Pflicht zum Untergang, 2009; Kruse, W., Der erste Weltkrieg, 2009; Goltermann,
S., Die Gesellschaft der Überlebenden, 2009; Hartmann, C. u. a., Der deutsche
Krieg im Osten 1941-1944, 2009; War Planning 1914, hg. v. Hamilton, R. u. a.,
2010; Mulligan, W., The Origins of the First World War, 2010; Schwelling, B.,
Heimkehr - Erinnerung - Integration Der Verband der Heimkehrer, 2010; Der
deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941, hg. v. Ueberschär, G. u. a., 2. A.
2011; Russlandheimkehrer, hg. v. Scherstjanoi, E., 2012; Kennedy, P., Die
Casablanca Atrategie, 2012; Nagel, G., Wissenschaft für den Krieg, 2012;
Weltmärkte und Weltkriege 1870-1945, hg. v. Rosenberg, E., 2012; Rauchensteiner,
M., Der erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie, 2013; Krumeich,
G., Juli 1914 - Eine Bilanz, 2013; Cabanes, B. u. a., Der erste Weltkrieg,
2013; Bremm, K., Propaganda im ersten Weltkrieg, 2013; Janz, O., 14 – Der große
Krieg, 2013; Beaupré, N., Der erste Weltkrieg, 2013; Münkler, H., Der große
Krieg, 2013, 2. A. 2013, 3. A. 2013, 4. A. 2014; Schminck-Gustavus, C.,
Feuerrauch, 2013; Piper, E., Nacht über Europa, 2013; Jenseits der
Schützengräben, hg. v. Bachinger, B. u. a., 2013; Ziemann, B., Gewalt im ersten
Weltkrieg, 2013; Fröhlich, E., Der zweite Weltkrieg, 2013 (kein neuer Ansatz);
Kretschmann, C., Der erste Weltkrieg, 2014; Leonhard, J., Die Büchse der
Pandora – Geschichte des ersten Weltkriegs, 2014; Friedrich, J., 14/18. Der Weg
nach Versailles, 2014; Sösemann, B., Die „Juli-Krise“ im Riezler-Tagebuch, HZ
298 (2013), 686; Beever, A., Der zweite Weltkrieg, 2014; Mayer, G.,
Verschwörung in Sarajevo, 2014; Gerbert, F., Endstation Sarajevo, 2014; Der
Erste Weltkrieg und die Folgen, hg. v. Loureda, O., 2014; Beckett, I., The
Making of the First World War, 2014; Sondhaus, L., The Great War at Sea, 2014;
Rauchensteiner, M. u. a., Der erste Weltkrieg und das Ende der
Habsburgermonarchie 1914-1918, 2015; Neitzel, S., Der erste Weltkrieg und kein
Ende, HZ 301 (2015), 121; Die Moskauer Deklaration 1943, hg. v. Karner, S. u.
a., 2015; Ruff, M., Gesichter des ersten Weltkriegs, 2015; Narrative des ersten
Weltkriegs, hg. v. Seidler, M./Waßmer, J., 2015; Tönsmeyer, T.,
Hungerökonomien, HZ 301 (2015) 662; Eöhr, W., Hundert Jahre deutsche
Kriegsschulddebatte, 2015; Musner, L., Die verletzte Trommel –Der Krieg im
slowenisch-triestinischen Karst 1915-1917, 2015; Müller, R., Der zweite
Weltkrieg, 2015; Margalit, G., Schuld, Leid und Erinnerung – Deutschlnd gedenkt
seiner Toten im Zweiten Weltkrieg, 2016; Zollmann, J., Naulila 1914, 2016;
Notizen aus dem Vernichtungskrieg, hg. v. Hürter, J., 2016; Schmidt, R.,
Revanche pour Sedan, HZ 303 (2016), 393 (Poincarés Verhalten erfüllt den
Tatbestand eiiner indirekten Entfesselung des ersten Weltkriegs); Melber, T.,
Pearl Harbour, 2016; Schwipper, B., Deutschland im Visier Stalins, 2016 (wenig
überzeugend).Deak, I., Kollaboration, Widerstand und Vergeltung im Europa des
Zweiten Weltkrieges, 2017; Winik, J., 1944 – Roosevelt und das Jahr der
Entscheidung, 2017; Töppel, R., Kursk 1943, 2017, 2. A. 2019; Mejcher, H., Der
Nahe Osten im zweiten Weltkrieg, 2017; Huber, F., Hinter den Türen warten die
Gespenster, 2017; Castendyck, K., Kriegschronik der evangelischen Pfarrei
Eichen-Erbstadt 1914-1918, 2017; Gestrich, A./Pogge von Strandmann, H., Bid for
World Power? New Research on the Outbreak of the First World War, 2017; Remy,
S., The Malmedy Massacre, 2017; Schöllgen, G., Krieg. Hundert Jahre
Weltgeshichte, 2018; Hirschfeld, G. u. a., Die Deutschen zwischen Weltkrieg und
Revolution, 2018; Payk, M., Frieden durch Recht?, 2018; Querengässer, A., El
Alamein 1942, 2019
Weltliches Recht (lat. ius N.
civile) ist das für weltliche Angelegenheiten geltende bzw. das von weltlichen
Kreisen geschaffene Recht im Gegensatz zum Kirchenrecht (lat. ius N.
canonicum).
Lit.: Köbler, DRG 106; Köbler, G., Das Recht im frühen
Mittelalter, 1971
Weltraum ist der die Erde umgebende Teil der Welt.
Lit.: Reinke, N., Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik, 2004
Weltrecht ist das für die gesamte Welt geltende Recht.
Lit.: Zitelmann, E., Die Möglichkeit eines Weltrechts, 1888, Neudruck
2013; One Law for All?, hg. v. Kirmse, S., 2012
Welzel, Hans (Artern/Unstrut 25. 3.
1904-Andernach 5. 5. 1977) wird nach dem Rechtsstudium in Jena 1937 Professor
in Göttingen und 1952 in Bonn. Er entwickelt für das Strafrecht den finalen
Handlungsbegriff, der den Vorsatz als subjektiven Tatbestand zum (objektiven)
Tatbestand im engeren Sinn zieht. In seiner Rechtsphilosophie fordert er für
die Rechtsgeltung die Anerkennung des Menschen als verantwortliches Wesen und
den Bezug auf Vernunft, Gewissen und demokratische Diskussion.
Lit.: Welzel, H., Naturrecht und materiale
Gerechtigkeit, 1951, 4. A. 1962; Gössel, K., Wertungsprobleme des Begriffs der
finalen Handlung, 1966; Kaufmann, A., Strafrechtsdogmatik, 1982; Sticht, O.,
Sachlogik als Naturrecht?, 2000; Lebendiges und Totes in der Verbrechenslehre
Hans Welzels, hg. v. Frisch, W. u. a., 2015; Stopp, H., Hans Welzel und der
Nationalsozialismus, 2018
Wende (M.) ist die ältere Sammelbezeichnung für den
→Slawen an der deutschen Nordostgrenze.
Lit.: Hugelmann, K., Die Rechtsstellung der Wenden im
deutschen Mittelalter, ZRG GA 58 (1938), 214; Die Slawen in Deutschland, hg. v.
Herrmann, E., 1970; Oschlies, W., Die Sorben, 1972; Herrmann, J., Der
Wendenkreuzzug von 1147, 2011
Wenger, Leopold (Obervellach/Kärnten 4.
9. 1874-21. 9. 1953), Bauernsohn, wird nach dem Rechtsstudium in Graz 1902
außerordentlicher Professor, dann ordentlicher Professor in Wien (1904), Graz
(1905), Heidelberg (1908), München (1909) und Wien (1935). Beeinflusst von
Ludwig Mitteis wendet er sich der Papyrologie zu und versteht als sein
Forschungsgebiet umfassend die antike Rechtsgeschichte. Innerhalb des römischen
Rechtes bietet er eine grundlegende Zusammenfassung über „Die Quellen des römischen
Rechtes“ (1953).
Lit.: Kaser, M., Leopold Wenger, ZRG GA 71 (1954),
XIII
Wenzelskrone ist die auf König Wenzel I. (1230-1253)
zurückgehende Krone des Königs von Böhmen. Länder der W. sind (unter den
Habsburgern) Böhmen, Mähren, Schlesien und die Lausitz.
Wer A sagt, muss auch B sagen.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, 1996, 25 (Pistorius 1716)
Werböczy, Stephanus (um 1458-1541) wird
nach einem (nicht gesicherten) Studium im Ausland (Krakau 1492) (1492
Amtsträger des Königs von Ungarn, nach Adoption durch Mihály Szobi) Protonotar
hoher ungarischer Gerichte (1502) und schließlich Kanzler eines Gegenkönigs.
1514 veröffentlicht er eine Zusammenfassung des in Ungarn unter Rezeption
römischen Rechtes geltenden Gewohnheitsrechts (lat.
Tripartitum opus N.
iuris consuetudinarii inclyti regni Hungariae. Dreiteiliges Werk des Gewohnheitsrechts
des ruhmreichen Königreichs Ungarn). Obwohl das die Interessen des Adels
sichernde, vom Landtag wohl gebilligte Werk nie in Kraft tritt, gilt es
teilweise bis 1945 gewohnheitsrechtlich.
Lit.: Fraknói, V., Werböczy, 1899; Zlinszky, J.,
Werböczy jog forrástana, (in) Jogtudományi Közlöny, 1993, 374; Tanulmányok
Werbőczy Istvánról, hg.v. Hamza, G., 2001; Werböczy, S., The
Customary Law of the renowned kingdom of Hungary in three parts, 1517, hg. und
übers. v. Bak, J. u. a., 2006
Werbung
Lit.: Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus,
2000; Ilgen, V./Schindelbeck, D., Am Anfang war die Litfaßsäule, 2006
Werden
Lit.: Hoederath, H., Hufe, Manse und Mark in den Quellen der
Großgrundherrschaft Werden am Ausgang der Karolingerzeit, ZRG GA 68 (1951),
211; Brand, J., Geschichte der ehemaligen Stifter Essen und Werden während der
Übergangszeit, Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen 86 (1971)
Werfen ist das einen Gegenstand durch die
Luft Schleudern. Es kann im Mittelalter rechtssymbolische Bedeutung haben.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1989, 1994; Amira, K. v./Schwerin, C. Frhr. v.,
Rechtsarchäologie, 1943
Wergeld ist im Mittelalter die in Sachen
(z. B. Vieh, Waffen, Geräte) erbrachte Ausgleichsleistung für die ausgleichspflichtige
Tötung eines Menschen. Das W. lässt sich bereits für die Germanen vermuten. Es
fällt teilweise an die Verwandten des Getöteten, teilweise an den König
(Friedensgeld). Es wird vermutlich ursprünglich im einzelnen Fall besonders ausgehandelt.
In den Volksrechten erscheinen feste, vom jeweiligen Stand abhängige
Schillingbeträge (→Kompositionensystem z. B. bei einem fränkischen
Freien 200 Schillinge d. h. 100 Rinder) als Rechnungseinheiten. Mit dem Aufkommen
der peinlichen →Strafe seit dem 11. Jh. verschwindet es allmählich.
Lit.: Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 91,
119, 120; Köbler, WAS; Brunner, H., Sippe und Wergeld nach niederdeutschen
Rechten, ZRG GA 3 (1882), 1; Vinogradoff, P., Wergeld und Stand, ZRG GA 23
(1902), 123; Jaekel, H., Weregildus, ZRG GA 28 (1907), 102; His, R., Das
Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1 1920, Neudruck 1964; Lintzel, M.,
Zur altsächsischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 52 (1932), 294; Ganahl, K., Hufe
und Wergeld, ZRG GA 53 (1933), 208; Stutz, U., J. Brissaud und Heinrich
Brunners Erklärung des Römerwergeldes, ZRG GA 55 (1935), 287; Fenger, O., Fehde
og mandebod, 1971
Werk (Wort bereits für das Indogermanische zu
erschließen) ist das Ergebnis der auf einen neuen Erfolg gerichteten
Tätigkeit des Menschen (z. B. Bauwerk, Kunstwerk).
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Werkvertrag (Wort 1863) ist der gegenseitige Vertrag, in
dem sich der Unternehmer verpflichtet, ein Werk für den Besteller gegen Entgelt
herzustellen. Der W. ist bereits dem römischen Recht als (lat.) locatio (F.)
conductio operis (z. B. Herstellung einer Sache aus übergebenem Stoff,
Reinigung einer Sache, Beförderung einer Sache, Unterrichtung eines Sklaven,
conductor ist der zu Erfolg verpflichtete Hersteller, locator der Besteller
des Werkes) bekannt. Danach erscheint der W. wieder in der hochmittelalterlichen
Stadt, in welcher der Unternehmer vielfach durch die Zunft eingeschränkt wird.
Seit dem Spätmittelalter wird das römische Recht aufgenommen. In der Aufklärung
wird der W. aus der Verbindung mit der Miete gelöst und dem Dienstvertrag zur
Seite gestellt. Von ihm ist er durch den notwendigen Erfolg zu unterscheiden.
Vielfach sind danach Gefahrtragung oder Gewährleistung deutschrechtlich
gelöst, anderes wie etwa der Verzug römischrechtlich. Werklieferungsvertrag
ist gegenüber dem W. der dem Kauf ähnliche Vertrag über die Herstellung eines
Werkes aus Stoffen des Unternehmers oder Herstellers.
Lit.: Kaser § 42 I, IV; Söllner § 9; Hübner 584;
Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 45, 127; Riezler, E., Der Werkvertrag nach
dem Bürgerlichen Gesetzbuch, 1900; Rothenbücher, K., Geschichte des
Werkvertrags, 1906; Benöhr, H., Das Gesetz als Instrument zur Lösung
sozialpolitischer Konflikte, ZRG GA 95 (1978), 221; Schubert, W., Die
Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Werkvertrag, (in) Das Bürgerliche
Gesetzbuch und seine Richter, 2000, 281; Fels, A., Die Sachmängelgewährleistung
im Werkvertragsrecht des BGB, 2000; Büscher, M., Künstlerverträge in der
Florentiner Renaissance, 2002; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Wert ist die zum Wohl eines Lebewesens beitragende
Gegebenheit. Die angesehensten rechtlichen Werte können in der Gegenwart durch
die Verfassung besonders geschützt. sein. Sie können zu einem Wertesystem
zusammengefügt sein.
Lit.: Wapler, F., Werte und das Recht, 2008
Wertheim
Lit.: Der Lehenhof der Grafen von Wertheim, 1955; Zimmermann, K.,
Obrigkeit, Bürgertum und Wirtschaftsformen im alten Wertheim, 1975
Wertpapier (Wort 1853) ist
die Urkunde, deren Innehabung Voraussetzung für die Geltendmachung des in ihr
verbrieften Rechtes ist. Die erst von Heinrich Brunner zusammengefassten
Wertpapiere erscheinen in Frühformen an oberitalienischen Handelsplätzen
seit dem 12. Jh. Im Vordergrund steht dabei der →Wechsel. In der frühen
Neuzeit gewinnt das W. allgemeinere Bedeutung. In der Mitte des 19. Jh.s bildet
es den ersten Ansatzpunkt zur gesetzlichen Rechtsvereinheitlichung im
Deutschen Bund (→Allgemeine Deutsche Wechselordnung). 1908 wird im
Deutschen Reich auch der →Scheck W. Am Ende des 20. Jh.s treten die nur
noch elektronisch dokumentierten Rechte vor.
Lit.: Hübner § 88; Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 128,
167, 218, 272; Goldschmidt, L., Handbuch des Handelsrechts, 1864, 2. A. 1875,
darin Universalgeschichte des Handelsrechts, (Bd. 1 3. A.) 1891, Neudruck
1957; Salvioli, G., I titoli al portatore, 1883; Neudruck 1957; Cordes, J.,
Begriffe und Arten der Wertpapiere, Diss. jur. Kiel 1898; Schultze-von Lasaulx,
H., Beiträge zur Geschichte des Wertpapierrechts, 1931; Sedatis, L., Über den
Ursprung der Wechselstrenge, 1967; Handbuch der Quellen und Literatur der
neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,686; Thieme, H., Zur wertpapierrechtlichen Funktion
mittelalterlicher Urkunden, FS Eichler, H., 1977, 645; Abschied vom Wertpapier,
hg. v. Kreuzer, K., 1988; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Wertsicherung ist die Sicherung des Wertes einer
Geldforderung gegen die Geldentwertung. Sie wird im Deutschen Reich seit 1914
bedeutsam. Seit 1934 werden diesbezügliche Vertragsklauseln eingeschränkt.
Lit.: Dürkes, W., Wertsicherungsklauseln, 10. A. 1992
Wertungsjurisprudenz ist die seit 1930 bzw. seit der Mitte des 20.
Jh.s (Karl Larenz, Franz Wieacker, Heinrich Lange, Mittel und Ziel der
Rechtsfindung im Zivilrecht, Z. d. Ak. f. dt. R. 1936, 922) erkennbare Lehre,
nach der Rechtssätze nicht mechanisch aus der Wirkung kausaler Interessen
entstehen, sondern sich auf eine Wertung der an der Gesetzgebung Beteiligten
gründen und bei der Auslegung objektiv-teleologische Kriterien (z. B.
Gleichbehandlungsgrundsatz, Sachgemäßheit) heranzuziehen sind. Die W. setzt
ein in der Gesamtrechtsordnung enthaltenes Wertesystem voraus.
Lit.: Petersen, J., Von der Interessenjurisprudenz zur
Wertungsjurisprudenz, 2001; Rückert, J., Vom
„Freirecht“ zur freien „Wertungsjurisprudenz“, ZRG GA 125 (2008), 199
Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 100 (Henisch 1616, lat. prior tempore potior
iure)
Wesel
Lit.: Stadtrechnungen von Wesel 1349-1450, bearb. v. Gorissen F., 1963;
Weseler Edikte 1324-1600, bearb. v. Roelen, M. u. a., 2005
Wesenbeck, Matthaeus (Antwerpen
1531-Wittenberg 1586) wird nach dem Rechtsstudium in Löwen (Mudaeus), Paris
und Löwen 1557 Dozent in Jena und 1569 Professor in Wittenberg. 1576
veröffentlicht er eine Sammlung seiner Rechtsgutachten, 1563 verfasst er einen
Kommentar zu den Pandekten. Darin geht er synthetisch vor und bezieht die
Rechtspraxis ein.
Lit.: Stintzing, R./Landsberg, E., Geschichte der
deutschen Rechtswissenschaft, Bd. 1ff. 1880ff., Neudruck 1957, 1978; Dekkers,
R., Het humanisme en de rechtswetenschap, 1938, 191; Lück, H., Ein Niederländer
in Wittenberg, Jb. d. Zentrums f. Niederlande-Studien 1991, 199; Wittenberg.
Ein Zentrum europäischer Rechtsgeschichte und Rechtskultur, hg. v. Lück, H. u.
a., 2006
Westeuropäische Union (WEU) ist der am 17. 3. 1948
ursprünglich gegen Deutschland gerichtete, erweitert am 6. 5. 1955 in Kraft
getretene Beistandsvertrag zwischen Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg,
den Niederlanden, Deutschland und Italien mit einem Rat, einer Versammlung und
einem Generalsekretariat als wichtigsten Organ. Am 13. 11. 2000 werden die
operativen Aufgaben auf die Europäische Union übertragen.
Lit.: Fleuß, M., Die operationelle Rolle der Westeuropäischen
Union, 1996; Birk, E., Der Funktionswandel der Westeuropäischen Union, 1999;
Herrmann, A., Kriseninstrument WEU, 2015
Westfale ist der im Frühmittelalter (2. H.
8. Jh.s) erkennbare Angehörige eines Teilstamms der Sachsen. Als rechtliche
Besonderheit der Westfalen wird die Gütergemeinschaft hervorgehoben. 1180 wird
Westfalen Territorialherzogtum des Erzbischofs von Köln, das 1815 teilweise an
Preußen gelangt.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 112,
256; Westfälisches Urkundenbuch, hg. v. Erhard, H., Bd. 1ff. 1847ff.; Lappe,
J., Die Entstehung und Feldmarkverfassung der Stadt Werne, Zeitschrift für
vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 76 (1917); His, R.,
Eine eigentümliche Klausel in westfälischen Schuldurkunden, ZRG GA 42 (1921),
481; Hömberg, A., Siedlungsgeschichte des oberen Sauerlandes, 1938; Klocke,
F. v., Fürstenbergsche Geschichte, Bd. 1 1939; Hagemann, A., Von den mittelalterlichen
Ständen Westfalens, ZRG GA 69 (1952), 328; Hagemann, A., Das
westfälisch-niedersächsische Wappenbild, ZRG GA 69 (1952), 340; Deutsches
Städtebuch, Bd. 3, 2 Westfälisches Städtebuch 1954; Wüllner, W., Zivilrecht und
Zivilrechtspflege, 1964; Possel-Dölken, P., Das westfälische eheliche
Güterrecht, 1978; Droege, G., Das kölnische Herzogtum Westfalen, 1980; Köbler,
G., Gericht und Recht in der Provinz Westfalen, FS G. Schmelzeisen, 1980, 166;
Scharpwinkel, K., Die westfälischen Eigentumsordnungen, 1965; Klueting, H.,
Geschichte Westfalens, 1998; Zunker, D., Adel in Westfalen, 2003; Das Herzogtum
Westfalen, Bd. 1f. hg. v. Klueting, H., 2009ff.
Westfalen
Lit.: Der Raum Westfalen, Bd. 1ff. hg. v. Aubin, H. u. a., 1931ff.;
Süderländische Geschichtsquellen und Forschungen, hg. v. Dösseler, E., Bd. 1f.
1954f.; Westfalen – Hanse – Ostseeraum, Beiträge von Winterfeld, L. v. u. a.,
1955; Haase, C., Die Entstehung der westfälischen Städte, 1960, 2. A. 1963;
Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege in den westlichen Teilen
Westfalens am Ende des 18. Jahrhunderts, 1964; Klocke, F. v., Westfalen und
Nordosteuropa, 1964; Hartlieb von Wallthor, A., Die landschaftliche
Selbstverwaltung Westfalens, 1965; Hömberg, A., Zwischen Rhein und Weser, 1967
(Aufsätze); Klueting, H., Die Säkularisation im Herzogtum Westfalen 1802-1834,
1980; Ludwig Freiherr Vincke, hg. v. Behr, H. u. a., 1994;
Fischer, S., Juristen in Westfalen im
19. Jahrhundert, 2012; Dröge, M., Männlichkeit und „Volksgemeinschaft“ – Der
westfälische Landeshauptmann Karl Friedrich Kolbow (1899-1945), 2015; Die
Tagebücher des Ludwig Freiherrn Vincke 1789-1844, bearb. v. Behr, H. u. a., Bd.
8 2015
Westfälischer Friede ist der am 24. 10. 1648 in Münster
unterzeichnete Vertrag von Münster (katholisch, zwischen Kaiser und Frankreich)
und Osnabrück (evangelisch, zwischen Kaiser und Schweden), der den Dreißigjährigen
Krieg beendet. Er bestätigt den Rechtsstand des Augsburger Religionsfriedens
von 1555. Er schwächt das Reich, weil es umfangreiche Gebiete verliert (Elsass
an Frankreich, Bremen, Verden und Vorpommern an Schweden) und im Übrigen den
etwa 300 nun vorhandenen Reichsgliedern verschiedener Größe und Bedeutung
wesentliche Rechte (u. a. Bündnisrecht) zugesteht und damit die Möglichkeit
des Gegensatzes und der Auseinandersetzung verstärkt. Durch Beschluss des
Reichstags wird er 1654 Reichsgesetz.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 130;
Pütter, S., Geist des westphälischen Friedens, 1795, Neudruck hg. v. Buschmann,
A., 2010; Kürschner, T., Die Landeshoheit der deutschen Länder, 1938; Dickmann,
F., Der westfälische Friede, 1959, 6. A. 1992; Acta pacis Westfalicae, hg. v.
der Nordrhein-Westfälischen Ak. D. Wiss., Serie Iff. 1962ff. bis zum ENde der
Projektförderung 2011 44 Editionsbände); Forschungen und Studien zur Geschichte
des westfälischen Friedens, 1965; Scharpwinkel, K., Die westfälischen
Eigentumsordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts, Diss. jur. Göttingen 1965;
Böckenförde, E., Der westfälische Friede, Der Staat 8 (1969), 449; Instrumenta
pacis Westphalicae, hg. v. Müller, K., 2. A. 1966; Schubert, F., Die deutschen
Reichstage, 1966; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen Streitigkeiten, 1972;
Ruppert, K., Die kaiserliche Politik auf dem westfälischen Friedenskongress
1643-48, 1979; Kremer, B., Der westfälische Friede, 1989; Willoweit, D.,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. A. 2005; Immler, G., Kurfürst Maximilian I.
und der westfälische Friedenskongress, 1992; Der westfälische Friede, hg. v.
Duchhardt, H., 1998; Der westfälische Frieden, hg. v. Hey, B., 1998; Repgen, K.,
Der westfälische Friede, 1999; Der westfälische Frieden, hg. v. Moorman van
Kappen, O., 1998; Sachsen und Franken in Westfalen, hg. v. Hässler, H., 1999;
Ziegler, K., Die Bedeutung des westfälischen Friedens von 1648 für das
europäische Völkerrecht, Archiv des Völkerrechts 37 (1999), 129; 350 Jahre
westfälischer Friede, hg. v. Schröder, M., 2000; Westfälische Jurisprudenz, hg.
v. Großfeld, B. u. a., 2000; Gantet, C., La paix de Westphalie, 2001; Croxton,
D./Tischer, A., The Peace of Westphalia, 2002
westfränkisch →Frankreich
Westgalizien ist der westliche Teil Galiziens
(mit Krakau und Lublin), der 1795 bei der dritten Teilung Polens an Österreich
gelangt. am 19. 12. 1796 tritt dort die österreichische →Allgemeine
Gerichtsordnung vom 1. 5. 1781 in etwas veränderter Form als Westgalizische
Gerichtsordnung in Kraft (nach 1812 auch in Tirol und Salzburg, gültig bis
1898). Am 13. 2. 1797 wird nach Wiederaufnahme (1790) der Gesetzgebungsarbeiten
an einem bürgerlichen Gesetzbuch, die 1786 nur zu dem Josephinischen Gesetzbuch
geführt hatten, eine frühe, vollständige, aus dem sog. Entwurf Martini (1795)
entwickelte Fassung des späteren →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs
als Bürgerliches Gesetzbuch für (West-)Galizien (Westgalizisches Gesetzbuch
mit 8155 Wortformen) in Kraft gesetzt (JGS 337, in Ostgalizien und in der
Bukowina am 8. 9. 1797 zum 1. 1. 1798). 1809 fällt W. an das Großherzogtum
Warschau.
Lit.: Köbler, DRG 131, 155; Baltl/Kocher; Der
Ur-Entwurf, hg. v. Ofner, J., Bd. 1 1889, 1ff.; Pfaff, L., Zur
Entstehungsgeschichte des Westgalizischen Gesetzbuches, Jur. Bll. 1890, 399
Westgote ist der Angehörige des seit 269 n.
Chr. sichtbaren westlichen (?) Teilstamms der Goten. 418/419 gründen die
Westgoten ein Reich in Südgallien (Toulouse). Vermutlich um 475 wird unter
König Eurich im (lat.) →Codex (M.) Euricianus ihr Recht aufgezeichnet.
Vor 507 entsteht die für die römische Bevölkerung geltende (lat.) →Lex
(F.) Romana Visigothorum (Römisches Recht der Westgoten). 507 verlieren die
Westgoten ihr in Gallien liegendes Gebiet an die Franken und werden auf das
inzwischen eingenommene →Spanien (Toledo) verwiesen. Das Recht der
Westgoten wird in der (lat.) →Lex (F.) Visigothorum weiter entwickelt
(Leovigild, Chindasvinth, Reccesvinth). Überreste finden in die →Fueros
Eingang. 711 geraten die Westgoten infolge Uneinigkeit unter die Herrschaft
der →Araber. Im Hochmittelalter gehen sie in der Vorbevölkerung der
iberischen Halbinsel auf.
Lit.: Söllner § 19; Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 67,
75, 80; Schmeltzer, R., Die Redaktionen des Westgotenrechts, ZRG GA 2 (1881),
123; Ein neuentdecktes westgotisches Gesetz, ZRG GA 7 (1886), 236; Dopsch, A.,
Westgotisches Recht im Capitulare de villis, ZRG GA 36 (1915), 1; Bergin, A.,
The Law of the Westgoths, 1906; Melicher, T., Der Kampf zwischen Gesetzes- und
Gewohnheitsrecht im Westgotenreiche, 1930; Gesetze der Westgoten, hg. v.
Wohlhaupter, E., 1936; Stroheker, K., Eurich, 1937; Merêa, P., O poder
paternal, Boletim da faculdade de direito 15 (1939); Schultze, A., Über
westgotisch-spanisches Eherecht, 1944 (SB Leipzig); Merêa, P., Estudios de
direito Visigótico, 1948; Beyerle, F., Zur Frühgeschichte der westgotischen
Gesetzgebung, ZRG GA 67 (1950), 1; Reinhart, W., Über die Territorialität der
westgotischen Gesetzbücher, ZRG GA 68 (1951), 348; Claude, D., Geschichte der
Westgoten, 1970; Nehlsen, H., Sklavenrecht, 1972; Claude, D., Adel, Kirche und
Königtum im Westgotenreich, 1971; King, P., Law and society, 1972;
García-Moreno, L., Historia de España Visigoda, 1989; Völkl, A., Der Verkauf
der fremden Sache, ZRG RA 110 (1993), 425; Wolfram, H., Die Goten, 4. A. 2001;
The Visigoths, hg. v. Ferreiro, A., 1999; Heather, P., The Visigoths, 2001;
Visigoti e Longobardi, hg. v. Arce, J. u. a., 2001; Ferreiro, A., The Visigoths
in Gaul and Iberia, 2006; Ferreiro, A., The visigoths in Gaul and Iberia - A
Substantial Bibliography, 2007ff.; Kampers, G., Geschichte der Westgoten, 2008;
Hillgarth, J., The Visigoths in History and Legend, 2009
Westgötenrecht (Westgötalagh, Västgötalagh) ist
die älteste, um 1220 beginnende, vor allem in Westergötland (Westgötaland)
geltende, schwedische Rechtsaufzeichnung. Von der ältesten Fassung sind nur
Bruchstücke erhalten, von der nächstälteren (Mitte 13. Jh.) eine Handschrift
von etwa 1285, von der jüngeren, wohl 1281 bis 1300 oder Jahrzehnte später
(1310-1315) entstandenen Fassung zahlreiche Handschriften seit etwa 1350.
Anfänglicher Verfasser (1220/5) ist vielleicht Eskil Magnusson (um 1175-1227).
Lit.: Westgöta-Lagen, hg. v. Collin, H. u. a., 1827,
Neudruck 1976; Das ältere westgötische Rechtsbuch, hg. v. Rehfeldt, B., 1926;
Schwedische Rechte, hg. v. Schwerin, C. Frhr. v., 1935; Nelson, A., Envig och
ära, (in) Saga och sed, 1944, 57; Äldere Västgötalagen, hg. v. Holmbäck, A. u.
a., 1946; Äldre Västgötalagen, hg. v. Wessén, E., 1950; Ericsson, G., Den
kanoniska rätten, 1967; Aquist, G., Frieden und Eidschwur, 1968; Hafström, G.,
De svenska rättskällornas historia, 1978; Strauch, D., Zur Rechtsfortbildung im
mittelalterlichen Schweden, (in) Wege europäischer Rechtsgeschichte, hg. v.
Köbler, G., 1987, 504; Sjöholm, E., Sveriges Medeltidslagar, 1988; Äldre Västgötalagen,
hg. v. Wiktorsson, P., 2011; Nilsson, G., Nytt Ljus Över Yngre Västgötalagen,
2012
Westmannalagh, Västmannalagh, (Schweden um
1330) →nordisches Recht
Lit.: Hafström, G., De svenska rättskällornas
historia, 1978
Westphalen ist das kurzlebige, von
→Napoleon um Westfalen errichtete Königreich (18. 8. 1807-1. 10. 1813)
um Kassel mit einer liberalen Verfassung vom 15. 10. 1807.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, Historisches Lexikon;
Berding, G., Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, 1973;
Regierungsakten des Königreichs Westphalen 1807-1813, bearb. v. Rob, K., 1992;
Code Napoléon. Französisch-deutsch, 1808, Neudruck 1997; Der Code pénal des
Königreichs Westphalen von 1813, hg. v. Schubert, W., 2001; Wrobel, K., Von
Tribunalen, Friedensrichtern und Maires, 2004; Ham, R., Die Constitution für
das Königreich Westphalen von 1807, ZNR 2004, 227; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Rheinbündischer Konstitutionalismus,
hg. v. Brandt, H. u. a., 2007; Modell und Wirklichkeit, hg. v. Dethlefs, G. u.
a., 2007; Napoleon und das Königreich Westphalen, hg. v. Hewig, A. u. a. 2008;
Bethan, A., Napoleons Königreich Westphalen, 2012; Paye, C., Der französischen
Sprache mächtig, 2013; Sunderbink, B.,
Revolutionäre Neuordnung auf Zeit, 2015
Westzone ist die von 1945 bis 1949 währende
Besatzungszone einer der westlichen alliierten Besatzungsmächte (Vereinigte
Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich) des Deutschen Reiches. Aus
den drei Westzonen entsteht die →Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Diestelkamp, B., Die
Verfassungsentwicklung in den Westzonen, NJW 1989, 1312; Dilcher, H.,
Bürgerliches Recht in den Westzonen, (in) Staat, Kirche, Wissenschaft, 1989
Wettbewerb ist das Streben mehrerer nach einem
Ziel, das nicht alle gleichzeitig erreichen können, insbesondere das Streben
jedes von mehreren Unternehmen, auf einem gemeinsamen Markt mit möglichst
vielen Kunden abzuschließen. In der mittelalterlichen Stadt wird der W. durch
die →Zunft eingeschränkt. Mit der Liberalisierung des 19. Jh.s wird
dagegen der W. freigegeben (→Gewerbefreiheit Deutschland 1869). Um
daraus entstehende Missbräuche zu beseitigen wird im Deutschen Reich nach
Einzelregeln (1894) ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom
27. 5. 1896 erlassen, das 1909 (und 2004) neu gefasst wird. Umgekehrt muss
nach einer Kartellverordnung bereits von 2. 11. 1923 am 27. 7. 1957 gegen die
aus der steigenden Machtkonzentration erwachsenden Gefahren ein Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkungen geschaffen werden, das später noch verschärft wird
(1965, 3. 8. 1973 vorbeugende Fusionskontrolle, Beseitigung der vertikalen
Preisbindung für Markenartikel, Verstärkung der Missbrauchsaufsicht, 1976,
1980, 1989).
Lit.: Köbler, DRG 176, 218, 272; Ulmer, E.,
Warenzeichen und Wettbewerb, 1929; Swoboda, R., Das Wettbewerbsverbot unter
Handelsgesellschaftern, Diss. jur. Heidelberg 1931; Blaich, F., Kartell- und
Monopolpolitik, 1973; Vom Gewerbe zum Unternehmen, hg. v. Scherner, K. u. a.,
1982; Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,3,3749; Hof, H.,
Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Schröder, R., Die Entwicklung des
Kartellrechts, 1983; Nörr, K., Zwischen den Mühlsteinen, 1988; Baums, T.,
Kartellrecht in Preußen, 1990; Nörr, K., Die Leiden des Privatrechts, 1994; Heße,
M., Die historische Entwicklung der Wettbewerbsverbote, 1994; Wadle, E., Das
Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896, JuS 1996,
1064; Volckart, O., Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung im vormodernen
Deutschland 1000-1800, 2002; Stechow, H. v., Das Gesetz zur Bekämpfung des
unlauteren Wettbewerbs, 2002; Murach-Brand, L., Antitrust auf deutsch, 2004;
Bormann, J., Wettbewerbsbeschränkungen durch Grundstücksrechte, 2004; Pitzer,
F., Interessen im Wettbewerb, 2009; Michalczyk, R., Europäische Ursprünge der
Regulierung von Wettbewerb, 2010
Wette (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
das gegenseitige, zur Bekräftigung bestimmter widerstreitender Behauptungen
mehrerer Vertragspartner dienende Versprechen dahingehend, dass dem, dessen
Behauptung sich als richtig erweist, ein Gewinn zufallen soll. Eine W. ist im
römischen Recht in gewisser Weise in der (lat.) legis actio (F.) sacramento
enthalten. Bei den Germanen ist das Spiel mit hohem Einsatz möglich. Im Frühmittelalter
wird unter W. vielfach das Pfandrecht verstanden. Seit dem Spätmittelalter
wird die W. missbilligt. In der Neuzeit ist die Lotterie weitverbreitet. Der W.
wird die Klagbarkeit der Schuld abgesprochen. Der Staat bemüht sich zwecks
Verhinderung von Wettsucht und zwecks Erzielung von Einnahmen um eine
Einschränkung gewerblicher Privatwetten.
Lit.: Kaser § 81 II 1c; Hübner 595; Kroeschell, DRG 1,
2; Hagemann, H., Wette, FS H. Liermann, 1964, 60; Hagemann, H., Fides facta und
wadiatio, ZRG GA 83 (1966), 1; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Duderstadt, D., Spiel, Wette und Differenzgeschäft (§§ 762-764 BGB)
in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, 2007; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Wetterau ist die Landschaft an der Wetter
nördlich der Mündung des Maines in den Rhein. Sie ist nacheinander keltisch, römisch
und fränkisch beherrscht. Im Hochmittelalter ist sie königsnah.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Hävernick, W., Das
ältere Münzwesen der Wetterau, 1936, kommentierte Neuaufl. 2009; Kropat, A.,
Reich, Adel und Kirche, 1965; Hardt-Friederichs, F., Das königliche Freigericht
Kaichen, 1975; Schwind, F., Die Landvogtei in der Wetterau, 1972; Althessen im
Frankenreich, hg. v. Schlesinger, W., 1975; Schmidt, W., Der Wetterauer
Grafenverein, 1989; Geschichte von Wetterau und Vogelsberg, hg. v. Stobbe, R.,
Bd. 1 1999
Wettin ist die Burg bei Halle an der
Saale, nach der sich ein wohl seit 875 (Graf Friedrich im Harzgau)
nachweisbares Geschlecht benennt, an das 1423 Sachsen gegeben wird. Die
Wettiner teilen sich 1485 in eine albertinische Linie (→Sachsen) und
eine ernestinische Linie (→Thüringen).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Posse, O., Die Wettiner, 1897; Helbig, H., Der wettinische Ständestaat, 1980;
Philippi, H., Die Wettiner in Sachsen und Thüringen, 1989; Weller, T., Die
Heiratspolitik, 2004; Rogge, J., Die Wettiner, 2005; Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete
1349-1382, bearb. v. Leisering, E., 2006; Groß, R., Die Wettiner, 2007; Knöfel,
A., Dynastie und Prestige, 2009; Kaiser, U., Das Amt Leuchtenburg, 2012; Die
Welt der Ernestiner, hg. v. Westphal, S. u. a., 2016; Die Ernestiner, hg. v.
Greiling, W. u. a., 2016
Wetzlar an der Lahn erscheint im 9. Jh. Es
wird Reichsstadt nach Frankfurter Recht. Von 1603 bis 1806 beherbergt W. das
→Reichskammergericht.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Velten, A.,
Beiträge zur Geschichte, Diss. jur. Gießen, 1922; Interthal, K., Die
Reichsvogtei Wetzlar, 1928; Clauß, F., Wetzlarer Richter-, Schöffen- und
Ratsfamilien, Mitteilungen des oberhessischen Geschichtsvereins 35 (1937), 1;
Ranieri, F., Die Arbeit des Reichskammergerichts, 1988; Schmidt-von Rhein, G.,
Das Reichskammergericht, 1990; Hahn, H., Altständisches Bürgertum zwischen
Beharrung und Wandel, Wetzlar 1689-1870, 1991; Schieber, S., Normdurchsetzung
im frühneuzeitlichen Wetzlar, 2008; Repertorium der Policeyordnungen der
frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb. v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (429 Nummern);
Winkel, H., Herrschaft und Memoria, 2010
WEU →Westeuropäische Union
Weyer, Johann (Grave an der Maas um 1515-Tecklenburg 24. 2.
1588) wird nach dem Medizinstudium in Paris und Orléans Arzt in Arnheim (1545)
und Kleve-Jülich-Berg. 1563 veröffentlicht er sein gegen Zauberei- und
Hexereiaberglauben gerichtetes, humanistisches Hauptwerk (De praestigiis
daemonum). Es wird auf den kirchlichen Index der verbotenen Bücher gesetzt.
Lit.: Schneider, U., Das Werk „De praestigiis daemonum“,
Diss. jur. Bonn 1951 masch.schr.; Nahl, R. van, Zauberglaube und Hexenwahn,
1983; Siefener, M., Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie, 1992
whig (M.) Vertreter des aufgeklärten Volksinteresses in
England (Schimpfname, Tory angeblich von Tar a ry, komm o König, um 1680).
Wibald von Stablo (1098-1158) ist der aus Stabloer Ministerialität
hervorgegangene, 1117 in den geistlichen Stand übergetretene, spätere Abt von
Stablo-Malmedy (1130) und (Montecassino 1137 sowie) Corvey (1146), der den
Kaisern Lothar III., Konrad III. und Friedrich Barbarossa als wichtiger Berater
dient, gleichwohl von einem einzelnen heutigen Juristen entgegen
diplomatischen Erkenntnissen systematischer Fälschung bezichtigt wird.
Lit.: Jakobi, F., Wibald von Stablo und Corvey, 1979; Faußner, H., Wibald
von Stablo, 2003ff.; Hofmann, H., Das Briefbuch Wibalds von Stablo, DA 63
(2007), 41; Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey, hg. v. Hartmann,
M, 2012
Widerlegung, Widerlage (F.)
Ersatzleistung, Gegengabe des Ehemanns oder eines Dritten an die Ehefrau für
deren Heiratsgut im Ehevertrag mit Wirkung nach dem Tode des Ehemanns bei
vorheriger tatsächlicher nachweislicher Leistung des Heiratsguts
Lit.: Brauneder, W., Die Entwicklung des Ehegüterrechts,
1973, 51, 364; Brauneder, W., Widerlegung – Widerlage, ZNR 2016, 1
Widerruf (Wort um 1200 belegt) ist im Privatrecht die Willenserklärung,
die eine noch nicht endgültig wirksame Willenserklärung von Anfang an
beseitigen soll, bzw. im Verwaltungsrecht die Aufhebung eines rechtmäßigen
Verwaltungsakts. Der privatrechtliche W. ist bereits dem römischen Recht
bekannt. Der öffentlichrechtliche W. wird erst mit der dogmatischen
Verfestigung des Verwaltungsrechts als solcher geformt.
Lit.: Kaser §§ 16 II 1, 47 II, 60 IV 2b, 76 IV 2b, 77
II 5b, 79 I 2b; Wieacker, F., Lex commissoria, 1932; Krause, H., Der Widerruf
von Privilegien, Archival. Z. 75 (1979), 117; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Martens, M., Die
Entwicklung der Widerrufsrechte des Verbrauchers, 2010
Widersagung (F.) Fehdeankündigung
Lit.: Tewes, U., Zum Fehdewesen, 1994
Widerspruch ist die Gegenäußerung zu einer
Äußerung (z. B. W. gegen die Richtigkeit des Grundbuchs seit dem 19. Jh.). In
Deutschland wird seit 1960 ein W. bei der höheren Verwaltungsbehörde zur einheitlichen
Voraussetzung für eine verwaltungsrechtliche Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage,
doch werden am Ende des 20. Jh.s Ausnahmen zugelassen.
Lit.: Köbler, DRG 263
Widerstand ist die entgegenstehende Haltung
oder Kraft. Die Frage eines Rechtes zum W. gegen eine herrschaftliche Maßnahme
wird schon früh diskutiert (Manegold von Lautenbach 11. Jh., Magna Charta
1215). Gegen den ungerechten Herrscher (z. B. Diktator) ist W. rechtmäßig. Die
jeweilige Grenze zwischen rechtmäßigem und rechtswidrigem W. ist zweifelhaft.
Der W. gegen die Staatsgewalt ist seit dem 19. Jh. ein Straftatbestand. Aus ihm
wird später der W. gegen Vollstreckungsbeamte.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Kroeschell, 20. Jh.; Kern,
F., Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1915, 7. A. 1980; Zeumer, K., Das
vermeintliche Widerstandsrecht gegen Unrecht des Königs und Richters im
Sachsenspiegel, ZRG GA 35 (1914), 68; Wolzendorff, K., Staatsrecht und
Naturrecht, 1916; Haensel, W., Kants Lehre vom Widerstandsrecht, 1926; Ritter,
G., Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, 3. A. 1956;
Schönfeld, W., Zur Frage des Widerstandsrechts, 1955; Mayer-Tasch, P., Thomas
Hobbes und das Widerstandsrecht, 1965; Hoffmann, P., Widerstand - Staatsstreich
- Attentat, 1969; Köhler, M., Die Lehre vom Widerstandsrecht, 1973; Schulze,
W., Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft, 1980; Koch, B.,
Rechtsbegriff und Widerstandsrecht, 1985; Der deutsche Widerstand, hg. v.
Müller, K., 2. A. 1990; Böttcher, D., Ungehorsam oder Widerstand?, 1991;
Mehringer, H., Widerstand und Emigration, 1998; Lexikon des Widerstandes
1933-1945, hg. v. Steinbach, P./Tuchel, J., 1998; Widerstand als „Hochverrat“
1933-1945, bearb. v. Zarusky, J. u. a., 1998; Steinbach, P., Widerstand im Widerstreit,
1999; Quin, E., Personenrechte und Widerstandsrecht, 1999; Friedeburg, R. v.,
Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, 1999; Widerstandsrecht in der frühen
Neuzeit, hg. v. Friedeburg, R. v., 2001; Meyer, A., Berthold Schenk Graf von
Stauffenberg (1905-1944) – Völkerrecht im Widerstand, 2001; Wassermann, R.,
Juristen im Widerstand gegen das NS-Regime, NJW 2002, 1018; Der deutsche
Widerstand gegen Hitler, hg. v. Ueberschär, G., 2002; Bald, D., Die weiße Rose,
2. A. 2003; Wissen, Gewissen und Wissenschaft im Widerstandsrecht (16.-18.
Jh.), hg. v. De Benedictis, A. u. a., 2003; Badische Juristen im Widerstand,
hg. v. Borgstedt, A., 2004; Wuermeling, H., Doppelspiel, 2004; Rüthers, B.,
Gesetzesbindung und Widerstand, ZRG GA 123 (2006), 363; Zankel, S., Die weiße
Rose war nur der Anfang, 2006; Widerstand - gestern und heute, hg. v. Beutin,
H. u. a., 2009; Holtmann, K., Die Saefkow-Jacob-Bästlein-Gruppe vor dem Volksgerichtshof,
2010; Rüthers, B., Die einsamen Außenseiter, 2011; Hormayr, G., Ich sterbe
stolz und aufrecht, 2012; Gott will Taten sehen, hg. v. Käßmann, M., 2013;
Aretin, U. v., Freiheit und Verantwortung – Henning von Tresckow im Widerstand,
2015; Johst, D., Begrenzung des Rechtsgehorsams – Die Debatte um Widerstand und
Widerstandsrecht in Westdeutschland 1945-1968, 2016; Snyder, T., Über Tyrannei,
2017
Wieacker, Franz (Stargard 5. 8. 1908-Göttingen
17. 2. 1994), Landgerichtspräsidentensohn, wird nach dem Rechtsstudium (u.
a. Palermo, Rom) 1937 planmäßiger außerordentlicher Professor in Leipzig(,
NSDAP), 1939 ordentlicher Professor in Leipzig, 1948 in Freiburg im Breisgau
und 1953 in Göttingen (1969 Orden Pour le mérite, 1973 mit 65 Jahren
emeritiert). Die frühen Arbeiten betreffen neben dem geltenden Recht das
römische Recht, für das W. 1988 den ersten Band einer zusammenfassenden
römischen Rechtsgeschichte vorlegt. Daneben veröffentlicht der universale
Gelehrte 1952 eine auf der Studienreform des Jahres 1935 aufbauende, ideengeschichtlich
ausgerichtete grundlegende Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (2. A.
1967).
Lit.: Wolf, J., In memoriam Franz Wieacker, SDHI 60
(1994), 763; Wieacker, F., Zivilistische Schriften, hg. v. Wollschläger, C.,
2000; Franz Wieacker, Historiker des modernen Privatrechts, hg. v. Behrends, O.
u. a., 2010
Wiederaufnahme des Verfahrens ist die erneute Durchführung eines
rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens. Die W. d. V. geht auf die aus dem
oberitalienisch-kanonischen Verfahren im 15. Jh. aufgenommene (lat.) →restitutio
(F.) in integrum zurück (Reichskammergerichtsordnung 1495).
Lit.: Seyfarts, J., Teutscher Reichsprozess. 1738,
548; Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess, Diss. jur. Münster
1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus Curiae, 1973
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die gerichtliche Entscheidung,
durch die eine versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig
fingiert wird. Die W. i. d. v. S. wird seit dem 15. Jh. aus dem
oberitalienisch-kanonischen Verfahren (lat. restitutio F.
in integrum contra lapsum fatalium) aufgenommen (Reichskammergerichtsordnung
1495).
Lit.: Wiggenhorn, H., Der Reichskammergerichtsprozess,
Diss. jur. Münster 1965, 233; Sellert, W., Prozessgrundsätze und Stilus
Curiae, 1973, 289; Vogel, J., Wiedereinsetzungsrecht im Strafprozess, 1996
Wiedergutmachung ist die Milderung von Schäden durch
Ausgleich. Die W. ist insbesondere im Anschluss an den zweiten Weltkrieg
bedeutsam.
Lit.: Brodesser, H./Fehn, J./Franosch, T. u.
a., Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation, 2000; Goschler, C., Schuld
und Schulden, 2005; Grenzen der Wiedergutmachung, hg. v. Hockerts, H. u. a.,
2006; Rückert, J., Abrechnen, aber wie?, ZRG GA 125 (2008), 256
Wiederkauf ist der schon im römischen Recht durch
besondere Vereinbarung mögliche Verkauf mit Vorbehalt des Rückkaufs. Durch
einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Verkäufers wird dann der
Käufer verpflichtet, die gekaufte Sache gegen die Erstattung des Preises
zurückzuübertragen.
Lit.: Kaser § 41 VII; Ogris, W., Der mittelalterliche
Leibrentenvertrag, 1961, 205; Busse, K., Der Wiederkauf in der Rechtsliteratur
des 12.-18. Jahrhunderts, 1965; Mayer-Maly, T., Beobachtungen und Gedanken
zum Wiederkauf, FS F. Wieacker, 1978, 424; Trusen, W., Zum Kauf auf Wiederkauf,
FS G. Schmelzeisen, 1980, 347; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.
Wiedertäufer (Anabaptist) ist der Angehörige
einer vor allem im 16. Jh. auftretenden, die Erwachsenentaufe anstrebenden
christlichen Glaubensgemeinschaft (z. B. Zürich um 1520, Münster 1534).
Lit.: Cornelius, A., Geschichte des münsterischen Aufruhrs,
Bd. 1f. 1855ff.; Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, hg. v. Bossert, G.,
1930; Goertz, H., Die Täufer, 1980
Wiedervereinigung →Deutsche Demokratische
Republik, Saar
Lit.: Elzer, H., Die deutsche Wiedervereinigung an der
Saar, 2007; Ritter, G., Die deutsche Wiedervereinigung, HZ 286 (2008), 289;
Ludewig, J., Unternehmen Wiedervereinigung – Von Planern, Machern Visionären,
2015 (von 600 Milliarden Deutsche Mark Privatisierungserlösen erwartet, 230
Milliarden Defizit erzielt, blühende Landschaften brauchen noch mehr Zeit und
lassen sich nicht unbedingt planen)
Wie du mir, so ich dir.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 350 (Körte 1837)
Wiek ist die Landschaft im Bistum Oesel in Livland, für die
im 14. Jh. (1322-37?) aus dem livländischen Spiegel, dem Bauernrecht der Esten
in der Wiek und dem ältesten livländischen Ritterrecht eine in hochdeutschen
Handschriften seit dem 16. Jh. überlieferte Rechtssammlung hergestellt wird.
Dieses wiek-oeselsche Recht mit dem wenig zutreffenden Titel Dies seindt die
Lehen-Rechte, das in 5 Bücher zu 82, 70, 68, 12 und 67 Artikel gegliedert ist,
findet teilweise Eingang in das mittlere livländische Ritterrecht (vor 1424),
das systematische livländische Ritterrecht (vor 1450?) und in Philipp Crusius’
Des Herzogtums Esthen Ritter- und Landrechte.
Lit.: Bunge, F. v., Altlivlands Rechtsbücher, 1879,
95; Arbusow, L., Die altlivländischen Bauernrechte, Mitt. a. d. Gebiete der
Geschichte Livlands u. s. w. 23
(1924/26), 75; Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht, Bd. 1 4. A. 1960,
163; Seresse, V., Des Königs arme weit abgelegenne Vntterthanen, 1996
Wielant, Filips (1441-1520) wird nach dem
Studium der (lat. F.Pl.) artes
(Künste) in Paris und des weltlichen Rechtes in Löwen Anwalt und
Hofratsmitglied in Flandern. In seinen Werken Corte instructie in materie
civile (1508ff.) und Corte instructie in materie criminele (1510ff.) bietet er
einen Überblick über den Verlauf eines Zivilverfahrens und eines
Strafverfahrens. Er verarbeitet dabei das einheimische, flämische
Gewohnheitsrecht zu einer an romanistischen Vorbildern ausgerichteten Einheit.
Lit.: Juristen, hg. v. Stolleis, M., 1996
Wien an der Donau ist die auf keltischer (Vindobona) bzw.
römischer Grundlage (Legionslager 89 oder 98 n. Chr., 433 aufgegeben)
errichtete Siedlung (Wenia 881), die seit 1156 Sitz der →Babenberger
wird. Nach der Gewährung eines Stadtrechts (1221) wird W. kurzzeitig
reichsunmittelbar (1246-1250 bzw. 1237-1239, 1278-1288) und erhält (am 12. 3.)
1365 eine anfangs im Heiligen römischen Reich führende, dann zurückfallende
Universität (zwischen Hofburg und Schottenstift), an der das Studium des
römischen Rechtes aber eigentlich erst am Ende des 15. Jh.s möglich wird
(zwischen 1451 und 1500 mehr als 19000 Studierende in Wien insgesamt). Wahrscheinlich
in der ersten Hälfte des 14. Jh.s wird unter Benutzung des Schwabenspiegels das
in 24 Handschriften überlieferte Wiener Stadtrechtsbuch in 151 Artikeln
aufgezeichnet (Gericht, Verfahren, Kauf, Miete, Erbe, Ehegüter, Bergrecht,
Burgrecht, Bürgschaft, Pfand). Seit 1438/1439 wird W. zum Sitz des Kaisers des
Heiligen römischen Reiches, 1469 Bischofssitz und 1722/1723 Erzbischofssitz.
1526 erhält es eine neue Stadtverfassung, 1529 und 1683 scheitern Belagerungen
durch die Türken. In der Mitte des 18. Jh.s ordnet Maria Theresia den darniederliegenden
provinziellen Rechtsunterricht. 1783 erlässt Joseph II. eine Magistratsverfassung.
Zu Beginn des 19. Jh.s wird im Studium das Schwergewicht auf das
österreichische Recht gelegt. Vom 18. 9. 1814 bis 9. 6. 1815 tagt in W. der
sog. Wiener Kongress, auf dem Europa nach den napoleonischen Kriegen neu
geordnet wird (Kräftegleichgewicht zwischen Russland [mit Kongresspolen],
Großbritannien [mehr Kolonien], Österreich [Königreich Lombardo-Venetien,
Sekundogenituren in Italien, Verzicht auf westeuropäische Güter], Preußen
[Teile Sachsens, Gebiete am Rhein] und Frankreich, wichtige Grundsätze
Restauration, monarchische Legitimität, Solidarität der Fürsten bei Abwehr
revolutionärer Bewegungen) →Deutscher Bund). Später folgt die Wiener
Schlussakte (15. 5. 1820) des Deutschen Bundes. 1857 wird die Niederlegung
der Stadtmauern Wiens beschlossen. 1920 wird Wien Bundeshauptstadt der
Bundesrepublik Österreich. Bis 1922 gehört W. dem Bundesland Niederösterreich
an, von dem es sich verselbständigt. 1934 wird es bundesunmittelbare Stadt,
1939 Reichsgau W., 1945 wieder Bundesland und Bundeshauptstadt, die bis 1955
von allen vier Alliierten besetzt wird. Am 22. 5. 1969 wird in Wien von einer
Konferenz der Vereinten Nationen das (Wiener) Übereinkommen über das Recht der
völkerrechtlichen Verträge angenommen. 1980 wird W. ein Sitz der Vereinten
Nationen, 1995 Sitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 100,
150, 769; Baltl/Kocher; Kroeschell, DRG 3; Kink, R., Die Rechtslehre an der
Universität Wien, 1853; Aegidi, L., Die Schlussakte, 1860; Das Wiener
Stadtrechtsbuch, hg. v. Schuster, H., 1873; Die Rechte und Freiheiten der Stadt
Wien, hg. v. Tomaschek, J., Bd. 1f., 1877ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt
Wien, Bd. 1ff. 1895ff.; Quellen zur Geschichte der Stadt Wien – Die ältesten
Kaufbücher, bearb. v. Staub, F., 1898; Geschichte der Stadt Wien, hg. v.
Altertumsverein zu Wien (Bd. 1, 2 Schuster, Heinrich, Die Entwicklung des
Rechtslebens, Verfassung und Verwaltung, 1897ff.); Quellen zur Geschichte der
Stadt Wien, Grundbücher Bd. 2, bearb. v. Staub, F., 1911; Voltelini, H. v., Die
Anfänge der Stadt Wien, 1913; Voltelini, H., Zur Rezeption des gemeinen Rechts in
Wien, FS d. akad. Vereines dt. Historiker in Wien, 1914, 79; Luntz, I., Die
allgemeine Entwicklung der Wiener Privaturkunde bis zum Jahre 1360, 1916;
Luntz, I., Beiträge zur Geschichte der Wiener Ratsurkunde, 1916; Stowasser, O.,
Die Entstehungszeit des Eisenbuches der Stadt Wien, MIÖG Ergänzungsband 10,
1916, 19; Schalk, K., Aus der Zeit des österreichischen Faustrechts 1440-1463,
1919; Die Summa legum brevis, hg. v., Gal, A., 1926; Brunner, O., Die Finanzen
der Stadt Wien, 1929; Sailer, L., Die Wiener Ratsbürger des 14. Jahrhunderts,
1931; Klebel, E., Zur Frühgeschichte Wiens, Festgabe für Hans Voltelini, 1932,
7; Lentze, H., Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in
Wien, Mitteilungen des Vereines für die Geschichte der Stadt Wien 15 (1935);
Zatschek, H., Handwerk und Gewerbe in Wien, 1949; Lentze, H., Das Wiener
Testamentsrecht des Mittelalters, ZRG GA 69 (1952) 103, 70 (1953), 159;
Weizsäcker, W., Wien und Brünn in der Stadtrechtsgeschichte, ZRG GA 70 (1953),
125; Die Matrikel der Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff.; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz, 1961; Benna, A., Wiener Recht in einer
Sammelhandschrift des Stiftes Heiligenkreuz, ZRG GA 79 (1962), 248; Studien zur
Geschichte der Universität Wien, Bd. 1f. 1965; Der Wiener Kongress 1814/5, hg.
v. Dyroff, H., 1966; Demelius, H., Eheliches Güterrecht im
spätmittelalterlichen Wien, 1970 (SB Wien); Hartl, F., Das Wiener
Kriminalgericht, 1973; Baltzarek, F., Das Steueramt der Stadt Wien 1526-1760,
1971; Brauneder, W., Die Geltung obrigkeitlichen Privatrechts im
spätmittelalterlichen Wien, ZRG GA 92 (1975), 195; Csendes, P., Wien in den
Fehden der Jahre 1461-1463, 1974; Vetricek, A., Die Lehrer der rechts- und
staatswissenschaftlichen Fakultät, Diss. geisteswiss. Wien 1980; Wiener
Ratsurteile des Spätmittelalters, hg. v. Demelius, H., 1980; Walter, G., Der
Zusammenbruch des Heiligen römischen Reiches, 1980; Die Rechtsquellen der Stadt
Wien, hg. v. Csendes, P., 1986; Das Wiener Stadtrechtsprivileg, hg. v. Csendes,
P., 1987; Die Wiener Stadtbücher, Bd. 1ff. 1395-1400, hg. v. Brauneder, W. u.
a., 1989ff.; Csendes, P., Geschichte Wiens, 2. A. 1990; Brauneder, W.,
Leseverein und Rechtskultur, 1992; Ogris, W., Vom Galgenberg zum
Ringtheaterbrand, 1997; Festschrift 100 Jahre Wirtschaftsuniversität Wien, red.
v. Rill, H., 1999; Opll, F., Das große Wiener Stadtbuch, 1999; Wien, hg. v.
Csendes, P. u. a., Bd. 2f. 2003ff.; Opll, F., Wien im Bild, 2. A. 2004; Klaudy,
K., Das Werden Wiens, 2004; Ubl, K., Anspruch und Wirklichkeit – Die Anfänge der
Universität Wien, MIÖG 113 (2005), 63; Der Wiener Hof im Spiegel der
Zeremonialprotokolle (1652-1800). hg. v. Pangerl. I. u. a., 2007; Mühlberger,
K., Palace of Knowledge, 2008; Die Universität Wien im Konzert, hg. v.
Mühlberger, K. u. a., 2010; ... daz si ein recht puech solten haben .., hg. v.
Opll, F., 2010 (zum Wiener Eisenbuch des 14.-19. Jahrhunderts); Die Matrikel
der Universität Wien, Bd. 1ff. 1954ff., hg. v. Mühlberger, K., 6, 1, 7
1715-1745/46, 2011 (6764 Besucher); Die Matrikel der Wiener rechtswissenschaftlichen
Fakultät, hg. v. Mühlberger, K., Bd. 1 1402-1442., 2011, Bd. 2 1442-1557, 2016;
Schartner, I., Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien
im Ansturm des Nationalsozialismus, 2011; Holzschuh, I., Wiener Stadtplanung im
Nationalsozialismus, 2011; Swedish Students at the University of Vienna in the
Middle Ages, hg. v. Ferm, O. u. a., 2011 (etwa 20); Waldstätten, A., Staatliche
Gerichte in Wien seit Maria Theresia, 2012; Vertriebenes Recht - Vertreibendes
Recht, hg. v. Meissel, F. u. a., 2012; Schaukästen der Wissenschaft, hg. v.
Feigl, C., 2012; Denk, U., Alltag zwischen Studieren und Betteln, 2013; Haider,
E., Wien 1914, 2013; Scharl, I. u. a., Die Karrieren des Wiener Hofpersonals
1711-1765, 2013; Lackner, C., Möglichkeiten und Perspektiven diplomatischer
Forschung - Zum Privileg Herzog Albrechts III. für die Universität Wien vom
Jahre 1384, 2013; Stauber, R., Der Wiener Kongress, 2014; Der Wiener Kongress,
hg. v. Just, T. u. a., 2014; Benesch, M., Die Wiener Christlichsoziale Partei,
2014; Pfefferle, R. u. a., Glimpflich entnazifiziert, 2014; Olechowski, T. u.
a., Die Wiener Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät 1918-1938, 2014;
Zamoyski, A., 1815 – Napoleons Sturz und der Wiener Kongress, 2014; Lentz, T.,
1815 – Der Wiener Kongress, 2014; Gruner, W., Der Wiener Kongress 1814/15,
2014; Stätten des Wissens, hg. v. Rüdiger, J. u. a., 2015; Rüdiger, Juliqa, Die
monumentale Universität, 2015; Tuisl, E., Die medizinische Fakultät der
Universität Wien im Mittelalter, 2015; Universität – Forschung – Lehre, hg. v.
Stadler, F. u. a., 2015; Wissens- und Universitätsstadt Wien, hg. v. Ehalt, H.
u. a., 2015; Göhler, H., Das Wiener Kollegiat-, nachmals Domkapitel zu Sankt
Stephan in Wien 1365-1554, 2015 Diss. 1932, 14 Pröpste, 375 Chorherrn);
Sigmund, K., Sie nannten sich der Wiener Kreis, 2015; Taschwer, K., Hochburg
des Antisemitismus – Der Niedergang der Universität Wien, 2015; 1365 – 2015 –
2065 – Etwas andere Geschichten der Universität Wien, hg. v. Klemun, M. u. a.,
2015; Baumgart, W., Der Winer Kongress 1815 – zweihundert Jahre danach, HZ 301
(2015) 705; Schneider, K. u. a., Europa in Wien, 2015; Winkler, G., Das
Juridicum, 2016; Lindinger, M., Die Hauptstadt des Sex, 2016; Suttner, A., Das
schwarze Wien, 2017 (1934-1938); Opll, F. u. a., Wien als festungsstadt, 2017;
Gneiss, M., Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364-1555), 2017
Wiesentheid
Lit.: Domarus, M., Territorium Wiesentheid, 1956
Wigle van →Aytta
wik (M.) Dorf, Siedlung, →Weichbild
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 78; Köbler, WAS;
Köbler, G., Civitas und vicus, (in) Vor- und Frühformen der europäischen Stadt,
hg. v. Jankuhn, H. u. a., 1973, 61; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980; Schütte, L., Wik, 1976; Schmidt-Wiegand, R., Wik
und Weichbild, ZRG GA 95 (1978), 121
Wikinger ist der Angehörige seefahrender
Nordgermanen (Norweger, Dänen) im Frühmittelalter (793-1066). Um 850 entdecken
die W. Island, um 900 Grönland und 986, 1001 Amerika. Als →Normannen
dringen sie nach Frankreich, Sizilien und wohl auch nach Russland vor, gehen
aber jeweils bald in der ansässigen Bevölkerung auf.
Lit.: Kroeschell, DRG; Stemberger, M., Vikingar, 1935;
Jänichen, H., Die Wikinger im Weichsel- und Odergebiet, 1938; Vernadsky, G.,
The Origin of Russia, 1959; Langenberg, I., Die Vinland-Fahrten, 1977; Boyer,
R., Les Vikings, 1992; Simek, R., Die Wikinger, 1998; Sawyer, P., Die Wikinger,
2000; Sawyer, B./Sawyer, P., Die Welt der Wikinger, 2002; Magnusson, M., Die
Wikinger, 2003; Forte, A. u. a., Viking Empires, 2005; Bauduin, P., Le monde
franc et les Vikings, 2009; Seaver, K., Mit Kurs auf Thule, 2011; Findeisen,
J., Vinland, 2011; Winroth, A., The Age oft he Vikings, 2014; Hofman, K. u. a.,
Die Wikuinger und das fränlische Reich, 2014 (Sammelband); Banck, C., Alles
Mythos!, 2014; Lipsk, S. u. a., Faszination Wikinger, 2017
Wilda, Wilhelm Eduard ([Seligmann, Wolf Ephraim] Altona 17.
8. 1800-Kiel 9. 8. 1856), Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in
Göttingen (Hugo, Eichhorn) und Heidelberg (Thibaut, Mittermaier) und dem
Übertritt zum Christentum (1825) Advokat in Hamburg. 1831 wird er
außerordentlicher Professor in Halle, 1842 ordentlicher Professor in Breslau
und 1854 in Kiel. Seine wichtigsten Werke betreffen das Gildenwesen im Mittelalter
(1831) und das Strafrecht der Germanen (1842) (bis zum Frühmittelalter).
Lit.: Sinzheimer, H., Jüdische Klassiker der deutschen
Rechtswissenschaft, 1938 bzw. 1953, 111; Rückert, J., August Ludwig Reyschers
Leben, 1974; Kern, B., Georg Beseler, 1982
Wildbann (M.) Jagdregal
Lit.: Haff, K., Die Wildbannverleihungen, ZRG GA 69
(1952), 301; Dasler, C., Forst- und Wildbann, 2001
Wilderei ist die Verletzung des Jagdrechts
oder Fischereirechts eines anderen. Der W. folgt im Frühmittelalter meist die
Buße von 60 Schillingen. Erst im Spätmittelalter wird eine peinliche Strafe
üblich. Die Strafandrohung ist verschiedentlich sehr streng (Blenden, Hängen).
Die Neuzeit behandelt die W. teilweise als einen Fall des Diebstahls, bis 1871
die W. wieder verselbständigt wird.
Lit.: Marcus, J., Zur Lehre von der Wilderei, Diss.
jur. Breslau 1917; Fösser, R., Das Jagdstrafrecht, Diss. jur. Bonn 1937; Löhr,
U., Die Wilderei, Diss. jur. Frankfurt am Main 1969; Schindler, N., Wilderer im
Zeitalter der französischen Revolution, 2001; Schennach, M., Jagdrecht,
Wilderei und gute Policey, 2007
Wildfangrecht ist in Spätmittelalter und
Frühneuzeit das Recht von Landesherren oder bestimmten Grundherren, Fremde für
ihre Herrschaft in Anspruch zu nehmen. In der frühen Neuzeit ist das W. oft
streitig. Im 18. Jh. läuft es allmählich aus.
Lit.: Kolde, F., Über die Wildfänge, Diss. phil.
Rostock 1898
Wilhelm →Ockham
Wilhelmus de Cabriano (bei Brescia) (†
1201 als Erzbischof von Ravenna, Casus Codicis, Vorlesungsnachschrift wahrscheinlich
auf der Grundlage der Vorlesungen des Bulgarus über den Codex, Mitte 12. Jh.s)
Lit.: Lit.: Lange, H., Römisches Recht im Mittelalter, Bd. 1 1997, 204;
Wallinga, T., The Casus Codicis of Wilhelmus de Cabriano, 2005
Wille (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen) ist
die Fähigkeit des Menschen, sich für ein bestimmtes Verhalten zu entscheiden.
Der W. kommt in einem Verhalten (z. B. Sprechen, Schießen) zum Ausdruck. Bei
dessen Bewertung wird teils nur auf die Erscheinungsform abgestellt, teils
auch auf den ihr zugrundeliegenden Willen.
Lit.: Hübner 489; Köbler, DRG 43; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967, 293; Köckritz, S. v., Die
Bedeutung des Willens für den Verbrechensbegriff Carpzovs, 1955; Pleister, W.,
Persönlichkeit, Wille und Freiheit im Werk Iherings, 1982; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Babusiaux, U., Id quod actum est. Zur Ermittlung
des Parteiwillens im klassischen römischen Zivilprozess, 2006; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Willebrief ist seit dem 12. Jh. (1177) die
Zustimmungsurkunde der Fürsten zu Erklärungen des Königs. Der W. kommt im 17.
Jh. ab.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Fritz, W., Kurfürstliche
Willebriefe, DA 23 (1967), 171
Willenserklärung (Wort 1701) ist
die private, auf einen rechtlichen Erfolg gerichtete Äußerung (lat. declaratio
[F.], Erklärung) des →Willens (lat. voluntatis, z. B. Erklärung, ein Buch
kaufen zu wollen). Sie wird für das Rechtsgeschäft vorausgesetzt. Als
rechtswissenschaftliche Grundfigur wird sie erst im 17. oder 18. Jh.
(Thomasius 1688, Höpfner 1743-1797) erkannt (vgl. aber bereits Connan,
1508-1551, Erstbeleg 1701/1705?). Die W. kann einen →Willensmangel
enthalten.
Lit.: Kaser §§ 5 I, 8 I 1; Köbler, DRG 140, 164, 208;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Störungen der
Willensbildung bei Vertragsschluss, hg. v. Zimmermann, R., 2007; Köbler, U.,
Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010¸;
Thomale, C., Leistung als Freiheit, 2012; Archavlis, K., Die juristische
Willenstheorie, 2015
Willensfreiheit ist die Unabhängigkeit des Willens
von äußeren, die Willenshandlung zwangsweise bestimmenden Umständen. Ob W.
besteht, ist in der menschlichen Geschichte (zeitweise) umstritten. Überwiegend
wird, obwohl die Frage nach Freiheit oder Gebundenheit des menschlichen
Willens (bisher) nicht eindeutig entschieden werden kann, von der vermuteten W.
ausgegangen. Ein rechtsstaatliches Strafrecht setzt sie voraus.
Lit.: Holzhauer, H., Willensfreiheit und Strafe, 1970;
Postel, V., Arbeit und Willensfreiheit im Mittelalter, 2009
Willensmangel ist der den Willen oder allgemeiner
die Willenserklärung betreffende Mangel. Einzelne Willensmängel berücksichtigt
bereits das römische Recht (z. B. →Irrtum). Eine Verallgemeinerung
findet erst in der späten Neuzeit statt.
Lit.: Kaser § 8; Hübner; Coing, H., Europäische Rechtsgeschichte,
Bd. 1f. 1985ff.
Willkür ist die freie, bis zum Belieben
reichende Wahl des Willens. Insofern kann sie den Gegensatz zum Recht bilden.
In einem anderen Sinn wird als W. im Mittelalter das durch Zustimmung
geschaffene städtische gesetzte Recht verstanden.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Simson, P., Geschichte der
Danziger Willkür, 1904; Ebel, W., Die Willkür, 1953; Ebel, W., Geschichte der
Gesetzgebung in Deutschland, 1956, 2. A. 1958, Neudruck 1988; Rheinheimer, M.,
Die holsteinischen Dorfordnungen, ZRG GA 115 (1998), 529; Recht und Willkür,
hg. v. Starck, C., 2012
Wilna (Vilnius)
Lit.: Juristenausbildung in Osteuropa bis zum
ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z., 2007
Wilten
Lit.: Wilten, 1924
Wimpfen
Lit.: Jülch, R., Die Entwicklung des Wirtschaftsplatzes Wimpfen, 1961;
Laufs, A., Das Wimpfener Rechtsbuch, ZRG GA 89 (1972), 175
Windscheid, Bernhard (Düsseldorf 26. 6.
1817-Leipzig 26. 10. 1892) wird nach dem Rechtsstudium in Berlin (Savigny) und
Bonn 1847 außerordentlicher Professor in Bonn und 1847 ordentlicher Professor
in Basel, Greifswald (1852), München (1857), Heidelberg (1871) und Leipzig
(1874). Sein Hauptwerk ist ein dreibändiges Lehrbuch des Pandektenrechts
(1861), in dem er das römische Recht seiner Zeit so vorbildlich zusammenfasst,
dass der Text bis 1900 das fehlende deutsche Bürgerliche Gesetzbuch vertritt. Als
Mitglied der ersten Kommission zur Schaffung eines Bürgerlichen Gesetzbuchs beeinflusst
er den ersten Entwurf erheblich.
Lit.: Söllner § 25; Rümelin, M., Bernhard Windscheid,
1907; Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses, 1965, 71; Wieacker,
F., Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Falk, U., Ein
Gelehrter wie Windscheid, 1989; Ober, J., Bernhard Windscheid, Diss. jur. Köln
1989; Rückert, J., Bernhard Windscheid, JuS 1992, 902;
¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/WindscheidBPandenktenrecht1-1862.pdf;
Klein, F., Bernhard Windscheid, 2014 (Diss. jur. Leipzig 2012)
Windsheim
Lit.: Erbar, W., Die Windsheimer Reformation von 1521,
Diss. jur. Erlangen 1928; Urkundenbuch der Stadt Windsheim von 741-1400, bearb.
v. Schultheiß, W., 1963; Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johan
Greffinger für die Reichsstadt Windsheim (1521), bearb. v. Hünefeld, H., 1974
Winterthur
Lit.: Stauber, E., Die Burgen des Bezirkes Winterthur
1953
Wippe (F.) Gerät zum Fallenlassen eines
Täters in eine Flüssigkeit
Lit.: His, R., Das Strafrecht des deutschen
Mittelalters, Bd. 1 1920, 575, Neudruck 1964; Köbler, G., Bilder aus der
deutschen Rechtsgeschichte, 1988
Wippen (N.) Prellen, Schnellen, von der
Wippe fallen Lassen
Wirtschaft ist die Gesamtheit der Einrichtungen
und Maßnahmen zur planvollen Deckung des menschlichen Bedarfs an Gütern. Die
W. beginnt bereits in vorgeschichtlicher Zeit. Den Sammlern und Jägern folgen
die Viehzüchter (Zähmung des Auerochsen im silbernen Halbmond um 8000 v. Chr.)
und Ackerbauern. Nach der Sesshaftwerdung entwickelt sich in Rom aus der kleinbäuerlichen
W. die Plantagenwirtschaft, wobei allgemein eine auffällige
Produktivitätssteigerung samt Einkommenserhöhung im 1. und 2. Jh. n. Chr. Statt
findet. Von diesen römischen Verhältnissen wird wohl die frühmittelalterliche
→Grundherrschaft beeinflusst. In ihr gewinnt das →Gewerbe
(Schmied, Töpfer, Weber) an Bedeutung. Bereits in den letzten Jahrzehnten des
8. Jh.s könnte ein neuer Aufschwung eingesetzt haben. Über den Markt entsteht
im 11. Jh. →die Stadt als der Mittelpunkt von Gewerbe und Handel.
Tauschmittel wird das →Geld. Bereits am Beginn der frühen Neuzeit werden
frühkapitalistische Züge sichtbar. Danach wendet sich der Landesherr der durch
die Entdeckungen belebten W. zu und versucht im →Merkantilismus möglichst
hohen Ertrag. In Auseinandersetzung mit dem →Physiokratismus wird vor
allem von Adam Smith der →Liberalismus entwickelt, der die Erwerbstätigkeit
des Menschen außerhalb der Landwirtschaft erleichtert. Unter dem Einfluss
Quesnais‘, Smiths und Ricardos wird in Tübingen seit 1798 die Wirtschaft auch
wissenschaftlich behandelt (C. F. Fulda). Etwa zu dieser Zeit tritt in Teilen
Europas ein überdurchschnittliches Wachstum der Wirtschaft ein. Im 19. Jh. strömt
die wachsende Bevölkerung dem sich in Richtung auf Industrie verändernden Wirtschaftssektor
Gewerbe zu, im 20. Jh. dem Wirtschaftssektor Dienstleistungen. Die Selbstversorgung
tritt fast völlig zurück. Die Wirtschaft des gesamten Volkes oder Staates wird
als Volkswirtschaft wissenschaftlich erfasst. Um 1850 setzt mit der
Entwicklung des Verkehrswesens, der internationalen Kapitalmobilität und der
Massenmigration die Verflechtung der einzelstaatlichen Wirtschaften zur
Weltwirtschaft ein. In der Auseinandersetzung zwischen Planwirtschaft und
Marktwirtschaft behält die Marktwirtschaft in der zunehmend globalisierten Weltwirtschaft
die Oberhand.
Lit.: Köbler, DRG 13, 16, 28, 50, 76, 77, 96, 133,
173, 217, 224, 242, 249, 267, 271; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 7 1992,
511; Below, G. v., Mittelalterliche Stadtwirtschaft und gegenwärtige
Kriegswirtschaft, 1917; Bechtel, H., Wirtschaftsstil des deutschen
Spätmittelalters, 1930; Spangenberg, H., Territorialwirtschaft und
Stadtwirtschaft, 1932; Facius, F., Wirtschaft und Staat, 1959; Lütge, F.,
Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. A. 1966, Neudruck 1976, 1979;
Dirlmeier, U., Mittelalterliche Hoheitsträger im wirtschaftlichen Wettbewerb,
1966; Treue, W./Boelcke, A., Geschichte der Wirtschaftspolitik, 1970; Henning,
F., Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 1ff. 1973f.; Winkel, H., Die
Wirtschaft im geteilten Deutschland, 1974; Hefermehl, W., Die Entjudung der
deutschen Wirtschaft, Deutsche Justiz 1938, 1981; Wirtschaftsgeschichte der
deutschsprachigen Länder, hg. v. Schäfer, H., 1989; Mathis, F., Die deutsche
Wirtschaft im 16. Jahrhundert, 1992; Kloft, H., Die Wirtschaft der
griechisch-römischen Welt, 1992; Cordes, A., Stuben und Stubengesellschaften,
1993; Rücker, M., Wirtschaftswerbung unter dem Nationalsozialismus, 2000;
Drexhage, H./Konnen, H./Ruffing, K., Die Wirtschaft des römischen Reiches
(1.-3. Jahrhundert), 2001; Hesse, H., Ökonomen-Lexikon, 2003; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 4. A. 2003; McCormick, M., Origins of the European
Economy, 2001; Wijffels, A., Gelehrtes Recht und Wirtschaftsordnung, ZNR 25
(2003), 177; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004;
Wirtschaft und Wirtschaftstheorien, hg. v. Kervégan, J. u. a., 2004;
Wirtschaftskontrolle und Recht in der nationalsozialistischen Diktatur, hg. v.
Gosewinkel, D., 2004; Torp, C., Weltwirtschaft vor dem Weltkrieg, HZ 279
(2004), 561; Boch, R., Staat und Wirtschaft, 2004; Walter, R., Geschichte der
Weltwirtschaft, 2005; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D. u. a., 2006;
Fellmeth, U., Pecunia non olet, 2008; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der
Wirtschaft, 2008; Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte, 2010; The
Best of German Mittelstand, hg. v. Langenscheidt, F. u. a., 2011, 3. A. 2015;
Ruffing, K., Wirtschaft in der griechisch-römischen Antike, 2012; The Cambridge
Companion to the Roman Economy, hg. v. Scheidel, W., 2012; Der Staat und die
Ordnung der Wirtschaft, hg. v. Plumpe, W. u. a., 2012; Vries, P., Ursprünge des
modernen Wirtschaftswachstums, 2013; Pressler, F., Die erste
Weltwirtschaftskrise, 2013; Blyth, M., Wie Europa sich kaputtspart, 2014; The
Elgar Companion to David Ricardo, hg. v. Kurz, H. u. a., 2015; The Best of
German Mittelstand, hg. v. Langenscheidt, F. u. a., 2011, 3. A. 2015;
Wirtschaftspolitik in Deutschland 1917-1990, hg. v. Abelshauser, W. u. a., Bd.
1ff. 2016ff.; Geschichte des Bundeswirtschaftsministeriums und seiner
Vorläufer, Bd. 1ff., 2017ff
Wirtschaftsgemeinschaft →Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft
Wirtschaftsgeschichte ist der die →Wirtschaft
betreffende Teil der Geschichte.
Lit.: Köbler, DRG 9; Lamprecht, K., Deutsches
Wirtschaftsleben im Mittelalter, 1885f.; Kowalewsky, M., Die ökonomische
Entwicklung Europas, 1901; Caro, G., Neue Beiträge zur deutschen Wirtschafts-
und Verfassungsgeschichte, 1911; Dopsch, A., Die Wirtschaftsentwicklung der
Karolingerzeit, Teil 1f. 1912f.; Dopsch, A., Wirtschaftliche und soziale
Grundlagen der europäischen Kulturentwicklung, 1918ff.; Below, G. v., Probleme
der Wirtschaftsgeschichte, 1920; Bücher, Karl, Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte, 1922; Kachel, J., Herberge und Gastwirtschaft in
Deutschland bis zum 17. Jahrhundert, 1924; Urkunden zur deutschen
Agrargeschichte, hg. v. Wopfner, H., 1925; Ganz, W., Beiträge zur
Wirtschaftsgeschichte des Großmünsterstiftes in Zürich, Diss. phil. Zürich
1925; Klaiber, L., Beiträge zur Wirtschaftspolitik oberschwäbischer
Reichsstädte, 1927; Rörig, F., Hansische Beiträge zur deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1928; Strieder, J., Aus Antwerpener Notariatsarchiven,
1930, Neudruck 1962; Dopsch, A., Die ältere Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Bauern, 1930; Sieveking, H., Wirtschaftsgeschichte, 1935; Bechtel, H.,
Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, 1941; Ammann, H., Mittelalterliche
Wirtschaft im Alltag, ZRG GA 65 (1947), 391; Lütge, F., Deutsche Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte, 1966; Wehler, H., Bibliographie zur modernen deutschen
Wirtschaftsgeschichte, 1976; Handbuch der europäischen Wirtschafts- und
Sozialgeschichte, hg. v. Fischer, W., Bd. 1ff. 1980ff.; Abelshauser, W.,
Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik, 1983; Europäische Wirtschaftsgeschichte,
hg. v. Cipolla u. a., 1983; Ambrosius, G./Hubbard, W., Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte Europas, 1986; Kulischer, J., Allgemeine Wirtschaftsgeschichte,
6. unv. A. 1988; Wirtschaftsgeschichte der deutschsprachigen Länder, hg. v.
Schäfer, H., 1989; Martino, F. de, Wirtschaftsgeschichte des alten Rom, 2. A.
1991; Henning, F., Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands,
Bd. 1ff. 1991ff.; Sandgruber, R., Ökonomie und Politik, 1995; Buchheim, C.,
Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1997; Moderne Wirtschaftsgeschichte,
hg. v. Ambrosius, G. u. a., 1996, 2. A. 2006; Germany, hg. v. Ogilvie, S., Bd.
2 1996; Schultz, H., Handwerker, Kaufleute, Bankiers, 1997; Kaufer, E.,
Spiegelungen wirtschaftlichen Denkens im Mittelalter, 1998; Walter, R.,
Wirtschaftsgeschichte, 1998, 3. A. 2001; Weimer, W., Deutsche
Wirtschaftsgeschichte, 1998; Söllner, F., Die Geschichte des ökonomischen
Denkens, 1999; Deutsche Wirtschaftsgeschichte, hg. v. North, M., 2000; Jay, P.,
Das Streben nach Wohlstand, 2000; Geschichte der deutschen Wirtschaft im 20.
Jahrhundert, hg. v. Spree, R., 2001; Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, hg. v.
Schulz, G. u. a., 2003; Devroey, J., Économie rurale et société dans l’Europe
franque, 2001; Abelshauser, W., Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945,
2004, 2. A. 2011; ; Bloch, R., Staat und Wirtschaft im 19. Jahrhundert, 2004;
Wischermann, C./Nieberding, A., Die institutionelle Revolution, 2004;
Schefold, B., Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte, 2004; Menninger, A.,
Genuss im kulturellen Wandel, 2004; Lexikon ökonomischer Werke, hg. v. Herz, D.
u. a., 2006; The Cambridge Economic History of the Greco-Roman World, hg. v.
Scheidel, W. u. a., 2007; Kolb, G., Wirtschaftsideen, 2008; Schulz, K.,
Handwerk, Zünfte und Gewerbe, 2009; Niemann, H., Europäische Wirtschaftsgeschichte,
2009; Mieck, I., Kleine Wirtschaftsgeschichte der neuen Bundesländer, 2009;
Malanima, P., Europäische Wirtschaftsgeschichte 10.-19. Jahrhundert, 2010;
Howell, M., Commerce before Capitalism in Europe 1300-1600, 2010; Scholtyseck,
J., Der Aufstieg der Quandts, 2011 (Günther Quandt war Teil des
nationalsozialistischen Regimes, wurde aber nur Als Mitläufer eingestuft); Der
vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920-1933/34, bearb. v. Lilla, J., 2012;
Ordnungsrahmen antiker Ökonomien, hg. v. Günther, S., 2012; Spoerer, M./Streb,
J., Neue deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts, 2013; Hesse, J.,
Wirtschaftsgeschichte, 2013; Sommer, M., Wirtschaftsgeschichte der Antike,
2013; Perspectives on European Economic and Social History, hg. v. Hesse u. a.,
2014; Kolb, G., Ökonomische Ideengeschichte, 2. A. 2015; Schmoeckel, M.,
Gründerkrise und große Depression, ZRG GA 132 (2015), 251; Studienbuch
institutionelle Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, hg. v. Wischermann, C.
u. a.,2015; Reichtum im späten Mittelalter, hg. v. Schulte, P. u. a., 2015;
Plumpe, W., Carl Duisberg – 1861-1935, 2016; Campbell, B., The great
transition, 2016 (kleine Eiszeit in dem 14. Jahrhundert)
Wirtschaftskriminalität ist die die Wirtschaft betreffende
Kriminalität, die seit dem 20. Jh. deutlich zunimmt.
Lit.: Köbler, DRG 265; Müller, R./Wabnitz, H.,
Wirtschaftskriminalität, 3. A. 1993; Werner, S., Unternehmenskriminalität in
der Bundesrepublik Deutschland, 2014
Wirtschaftsprüfung ist die Prüfung von Unternehmen
bezüglich der Zuverlässigkeit der Rechnungsführung. Sie entsteht als Folge
der Industrialisierung zuerst in Großbritannien und den Vereinigten Staaten
von Amerika zum Schutz der Eigenkapitalseigner und erst später in Deutschland
zum Schutz der Fremdkapitalgläubiger. Im Deutschen Reich wird sie nach
Aufdeckung betrügerischer Handlungen von Unternehmensleitern 1931 durch eine
Notverordnung eingeführt.
Lit.: Weyershaus, H., Wirtschaftsprüfung in
Deutschland und erster europäischer Zusammenschluss (1931-1961), 2012
Wirtschaftsrecht ist die Gesamtheit der die
Wirtschaft betreffenden Rechtssätze. W. ist bereits in der Spätantike
bedeutsam, gewinnt in der hochmittelalterlichen Stadt (Markt, Münze, Zunft) an
Gewicht, wird durch die Landesherren der Neuzeit erweitert (Merkantilismus)
und wird zu Beginn des 20. Jh.s (1914 Kriegswirtschaftsgesetze) als eigenes
Rechtsgebiet erfasst. Seitdem wird der freien Marktwirtschaft eine
ausgleichende Komponente eingefügt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Endemann, W., Studien in
der romanisch-kanonistischen Wirtschafts- und Rechtslehre, Bd. 1f. 1874ff.,
Neudruck 1962; Nussbaum, A., Das neue deutsche Wirtschaftsrecht, 1920; Beiträge
zum Wirtschaftsrecht, hg. v. Klausing, F. u. a., 1932; Schmelzeisen, G., Wirtschaftsrecht
im 16. bis 18. Jahrhundert, Sozialwiss. Abh. 7 (1958), 9; Pleyer, K./Lieser,
J., Das Zivil- und Wirtschaftsrecht der DDR, 1973; Buchner, H., Das
Wirtschaftsrecht im Nationalsozialismus, (in) Recht, Rechtsphilosophie und
Nationalsozialismus, 1982; Fikentscher, W., Wirtschaftsrecht, Bd. 1f. 1983; Puppo,
R., Die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung des Dritten Reiches, 1988; Nörr,
K., Das Reichskaligesetz 1910 – ein Musterstatut der organisierten Wirtschaft,
ZRG GA 108 (1991), 347; Sandmann, H., Die Entwicklung von Begriff und Inhalt
des Wirtschaftsrechts durch die Rechtswissenschaft in der Weimarer Republik,
2000; Zacher, C., Die Entstehung des Wirtschaftsrechts in Deutschland, 2002;
Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?, ZRG GA 121 (2004), 471;
Mohnhaupt, H., Justus Wilhelm Hedemann und die Entwicklung der Disziplin
Wirtschaftsrecht, ZNR 2003, 238; Gschwend, L., Wirtschafts-Rechts-Geschichte?,
ZRG GA 121 (2004), 471; Wirtschaftssteuerung durch Recht im Nationalsozialismus,
hg. v. Bähr, J. u. a., 2006; Die andere Seite des Wirtschaftsrechts, hg. v.
Bender, G. u. a., 2006; Schmoeckel, M., Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2008;
Beiträge zur Geschichte des Wirtschaftsrechts, hg. v. Baums, T. u. a., 2012
Wismar ist der 1229 erstmals als Stadt
erwähnte Ort an der Spitze der Wismarer Bucht der Ostsee. W. hat lübisches
Recht. Aus ihm sind zahlreiche Bürgersprachen (Statuten) überliefert. Von 1653
bis 1715 wird es Sitz des schwedischen Tribunals für die neu erworbenen
Herzogtümer Bremen und Verden.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Techen, F., Die Bürgersprachen
der Stadt Wismar, 1906; Brügmann, J., Das Zunftwesen der Seestadt Wismar,
Jahrbuch des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde 99
(1935); Das zweite wismarsche Stadtbuch 1272-1297, bearb. v. Knabe, L., 1966;
Integration durch Recht. Das Wismarer Tribunal (1653-1806), 2004; Akten des
schwedischen Tribunals zu Wismar im niedersächsischen Landesarchiv 1653-1715,
bearb. v. Fiedler, B., 2012
Wissen ist die gespeicherte Erfahrung (des Menschen).
Es wird zunächst über die mitmenschliche Umgebung weitergereicht und nach der
Erfindung der Schrift daherhafter gespeichert und allmählich durch besondere
Lehrer, Schulen und Universitäten vermittelt. Seit dem 18. Jh. wird es im
Gefolge der Aufklärung in allgemeinen Enzyklopädien für alle Wissensgebiete
veröffentlicht (z. B. Zedler, J., Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller
Wissenschaften und Künste, 1732ff. mit 65 Bänden und 4 Supplementbänden mit
weitgehend anonymen Verfassern in alphabetischer Ordnung zur möglichst
aktuellen, objektiven und verständlichen Befriedigung von Neugier von Lesern)
und seit dem späten 20. Jh. digitalisiert dargeboten.
Lit.: Burke, P., A Social History of Knowledge, Bd. 1f. 2000ff.;
Wissen, hg. v. Reich, B. u. a., 2012; Schneider, U., Die Erfindung des
allgemeinen Wissens, 2013; Burke, P., Die Explosion des Wissens, 2014;
Zedelmaier, H., Werkstätten des Wissens zwischen Renaissance und Aufklärung,
2015
Wissenschaft ist die mit einleuchtend
erscheinenden Gründen versehene Sammlung menschlichen Wissens. Die Anfänge der
W. liegen in der griechischen Philosophie (Sokrates, Aristoteles). Der bemerkenswerte
Wandel der W. vom ausgehenden 16. Jh. bis zum Beginn des 18. Jh.s ist vor allem
durch die genauere Beobachtung der Natur und durch Sachverhalte prüfende und
danach Gesetze ableitende Experimente geprägt. Inwieweit die Rechtswissenschaft
W. ist, ist streitig.
Lit.: Kuhn, T., The Structure of Scientific
Revolutions, 1962; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19.
Jahrhundert, hg. v. Coing, H. u. a., 1974; Wissenschaften im Zeitalter der
Aufklärung, hg. v. Vierhaus, R., 1985; Schindling, A., Bildung und
Wissenschaft, 1994; Sailer, R., Verwissenschaftlichung des Rechts in der
Rechtspraxis?, ZRG 119 (2002), 106; Wussing, H., Die große Erneuerung – Zur
Geschichte der wissenschaftlichen Revolution, 2002; Seiffert, H., Einführung
in die Wissenschaftstheorie, 13. A. 2003; Hammerstein, N., Bildung und
Wissenschaft vom 15. bis zum 17. Jahrhundert, 2003; Macht des Wissens, hg. v.
Dülmen, Richard van u. a., 2004; Early Modern Science, hg. v. Park, K. u. a.,
2006; Lindner, J., Die Europäisierung des Wissenschaftsrechts, 2009; Mekkas
der Moderne, hg. v. Schmundt, H. u. a., 2010; I saperi nelle corti. Knowledge
at the Courts, 2008; Kernforschung in Österreich, hg. v. Fengler, S., 2012;
Freely, J., Aristoteles in Oxford, 2014; Lax, G., Das lineare Modell der
Innovation in Westdeutschland, 2015
Wissenschaftsfreiheit ist die bereits 1848 in der
Frankfurter Paulskirchenverfassung gewährte Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Lit.: Schmidt, W., Die Freiheit der Wissenschaft,
1929; Mallmann, W./Strauch, H., Die Verfassungsgarantie der freien
Wissenschaft, 1970; Kühne, J., Die Reichsverfassung der Paulskirche, 1985;
Losch, B., Wissenschaftsfreiheit, 1993; Kempny, S., Zur Entstehung des
Grundrechts auf Wissenschaftsfreiheit, ZRG GA 130 (2013), 423
Witte, Karl (Lochau bei Halle 1. 7. 1800-Halle 6. 3. 1883)
wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg 1823 Professor in Breslau und danach
in Halle. Auf seinen Hinweis entdeckt Niebuhr in Verona die Handschrift der
Institutionen des →Gaius.
Lit.: Witte, K., Karl Witte, Bd. 1 1819
Wittelsbach bei Aichach ist die Burg, nach der
sich seit 1116/1120 Grafen nennen, die 1180 Herzöge von Bayern werden und 1214
die Pfalzgrafschaft bei Rhein (Kurfürstentum) erlangen (1329 Teilung in Linien
Bayern und Pfalz, König bzw. Kaiser Ludwig der Bayer 1314-1347, König Ruprecht
von der Pfalz 1400-1410, Kaiser Karl VII. Albrecht 1742-1745, Nebenlinie in
Schweden 1654-1720, 1777 Beerbung der Linie Bayern durch die Linie Pfalz,
Nebenlinie in Griechenland 1832-1862). 1918 danken die Wittelsbacher als Könige
Bayerns (einschließlich der Pfalz) im Deutschen Reich ab.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Köbler, DRG 131;
Wittelsbach und Bayern, hg. v. Glaser, H., 1980; Heimann, H., Hausordnung und
Staatsbildung, 1993; Straub, E., Die Wittelsbacher, 1994; Kaufhold, M.,
Entscheidungsstrukturen in Dynastie und Reich, ZRG GA 120 (2003), 126; Weller,
T., Die Heiratspolitik, 2004; Holzfurtner, L., Die Wittelsbacher, 2005;
Menzel, M., Die Wittelsbacher Hausmachterweiterung in Brandenburg, Tirol und
Holland, DA 61 (2005), 103; Weiß, D., Kronprinz Rupprecht von Bayern, 2007;
März, S., Das Haus Wittelsbach im ersten Weltkrieg, 2013; Die Wittelsbacher und
die Kurpfalz im Mittelalter, hg. v. Peltzer, J. u. a., 2013
Wittenberg an der Elbe erscheint 1180 als
Burgward. Seit 1212 ist es Vorort einer zunächst askanischen Herrschaft. 1502
wird es Sitz einer Universität (bis 1813/1816). →Luther
Lit.: Distel, T., Beitrag zur Verfassungsgeschichte
des Hofgerichts zu Wittenberg, ZRG GA 12 (1891), 117; Lück, H., Die
Spruchtätigkeit der Wittenberger Juristenfakultät, Diss. jur. Halle 1982, 1998;
700 Jahre Wittenberg, hg. v. Oehmig, S., 1996; Kathe, H., Die Wittenberger philosophische
Fakultät, 2002; Töpfer, T., Die Leucorea am Scheideweg, 2004; Gößner, A., Die
Studenten an der Universität Wittenberg, 2003; Wittenberg, hg. v. Lück, H. u.
a., 2006; Reichelt, S., Der Erlebnisraum Lutherstadt Wittenberg, 2013; DIe
Leucorea zur Zeit des späten Melanchthon, hg. v. Asche, M. u. a., 2015
Wittenwiler, Heinrich (2. H. 14. Jh.) ist der
1395 als Advokat und Notar bezeichnete Hinterthurgauer Landadlige, der vielleicht
zur Zeit des Konzils von Konstanz (1414-1418) das 9700 Verse umfassende
Lehrgedicht „Ring“ mit zahlreichen rechtlichen Bezügen verfasst.
Lit.: Mittler, E., Das Recht in Heinrich Wittenwilers
Ring, 1967; Wießner, E., Der Wortschatz von Heinrich Wittenwilers Ring, hg. v.
Boesch, B., 1970
Wittgenstein an der oberen Lahn ist seit dem 12.
Jh. Sitz eines Grafengeschlechts. Für W. wird 1579 ein eigenes Landrecht aufgezeichnet.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, Historisches Lexikon;
Wrede, G., Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein, 1927; Das
Wittgensteiner Landrecht, hg. v. Hartnack, W., 1960; Wittgenstein, hg. v.
Krämer, F., Bd. 1f. 1965
Wittum ist seit germanischer Zeit die Gabe
des Bräutigams an den Muntwalt der Braut und später an die Braut im Zuge der
Eheschließung (meist als bloße Anwartschaft). Das W. dient der Vorsorge für
den Unterhalt der Frau nach dem Tod des Mannes. Es steht ohne klare Trennung
neben der Morgengabe und bedeutet sachlich meist nur ein Gebrauchsrecht der
Witwe am Wittumsgut.
Lit.: Schröder, R., Geschichte des ehelichen
Güterrechts, 1863, Neudruck 1967, 43, 63, 76; Müller-Lindenlauf, H.,
Germanische und spätrömisch-christliche Eheauffassung, 1969; Mikat, P.,
Dotierte Ehe - rechte Ehe, 1978
Witwe ist der weibliche Ehegatte nach dem
Tod des Ehemanns. Meist geht die Personalgewalt auf die Verwandten des Mannes
über. Die Wiederverheiratung ist möglich, wird von der christlichen Spätantike
(Hieronymus) aber abgelehnt, so dass gelegentlich die W. als eigentliche
Gründerfigur des Mittelalters angesehen wird.
Lit.: Hübner 650; Schwab, D., Grundlage und Gestalt
der staatlichen Ehegesetzgebung, 1967; Humbert, M., Le remarriage à Rome, 1972;
Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Goody, J., Die
Entwicklung von Ehe und Familie, 1986; Kötting, B., Die Bewertung der Wiederverheiratung,
1988; Krause, J., Witwen und Waisen im römischen Reich, 1995; Jussen, B., Der
Name der Witwe, 2000; Dübeck, I., Legal Status of Widows in Denmark 1500-1900,
Scand. J. History 29, 209; Alamichel, M., Widows in Anglo-Saxon and Medieval
Britain, 2008; Back, C., Die Witwen in der frühen Kirche, 2015
Witzenhausen
Lit.: Eckardt, K., Politische Geschichte der Stadt
Witzenhausen, 1925; Eckhardt, K., Politische Geschichte der Landschaft an der
Werra und der Stadt Witzenhausen, 2. A. 1928; Natzmer, O. v., Das Liegenschaftsrecht
des Witzenhäuser Stadtbuchs 1558-1612, (in) Beiträge zur Geschichte der
Werralandschaft 4, 1937
Woche ist die aus sieben Tagen bestehende,
schon im alten Ägypten bekannte Zeiteinheit. Sie findet sich auch im Judentum
und danach im Christentum. In jeder W. ist der (Sabbat bzw.) Sonntag Feiertag.
An einem bestimmten Wochentag findet der Wochenmarkt statt.
Lit.: Grimm, J., Deutsche Rechtsaltertümer, 1828, Bd.
1f. 4. A. 1899, Neudruck 1922, 1988, 1994; Planitz, H., Die deutsche Stadt im
Mittelalter, 1954, 5. A. 1980
Wohlerworben
Lit.: Lübbe-Wolff, G., Das wohlerworbene Recht als Grenze der
Gesetzgebung im 19. Jahrhundert, ZRG GA 103 (1986), 104
Wohlfahrt ist der Zustand der angenehmen
Befindlichkeit. Seit der frühen Neuzeit wird die allgemeine W. zu einem Ziel
herrschaftlichen Handelns. Dabei geht es zunehmend um Wirtschaftspolitik zur
Erreichung von Wohlstand. Vielleicht ist dabei frühneuzeitliche Wohlfahrtsstaatlichkeit
eine notwendige, aber nicht ausreichende Form des Strebens nach Souveränität.
Am Ende des 18. Jh.s kämpft der Liberalismus gegen die damit verbundene
Ausdehnung der staatlichen Tätigkeit an. 1882 spricht das preußische
Oberverwaltungsgericht der Polizei die allgemeine Zuständigkeit für Maßnahmen
der Wohlfahrtspflege ab.
Lit.: Köbler, DRG 146, 198, 252, 253; Geschichtliche
Grundbegriffe, Bd. 7 1992, 595; Merk, W., Der Gedanke des gemeinen Besten, FS
A. Schultze, 1934; Verpaalen, A., Der Begriff des Gemeinwohls bei Thomas von
Aquin, 1954; Schmelzeisen, G., Polizeiordnungen und Privatrecht, 1955;
Guldimann, T., Die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, 1976; Maier, H., Die ältere
deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. A. 1980; Die Entstehung des
Wohlfahrtsstaates, hg. v. Mommsen, W., 1982; Ritter, G., Der Sozialstaat,
1989; Hammerschmidt, P., Die Wohlfahrtsverbände im NS-Staat, 1998; Kaufmann,
F., Varianten des Wohlfahrtsstaats, 2003; Süßmann, J., Die Wurzeln des
Wohlfahrtsstaats, HZ 285 (2007), 19; Healey, J., The First Century of Welfare –
Poverty and Poor Relief in Lancashire 1620-1730, 2014; Büschenfeld, J., Vom
„Sozialismus der Tat“ zur freien Wohlfahrtspflege, 2016
Wohlhaupter, Eugen (Unterwiesenbach/Schwaben
7. 9. 1900-Tönsheide/Schleswig-Holstein 23. 12. 1946), Volksschullehrerssohn,
wird nach dem Rechtsstudium in München (Eichmann) 1934 Lehrstuhlvertreter in
Greifswald und Kiel (1934/1935) sowie 1935 außerordentlicher und 1944
planmäßiger außerordentlicher Professor in Kiel. Seine Arbeiten betreffen
unterschiedliche rechtsgeschichtliche Gebiete.
Lit.: Hattenhauer, H., Rechtswissenschaft im NS-Staat,
1987
Wohnrecht ist das beschränkte dingliche Recht auf
Nutzung einer Wohnung. Es ist bei Justinian (527-565) als (lat. [F.]) habitatio
(Wohnung) bezeugt. Auch das mittelalterliche deutsche Recht kennt Wohnungsberechtigungen.
Bei der Aufnahme des römischen Rechtes wird die habitatio eher abgelehnt.
Danach wird das W. als Personalservitut etwa in das Allgemeine Bürgerliche
Gesetzbuch Österreichs (1811/1812) aufgenommen.
Wohnsitz (1614) ist der örtliche Schwerpunkt der Lebensbeziehungen
eines Menschen. Er ist bereits dem römischen Recht bekannt, wird aber erst
seit dem Spätmittelalter bedeutsamer. Seit dem 18. Jh. wird seine Begründung
und Veränderung formalisiert.
Lit.: Nörr, D., Origo, TRG 31 (1963), 525; Lauter, R.,
Der Wohnsitz nach dem BGB, 1911; Walser, M., Die Bedeutung des Wohnsitzes im
kanonischen Recht, 1992; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen
Privatrechtswortschatzes, 2010
Wohnung ist das meist aus mehreren Räumen
bestehende befriedete Besitztum eines oder mehrerer Menschen zum auf längere
Zeit angelegten Aufenthalt. Das Wohnungsrecht findet sich bereits im
spätrömischen Recht. Die W. wird vielfach durch →Miete erlangt, doch kann
ihrem Besitz auch ein dingliches Recht zugrunde liegen. In der frühen Neuzeit
wird die W. freiheitsrechtlich gegen Herrschaft geschützt (Kurhessen 1831).
Etwa 1895 beginnt die Wohnungsbauförderung für die im öffentlichen Dienst
Beschäftigten durch Staat und Gemeinden. Im 20. Jh. wird zeitweise der gesamte
Bestand an Wohnungen staatlicher Zwangswirtschaft unterstellt.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 127; Gentz, M.,
Die Unverletzlichkeit der Wohnung, 1968, Neudruck 2013: Feldbauer, P.,
Stadtwachstum und Wohnungsnot, 1977; Kohlmorgen, G., Johann Füchting und Füchtings
Hof in Lübeck, 1982; Wolter, U., Mietrechtlicher Bestandsschutz, 1984;
Teuteberg, H./Wischermann, C., Wohnalltag in Deutschland 1850-1914, 1985;
Schlichting, F., Haus und Wohnen in Schleswig-Holstein, 1985; Nörr, K., Zwischen
den Mühlsteinen, 1988; Zimmermann, C., Von der Wohnungsfrage zur
Wohnungspolitik, 1991; Geschichte des Wohnens, hg. v. Reulicke, J. u. a., Bd.
1ff. 1997ff.; Hoepfner, W., Geschichte des Wohnens, 1999; Fuhrmann, B. u. a.,
Geschichte des Wohnens, 2007
Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer
→Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem die Wohnung
tragenden Grundstück. Es ist in Fortsetzung des älteren →Stockwerkseigentums
im Gegensatz zu dem römischrechtlichen Grundsatz (lat.) superficies solo cedit
(die Oberfläche folgt dem Grund) seit der Mitte des 20. Jh.s (Österreich 1948,
Deutschland 1951, Schweiz 1963/1965) aus sozialrechtlichen Überlegungen
zugelassen, so dass in Deutschland am Ende des 20. Jh.s die Zahl der
(Wohnungs-)Eigentümer die Zahl der (Wohnungs-)Mieter übersteigt.
Lit.: Rainer, J., Superficies und Stockwerkseigentum,
ZRG GA 106 (1989), 327; Bärmann, J./Pick, E., Wohnungseigentumsgesetz, 13. A.
1994
Wo kein Kläger, da kein Richter.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 209 (Sachsenspiegel 1221-1224, lat. nemo
iudex sine actore)
Wolf
Lit.: Koschorreck, W., Der Wolf, Diss. jur. Jena 1952
Wolf, Erik (Biebrich bei Wiesbaden 13. 5. 1902-Freiburg im
Breisgau 13. 10. 1977) wird nach dem Studium von Volkswirtschaft und Recht in
Frankfurt am Main und Jena Professor in Rostock (1928), Kiel (1930) und
Freiburg im Breisgau (1930). Bekannt ist sein Werk über die großen Rechtsdenker
der deutschen Geistesgeschichte (1939, 2. A. 1943, 3. A. 1951, 4. A. 1963).
Lit.: Wolf, E., Ausgewählte Schriften, Bd. 1ff.
1972ff.; Hollerbach, A., Erik Wolf, ZRG GA 95 (1978), 33
Wolfenbüttel
Lit.: Das Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr
1574. Der Atlas des Gottfried Mascop, hg. v. Ohainski, U. u. a., 2012 (Neudruck
2013)
Wolff, Christian (Breslau 24. 1. 1679-Halle 9. 4. 1754),
Gerberssohn, wird nach dem 1699 aufgenommenen Studium von Theologie,
Mathematik, Physik, Philosophie und Recht in Jena und (1702) Leipzig (Leibniz)
Philosophielehrer in Leipzig (1703), Professor für Mathematik in Halle (1706),
(nach Landesverweis unter Tötungsandrohung wegen gefährlicher Gedanken)
Professor für Mathematik und Philosophie in Marburg (1723) und (nach Rückruf
durch Friedrich den Großen) Professor für Naturrecht, Völkerrecht und
Mathematik in Halle (1740). Auf der Grundlage der Lehren Leibnizs wie des
Gedankens, dass der (angeboren freie und gleiche) Mensch verpflichtet sei, nach
Vollkommenheit zu streben, stellt er (vor allem auch in 1713 beginnenden
deutschsprachigen, dann seit 1728 in lateinischen Veröffentlichungen sowie
anscheinend in allmählicher Entwicklung) durch Ableitung aus wenigen
Grundsätzen ein geschlossenes System naturrechtlicher Sätze insgesamt auf (lat.
Ius [N.] naturae methodo scientifica pertractatum), mit dem er jedoch, weil er
in konstruktiver Überspitzung etwa für einen einzigen Satz bis zu 300
Obersätze voraussetzt, die Ablösung des →Naturrechts als in der Rechtswirklichkeit
nicht brauchbar einleitet. Seine wichtigsten Schüler sind Cramer, Ickstatt,
Darjes und Nettelbladt.
Lit.: http://www.koeblergerhard.de/Fontes/WolffChristianJusnaturaeBand11740.pdf;
Köbler, DRG 136, 145, 146, 160, 208; Wunner, S., Christian Wolff, 1968;
Backmann, H., Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977; Link, C.,
Herrschaftsordnung und bürgerliche Freiheit, 1979; Christian Wolff, hg. v.
Schneiders, W., 1983; Stipperger, E., Freiheit und Institution bei Christian
Wolff, 1984; Ebihara, A., Justis Staatslehre und Wolffs Naturrechtslehre, ZRG
GA 102 (1985), 239; Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. 1
1988, 289; Luig, K., Die Pflichtenlehre des Privatrechts, (in) Wieacker
Symposion, hg. v. Behrends, O. u. a., 1991, 209; Christian Wolff und die
hessischen Universitäten, hg. v. Eckhardt, W., 2004; Timme, M., Christian
Wolff, JuS 2004, 1042; Gómez Tutor, J., Die wissenschaftliche Methode bei
Christian Wolff, 2004; Wolffiana II Christian Wolff und die europäische Aufklärung,
hg. v. Stolzenberg, J. u. a., 2007; Die causa Christian Wolff, hg. v. Pecar, A.
u. a., 2015
Wolff, Martin (Berlin 26. 9. 1872-London 20. 7. 1953),
Kaufmannssohn, wird nach dem Rechtsstudium in Berlin 1903 außerordentlicher
Professor, 1914 ordentlicher Professor in Marburg, Bonn (1919) und Berlin
(1921), bis er 1934/1935 aus seinem Amt entfernt wird und 1938 nach London
auswandert. Sein 1910 erstmals veröffentlichtes, bis 1932 (9. Auflage) in 37000
Exemplaren erschienenes Sachenrecht gilt als eines der besten privatrechtlichen
Werke des 20. Jh.s.
Lit.: Wolff, M., Der Bau auf fremdem Boden, 1900;
Deutsche Juristen jüdischer Herkunft, hg. v. Heinrichs, H. u. a., 1993, 543;
Hansen, T., Martin Wolff (1872-1953), 2009
Wolhynien, Wolynien, ist das Gebiet zwischen
Bug und Dnjepr. Es bildet im 11./12. Jh. ein unabhängiges Herzogtum
(Lodomerien), wird aber 1188 mit →Galizien vereinigt. 1793/1795 kommt es
bei Teilungen Polens an Russland, von 1921 bis 1944 teilweise an Polen. Die im
19. Jh. eingewanderten Deutschen werden mehrfach verschleppt und umgesiedelt.
Wöllner, Johann Christoph von (1732-1800)
wird in Preußen 1788 Minister des geistlichen Departements. Nach ihm ist ein am
9. 7. 1788 erlassenes Edikt benannt. Es anerkennt den Grundsatz der religiösen
→Toleranz und konfessionellen Parität der drei christlichen
Hauptkonfessionen.
Lit.: Valjavec, F., Das Wöllnersche Religionsedikt,
Hist. Jb. 72 (1953), 386; Theisinger, T., Die Irrlehrefrage im Wöllnerschen
Religionsedikt, Diss. jur. Heidelberg 1975
Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein
Recht verloren.
Lit.: Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter,
hg. v. Schmidt-Wiegand, R., 1996, 190 (Pistorius 1716)
Wood, Thomas (1661-1722) wird nach dem Studium in Oxford
1703 Doctor of Civil Law und 1704 geistlicher Rektor von Hardwick in
Buckinghamshire. 1720 veröffentlicht er An Institute of the Laws of England.
Beeinflusst von Domat versucht er eine Ordnung und Systematisierung des
→common law nach römischrechtlichen Methoden. Seine Verbindung von
römischem Recht und englischem Recht wirkt fast während des gesamten 18. Jh.s
prägend.
Lit.: Holdsworth, W., History of English Law, Bd. 12
1938, 418; Coquillette, D., The Civilian Writers, 1988, 198; Robinson, R., The
Two Institutes of Thomas Woods, American Journal of Legal History, 35 (1991),
432
Wormeln (Kloster bei Warburg 1246-1810)
Lit.: Urkunden des Klosters Wormeln, hg. v. Müller, H., 2009
Worms ist die ursprünglich keltische
Siedlung (Borbetomagus) am linken Ufer des mittleren Rheins, die vielleicht
seit 346 Sitz eines Bischofs ist. 1273 erlangt die bischöfliche, seit 1074 mit
Privilegien begabte Stadt, in der am 23. 9. 1122 nach längeren Verhandlungen
das einen gewissen Ausgleich im Investiturstreit bringende Wormser Konkordat
vereinbart wird, Reichsfreiheit. 1498/1499 erneuert sie in weitgehender
Romanisierung ihr Recht in einer →Reformation.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 93; Köbler,
Historisches Lexikon; Koehne, C., Der Ursprung der Stadtverfassung in Worms,
Speyer und Mainz, 1890; Koehne, C., Die Wormser Stadtrechtsreformation, 1897;
Wormser Recht und Wormser Reformation. Älteres Wormser Recht, hg. v. Kohler, J.
u. a., 1915; Sofsky, G., Die verfassungsrechtliche Lage des Hochstifts Worms,
Diss. jur. Mainz 1955; Theuerkauf, G., Burchard von Worms, Frühmittelalterliche
Studien 2 (1968), 144; Hüttemann, H., Untersuchungen zur Verfassungsgeschichte,
1970; Der Statt Wormbs Reformation, hg. v. Köbler, G., 1985; ¸http://www.koeblergerhard.de/Fontes/ReformationderStattWorms-DerStattWormbsReformacion.pdf;
Die ältesten Urkunden aus dem Stadtarchiv Worms (1074-1255), hg. v. Fees, I. u.
a., 2006; Repertorium der Policeyordnungen der frühen Neuzeit, Bd. 10 bearb.
v. Mahlerwein, G. u. a., 2010 (1394 Nummern)
Wormser Konkordat ist der Vertrag zwischen Papst und
Kaiser vom 23. 9. 1122, der den →Investiturstreit vorläufig abschließt.
Der Kaiser überlässt der Kirche jede Investitur mit Ring und Stab und erlaubt
kanonische Wahlen und freie Weihe. Der Papst lässt zu, dass im deutschen Reich
die Wahl der Bischöfe in Gegenwart des Kaisers vollzogen wird und im Falle der
Uneinigkeit der Kaiser den klügeren Teil unterstützen darf. Nach der Wahl darf
der Kaiser die weltlichen Rechte (Kirchengüter, Regalien u. s. w.) (durch das
Zepter) übertragen. Damit wird die Einheit von geistlicher und weltlicher
Herrschaft aufgegeben.
Lit.: Bernheim, E., Das Wormser Konkordat, 1906;
Rudorff, H., Zur Erklärung des Wormser Konkordats, 1906; Bernheim, E., Die
praesentia regis im Wormser Konkordat, Historische Vierteljahresschrift 1907,
196; Salomon, F., Der Sachsenspiegel und das Wormser Konkordat, ZRG GA 31
(1910), 137; Hofmeister, A., Das Wormser Konkordat, 1962; Investiturstreit und
Reichsverfassung, hg. v. Fleckenstein, J., 1973; Schieffer, R., Die Entstehung
des päpstlichen Investiturverbotes, 1981; Schilling, B., Ist das Wormser
Konkordat überhaupt nicht geschlossen worden?, DA 58 (2002), 123;
http://www.koeblergerhard.de/Fontes/KonkordatvonWorms1122.htm
Wort
Lit.: Wörter und Sachen im Lichte der Bezeichnungsforschung, hg. v.
Schmidt-Wiegand, R., 1981; Baumgart, W., Wörterbuch historischer und politischer
Begriffe des 19. und 20. Jahrhunderts, 2010; Wort - Bild - Zeichen, hg. v.
Speer, H., 2012
Writ ist im englischen Recht das über eine Bitte an den
königlichen Kanzler gegen Entgelt zu erlangende Privileg des Königs, in dem er
in lateinischer Sprache den Sheriff der Grafschaft des Beklagten anweist, dem
Beklagten z. B. zurückzugeben, was er schuldet oder zum königlichen Gericht zu
kommen und zu erklären, warum er es nicht tut. Diese streng formalisierte
verfahrensrechtliche Weisung ist vielleicht über Kirche und Universität durch
das römische Recht beeinflusst. 1227 werden insgesamt 56 Arten von writs unterschieden.
1258 werden neue writs verboten aber als writs upon the case doch wieder zugelassen.
Für Verträge wird ein w. erst 1602 anerkannt. 1832 bestehen 76 verschiedene
Arten von writs und damit Klagen. 1852 wird das System der forms of action
aufgegeben. Die Technik der einzelnen writs kann praktisch nur in den
→inn of courts zuverlässig erlernt werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Peter, H., Actio und writ,
1957; Caenegem, R. van, Royal Writs, 1959; Baker, J., An Introduction to
English Legal History, 1971, 2. A. 1979, 3. A. 1990, 4. A. 2002
Wucher (Wort bereits für das Germanische zu
erschließen, ahd. wuohhar, M., Ertrag) ist
das unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an
Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwächen eines anderen erfolgende
Versprechenlassen oder Gewährenlassen von solchen Vermögensvorteilen für
eine Leistung, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.
Im Mittelalter erklärt sich das kirchliche Gericht für wucherische Geschäfte
zuständig. Zum Ausgleich für den Wegfall des kanonischen →Zinsverbots und
der neuzeitlichen Höchstzinssätze im Liberalismus wird im deutschen Bürgerlichen
Gesetzbuch (1900) ein Wucherverbot geschaffen (Österreich 28. 5. 1881 für
Kreditgeschäfte, 12. 10. 1914 für alle Rechtsgeschäfte, 1916 § 879 II Nr. 4
ABGB).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 214; Trusen, W.,
Spätmittelalterliche Jurisprudenz und Wirtschaftsethik, 1961; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Siems, H., Handel und Wucher im
Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, 1992; Rösch, G., Wucher in
Deutschland 1200-1350, HZ 259, (1994), 593; Dilcher, J., Die
Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Pohlkamp, M.,
Die Entstehung des modernen Wucherrechts, 2009; Liebner, K., Wucher und Staat,
2009; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Was vom Wucher übrigbleibt, hg. v. Casper, M. u. a., 2013; Schmitz, G.,
Hunger und Wucher – Zur konziliaren Wahrnehmung gesellschaftlicher Wirklichkeit
im 9. Jahrhundert (in) DA 70 (2014) 121
Wülfinghausen
Lit.: Urkundenbuch des Klosters Wülfinghausen,
hg. v. Hager, U., Bd. 1f. 1990ff.
Wunder (lat. miraculum) ist das auf vermuteter
göttlicher Einwirkung beruhende, Erfahrungserwartungen widersprechende erwünschte
Geschehen (z. B. Heilung schwerer Krankheiten, unerwartetes Bestehen
bedrohlicher Gefahrenlagen). Es erweckt Hoffnungen anderer. Es trägt unter
Ausnutzung seelischer Nöte Schwacher zum Wohlstand parasitärer Promotoren von
Wallfahrten bei.
Lit.: Wallfahrt St. Georgenberg, hg. v.
Ingenhaeff-Berenkamp, W., 1986; Schuh, B., Jenseitigkeit in diesseitigen
Formen, 1989; Mirakel im Mittelalter, hg. v. Heinzelmann, M. u. a., 2002;
Rendtel, C./Wittmer-Butsch, M., Miracula, 2003; Schwegler, M., Kleines Lexikon
der Vorzeichen und Wunder, 2004; Mirakelberichte des frühen und hohen Mittelalters,
hg. v. Herbers, K., 2005; Franz, L., Wahre Wunder, 2011; Credible Incredible -
The Miraculous in the Ancient Mediterranean, hg. v. Nicklas, T. u. q., 2013
Würde →Menschenwürde
Lit.: Wagner, W., Die Würde des Menschen, 1991
Wurm, Nikolaus (Neuruppin vor Mitte 14. Jh.s-Liegnitz nach
1401), Schüler des Johannes von Lignano in Bologna, ist der sächsische
gelehrte Jurist, der an verschiedenen sächsischen Werken Verbesserungen
vornimmt wie z. B. an der buchschen Glosse oder an der Lehnrechtsglosse
(1386) des Sachsenspiegels. Außerdem verfasst er ein Liegnitzer
Stadtrechtsbuch (1399), die Blume von Magdeburg (um 1390) und die Blume über
den Sachsenspiegel (1397).
Lit.: Amira, K. v./Eckhardt, K., Germanisches Recht,
Bd. 1 4. A. 1960, 162, 178ff.; Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 58, 72; Leuchte, H., Das Liegnitzer Stadtrechtsbuch
des Nikolaus Wurm, 1990
Wursten (aus wort-seten, auf Wurten Sitzende) ist die seit dem 6. Jh. von Friesen
besiedelte Landschaft an der unteren Weser. 1508 wird eine niederdeutsche
Übersetzung der Rüstringer Küren aufgezeichnet, 1611 das Wurstener Landrecht.
Lit.: Lehe, E. v., Geschichte des Landes Wursten, 1973
Württemberg ist die 1081/1092 erscheinende Burg
bei Esslingen, nach der sich Grafen benennen, welche die Landesherrschaft im
östlichen Teil Schwabens erreichen (W.). 1495 wird W. unter Eberhard V., der
1477 die Universität Tübingen gründet, Herzogtum. 1555 wird ein durch Sichard
romanistisch geprägtes, vierteiliges →Landrecht (Prozess, Vertrag,
gewillkürtes Erbrecht, gesetzliches Erbrecht) erlassen, das unter Änderungen
(1567, 1610) bis 1900 in Geltung bleibt. Am Beginn des 19. Jh.s wird der Umfang
des Landes von 9800 Quadratkilometern auf 19500 Quadratkilometer erweitert. Am
25. 9. 1819 gewährt der König von W. eine →Verfassung. Nach dem
revolutionären Umsturz im November 1918 werden am 26. 4. 1919 eine vorläufige
und am 25. 9. 1919 eine revidierte Verfassung beschlossen. 1951/1952 wird W.
mit Baden zu Baden-Württemberg vereinigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG 192, 202, 256,
269; Köbler, Historisches Lexikon; Mohl, R. v., Staatsrecht des Königreichs
Württemberg, 1831; Wirtembergisches Urkundenbuch, Bd. 1ff.; Erzberger, Die
Säkularisation in Württemberg, 1902; Wintterlin, F., Geschichte der Behördenorganisation
in Württemberg, Bd. 1f. 1904ff.; Weller, K., Württembergische Geschichte,
1909, 5. A. 1963; Württembergische ländliche Rechtsquellen, Bd. 1ff. 1910ff.;
Württembergische Landtagsakten, Reihe 2, Bd. 1ff. 1910ff.; Beschreibung des
Oberamts Tettnang, 2. A. 1915; Württembergische Regesten, hg. v. kgl. Haus und
württemberg. Staatsarchiv, 1916ff.; Knapp, T., Neue Beiträge zur Rechts- und
Wirtschaftsgeschichte des württembergischen Bauernstandes, 1919; Knapp, T.,
Das württembergische Hofgericht zu Tübingen und das württembergische
privilegium de non appellando, ZRG GA 48 (1928), 1; Mock, A., Die Entstehung
der Landeshoheit der Grafen von Wirtemberg, 1926; Beschreibung des Oberamtes
Leonberg, 2. A. 1930; Hölzle, E., Das alte Recht und die Revolution, 1931;
Enst, F., Eberhard im Bart, 1933; Miller, M., Die Organisation und Verwaltung
von Neuwürttemberg, 1934; Hölzle, E., Württemberg im Zeitalter Napoleons, 1937;
Müller, K., Gesamtübersicht über die Bestände der staatlichen Archive
Württembergs, 1937; Weller, K., Besiedlungsgeschichte Württembergs vom 3. bis
13. Jahrhundert, 1938; Kothe, I., Der fürstliche Rat in Württemberg, 1938;
Linder, O., Die Entstehung der Verwaltungsrechtspflege des geheimen Rats in
Württemberg, 1940; Graessle, H., Sindelfingen, 1954, Grube, W., Der Stuttgarter
Landtag, 1957; Sauer, P., Das württembergische Heer, 1958; Naujoks, E.,
Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Wieacker, F.,
Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 1952, 2. A. 1967; Hess, R., Familien- und
Erbrecht im württembergischen Landrecht von 1555, 1968; Struck, W., Geschichte
der Stadt Geisenheim, 1972; Philippi, H., Das Königreich Württemberg im Spiegel
der preußischen Gesandtschaftsberichte 1871-1914, 1972; Handbuch der Quellen
und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing,
H., Bd. 1ff. 1973ff., 3,2,2662, 3,3,2864,3700; Bernhard, W., Die
Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg, 1973; Bernhardt, W., Die
Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg und ihre Beamten 1520-1629, 1973;
Vogteien, Ämter, Landkreise in Baden-Württemberg 1, 2, hg. v. Landkreistag,
1975; Maier, K., Die Bürgschaft, 1980; Feuchte, P., Verfassungsgeschichte von
Baden-Württemberg, 1983; Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen, 1985; Stettner,
W., Ebingen, 1986; Gerner, J., Vorgeschichte und Entstehung der württembergischen
Verfassung, 1989; Frey, S., Das württembergische Hofgericht, 1989; Schwarzmeier,
H., Handbuch der baden-würt_tembergischen Geschichte, Bd. 3 1992; Haug-Moritz,
G., Württembergischer Städtekonflikt und deutscher Dualismus, 1992; Gotthard,
A., Konfession und Staatsräson, 1992; Molitor, S., 1495 - Württemberg wird
Herzogtum, 1995; Holthöfer, E., Ein deutscher Weg zu moderner und
rechtsstaatlicher Gerichtsverfassung, 1997; Schuler, P., Regesten zur
Herrschaft der Grafen von Württemberg 1325-1378, 1998; Raberg, F.,
Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933,
2001; Württembergisches Klosterbuch, hg. v. Zimmermann, W. u. a., 2003;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2004; Die Protokolle der
Regierung von Württemberg-Hohenzollern, Bd. 1 bearb. v. Raberg, F., 2004;
Württemberg 1797-1816/19, bearb. v. Paul, I., 2005; Bayer, B., Ich bleibe nicht
mehr über die Nacht Schultheiß, 2006; Mann, B., Kleine Geschichte des
Königreichs Württemberg 1806-1918, 2006; Der württembergische Hof im 15.
Jahrhundert, hg. v. Rückert, P., 2006; Kümmerle, J., Luthertum, humanistische
Bildung und württembergischer Territorialstaat. 2008; Die Aufnahmeprivilegien
für französisch-reformierte Glaubensmigranten im Herzogtum Württemberg,
bearb. v. Schätz, H., 2009; Brüser, J., Herzog Karl Alexander von Württemberg
und die Landschaft (1733 bis 1737), 2010; Die Protokolle der Regierung des Volksstaates
Württemberg, Bd. 1 bearb. v. Baumann, A., 2013; Erdmann, T. v., Die Verfassung
Württembergs von 1919, 2013; Rupp, C., Von der Wiege bis zur Bahre, 2014; Der
„Arme Konrad“ vor Gericht, hg. v. Rückert, P., 2014; Koch, S., Kontinuität im
Zeichen des Wandels – Verfassung und Finanzen in Württemberg um 1800, 2014;
Krippendorf, H., Anekdoten vom württembergischen Hof, 2015; Eckert, G.,
Zeitgeist auf Ordnungssuche – Die Begründung des Königreiches Württemberg
1797-1819, 2016
Wurtzins (M.) Hausstättenzins
Wurzach
Lit.: Vogel, A., Die Rechtsverhältnisse der reichstruchsess-waldburgischen
Stadt Wurzach, Diss. jur. Tübingen 1958
Würzburg am Main wird nach älteren
Siedlungsspuren 704 als Vorort eines fränkischen Herzogtums bezeugt. 741/742
wird es Sitz eines Bischofs, von dem zwischen 995 und 1223 386 Urkunden
nachgewiesen sind. 1402/1410 wird eine 1582 erneuerte Universität eingerichtet.
Um 1200 hat es 7000 bis 8000, um 1500 rund 9000 Einwohner. Das Würzburger
Landgericht will für das Herzogtum →Franken zuständig sein.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Knapp, H., Die
Zenten des Hochstifts Würzburg, 1907; Würzburger Polizeisätze, hg. v. Hoffmann,
H., 1955; Merzbacher, F., Iudicium provinciale ducatus Franconiae, 1956;
Urkundenregesten zur Geschichte der Städte des Hochstifts Würzburg
(1172-1413), bearb. v. Engel, W., 1956; Seberich, F., Das Stadtmodell Würzburg
um 1500, 1968; Johanek, P., Die Frühzeit der Siegelurkunde im Bistum Würzburg,
1969; Schubert, E., Materielle und organisatorische Grundlagen der Würzburger
Universitätsentwicklung, 1973; Schich, W., Würzburg im Mittelalter, 1977;
Trüdinger, K., Stadt und Kirche im spätmittelalterlichen Würzburg, 1978; Fries,
L., Chronik der Bischöfe von Würzburg 741-1495, hg. v. Wagner, U. u. a., Bd.
1ff. 1992ff.; Kummer, C., Die Illustration der Würzburger
Bischofschronik des Lorenz Fries aus dem Jahre 1546, 1995; Geschichte
der Stadt Würzburg, hg. v. Wagner, U., Bd. 1ff. 2001ff.; Raum und Recht –
Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, hg. v. Dreier, H. u. a.,
2002; Schäfer, D., Geschichte Würzburgs, 2003; Sprandel, R., Das Würzburger
Ratsprotokoll des 15. Jahrhunderts, 2003; Müller, K., Die Würzburger
Judengemeinde im Mittelalter, 2004; Hecker, M., Napoleonischer
Konstitutionalismus in Deutschland, 2005; Benkert, C., Die juristische
Fakultät der Universität Würzburg 1914 bis 1960, 2005; Die Lebensbeschreibungen
Bischof Burchards von Würzburg, hg. v. Barlava, D., 2005; Das
Benediktinerkloster St. Stephan in Würzburg, hg. v. Leng, R., 2006; Süßmann,
J., Vergemeinschaftung durch Bauen, 2007; Christoforatou, E., Zwischen
geistlicher Herrschaft und Eigenverantwortung, 2010; Lorenz Fries und sein
Werk, hg. v. Fuchs, F., 2014; Würzburger Ratsprotokolle 1432-1454, bearb. v.
Bieber, A., 2014; Quellen zur Geschichte des Bürgerspitals Würzburg 1500-1650,
bearb. v. Bergerhausen, H., 2014
Wüstung ist die zerstörte oder verlassene
Siedlung. W. (Zerstörung) eines Gutes ist auch als Rechtsfolge möglich (z. B.
bei Landesverrat, Ketzerei, Tötung, Notzucht).
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lappe, J., Die Wüstungen der
Provinz Westfalen, 1916, Frölich, K., Rechtsgeschichte und Wüstungskunde, ZRG
GA 64 (1944), 277; Largiadèr, A., Ein später Fall von strafrechtlicher Wüstung,
ZRG GA 72 (1955), 244; Zahn, N., Die Wüstung, Diss. jur. Basel 1956; Fischer,
H., Die Hauszerstörung, 1957; Abel, W., Die Wüstungen, 1943, 2. A. 1955, 3. A.
1976; Wüstungen in Deutschland – Ein Sammelbericht, hg. v. Abel, W., 1967;
Kühlhorn, E., Die mittelalterlichen Wüstungen in Südniedersachsen, Bd. 1-4
1904ff.
X
Xanten
Lit.: Urkundenbuch des Stiftes Xanten, hg. v. Weiler, P., Bd. 1 1935;
Hawicks, H., Xanten im späten Mittelalter, 2006; Das St. Viktor-Stift Xanten,
hg. v. Geuenich, D. u. a., 2012; Die Stiftskirche des Heiligen Viktor in
Xanten, hg. v. Lieven, J., 2015
Xiphilinos, Johannes (Trapezunt 1010) wird
nach Ausbildung in Konstantinopel Rechtslehrer einer Rechtsschule und kommentiert
das in den →Basiliken überlieferte römische Recht.
Lit.: Schminck, A., Studien zu mittelbyzantinischen
Rechtsbüchern, 1986, 29, 40
Y
Year book ist die Bezeichnung der
Jahrbücher, in denen die Entscheidungen des →englischen Rechtes von
jungen Anwälten in →Law French aufgenommen sind (reports, von 1292 bis
1535 erhalten, Gegensatz lateinische records).
Lit.: Year books Bd. 1ff. 1903ff.; Baker, J., The
Common Law Tradition, 2000
Z
Zabarella, Francesco (Padua 1360-1417),
Patrizierssohn, wird nach dem Studium des Kirchenrechts in Bologna (Antonius de
Butrio) Rechtslehrer in Padua und Bischof von Florenz. Auf dem Konzil von
Konstanz setzt er sich für die Erweiterung der Rechte des Konzils zu Lasten des
Papstes ein.
Lit.: Girgensohn, D., Francesco Zabarella, ZRG KA 79
(1993), 232
Zachariä (1842 von Lingenthal), Carl Salomo
(Meißen 14. 9. 1769-Heidelberg 27. 3. 1843), Advokatensohn, wird nach dem
Studium der Philosophie, Philologie und des Rechtes in Leipzig 1802 Professor
in Wittenberg und Heidelberg (1807). 1808 veröffentlicht er ein systematisch
abgefasstes Handbuch des französischen Civilrechts. 1810 legt der als
schillernd beschriebene Gelehrte das aufgeklärte „Staatsrecht der rheinischen
Bundesstaaten“ vor.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen Rechts,
Bd. 2 1992, 169; Lang, T., Die Staats- und Verfassungslehre Carl Salomo
Zachariaes, 1996
Zachariae, Heinrich Albert (Herbsleben bei
Bad Langensalza 20. 11. 1806-Cannstadt 29. 4. 1875) wird 1829/1830 Strafprozessrechtler
und Staatsrechtler in Göttingen (Grundlinien des gemeinen deutschen
Kriminalprozesses, 1837).
Lit.: Mohl, R. v., Geschichte und Literatur der
Staatswissenschaften, Bd. 2 1855, Neudruck 1960, 266; Bandemer, D., Heinrich
Albert Zachariae, 1985
Zagreb (Agram) an der oberen Save geht auf
antike Grundlagen zurück. 1093 ist es Sitz eines Bischofs. 1242 wird die nach
der Zerstörung (1242) neu entstandene Siedlung Gradec königlich ungarische
Freistadt. 1526 fällt Z. an →Österreich. 1669 erhält es eine Universität.
1718 wird Z. Hauptstadt →Kroatiens.
Lit.: Grothusen, K., Entstehung und Geschichte Zagrebs
bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, 1967;
Juristenausbildung in Osteuropa bis zum ersten Weltkrieg, hg. v. Pokrovac, Z.,
2007
Zahl ist die Umstände nach ihrer Menge
fortlaufend ordnende Einheit. Frühmittelalterliche Zahlenangaben sind wohl
grundsätzlich verlässlich. Bei hohen Heeresangaben sind Übertreibungen
anzunehmen.
Lit.: Ifrah, G., Universalgeschichte der Zahlen, 2. A.
1991; Sonntag, R., Studien zur Bewertung von Zahlenangaben in der
Geschichtsschreibung des frühen Mittelalters, 1987; Bentley, P., Das Buch der
Zahlen, 2008; Kosmos und Zahl, hg. v. Hecht, H. u. a., 2008; Wedell, M.,
Zählen, 2011
Zahlung (Wort 1470, Zahlungsbefehl 1809, Zahlungsort
1766, Zahlungsstatt 1645, Zahlungstermin 1646, Zahlungsunfähigkeit 1766) ist die Tilgung einer Geldschuld.
Sie erfolgt zunächst durch Übereignung der Sache Geldstück, seit dem 19. Jh.
zunehmend bargeldlos.
Lit.: Meder, S., Die bargeldlose Zahlung, 1996; Denzel,
M., Das System des bargeldlosen Zahlungsverkehrs, 2008; Köbler, U., Werden,
Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Linardatos,
D., Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2013
Zähringen bei Freiburg im Breisgau ist die
namengebende Burg einer alemannischen Familie, die 1092 den Titel eines
Herzogs (Gegenherzogs) von Schwaben annimmt. Ihr durch viele Stadtgründungen
(z. B. →Freiburg im Breisgau, →Bern) gekennzeichnetes Herrschaftsgebiet
fällt bei ihrem Aussterben 1218 an verschiedene Nachfolger.
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, Historisches Lexikon;
Hamm, E., Die Städtegründungen der Herzöge, 1932; Mayer, T., Der Staat der
Herzöge, 1935; Büttner, H., Egino von Urach-Freiburg, der Erbe der Zähringer,
1939; Die Zähringer, hg. v. Schadek, H. u. a., 1986; Die Zähringer, hg. v.
Schmid, K. u. a., 1990; Weller, T., Die Heiratspolitik, 2004
Zar (M.) ist der nach lat. Caesar gebildete slawische
Herrschertitel (Russland 1547-1917, Bulgarien 1908-1946). →Kaiser
Lit.: Die russischen Zaren, hg. v. Torke, H., 1995;
Fedorowski, W., Die Zarinnen, 2001
Zalaszowski, Mikolaj (1631-1703) wird nach dem
Studium in Krakau, Rom und Deutschland Professor in Krakau und Posen. Seit
1699 veröffentlicht er (lat.) Ius (N.) regni Poloniae (Recht des Königreichs
Polen).
Lit.: Malinowska, I., Mikolaj Zalaszowski, 1960
Zasius (Zäsy), Ulrich (Huldreich)
(Konstanz 1461-Freiburg im Breisgau 24. 11. 1535) wird nach dem Rechtsstudium
in Tübingen Gerichtsschreiber in Konstanz und Stadtschreiber in Freiburg, wo
er nach weiteren Studien 1506 Professor wird. Er fördert die in Frankreich
gegen die herkömmliche italienische Art (lat. →mos [M.] Italicus) entwickelten
humanistisch-philologischen Neuansätze (→Alciat, lat. →mos [M.]
Gallicus). Bei dem 1520 vorgelegten neuen römischrechtlich beeinflussten
Stadtrecht (Reformation) →Freiburgs wirkt er maßgeblich mit. Er ist der
erste europäisch bedeutsame deutsche Jurist.
Lit.: Köbler, DRG 144, 160; Stintzing, R., Ulrich
Zasius, 1857, Neudruck 1857; Bremer, F., Ulrich Zasius und das Familienstatut
der von Rappoltstein vom Jahre 1511, ZRG GA 18 (1897), 170; Knoche, H., Ulrich
Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1956; Winterberg, H., Die Schüler von Ulrich Zasius, 1961 (132 Schüler und
Hörer); Kisch, G., Zasius und Reuchlin, 1961; Fleischer, G., Ulrich Zasius und
Petrus Stella, Diss. jur. Freiburg im Breisgau (um 1966); Nüwe Stattrechten und
Statuten, hg. v. Köbler, G., 1986; Rowan, S., Ulrich Zasius, 1987; Schroeder,
K., Ulrich Zasius, JuS 35 (1995), 97
Zauber ist die Zuhilfenahme von nichtmenschlichen
geistigen Kräften zur Verwirklichung menschlicher Zwecke. Der Z. gehört
bereits der Vorgeschichte an. Die christliche Kirche wendet sich gegen
bestimmte Formen von Z. und Zauberei und verfolgt insbesondere in der frühen
Neuzeit Was Z. bewirkt, ist ungewiss. →Hexen.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 87; Köbler, WAS;
Mommsen, T., Römisches Strafrecht, 1899, Neudruck 1961; Hansen, J., Zauberwahn,
1900, Neudruck 1964, 1983; Byloff, F., Das Verbrechen der Zauberei, 1902; His,
R., Das Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. 1f. 1920ff., Neudruck 1964;
Kießling, E., Zauberei in den germanischen Volksrechten, 1941; Leutenbauer, S.,
Hexerei und Zauberdelikt, 1972; Zauber, Magie und Rituale, hg. v. Büttner, C.,
1985; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3. A.
1999, 4. A. 2004; Blauert, A., Frühe Hexenverfolgungen, 1989; Clerc, J.,
Homines magici, 1995; Kleinöder-Strobel, S., Die Verfolgung von Zauberei und
Hexerei in den fränkischen Markgraftümern, 2002; Wilde, M., Die Zauberei- und
Hexenprozesse in Kursachsen, 2003
Zauberei →Zauber
Zaudengericht
Lit.: Diels, P./Koebner, R., Das Zaudengericht in Böhmen, Mähren und
Schlesien, 1935
Zaun
Lit.: Amira, K. v., Zaunpflicht zwischen Gemeinweiden und Kulturland,
ZRG GA 29 (1928), 336
zehn Gebote →Dekalog
Zehnt (Wort um 1120 belegt) ist der bereits den Juden im Alten
Testament bekannte, von der Kirche zwischen Spätantike (6. Jh.) und Frühneuzeit
unter Berufung auf biblische Stellen (3. Mose 27,30) geforderte zehnte Teil
eines Ertrags. Er wird von dem merowingischen Hausmeier Karl Martell nach der
im Zuge der Abwehr des Ansturmes der Araber (732) erfolgten Säkularisierung
(Verweltlichung) des Kirchenguts erneuert. Im 13. Jh. wird er zur
Geldleistung. Im 19. Jh. wird der Z. im Gefolge der französischen Revolution
durch die →Kirchensteuer ersetzt (Preußen 20. 6. 1875).
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 84, 198;
Stutz, U., Das karolingische Zehntgebot, ZRG GA 29 (1908), 180; Viard, P.,
Histoire de la dîme ecclésiastique, 1909; Schmid, H., Der Gegenstand des
Zehntstreites zwischen Mainz und den Thüringern im 11. Jahrhundert, ZRG GA 43
(1922), 267; Plöchl, W., Das kirchliche Zehntwesen, 1935; Gmür, R., Der Zehnt
im alten Bern, 1954; Mit dem Zehnten fing es an, hg. v. Schultz, U., 3. A.
1992; Harrer, R., Der kirchliche Zehnt im Gebiet des Hochstifts Würzburg, 1992;
Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und Zehnterhebung,
1996; Jursa, M., Der Tempelzehnt in Babylonien, 1998; Person-Weber, G., Der
Liber decimationis des Bistums Konstanz, 2001; La dîme dans l’Europe médiévale
et moderne, hg. v. v. Viader, R., 2010; Patt, G. Studien zu den Salzehnten im
Mittelalter, 2014
Zeichen →Marke, Warenzeichen
Lit.: Kocher, G., Zeichen und Symbole des Rechts,
1992; Großfeld, B., Zeichen und Zahlen im Recht, 2. A. 1995
Zeil
Lit.: Inventar des Archivs Trauchburg, bearb. v. Rauh, R., 1968; Rauh,
R., Das Hausrecht der Reichserbtruchsessen Fürsten von Waldburg, Bd. 1f. 1971f.
Zeiller, Franz von (Graz 14. 1.
1751-Hietzing bei Wien 23. 8. 1828) wird nach dem Studium der Philosophie in
Graz und des Rechtes in Wien (Martini) Hauslehrer Martinis, 1778
außerordentlicher Professor, 1782 ordentlicher Professor in Wien und 1797
Beisitzer der Hofkommission in Justizgesetzsachen. Er bearbeitet das
westgalizische Strafgesetzbuch und das Strafgesetzbuch des Jahres 1803. Sein
1802 veröffentlichtes natürliches Privatrecht prägt den anschließend von ihm
umgestalteten Stoff des späteren →Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs
(1811/1812, Kommentar 1811/1813). Sein 1810 eingeführter Studienplan drängt
die Geschichte zugunsten der Systematik (auf eine rein dienende Aufgabe)
zurück, doch wird dies 1855 wieder beseitigt. 1813 wird Z. geadelt.
Lit.: Köbler, DRG 142; Swoboda, E., Franz von Zeiller,
1931; Forschungsband Franz von Zeiller, hg. v. Selb, W. u. a., 1980; Franz von
Zeiller. Symposium, hg. v. Desput, J. u. a., 2003
Zeit
Lit.: Engammare, M., L’ordre du temps, 2004; Holford-Strevens, L.,
Kleine Geschichte der Zeitrechnung und des Kalenders, übers. v. Rochow, C.,
2008; Forsythe, G., Time in Roman Religion, 2012; Rosenberg, D. u. a., Die Zeit
in Karten, 2015; Der Faktor Zeit, hg. v. Patzel-Mattern, K. u. a., 2015;
Gebundene Zeit – Zeitlichkeit in Literatur, Philologie und
Wissenschaftsgeschichte FS Wolfgang Adam, hg. v. Standke, J., 2015; Demandt,
A., Zeit – Eine Kulturgeschichte, 2015; Zeitenwandel, hg. v. Esposito, F.,
2017; Garfield, S., Zeitfieber, 2017
Zeitgeschichte ist di; Zeit in den Wissenschaftn,
hg. v. Kautek, W. u. a. 2017e die jüngere Vergangenheit betreffende Geschichte.
In der allgemeinen Geschichte wird die Geschichte der Zeit seit 1918 (Hans
Rothfels 1953 Zeit der Mitlebenden) (bzw. seit 1945) als Z. verstanden. Seit
etwa 1970 wird unter notwendiger Vernachlässigung der allgemeinen
Rechtsgeschichte auch eine juristische Z. angestrebt.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Klippel, D., Juristische Zeitgeschichte,
1985; Juristische Zeitgeschichte - ein neues Fach?, hg. v. Stolleis, M., 1993;
Ramm, T., Rechtszeitgeschichte, 1998, 587; Forum Juristische Zeitgeschichte,
hg. v. Düwell, F. u. a., 1998; Rückert, J., Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA
115 (1998), 1; Kramer, H., Plädoyer für ein Forum zur juristischen
Zeitgeschichte, hg. v. Verein Forum Justizgeschichte, 1998; 50 Jahre Institut
für Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a., 1999; Institut für juristische
Zeitgeschichte Hagen Jahrbuch Bd. 1ff. hg. v. Vormbaum, T., 1999ff.; Vormbaum,
T., Beiträge zur juristischen Zeitgeschichte, 1999; Themen juristischer
Zeitgeschichte, hg. v. Düwell, F./Vormbaum, T., 1999; Rückert, J.,
Zeitgeschichte des Rechts, ZRG GA 117 (2000), 290; Diestelkamp, B., Rechtsgeschichte
als Zeitgeschichte, 2001 (Beiträge); Gehler, M., Zeitgeschichte im dynamischen
Mehrebenensystem, 2001; Senn, M., Recht – Gestern und heute, 2002 (Juristische
Zeitgeschichte); Einführung in die Zeitgeschichte, hg. v. Möller, H. u. a.,
2003; Topitsch, E., Im Irrgarten der Zeitgeschichte, 2003; Metzler, G.,
Einführung in das Studium der Zeitgeschichte, 2004; Wagner, W., Bildatlas der
österreichischen Zeitgeschichte, 2004; Zeitgeschichte
als Problem, hg. v. Nützenadel, A. u. a., 2004; Metzler, G., Einführung in das
Studium der Zeitgeschichte, 2004; Senn, M./Gschwend, L., Juristische
Zeitgeschichte 2. A. 2004, 3. A. 2010; Auf dem Weg in eine neue Moderne?, hg.
v. Raithel, T. u. a., 2009; Möller, H. u. a., 60 Jahre Institut für
Zeitgeschichte, 2009; Neueste Zeit Oldenbourg Geschichte Lehrbuch hg. v.
Wirsching, A., 2009.; Fröhlich, M., Zeitgeschichte, 2009; Österreichischer
Zeitgeschichtetag, hg. v. Böhler, I. u. a., 2010; Epos Zeitgeschichte, hg. v.
Hürter, J. u. a., 2010; Zeitgeschichte ausstellen in Österreich, hg. v. Rupnow,
D. u. a., 2011; D’Aprile, I., Die Erfindung der Zeitgeschichte, 2013; Stolleis,
M., Nahes Unrecht, fernes Recht – zur juristischen Zeitgeschichte im 20.
Jahrhundert, 2014; Der Faktor Zeit – Perspektiven kulturwissenschaftlicher Zeitforschung,
hg. v. Patzel-Mattern, K. u. a., 2015
Zeitschrift ist die im Verlauf der Zeit in Abständen
erscheinende Schrift meist mit kurzen Beiträgen mehrerer Verfasser. Sie
entwickelt sich seit der Erfindung des Buchdrucks. Zeitungen vor der →Zeitung werden von der Familie Fugger seit
1568 gesammelt. Juristische, zunächst noch buchähnliche Zeitschriften werden im
Heiligen römischen Reich seit dem 18. Jahrhundert herausgegeben, in den meisten
übrigen Staaten Europas im 19. Jahrhundert, wobei teilweise die Wissenschaft
im Vordergrund steht, teilweise aber auch die Praxis einbezogen wird.
Erfolgreichste deutschsprachige juristische Zeitschrift ist wohl die 1947 vom
Verlag C. H. Beck begründete Neue Juristische Wochenschrift.
Lit.: Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M. u. a., 1999;
Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Simon, T. u. a., 2006; Weber, H.,
Juristische Zeitschriften des Verlags C. H. Beck, 2007; Das Medium Wissenschaftszeitschrift
seit dem 19. Jahrhundert, hg. v. Stöckel, S. u. a., 2009; Bauer, O., Zeitungen
vor der Zeitung, 2011
Zeitschrift für Rechtsgeschichte ist die der von Savigny und anderen
für Romanistik und Germanistik begründeten Zeitschrift für geschichtliche
Rechtswissenschaft (1815-1845) und der von Reyscher und Wilda herausgegebenen
(germanistischeren) Zeitschrift für deutsches Recht ab 1861 folgende,
Romanistik und Germanistk wieder vereinende, 1880 in eine germanistische Abteilung
und eine romanistische Abteilung gegliederte und (durch Ulrich Stutz) 1911 um
eine kanonistische Abteilung erweiterte Zeitschrift für rechtsgeschichtliche
Forschungen und Besprechungen („Deutschlands berühmteste Zeitschrift“). Seit
2011 erscheinen weiter eine digitale Zeitschrift integrativer europäischer
Rechtsgeschichte (ZIER) und eine besondere Zeitschrift für österreichische
Rechtsgeschichte sowie seit 2012 unter dem Namen Rechtskultur eine dreisprachig
geöffnete Zeitschrift für europäische Rechtsgeschichte.
Lit.: Thieme, H., Hundert Jahre Zeitschrift für
Rechtsgeschichte, ZRG GA 78 (1961), XII; Mayer-Maly, T., Deutschlands
berühmteste Zeitschrift, ZRG GA 102 (1985), 1
Zeitung ist das regelmäßig erscheinende,
über Wissenswertes berichtende Druckerzeugnis. Ab 1568 werden in Augsburg
handschriftliche Nachrichten jeder Art aus Europa gesammelt (so genannte Fuggerzeitungen,
mehr als 16200 Nachrichten bis 1605). Die älteste in Deutschland erschienene
und erhaltene Z. ist Aviso von 1609 für Landadel und Juristen (aus
Wolfenbüttel, zweitälteste Z. der Welt). Seit 1650 gibt es Tageszeitungen. Die
älteste, noch erscheinende Z. der Welt ist die schwedische Post- och Innikes
Tidningar (1645), die älteste noch erscheinende Z. Deutschlands die
Hildesheimer Allgemeine Zeitung (1705), die älteste, noch erscheinende
deutschsprachige Z. die Wiener Zeitung.
Lit.: Baumert, D., Die Entstehung des deutschen
Journalismus, Diss. phil. Berlin 1928, Neudruck 2013; Breil, M., Die Augsburger
Allgemeine Zeitung, 1996; Juristische Zeitschriften, hg. v. Stolleis, M., 1999;
Pross, H., Zeitungsreport, 2000; Schultheiß-Heinz, S., Politik in der
europäischen Publizistik, 2004; Schütz, W., Zeitungen in Deutschland, 2005f;
Juristische Zeitschriften in Europa, hg. v. Stolleis, M. u. a., 2006; Bauer, O., Zeitungen vor der Zeitung, 2011;
Keller, K. u. a., Die Fuggerzeitungen im Kontext, 2015; Leidecker, M., Das ist
die Top-Geschichte des Tages, 2015
Zensor ist der altrömische Amtsträger (2
Zensoren), der aus den ehemaligen Konsuln auf fünf Jahre gewählt wird und wohl
seit 444 v. Chr. für die Aufsicht über die Sitten und die Vermögensveranlagung
zuständig ist.
Lit.: Söllner § 6; Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Köbler,
DRG 18; Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; El Beheiri, N.,
Das regimen morum der Zensoren, 2012
Zensualität ist die durch Leistung von Zins
(Kopfzins, Heiratsabgabe, Sterbeabgabe) gekennzeichnete gesellschaftliche
Stellung im Mittelalter (779 Kapitular von Herstal, urkundlich ab etwa 800, vor
allem bei Tipuarieren, Alemannen und Bayern).
Lit.: Esders, S., Die Formierung der Zensualität, 2010
Zensur ist die Aufsicht über das gesellschaftliche
Verhalten, insbesondere über die Veröffentlichung von Gedanken in Schriftform.
Bereits dem ausgehenden Altertum (ab 4. Jh. n. Chr.) ist die Z. in der Kirche
bekannt. 1184 führt Papst Lucius III. die Nachzensur für die Kirche ein. Sie
wird nach der Erfindung des Buchdrucks wegen der damit verbundenen Gefahren
1487 durch Papst Innozenz VIII. in die Vorzensur umgewandelt. Von 1559/1564
bis 1967 führt die katholische Kirche einen (lat.) Index (M.) librorum
prohibitorum (Anzeiger verbotener Bücher). Dem folgen seit dem 16. Jh. die
neuzeitlichen Landesherren (z. B. Maria Theresia für Österreich 1748, 1749,
1752, 1778 überwog in Österreich die Zahl der verbotenen Bücher die Zahl der
erlaubten Bücher), bis im 19. Jh. der Liberalismus grundsätzlich die
→Pressefreiheit erreicht (in Österreich aber Vorzensur bis 1848,
1852-1862, 1914-1918, 1933-1939, [nicht verbotene] Nachzensur bis 1981).
Lit.: Krempel, O., Das Zensurrecht in Deutschland,
Diss. jur. Würzburg 1921; Eisenhardt, U., Die kaiserliche Aufsicht, 1970;
Busch, R., Die Aufsicht über das Bücher- und Pressewesen in den
Rheinbundstaaten Berg, Westfalen und Frankfurt, 1970; Neumann, D., Staatliche
Bücherzensur, 1977; Ziegler, E., Literarische Zensur, 1983; „Unmoralisch an
sich ...“, hg. v. Göpfert, H. u. a., 1988; Schütz, H., Der mächtigste Zensor,
Börsenbl. f. d. dt. Buchhandel 1989, 2, 70; Schroeder-Angermund, C., Von der
Zensur zur Pressefreiheit, 1993; Leesen, H. v., Eine Zensur findet nicht statt,
Criticon 155 (1997), 145; Eisenhardt, U., Strafe und Strafzweck bei der
Bestrafung von Autoren, Druckern und Händlern verbotener Schriften, FS G.
Bemmann 1997, 36; Inquisition – Index – Zensur, hg. v. Wolf, H., 2001;
Széchényi, B., Rechtliche Grundlagen bayerischer Zensur, 2003; Arnold, M.,
Pressefreiheit und Zensur im Baden des Vormärz, 2003; Müller, B., Zensur im
modernen deutschen Kulturraum, 2003; Olechowski, T., Die Entwicklung des
Pressrechts in Österreich bis 1918, 2004; Bianchin, L., Dove non arriva la
legge, 2005; Brophy, J., Grautöne – Verleger und Zensurregime in Mitteleuropa
1800-1850 )in) HZ 301 2015 297
Zensus (M.) Steuerleistung (z. B. 594 v.
Chr. in Athen, vor allem als Grundlage eines gestuften Wahlrechts [Zensuswahlrechts]
im 19. Jh. [Großbritannien bis 1867, Bayern 1808, in Österreich von 1848 bzw.
vom Kremsierer Entwurf 1849 [Beschränkung des Wahlrechts auf 6-7 Prozent der
Bevölkerung, 1882 durch Taafesche Wahlrechtsreform, 1896 durch Badenische Wahlrechtsreform
gemildert] bis 1907 [Becksche Wahlrechtsreform])
Lit.: Söllner § 6; Baltl/Kocher; De Biasio, G., Il
censo e il voto, 1993; Strejcek, G., Bundesverfassung und Wahlrecht, 2009;
Strelitz-Risse, A., Das Zensuswahlrecht, 2018
Zent (zu lat. centum, Num. Kard., hundert) ist eine in
Herkunft und Bedeutung streitige Verwaltungs- und Gerichtseinheit
(Zentgericht) des Mittelalters.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Die Zenten des Hochstifts
Würzburg, hg. v. Knapp, H., 1907; Kroeschell, K., Die Zentgerichte in Hessen
und die fränkische Centene, ZRG GA 73 (1956), 300; Die Anfänge der
Landgemeinde, 1964
Zentenar
Lit.: Glitsch, H., Der alamannische Zentenar und sein Gericht, 1917
Zentgericht ist das die →Zent betreffende
Gericht.
Lit.: Erler, A., Die Zentgerichtsordnung von
Lützelbach, ZRG GA 66 (1948), 528; Birr, C., Konflikt und Strafgericht, 2002;
Schultheiß, S., Das Zentgericht Burghaslach in Franken, 2007
Zentralbehörde ist vor allem in der Neuzeit die
zusammenfassende Behörde der staatlichen Verwaltung. Sie ist meist bürokratisch
organisiert.
Lit.: Goldschmidt, H., Zentralbehörden und Beamtentum,
1908; Gundlach, F., Die hessischen Zentralbehörden, Teil 1ff. 1930ff.; Press,
V., Calvinismus und Territorialstaat, 1970; Bernhard, W., Die Zentralbehörden
des Herzogtums Württemberg, Bd. 1f. 1973; Lanzinner, M., Fürst, Räte und
Landstände, 1980; Ehlert, H., Die wirtschaftliche Zentralbehörde des Deutschen
Reiches, 1982; Zentrale Orte und zentrale Räume des Frühmittelalters in
Süddeutschland, hg. v. Ettel, P. u. a., 2013
Zentralismus
Lit.: Centralismo e federalismo tra otto(cento) e novecento, hg. v.
Janz, O. u. a., 1997
Zentraluntersuchungskommission ist eine Untersuchungskommission
des →Deutschen Bundes (1819-1828, 1833-1848) gegen revolutionäre
Umtriebe.
Lit.: Weber, E., Die Mainzer Zentraluntersuchungskommission,
1970
Zentrumspartei (bzw. Zentrum) ist
im zweiten Deutschen Reich (1871ff.) die Partei des konservativen
Katholizismus.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Bachem, K., Vorgeschichte,
Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. 1ff. 1927ff., Neudruck
1968; Anderson, M., Windthorst, 1981; Damnitz, M., Bürgerliches Recht zwischen
Staat und Kirche, 2001; Ruppert, K., Die weltanschaulich bedingte Politik der
Deutschen Zentrumspartei in ihrer Weimarer Epoche, HZ 285 (2007) 49
Zepter (N.) (Szepter) Herrscherstab
Lit.: Paatz, W., Sceptrum universitatis, 1953;
Vorbrodt, C./Vorbrodt, I., Die akademischen Szepter, 1971; Kocher, G., Zeichen
und Symbole des Rechts, 1992
Zerreißen ist eine Form der →Todesstrafe
(14.-18. Jh.).
Lit.: Amira, K. v., Die germanischen Todesstrafen,
1922, 131
Zerrüttung ist die Zerstörung durch
Erschütterung, im Recht insbesondere die Z. der ehelichen Lebensgemeinschaft,
die (nach einem vereinzelten ähnlichen Ansatz in Frankreich durch Gesetz vom
20. 9. 1792) in Deutschland 1976 in Ablösung des älteren
Verschuldensgrundsatzes zur Voraussetzung der erleichterten Ehescheidung wird
(in Österreich stattdessen 1978 einvernehmliche Ehescheidung).
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 267; Hattenhauer,
H., Das Zerrüttungsprinzip, FS E. Wolf, 1985, 143; Wolff, A., Das
Zerrüttungsprinzip, FamRZ 1988, 1271; Haibach, U., Familienrecht in der
Rechtssprache, 1991; Bommer, J., Ein Gesetz - zwei Rechtsprechungen?, 2008
Zession (F., Wort 1499 in Worms belegt)
(Schreiten,) Abtretung (einer Forderung)
Lit.: Buch, G., Zur Zession im deutschen
mittelalterlichen Recht, ZRG GA 34 (1913), 429; Huwiler, B., Der Begriff der
Zession, 1975; Luig, K., Zession und Abstraktionsprinzip, (in) Wissenschaft
und Kodifikation, hg. v. Coing, H. u. a., Bd. 2 1977, 112; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Behr, V., Das reichsrechtliche
Zessionsverbot von 1551, Diss. jur. Bochum 2000; Wesener, G., Zession und
Schuldübernahme im Codex Theresianus, (in) Spuren des römischen Rechtes, 2007,
693; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Scheffzek, S., Der Einfluss der Mühlenbruch’schen Zessionslehre, 2011;
Lammeyer, P., Konflikt zwischen Zession und dem vom Zedenten erwirkten Urteil,
2012
Zeuge (lat. [M.] testis) ist der Mensch,
der über Tatsachen, die er wahrgenommen hat (Wahrnehmungszeuge), aussagen soll.
Zeugen gibt es, sobald und solange es Menschen gibt. Die Bedeutsamkeit von
Zeugen für den Beweis von Tatsachen ist zu unterschiedlichen Zeiten verschieden
groß. Zu unterscheiden sind zufällige Zeugen (Zufallszeugen) und Geschäftszeugen
(zur Vornahme eines Geschäfts zugezogene Zeugen). Vielfach ist der Z. bewusst
oder unbewusst unzuverlässig. Spätestens mit dem Inquisitionsprozess erscheint
die Pflicht, in gerichtlichen Verfahren als Z. auszusagen.
Lit.: Kaser §§ 7 I 1, 13 III, 58 IV 2a, 74 I 2c, 87 II
6; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70, 86, 105, 116, 126, 155, 156, 202;
Köbler, WAS; Ruth, R., Zeugen und Eidhelfer, 1922, Neudruck 1973; Karitzky, B.,
Die Geschichte des Zeugnisverweigerungsrechts, Diss. jur. Freiburg im Breisgau
1959; Kornblum, U., Das Beweisrecht des Ingelheimer Oberhofes, Diss. jur.
Frankfurt am Main 1960; Gawlik, A., Intervenienten und Zeugen in den Diplomen
Kaiser Heinrichs IV., 1970; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess,
1971; Schott, C., Ein Zeuge, kein Zeuge, FS F. Elsener, 1977, 222;
Subjektivierung des justiziellen Beweisverfahrens, hg. v. Gouron, A. u. a.,
1994; Bogisch, M., Nemo testis in causa sua, 1998; Plassmann, A., Die Struktur
des Hofes, 1998; Lepsius, S., Der Richter und die Zeugen, 2003; Lepsius, S.,
Von Zweifeln zur Überzeugung, 2003; Garnot, B., Les témoins devant la justice,
2003; Bähr, M., Die Sprache der Zeugen, 2012
Zeumer, Karl (Hannover 31. 7. 1849-Berlin
18. 4. 1914), Kürschnerssohn, wird nach dem Studium der deutschen Sprache und
Geschichte in Göttingen, Leipzig und Berlin Herausgeber wichtiger, vor allem
rechtlicher Quellen (1889 außerordentlicher Professor in Berlin).
Lit.: Historische Aufsätze (FS), 1910; Krammer, M.,
Karl Zeumer, ZRG GA 35 (1914), IX; Stutz, U., Germanistische Chronik, ZRG GA 35
(1914), 646
Ziegenhain
Lit.: Brauer, F., Die Grafschaft Ziegenhain, 1934
Zigeuner ist die ältere, in der Gegenwart
durch die Eigenbezeichnung Roma (Männer, Menschen) oder Sinti ersetzte
Benennung des Angehörigen eines im 10. Jh. aus Nordindien ausgewanderten bzw.
von Arabern verschleppten, seit dem 15. Jh. im Heiligen römischen Reich (1399
Böhmen, 1407 Hildesheim, 1414 Hessen) erscheinenden indogermanischen Volkes.
Der Ausdruck Z. wird politisch um 1860 soziographisch (Fehlen eines festen
Wohnsitzes) geprägt wirksam. Der ausländische Z. wird nach 1871 des Deutschen
Reichs verwiesen, der deutsche Z. seit 1886 polizeilicher Überwachung und
Erfassung unterstellt. Im →Nationalsozialismus wird der Z. ohne totale
Tötungsabsicht verfolgt. In der Gegenwart leben schätzungsweise 80000-120000
Sinti und Roma in der Bundesrepublik Deutschland.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Majer, D., Fremdvölkische im
Dritten Reich, 1981; Gronemeyer, R./Rakelmann, G., Die Zigeuner, 1988; Hohmann,
J. Neue deutsche Zigeunerbibliographie, 1992; Gilsenbach, R., Weltchronik der
Zigeuner, Bd. 1ff. 1994ff. z. T. 2. A. 1997; Lucassen, L, Zigeuner, 1996;
Rütten, W., „Lustig ist das Zigeunerleben“, ZRG GA 114 (1997), 233; Stichwort
Zigeuner, hg. v. Awosusi, A., 1998; Bastian, T., Sinti und Roma im Dritten
Reich, 2001; Lewy, G., Rückkehr nicht erwünscht, 2001; Bonillo, M., Zigeunerpolitik
im Deutschen Kaiserreich 1871-1918, 2001; Weyrauch, W., Das Recht der Roma und
Sinti, 2002; Albrecht, A., Zigeuner in Altbayern 1871-1914, 2002; Fremde Arme –
arme Fremde, hg. v. Patrut, I. u. a. 2007; Zwischen Erziehung und Vernichtung,
hg. v. Zimmermann, M., 2007; Zigeuner und Nation, hg. v. Uerlings, H. u. a.,
2008; Kallenberg, V., Von liederlichen Land-Läuffern zum asiatischen Volk,
2010; Bogdal, K., Europa erfindet die Zigeuner, 2011; Zigeunerverfolgung im
Rheinland, hg. v. Frings, K. u. a., 2012; Mosbacher, A., Wie primitive
Urmenschen – eine späte Entschuldigung – 60 Jahre Zigeuner-Urteile des BGH,
NJW2016, 30; Haumann, H., Die Akte Zilli Reichmann, 2016
Zimbrisch ist die Bezeichnung für in Oberitalien seit dem
Mittelalter bestehende, in der Gegenwart fast ausgestorbene deutsche
Dialekte.
Lit.: Schweizer, B., Zimbrische Gesamtgrammatik, 2008; Bidese, E., Das
Zimbrische von Giazza, 2012 (Ljetzan); Kolmer, A., Pronomen und
Pronominalklitika im Cimbro, 2012
Zins (Wort um 1100 belegt, Lehnwort aus lat. census,
lat. [F.] usura) ist die bereits dem römischen Recht
bekannte Vergütung für den Gebrauch eines Kapitals (um 50 v. Chr.
Höchstzinssatz von 12 Prozent) grundsätzlich durch Vereinbarung (anders bei
Verzug), im allgemeineren Sinn die Abgabe. Der Z. wird in der Naturalwirtschaft
in Sachen, in der Geldwirtschaft in Geld erbracht. Ist der Z. wirtschaftlich
bedeutungslos, dient er der bloßen Anerkennung eines Rechtsverhältnisses etwa
bezüglich eines Grundstücks (Anerkennungszins, Rekognitionszins). Das
kanonische →Zinsverbot verbietet Christen das entgeltliche Darlehen. Seit
1530 wird im Heiligen römischen Reich
der Z. auf 5% festgelegt (1654 6%). Seit 1804 (Code civil) bzw. 1848
setzt sich die Zinsfreiheit durch, doch bildet das Verbot des →Wuchers
eine Schranke.
Lit.: Kaser §§ 33 III, 34 IV, 37 II 2b, 39 I, 41 III
2; Hübner; Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 125, 127, 241; Mentz, F.,
Nasenzins im Elsass?, ZRG GA 47 (1927), 669; Jecklin, F., Zinsbuch der
Galluskirche in Fideris, Jahresbericht der historisch-antiquarischen
Gesellschaft von Graubünden 56 (1927); Kleinau, H., Der Grundzins in der Stadt
Braunschweig, 1929; Gutbrod, W., Die Brechung der Zinsknechtschaft, (in) Das
Grundeigentum 1937, 135; Gebauer, J., Worthzins und Fronzins in der Stadt
Hildesheim, ZRG GA 61 (1941), 150; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f.
1985ff.; Brand, O., Das internationale Zinsrecht Englands, 2002; Dilcher, J.,
Die Zins-Wucher-Gesetzgebung in Deutschland im 19. Jahrhundert, 2002; Gómez
Rojo, M., Historia jurídica del anatocismo, 2003; Köbler, U., Werden, Wandel
und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010; Denjean, C., La loi
du lucre, 2011
Zinsverbot ist das Verbot, einen →Zins
für eine Leistung zu nehmen. Es wird in der Kirche zuerst für Geistliche, seit
dem 5. Jh. n. Chr. auch für Laien entwickelt. Im Mittelalter verbietet die
Kirche wegen Lukas 6,35 Christen grundsätzlich das Nehmen von Zins für
→Darlehen, weshalb Umgehungsgeschäfte (z. B. contractus mohatrae,
Rentenkauf) entwickelt werden und im Übrigen das entgeltliche
Darlehensgeschäft von den →Juden (und Lombarden) durchgeführt wird. Seit
der frühen Neuzeit wird das kanonische Zinsverbot von Höchstzinssätzen
(Heiliges römisches Reich 1654 6%) abgelöst. Dem folgt im 19. Jh. durch den
Liberalismus die nur durch das Wucherverbot geschützte Freigabe des Zinses.
1983 gibt auch die katholische Kirche das W. auf. Auch der Islam kennt eine
ähnliche Einrichtung.
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Köbler, DRG 127, 166; Funk,
F., Geschichte des kirchlichen Zinsverbots, 1876; Lange, H., Das kanonische
Zinsverbot, FS J. Bärmann, 1975, 99; Blomeyer, A., Die Consilienpraxis zum
kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317; Horn, N., Zinsforderung und
Zinsverbot, FS H. Lange, 1992; Was vom Wucher überbleibt - Zinsverbote, hg. v.
Casper, M. u. a. 2013
Zips ist die unter der Hohen Tatra gelegene Landschaft.
1370 erscheint das Landrecht der Zipser, das durch 14 Handschriften des 15.-18.
Jh.s überliefert wird. Es umfasst anfangs 93 Artikel (Familie, Erbe, Vermögen,
Handel, Verfahren, Verwaltung).
Lit.: Oppitz, U., Deutsche Rechtsbücher des
Mittelalters, Bd. 1 1990, 54; Piirainen, I./Papsonová, M., Das Recht der Spis,
1992
Zisleithanien ist das diesseits (westlich) der
Leitha gelegene Gebiet Österreich-Ungarns.
Lit.: Köbler, DRG 220; Baltl/Kocher
Zisterzienser ist der Angehörige des nach dem
1098 von Robert von Molesme und dem heiligen Alberich gegründeten Kloster
Citeaux in Burgund benannten benediktinischen Reformordens. Wichtige deutsche
Niederlassungen sind Kamp, Ebrach und Heiligenkreuz (um 1500 fast 150
Niederlassungen im deutschen Sprachraum, rund 740 insgesamt).
Lit.: Croix Bouton, J. de la, Histoire de l’Ordre de
Citeaux, 1959ff.; Die Zisterzienser, hg. v. Elm, K. u. a. 1980; Toepfer, M.,
Die Konversen der Zisterzienser, 1983; Die Zisterzienser, hg. v. Sydow, J. u.
a., 1989; Hattenhauer, H., Europäische Rechtsgeschichte, 1992, 2. A. 1994, 3.
A. 1999, 4. A. 2004; Kinder, T., Die Welt der Zisterzienser, 1997;
Zisterzienser zwischen Zentralisierung und Regionalisierung, hg. v. Nehlsen, H.
u. a., 1998; Rüffer, J., Orbis Cisterciensis, 1998; Anfänge der Zisterzienser
in Südwestdeutschland, hg. v. Rück, P. u. a., 1999; Von Cîteaux nach
Bebenhausen, hg. v. Scholkmann, B. u. a., 2000; Berman, C., The Cistercian
Evolution, 2000; Zisterzienser, hg. v. Knefelkamp, U., 2001; Eberl, I. Die
Zisterzienser, 2002; Haarländer, S., Die Zisterzienser, 2006; Rüffer, J., Die
Zisterzienser und ihre Klöster, 2007; Norm und Realität, hg. v. Felten, F. u. a., 2009; Zisterzienser im
Norden, hg. v. Bärenfänger, R., 2007; Lester, A., Creating Cistercian Nuns,
2011; Burton, J./Kerr, J., THe Cistercians in the Middle Ages, 2011; Oberste,
J., Die Zisterzienser, 2014; Die Zisterzienser im Mittelalter, hg. v. Mölich,
G. u. a., 2017; Die Zisterzienser – Das Europa der Klöster, hg. v.
LVR-Landesmueseum Bonn, 2017
Zitelmann, Ernst (Stettin 7. 8. 1852-Bonn
25. 11. 1923), Juristensohn, wird nach dem Rechtsstudium in Heidelberg, Leipzig
und Bonn 1879 Professor in Rostock, 1881 in Halle und 1884 in Bonn. Er befasst
sich vor allem mit dem Privatrecht (→Willenserklärung, →Irrtum).
Lit.: Bonner Festgabe für Ernst Zitelmann, 1923;
Repgen, T., Die Kritik Zitelmanns, ZRG GA 114 (1997), 73
Zitiergesetz ist (nach Gustav →Hugo) das
426 von den römischen Kaisern Theodosius II. und Valentinian III. erlassene
Gesetz (Codex Theodosianus 1. 4. 3), das →Papinian, →Paulus,
→Ulpian, →Modestin und →Gaius als maßgebliche Rechtskundige
benennt und bei Verschiedenheit der von ihnen vorgetragenen Ansichten formale
Entscheidungsregeln (Mehrheit, bei Stimmengleichheit Papinian) für die
Richtigkeit einer Lösung festlegt.
Lit.: Dulckeit/Schwarz//Waldstein; Söllner § 19;
Köbler, DRG 52; Teipel, G., Zitiergesetze, ZRG RA 72 (1955), 245; Pringsheim,
F., Zur Textgeschichte des Zitiergesetzes, SDHI 27 (1961), 235
Zittau
Lit.: Zittauer Urkundenbuch, hg. v. Prochno, J., 1939
zivil (Adj.) in
Rom den römischen Bürger betreffend, quiritisch, nichtmilitärisch, nichtkirchlich,
nichtprätorisch, nichtbonitarisch (z. B. Eigentum, bei dem bonitarisches,
durch bloße traditio einer res mancipi übertragenes Eigentum erst durch
Ersitzung ziviles Eigentum wird)
Zivilehe ist die durch weltliche Formen
(Abgabe der Willenserkärung vor einer nichtkirchlichen Stelle) zustandekommende
→Ehe der Neuzeit. Sie erscheint nach der Reformation Martin Luthers
(1517) bereits im 16. Jh. (1580) in den Niederlanden als Möglichkeit
(fakultative Z.), in England 1653 kurzzeitig unter Oliver Cromwell sogar als
einzige Möglichkeit (obligatorische Z.). In Frankreich wird sie durch Gesetz
vom 20. 9. 1792 (und den Code civil von 1804), im Deutschen Reich 1875 und in
Österreich mit dem Ehegesetz von 1938 verwirklicht.
Lit.: Köbler, DRG 161, 209; Conrad, H., Die
Grundlegung der modernen Zivilehe durch die französische Revolution, ZRG GA 67
(1950), 336; Woopen, A., Die Zivilehe, 1956; Schwab, D., Grundlagen und Gestalt
der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit, 1967; Giesen, D., Grundlagen
und Entwicklung des englischen Eherechts, 1973; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Schubert, W., Preußen und die Zivilehe in der
Nachmärzzeit, ZRG GA 104 (1987), 216; Buchholz, S., Eherecht zwischen Staat und
Kirche, 1991; Fuhrmann, I., Die Diskussion über die Einführung der
fakultativen Zivilehe, 1998
Zivilgesetzbuch ist die in mehreren Ländern
verwendete Bezeichnung für ein Privatrechtsgesetzbuch (Schweiz 1907/1912,
Deutsche Demokratische Republik 19. 6. 1975 [Vorarbeiten seit September 1952],
ohne Privatautonomie, ohne besonderes Schuldrecht und ohne besonderes Sachenrecht,
1990 durch das Bürgerliche Gesetzbuch der Bundesrepublik Deutschland
grundsätzlich wieder aufgehoben). Das Zivilgesetzbuch der Schweiz ist seit 1.
1. 1912 in Kraft (Person, Familie, Erbe, Sache [, Obligationenrecht]). Eine
Zusammenstellung der Veränderungen bietet http://www.admin.ch/ch/d/gg/cr/1907/19070042.html
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 181, 184, 255;
Walliser, P., Der Gesetzgeber Johann Baptist Reinert, 1948; Marti, H.,
Wortregister zum schweizerischen Zivilgesetzbuch, 1922; Sontis, J., Das
griechische Zivilgesetzbuch, ZRG RA 78 (1961), 355; Gauye, O., Inventar zur
Dokumentation, Schweizerische Z. f. Gesch. 13 (1963); Gmür, R., Das schweizerische
Zivilgesetzbuch verglichen mit dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1965;
Peter, V., Vergleich einiger grundlegender Rechtsinstitute, Z. f. vergleich.
Rechtswiss. 77 (1978), 277; Schnyder, P., Siebzig Jahre Schweizerisches
Zivilgesetzbuch, 1983; Göhring, J. u. a., Erfahrungen bei der Verwirklichung
des Zivilgesetzbuches, 1986; Das Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen
Republik, hg. v. Eckert, J. u. a., 1995; Eichler, H., Zivilgesetzbücher im
deutschsprachigen Rechtskreis, 1996; Flinder, M., Die Entstehungsgeschichte
des Zivilgesetzbuches der DDR, 1999; ZGB gestern - heute - morgen, hg. v.
Girsberger, D. u. a., 2007; Materialien zum Zivilgesetzbuch, hg. v. Hurni, C.
u. a., Bd. 1f. 2008f.
Zivilisation (F.) ist die Schaffung günstigerer Lebensbedingungen
für den Menschen durch Anwendung von Einsicht bzw. Wissenschaft und Technik
durch den Menschen. Sie entfremdet den Menschen seiner natürlichen Herkunft
und Verhaltensweise. Das Ausmaß der Z. nimmt insbesondere seit der
Sesshaftwerdung des Menschen vor rund 10000 Jahren (z. B. in Mesopotamien und
Ägypten über längere Zeiträume) stark zu (z. B. Vorratshaltung, Hygiene,
Religion, Schrift, Geld, Buchdruck, industrielle Revolution, Strom, Telefon,
Automobil, Flugzeug, Digitalisierung).
Lit.: Frankfort, H., The Birth of Civilization in the Near East, 1951;
Rifkin, J., Die empathische Zivilisation, 2010; Wengrow, D., What Makes
Civilization?, 2010
Zivilliste (F.) Ausgaben eines Staates für die
Hofhaltung (England 1689)
Lit.: Gneist, R., Das englische Verwaltungsrecht, Bd.
1f. 3. A. 1883f.
Zivilprozess (Zivilverfahren) ist das öffentliche
Gerichtsverfahren (Prozess) zwischen einem Kläger und einem Beklagten in
privaten (zivilen) Rechtsstreitigkeiten. Es wird bereits in Rom vom
Strafprozess unterschieden und erfolgt im altrömischen Recht als
Legisaktionenverfahren (→legisactio), danach als →Formularverfahren
und seit der Zeitwende als →Kognitionsverfahren (→cognitio). Im Mittelalter
spaltet sich das wohl zunächst weitgehend einheitliche, anfangs vermutlich in
der Volksversammlung unter einem Vorsitzenden durchgeführte Verfahren, in dem
seit der zweiten Hälfte des 11. Jh.s das Vorgehen in sog. (lat.) ordines
(M.Pl.) iudiciarii (Gerichtsordnungen) erörtert wird, erst im Hochmittelalter
(13. Jh.) vermutlich aus rationalen, wirtschaftlichen Gründen in bürgerliche
Sachen (Z., lat. causae civiles) und peinliche Sachen (→Strafprozess,
lat. causae criminales) auf (str.). Bei den bürgerlichen Klagen werden als
verschiedene Arten die Klage um Schuld, um Gut und um Eigen und Erbe
unterschieden. Dabei leitet auf Antrag des Klägers der Richter das Verfahren
ein, das im Ding stattfindet. Der Beklagte kann sich, wenn er sich dem Begehren
des Klägers widersetzt, durch Eid von der Klage reinigen, sofern ihm der Kläger
nicht unter bestimmten Voraussetzungen den Eid verlegt. Dann entscheidet das
→Gericht durch →Urteil der Schöffen, wer das bessere Recht
glaubhaft macht oder das stärkere Beweismittel anbietet und damit näher zum
→Beweis ist (Beweisrecht). Wegen des Urteils können seit dem
Spätmittelalter die Akten an eine als sachkundiger eingeschätzte Stelle (z. B.
Oberhof) versendet werden. In Oberitalien bildet sich während des Mittelalters
auf der Grundlage des justinianischen Rechtes das römisch-kanonische Verfahren
aus, das allmählich vor allem in den geistlichen Gerichten üblich wird. Es
beginnt mit der vom Kläger bei dem gelehrten Richter erwirkten Ladung des
Beklagten zu einem Termin. Hier überreicht der Kläger dem Beklagten die
Klageschrift mit seiner Rechtsbehauptung. In einem nächsten Termin hat der
Beklagte alle verfahrensablehnenden Verteidigungsgründe vorzubringen. Beide
Parteien können sich vor Gericht durch Prokuratoren vertreten und außerhalb des
Gerichts durch Advokaten beraten lassen. Nach der Leistung eines Gefährdeeids
und der Streitbefestigung ist der Stoff vom Kläger artikuliert vorzutragen
und vom Beklagten dieser Vortrag ebenso zu beantworten. Die geheime Beurteilung
der Beweisergebnisse durch den selbst in →Subsumtion des Sachverhalts
unter den Tatbestand entscheidenden →Richter ist an feste Beweisregeln
gebunden. Der gesamte Verfahrensstoff wird aufgezeichnet. Der Vollstreckung
des kirchengerichtlichen Urteils dient die Exkommunikation. Gegen das Urteil
ist →Appellation und seit dem 12./13. Jh. in bestimmten Fällen auch Nichtigkeitsklage
zulässig. Vor allem über das →Reichskammergericht setzt sich der
gelehrte Z. als gemeiner Z. in der Neuzeit weitgehend durch. Allgemein kann man
deshalb nicht von einem Wandel eines formgebundenen Prozesses oder Verfahrens
zu einem formfreien Prozess oder Verfahren am Übergang vom Mittelalter zur
Neuzeit sprechen. Der Allgemeinen Gerichtsordnung Preußens von 1793/1795
liegt nach überwiegender Ansicht die Inquisitionsmaxime zu Grunde (mit dem
Richter im Mittelpunkt), von der aber Novellen der Jahre 1833/1846 einigen
Abstand nehmen. Der Liberalismus kehrt dagegen nach dem Vorbild des auch Beschleunigung
anstrebenden französischen →Code de procédure civile von 1806 (in Kraft
1807) im 19. Jh. zu →Mündlichkeit und →Öffentlichkeit zurück (Genf
1819, Baden 1831, Hannover 1850 A. Leonhardt, konsequente Mündlichkeit,
weitestgehende Parteiherrschaft, Preußen Entwurf 1864). Im Deutschen Reich wird
auf diesen Grundlagen 1877/1879 der Z. in der →Zivilprozessordnung
geregelt (mit dem Bürger im Mittelpunkt, Österreich 1. 8. 1895, Franz Klein
[1854-1926], unter Ablösung der Allgemeinen Gerichtsordnung von 1781 und der
Westgalizischen Gerichtsordnung von 1796 in Kraft 1898, mit Öffentlichkeit, Mündlichkeit,
freier Beweiswürdigung, Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und Verständnis
von Rechtsdurchsetzung als Gemeinschaftsaufgabe zur Sicherung der
allgemeinen Wohlfahrt und daraus folgender starker Stellung des Richters statt
unbeschränkten Verhandlungsgrundsatzes, weitgehender Übergang zum
Einzelrichter 1914) mit deutlicher Abkehr von der Verhandlungsmaxime in
späteren Novellen von 1924 und 2001. Seit dem ausgehenden 18. Jh. ist im
Übrigen anscheinend in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Kreditverkehrs die
Zahl der Zivilprozesse so sehr gestiegen, dass durch zahlreiche Novellen eine
Vereinfachung und Beschleunigung (ohne überzeugenden Erfolg) angestrebt wird.
Lit.: Kaser 80ff.; Kroeschell, DRG 2, 3; Köbler, DRG
18, 30, 31, 55, 116, 155, 181, 201, 235, 262; Bethmann Hollweg, M. v., Der
germanisch-romanische Zivilprozess, Bd. 1ff. 1868ff., Neudruck 1959; Bülow, O.,
Gemeines deutsches Zivilprozessrecht, hg. v. Braun, J., 2003; Planck, J., Das
deutsche Gerichtsverfahren, Bd. 1f. 1879, Neudruck 1973; Kühtmann, A., Die
Romanisierung des Zivilprozesses in der Stadt Bremen, 1891; Heusler, A., Der
Zivilprozess der Schweiz, 1923; Leiser, W., Der gemeine Zivilprozess, 1961;
Simshäuser, W., Zur Entwicklung des Verhältnisses von materiellem Recht und Prozessrecht,
1965; Kaser, M., Das römische Zivilprozessrecht, 1966; Schubert, W., Das
Streben nach Prozessbeschleunigung und Verfahrensgliederung im
Zivilprozessrecht des 19. Jahrhunderts, ZRG GA 85 (1968), 127; Wedekind, W.,
Bijdrage tot de kennis van de ontwikkeling van de procesgang in civiele zaken,
1971; Schlosser, H., Spätmittelalterlicher Zivilprozess nach bayerischen
Quellen, 1971; Dahlmanns, G., Der Strukturwandel des deutschen Zivilprozesses,
1971; Meyer, D., Gerichtsverfahren und Zivilprozess, Diss. jur. Göttingen 1972;
Steins, A., Der ordentliche Zivilprozess, Diss. jur. Bonn 1972; Budischin, H.,
Der gelehrte Zivilprozess, 1974; Nörr, K., Hauptthemen legislatorischer
Zivilprozessreform, ZZP 87 (1974), 274; König, B., Konformität, Aktenwidrigkeit
und offenbare Gesetzeswidrigkeit im zivilgerichtlichen Verfahren, 1975; Damrau,
J., Die Entwicklung einzelner Prozessmaximen, 1975; Nörr, K., Naturrecht und
Zivilprozess, 1976; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977;
Wollschläger, C., Zivilprozessstatistik und Wirtschaftsentwicklung, ZNR 1981,
16; Ebel, F., 200 Jahre preußischer Zivilprozess, 1982; Dannreuther, D., Der
Zivilprozess, 1987; Schoibl, N., Die Entwicklung des österreichischen
Zivilverfahrensrechts, 1987; Forschungsband Franz Klein, hg. v. Hofmeister,
H., 1988; Faber, R., Die Bemühungen im Herzogtum Nassau, 1990; Wege zu einem
europäischen Zivilprozessrecht, hg. v. Grunsky, W. u. a., 1994; Köster, A., Die
Beschleunigung der Zivilprozesse, 1995; Wollschläger, C., Streitgegenstände und
Parteien am Friedensgericht Xanten 1826-1830, FS K. Kroeschell, hg. v. Köbler,
G. u. a., 1997; Metzger, E., A new outline of the Roman civil trial, 1997;
Litewski, W., Der römisch-kanonische Zivilprozess nach den älteren ordines
iudiciarii, 1999; Rhee, C. van, Litigation and legislation – civil procedure at
first instance in the Great Council for the Netherlands in Malines (1522-1559),
1997; Mölling, A., Der Zivilprozess vor dem rheinischen Friedensgericht, 2000;
Weinreich, O., Der Zivilprozess nach der münsterischen Landgerichtsordnung
von 1571 sowie der vechtischen Gerichtsordnung von 1578, 2004; The law’s delay,
hg. v. Van Rhee, C., 2004; Unger, D., Adolf Wach (1843-1926) und das liberale
Zivilprozessrecht, 2005; European Traditions in Civil Procedure, hg. v. Van
Rhee, C., 2005; Schartl, R., Gerichtsverfassung und Zivilprozess in Frankfurt
am Main im Spätmittelalter, ZRG GA 123 (2006), 136; Zivilprozessreform in der
Weimarer Zeit, hg. v. Schubert, W., 2006; Adler, S., Das Verhältnis von Richter
und Parteien, 2006; 1806. 1976 – 2006 De la commémoration d’un code à l’autre,
hg. v. Cadiet, L. u. a., 2006; Ahrens, M., Prozessreform und einheitlicher
Zivilprozess, 2007; Schlinker, S., Litis contestatio, 2008; Scheifele, A.,
Zivilprozessrecht in Baden 1803-1864 (Elektronische Ressource), Diss. jur.
Konstanz 2008; Zwischen Formstrenge und Billigkeit, hg. v. Oestmann, P., 2009;
Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mittel- und Südeuropa seit 1918, hg.
v. Rechberger, W., 2011; Die Entwicklung des Zivilprozessrechts in Mitteleuropa
um die Jahrtausendwende, hg. v. Sutter-Somm, T., 2012; Europäisches Privatrecht
in Vielfalt geeint. Der modernisierte Zivilprozess in Europa, hg. v. Schulze,
G., 2014; Zivilprozess und historische Rechtserfhrung, hg. v. Baldus, C. u. a.,
2015; Nörr, K., Ein geschichtlicher Abriss des kontinentaleuropäischen
Zivilprozesses, 2015; Bierschenk, L., Die zweite Instanz im deutschen und
französischen Zivilverfahren, 2015
Zivilprozessordnung →Zivilprozess
Lit.: Köbler, DRG 183, 201, 262, 264; Hahn, C., Die
gesammten Materialien zur CPO, 1880; Dahlmanns, G., Neudrucke zivilprozessualer
Kodifikationen und Entwürfe des 19. Jahrhunderts, 1971; Protokolle der
Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen
Bundesstaaten, hg. v. Schubert, W., 1985; Schubert, W., Entstehung und Quellen
der Civilprozessordnung von 1877, 1987; Entwurf und Motive einer
Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den preußischen Staat
(von 1864), hg. v. Schubert, W., 1994; Langer, A., Männer um die
österreichische Zivilprozessordnung 1895, 1995; Die Civilprozessordnung
für das Königreich Württemberg von 1868, hg. v. Schubert, W., 1997;
Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Großherzogtum
Baden von 1851 und 1865, hg. v. Schubert, W., 1997; Entwürfe zu einer
bürgerlichen Prozessordnung für das Königreich Sachsen von 1864 und 1865, hg.
v. Schubert, W., 1997; 100 Jahre österreichische Zivilprozessordnung, hg. v.
Mayr, P., 1998; 100 Jahre ZPO, hg. v. Bundesministerium der Justiz, 1998;
Schade, J., Die Anfrage bei der Gesetzkommission, Diss. jur. Bochum 1998; 100
Jahre österreichische Zivilprozessgesetze, hg. v. Mayr, P., 2000;
Schöniger-Hekele, B., Die österreichische Zivilprozessreform 1895, 2000; Biebl,
G., Bayerns Justizminister v. Fäustle und die deutschen Reichsjustizgesetze,
2003; Nachschlagewerk des Reichsgerichts Gesetzgebung des Deutschen Reichs, Bd.
8 Zivilprozessordnung §§ 1-270, 2013
Zivilrecht ist das Privatrecht oder in etwas
engerem Sinn das bürgerliche Recht. Das Z. nimmt seinen sprachlichen Ausgangspunkt
von (lat.) →ius (N.) civile, dem für die Römer geltenden Recht im
Gegensatz zu (lat.) ius (N.) gentium. Sachlich ist es daneben zumindest aus
heutiger Sicht vom öffentlichen Recht zu trennen. Im Mittelalter ist ziviles
Recht vor allem das weltliche Recht im Gegensatz zum kirchlichen Recht, aber
auch das besondere Stadtrecht im Gegensatz zum Landrecht. Mit dem Hervortreten
der Bürger als bedeutsame politische Kraft im 18. Jh. wird das Z. vorrangig auf
sie bezogen. Deswegen enthalten der Code civil, Zivilgesetzbuch oder
Bürgerliches Gesetzbuch hauptsächlich das für den Bürger wichtige
→Privatrecht.
Lit.: Hedemann, J., Die Fortschritte des Zivilrechts,
Teil 1f. 1910ff., Neudruck 1968; Blomeyer, A., Die Entwicklung des Zivilrechts,
1950; Wüllner, W., Zivilrecht und Zivilrechtspflege, 1964; Peter, H., Vom
Einfluss des deutschen Zivilrechts, FS K. Bader 1965, 321; Kiefner, H., Der
Einfluss Kants, (in) Philosophie und Rechtswissenschaft, 1969, 3; Markovits,
I., Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken, 1969; Reich, N.,
Kodifikation und Reform des russischen Zivilrechts, Ius commune 3 (1970), 152;
Die Entwicklung des Zivilrechts in Mitteleuropa, hg. v. Csizmadia, A. u. a.,
1970; Kitagawa, Z., Rezeption und Fortbildung des europäischen Zivilrechts in
Japan, 1970; Schubert, W., Französisches Recht in Deutschland, 1977; Das neue
Zivilrecht der DDR, hg. v. Westen, K., 1977; Fellner, C., Die Reform der
bayerischen Zivilrechtspflege, Diss. jur. Kiel 1986; Zivilrechtslehrer
deutscher Sprache, hg. v. Kim, H. u. a., 1988; Schröder, R., „... aber im
Zivilrecht“, 1988; Das deutsche Zivilrecht 100 Jahre nach der Verkündung des
BGB, hg. v. Willigmann, A. u. a., 1997; Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935,
hg. v. Hadding, W., 1999; Zivilrechtliche Entdecker, hg. v. Hoeren, T., 2001;
Zivilrecht unter europäischem Einfluss, hg. v. Gebauer, M. u. a., 2005, 2. A.
2010; Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten
ihrer Schüler, hg. v. Grundmann, S. u. a., Bd. 1 2007, Bd. 2 2009; Der
Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, hg. v. Condorelli, O.
u. a., Bd. 1ff. 2009ff.; Weimarer Zivilrechtswissenschaft, hg. v. Löhnig, M. u.
a., 2014
Zivilsache ist das Verfahren in einer privatrechtlichen
Angelegenheit im Wege des →Zivilprozesses.
Lit.: Daut, (Vorname unbekannt), Untersuchung über den
Einfluss nationalsozialistischer Anschauungen, Diss. jur. Göttingen 1965
Znaim ist der 1048 erstmals erwähnte,
1226 mit Stadtrecht begabte Ort an der mittleren Thaya, aus dem ein
Stadtrechtsbuch von 1523 überliefert ist.
Lit.: Bornemann, H., Znaim, das Stadtrechtsbuch von
1523, 1992
Zölibat ist im katholischen Kirchenrecht
die Ehelosigkeit des Geistlichen seit der Synode von Elvira (um 306). In der
Kirchenreform vor dem Investiturstreit von 1075 wird das Z. verlangt. Seit 1139
sind alle Inhaber höherer Weihen (kirchenrechtlich) zu einem ehelosen Leben
verpflichtet.
Lit.: Feine, H., Kirchliche Rechtsgeschichte, 1950, 5.
A. 1972; Leinweber, W., Der Streit um das Zölibat im 19. Jahrhundert, 1978;
Denzler, G., Die Geschichte des Zölibats, 1993; 1992, 2. A. 1994 2.
aktualisierte A. 2016 (will die Unangemessenheit der priesterlichen
Zölibatsverpflichtung nachweisen), Hattenhauer, H., Europäische
Rechtsgeschichte, 3. A. 1999, 4. A. 2004; Heid, S., Zölibat in der frühen
Kirche, 1997; Flüchter, A., Der Zölibat zwischen Devianz und Norm, 2006;
Parish, H., Clerical Celibacy in the West c. 1100-1700, 2010
Zoll ist die meist an der Grenze eines Staates erhobene,
bereits dem römischen Altertum bekannte →Steuer auf die Einfuhr oder
Ausfuhr von Waren. Das entsprechende Zollregal geht vom mittelalterlichen
König meist auf die Landesherren über. Im 19. Jh. bemüht sich der Deutsche
→Zollverein von 1834, im 20. Jh. die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
im Interesse des Handels um Beseitigung von Zöllen innerhalb des Gebiets der
zusammengeschlossenen Staaten (Zollunion).
Lit.: Dulckeit/Schwarz/Waldstein; Kroeschell, DRG 1,
2; Köbler, DRG 84, 98, 113, 134, 198, 233; Böhmer, J., Das Zollwesen in
Deutschland, 1832; Wetzel, E., Das Zollrecht des deutschen Königs, 1893; Haff,
K., Rott- und Zollordnung des Fürstbischofs Peter von Augsburg vom Jahre 1428,
ZRG GA 31 (1910), 424; Ashley, P., Modern tariff history, 1920; Clausnitzer,
M., Deutsche Zollgeschichte, 1933; Grams, W., Der deutsche Zoll, 1954;
Hassinger, H., Die Bedeutung des Zollregals, FS H. Aubin Bd. 1 1965, 151;
Scholz-Babisch, M., Quellen zur Geschichte des klevischen Rheinzollwesens vom
11. bis 18. Jahrhundert, 1971; Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584,
bearb. v. Demandt, K., Bd. 1ff. 1978ff.; Eichstaedt, A., Der Zöllner, Diss.
jur. Frankfurt am Main 1981; Schomburg, W., Lexikon der deutschen Steuer- und
Zollgeschichte, 1992; North, M., Von Aktie bis Zoll, 1995; Adam, H., Das
Zollwesen im fränkischen Reich, 1996; Badian, E., Zöllner und Sünder, 1997;
Pfeiffer, F., Rheinische Transitzölle, 1997; Hackenberg, M., Die Verpachtung
von Zöllen und Steuern, 2002; Linke, H., Das Zollkriminalamt, 2004
Zollverein ist der Zusammenschluss mehrerer
Staaten zu einem einheitlichen Zollgebiet. 1828 vereinbaren Bayern und
Württemberg, Preußen und Hessen sowie mitteldeutsche Staaten je einen Z., zum
1. 1. 1834 die deutschen Staaten (unter gleichzeitigen Umgehung einer vorgesehenen
Bundesregelung ohne das wegen des Widerstands Preußens erst 1865 nur die
Meistbegünstigung erreichende Österreich) einen deutschen Z. Er ist eine
wichtige Vorstufe zur Ausbildung des Deutschen Reiches von 1871 im Sinne der
kleindeutschen Lösung), wobei die höheren Zollvereinsbeamten für die Modernisierung
von Wirtschaft und Gesellschaft eintreten und dem politischen Liberalismus
zuneigen.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 176; Hahn, H.,
Geschichte des deutschen Zollvereins, 1984; Wadle, E., Der Zollverein und die
deutsche Rechtseinheit, ZRG GA 102 (1985), 99; Kreutzmann, M., Bürokratische
Funktionseliten und politische Integration im Deutschen Zollverein
(1834-1871). HZ 288 (2009), 561; Der Deutsche Zollverein, hg. v. Hahn, H. u.
a., 2012; Kreutzmann, M., Die höheren Beamten des deutschen Zollvereins, 2012
(244)
Zone ist ein Teil eines größeren Gebiets (z. B.
Besatzungszone).
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.
Zöpfl, Heinrich (Bamberg 1807-Heidelberg 1877) wird nach
dem Rechtsstudium in Würzburg 1839 außerordentlicher Professor und 1842
ordentlicher Professor in Heidelberg. Seine deutsche Staats- und
Rechtsgeschichte ist ein Institutionenlehrbuch des gemeinen deutschen Privatrechts.
Bedeutsam sind seine Grundsätze des allgemeinen und deutschen Staatsrechts,
1841, 5. A. 1863.
Lit.: Stolleis, M., Geschichte des öffentlichen
Rechts, Bd. 2 1992, 92
Zubehör (Wort um 1360 belegt) ist
die bewegliche Sache, die ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, nach der
Verkehrsanschauung dem wirtschaftlichen Zweck einer Hauptsache zu dienen
bestimmt ist und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen
Verhältnis steht (z. B. Zugtiere auf Bauernhof). Wem das Eigentum am Z.
zusteht, hängt nach römischem Recht von den Einzelumständen ab.
Lit.: Kaser § 18 II; Köbler, DRG 39; Coing, H.,
Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und
Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zuchthaus ist das der zwangsweisen Erziehung
von Erwachsenen dienende Gebäude. Die zwangsweise Erziehung (vor allem zu
Arbeitsamkeit) in einem Z. wird seit der frühen Neuzeit wohl als Ergebnis
religiöser Überlegungen als sinnvoll angesehen (Schloss Bridewell bei London
1555 house of correction, Amsterdam 1595, Bremen 1609, Lübeck 1613, Hamburg
1622, Danzig 1629, Breslau 1668, Wien 1671, Waldheim/Sachsen 1716, Graz 1724,
Innsbruck 1725, Torgau 1730, Kaiserswerth 1736, Nürnberg 1769, Zwickau 1775,
1776 Koblenz). In solche wohl Klöstern und Spitälern nachgebildete Häuser
werden neben Armen (Bettlern), Alten, Geistesgestörten und Kindern auch Diebe
und andere Straftäter aufgenommen. Versuche, die Häuser wirtschaftlich zu
betreiben, scheitern. Außerdem erweisen sich die Häuser eher als Verschlechterungsanstalten,
in denen es den Inhaftierten auch sehr schlecht geht. Später setzt sich Z. als
Bezeichnung für eine Freiheitsstrafe durch. Verbesserungen werden erst im 19.
Jh. umgesetzt. Am 1. 4. 1969 wird die Bezeichnung Z. in Deutschland wegen der
mit dem Z. auch verbundenen schädlichen Folgen aufgegeben.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 158, 205;
Quanter, R., Deutsches Zuchthaus- und Gefängniswesen, 1905, Neudruck 1970;
Radbruch, G., Elegantiae iuris criminalis, 1950; Schlue, H., Die Geschichte des
Bonner Zuchthauses, Diss. jur. Bonn 1957; Nöldeke, W., Die Kölner Zuchthauspläne
von 1609, ZRG GA 79 (1962), 288; Sothmann, M., Das Armen-, Arbeits-, Zucht- und
Werkhaus in Nürnberg, 1970; Stekl, H., Österreichische Zucht- und
Arbeitshäuser, 1978; Fumasoli, G., Ursprünge und Anfänge der Schellenwerke,
1981; Stier, B., Fürsorge und Disziplinierung im Zeitalter des Absolutismus,
1988; Eisenbach, U., Zuchthäuser, Armenanstalten und Waisenhäuser in Nassau,
1994; Schirra, D., Zucht- und Arbeitshäuser als Institution der Fürsorge,
Magisterarbeit 1997; Viebig, M., Das Zuchthaus Halle/Saale, 1998;
Elling-Ruhwinkel, E., Sichern und Strafen, 2005; Strafe, Disziplin und
Besserung, hg. v. Ammerer, G., 2006; Wunschik, T., Honeckers Zuchthaus, 2017
(Brandenburg-Görden)
Züchtigungsrecht ist das Recht eines Menschen, einem
anderen Menschen zum Zweck der Erziehung ein schmerzliches Übel zuzufügen. In
frühen Zeiten steht vor allem dem Hausvater in weitem Umfang ein Z. zu. Das Z.
des Ehemanns gegenüber der Ehefrau verschwindet im 19. Jh. (Preußen 28. 2.
1812, im kanonischen Recht mit der Ersetzung des Corpus iuris canonici durch
den Codex iuris canonici 1917/1918), das Z. der Eltern gegenüber den Kindern
ist noch durch das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (1900) nicht ausgeschlossen,
tritt aber im 20. Jh. mehr und mehr zurück. Ein Z. gegenüber Gesinde endet in
Preußen 1860, das Z. des Lehrers gegenüber Schülern in Deutschland durch
Gesetz von 1951.
Lit.: Köbler, DRG 18; Kober, Die körperliche
Züchtigung, Theolog. Quartalsschr. 57 (1875); Wiens, W., Das Züchtigungsrecht
des Ehemanns, 1909; Vormbaum, T., Politik und Gesinderecht, 1980; Gebhardt, J.,
Prügelstrafe und Züchtigungsrecht, 1994; Priester, J., Das Ende des
Züchtigungsrechts, 2000; Behnke, J., Forschungen und Forschungsdesiderate zur
körperlichen Züchtigung, 2002
Zucker
Lit.: Ouerfelli, M., Le Sucre, 2008
Zufall ist das Ergebnis, für das keine
Gesetzmäßigkeit zu erkennen ist (z. B. Hagel). Der durch Z. eintretende
Schaden fällt bereits im römischen Recht grundsätzlich dem zur Last, dem die
Sache oder Leistung gebührt.
Lit.: Kaser §§ 36 III 5, 37 II 2b; Kroeschell, DRG 3;
Köbler, DRG 44; Hentig, H. v., Sinnvoller Zufall, eine alte Rechtsanschauung,
ZRG GA 80 (1963), 344; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zug am Zuger See ist der um 1200 von den Grafen von Kiburg
gegründete, 1273 an König Rudolf I. von Habsburg gelangte Ort. 1352 wird Z. von
den umgebenden Orten der Eidgenossenschaft der →Schweiz zum Eintritt in
die Eidgenossenschaft gezwungen. 1814 erhält der kleinste Kanton der Schweiz
eine Verfassung.
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Schwerzmann, J.,
Das Zuger Schuldbetreibungsrecht, 1962; Die Rechtsquellen des Kantons Zug, hg.
v. Gruber, E., Bd. 1 1971; Quellen und Literatur der neueren europäischen
Privatrechtsgeschichte, hg. v. Coing, H., Bd. 1ff. 1973ff., 2,2,461; Zwicky,
M., Prozess und Recht im alten Zug, 2003
Zug auf den Gewähren →Gewährschaft
Zugabe
Lit.: Götting, H., Die neuere Entwicklung des Zugaberechts, 1986; Matz,
J., Die Regulierung der akzessorischen Wertreklame, 2005
Zugang (Wort mit allgemeinerer Bedeutung um 765
belegt)
Lit.: Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des
deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zugewinn ist die Vermehrung des Vermögens des Menschen
in der Zeit.
Zugewinngemeinschaft ist der in Deutschland durch das
deutsche Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6. 1957 geschaffene, 2009
abgeänderte Regelgüterstand von Eheleuten. Er bedeutet Gütertrennung mit
Zugewinnausgleich zwischen dem größeren Zugewinn und dem kleineren Zugewinn
nach Auflösung der Ehe. Er kann vertraglich ausgeschlossen werden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, 267; Offen, J., Von
der Verwaltungsgemeinschaft des BGB von 1896 zur Zugewinngemeinschaft, 1994;
Sellschopp, T., Der Weg zum Revokationsrecht der Ehegatten nach § 1368 BGB,
2009
Zugrecht →Näherrecht
Zukunft ist das jenseits der Gegenwart in
der Zeit Kommende.
Lit.: Seefried, E., Zukünfte. Aufstieg und Krise der
Zukunftsforschung, 2015
Zuname (Wort 1467 belegt) ist der seit
dem späten Frühmittelalter zwecks besserer Kennzeichnung der sich
vermehrenden Bevölkerung zum bisherigen Namen hinzutretende Name (Übername,
Familienname), der allmählich außerhalb von Nahebeziehungen die Bedeutung des
eigentlichen Namens (Vornamens) übertrifft..
Lit.: Köbler,
U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010
Zunft ist der Zusammenschluss von Gewerbetreibenden
eines Gewerbes in der hochmittelalterlichen Stadt (Genossenschaft, z. B.
Metzger, Bäcker, Fischer). Die von den Zunftmitgliedern geschaffene
Zunftverfassung enthält viele Zwangselemente. Sie wird im 19. Jh. durch die
Einführung der Gewerbefreiheit (Frankreich 1791, England 1814, Preußen
1807/1810/1811/1845, Österreich 1859) seitens des Liberalismus beseitigt.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2, 3; Köbler, DRG 97; Köbler,
WAS; Keutgen, F., Ämter und Zünfte, 1903; Gallion, W., Der Ursprung der Zünfte
in Paris, 1911; Hegi, F., Geschichte der Zunft zur Schmiden in Zürich, 1914;
Eberstadt, R., Der Ursprung des Zunftwesens und die älteren Handwerkerverbände
des Mittelalters, 2. A. 1915; Akkerman, J., Het ontstaan der ambachtsgilden,
1919; Dieling, F., Zunftrecht, 1932; Lentze, H., Der Kaiser und die
Zunftverfassung, 1933, Neudruck 1954; Mickwitz, G., Die Kartellfunktionen der
Zünfte, 1936; Klapper, H., Das Zunftwesen der Stadt Guhrau, 1936; Siemsen, R.,
Germanengut im Zunftbrauch, 1942; Johanni, O., Zünfte und Zunftrecht in der
Grafschaft Saarbrücken, Diss. jur. Saarbrücken 1957; Johanni, O., Zünfte und
Zunftrecht in der Grafschaft Saarbrücken, 1957; Holland, W., Die
schmalkaldischen Handwerkerzünfte, Diss. jur. Jena 1957; Naujoks, E.,
Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reformation, 1958; Eckhardt, A.,
Eschweger Zunftverfassung und hessische Zunftpolitik, 1964; Luther, R., Gab es
eine Zunftdemokratie?, 1968; Klinger, H., Das Weberamt in Preetz, 1971; Ennen,
R., Zünfte und Wettbewerb, 1971; Planitz, H., Die deutsche Stadt im Mittelalter,
1954, 5. A. 1980; Uhl, H., Handwerk und Zünfte in Eferding, 1973; Göttmann, F.,
Die Frankfurter Bäckerzunft, 1975; Horsch, F., Die Konstanzer Zünfte, 1979;
Hof, H., Wettbewerb im Zunftrecht, 1983; Obst, K., Der Wandel in den
Bezeichnungen für gewerbliche Zusammenschlüsse, 1983; Peitsch, D.,
Zunftgesetzgebung, 1985; Gilden und Zünfte, hg. v. Schwineköper, B., 1985;
Henkel, M., Zunftmissbräuche, 1989; Decker, K., Bürger, Kurfürst und Regierung,
1990; Ebstein, S., Wage, Labor and Guilds, 1991; Das Ende der Zünfte, hg. v.
Haupt, H., 2002; Oestmann, P., Zunftzwang und Handelsfreiheit im frühen 19.
Jahrhundert, ZNR 2004, 246; Kluge, A., Die Zünfte, 2007, 2. A. 2009; Heusinger,
S. v., Die Zunft im Mittelalter, 2009; Stodolkowicz, S., Vom Handel mit Ellen,
2015
Zurechnung, F., Lehnübersetzung von lat.
imputatio durch Samuel Pufendorf 1672, 1893 objektive Z. (Ludwig Harscher von
Almendingen), verschwindet im 19. Jh., 1969/1970 (Jescheck) moderne Lehre von
der objektiven Z.
Zurechnungsfähigkeit ist die Möglichkeit, einem Menschen
unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten einen Unrechtserfolg zuzurechnen und
allgemeiner die Fähigkeit, zusammengehörige Umstände einander überzeugend
zuzuordnen. Die moderne Zurechnungslehre im Strafrecht beginnt mit Samuel
Pufendorf (1632-1694). →Unzurechnungsfähigkeit
Lit.: Kroeschell, DRG 2; Lubbers, F., Die Geschichte
der Zurechnungsfähigkeit, 1938; Larenz, K., Hegels Zurechnungslehre, 1927;
Gschwend, L., Zur Geschichte der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit, 1996
Zürich am Zürichsee bzw. an der Limmat
erscheint im Altertum als römisches Turicum. 1218 ist es reichsunmittelbar.
1351 verbündet es sich mit den Eidgenossen der →Schweiz. Ab 1383 ist es
für wenige Jahre Sitz eines kaiserlichen Hofgerichts. 1833 erhält es eine
Universität. Von 1853 bis 1855 schafft Johann Kaspar Bluntschli ein Privatrechtliches
Gesetzbuch für den Kanton Zürich in fünf Büchern (Personenrecht, Sachenrecht,
Obligationenrecht, Familienrecht und Erbrecht).
Lit.: Köbler, Historisches Lexikon; Handbuch der
Quellen und Literatur zur neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1ff.
1973ff., 2,2,466, 3,2,1939; Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, hg.
v. einer Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Bd. 1ff.
1889ff.; Zeller-Werdmüller, H., Die Zürcher Stadtbücher, 1899; Huber, M., Das
Staatsrecht der Republik Zürich vor dem Jahre 1798, 1904; Fecht, O., Die
Gewerbe der Stadt Zürich, 1909; Hoppeler, R., Die Rechtsquellen des Kantons
Zürich, Teil 1, Bd. 1ff. 1910ff.; Glitsch, H., Zum Strafrecht des Zürcher
Richtebriefs, ZRG GA 38 (1917), 203; Rippmann, F., Die Landeshoheit der Stadt
Zürich über Stadt und Kloster Stein, Zeitschrift für schweizerisches Recht N.
F. 37 (1917); Nabholz, H. u. a., Die Steuerbücher von Stadt und Landschaft
Zürich, Bd. 1f. 1918ff.; Largiadèr, A., Untersuchungen zur zürcherischen
Landeshoheit, 1920; Schultheß, H., Politische, soziale und wirtschaftliche
Miszellen aus dem alten Zürich, 1921; Schoch, F., Das letzte Kloster im Kanton
Zürich, 1921; Vetter, F., Der Übergang der Stadt Stein am Rhein an Zürich,
1923; Eichholzer, E., Zur Geschichte und Rechtsstellung des zürcherischen
Untervogtes, ZRG GA 44 (1924), 197; Guggenbühl, P., Die Entstehung des
zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches, Diss. jur. Zürich 1924; Schnyder,
W., Die Bevölkerung der Stadt und Landschaft Zürich, 1925; Schultheß, H., Die
politische Bedeutung der Zünfte, 1926; Bauhofer, A., Entstehung und Bedeutung
des zürcherischen privatrechtlichen Gesetzbuches von 1853-1855, Z. f. schw. R.
n F. 46 (1927), 1; Huber, W., Das gesetzliche Erbrecht des Kantons Zürich,
1929; Wege, E., Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaßnahmen,
1930; Weisz, L., Aus dem Leben des Bürgermeisters Salomon Hirzel 1580-1652,
1930; Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1930; Largiadèr,
A., Die Anfänge der zürcherischen Landschaftsverwaltung, Zeitschrift für
schweizerische Geschichte 12 (1932); Fritzsche, H., Begründung und Ausbau der
neuzeitlichen Rechtspflege des Kantons Zürich, 1931; Largiadèr, A., Hundert
Jahre antiquarische Gesellschaft in Zürich, 1932; Schmid, A., Winterthur unter
zürcherischer Landeshoheit, 1934; Quellen zur Zürcher Wirtschaftsgeschichte,
bearb. v. Schnyder, W., 1934ff.; Weisz, L., Die zürcherische Exportindustrie, 1936;
Schultheß, H., Kulturbilder aus Zürichs Vergangenheit, 1935; Usteri, P.,
Gerichtsorganisation und Zivilprozess im Kanton Zürich während der Helvetik,
1935; Largiadèr, A., Bürgermeister Rudolf Brun und die Zürcher Revolution von
1336, 1936; Quellen zur Zürcher Zunftgeschichte, hg. v. Schnyder, W., 1936;
Largiadèr, A., Die Entwicklung des Zürcher Siegels, ZRG GA 58 (1938), 367;
Schwarz, A., Das römische Recht an der Universität Zürich, 1938; Geilinger, E.,
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1938; Schwarz, D.,
Münz- und Geldgeschichte Zürichs im Mittelalter, 1940; Ruoff, W., Die Zürcher
Räte als Strafgericht, 1941; Herzog, H., Beiträge zur Geschichte des ehelichen
Güterrechts der Stadt Zürich, 1942; Zimmermann, D., Das persönliche Eherecht
des zürcherischen Matrimonialgesetzes von 1804, 1942; Guyer, P., Verfassungsgeschichte
der Stadt Zürich, 1943; Largiadèr, A., Zürichs Bund mit den Waldstätten, 1953;
Schoop, R., Rechtsstellung, politische und wirtschaftliche Bedeutung der
Zürcher Zünfte, Diss. jur. Zürich 1958; Usteri, E., Die Schildner zum
Schneggen, 1960; Truffer, H., Der Einfluss des Standes im allgemeinen und
zürcherischen Strafrecht, 1960; Zürcher, M., Die Behandlung jugendlicher
Delinquenten, 1960; Steiger, E., Geschichte der Frauenarbeit in Zürich, 1964;
Züsli-Niscosi, F., Beiträge zur Geschichte der Polizeiorganisation der Republik
Zürich, 1967; Plattner, A., Die Herrschaft Weinfelden, 1969; Kramer, S., Hans
Caspar Hirzel, 1974; Weibel, T., Erbrecht und Familie, 1988; Richner, F., David
von Wyss (1763-1839), 1988; Burghartz, S., Leib, Ehre und Gut, 1990; Wernli,
M., Das kaiserliche Hofgericht in Zürich, 1991; Landert-Scheuber, M., Das
politische Institut in Zürich 1807-1833, 1992; Gabathuler, M., Die Kanoniker,
1998; Malamud, S./Sutter, P., Die Betreibungs- und Eingewinnungsverfahren der
Stadt Zürich, ZRG GA 116 (1999), 87; Zürich 650 Jahre eidgenössisch, 2001;
Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte, hg. v. Staatsarchiv des Kantons Zürich,
2000; Malamud, S., Die Ächtung des Bösen, 2003; Müller, M., Gesellschaftlicher
Wandel und Rechtsordnung, 2005; Repertorium der Policeyordnungen 7, hg. v.
Schott-Volm, C., 2006; Casanova, C., Nacht-Leben, 2007; Senn, M., Das
mittelalterliche Zürich, 2007; Jäger, C., Die Gutachtertätigkeit der
Juristenfakultät Zürich, 2008; Matter-Bacon, N., Städtische Ehepaare im
Spätmittelalter, 2016
Zurückbehaltungsrecht (lat. [F.] retentio) ist das
bereits dem römischen Recht bekannte Recht im Austauschvertrag, die Leistung so
lange zurückzuhalten, bis die Gegenleistung angeboten wird.
Lit.: Kaser § 38 IV; Coing, H., Europäisches
Privatrecht, Bd. 1f. 1985ff.
Zusicherung
Lit.: Böckler, R., Die Entwicklung der Zusicherung in der
Rechtsprechung, 1987
Zuständigkeit ist die Berechtigung und Verpflichtung
der Wahrnehmung einer Aufgabe. In einer Rechtsordnung muss die jeweilige Z.
festgelegt werden. Dies muss umso genauer geschehen, je komplexer die
betreffende Gesellschaft gestaltet ist.
Lit.: Kaser § 82 II 3b, c; Sellert, W., Über die
Zuständigkeitsabgrenzung, 1965; Hafke, H., Zuständigkeit in geistlichen
Streitigkeiten, 1972; Weitzel, J., Die Zuständigkeit des Reichskammergerichtes,
ZRG GA 90 (1973), 213; Fricke, M., Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel
im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts, 1993
Zustellung ist der in bestimmter, gesetzlich
vorgeschriebener Form vorzunehmende und zu beurkundende Vorgang der
Verschaffung der Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks. 1877/1879
übernimmt die amtliche Z. der Klage die meisten Wirkungen der aufgegebenen
Streitbefestigung (lat. →litis contestatio [F.]).
Lit.: Köbler, DRG 202
Zutphen
Lit.: Vries, W. de, De opkomst van Zutphen, 1960
Zwang (Wort bereits für das Germanische
zu erschließen, lat. [F.] vis) ist die Einwirkung mit Gewalt auf einen Menschen
oder eine Sache. Jedes auf Z. beruhende Verhalten verletzt bereits im römischen
Recht ohne weiteres die gute Treue. Der Prätor (um 71 v. Chr.) und später das
unter Kaiser Hadrian entstandene Edikt gewähren bei einem in Furcht (lat.
metus) geschlossenen Rechtsgeschäft die Wiederherstellung in den früheren
Zustand (lat. restitutio [F.] in integrum).
Lit.: Kaser §§ 8 IV, 33 IV, 51 V 1; Köbler, DRG 42,
43; Koehne, C., Studien über die Entstehung der Zwangs- und Bannrechte, ZRG GA
25 (1904), 172; Eichholzer, E., Über Zwangs- und Bannrechte, 1913; Wießner, H.,
Twing und Bann, 1935; Hartkamp, A., Der Zwang im römischen Privatrecht, 1971;
Kranig, A., Lockung und Zwang, 1983; Coing, H., Europäisches Privatrecht, Bd.
1f. 1985ff.; Köbler, U., Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes,
2010; Zwangsadministrationen, hg. v. Frommelt, F., 2014
Zwangsarbeit ist die unter äußerem Zwang
geleistete Arbeit (z. B. im Deutschen Reich zwischen 1933 und 1945)(,
deretwegen 1951 erstmals ein Schadensersatzverfahren vor einem deutschen
Zivilgericht durchgeführt wird).
Lit.: Perz, B., Das Projekt „Quarz“. 1991, 2. A. 2014;
Spoerer, M., Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz, 2001; Schulte, J., Zwangsarbeit
und Vernichtung - Das Wirtschaftsimperium der SS, 2001; Hammermann, G.,
Zwangsarbeit für den Verbündeten, 2002; Zwangsarbeit im Dritten Reich, hg. v.
Zumbansen, P., 2002; Freund, F. u. a., Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen
auf dem Gebiet der Republik Österreich 1939-1945, 2004; Rawe, K., … wir werden
sie schon zur Arbeit bringen, 2005; Urban, T., Zwangsarbeit im Tagebau, 2006;
Levin, A., Erinnerung? Verantwortung? Zukunft?, 2007; Hitlers Sklaven, hg. v.
Plato, A. v. 2008; Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, hg. v. Kramer, H. u.
a., 2008; Zwangsarbeit und katholische Kirche, hg. v. Hummel, K. u. a., 2008;
Rumpf, J., Der Fall Wollheim, 2010; Westerhoff, C., Zwangsarbeit im Ersten
Weltkrieg, 2011; Schieder, P., Französische Zwangsarbeiter im Reichseinsatz,
2011; Zwangsarbeiter in Österreich 1939-1945, hg. v. Bacher, D. u. a., 2013;
Steinert, J., Deportation und Zwangsarbeit, 2013; Urban, T., Zwangsarbeit bei
Thyssen, 2014; NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“
1938-1945, hg. v. Rathkolb, O. u. a., 2014, 2. A: 2014; Zwangsarbeit als
Kriegsressource in Europa und Asien, hg. Lingen, K. v. u. a., 2014
Zwangsversteigerung ist die in Deutschland 1897 in
einem besonderen Gesetz geregelte Versteigerung eines →Grundstücks im
Wege der →Zwangsvollstreckung.
Lit.: Köbler, DRG 184
Zwangsverwaltung ist die unter Zwang von einem
Verwalter durchgeführte Verwaltung einer Angelegenheit eines anderen.
Lit.: Zwangsadministrationen, hg. v. Frommelt, F.,
2014
Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung eines dem Gläubiger
gegen den Schuldner im Vollstreckungstitel (z. B. →Urteil) verbrieften
Anspruchs. Sie steht meist am Ende eines Zivilprozesses. Im Deutschen Reich
wird die Personalexekution durch Gesetz vom 16. April 1871 abgeschafft und
durch die Realexekution (Vermögensvollstreckung) ersetzt. Ihr Ablauf wird im
Deutschen Reich 1877/1879 in der Zivilprozessordnung ausführlich geregelt.
→Vollstreckung.
Lit.: Söllner § 8; Köbler, DRG 184, 240; Schönke, A.,
Zwangsvollstreckungsrecht, 1940; Staehelin, A., Zwangsvollstreckung in älteren
Schweizer Stadtrechten, ZRG GA 93 (1976), 184; Die Beratung des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, hg. v. Jakobs, H./Schubert, W., Sachenrecht 4, 1983; Schubert, W.,
Das Zwangsvollstreckungsrecht im Entwurf einer Zivilprozessordnung von 1931,
ZRG GA 121 (2004), 350; Breßler, S., Schuldknechtschaft und Schuldturm, 2004;
Spann, M., Der Haftungszugriff auf den Schuldner, 2004; Ausschüsse für
Vergleichs- und Konkursrecht, hg. v. Schubert, W., 2008; Suter, M.,
Rechtstrieb – Schulden und Vollstreckung im liberalen Kapitalismus 1800-1900,
2016
Zweck (M.) Sinn, Ziel
Lit.: Wischmeyer, T., Zwecke im Recht des Verfasssungsstaates, 2014
Zweckverband
Lit.: Vom Städtebund zum Zweckverband, hg. v. Kirchgässner, B., 1994
Zweibrücken
Lit.: Pöhlmann, C., Regesten der Grafen von Zweibrücken, bearb. v.
Doll, A., 1962; 150 Jahre pfälzisches Oberlandesgericht, hg. v. Reinheimer, W.,
1965; Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Oberlandesgerichts Zweibrücken,
1969
Zweigewaltenlehre ist die von Papst Gelasius I. (1.
3. 492–19. 11. 496) an Hand von Lukas 22,38 (in verfehlter) Auslegung
entwickelte Lehre von zwei gleichberechtigten Gewalten. →Zweischwerterlehre
Zweikammersystem ist das durch die Teilung des
Parlaments in zwei Kammern gekennzeichnete politische System (z. B. Österreich
seit 1848). Ursprünglich entsprechen die beiden Kammern z. B. in England
(seit dem 14. Jh.) verschiedenen Ständen (Adel im Oberhaus, Nichtadlige im
Unterhaus), später kann die zweite Kammer auch föderalistische Interessen
sichern (z. B. Bundestag Deutschlands, Bundesrat Österreichs, Senat der
Vereinigten Staaten von Amerika). In Österreich war 1861 das Herrenhaus die
Vertretung der höheren Stände, das Abgeordnetenhaus die Vertretung der Länder.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Wedel, J. v., Zur Entwicklung
des deutschen parlamentarischen Zweikammersystems, 2011; .Essmann-Bode, C.,
Das Einkammer- und Zweikammersystem im deutschen Konstitutionalismus, 2015
Zweikampf ist der verabredete Kampf zweier
Menschen mit Waffen. Er wird im Mittelalter verschiedentlich zur Entscheidung
eines Streites (z. B. 938 über das Eintrittsrecht von Enkeln) auch im Gericht
verwendet. Seit dem Hochmittelalter tritt er hinter dem Urteil zurück (letzter
gerichtlicher Zweikampf in Tirol 1411/1412 belegt). Sein später Ausläufer ist
(vom 16. Jh.) bis zum 19. Jh. das →Duell.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70; Gál, A.,
Der Zweikampf im fränkischen Prozess, ZRG GA 28 (1907), 236; Fehr, H., Der
Zweikampf, 1908; Coulin, A., Der gerichtliche Zweikampf im altfranzösischen
Prozess, 1906; Coulin A., Verfassung des offiziellen und Entstehung des
privaten Zweikampfes in Frankreich, 1909; Fehr, H., Zur Geschichte des
Zweikampfes, ZRG GA 34 (1913), 422; Bruun, H., Om Tvekampens Stilling i oldgermansk
Rettergang, 1930; Levi, G., Il duello giudiziario, 1932; Wierschin, M., Meister
Johann Liechtenauers Kunst des Fechtens, 1965; Hils, H., Der da sigelos wirt
dem sleht man die hant ab, ZRG GA 102 (1985), 328; Baumgarten, R., Zweikampf §§
201-210 a. F. StGB, 2002; Neumann, S., Der gerichtliche Zweikampf, 2010
Zweiplusvierverhandlungen sind die Verhandlungen der
Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion, Großbritanniens und
Frankreichs mit der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen
Republik über den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur
Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1990. Sie enden mit dem
Zweiplusviervertrag.
Lit.: Kroeschell, 20. Jh.; Köbler, DRG 247; Müller,
R., Der „2+4“-Vertrag, 1997
Zweischwerterlehre (Zweigewaltenlehre) ist
(12./13. Jh.) die (in verfehlter Auslegung) an Lukas 22,38 (Herr [Jesu Christ],
siehe, hier sind zwei Schwerter [zur Verteidigung]) anknüpfende Lehre von zwei
Schwertern, die Gott den Menschen als Zeichen irdischer Herrschaftsgewalt
gelassen habe. Nach imperialer Ansicht (z. B. Sachsenspiegel 1221-1224) stehen
das geistliche Schwert des Papstes und das weltliche Schwert des Königs
gleichberechtigt nebeneinander. Nach kurialistischer Ansicht (11. Jh., z. B.
Bernhard von Clairvaux, Gregor IX., Innozenz IV., Bonifaz VIII., Schwabenspiegel
um 1275, str.) gibt Gott dem Papst zwei Schwerter, von denen der Papst eines
dem Kaiser weitergibt. →Zweigewaltenlehre des Papstes
Lit.: Kroeschell, DRG 1; Köbler, DRG 109
zweiseitig (Adj.) zwei Seiten betreffend (z.
B. Rechtsgeschäft), bilateral
Zweiter Weltkrieg ist der am 1. 9. 1939 auf Grund
der Ansprüche Adolf Hitlers auf mehr Lebensraum für die Deutschen entstehende
Krieg Deutschlands, Italiens und Japans gegen die Alliierten (Großbritannien,
Frankreich). Das Deutsche Reich greift nach einem Nichtangriffspakt mit der
Sowjetunion nacheinander Polen, Dänemark, Norwegen, Frankreich, die
Niederlande, Belgien und Luxemburg an, 1941 Jugoslawien, Griechenland, Bulgarien,
Nordafrika und trotz des Nichtangriffspakts die Sowjetunion (Unternehmen
Barbarossa - von Anfang an wohl aussichtslos -), womit es sich (zusätzlich zu
inhomogener Führungsstruktur, Ressortegoismus der Teilstreitkräfte und allgemeiner
Ressourcenunterlegenheit) kriegsentscheidend übernimmt. Japan greift am 7.
12. 1941 die Vereinigten Staaten von Amerika in Pearl Harbour an, worauf die
Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg eintreten. Danach kommt der
deutsche Vormarsch aus logistischen Gründen zum Stillstand (Stalingrad). In
Italien wird 1943 Benito Mussolini gestürzt, worauf Italien dem Deutschen Reich
den Krieg erklärt. Im Luftkrieg werden die deutsche Industrie und die deutsche
Infrastruktur schwer beschädigt. 1944 landen Truppen der Alliierten in Frankreich.
Am 8. 5. 1945 kapituliert das Deutsche Reich. Japan kapituliert nach dem Abwurf
zweier Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima durch die Vereinigten Staaten von
Amerika am 2. 9. 1945. Insgesamt verursacht der zweite Weltkrieg den Tod von
schätzungsweise 55-60 Millionen Menschen, darunter 5,3 Millionen Soldaten
des Deutschen Reiches und 6 Millionen Juden.
Lit.: Kroeschell, DRG 3; Köbler, DRG 244; Das deutsche
Reich und der zweite Weltkrieg Bd. 1ff. 1979; Frieser, K., Blitzkrieg-Legende,
1995, 2. A., 2. A. 1996, 3. A. 2005, 4. A. 2010;Gruchmann, L., Der zweite
Weltkrieg, 9. A. 1999; Der Mord an den Juden im 2. Weltkrieg, hg. v. Jäckel, E.
u. a., 1985; Hellwinkel, L., Der deutsche Kriegsmarinestützpunkt Brest, 2010;
Hartmann, C., Unternehmen Barbarossa, 2011; Müller, R., Der Feind steht im
Osten, 2011; Bachmann, K., Vergeltung, Strafe, Amnestie, 2011; Rickard, N.,
Advance and Destroy, 2011; Elliger, L., Das Massaker von Oradour, 2012; Müller,
R., Hitlers Wehrmacht 1935-1945, 2012; Kennedy, P., Die Casablanca-Strategie,
2012; Manthe, B., Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft,
2013
Zweizüngiges Urteil ist das mittelalterliche Urteil,
das den Ausgang des Verfahrens sowohl für den Fall des Gelingens des einem der
Beteiligten aufgegebenen Beweises wie auch für den Fall des Misslingens
festlegt. Der Beweis erfolgt nach dem Urteil. Der Ausgang der Beweisführung
entscheidet darüber, welche der beiden um Urteil enthaltenen Möglichkeiten
sich verwirklicht.
Lit.: Kroeschell, DRG 1, 2; Köbler, DRG 70
Zwickau
Lit.: Das Zwickauer Stadtrechtsbuch, ZRG GA 38 (1917), 321; Die
Zwickauer Stadtrechtsreformation 1539/69, hg. v. Berthold, H. u. a., 1935;
Schultze, A., Zur Zwickauer Stadtrechtsreformation, ZRG GA 58 (1938), 709;
Zwickauer Rechtsbuch, hg. v. Ullrich, G., 1941; Simm, H., Für Zwickau ergangene
Leipziger Schöffensprüche, Diss. jur. Leipzig 1941 (masch.schr.); Das älteste
Zwickauer Stadtbuch (1375-1481) und seine Sprache, hg. v. Protze, H., 2008;
Urkundenbuch der Stadt Zwickau, hg. v. Kunze, J. u. a., Teil 2 2012; Steinführer, H., Urkundenbuch der Stadt
Zwickau, Teil 1 2014
Zwing
Lit.: Stutz, U., Zur Herkunft von Zwing und Bann, ZRG GA 57 (1937), 289
Zwingli
Lit.: Köhler, W., Das Buch der Reformation Huldrych Zwinglis, 1926;
Pribnow, V., Die Rechtfertigung obrigkeitlicher Steuer- und kirchlicher
Zehnterhebung bei Huldrich Zwingli, 1996
Zwölftafelgesetz (lat. duodecim tabulae [F.Pl.]
legum bzw. lex [F.] duodecimarum legum) ist das am Beginn der römischen Gesetzgebungsgeschichte
(auf zwölf Tafeln) stehende, wohl für den Ausgleich zwischen Patriziern und
Plebejern bestimmte Gesetz von 451/50 v. Chr. Es ist zu etwa einem Drittel in
40 wörtlichen Bruchstücken in Gesetzesform hauptsächlich durch Varro, Cicero,
Gellius und Festus überliefert und danach an Hand weiterer [etwa 120 bzw. 200]
inhaltlicher Hinweise von der neuzeitlichen Wissenschaft (in etwa 120 teilweise
fragmentarischen Sätzen mit weniger als 500 lateinischen Wörtern) wiederhergestellt
(rekonstruiert). Nach den Vorbildern →Lykurgs (Sparta 8. Jh. v. Chr.),
→Drakons und →Solons (Athen 621, 594) (oder süditalienischer
griechischer Tochterorte) legt es in seinen erst 10, dann 12 Tafeln, die eine
Zehnmännerkommission (lat. [M.Pl.] decemviri) zur Annahme als Gesetz (lat.
[F.] →lex) vorbringt, das Recht in sehr verschiedenen Angelegenheiten für
alle erkennbar fest. Dabei wird teils nur aufgezeichnet, teils neu gesetzt. Die
Sätze folgen nicht systematisch, sondern assoziativ auf einander. Erfasst sind
vor allem Zivilprozess, Familienrecht, Erbrecht, Vermögensrecht,
Deliktsrecht und Sakralrecht, wobei teils manches vertieft angesprochen wird,
anderes nur oberflächlich. Das Z. wird in Bronze(, Holz oder Elfenbein) auf dem
Forum (Markt) Roms aufgestellt. Seine Auslegung (lat. [F.] interpretatio)
betreibt die Priesterschaft als eine Geheimwissenschaft, aus der sich später
die →Jurisprudenz (Rechtsklugheit) entwickelt. Vielleicht werden die
Tafeln von Kelten um 390 v. Chr. zerstört. Noch kurz vor der Zeitenwende
(Cicero) lernen die jungen römischen Bürger das Z. auswendig. Das Z. wird
niemals förmlich außer Kraft gesetzt. Den ersten noch unvollkommenen Rekonstruktionsversuch
veröffentlicht 1515 Aymar du Rivail (Aymarus Rivallius).
Lit.: Kaser §§ 1 II 1, 2 I 2; Dulckeit/Schwarz/Waldstein;
Köbler, DRG 17; Wieacker, F., Solon und die XII-Tafeln, (in) Studi in onore di
E. Volterra, Bd. 4 1971, 757; Behrends, O., Der Zwölftafelprozess, 1974;
Wieacker, F., Römische Rechtsgeschichte, Bd. 1 1988; Das Zwölftafelgesetz, hg.
v. Düll, R., 7. A. 1995; Flach, D., Die Gesetze der frühen römischen Republik,
1994, 109; Das Zwölftafelgesetz, hg. v. Flach, D., 2004; Flach, A., Fortgeltung
des Zwölftafelrechts, 2004
Zypern ist die drittgrößte, im Nordosten
gelegene Insel des Mittelmeeres. Sie wird im ausgehenden 2. Jt. v. Chr. von
Griechen besiedelt und 58 v. Chr. von den Römern erobert. Zwischen 688 und
965 steht Z. unter gemeinsamer Herrschaft Ostroms (→Byzanz) und der
→Araber. Über Venedig (1489) gelangt es an die Türken (1573) bzw. Osmanen.
1878 übernimmt Großbritannien die Verwaltung und annektiert 1923 Z. 1959 wird
Z. unabhängig. 1974 besetzt die Türkei 40% des Gebiets im Norden und Nordosten
(1985 Türkische Republik Nordzypern). Das Recht Zyperns ist dementsprechend
nacheinander griechisch, römisch, arabisch, türkisch und westlich geprägt. 2004
tritt Zypern (in seinem griechischen Teil) der Europäischen Union (1993) bei.
Lit.: Reden, S. v., Zypern, 2. A. 1974; Hitchins, C.,
Cyprus, 1984; Sherman, A., Zypern. Insel des Leids, 1998; Südosteuropahandbuch,
Bd. 8 Zypern, hg. v. Grothusen, K. u. a., 1998; Anstötz, S., Perspektiven zur
staatlichen Neuordnung Zyperns, 2003; Cyprus, hg. v. Nicolaou-Konari, A. u. a.,
2005; Tezcan, T., Der Zypernkonflikt vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof,
2006; Stöwsand, H., Zyperns Beitritt zur Europäischen Union, 2007; The
Formation of Cyprus in the 2nd Millenium B. C., hg. v. Hein, I., 2009;
Schollmeyer, P., Das antike Zypern, 2009; Fujii, T., Imperial Cult and Imperial
Representation in Roman Cyprus, 2013